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Ein neuer Weg für die Trauer

Seelsorgende haben einen neuen Ort geschaffen, an dem Menschen auf unterschiedlichste Weise trauern können. Dieser TrauerRaum im Kreuzgang der Kathedrale beinhaltet verschiedene Stationen wie eine «Klagemauer» oder eine Einladung zum persönlichen Gespräch.

«Trauer hat in unserer Gesellschaft nur wenig Platz. Sie wird als etwas Persönliches angesehen», sagt Seelsorger Matthias Wenk. «Im November wollten wir daher ein Angebot schaffen, das intime Trauer und öffentliche Trauer miteinander verbindet.» TrauerRaum heisst das Projekt, das den Kreuzgang der Kathedrale vom 30.Oktober bis zum 9.November in einen Stationenweg verwandelt. Die Idee dazu hatte Dompfarrer Beat Grögli. Bei einem Besuch in Innsbruck hatte er in der Krypta der Jesuitenkirche das Konzept des TrauerRaums in den Tagen rund um Allerheiligen entdeckt. Sieben Stationen luden die Besucherinnen und Besucher dort ein, sich auf ganz verschiedene Weisen auf ihre Trauer einzulassen und sich mit dieser auseinanderzusetzen. «Als wir die Materialien und Fotos aus Innsbruck sahen, war für uns von der Cityseelsorge klar, dass wir mitmachen und das Projekt nach St.Gallen holen wollen», sagt Matthias Wenk.

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Wer den Kreuzgang der St.Galler Kathedrale nun betritt, wird zunächst auf eine Willkommenstafel stossen, die den Weg durch den TrauerRaum erklärt. Die Besucherinnen und Besucher können alle Stationen abgehen oder sich auch nur auf einige davon einlassen. Die erste Station heisst «steinhart und hoffnungsvoll». Dazu sagt Matthias Wenk: «Trauer liegt oft wie ein Stein auf dem Herzen. In einem ersten Schritt geht es darum, diese abzulegen.» Die Trauernden finden einen mit Wasser gefüllten Kupferkessel vor, in den sie einen Stein sowie Blüten hineinlegen können. «Wasser hat eine reinigende Wirkung. Und in Felsen gibt es Spalten, in denen Neues erblühen kann», erklärt er die Symbolik.

Trauer hat in unserer Gesellschaft nur wenig Platz. Sie wird als etwas Persönliches angesehen.

Bei der nächsten Station stehen die Dankbarkeit und die Frage im Fokus, wie man mit Trauer umgehen kann. Dazu ist die Geschichte «Die Glücksbohnen» aufgelegt, die davon handelt, wie man glückliche Erinnerungen sammeln und bewahren kann. Danach führt der Weg zur Station «Ein Herz hat zwei Kammern», die die Anatomie des menschlichen Herzens symbolisch aufgreift. Eine Kammer steht für das Zerbrochene im Leben. Die Besuchenden können dafür eine Scherbe in ein grosses Herz aus Metall legen. Die zweite Kammer symbolisiert die Hoffnung, die pulsiert und den Körper mit Leben durchströmt. Ein farbiges Herz, das die Besuchenden mitnehmen dürfen, soll im Alltag an die zwei Kammern in unseren Herzen erinnern.

Die vierte Station ist schliesslich der Versöhnung gewidmet. «Wenn Menschen sterben, bevor man sich mit ihnen versöhnen konnte, belastet das einen meist sehr», sagt Matthias Wenk. Aufgegriffen wird dieses Thema mit der Geschichte «Das weisse Band», die Hoffnung auf Versöhnung gerade in ungewissen Situationen macht. An der Station «Klagemauer» können die Besucherinnen und Besucher ihre Trauer schliesslich in eigene Worte fassen und auf Zettel aufschreiben, um sie der Klagemauer zu übergeben.

Seelsorger Matthias Wenk

Die Station «Ganz Ohr» lädt zu einem persönlichen Gespräch mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ein. Sowohl Beat Grögli als auch Matthias Wenk sowie einige weitere Seelsorgende werden wochentags von 9 bis 11 Uhr und 17 bis 19 Uhr, samstags von 9 bis 11 Uhr und 14 bis 16 Uhr sowie sonntags von 14 bis 16 Uhr vor Ort sein und das Gespräch anbieten. «Das ist nicht zuletzt ein Grund, wieso wir uns für den Kreuzgang der Kathedrale entschieden haben. Er bietet genügend Platz und Einteilungsmöglichkeiten, um den TrauerRaum privat begehen zu können.» Der TrauerRaum endet schliesslich in der Kathedrale, wo die Besuchenden eine Kerze anzünden können – als Symbol für die Hoffnung und die Verbindung mit dem Menschen, um den man trauert. Abschluss des Projektes «TrauerRaum» ist die Vesper in der Kathedrale am 9.November. Die Zettel, die an die Klagemauer angebracht wurden, werden nach dem Gottesdienst verbrannt und die Asche später an die Steinach übergeben. (nar)

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