Berufungsgeschichte

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Aus dem Orden

Möglicherweise ruft Gott leise

Meine Berufungsgeschichte

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erwählt; Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Jesaja 43,1

M

it den Worten aus Jesaja möchte ich sagen: Ich wurde in dieses Leben gerufen, es ist ein Geheimnis der Liebe Gottes und meiner Eltern, die mir das Leben geschenkt haben. Ihnen und meinen Geschwistern verdanke ich vieles! Meine Eltern lebten ihren Glauben in aller Einfachheit und Schlichtheit. Gastfreundschaft und Helfen waren in unserer Familie eine Selbstverständlichkeit. Sehr früh, mit 15 Jahren, verspürte ich zum ersten Mal dieses leise Rufen, diesen Gedanken mit der Frage: Bin ich gemeint? Es hatte mit meinem Lieblingslied zu tun: „Alles meinem Gott zu Ehren!“. Ich war ergriffen, ich spürte diese tiefe Sehnsucht, ich möchte mein Leben Gott schenken. Doch nicht jetzt, dachte ich! Zu schön war gerade meine Zeit, ich war so glücklich und zufrieden, ich hatte eigentlich alles, es fehlte mir nichts. Doch dieser Gedanke kam immer öfter, oft gelegen, dann wieder sehr ungelegen. Was möchte Gott von mir, war meine Frage? In dieser Zeit suchte ich öfters als sonst ruhige Orte auf, betete viel, ging in die Stille, versuchte mit Menschen darüber zu sprechen, die mich jedoch nicht verstehen konnten. Langsam begriff ich es und so reifte in mir der Entschluss, in eine Gemeinschaft einzutreten. Unsere Schwestern - Sr. Bertwalda, Sr. Alberta und Sr. Serafina kannte ich bereits, da ich die landwirtschaftliche Fachschule in Wels besucht hatte. Sie waren für mich ein Beispiel für gelungenes und geglücktes Leben! Sie strahlten Freude und Hoffnung aus. In diese Zeit des Suchens fiel die Krebserkrankung eines guten Freundes, die zum Tod führte. Durch dieses Ereignis stellten sich noch einmal viele Fragen. Wie kann Gott das zulassen und warum? Immer wieder war ich am Ergründen, dem Leben tiefer auf die Spur zu kommen. Alle diese Erfahrungen zeigten mir, ich konnte bei meinem JA bleiben, ich war bereit zu gehen. Am 15. Jänner 1980 machte ich mich im „Vertrauen auf Gott“ auf den Weg nach Vöcklabruck. Freunde und Freundinnen, Menschen, die mir viel bedeuteten, meine Sicherheiten und meine geliebte Heimat ließ ich zurück. Es dauerte, bis sich mein Heimweh in Heimat verwandelt hatte und in Leidenschaft für das MEHR zum Leben. Am 11. August 1988 durfte ich die Profess auf Lebenszeit ablegen. Meinen Weg, meinen Dienst und meine Aufgaben in der Gemeinschaft sehe ich im Leben nach den evangelischen Räten und nach der Lebensform des hl. Franz von Assisi. Der

Grund meines Lebens und Glaubens ist das Evangelium zu leben. In Peuerbach und im Kinderdorf St. Anton in Bruck an der Glocknerstraße begleitete ich viele Jahre lang Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die durch ihre Beeinträchtigung vom Leben benachteiligt waren. Einige Jahre davon auch die Pädagoginnen und Pädagogen, die sich mit viel Liebe und Freude für die Menschen einsetzten. Dabei war mit Franz von Assisi immer ein großes Vorbild – er stieg vom Ross und umarmte den Aussätzigen, er begegnete den Menschen auf Augenhöhe, riskierte sein Leben, wünschte den Frieden und lebte aus der Freude des Glaubens. Leidenschaftlich und mit Freude lebe ich meine Berufung mit allen Höhen und Tiefen. Immer wieder neu werde ich bei meinem Namen gerufen, denn Berufung geschieht nicht punktuell, sondern wirkt fort. Dass ER mich kennt und liebt, lässt mich leben und schenkt mir Kraft für meinen Weg. Besonders dann, wenn es gilt, mich wieder neu in den Dienst nehmen zu lassen. Seit 1999 begleite ich junge Frauen, die sich von Gott gerufen fühlen und die ihrer Berufung auf der Spur sind. Für mich als Begleiterin ist es ein Geschenk, eine Gnade zu erleben, wie Frauen auf den Ruf Gottes durch ihr Leben Antwort geben. Das Geheimnis Gottes mit den Menschen wird hier erahnbar und spürbar! Berufung ist ein Geheimnis! Berufung geschieht aus Liebe und auch die Antwort darauf, die Nachfolge, wird nur möglich, wenn sie aus einer lebendigen Beziehung, aus Liebe gegeben wird. Mein täglich gelebtes JA zu Gott und zu den Menschen schenkt mir Hoffnung und Freude für meinen Weg, um mit IHM an der Seite der Menschen zu sein. Mit einem Gebet, das wir täglich beten, möchte ich schließen: „Herr, schenke unserer Gemeinschaft Schwestern, die dein Lob künden und deine Liebe sichtbar machen.“

4 FRANZISKANERINNEN

VÖCKLABRUCK

Shalom Sr. Angelika Garstenauer


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