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Thema im Fokus
Bank of Japan unter Druck
Die Bank of Japan ist die Mutter der expansiven Geldpolitik. Dank geldpolitischer Innovation und Kreativität befinden sich die Zinsen dort seit Jahren nahe der Nulllinie. Mehr denn je steht dies heute in starkem Kontrast zu den makroökonomischen Fundamentaldaten und der Geldpolitik im Rest der Welt. Die japanische Notenbank steht massiv unter Druck und dürfte vom Markt gezwungen werden ihr geldpolitisches Experiment eher früher als später zu beenden.
Geldpolitische Innovation…
In Japan läuft seit Jahren (oder besser Jahrzehnten) ein grosses geldpolitisches Experiment. Eine ganze Generation kennt dort praktisch nur noch Nullzinsen und Deflation(sgefahren). Architekt, Umsetzer und Sprachrohr für diese Geldpolitik ist seit zehn Jahren der japanische Notenbankgouverneur Haruhiko Kuroda. Dieser war 2013 mit dem Versprechen angetreten „zum frühestmöglichen Datum“ eine Inflationsrate von 2% zu erreichen – ein Versprechen, das er nie einlösen konnte. An Ideen hatte es dabei nicht gemangelt. Nachdem die japanische Notenbank (BoJ) 2016 aufgrund permanenter Wertpapierkäufe bereits mehr als die Hälfte aller japanischen Anleihen besass, erfand Kuroda die sogenannte „Zinskurvenkontrolle“. Anstatt monatlich einen bestimmten Betrag an Staatsanleihen zu kaufen, versprach die BoJ die Zinsen in gewissen Bandbreiten zu halten. Massgeblich dafür war die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen, welche zunächst in einem Band von +/- 0.1%, später in einer Spanne von +/- 0.25% fixiert wurde.
…mit Nebenwirkungen
letzten Herbst) und bis heute regelmässig wiederkehrende Stresssituationen am japanischen Anleihemarkt (inklusive fast gänzlich austrocknender Liquidität). Im Dezember sah sich die Notenbank schliesslich gezwungen, etwas Luft aus dem Kessel zu lassen und das Handelsband für 10-jährige Staatsanleihen auf +/- 0.50% zu verdoppeln. Doch seitdem spekulierte der Finanzmarkt erst recht auf ein Ende der Zinskurvenkontrolle. Allein in den vier Wochen nach dieser geldpolitischen „Lockerungsmassnahme“ musste die BoJ Anleihen im Volumen von weit mehr als 30 Billionen Yen (6% der japanischen Wirtschaftsleistung) aufkaufen, um die Renditen im Toleranzbereich zu halten.
Kurswechsel unausweichlich?
Im Vorlauf auf das Notenbanktreffen am 18. Januar nahmen daher die Spekulationen zu, dass BoJ-Gouverneur Kuroda ein Ende der Zinskurvenkontrolle ankündigen könnte. Dieser blieb allerdings bei seinem Mantra, dass die derzeitige Geldpolitik angemessen, nachhaltig und notwendig wäre, um die Wirtschaft zu stützen. In den aktualisierten Prognosen erwartet die BoJ die Kernin-
In der Zeit weltweiter Null- und Negativzinsen der letzten Jahre schien die Bank of Japan das ideale Instrument gefunden zu haben, um dauerhaft eine künstliche Tiefzinswelt zu etablieren. Doch mit den vor 12 Monaten einsetzenden und äusserst rapiden Zinserhöhungen aller (anderen) Notenbanken rund um den Globus wurde die BoJ nicht nur zum Aussenseiter. Auch steht ihre Geldpolitik inzwischen auch im Verhältnis zu den eigenen makroökonomischen Rahmenbedingen zunehmend queer in der Landschaft. Denn auch in Japan ist die Inflation inzwischen angekommen. Im Dezember stieg die Kerninflationsrate (ohne Energie) auf ein 30-Jahreshoch von 3%. Das 2%-Inflationsziel wurde damit bereits den neunten Monat in Folge übertroffen. Zudem bleibt der geldpolitische Alleingang von Kuroda nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen. Dazu gehört die massive Abwertung des japanischen Yen (bis Oktober letzten Jahres) und dadurch rasant steigende Importkosten, massive Deviseninterventionen (im Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank
Über dem Ablaufdatum – Der Markt wettet gegen die Notenbank Rendite 10-jähriger Staatsanleihen und 10-Jahres-Swaprate
Der geldpolitische Alleingang Kurodas bleibt nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen.
Vielmehr wetten immer mehr Marktteilnehmer auf ein früher oder später unausweichliches – und möglicherweise turbulentes – Ende von Japans geldpolitischem Experiment flation in den nächsten zwei Fiskaljahren wieder unter 2% – somit sieht sie auch kein Inflationsproblem. Diesen Beschwichtigungen glaubt der Finanzmarkt indes nicht (mehr). Vielmehr wetten immer mehr Marktteilnehmer auf ein früher oder später unausweichliches – und möglicherweise turbulentes – Ende von Japans geldpolitischem Experiment. Für einige Hedge Fonds gilt die Wette gegen japanische Staatsanleihen nämlich als ein seltener wirklich asymmetrischer Trade: Es gibt (fast) kein Abwärtspotential, dafür die Aussicht auf grosse Gewinne. Angeheizt wurde die Spekulation jüngst auch durch Gerüchte über eine Flexibilisierung des Inflationsziels. Ein solches könnte Premierminister Fumio Kishida mit dem künftigen BoJ-Gouverneur nach dem Abtritt von Kuroda im April verabreden. Es wäre wohl die Vorbereitung für die lange überfällige geldpolitische Kehrwende. Eine solche müsste von Japans Notenbankern gut orchestriert werden, denn ganz risikolos ist sie nicht. Der japanische Yen, welcher trotz Korrektur in den letzten Wochen immer noch massiv unterbewertet ist, dürfte weiter aufwerten. Der Nikkei dürfte dies zunächst mit schwacher Performance quittieren. Für japanische Anleger, die ihr Geld bisher überwiegend im Ausland angelegt haben, würde dies unattraktiver. Sie könnten ihr Geld aus westli- chen Märkten abziehen. Unattraktiver wird es auch für „Carry-Trader“, die sich bisher günstig in Yen verschuldet haben, um anderswo höhere Renditen zu erzielen. Durch die japanische Wirtschaft könnte ein regelrechter Zinsschock gehen. Insbesondere Wirtschaftsakteure, die dank des billigen Geldes bisher mit hohem Fremdkapitaleinsatz (Leverage) agierten, könnten in einem solchen Szenario unter Druck kommen. Finanzinstitute dürften von einer möglichen Normalisierung der Zinsverhältnisse indes profitieren.
Fazit: Ein Ende von Japans grossem geldpolitischen Experiment scheint nur noch eine Frage der Zeit. Dessen Rückabwicklung dürfte BoJ-Gouverneur Kuroda aber seinem Nachfolger überlassen. Die Rückkehr zu „normaleren“ Zinsniveaus wird ein Balanceakt und erfordert eine kommunikative Meisterleistung. Ein zu abrupter Kurswechsel könnte an den Finanzmärkten zu Turbulenzen führen. Ein erster Schritt könnte eine weitere Ausweitung des Zinskorridors sein. Ein wichtiger Indikator, den es in den kommenden Wochen zu beobachten gilt, sind die anstehenden Lohnverhandlungsrunden. Verabschieden sich die grossen Unternehmen vom deflationären Mind-Set? Wenn ja, könnte dies das Ende der Zinskurvenkontrolle besiegeln.