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Konjunktur-Radar

Am Puls der Wirtschaft

Der globale Zinserhöhungszyklus nähert sich langsam dem Ende. Danach setzen die Notenbanken auf das Motto „higher for longer“. Damit ignorieren sie möglicherweise die zunehmenden Signale eines drohenden Wirtschaftsabschwungs. Die Chancen auf eine sanfte Landung schwinden zusehends.

Zinshöhepunkt in den USA

Die US-Notenbank hat anfangs Mai nochmals an der Zinsschraube gedreht. Der Zinsschritt auf die neue Spanne von 5% bis 5.25% wurde von Fed-Chef Powell an der Pressekonferenz allerdings mit eher vorsichtigen Kommentaren zum weiteren Wirtschaftsausblick garniert. Daher könnte das nun erreichte Zinsniveau in den USA bereits das absolute Zins-Hoch markieren. Am Zinsmarkt wird bereits darauf spekuliert, dass die Fed ab Sommer wieder die Zinsen senken muss. Dies passt ins von den Analysten gemalte Konjunkturbild, welche in den Konsensschätzungen für die zweite Jahreshälfte mittlerweile eine leichte Rezession erwarten. Die Notenbank selbst ist bezüglich Wachstum (keine Rezession) und Zinslevel (bis Jahresende konstant) etwas optimistischer. Die offensichtliche Divergenz wird sich in den kommenden Monaten unvermeidlich auflösen.

EZB einmal mehr hinter der Kurve

In Europa ist das Ende der Fahnenstange bei den Leitzinsen derweil noch nicht erreicht. Die EZB legte Anfang des Monats einen weiteren Zinsschritt von 25 Basispunkten nach und signalisierte, dass noch mehr in der Pipeline ist. Tatsächlich ist der Inflationsdruck in der Eurozone mit einer Kerninflation nahe Rekordhoch

(5.6% im April) aktuell deutlich stärker als in den USA. Dennoch könnte sich das forsche Vorgehen der Europäer im Nachhinein einmal mehr als eine Straffung in den Wirtschaftsabschwung hinein – und damit als Fehler –herausstellen. Die konjunkturellen Sondereffekte, welche das Wachstum in den letzten Monaten unterstützt haben, dürften jedenfalls bald auslaufen. Die negativen Auswirkungen von hoher Inflation und strikterer Geldpolitik auf Verbrauchervertrauen und Kreditvergabe trüben hingegen die mittelfristigen Perspektiven.

China überrascht positiv

Mit einem Wachstum von 4.5% gelang China im ersten Quartal ein überraschend starkes Comeback nach dem Ende des pandemiebedingten Lockdowns. Wachstumstreiber waren nach der Öffnung vor allem der Konsum beziehungsweise der Dienstleistungssektor sowie positive fiskal- und geldpolitische Impulse. Das Wachstumsziel von „rund 5%“ dürfte in diesem Jahr tatsächlich erreicht werden. Auch die Lage am Häusermarkt scheint sich zu Jahresbeginn stabilisiert zu haben. Insgesamt betrachten wir die positive Überraschung in China dennoch als eine „Sonderkonjunktur“, welche den Trend hin zu einem dauerhaft tieferen Wachstumsniveau nur kurzzeitig übertüncht.

Zumindest nicht unerwartet | Eine milde US-Rezession ist inzwischen Konsens Konsensprognosen für das US-Wirtschaftswachstum

Konsensschätzungen Wachstum & Inflation

Zinserwartungen Kaiser Partner Privatbank

Im Sweet-Spot zwischen diesen beiden Polen skizzierte er eine steinige Konjunkturerholung, bei der die Abwärtsrisiken weiterhin überwiegen.

Bergsicht

IWF-Weltwirtschaftsausblick: Das Glas ist halbleer

Der neueste „World Economic Outlook” des Internationalen Währungsfonds (IWF) skizziert eine steinige Konjunkturerholung mit überwiegenden Abwärtsrisiken. Zu diesen zählt auch die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft in geopolitische Blöcke. Der Trend hin zu vermehrtem „Friend- und Nearshoring“ ist inzwischen Tatsache und dürfte Wachstum kosten. Eine einfache Lösung für die Problematik hat auch der IWF nicht.

Der mahnende Zeigefinger des Währungsfonds

Am diesjährigen Frühlingstreffen blieb sich der IWF seiner traditionellen Rolle als Warner und Mahner treu. Im neuen Weltwirtschaftsausblick wollte der Währungsfonds weder zu stark auf die Anzeichen des leicht verbesserten Makroumfelds hinweisen noch die nächste Finanzkrise prognostizieren. Im Sweet-Spot zwischen diesen beiden Polen skizzierte er eine steinige Konjunkturerholung, bei der die Abwärtsrisiken weiterhin überwiegen. Der mahnende IWF-Zeigefinger fordert von

Globales Wachstum – auch nicht mehr das, was es einmal war Eine ernüchternde Erkenntnis des jüngsten „World Economic Outlook“ war auch die Feststellung, dass die Weltwirtschaft nicht mehr zu den Vor-Pandemie-Wachstumsraten zurückkehren wird. Mit einem erwarteten Weltwirtschaftswachstum von nur noch 3% für das Jahr 2028 ist die Langfristprognose des IWF diesmal so niedrig wie nie zuvor (Anmerkung: seit 1990 macht der IWF halbjährliche Wachstumsprognosen).

Auf dem absteigenden Ast | Wachstumspotential wird seit Jahren nach unten revidiert Globale 5-Jahres-Wachstumsprognosen des IWF, historische Entwicklung den Notenbanken eine stetige, aber zugleich flexible und klar kommunizierte Geldpolitik, welche die Fehler aus der Vergangenheit (eine zu frühe Lockerung, sprich Zinssenkungen) nicht wiederholt. An die Staaten wurde derweil die Botschaft gesandt angesichts steigender Defizite und Schulden künftig weniger auf Konjunkturspritzen zu setzen und die Schuldennachhaltigkeit im Blick zu behalten. Nicht fehlen durfte schliesslich auch diesmal die Forderung, die Erderwärmung aufzuhalten und die grüne Wende zu beschleunigen.

Seit einem Hoch von 4.9% im Jahr 2008 wurde das globale Wachstumspotential stetig nach unten revidiert. Die vom Währungsfonds identifizierten Ursachen für diesen scheinbar irreversiblen Trend sind einleuchtend: Aufstrebende Volkswirtschaften wie China und Südkorea haben einen höheren Lebensstandard erreicht und können auf dem neuen Niveau nicht mehr mit den hohen Raten der Vergangenheit wachsen. Zugleich verlangsamt sich das Wachstum der arbeitenden Bevölkerung, in vielen Industrie- und einigen Schwellenländern nimmt diese gar bereits ab. Der eingetrübte Ausblick – insbesondere für ehemalige Wachstumsstützen wie China – bringt viele Herausforderungen mit sich. Unter anderem wird es für ärmere Entwicklungs- und Schwellenländer künftig noch schwieriger die Wohlstandsleiter nach oben zu klettern.

De-Globalisierung ist nicht (mehr) zu leugnen Als einen weiteren Grund für den diesmal besonders schwachen Wachstumsausblick sehen die IWF-Analysten die zunehmende geoökonomische Fragmentierung der Welt. Dieser Thematik widmet der April-Bericht des Währungsfonds ein eigenes Kapitel – und liefert entsprechend viele Fakten. Demnach ist die Globalisierung

De-Globalisierung als Grafik (1) | Immer mehr Handelshemmnisse Anzahl an verhängten Handelsbeschränkungen seit einem Höhepunkt 2008 schon seit mehr als einer Dekade auf dem Rückzug. Die stetig steigende Anzahl an nicht-tarifären Handelshemmnissen widerspiegelt dies. Eine nochmalige Akzentuierung des De-Globalisierungstrends ist seit 2018 infolge des verschärften Handelskriegs zwischen den USA und China zu beobachten. Seit rund fünf Jahren stellt die IWF-Analyse auch eine Verschiebung der globalen Investitionsströme fest. Asien (und vor allem China) verzeichnen seitdem eine Abnahme an ausländischen Direktinvestitionen – insbesondere in strategisch wichtigen Sektoren. Die Aufspaltung der globalen Kapitalströme in geopolitisch alignierte Blöcke könnte gemäss Simulation des IWF bis zu 2% an globalem Wachstum kosten. Dabei wären die

Der eingetrübte Ausblick – insbesondere für ehemalige Wachstumsstützen wie China – bringt viele Herausforderungen mit sich.

Quellen: Internationaler Währungsfonds, Kaiser Partner Privatbank

De-Globalisierung als Grafik (2) | China verliert an Attraktivität Anzahl an ausländischen Direktinvestitionen, Jahresdurchschnitt

Quellen: Internationaler Währungsfonds, Kaiser Partner Privatbank

Verluste ungleich verteilt: Während die Wirtschaftsleistung der USA nur eine Einbusse von 1% verzeichnet, läge der „Preis“ für besonders von Handel und Investitionen abhängigen Ländern bei bis zu 6%. Einmal mehr würden mehrheitlich Entwicklungs- und Schwellenländer betroffen sein.

Keine einfache Lösung zur Hand Eine (einfache) Lösung des Problems hat allerdings auch der Internationale Währungsfonds nicht anzubieten. Er fordert eine koordinierte, gemeinsame Antwort der Welt und sieht einen Hebel in der Stärkung des multilateralen Handelssystems. Unter anderem sollten WTO-Regeln in kritischen Bereichen wie Agrar- und Industriesubventionen verbessert werden und das WTO-Streitbeilegungsverfahren vollständig wiederhergestellt werden. Zu schön, um wahr zu sein? Dass die sich zunehmend verfeindet gegenüberstehenden Blöcke unter Führung der Gegenspieler USA und

China demnächst wieder auf Annäherungskurs gehen werden, ist aus unserer Sicht zumindest sehr unwahrscheinlich. Kritisch eingestellt ist derweil auch der IWF – und zwar gegenüber dem Phänomen des „Friend-Shoring“. Zwar verringert das Verlegen der Produktion in nahe und „befreundete“ Länder (oder zurück in die Heimat) das politische Risiko und bewahrt möglicherweise einen technologischen Vorsprung. Allerdings könnte es in vielen Fällen die Diversifikation von Material- und Rohstoffquellen reduzieren und damit die Anfälligkeit für wirtschaftliche Schocks erhöhen. Zudem führe dieses „Hedging“ zu Effizienzverlusten und letztlich zu höheren Preisen. Dennoch scheint auch dieser Trend so schnell nicht mehr umzukehren. Gemäss einer Studie von Capgemini von Ende letzten Jahres hat mehr als die Hälfte aller global tätigen Unternehmen in den letzten zwei Jahren bereits die Produktion reorganisiert. Und drei Viertel der Unternehmen plant weitere Verschiebungen.

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