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Fotos: Erdmännchen
gesellschaft
Eine Höhle für die Erdmännchen Einen freien Betreungsplatz zu ergattern ist wie ein sechser im lotto. „Warum Nicht selber bauen?”, fragte Jessica Dieme im spaSS. dann aber hat sie ernst gemacht – der grundstein für eine eigene kita in vogelsang ist gelegt. enn wir für unsere Töchter keine freien Plätze im Kindergarten finden, dann bauen wir selbst einen.“ Es ist ein kalter, ungemütlicher Sonntag im Februar, als Jessica Dieme diesen Satz sagt. Bei einem Spaziergang mit Freundinnen, den Kinderwagen schiebend im Nieselregen. Im Kinderwagen sitzt Töchterchen Jonna, damals knapp ein Jahr alt. Sie ist der Grund für diesen Satz. Denn schon seit Monaten suchen Jonnas Eltern verzweifelt nach einem Kindergartenplatz für die Kleine, damit Jessica Dieme nach Babypause und Elternzeit wieder arbeiten gehen kann. Aber die Lage scheint aussichtslos und ein freier Kindergartenplatz erscheint beinahe unmöglicher als der Sechser im Lotto. Kitaplatz – verzweifelt gesucht Die kleine Jonna und ihre Eltern haben zu dem Zeitpunkt schon einen wahren Marathon hinter sich. Jessica Dieme bewirbt sich auf etliche freie Plätze, verbringt zahlreiche Abende auf Informationsveranstaltungen, bei denen es fast ein bisschen wie im Assessment-Center zugeht, einzig mit dem Ziel, das einjährige Töchterchen gut betreut zu wissen. Mit jedem weiteren Termin scheint der Kindergartenplatz unwahrscheinlicher zu werden. „Ich habe oft mit 50 anderen Eltern im Raum gesessen“, erzählt die junge Mutter. „50 Eltern für drei freie Kindergartenplätze!“ Acht Anmeldeformulare füllen sie und ihr Mann aus, acht Mal hoffen sie, dass sie den begehrten Platz bekommen und acht Mal hören sie entweder gar nichts oder es werden Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. „Es tut uns leid, aber ...“ Irgendwann beschließt Jessica Dieme, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Es ist nicht ihr Ding, den Kopf in den Sand zu stecken oder abzuwarten, bis sich vielleicht noch zufällig etwas ergibt. Auch wenn damals niemand glaubt, dass sie es ernst meint, als sie sagt: „Wir bauen selbst einen Kindergarten.“ Aber heute – über zwei Jahre später – ist es tatsächlich fast so weit. Und die Erdmännchen, wie die Kindertagesstätte heißen wird, sind kurz davor, ihre neue Höhle zu beziehen.
Ein Verein wird gegründet Was sich so einfach anhört, ist ein hartes Stück Arbeit für Jessica Dieme – ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Und es erfordert eine ganze Menge Durchhaltevermögen. „Ich habe mit vielen Menschen telefoniert, viel aus Fehlern gelernt und unglaublich viele Formulare ausgefüllt“, erzählt die junge Mutter, die eigentlich im Projektmanagement tätig ist und für die eine Kindergartengründung absolutes Neuland ist. Um die Idee von der eigenen Kita nicht alleine schultern zu müssen, gründete Jessica Dieme mit anderen interessierten Eltern einen Verein, der sich als Träger der freien Jugendhilfe beim örtlichen Jugendamt anerkennen und in den Bedarfsplan der Stadt aufnehmen ließ. „Denn nur dann bekommt man Zuschüsse des Landes und der Kommune nach dem Kinderbildungsgesetz NRW“, weiß Jessica Dieme heute. Die Gründung eines Vereins und die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe empfiehlt auch Waltraud Dix vom LVR-Landesjugendamt Rheinland, das die Betriebserlaubnis für Kindertagesstätten erteilt, wenn alle Rahmenbedingungen erfüllt sind. „Das bietet dem Träger eine finanzielle Sicherheit“, sagt sie. Einen Namen hat der Verein von Jessica Dieme noch nicht, als sie das erste Mal zu einem Informationstermin in das Landesjugendamt kommt. „Dass wir heute Erdmännchen heißen, war eigentlich purer Zufall“, erzählt Dieme. Denn als die Vereinsmitglieder genau deshalb abends zusammensitzen, wird schnell über alles Mögliche geredet. Die Namensgebung ist irgendwann im Eifer des Gefechts vergessen. Bis Jessica Dieme nach Hause kommt und ihr Mann neugierig fragt, welchen Namen das Kind denn nun hat. „Erdmännchen war das Erste, was mir eingefallen ist“, sagt Jessica Dieme lachend. Ein Name, der auch bei den anderen Vereinsmitgliedern gut ankommt. Schließlich leben Erdmännchen geborgen im Familienverbund zusammen in großen Höhlen. Das passt also.