KÄNGURU Februar 2017

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GESELLSCHAFT

BUCHTIPP Der Festland Verlag ist auf das Thema „Hochsensibilität“ spezialisiert. Hier zwei aktuelle Buchtipps: Für Kinder und ihre Eltern:

Aus der Feder einer gebürtigen Kölnerin für Eltern, Lehrer und andere Wegbegleiter von hochsensiblen Kindern:

Wie Betty das Wut-Gewitter bändigt Stefanie Kirschbaum Mit 50 farbigen Illustrationen von Anne Wöstheinrich Festland Verlag Wien 2015 17,50 Euro

Komm raus, ich seh dich! Von Glück, Selbstwirksamkeit und Wachsen hochsensibler und hochbegabter Kinder Britta Karres Festland Verlag Wien 2016 21,50 Euro

Teil der Persönlichkeit oder Krankheit? Für Kirschbaum ist Hochsensibilität ein „Persönlichkeitsmerkmal“, andere Fachleute sprechen von einem „Phänomen“, schlimmstenfalls sogar von einer „Krankheit“. Wie auch immer man Hochsensibilität definiert, eines steht fest: Hochsensibilität bremst das gesellschaftliche Hamsterrad. Sie mag nicht wirklich in eine Zeit der Schnelllebigkeit und Reizüberflutung passen. Auch die Wissenschaft tut sich schwer. Bislang hat sie keine einheitliche Definition für Hochsensibilität gefunden und steckt noch in den Kinderschuhen. Überhaupt kam sie erst 1996 so richtig in Gang, als Elaine N. Aron ihr viel beachtetes Buch „The Highly Sensitive Person“ (in Deutschland: „Sind Sie hochsensibel?“) auf den Markt brachte. Ein paar Jahre später folgte ihr Elternratgeber „The Highly Sensitive Child“ (in Deutschland: „Das hochsensible Kind“). Auch Fragebögen entwickelte die US-amerikanische Psychologin, sowohl für Er-

wachsene als auch für Kinder. Etliche Tests anderer Autoren über hochsensible Verhaltensmuster folgten. Mittlerweile boomen sie im Internet. Aber Arons Forschungsarbeiten waren wegweisend. In einem Interview der Tageszeitung „Die Welt“ aus dem Jahr 2015 erklärte die Pionierin: „Hochsensible nehmen ihre Umgebung in allen Aspekten intensiver wahr und denken darüber mehr nach.“ Deshalb tue ihnen ein positives Umfeld ungleich besser als anderen. Ein negatives Umfeld hingegen schade ihnen mehr als anderen.

Die richtige Unterstützung finden Schätzungen zufolge weisen rund 15 bis 20 Prozent aller Menschen hochsensible Persönlichkeitsmerkmale auf, Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer gleichermaßen. Hochsensibel ist aber nicht gleich hochsensibel. Menschen können auch durch Traumatisierung besonders empfindsam reagieren. Sie haben diese Eigenschaft aber erst erworben und zeigen sie gewöhnlich nur dann, wenn ihr Nervensystem auf Reize trifft, die an das Schreckensereignis erinnern. Auch Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeitdefizit-Hyperaktivitätsstörung) reagieren verwechselbar ähnlich. Die Ursachen jedoch unterscheiden sich voneinander und auch die Therapie. Würde man ein hochsensibles Kind auf ADHS therapieren und es mit Medikamenten dämpfen, so wäre ein Großteil sei-

© iStock-Grafissimo

grübeln sie oft noch Tage danach über die erlebten Filmszenen. Nun könnte man das Ganze mit dem kölschen Spruch „Jede Jeck es anders“ locker abhaken. Das geht aber leider nicht, da unterschiedliche Wahrnehmungen und verschobene Reizgrenzen immer wieder zu massiven Konflikten und gegenseitigem Unverständnis führen. Was also hilft? Aufklärung, Respekt und Toleranz.


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