Leseprobe: Architektur in Hamburg – Jahrbuch 2017/18

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Jahrbuch 2017 / 18

Architektur in Hamburg  Herausgegeben von Dirk Meyhöfer und Ullrich Schwarz im Auftrag der Hamburgischen Architektenkammer


Inhalt

6 Editorial von Karin Loosen 8 Gedanken über eine sakrale Baukultur – Moscheen in Hamburg Olaf Bartels

Hamburger Architektur 2017 /18 24 Vom Präzedenzfall zum »High-Light« – Hochhaus und Verwaltungsgebäude Hamburg Süd Text: Jörg Schilling Architekten: KSP Jürgen Engel 34 Abstrakter Dialog – Stadthaus an der Palmaille Text: Jürgen Tietz Architekt: Walter Gebhardt 42 Die nächste Gentrifizierungswelle – Zeisehof in Ottensen Text: Gert Kähler Architekten: Störmer Murphy and Partners GbR 50 Sichtbeton statt Goldleisten – Atelierhaus in Ottensen Text: Dirk Meyhöfer Architekten: ppp architekten +  stadtplaner

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56 Palais der verlorenen Weisheit – Konversion eines Militärgebäudes Text: Jürgen Tietz Architekten: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH 64 1960er Reloaded – Das runderneuerte Finnlandhaus und das neue Esplanade-Hochhaus Text: Dirk Meyhöfer  Architekten: HPP Architekten GmbH, Winking Froh Architekten BDA 74 Stadt Land Fluss – Erweiterungsbau Unternehmens­ zentrale Gebr. Heinemann Text: Claas Gefroi Architekten: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner 80 Wohnen am Park – Greencity Hohenfelde Text: Olaf Bartels Architekten: coido architects, DFZ Architekten GmbH, KBNK Architekten GmbH, APB. Architekten BDA 86 Wahlverwandtschaften – Alsterufer 1–3 Text: Ulrich Höhns Architekten: APB. Architekten BDA, Riemann Gesellschaft von Architekten 94 Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – Wohnquartier »The Quality Street« in Eppendorf Text: Jan Lubitz Architekten: KBNK Architekten GmbH

100 Hohe Stirn und andere Geschichten – Wirth Haus in der Spitalerstraße Text: Jürgen Tietz Architekt: Carsten Roth Architekt 104 XXL-Wohnen in der Vorstadt – Bunkerumbau in Eilbek Text: Jan Lubitz Architekten: Solvie Architekturbüro 106 Unsichtbare Innovation – Klimamodellquartier »Op’n Hainholt« Text: Olaf Bartels Architekten: eins : eins architekten 112 Aus eins mach drei, aus drei mach eins – SonninKontor in Hammerbrook Text: Ralf Lange Architekten: LA’KET Architekten GmbH, agn Leusmann GmbH 116 Raumklang und Klangraum – Elbphilharmonie: eine Würdigung nach 100 Tagen Text: Dirk Meyhöfer Architekten: Herzog & de Meuron 128 Saubere Arbeit – Handwerkerhof Wedel Text: Gert Kähler Architekt: André Poitiers Architekt, Stadtplaner RIBA


130 Neue Altstadt – Wohnquartier »Alte Feuerwache« in Kiel Text: Ulrich Höhns Architekten: LRW Architekten und Stadtplaner, BLK2 Böge Lindner K2 Architekten

Hamburger Feuilleton 136 Architektur ist mehr als das Lösen einer Aufgabe – Michael Krämer und PSP Architekten Dirk Meyhöfer 148 Viel mehr als der Rathausbaumeister – Martin Haller (1835 – 1925) David Klemm

188 Ein »neuer« Weg zum preiswerten Wohnen? Serielles und standardisiertes Bauen Hans Günther Burkhardt

230 Autoren und Redaktion

202 Das Rad muss nicht neu erfunden werden – Kostengünstiger Wohnungsbau ist machbar! Dietmar Walberg

232 Impressum

231 Architekten und Fotografen

210 Bunte Mischung – Aktuelle Tendenzen im Schulbau Ralf Lange 224 Ein Taubenschlag wider die Parkplatznot – Autosilo des Hotels Reichshof Sven Bardua

156 Wenn das Neue Altona in die Jahre kommt – Zum denkmal­pflegerischen Umgang mit den Bauten von Gustav Oelsner Ralf Lange 162 Popkultur im filigranen Eisenskelettbau – Schilleroper Sven Bardua 166 Multiple soziale Problemlagen – Fünfzig Jahre Osdorfer Born Gert Kähler 176 »Für eine gemischte, urbane Stadt!« Interview mit dem scheidenden Oberbaudirektor Jörn Walter Redaktion

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Editorial

Seit ihrer Gründung im Jahr 1965 hat die Hamburgische Architektenkammer vier Oberbaudirektoren begleitet. In diesem Jahr verabschieden wir nun Oberbaudirektor Jörn Walter, der in seiner Amtszeit von 1999 bis 2017 Hamburg zu einer modernen und zukunftsgerichteten Metropole ausgebaut hat, in der Ökonomie, Ökologie und sozialer Ausgleich, Funktionalität und Stadt-Schönheit miteinander zu einem großen Ganzen gefügt wurden. Walter hat sich für Baukultur auf allen Ebenen eingesetzt, vom großen Maßstab der Stadtplanung über den Städtebau bis hin zur Gestaltung einzelner Bauwerke. Er positionierte die Stadtentwicklung Hamburgs in beispielhafter Weise, sowohl im nationalen wie im internationalen Vergleich. Begonnen noch in Zeiten der ausklingenden Suburbanisierung – das Stadtwachstum seit der Wiedervereinigung kam zum Ende des letzten Jahrhunderts am Stadtrand ins Stocken – hat Jörn Walter der Hamburger »Urbanität« während seiner Amtszeit deutlich neues Leben eingehaucht. Der Trend führte zurück zum Wohnen in der Stadt. »Reurbanisierung«, mehr »Stadt in der Stadt« – so lauteten seit etwa fünfzehn Jahren die neuen Leitideen. Walter lenkte seine Aktivität auf die Binnenentwicklung: Innere Verdichtung war sein Ziel. Er schob Konversionen von nicht mehr genutzten Industrie-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen an. Die »Mitte Altona« und die Überdeckelung der A7 zählen dabei sicherlich zu den beeindruckendsten Projekten. Walter hat konsequent eine kleinteilige Weiterentwicklung der Innenstadt verfolgt und ein Innenstadtkonzept im Dialog mit den Stadtbürgern formuliert. Dabei war es ihm ein Anliegen, neben der Stärkung des Einzelhandels auch das Wohnen wieder zurück in die Innenstadt zu holen. Als Raumplaner, der Walter von Hause aus ist, interessierte ihn immer der Zusammenhang von gestalterischen, technischen und gesellschaftlichen Themen. Beim Städtebau ging es ihm um das Ganze: »Wie organisiere ich ein Verkehrssystem? Wie organisiere ich das Zusammenleben vieler Menschen auf

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engstem Raum?« Walter sprach in diesem Zusammenhang von einem anderen »intellektuellen Maßstab«, als er beim Bau eines Hauses gelte, und meinte die Gestaltung von Quartieren oder einer ganzen Stadt. Er führte Hamburg noch intensiver ans Wasser, vollendete die HafenCity, ergänzte Kossaks Perlenkette mit Wohnbauten und wagte den »Sprung über die Elbe«. Jetzt hinterlässt er seinem Nachfolger eine rasant wachsende Stadt mit einem Neubauvolumen von 10 000 Wohnungen im Jahr. Und wir denken, unter anderem mit dem ehrgeizigen Projekt Oberbillwerder, schon wieder über Stadterweiterung an den Rändern nach. Der neu angekurbelte Wohnungsbau sucht derzeit eine verträgliche Schnittmenge zwischen Quantität, Bezahlbarkeit und Qualität, zwischen seriellem und individuellem Bauen. Jörn Walters Nachfolger wird ein florierendes Hamburg übernehmen, das nun auch »Smart City« werden will. Denn mit gesamtheitlichen Entwicklungskonzepten sollen künftig Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver gestaltet werden. In einem Interview hat Jörn Walter einmal die Vision einer Stadt formuliert, die geprägt sein werde von Ökologie und Nachhaltigkeit, mit einem »öffentlichen Raum« und dem »urbanen Lebensgefühl«. Eines Lebens, in dem wir kein eigenes Auto mehr brauchen, weil wir »eine Chipkarte haben, mit der wir wahlweise ein öffentliches Verkehrsmittel nutzen, ein Fahrrad leihen oder ein Auto mieten können«. Das, so Walter, wäre wohl die größte Revolution des neuen Jahrhunderts. Noch ringen wir um den öffentlichen Raum, Stadtentwicklung und Wohnen sind heute ein stabiles Paar, aber leider ohne den Verkehr. Vielleicht bringt uns die Digitalisierung in dieser Hinsicht ja tatsächlich Erleichterung. Doch wir sehen uns auch konfrontiert mit nicht-technischen Innovationen, die zum besseren und nachhaltigeren Leben in der Stadt beitragen wollen. Dazu gehören beispielsweise Konzepte des Teilens (Sharing Economy) oder die Entscheidungs-


macht der Zivilgesellschaft in Anbetracht der vielen Bürgerbeteiligungen. Die Potenziale der Smart City entfalten sich erst im Rahmen eines kooperativen Beziehungsgeflechts zwischen Bürgern, Stadtverwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Jörn Walters Nachfolger wird die Entscheidungsstärke, die der Zivilgesellschaft zuwächst, noch deutlicher spüren. Mit Selbstbewusstsein wahrgenommene Bürgerbeteiligungen und zunehmende Forderungen nach Transparenz werden es dabei nicht einfacher machen, alle mitzunehmen. Und nicht zu vergessen die Politik, die heterogene Verwaltung, die Institutionen. Der Oberbaudirektor wird immer mehr »Stakeholder-Manager« zwischen den Disziplinen. Er muss eben Visionär und Akteur sein. Schon in Walters Amtszeit standen Klimawandel, bezahlbarer Wohnraum und verantwortungsvolle Stadtentwicklung – bei hoher Planungs­und Prozessqualität – ganz oben auf der alltäglichen Agenda. Die Stadt wappnet sich nun seit einigen Jahren für den Klimawandel. Dabei haben wir gemeinsam mit unserem Oberbaudirektor versucht, unsere Backsteinstadt vor den unschönen Nebenfolgen der Energieeffizienz zu retten. Lobend zu erwähnen ist an dieser Stelle die von Behördenseite eingeführte Qualitätssicherung für Backsteinfassaden bei öffentlich geförderten Modernisierungsmaßnahmen. In puncto Denkmalschutz mit Blick auf die Nachkriegsarchitektur hingegen gingen die Wege häufiger in unterschiedliche Richtungen. Da gab es dann die eine oder andere Auseinandersetzung – Walters kritische Haltung zum Städtebau der Nachkriegsmoderne (u.a. Cityhof, Große Bergstraße) ist bekannt. Stadtplanerische Rigorismen wurden unter Walters Ägide ebenso vermieden wie kurzlebige Architekturmoden. Er förderte eine zeitgenössische Architektursprache mit lokalem Einschlag und wehrte historistische Architektur ab. Regelhaften, klassischen Städtebau mit seinen Blockrandbebauungen, Straßenräumen und Plätzen sowie moderne Architektur mit einer großen Bandbreite von Formen, Farben und Materialien wollte

er verbinden. Architektonischen Trends und Moden erteilte er genauso eine Absage wie dem Spektakulären. In seiner urbanistischen Architekturhaltung erlaubte er Solitärbauten nur für herausgehobene Projekte oder besondere Orte. Hanseatische Prädikate wie Kontinuiät, Maßhaltigkeit, Solidität waren ihm immer Maßstab und Konzept. Ihm ging es bei allem Wirken um den Kontext Stadt. Sein Vorbild war Fritz Schumacher. Jörn Walter strebte mit Erfolg danach, in dessen Geist die Stadt weiterzuentwickeln und zu formen. Wie Fritz Schumacher, aber auch wie sein unmittelbarer Vorgänger Egbert Kossak hat er dies auf eine Weise getan, die den Ausgleich zwischen Tradition und lokaler Identität einerseits und zeitgemäßer Planung unter Berücksichtigung des internationalen Diskurses andererseits suchte. Als Oberbaudirektor war Jörn Walter ein Macher, der Extreme mied und – stetige Veränderung anerkennend – der Evolution den Vorzug vor dem Radikalen gab. Das verbindet ihn mit Hamburg und seiner Tradition. Die Hamburgische Architektenkammer dankt Jörn Walter für eine von Vertrauen, Respekt und Professionalität geprägte Zusammenarbeit. Jörn Walter hat sich um Hamburg verdient gemacht. Karin Loosen Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer

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