Leseprobe: Was ist das? Was Alltagsdinge aus Puppenstuben verraten

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Matthias Gretzschel

Was ist das? Was Alltagsdinge aus Puppenstuben verraten



Matthias Gretzschel / Elke Dröscher

Was ist das? Was Alltagsdinge aus Puppenstuben verraten


4 von Abakus bis Zuckerhut

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Abakus Rechnen mit bunten Murmeln

150 Schulalltag im Kaiserreich 98 Barometer Die Wetterstation an der Wohnzimmerwand 80 Blumenständer Wie die Natur ins Wohnzimmer kam 24 Bügeleisen Schneidermeister Böcks Rettung 28

Bügeln oder Plätten

46 Essenträger Mahlzeiten für die Arbeitspause 142

Fön Der Haartrockner als Designklassiker

14 Hackklotz Zum Draufhauen 110

Kachelofen Einheizen, damit es warm wird

50 Kaffeemühle Kurbeln für den Trinkgenuss

18 Butterfass Alles in Butter

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40 Chaiselongue Ein Sofa mit Stil

38 Kastensofa Wo Schiller gern saß

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34 Kiepenhut Unter der Haube

Detektorradio Nostalgisches Hightech en miniature

Kaffeeröster Wie grüne Bohnen braun werden

90 Dochtschere Abschneiden, damit es nicht rußt

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Kohlenschütte Damit der Ofen nicht ausgeht

68 Eiermenage Nimm ein Ei mehr!

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Lebensmittelkarten Wenn die Krise die Puppenstube erreicht

56 Eisbärenfell Worauf man Babys fürs erste Foto legte

48 Leiterstuhl Eine geniale Kombination aus Stuhl und Treppe

10 Eismaschine Ohne Schnee funktioniert sie nicht 12 Eisschrank Der vergessene Vorgänger des Kühlschranks

96 Lithophanie Ein frühes visuelles Medium 94 Lüsterweibchen Eine Kombination aus Geweih und Figur


von Abakus bis Zuckerhut

74 Nachttopf Früher unverzichtbar, heute unvorstellbar

54 Standspiegel Wer ist die Schönste im ganzen Land?

88 Nähkorb Bis hinab zum Fädelein, soll im Hause Ordnung sein

62 Standuhr Wo sich das siebte Geißlein versteckte

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Die Pracht der Kacheln und Kanonen

30 Strumpfband Damit es nicht rutscht

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Ofenschirm Dekorativer Schutz vor allzu großer Wärme

118 Telefon Warum man heute noch auflegt

84 Paravant Spanische Wand chinesischer Herkunft

22 Teppichklopfer Bitte kräftig klopfen!

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58 Vertiko Zeigen, was man hat

Petroleumlampe Funktioniert auch bei Stromausfall

32 Pompadour Die Urform der Damenhandtasche

82 Vogelbauer Käfighaltung im Wohnzimmer

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Registrierkasse Wohin mit dem Geld?

Waage Wie Tante Emma das Gewicht geprüft hat

42 Riechsalzfläschchen Erste Hilfe gegen die Ohnmacht

66 Wachsstock Leuchtmaterial als Meterware

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Sanduhr Wie die Zeit verrinnt

76 Wärmflasche Damit es im Bett gemütlich wird

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Schiefertafel Was falsch ist, wird weggewischt

72 Waschgeschirr Equipment für die tägliche Hygiene

116 Schreibgarnitur Alles schön beisammen

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Wecker Wie man aus dem Schlaf gerissen wird

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Zuckerhut Der Rohstoff für den heißen Punsch

Spinnrad Wie aus Fasern ein Faden wird

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DIE GROSSE WELT IM KLEINEN Was uns Elke Dröschers Puppen und deren Stuben erzählen

Es ist Jahrzehnte her, dass Elke Dröscher das erste Exemplar geschenkt bekam: Eine um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstandene Puppenstube bildet den Grundstock ihrer außergewöhnlichen Sammlung, die seit 1986 als Museum der Öffentlichkeit zugänglich ist. Als sie als junge Frau diese Puppenstube zum ersten Mal betrachtete und sie mit den Augen durchstöberte, begriff die Designerin und Galeristin, dass sie weit mehr vor sich hatte als ein altertümliches Spielzeug. Sie begriff, dass sich an diesem verkleinerten Raum mit seiner detaillierten Ausstattung unglaublich viel ablesen lässt. Man muss nur genau hinschauen, die Dinge betrachten, sie erforschen und zum Sprechen bringen, dann erweist sich eine Puppenstube als Türöffner in die Vergangenheit. Der zum Spielzeug verkleinerte Alltagskosmos ist eine Art Zeitkapsel, die uns das Lebensgefühl einer ganzen Epoche überliefern kann. Wie haben die Menschen vor hundert oder gar zweihundert Jahren gelebt? Wie haben sie gewohnt, sich gekleidet, ihren Haushalt organisiert, sich gewaschen, gekocht oder ihre Zimmer geheizt? Wie war

ihr Schulalltag, welche Spielzeuge, aber auch welche Arbeitsgeräte standen den Menschen zur Verfügung? All das und noch viel mehr erzählen jene Puppenstuben oder ganze Puppenhäuser, die Elke Dröscher im Lauf von Jahrzehnten zusammengetragen und in einer bemerkenswerten Sammlung vereint hat. Schon wer das Museum betritt, wird von den Augenpaaren Hunderter Puppen gemustert In dem Museum, das sich in der von dem bedeutenden Architekten Karl Schneider 1923 erbauten schneeweißen Villa hoch über dem Falkensteiner Elbufer befindet, sind Puppen keine stummen Zeugen. Im Gegenteil: Sie erzählen unendlich viele Geschichten. Wer das Museum betritt, fühlt sich schon im Eingangsbereich von den Augenpaaren Hunderter Puppen gemustert, die alle darauf zu brennen scheinen, uns ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Man muss sie nur eingehend betrachten, sich auf sie einlassen, etwas über sie, ihre Zeit und Herkunft erfahren, dann fangen sie an zu sprechen. Dann erzählen


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sie Geschichten, die uns zurückführen in eine längst vergangene Zeit, die auf einmal gar nicht mehr so fern zu sein scheint, sondern ganz nah und zugänglich. In den frühen Kulturen dienten Puppen als Kultobjekte, die ihre Funktion in magischen Ritualen hatten. Bis heute spielen sie in den Voodoo-Kulten Westafrikas und der Karibik eine wichtige Rolle. Doch die verkleinerten Nachbildungen von Menschen gehören zugleich zu den ältesten Spielzeugen überhaupt. Wenn sich Kinder mit Puppen beschäftigen, dann tauschen sie die Rollen. Das Kind wird zum Erwachsenen, die Puppe zum Kind. Im Spiel spiegeln sich Beziehungen wider, werden Verhaltensmuster eingeübt und Aufgaben spielerisch erlernt. Als sich die Menschen in der Frühen Neuzeit darum bemühten, ihre Welt zu erforschen, zu analysieren und zu begreifen, erhielten auch die Puppen eine neue Funktion. In der Renaissance entstanden die ersten Puppenhäuser, in denen die verkleinert nachgebildeten Menschen erstmals auch in ihrem Umfeld dargestellt wurden.

In der Verkleinerung lässt sich die Welt überschauen und begreifen Die Miniaturisierung ermöglichte die Beherrschung einer nun im Wortsinn überschaubaren Welt. Doch indem sie sich in ihren Zusammenhängen betrachten ließ, bot sich auch die Chance, sie zu erfassen und zu begreifen. Diese ersten Puppenhäuser waren natürlich keine Spielzeuge, sondern Schaustücke, die in fürstlichen Kunst- und Wunderkammern und später auch den großbürgerlichen Häusern in Amsterdam, Nürnberg oder Augsburg der Repräsentation dienten. In welchem Maße Puppenstuben den Alltag ihrer Zeit dokumentieren, zeigt ein einzigartiges Projekt, das die Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt im thüringischen Arnstadt Anfang des 18. Jahrhunderts realisieren ließ: Die von ihr in Auftrag gegebene Puppenstadt „Mon Plaisir“ bildet in 82 Szenen mit 391 Figuren und etwa 2670 Inventargegenständen das gesamte Leben der Residenz nach: von der Morgentoilette der Fürstin bis zur höfischen Abendgesell-


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schaft. Gezeigt wird aber auch das Leben der Höflinge und Bürger, der Geistlichen und der Handwerker – eine Gesamtschau auf den Alltag des Barockzeitalters, wie es sie weltweit kein zweites Mal gibt. 1793 erschien in Nürnberg der weltweit erste Spielzeugkatalog So begehrlich Kinder seit vielen Generationen die Wunderwelt „Mon Plaisir“ im Neuen Palais von Arnstadt auch betrachten, gespielt wurde und wird mit den zwischen 20 und 35 Zentimeter großen, aus Holz, Leder, Leinen und Wachs gefertigten, äußerst fragilen Puppen natürlich nicht. Doch dabei sollte es nicht bleiben, denn schon einige Jahrzehnte später erkannte man das Potenzial von Puppen und Puppenstuben als ebenso vergnügliches wie lehrreiches Spielzeug. Bereits 1793 veröffentlichte der Nürnberger „Galanteriewarenhändler“ Georg Hieronimus Bestelmeier sein reiches Angebot mit 1111 Spielzeugartikeln, das auch zahlreiche Puppen samt -stuben und -häusern umfasste, die zur „lehrreichen und an-

genehmen Unterhaltung der Jugend“ dienen sollten. In diesem vier Jahre nach der Französischen Revolution verbreiteten weltweit ältesten Spielzeugkatalog wurde jedes Stück mit einer winzigen in Kupfer gestochenen Abbildung vorgestellt. Lieferbar waren sowohl ein komplett eingerichtetes Puppenhaus in zwei Größen als auch einzelne Zimmer, Küchen und Kaufläden. In der Beschreibung des „Dockenhauses“ wird darauf hingewiesen, dass „Kinder inwendig das Meublement in Ordnung stellen, und damit spielen können“. Im Zeitalter des Biedermeier entstanden dann in viel größerem Umfang Puppenstuben und ganze Puppenhäuser, die tatsächlich als Spielzeuge dienen konnten. Im Zuge der industriellen Revolution entwickelte sich im 19. Jahrhundert schließlich eine ganze Spielzeugindustrie, die die massenhafte Produktion von Puppen, Puppenstuben und Puppenhäusern sowie der vielfältigen dafür nötigen Ausstattungsstücke ermöglichte. Während Puppenhäuser im bürgerlichen Milieu vor allem als Spielzeug für Mädchen betrachtet wurden, gab es auch


Kaufmannsläden, die man auch Knaben schenkte. Das gilt sicher ebenso sehr für die Schulstuben, in denen sich die Kinder spielerisch auf den bevorstehenden Schulalltag vorbereiten konnten. Besonders die kleinen Dinge erfordern Achtsamkeit und den genauen Blick Über viele Jahrzehnte hinweg hat Elke Dröscher all diese Objekte zusammengetragen, hat sie in Antiquitätenläden, auf Flohmärkten, Auktionen und durch private Kontakte erworben. Sie hat sie restauriert, konserviert und in ihrem Museum unter kulturgeschichtlichen und didaktischen Aspekten ausgestellt. Doch vor allem hat die Sammlerin und Expertin diese Zeugnisse der Vergangenheit immer wieder befragt und zum Sprechen gebracht. Was ist das? Was hat das zu bedeuten? Was sagt uns dieser oder jener Gegenstand über das Leben einer längst vergangenen Zeit? Was kann man am Gesichtsausdruck oder der Körperhaltung einer Puppe ablesen? Welches Schicksal hat sie gehabt? Manches verraten

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die Puppen selbst, anderes lässt sich nur durch zusätzliche Recherche erfahren, durch zeitgenössische Bilder, Bildtafeln, Texte und Bücher, die gleichfalls zu Elke Dröschers Sammlung gehören. Besonders interessiert sie sich für die kleinen Dinge, die Achtsamkeit erfordern und den genauen Blick. „Ich bin immer wieder fasziniert von der Liebe zum Detail, die in dieser verkleinerten und daher überschaubaren Welt zum Ausdruck kommt“, sagt die Sammlerin, die stets aufs Neue angerührt ist von der Aura des Originals. Es ist die große Welt im Kleinen, die in den Puppenstuben sichtbar wird. So ist das Spielzeug von einst längst zum Zeugnis der Kulturgeschichte geworden, das uns Vergangenheit gegenwärtig, nachvollziehbar und auf sinnliche Weise begreifbar macht. Vieles, was sonst längst vergessen ist, hat in Elke Dröschers Puppenstuben wie in einer Nussschale im Strom der Zeit überdauert und kann nun Zeugnis von gelebtem Leben ablegen. Man muss nur genau hinschauen, die Dinge befragen und zuhören, wenn sie ihre Geschichten erzählen. Dazu soll dieses Buch einladen.


10 Eismaschine

Ohne Schnee funktioniert sie nicht eignete es sich zur Eisvermehrung. Als Ausgangsmaterial befüllte man den großen Behälter mit einer Kältemischung, bei der es sich entweder um Schnee oder zerstoßenes Eis handelte. Dann befüllte man den am Deckel angebrachten dünnwandigen Behälter mit Wasser. Wenn man den Deckel aufsetzte, kam das Wasser in engen Kontakt mit der Kältemischung. Durch das schnelle Drehen des inneren Behälters mithilfe einer Kurbel stieg das Wasser an den Wänden empor, kühlte ab und gefror. Innerhalb von sieben Minuten konnte man bis zu sieben Liter Wasser auf diese Weise zum Gefrieren bringen. Und wenn es an heißen Tagen aber weit und breit weder Schnee noch Eis gab? Dann half auch die Eismaschine nicht weiter.

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Zum Glück verrät die Beschriftung dieses Geräts, das die Firma Märklin um 1900 aus handlackiertem Blech für den Gebrauch in Puppenküchen hergestellt hat, worum es sich handelt. Aber was ist eine Eismaschine? Zumindest, was genau man mit ihr produzieren kann, zeigt die hübsche Verzierung an der Außenseite: Auf einer Schale, die von zwei Schweinen flankiert wird, türmen sich Eiswürfel. Die beiden Schweine, die hier aber noch quicklebendig sind, erinnern daran, dass Eis im Haushalt früher vor allem zur Kühlung von Fleisch benötigt wurde. Wie dieses aus heutiger Sicht recht merkwürdige Gerät funktionierte, kann man an seiner für die Puppenküche verkleinerten Variante gut erkennen: Einfach aus Wasser Eis zu machen, damit wäre das simple Gerät überfordert gewesen. Aber immerhin


Eismaschine

Die „Eismaschine“ von Märklin ist nicht nur aufwendig bemalt und verziert, auch die inwendige alte Mechanik aus Blech entspricht einer historischen Eismaschine des 19. Jahrhunderts.

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12 Eisschrank

Der vergessene Vorgänger des Kühlschranks Für die Aufbewahrung von Lebensmitteln gab es früher in jedem Haushalt eine Speisekammer. Schnell verderbliche Waren wie Butter, Fleisch oder Fisch lagerte man jedoch im Keller, da sie dort aufgrund der niedrigen Temperaturen zumindest etwas länger haltbar waren. Eine bessere Methode wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA mit der Erfindung des Eisschranks entwickelt, dem Vorgänger unseres heutigen Kühl- oder Gefrierschranks. Das von der Firma Märklin für die Puppenküche hergestellte Exemplar ist ein typisches Beispiel für die noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Haushalten gebräuchlichen Eisschränke. Normalerweise waren das Holzkästen, die eine Isolationsschicht aus Zinkblech und Porzellan besaßen. Das Prinzip war denkbar einfach: In das obere Fach legte man zerkleinerte Eisstücke, deren Kaltluft die im

unteren Bereich gelagerten Lebensmittel kühlte. Das Wasser der aufgetauten Eisstücke floss nach und nach in einen Tank, der regelmäßig über einen Hahn geleert werden musste. Wer ein solches Gerät besaß, brauchte immer wieder neues Eis. Dafür nutzte man zunächst Natureis, das im Winter geerntet und anschließend über Monate in sogenannten Eiskellern gelagert wurde. Von dort lieferten Spezialhändler es regelmäßig an die Haushalte, meist in Blöcken. Später war es auch möglich, Eis künstlich herzustellen. Noch bis 1960 hatten einige Geschäfte, zum Beispiel Obst- und Gemüsehändler, Nachschub für den Eisschrank im Angebot. Mit der Einführung des Kühlschranks seit den 1950er Jahren kam der Eisschrank außer Gebrauch und ist seither fast ganz in Vergessenheit geraten.

10,5 cm


Eisschrank

Der Eis-Schrank aus gestanztem Weißblech von der Firma Märklin wurde in einer damals beliebten Lasurtechnik, der „Holzmalerei“, geliefert und mit einer schablonierten Beschriftung versehen.

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14 Hackklotz

Zum Draufhauen wunser Puppenstuben-Exemplar über gedrechselte Beine. Das Drechseln ist ein Fertigungsverfahren, bei dem ein Werkstück auf einer Drechselbank bearbeitet und dabei in eine neue Form gebracht wird. Schon in der Antike, in China und im alten Ägypten, war diese Technik bekannt, wovon gedrehte Säulen aus Holz, Horn oder Steinen wie Alabaster zeugen. Im 16. Jahrhundert wurde das Drechseln zu einer Kunst, die selbst Herrscher erlernten, welche freilich edle Materialien verarbeiteten. So stand Kurfürst August von Sachsen selbst gern an der Drechselbank und schuf formvollendete Deckelpokale aus Elfenbein, die heute im „Grünen Gewölbe“ in Dresden betrachtet werden können. Demgegenüber sind die gedrechselten Beine unseres Hackklotzes natürlich simpel. Doch zeigen sie, mit welcher Sorgfalt selbst scheinbar nebensächliche Details von Gebrauchsgegenständen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gearbeitet wurden.

8 cm

Eigentlich ist es nur ein grober Klotz, ursprünglich meist das gerade geschnittene Stück eines Baumstamms. In dieser Form wird der Hackklotz bis heute gern im Garten als Unterlage beim Spalten von Brennholz genutzt. In einer anderen Variante kommt er in Fleischereien und in größeren Küchen zum Einsatz. Hier handelt es sich um einen aus massivem Hartholz zusammengefügten Kubus mit gerader Arbeitsoberfläche. Auf dieser können größere Fleischstücke zerlegt oder von den Knochen getrennt werden, auch unter Zuhilfenahme eines Beils. Allerdings muss die Oberfläche regelmäßig gereinigt beziehungsweise abgeschliffen werden, wozu man eine Drahtbürste benutzen kann. In der Puppenküche spielt das natürlich keine Rolle, doch auch hier findet man den Hackklotz entweder in massiver Ausführung oder in einer Variante mit drei Beinen, ganz so wie in den großen Küchen bürgerlicher Haushalte. Wie viele seiner großen Vorbilder verfügt


Hackklotz 

Gedrechselte dreibeinige HackklĂśtze mit einem Hackmesser und einem Wellholz

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ui sit es quatus a ant pa vo luptat. Otaquat. Nost, qui susae dolupti quas aut Reich ipsam ausgestattete nis sa dolorro Wirtmo oditia ditia aut unt, volumschaftsküche umsa 1880. Das quodachtzig esequatust ipsumbreite vid qui Zentimeter conseriatem utatibusam etur Holzgehäuse hat außen sendi dit arum laut landae reinnen marmorierte Bemalung, dolut vent ped untem.und Et aFußKachelmusterung bodenfliesen Sterndekor. dolupiditi repero mit to quae e


18 Butterfass

Alles in Butter dem eine durchlöcherte Holzscheibe befestigt ist. Nun muss man diesen Stößel nur noch auf- und niederbewegen. Das kann aber dauern, denn gestampft werden muss so lange, bis sich aus dem flüssigen Rahm endlich die feste Buttermasse gebildet hat. In herrschaftlichen Haushalten gehörte das Butterstampfen zu den Aufgaben der Küchenmagd, in ärmeren Familien erledigte es die Hausfrau. Obwohl die Butter seit Mitte des 19. Jahrhunderts von Dampfmolkereien industriell hergestellt wurde, blieb das Butterfass noch sehr viel länger ein übliches Küchengerät. Es gab auch Buttermaschinen – aus Holz, Glas oder Steingut –, in denen der Rahm mittels einer Handkurbel mit Rührschaufeln geschlagen und die überflüssige Buttermilch mit einer Presse herausgeknetet wurde. Aber auch sie erforderten körperliche Arbeit, bis alles in Butter war. Diese Buttermaschinen haben ebenfalls Eingang in Puppenküchen gefunden.

6,5 cm

Butter kauft man im Supermarkt, portioniert in Packungen von jeweils 250 Gramm. Die meisten Kinder wissen heute wahrscheinlich nicht mehr, wie Butter hergestellt wird. Das war noch vor vier oder fünf Jahrzehnten anders, als es keine Supermärkte gab und Milch, Sahne, Quark wie auch Butter in sogenannten Molkereien verkauft wurden. Dort gab es Butter nicht in fertig verpackten Stücken, sondern in Blöcken, von denen die gewünschte Portion abgenommen wurde. Aber bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein wurde sie in vielen Haushalten sogar noch selbst hergestellt. Dafür brauchte man ein Butterfass, das entsprechend auch in vielen Puppenküchen zu finden war. Ausgangsmaterial ist der Rahm, der von der Milch abgeschöpft und dann in diese meistens aus Holz hergestellte Tonne gegeben wird. In ihrem Inneren befindet sich ein aufrecht stehender Zylinder, an


Butterfass

Gedrechseltes Stoß-Butterfass mit einem hölzernen Stößel. Die Eisenreifen der „Böttcherware“ am oberen und unteren Rand wurden durch den Abrieb mit einem Zinnstift imitiert.

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Jeder Topf findet seinen Deckel Wie man Vorräte in den Küchen aufbewahrte Da man Gerätschaften und Vorräte in der Küche möglichst im Blick haben wollte, war der uns heute so vertraute Küchenschrank zunächst wenig gebräuchlich. Stattdessen stellte man die Küchengeräte meist in offenen Regalen ab, das Geschirr fand Platz in Tellerborden. Manche Geräte, wie zum Beispiel Auflaufformen oder auch die gusseisernen Pfannen, wurden direkt an die Wand gehängt, was heutigen Betrachtern meistens recht dekorativ erscheint. Den Köchinnen des 19. Jahrhunderts ging es jedoch vor allem um Zweckmäßigkeit. Da die Küchenarbeit, für die eben noch nicht die heute so selbstverständlichen technischen Hilfsmittel zur Verfügung

standen, ohnehin aufwendig und anstrengend war, sollte sie so effizient wie möglich gestaltet werden. Das betraf natürlich auch die Vorratshaltung, die aufgrund der eingeschränkten Beschaffungsmöglichkeiten viel vorausschauender organisiert werden musste als heute. Gleichzeitig achtete die Köchin stets auf die Haltbarkeit der Lebensmittel und lagerte sie entsprechend. Sofern noch kein Eisschrank zur Verfügung stand, bewahrte man Würste, Käse, Butter, Eier oder Schmalz in Speisekammern auf, die meist in kühleren Bereichen des Hauses, möglichst aber in direkter Nachbarschaft der Küche eingerichtet wurden. Viele Vorräte lagerte man aber auch

Gedrechselte Holzgefäße zur Aufbewahrung und zum Transport von Lebensmitteln in einer Größe von fünf bis zehn Zentimetern, zweite Hälfte 19. Jahrhundert


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Mit dem vielfältigen Zubehör des 19. Jahrhunderts vermittelt die 65 Zentimeter breite rustikale Puppenküche aus Süddeutschland anschaulich eine damalige Küchenausstattung.

direkt in der Küche. Dafür gab es spezielle Gefäße aus unterschiedlichen Materialien. Weit verbreitet waren irdene Töpfe und Gefäße aus Steinzeug. Diese in Manufakturbetrieben oder bereits industriell hergestellten Töpfe waren oft mit dem Schriftzug des vorgesehenen Inhalts versehen. Darüber hinaus gab es eine ganze Reihe spezieller Gefäße aus Holz, Glas oder auch Zinn oder Blech, die sich jeweils für die Lagerung ganz bestimmter Lebensmittel eigneten. So bewahrte man Salz oder Mehl gern in Holzfässchen auf, Zucker in Blechdosen, eingelegte Gurken oder Mixed Pickles in Glaskrügen und Brot in Tonbehältern. Oft gab es ganze Sets von hübsch verzier-

ten Keramikbehältern, die in den Küchenregalen nebeneinanderstanden und mit den Beschriftungen bereits ihren Inhalt verrieten: Nudeln, Salz, Zucker oder Gries. Viele dieser wunderschönen Küchengefäße sind heute nur noch in Puppenküchen erhalten, weil die Originale in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als „altmodisch“ angesehen und bedenkenlos weggeworfen wurden. An ihre Stelle traten nun ästhetisch meist anspruchslose Gefäße aus Plastik, einem Material, das in den 1950er Jahren nicht nur als modern, sondern auch als außerordentlich schick galt.


Elke Dröscher 1941 in Hamburg geboren, gebrauchsgrafische Designlehre und Studium an der Kunstakademie Stuttgart, danach selbständige Tätigkeit als Innenarchitektin und Textildesignerin. 1968 Grün­dung einer Galerie für zeitgenössische Kunst in Hamburg. 1986 Eröffnung des Puppenmuseums Falken­stein in einem legendären Baudenkmal der 1920er Jahre von Karl Schneider. Elke Dröscher ist Autorin zahlreicher Publikationen zum Thema Kind­heit und Spielwerk.

Matthias Gretzschel 1957 in Ortrand geboren, wuchs er als Sohn eines Pfarrers in Dresden auf. Nach einer Buchhändlerlehre und dem Wehrersatzdienst als Bausoldat studierte er in Leipzig Theologie, wo er anschließend im Fachgebiet Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst promovierte. Von 1990 bis 2017 war er Kulturredakteur beim „Hamburger Abendblatt“. Matthias Gretzschel ist Autor zahlreicher kulturgeschichtlicher Sachbücher über Bauwerke, Städte und Landschaften.


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Wie haben die Menschen vor 100 oder 200 Jahren gewohnt, sich gekleidet, sich gewaschen, gekocht und ihren Haushalt organisiert? Oft ist uns das ­Wissen über den Alltag vergangener Zeiten nur in der Verkleinerung von Spielzeugen überliefert worden. Von Abakus bis Zuckerhut stellt dieses Buch 50 Objekte aus historischen Puppenstuben vor, bringt sie zum Sprechen und erzählt auf anschauliche und unterhaltsame Weise Alltags-, Kultur- und Design­ geschichte.

ISBN 978-3-88506-816-7


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