NOIR - Ausgabe 27: In den Tiefen der Seele

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Reportage

keinen Verkehrsregeln zu folgen scheinen, sehr überfüllt wirkt, hat Namibia mit insgesamt 2,3 Millionen vergleichsweise wenig Einwohner. Die meisten bevölkern die wenigen großen Städte wie Swakopmund, der Rest lebt auf Farmen auf dem Land.

Nachbarn erst in über 10 km Entfernung »Wenn dein Nachbar näher als zehn Kilometer an dir dran wohnt, fühlt man sich hier gleich bedrängt«, erzählt John, der mit seinen Eltern eine Gästefarm betreibt, auf der den Besuchern das Westernreiten und das Zusammentreiben von großen Rinderherden beigebracht wird. Als wir einen Berg erklommen haben, deutet John, dessen Großeltern ursprünglich aus Deutschland hierher kamen, in die Ferne: »Seht ihr die Berge dort hinten? Bis dahin reicht unser Grundstück.« 300 Kilometer nordöstlich von Windhoek liegt die Harnas Wildlife Foundation. Harnas ist die älteste Farm in Namibia, die zur Arbeit mit verletzten oder verwaisten Wildtieren Volontäre aus aller Welt sucht. Die Farm erreicht man gut – in dem vergleichsweise reichen Namibia sind alle Straßen gut geteert. Den Wohlstand verdankt Namibia besonders einer Einreisebestimmung: Namibia ist das einzige Land in Mittel- und Südafrika, in dem die Wildjagd durch Touristen erlaubt ist und in

das man Waffen problemlos einführen darf. Viele Lodges lassen sich die Jagdausflüge auf Springböcke, Gnus und ähnliches Wild gut bezahlen – ein Teil des Geldes geht direkt an den Staat. Harnas ist für Farmer aus ganz Namibia und für Zoos aus umliegenden Ländern die einzige Anlaufstelle, wenn es um Wildtiere geht. Über die Jahre hat sich eine gewaltige Anzahl Tiere angesammelt, die von Volontären versorgt werden. Während der ersten Tage haben die Volontäre oft großes Heimweh oder Probleme mit dem Klima. Deswegen suchen sie sich ein Tier, mit dem sie für die nächsten Wochen eine besondere Bindung eingehen, mit ihm im Käfig sitzen, ihm kleine ExtraPortionen geben oder einfach nur mit ihm sprechen. Harnas hat für jeden ein Erlebnis parat: Ob man sich mit den wilden Pavianen einlässt, mit den Geparden unter freiem Himmel schläft oder dem Papagei »Neko« ein neues Wort beibringt. Nur allgemein zimperliche Gemüter haben es schwer: Das Auseinandernehmen von frischgeschlachteten Eseln und die Gemeinschaftstoiletten im Busch gehören leider ebenso zum Farmleben wie das Flaschenfüttern der verwaisten Tierbabies.

Volontäre bei der Arbeit: Auf der ältesten Farm Namibias werden verletzte oder verwaiste Wildtiere aufgepäppelt.

NOIR Nr. 27 (August 2 012)

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