NOIR - Ausgabe 12: Glück

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REINE GLÜCKSSACHE Dopamin, Serotonin, psychologisches Immunsystem – ganz schön kompliziert das „Glück“ zu verstehen. Ekaterina Eimer gibt einen Einblick in die Glücksforschung

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eute schon Mails gecheckt oder ge- Zwillingen ermitteln konnten. Somit gesimst? Maximale Mobilität, gigan- hört jeder Mensch von Geburt an einem tischer Informationsfluss und ständige bestimmten Glückstypen an, der sein Erreichbarkeit sind Alltag. Wohlbefinden tendenziell eher positiv Leistungsoptimierung? Ein Muss! Die oder negativ einstuft. Zum anderen neigen Kehrseite dieser Entwicklung ist Über- wir dazu, unser subjektives Wohl im Verforderung: Viele scheitern an den hohen gleich mit anderen zu messen. Da Glück Anforderungen, werden depressiv und kla- im Alltag schwer zu vergleichen ist, muss gen über Krankheiten wie das Burn-Out- Geld herhalten. Studien zeigen, dass MenSyndrom. Anti-Stress-Bücher und pseudo- schen in einer reichen Umgebung sich ärwissenschaftliche Glücksratgeber haben mer und unglücklicher fühlen als in einer Hoch konjunkt ur und werden nicht müde, uns zu erzählen, wie wir unser Glück finden können. Aber was ist Glück? Kann man das Glücklichsein lernen? Die Positive Psychologie – eine Wissenschaft, die die sich mit Liebe, Glück und Wohlbefinden beschäftigt – geht diesen Fragen nach. Der Glücks-Dozent der Harvard-Universität, Tal Ben-Shahar, sieht Glück nicht als einen Endzustand, sondern als ein Ziel, das man nie voll- Die Positive Psychologie beschäftigt sich mit Liebe, Glück und Wohlbefinden ständig erreichen wird. In seiner Vorlesung lehrt er die Studenten daher, nicht armen Umgebung, auch wenn sie in beiauf ein entferntes, großes Glück zu hoffen, den Fällen denselben Lohn erhalten. Ein sondern sich Zeit zu nehmen und die klei- weiterer Punkt ist, dass Glücksempfinden nen Dinge des Lebens schätzen zu lernen. mit der Zeit nachlässt. Jeder kennt das: Doch was und wie viel davon brauchen Man wünscht sich etwas mehr als alles wir, um glücklich zu sein? Der allgemeine andere. Hat man es aber, so verblasst die Wohlstand hat sich in der westlichen Welt Freude über den Besitz nach einer Phase in den letzten Jahrzehnten zwar verviel- der Euphorie relativ schnell. Ähnliches gilt facht, laut empirischer Glücksforschung auch für den Lebensstandard. Schließlich sind wir aber nicht glücklicher geworden benötigen wir etwas Neues, worauf wir uns sind. Forscher begründen das zum einen freuen können. dadurch, dass ein gewisses Maß an subDer Grund für die Anpassung liegt in jektivem Glücksempfinden genetisch fi- der Evolutionsbiologie. Als Reaktion auf xiert ist, wie sie in Studien an eineiigen Erfolgserlebnisse schüttet unser Gehirn

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N o i r N r. 12 (S e p t e m b e r 2 0 0 9)

Hormone wie Dopamin und Serotonin aus. Sie lösen das Glücksgefühl aus und begünstigen positive Erinnerungen sowie die Motivation, die Handlung zu wiederholen. Die Belohnung muss allerdings vorübergehend sein: Hätten unsere Vorfahren nach jeder erfolgreichen Jagd vom Glück berauscht tagelang nichts getan, wären sie wohl der natürlichen Selektion zum Opfer gefallen. Die gute Nachricht: Kein Glücksmoment ist umsonst. Positive Gefühle werden so kultiviert, das Selbstwertgefühl und ein psychologisches Immunsystem aufgebaut. Letzteres hilft uns, Rückschläge schneller wegzustecken und Positives intensiver wahrzunehmen. Das stärkt die allgemeine Belastbarkeit sowie das klassische Immunsystem. Klinische Studien haben sogar ergeben, dass Optimisten tendenziell besser genesen als Pessimisten. Ist es nicht paradox, dass ausgerechnet das, wofür im Arbeitsalltag wenig Zeit bleibt, uns motivierter und leistungsfähiger macht? Schaffen wir es also, die Anforderungen der Zeit, mit dem zu kombinieren, was Spaß macht, hätten Glücksratgeber wohl ausgedient. Auch ist es beruhigend zu wissen, dass die Glücksursache Dopamin egal ist, wahrnehmen muss man diese nur als solche! Setzt euch also Ziele und habt Freude an der Umsetzung. Genießt jeden sorgenfreien Moment und habt Spaß mit euren Freunden, denn geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude.

Foto: Sternschnuppe1 / PIXELIO


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