Jitter .Rezension_Alexandra Kardinar&Volker Schlecht: Das Fräulein von Scuderi

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Stilwechsel E. T. A. Hoffmann Das Fräulein von Scuderi Graphic Novel von Alexandra Kardinar & Volker Schlecht J I T T E R . R e ze n sion von Andreas R auth

Magazin für Bildkultur



// Ur-Motivation allen Erz채hlens ist, das Erfundene, das Nichtwirkliche, die Fiktion unter dem Aspekt des Wirklichen, Erfahrenen, Mitgeteilten erscheinen zu lassen. // Franz K. Stanzel


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E. T. A. Hoffmann Das Fräulein von Scuderi eine Graphic Novel von Alexandra Kardinar & Volker Schlecht Te x t : Andreas R auth

Paris zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig xiv.: eine schreckliche Mordserie hält die Stadt in Atem. Alle Versuche, den oder die Gesetzlosen zu fassen, scheitern. Die MaSSnahmen werden immer drakonischer und gewaltsamer in der Durchsetzung. Selbst auf den kleinsten Verdacht hin werden Personen festgenommen, gefoltert, verurteilt, exekutiert. Der grausame Polizeipräfekt Nicolas-Gabriel de La Reynie, Präsident der »Chambre ardente«, einem Sondergerichtshof mit besonderen Vollmachten, missbraucht sein Amt für einen persönlichen Feldzug gegen das vermeintliche Böse. Über die abscheulichen Methoden ist selbst der König entsetzt; er fordert neue Strategien im Kampf gegen das Verbrechen. SchlieSSlich gelingt es der Dichterin Madame de Scuderi mit unkonventionellen Ideen, den Fall aufzuklären.



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E // Im Marketingjargon könnte man das Ergebnis vielleicht als »Augmented Graphic Novel« bezeichnen. //

T. A. Hoffmanns Erzählung Das Fräulein von Scuderi – erschienen erstmals 1819, drei Jahre vor dem frühzeitigen Tod des Autors – ist allerdings weit mehr als eine kunstvolle Erzählung über den Einfluss einer charmanten alten Dichterin am absolutistischen Hof. Im Gewand einer historischen Fiktion übte Hoffmann Kritik am preußischen Rechtssystem seiner Zeit. Der Schriftsteller, der seine eigene berufliche Laufbahn als Jurist im preußischen Staatsdienst wiederholt durch seine künstlerisches Schaffen gefährdet sah, sei es dass man ihn wegen bissiger Karikaturen strafversetzte oder sogar wegen eines satirischen Märchens auf »Verletzung der Amtsverschwiegenheit« anklagte, bezieht in Das Fräulein von Scuderi Position gegen staatliche Willkür und betont die segensreiche wie auch zerstörerische Macht künstlerischer Sensibilität. Das unter dem Namen »Drushba Pankow« auftretende Zeichnergespann Alexandra Kardinar und Volker Schlecht hat Hoffmanns berühmte Erzählung im vergangenen Herbst als Graphic Novel veröffentlicht. Die »geschichtsbegeisterten Illustratoren« entwickelten dafür ein Konzept, das die gängige Vorstellung von einer Graphic Novel deutlich überschreitet. Mit wechselnden Stilen, Erzählstrategien und ergänzenden historischen Informationen zu Personen und Schauplätzen verwandeln sie die Novelle in eine visuelle Narration, die man im Marketingjargon vielleicht als »Augmented – erweiterte – Graphic Novel« bezeichnen könnte. Was dem Leser/Betrachter hier geboten wird, ist zwar nicht wirklich neu, dennoch fernab der marktüblichen Bilderzählware.

Komplexe Bild-Text-Kombination Gestalterisch haben sie dabei jeden Quadratzentimeter maximal ausgenutzt. Angesichts der dicht gedrängt liegenden Textblöcke möchte man spontan eine Umsetzung in wenigstens dem doppeltem Format empfehlen – oder gleich in digitaler Form. Dann ließen sich bei Bedarf die verschiedenen Textebenen ein- bzw. ausblenden, das eigentliche Bild präsentierte sich dem Betrachter unverstellt. So naheliegend Vorschläge dieser Art auch sein mögen, man übersieht dabei leicht, dass es sich hier um eine als Gesamtge-


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stalt wirkende, komplexe Bild-Text-Kombination handelt. Mit Entfernung der Textelemente ginge auch der typische Charakter verloren. Sicher ist das gleichzeitige Vorhandensein aller Elemente auf dem Papier auch technisch bedingt (wenngleich mittels transparenter Überleger im Druck ein ähnlicher Effekt zu erzielen wäre), und das vorliegende Buch wirkt auf manchen Seiten auch arg gedrängt. Fasst man die Enge aber nur als einen zu überwindenden Missstand oder technische Einschränkung auf, als Notlösung gar, wird man dem Medium nicht gerecht. Schließlich tauchen in Comics seit jeher alle Erzählebenen, Bild, Blocktext, Sprechblase, simultan auf. Gerade im Ineinandergreifen von Bild und Text liegen ja die spezifischen Stärken des Mediums. Ob also in einer digitalen Version die Text-Überlagerungen tatsächlich nur auf Anforderung angezeigt würden, ist daher fraglich. Selbst wenn man einwenden mag, das Medium könne sich unter digitalen Bedingungen ja auch – und sogar grundlegend – verändern, sind elektronische, besser: interaktive Comics – denn ein digitaler Comic ohne Interaktivität unterscheidet sich ja

// Das Bild macht den Betrachter zum Zeugen des Geschehens. //

hinsichtlich der Rezeptionsmöglichkeiten nur wenig von der gedruckten Variante – nicht als logische Fortsetzung der Papierversion anzusehen, können sie kaum als die Erfüllung eines immer versprochenen, aber technisch verhinderten Standards gelten. Sinnvoller ist es gedruckte und interaktive Comics als eigenständige Varianten zu unterscheiden. Werfen wir also einen näheren Blick auf die dicht gedrängten, aber keineswegs überladenen Seiten.

Im gebrochenen Kiefer des Königs faulen Speisereste Im vorderen Teil des Buches findet man die »Augmented Graphic Novel« mit den erwähnten textlichen Ergänzungen, im hinteren den, ebenfalls mit Anmerkungen versehenen, Hoffmannschen Originaltext.

Der Textanteil der Graphic Novel, setzt sich zusammen aus in Sprechblasen gesetzten oder direkt ins Bild gezeichneten sprachlichen Äußerungen oder anderen Lauten der Figuren, in Blöcke eingefügten Erzähltext sowie den ebenfalls in Blockform integrierten historischen Informationen. Letztere sind schon sprachlich vom literarischen Text klar zu unterscheiden; damit die Orientierung dem Leser leichter fällt, sind sie zusätzlich visuell gekennzeichnet: weiß hinterlegtes Textfeld, anderer Schriftgrad und -schnitt. Allerdings wurde das Farbkonzept nicht immer konsequent durchgehalten. Diese durchaus narrativ formulierten Texte machen einen wesentlichen Reiz der gesamten Geschichte aus. Herausragend ist die Anekdote Ludwig XIV seien im Alter von 47 Jahren auf Anraten seines Leibarztes sämtliche Zähne gezogen worden, wobei ihm der Kiefer gebrochen und ein Teil des Gaumen herausgerissen wurde, an welcher Stelle seither ein Loch klaffte, in dem Speisereste zu faulen begannen, weshalb der König einen unangenehmen Geruch verbreitete. Das klingt nicht nur höchst unappetitlich, sondern auch außerordentlich bescheuert, wird aber, so darf man vermuten, von heutigen Ärzten tagtäglich mit vielleicht weniger gewaltsamen aber noch absurder anmutenden Prozeduren und Folgeschäden überboten. Wer verspürte da nicht den Drang, die Geschichte medizinischer Verirrungen gleich selbst in ein groß angelegtes Graphic Novel-Projekt gießen zu wollen? Neben den vier Textebenen bekommt der Betrachter dann noch wechselnde Bildstile und reichlich verschachtelte Seitenlayouts vorgesetzt, sodass man sich gelegentlich wundert, wie trotzdem alles zusammenhält und nicht in Einzelteile zerfällt. Die Gestalter haben das komplizierte Gefüge, in dem sich ihr Anspruch auf Werkinterpretation deutlich artikuliert, sicher im Griff. Natürlich fordert zu allererst der Respekt gegenüber einer Vorlage die Interpration. Wer ein Werk ernst nimmt, der interpretiert es, der tut nicht so, als sei dies entweder nicht nötig oder eine willkürliche Angelegenheit. Schon weil sowohl das Original wie auch dessen künstlerische Bearbeitung in einen historischen Kontext eingebettet sind. Und das Konzept von Drushba Pankow weist auf die grundsätzlich für jeden Text in Anschlag zu bringende Geschichtlichkeit hin. Zudem erzwingt der Medienwechsel ohnehin die Interpretation. Denn es ist Sache des Künstlers, dem Dichter zu folgen, »ohne sich in der geringsten Kleinigkeit von ihm verführen zu lassen« wie Lessing in seinem berühmten Aufsatz Laokoon forderte. Die Bildhauer der LaokoonGruppe »hatten ein Vorbild«, heißt es bei Lessing weiter (in der Dichtung nämlich), »aber da sie dieses Vorbild aus einer Kunst in die andere hinübertragen mußten, so fanden sie genug Gelegenheit selbst zu denken.« Drushba Pankow fanden ebenfalls genug Gelegenheit »selbst zu denken« und haben diese auch genutzt.

Wo wir sehen, sind wir dabei Das Fräulein von Scuderi lädt zur Interpretation ein, welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind, lassen sich auch erahnen. Denn Hoffmann lässt nicht einfach nur einen Erzähler die Geschehnisse von Anfang bis Ende und der Reihe nach schildern. Neben dem Erzähler der eigentlichen Geschich-


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te, äußern sich die Protagonisten teils in direkter, teils in indirekter Rede. Manche werden selbst zum Erzähler wie der zu Unrecht angeklagte Olivier Brusson. Zudem wird der Leser noch über die Pariser Giftaffäre von 1675 – 82 informiert – eine zwar interessante Episode, die entscheidende Hintergrundinformationen enthält, allerdings den zeitlichen Ablauf der Erzählung unterbricht und auch stilistisch eher die Form eines kommentierenden Berichtes hat. Entscheidend bei der Umsetzung in eine Graphic Novel ist der richtige Umgang mit der Bildebene, deren besonderer Zeichencharakter den wesentlichen Unterschied zur sprachlichen Erzählung bildet. Denn das Bild macht uns zum Zeugen des Geschehens. Nicht mehr vermittelt durch die Rede eines Erzählers, nehmen wir die erzählte Handlung war. Der Künstler zeigt im Bild seine Version der vom Erzähler geschilderten Handlung. Wir sehen, vermittelt durch den Künstler, was der Erzähler oder eine Figur der Handlung wahrnimmt. Wohl blicken wir auf das Bild von außen, aber der Blick der sich uns bietet, ist der des Künstlers als unser eigener. Die fremde Wahrnehmung wird zu unserer eigenen. Und wo wir sehen, sind wir dabei. Das bedeutet auch, dass das Bild immer unsere Gegenwart ist, ungeachtet der zeitlichen Lokalisierung der darin zur Darstellung kommenden Ereignisse. Und ungeachtet des im Erzähltext auszumachenden Erzählers, der nämlich geht auf in der vom Bild angebotenen Wahr-

nehmungsillusion. Ist ein Erzähltext der Bericht von Wahrnehmungen, so ist der Bildteil einer Graphic Novel die Wahrnehmung selbst. Die Aufgabe, vor die sich Autoren einer Graphic Novel gestellt sehen, ist also keine einfache, gilt es doch, die unterschiedlichen Erzähldimensionen in den Griff zu bekommen, und dabei die Besonderheiten des eigenen Mediums möglichst geschickt anzuwenden. Drushba Pankows Arbeit kennzeichnet vor allem die Verwendung unterschiedlicher Zeichenstile. In der Haupterzählung kommt eine Mixed media-Technik mit texturierten Hintergründen zum Einsatz, in die Details zum Teil hingezeichnet, zum Teil collagiert bzw. aufgelegt sind. Insgesamt verwenden sie viel schwarz in den Schatten, die Farbe füllt die Zeichnung flächig und oft genug auch ohne Wirklichkeitsbezug; im Ergebnis ähnelt das einem kolorierten Stich oder Schwarzweiß-Fotografie. Allerdings bleiben immer wieder Lücken mit dem blanken Gerüst der Zeichnung stehen. Drushba Pankow sorgen sich nicht darum, den Prozess des Bildermachens vor dem Betrachter zu verbergen. Verweisen die stilistischen Mittel indexikalisch auf den Prozess des Zeichnens, so lassen sie gleichzeitig Rückschlüsse auf die Autoren zu. Gerade in den unfertig wirkenden, nur andeutenden Linien oder aus realem Material bestehenden Texturen ist die Präsenz der Bildautoren wahrnehmbar. So ensteht in etwa eine




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Wirkung vergleichbar mit dem Eindruck eines Romanlesers, er wohne aktuell dem Erzählvorgang bei. Die Ausformulierung der Szenen ist Aufgabe der Zeichnung. Farbe wird wie gesagt flächig aufgetragen und in den Hintergründen folgt sie nur selten den gezeichneten Formen. Sie tritt, von darstellenden und narrativen Aufgaben weitgehend befreit, fast ungehindert als Eigenwert auf – wenn auch kaum einmal ohne brechende Textur. Gelegentlich steht die Farbe aber auch im Dienste eines einheitlichen Stimmungsraums, etwa um eine Szene in nächtliches Grauschwarz zu tauchen. Doch selbst in diesen Fällen narrativer Koppelung, drängt sie noch zur Autonomie, wenn sie, gegen die perspektivische Zeichnung aufgetragen, mehr grauschwarz als Nacht ist. Im Ergebnis wird die räumliche Illusion abgeschwächt, damit einher geht eine Verknappung des erzählerischen Tiefenraums. Kurz gesagt: es wird bühnenhaft. Für ein Kammerspiel wie dieses durchaus unproblematisch, der intime Charakter wird sogar noch unterstützt.

Anleihen beim Animationsfilm Eine Besonderheit der eingeklebten oder aufgelegten Elemente sind die in einzelne Segmente zerlegten Körper der Protagonisten. So lassen sie sich wie beim Legetrick im Animationsfilm nicht nur leicht in Position bringen, die Verfügbarkeit der Protagonisten als auf Karton gezeichnete Gliederpuppen vereinfacht ebenso die Darstellung von Bewegungsabläufen. Häufig werden mehrere Phasen gleichzeitig hintereinander gefügt (Abb. S. 9), wobei meist die Panel- und gelegentlich auch die Seitengrenzen überschritten werden.

// Die Farbe kann, von darstellenden und narrativen Aufgaben weitgehend befreit, als Eigenwert auftreten. //

Gerade wegen der dafür typischen Steifigkeit und eingeschränkten Ausdruckskraft fügt sich die eigenwillige Ästhetik der Gliederpuppen gut in Hoffmanns literarische Welt. In berühmt gewordenen Erzählungen wie Die Automate oder Der Sandmann hat er die seit dem Barock bis ins frühe 19. Jahrhundert beliebten, häufig musizierenden Menschen-Automaten literarisch verarbeitet. Dort treten sie als unheimliche Wiedergänger fleischlicher Jungfräulichkeit auf, fähig die erotische Phantasie sensibler Jünglinge bis in den Wahnsinn zu steigern. Und im barocken Kontext der Scuderi lassen sich weitere Bezüge finden: Das höfische Zeremoniell, die Etikette, die unendlichen Vorschriften – sie können als komplizierte soziale Mechanik und Unterwerfungstechnik aufgefasst werden, die alle Lebensbereiche am Hofe durchzieht. Unbedingt hervorzuheben sind die schon erwähnten gezeichneten Textelemente: Neben den den Erzähltext enthaltenden Textrahmen gibt es einzelne gezeichnete Wörter oder kurze Formulierungen, welche sich mit ausgeprägten Tiefenlinien und harten Schatten plastisch vom Bildgrund abheben. So wird der Text zur architektonischen Proklamation mit maximaler Plakativität (Abb. rechts).

Stilwechsel Ihre Bildkompositionen statten Alexandra Kardinar und Volker Schlecht mit Zitaten aus der modernen Medienkultur und dem Leben der Jetztzeit aus – gleich zu Beginn ist, in der Rolle des Dieners Baptiste, Steve Buschemi zu sehen, später dann Arnold Schwarzenegger alias Graf Miossens, Gerard Depardieu alias Polizeilieutnant Desgrais und Bob Geldof hat einen kleinen Einsatz als Einflüsterer des Königs. Alfred Hitchcock wird mit seinem Cameo-Auftritt aus Die Vögel zitiert und – eine Anspielung auf das gemeinsame Genre der Kriminalgeschichte? – »Harry« soll den Wagen holen. Demonstranten mit Transparenten und Digitalkameras fordern die Freilassung Oliviers, Kinder spielen mit modernem Kriegsspielzeug in den Gemächern des Königs, irgendwo liest man neben der Zeichnung eines Hundes »Un Chien andalou«, usw. Das ist nicht nur charmant und unterhaltsam, es verleiht der Geschichte eine gewisse Aktualität, was durchaus schlüssig ist, steht der 1776 geborene Hoffmann mit seinem Werk doch am Anfang moderner Massengesellschaften und ihrer medial vermittelten Wirklichkeit. Auch kann die historische Madeleine de Scudéry dank des Königs Begeisterung für ihre Dichtung als eine Art früher Star gelten. Für die Darstellung des Exkurses über die Pariser Giftaffäre 1675–82 wechseln die Zeichner zu einer an Arznei-Verpackungen orientierten schematischen Darstellung unter Verwendung bekannter Piktogramme. Hier wird das nüchterne Schwarzweiß nur mit wenigen roten Farbstrichen für Gefahr und Tod symbolisch markiert. Dem aus der Erinnerung wiedergegebene Lebensweg des Angeklagten Olivier Brusson tragen Drushba Pankow ebenfalls auf eigene Weise Rechnung. Eine vereinfachte, im strengen Raster angelegte Bildsprache, farblich reduziert und mit Hang zur grotesken Überzeichnung vermittelt die biographischen Details. Hier sind die Zeichnungen naiver und deutlicher im Aus-


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druck. Dadurch und dass häufig die Panels mit einer Naheinstellung ausgefüllt sind, die sich so dicht an den Rahmen drückt, dass dieser sie nur mühsam zu halten scheint, wird eine Atmosphäre der Unmittelbarkeit erzeugt, die dem Bericht Authentizität verleiht. Nur wenige Sprechblasen kommen hier zum Einsatz, dafür läuft die Bildunterschrift – übrigens in französisch – unter Missachtung der Panelgrenze als Spruchband darunter her (Abb. Doppelseite 10/11), die Einzelbilder geschickt an den fortlaufenden Erzählfluss bindend. Gerade am Wechsel der Stile erkennt man deren narratives Potential: Eine detaillierte realistische Darstellung erzählt anders als eine grafisch reduzierte, eine

farbige anders als eine schwarzweiße usw. Zeit, Raum, Atmosphäre, Erzählzusammenhänge bekommen durch den wechselnden Charakter der visuellen Zeichen immer einen anderen Schwerpunkt, erscheinen mal näher, mal distanzierter. So erntet man aus dem Stilwechsel erzählerische Varianz und Tiefe, und die Medialität des Bildes kommt als Metaebene dabei automatisch zum Tragen. Brüche, Reduktion, Verzicht auf einen einheitlichen Bildraum und Kombination ungleichzeitiger Elemente reduzieren den Illusionismus zugunsten einer Aktivierung der Vorstellungskraft. Abstraktion erweist sich als ein Mittel großer Offenheit und unendlicher Variationsbreite für die bildliche Narration. Schon in ihrem im Jahr 2009 erschienen Buch über das amerikanische Label Motown, The Soul of Motown, hat das Gestalterteam diesen Collagestil mit Grandezza vorgeführt. Dort Aufgrund des größeren Formats sogar noch wirkungsvoller als hier. Sich passiv den Bildern zu überlassen ist praktisch ausgeschlossen. Drushba Pankow haben die Gelegenheit genutzt »selbst zu denken«,

an den Leser ergeht die stilschweigende Aufforderung, es ihnen gleich zu tun. Mit Johann Heinrich Ramberg (1763–1840), dem ersten Illustrator der Scuderi sei Hoffmann nicht zufrieden gewesen, heißt es in einem der weißen Textfelder. Dessen Arbeiten, so ist dort zu lesen, galten dem Autor, der selbst über nicht wenig Zeichentalent verfügte, als »fabrickmäßige Manier der gewöhnlichen Taschenbuchzeichner«. Wie E. T. A. Hoffmann das Experiment von Drushba Pankow beurteilt hätte, darüber lässt sich nur spekulieren, auszuschließen ist wohl, dass er es »fabrickmäßig« genannt hätte.

E. T. A. Hoffmann / Alexandra Kardinar & Volker Schlecht Das Fräulein von Scuderi Graphic Novel Frankfurt am Main, Wien und Zürich: Büchergilde Gutenberg 2011 Mit Originaltext in einem Band Gebunden mit Schutzumschlag, 21,4 x 15,2 cm, 160 Seiten € 24,90 / CHF 32,90 www.edition-buechergilde.de Alle Abbildungen © 2011 bei Büchergilde Gutenberg und Drushba Pankow. Fotos auf S. 5 © Drushba Pankow.


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