JITTER .Ein Nachruf auf Frank Frazetta

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Animalische Direktheit Ein Nachruf auf Frank Frazetta Von D ieter Jüdt

Magazin für Bildkultur

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/Gigantische Schatten streifen blutgerötet über die Welt, und die Nacht senkt sich auf Asgard herab. Ich höre die Schreie lang gefallener Helden im endlosen Nichts. Für jeden kommt die Zeit, und selbst Götter müssen sterben.../ Robert E. Howard »Das Ende des grauen Gottes«


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Animalische Direktheit Ein Nachruf auf Frank Frazetta Von D ie te r Jüdt

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us heutiger Sicht mutet die amerikanische Comicszene der späten 1940er Jahre wie ein goldenes, archaisches Zeitalter an. Ein unübersichtlicher Dschungel aus Serien, Maga-

zinen und Verlagen bot jungen Talenten vielfältige Möglichkeiten, um sich als Comic Artist, Coverillustrator oder Autor einen Namen zu machen. Der junge Frank Frazetta, aufgewachsen in Brooklyn und aus einfachen Verhältnissen stammend, startete von hier aus seine Karriere als (vorerst ungenannter) Penciler und Assistant Artist für Serien wie Snowman oder Tally-Ho Comics. In den folgenden Jahren lieferte er dann für die Comicbooks der Verlage EC, National, Avon oder DC Zeichnungen zu allen erdenklichen Genres: von Western, Fantasy über Mystery und Historiencomics bis hin zum Funny Animal Comic. Es entstanden raffinierte Tuscheillustrationen für die Cover der SF-Comicbookserie Buck Rogers, Arbeiten für Magazine wie Playboy (der Strip Little Annie Fanny) und nach Anfragen aus Big Hollywood auch eine Reihe von Filmplakaten, u.a. für What’s New Pussycat? oder Roman Polanskis Tanz der Vampire. Zu Beginn der 1960er Jahre drängten billige, auf holzhaltigem Papier gedruckte Taschenbücher auf den Buchmarkt und ersetzten nach und nach die Pulp-Magazine. SciFi- und Fantasyautoren wie Edgar Rice Burroughs oder Robert E. Howard, die schon bei den Pulps zu den Bestsellern gehörten, erlebten ihre erste Renaissance und fanden ein neues, jugendliches Lesepublikum. Zur Popularität dieser Paperbacks trugen in nicht zu unterschätzender Weise Frazettas in Öl gemalte Titelbilder bei. Geschult an Stilistik und Malweise der großen amerikanischen Illustratoren wie Howard Pyle oder N. C. Wyeth, schuf er stimmige Entsprechungen der geschilderten barbarischen Zeitalter, vor allem aber ikonenhafte Visualisierungen der Pulpheroen Conan von Cimmeria, Bran Mak Morn oder John Carter of Mars. Beeindruckend souveräne Malereien, die das Kunststück fertigbrachten, den Betrachter durch die animalische Direktheit ihrer Akteure zu fesseln und ihm gleichzeitg, im bewussten Andeuten oder Weglassen, einen imaginativen Raum zu gewähren. Der eigentlich nur in den Pulps funktionierende, popkulturelle Typus des »Barbaren«, ausgestattet mit zwiespältigem Charakter und »zupackendem« Handeln bar jeder moralischen Kategorie, fand in den Malereien von Frazetta eine adäquate Form. Mit seinen Titelbildern definierte Frank Frazetta nicht nur das Gros




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der stilistischen Vorgaben im Genre der »Sword & Sorcery«, sondern legte auch gleichzeitig die Messlatte für alle zukünftigen Künstler des Genres auf ein Niveau, das weder die blutleeren Airbrushmaler der 1980er Jahre, noch die aktuellen Painterillustratoren erreichen. Die Sciene Fiction übrigens geriet in den Malereien Frazettas selten zur Verheißung einer perfekten Utopie, als vielmehr zu einem weiteren dunklen Zeitalter, weit davon entfernt, irgendwie »cyber« oder »spacy« zu sein. Obwohl Frazettas Charaktere einen unübersehbaren Machismus zur Schau stellen, gibt es in vielen seiner Bildmotive eine Tendenz zu spannungsreichen Kräfteverhältnissen. Oft ist der Held in der Auseinandersetzung mit der Bestie (dem Säbelzahntiger, der Riesenschlange, dem Urzeitkrokodil etc.) derart unkalkulierbar verstrickt, dass es für den Betrachter offen bleibt, wer letztlich den Sieg davonträgt. Der Comickünstler Richard Corben, einer der talentiertesten unter den von Frazetta inspirierten Zeichnern, hat diesen Aspekt wiederholt in seinen Strips aufgegriffen und bis zum oft bitteren Ende durchdekliniert. Verstrickungen und Fesselungen der Hauptfiguren, die manchem Motiv einen deutlichen Bondagecharakter verleihen, oder Frazettas Vorliebe für die Darstellung nackter Männerhintern, welche sich gerne in den Vordergrund der Bildkompositionen drängen (ob als Reminiszenz an die klassische Skulptur oder als Signal an eine bestimmte Leserschaft – who knows), sorgen für Ambivalenz, die den Arbeiten vieler seiner künstlerischen Epigonen wie z.B. dem eher biederen Boris Vallejo fehlt. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich derart latent homophiles Artwork besonders in machohaft geprägten Milieus wie der Metal- und Southernrockszene oder bei internationalen Biker- und Rockergangs – Frazettamalereien auf Motorradtanks sind Legion – bis heute größter Beliebtheit erfreut. Nicht zu vergessen Frazettas Frauenfiguren, welche Betty Ballantine im Vorwort zum ersten (und schönsten) Artbook Frazettas anerkennend mit »lushly rounded and curved« beschreibt. Dabei spiegeln seine Bildmotive ungebrochen Geschlechterverhältnisse und Körperkult der amerikanischen Nachkriegsära (z. B. das für heutige Verhältnisse eher dezente Bodybuildung der 1950er Jahre) wider. Die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der Sixties, Popart und Underground, fanden keinerlei Niederschlag in seinem Artwork, und das Hippieeske oder sogar Esoterische mancher zeitgleich arbeitenden britischen Illustratoren fehlt Frazetta völlig. Im Laufe der Jahre druckte vor allem Warren Publishing regelmäßig die bewährten Motive auf den Covern der hauseigenen großformatigen Comicmagazine Eerie, Creepie oder Vampirella. Popularität über die nerdige Szene der SF- und Fantasyleser hinaus erlebte Frazetta dann mit der Veröffentlichung seiner Illustrationen in der Artbookreihe von Bantam

Books. Im Boom der Fantastik während der 1970er Jahre (man entdeckte nicht nur Tolkien sondern eben auch Howard) freundete sich sogar die Gegenkultur mit den Machismen Frazettas an. Frazetta wurde klassisch, und als Marvel 1980 Epic, das Konkurrenzprodukt zum erfolgreichen Heavy Metal-Magazin, startete, konnte man gar nicht anders, als die Nr. 1 mit einem Frazetta-Cover auszustatten. Zu Beginn der 1980er Jahre kam es dann zu einer Zusammenarbeit mit dem bekannten, US-amerikanischen Zeichentrickregisseur Ralph Bakshi für den Film Fire and Ice. Viele der Figuren, die in dem Animationsfilm zu sehen waren, basierten auf Frazettas populären Bildmotiven. Der Film, der 1983 in die Kinos kam, war jedoch ein finanzieller Misserfolg. Frazetta kümmerte sich in den folgenden Jahren, bedingt auch durch gesundheitliche Probleme, die ihm das Arbeiten teilweise unmöglich machten, vor allem um die kommerzielle Verwertung seiner Arbeiten und pochte dabei immer wieder deutlich auf die Einhaltung seiner Copyrights. Vor kurzem blitzte noch einmal sein Name auf, als bei einer Auktion eines seiner bekanntesten Ölgemälde, Conan the Conqueror, von einem privaten Sammler für die Summe von einer Million US Dollar ersteigert wurde. Frank Frazetta starb am 10. Mai 2010 im Alter von 82 Jahren.

/Als Marvel 1980 Epic, das Konkurrenzprodukt zum erfolgreichen Heavy Metal-Magazin, startete, konnte man gar nicht anders, als die Nr. 1 mit einem Frazetta-Cover auszustatten/ • Alle Abbildungen © Frank Frazetta • »Thuvia, Maid of Mars«, in: Frank Frazetta Book Two, Bantam Books 1977, S. 41 »The Huntress«, in: Frank Frazetta Book Two, Bantam Books 1977, S. 91 »Serpent«, in: Frank Frazetta Book Three, Pan Books 1978, S. 31 »Attack«, in: Frank Frazetta Book Three, Pan Books 1978, S. 67 »The Galleon«, in: Fantastic Art Of Frank Frazetta I, Bantam Books 1975, S. 61




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