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Sie betreten die arbeitsfreie Zone. EIN HEFT ÜBER MENSCHEN, DIE AUF KARRIERE PFEIFEN UND DAS LEBEN NEBEN DEM JOB SUCHEN.


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Liebe Leserin, lieber Leser, besonders einfach ist es nicht, dem Sog der Arbeit zu entkommen. Die Idee von Schule, Ausbildung und Hochschule lebt ja ganz wesentlich von dem Gedanken, danach, wenn alle Abschlüsse im Zeugnis stehen, einen Job anzufangen, der Geld nach Hause bringt. Die meisten Jobs bringen allerdings nicht nur Geld nach Hause. Sie bringen unsere Gedanken durcheinander, sie bemächtigen sich unser. Nie war das Leben eines normalen Arbeitenden so von den täglichen Pflichten durchdrungen wie heute. Auch dann, wenn wir schon längst zu Hause sind. Ist das gut so? Müssen wir unsere Freizeit neu verteidigen? Müssen wir unsere Prioritäten wieder anders setzen? In diesem Heft geben wir Antworten.

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INHALT 4 Modell Teilzeitarbeit ist längst nicht für jeden geeignet. 10 Vergleich Friederike diskutiert mit ihrer Oma, wofür man früher gearbeitet hat. 14 Lebenspläne Absolventen fragen heute nach Freizeit, nicht nach Geld. 18 Entscheiden Ein Test ermittelt den richtigen Feierabendsport für dich. 20 Liebe Wie ein Umzug die Beziehung auf die Probe stellt.

COVERFOTO: CYDONNA / PHOTOCASE.COM

24 Sauber Warum man sich nicht schämen sollte, eine Putzfrau zu engagieren. 26 Träumen Eine Website versammelt Bilder von wunderschönen Hütten. 30 Plädoyer Wir reden zu viel über Soft Skills. 32 Mahlzeit Errätst du, wer was zu Mittag isst? 33 Einkauf Schöne Dinge für den Schreibtisch. 34 Kolumne Roger Willemsen beschreibt die seltsame Trennung von Arbeit und Freizeit.

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VON CHRISTINA WAECHTER / TEXT, DAS SCHMOTT / FOTOS & KATRIN STEIGER / STYLING

Was Halbes ist nichts Ganzes. Teilzeitarbeiter sind arm dran. Sie arbeiten mehr als ihre Kollegen und können ihre Karriere dennoch an den Nagel hängen. Die ernüchternde Betrachtung eines gut gemeinten Arbeitsmodells.

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Teilzeit

klingt schön, nach weniger Arbeit und mehr Selbstbestimmung. Teilzeit klingt aber auch nach Karriere-Ende und ganz viel schlechtem Gewissen. Julia Mickel* hat bis zur Geburt ihres zweiten Kindes in einem mittelständischen Architekturbüro Teilzeit gearbeitet und findet noch heute, dass es für sie perfekt war. Nie musste sie bis zum Abend durcharbeiten wie ihre Kollegen; stattdessen durfte sie gegen 14 Uhr gehen und den Nachmittag zum Beispiel mit ihrem Sohn auf dem Spielplatz verbringen. Sie hatte Zeit für ihr Privatleben, hatte dank ihrer Kollegen Erwachsenen-Gespräche und fachlichen Input und verdiente nicht einmal schlecht. Allerdings schränkt Julia ihre Begeisterung für Teilzeit ein wenig ein: „So ein Halbtagsjob ist sicher nichts für jeden, man darf zumindest nicht zu ambitioniert sein.“ Dann kann man nämlich nur enttäuscht werden. In einer Branche, in der Nachtschichten eher der Normal- als der Ausnahmefall sind, werden umfangreiche Projekte und Verantwortung nur an die Mitarbeiter vergeben, die auch jederzeit verfügbar sind. Julia arbeitete zwei Jahre lang vor allem anderen Kollegen zu, die große Projekte leiteten. Und genauso ging es ihren vier Teilzeitkolleginnen, ebenfalls Mütter. Die Projektleiter, denen Julia half, wurden immer jünger, weshalb sie, als das zweite Kind kam, keinen Wert auf Weiterbeschäftigung legte. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, Julia ist jetzt Hausfrau und überlegt, sich selbstständig zu machen. Marie Lindner* arbeitet seit der Geburt ihrer Tochter vor drei Jahren Teilzeit. Sie ist Internistin in einem großen Krankenhaus in Bayern und macht ihren Job leidenschaftlich gern. Oder genauer: Sie machte ihn leidenschaftlich gern. Seit sie Teilzeit arbeitet, ist sie raus — raus aus ihrem alten Bereich und anscheinend auch raus aus den Köpfen ihrer Mitarbeiter. Kein Kollege ruft mehr an, um sich mit ihr zu beraten. Sie verrichtet nun in einer Ambulanz Dienst nach Vorschrift – ein unbeliebter Job, vor dem sich jeder drückt, der kann. Marie kann sich nicht drücken, sie wurde mit der Begründung in die Ambulanz versetzt, es sei die einzige Stelle in der Abteilung, die in Teilzeit zu erledigen sei. Und obwohl Marie jeden Tag ohne Mittagspause durcharbeitet, bewältigt sie ihr Pensum nur, weil sie sich Arbeit mit nach Hause nimmt und sie erledigt,

wenn das Kind im Bett ist. Verbindet sie mit der Stelle eine berufliche Perspektive? „Das kann ich vergessen, solange ich weiter in dieser Abteilung Teilzeit arbeite. Von dem Abstellgleis komme ich erst runter, wenn ich wieder voll einsteige.“ Das kann noch dauern, solange die Tochter sie braucht, solange die Kinderbetreuung nachmittags endet und in ihrem Job „Vollzeit“ gleichbedeutend ist mit „körperlicher Anwesenheit“. Die Frustration über diese Situation, die Enttäuschung, den TeilzeitmuttiStempel aufgedrückt zu bekommen, der Ärger über die Verschwendung ihrer Fähigkeiten – all das hat Marie oft an den Rand der Verzweiflung gebracht. Bis sie sich vor Kurzem klarmachte, dass auch das Teilzeitmutti-Dasein – wie fast alles im Leben – eine Phase ist; eine, in der sie sich um ihr Kind kümmert und auf die Phase wartet, in der sie sich dann wieder mehr um ihren Beruf kümmern kann. Ein Gesetz garantiert seit elf Jahren einen einklagbaren Rechtsanspruch auf eine Teilzeitstelle. Jeder, der in einem größeren Unternehmen arbeitet, kann theoretisch ohne Nennung von Gründen in Teilzeit gehen – solange keine dringenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Seitdem das Teilzeitund Befristungsgesetz existiert, ist die Zahl der Teilzeitarbeiter stark gestiegen. 2011 arbeiteten 26,5 Prozent der Arbeitnehmer in Teilzeit, das sind fast doppelt so viele wie noch vor zwanzig Jahren. Und es liegt auch an der Teilzeit, dass die Erwerbsquote der Frauen mittlerweile genauso hoch ist wie die der Männer. Die Unternehmen haben sich auf die Entwicklung eingestellt. Birgit Meier* arbeitet in der Personalabteilung eines deutschen Automobilkonzerns. Nach ihrer Erfahrung wird Teilzeit in großen Unternehmen zumindest prinzipiell wohlwollend gesehen. „Teilzeit ist absolut kein Karrierekiller mehr – solange es Gründe dafür gibt und derjenige nicht nur seine WorkLife-Balance austarieren möchte oder mehr Zeit für sein Hobby braucht.“ Das heißt aber nicht, dass die Teilzeitkarriere reibungslos funktioniert. Wer wegen eines Kindes in Teilzeit geht, für den ist der Aufstieg nach Meiers Erfahrung schwieriger. „Es kommt dann darauf an, ob die Teilzeit gut gestaltet wird oder ob einfach nur die Stundenzahl reduziert wird. Hat der Vorgesetzte Verständnis dafür und Interesse am Fortkommen der Person?

„Man darf nicht zu ambitioniert sein.“

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Wie werden Konferenzen organisiert, ohne die sie aus dem Informationsfluss raus ist?“ Trotz der wohlwollenden Haltung gegenüber Teilzeitarbeitern sieht Birgit Meier, dass es ihre Kolleginnen mit Kindern schwer haben. „Die Arbeit wird nie in demselben Maße verringert wie die Zeit.“ (Das liegt übrigens vor allem daran, dass die meisten Teilzeitarbeiter keine halben, sondern meist Dreiviertelstellen haben. Das macht es schwierig, die Reststelle zu besetzen. Die Konsequenz ist häufig, dass diese einfach gestrichen wird.) Birgit Meier glaubt außerdem, dass in der Teilzeit Puffer verloren gehen. „Weil die Mütter mit einer Deadline im Nacken arbeiten, können sie auch nichts ausjonglieren. Wenn ich mich mal wieder beim Mittagessen festgequatscht habe, dann kann ich das abends wieder reinholen, indem ich einfach länger bleibe. Das können die nicht. Aber es geht darum, auch einmal fünf Minuten länger am Telefon mit einem Kunden oder einer Führungskraft zu plaudern oder bei Abendveranstaltungen präsent zu sein. Wer Teilzeit arbeitet, ist oft aus dem sozialen Kontext ausgeschlossen. Und der ist wahnsinnig wichtig, wenn es um Karriere geht. “ Teilzeit ist eigentlich ein Konzept, das viele Probleme lösen könnte, vor denen unsere Gesellschaft gerade steht: Teilzeit kann Jobsharing befördern, also neue Arbeitsplätze schaffen. Teilzeit ermöglicht in den meis-


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die Teilzeit eine untergeordnete Rolle. Der wichtigste Grund dafür ist sicher das Geld. Teilzeitarbeit ist nämlich deutlich schlechter bezahlt als Vollzeitarbeit: Im Durchschnitt bekommt laut Bundesamt für Statistik ein Teilzeitarbeiter einen Stundenlohn von 13,92 Euro, ein Arbeitnehmer in Vollzeit dagegen 18,67 Euro. Wenn Johanna auf ihren Kontostand schaut, sieht sie, wie durch die Teilzeit ein althergebrachtes Rollenmodell zementiert wird: Der Mann ist der Ernährer. Johannas Mann hat schon immer mehr als sie verdient. Jetzt verdient er sogar sehr viel mehr als sie — vor allem, wenn sie von ihrem Geld auch noch die teure Krankenversicherung und die Kosten für die Kinderbetreuung abzieht, durch die sie überhaupt erst arbeiten kann. Was am Ende übrig bleibt, das erscheint ihr manchmal lächerlich wenig, obwohl sie noch nie in ihrem Leben so viel gearbeitet hat wie jetzt. Nur arbeitet sie eben nicht mehr nur für Geld, sondern für etwas anderes. Sie arbeitet für die Zeit, die sie mit ihrem Sohn verbringen kann. Auf dem Spielplatz oder manchmal auch im Café, am Nachmittag, während ihre Kollegen noch arbeiten. Ob das genügt, Teilzeitarbeit gut zu finden, muss jede Frau selbst entscheiden. Und natürlich auch jeder Mann.

Die freien Stellen werden nicht besetzt.

* ALLE NAMEN WURDEN VON DER REDAKTION AUF WUNSCH GEÄNDERT.

ten Fällen erst die Gründung einer Familie, denn in den allerwenigsten Fällen gibt es heute noch Großfamilien, die zwei arbeitende Elternteile kompensieren können. Und wenn wir in Zukunft immer länger arbeiten müssen, könnte Teilzeit eine Lösung sein, das Leben erträglich zu gestalten. Teilzeit arbeiten die Menschen fast immer, weil sie Zeit für andere Menschen brauchen. Der Großteil der Frauen, die in Teilzeit gehen (und sie machen laut Bundesagentur für Arbeit rund 84 Prozent aller Teilzeitarbeiter aus), entscheidet sich für den Schritt, weil sie Kinder kriegen oder ihre Angehörigen pflegen müssen. Das bedeutet wiederum: Statt weniger Arbeit haben die allermeisten Frauen sehr viel mehr Arbeit als vorher. Nur wird eine Hälfte davon weder bezahlt noch von der Gesellschaft anerkannt. Das ist wohl auch der Grund, warum Mütter in Teilzeit deutlich unzufriedener sind als Mütter mit Vollzeitstellen, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2009 nachwies. Johanna Beilzer*, die in einer PR-Agentur arbeitet, hadert seit mittlerweile zwei Jah-

ren mit ihrem Arbeitsleben. Sie weiß, dass der Weg in die Teilzeit verhängnisvoll ist, wenn man in seinem Berufsleben weiterkommen will. Und trotzdem entschied sie sich dafür, als sie schwanger wurde. „Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, mein Kind länger als sieben Stunden täglich in der Krippe betreuen zu lassen, egal, wie gut die ist.“ Johanna kehrte schließlich als Teilzeitarbeiterin in ihren Job zurück und arbeitete nur noch 60 statt 100 Prozent. Plötzlich steckte sie in dem Korsett, das Personalerin Birgit Meier beschreibt. Die Stelle wurde keineswegs aufgeteilt, Johanna bekam keine neue Kollegin. Sie hat jetzt annähernd so viel zu tun wie vorher. Nur hat sie für ihre Arbeit jetzt 40 Prozent weniger Zeit. „Für mich war das am Anfang eine völlig neue Erfahrung, täglich gegen die Zeit zu arbeiten und um Punkt 15 Uhr den Stift aus der Hand fallen zu lassen.“ Eine völlig neue Situation. Eigentlich sollte Johanna der Weg in die Teilzeit entlasten – stattdessen spürt sie nun mehr Druck als vorher. So kann man weiter auf die Suche gehen und findet neben Julia, Marie und Johanna viele Frauen mit ähnlichen Problemen. Und die Männer? Was ist eigentlich mit den Männern? Sie spielen in dieser Geschichte über


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VON FIONA WEBER-STEINHAUS / INTERVIEW & LISA HÖRTERER / FOTOS

„Ich beneide dich nicht.“ Haben unsere Großeltern nur fürs Geld gearbeitet, oder wollten die sich auch irgendwie selbst verwirklichen? Friederike vergleicht ihr Berufsleben mit dem ihrer Oma Dorothea. Eine Diskussion.

Friederike, 29, besucht zurzeit in Hamburg die Journalistenschule. Davor hat sie in Berlin Philosophie und Geschichte studiert. Ihre Großmutter Dorothea Schröter, 79, hat zuletzt bei der Akademie der Wissenschaften für das „Etymologische Wörterbuch“ und das „Goethe-Wörterbuch“ gearbeitet. Vorher war sie 15 Jahre Hausfrau. Sie hat Altgriechisch und Latein studiert und eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Frau Schröter, Sie haben bis zu Ihrem 56. Lebensjahr in der DDR gelebt. Wie war es für Sie, als dieser Staat in sich zusammenfiel? Dorothea Schröter: Wir waren uns sicher, dass wir diesen Tag nicht mehr erleben würden — obwohl wir auch dachten, dass diese DDR nicht überleben kann. Als Richard von Weizsäcker seine Rede zur Wiedervereinigung hielt, stand ich in der Küche vor dem Radio, ganz still, und — mir ist das fast ein bisschen peinlich — mir sind die Tränen hinuntergeflossen. Ich weiss noch wie heute, als wir das erste Mal zur Wahl gingen. Das war unbeschreiblich. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Friederikes Generation, die nie in einer Diktatur gelebt hat, diese Freiheit nicht genug zu schätzen weiß? Dorothea Schröter: Bei Friederike habe ich nun gar nicht das Gefühl, die nutzt ja all ihre Möglichkeiten. Man kann sich das ja kaum vorstellen, für euch ist die DDR fast wie für mich die Steinzeit. Friederike: Wertzuschätzen, wie gut man es hat, ist immer nur im Vergleich möglich – mit Erzählungen oder mit eigenen Erfahrungen, wenn man zum Beispiel reist. Friederike, bist du immer froh um die vielen Möglichkeiten, die dir offenstehen? Friederike: Natürlich, ich möchte keinen Weg vorgegeben bekommen. Gleichzeitig ist es manchmal schwer, mit dieser Freiheit umzugehen, sich zu entscheiden. Ich habe mich zum Beispiel nach dem Abitur wild für alles Mögliche beworben, auch für ein duales BWL-Studium bei Siemens. Ein Grund, weshalb ich den Platz nicht angenommen habe, war: Alles war vorgegeben – die Ausbildungsstufen, das Geld und die Sicherheit, dass du danach dort arbeitest. Das fand ich so unheimlich, dass ich daraufhin etwas komplett Freies studieren wollte.

Dorothea Schröter: Ich durfte zunächst gar nicht studieren. Im Bewerbungsschreiben musste man angeben, welchen Beruf der Vater und die beiden Großväter ausübten. Alle drei Männer aus meiner Familie waren tot – aber sie waren auch alle drei Akademiker gewesen. Da bekam ich schriftlich: „Wir haben Ihren Unterlagen entnommen, dass es Ihnen besser tut, mit der werktätigen Bevölkerung Kontakt aufzunehmen, als zu studieren.“ Wie haben Sie reagiert? Ich habe erst einmal Krankenschwester in Leipzig gelernt. Waren Sie verärgert? Dorothea Schröter: Ich begann diesen Staat abzulehnen. Nach dem 17. Juni 1953, dem Volksaufstand in der DDR, sagten einige zu mir und meiner Schwester: Bewerbt euch im Juli noch mal, die da oben sind verunsichert und lassen alle zum Studium zu. Haben wir sofort gemacht. Mein Vater war der Grund für meine Studienwahl – er war begeisterter Altsprachler. Ich habe ihn mit zehn Jahren das letzte Mal gesehen, aus dem Krieg kam er nicht zurück. Die Maximen meines Lebens waren immer: „Das würde dem Vater gar nicht gefallen.“ Oder: „Das würde dem Vater gut gefallen.“ Wenn ich alte Sprachen studierte, würde ihm das sicher gut gefallen, dachte ich. Was ich jedoch mit Altphilologie werden wollte – das wusste ich auch nicht. Sollte man das schon sehr früh wissen? Dorothea Schröter: Ich kenne viele, die sagen: Ich will dieses studieren, weil ich jenes werden will. Es gibt ja auch viele Studiengänge, die eine Berufsausbildung sind. Das ist vielleicht der Zeit angemessen – meine Art des Studierens entsprach dem alten humboldtschen Bildungsideal. Friederike: Ich habe im Magisterstudium bewusst Philosophie und Geschichte gewählt, weil diese Fächer viel geistige Freiheit lassen, weil sie bilden – nicht ausbilden. Die verschiedenen Denkweisen der Philosophen studiert und in der Geschichtswissenschaft gelernt zu haben, wissenschaftlich exakt zu arbeiten, hilft mir noch heute. Muss man sich im Beruf verwirklichen? Dorothea Schröter: „Selbstverwirklichung“ ist für mich ein Reizwort. Ich bin der Meinung, dass ich nicht auf der Welt bin, um mich selbst zu verwirklichen. Das liegt auch

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DOROTHEA SCHRÖTER REAGIERT GEREIZT, WENN SIE DAS WORT „SELBSTVERWIRKLICHUNG“ HÖRT. SIE SAGT: WIR SIND DA, UM FÜR ANDERE DA ZU SEIN, NICHT ALLEIN FÜR UNS.

an meinem christlichen Glauben. Wichtig ist: miteinander zu leben, einer mit dem anderen. Einer trage des anderen Last. Friederike: Das Wort widerstrebt mir einerseits. Andererseits sehe ich Selbstverwirklichung als ein Ideal, ich verstehe den Gedanken, danach zu streben. Ich würde nicht glücklich werden, wenn ich zum Beispiel Hausfrau wäre. Ich definiere mich ja über meine Texte, meine Arbeit – schon allein, weil die Ausbildung an der Journalistenschule gerade einen Großteil meines Lebens einnimmt. Gefühlt kommt jetzt erst mal der Karriereplan und dann das Drumherum. Dorothea Schröter: Bei mir wäre immer zuerst die Familie gekommen. Aber ich hatte auch Mann und vier Kinder. Friederike: In der Prioritätenliste liegt Familie höher – wenn irgendetwas Schlimmes passiert, dann wäre mir der Beruf erst mal egal. Aber wäre es dir wirklich genug gewesen, wenn du nur für die Familie da gewesen wärst? Dorothea Schröter: Das kann ich nicht genau sagen. Ich hatte ja ein seltsames Glück, dass ich mit 43 Jahren erneut ins Berufsleben einsteigen konnte und bis zur Rente gearbeitet habe. Aber ehrgeizig bin ich von Natur aus sowieso nicht – auch wenn ich mit großem Interesse und mit Leidenschaft gearbeitet habe. Ich bin eher ein guter Mitarbeiter als Abteilungsleiter. Friederike, was magst du an deinem Beruf? Friederike: Ich mag das Gefühl, am Puls der Nachrichtenzeit zu sein, das schnelle Arbeiten, die wechselnden Themen. Durch das Internet kann man bei jedem Ereignis der Welt live dabei sein. Wir sind alle wahnsinnig gut vernetzt; so entdeckt man ständig neue Themen, kann sofort und direkt kommentieren und diskutieren. Ich befasse mich aber auch mal länger und intensiver nur mit einer Sache, muss mich in ein Thema einlesen, darüber nachdenken. Doch ich merke, dass mir das manchmal schwerfällt. Dorothea Schröter: Ihr habt Angst, ihr könntet etwas verpassen, oder? Friederike: Wahrscheinlich. Schlimmer finde ich aber, dass ich mich bewusst damit ablenke. Wenn ich morgens ins Büro komme, klappere ich zunächst alles ab: E-Mails, SMS, Nachrichten im Internet. Ich merke selbst, wie mir das viele Kommunizieren die Konzentration raubt. Längst diskutiert unsere Generation über Strategien, mit unserer Dauererreichbarkeit umzugehen, es gibt ganze Bücher dazu. Deshalb fahre ich oft ganz bewusst alles zurück und

gehe aus dem Netz, wenn ich schreibe, oder mache nachts das Handy aus. Dorothea Schröter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ans Handy gegangen wäre, wenn ich einen WörterbuchArtikel geschrieben habe. Bei uns stand nur im Sekretariat ein Telefon. Wir saßen zu zweit in einem Zimmer, gesprochen haben wir nicht. Naja, wenn jemand eine Frage hatte. Aber man hat sich schon genau überlegt, ob man stören wollte. Sonst kann man doch nicht konzentriert arbeiten. Friederike: Eine Studie besagt, dass man heute im Büro alle elf Minuten unterbrochen wird: von Mails, Kollegen, SMS. Die Störung ist auch ohne Handy da. Dorothea Schröter: Die Leute, die heute am „GoetheWörterbuch“ arbeiten, inzwischen sind sie beim Buchstaben K, arbeiten auch wie ihr. Das klingt vielleicht etwas arrogant, aber die sind nicht mehr so gründlich wie wir. Friederike: Woran siehst du das? Dorothea Schröter: Das Ergebnis kann ich nicht beurteilen. Aber ein jüngerer Kollege hat mir erzählt, dass es nicht mehr oft vorkommt, dass über die Manuskripte diskutiert wird. Wie wir uns manchmal die Köpfe heiß geredet haben! Übrigens, was spannend ist im Vergleich zu eurer Zeit: Als ich fertig war mit dem ersten Wörterbuch, musste ich zum Institutsdirektor, damit er mir eine neue Beschäftigung suchte. Ich hatte ja einen Vertrag auf Lebenszeit. Friederike: Das hat sich total geändert: Alle meine Bekannten bekommen befristete Verträge — wenn’s gut läuft, für ein Jahr oder mal zwei Jahre. Dorothea Schröter: Ist das wahr? Man muss sich doch einarbeiten. Als ich das erste Mal in der Akademie der Wissenschaften herumgeführt wurde, sagte der Leiter: „Da musst du das machen, hier das“; da habe ich gedacht: Das lernst du nie. Man braucht einfach Zeit, um neue Situationen zu verinnerlichen. Friederike: Die Zeit bekommt man heute nicht mehr. In jeder neuen Redaktion, bei jedem Praktikum muss ich mich eigentlich erst akklimatisieren und in Ruhe herausfinden, was die Mitarbeiter wollen. Aber ich habe das Gefühl, so darf man nicht gestrickt sein. Ich setze mich selbst unter Druck. Ich denke, ich muss sofort voll integriert sein. Dorothea Schröter: So glücklich ich darüber bin, dass ihr so lebt, wie ihr lebt — dass ihr reisen könnt, frei euren Beruf wählen könnt, all das, was wir nicht hatten —, aber um dieses Gehetzte, um dieses Getriebensein beneide ich euch nicht.

„Bei uns stand nur im Sekretariat ein Telefon.“

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NACH DEM ABITUR HAT SICH FRIEDERIKE UM EINEN PLATZ IN EINEM DUALEN BWL-STUDIUM BEWORBEN. UND SICH DANN DOCH UMENTSCHIEDEN. ALLES WAR VORGEGEBEN – DIE AUSBILDUNGSSTUFEN, DAS GEHALT, DIE KARRIERE. DAS WAR IHR ZU WENIG FREIHEIT.


Wie könnten Sie Ihrer Karriere Flügel verleihen? Wenn Sie sich den großen Herausforderungen der Welt stellen Indem Sie dabei helfen, Satelliten ins All zu schicken In Brainstormings mit Ingenieuren, Mathematikern und Risikomanagern Mit neuen Ideen zur Eindämmung des Ozonlochs Durch alle der genannten Punkte

Unsere Stärke liegt im Wissen unserer interdisziplinären Teams. Wissen, mit dem wir komplexe Herausforderungen aus allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft meistern, von Großbauprojekten über den Klimawandel bis hin zur Raumfahrt. So entwickeln wir maßgeschneiderte Lösungen für Risiken, die die Menschheit heute und in Zukunft beschäftigen. Wenn Sie gemeinsam mit 11.000 Kollegen Projekte von globaler Tragweite bewegen wollen, freuen wir uns über Ihre Bewerbung. Was wir im Rahmen unseres Traineeprogramms von Ihnen erwarten und welche Chancen wir Ihnen bieten, erfahren Sie unter munichre.com/karriere


VON NADJA SCHLÜTER / TEXT & FILIPEK / ILLUSTRATION

Frühheimgeher. Viele Absolventen fragen im Vorstellungsgespräch nach der Arbeitszeit und nicht nach der Karriere. Dahinter steckt die Sehnsucht nach einem perfekt ausbalancierten Leben. Wenn das mal gut geht.

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Eine Band beschallt den Krönungssaal des Rathauses von Aachen, Professor Bernd Pietschmann, Dekan der Wirtschaftswissenschaften, spricht, und die Absolventen seines Fachbereichs nehmen Urkunden entgegen. Die 24-jährige Anna hält mit einem Kommilitonen die Abschlussrede. Es geht um Anekdoten aus dem Studienalltag. Anna spricht von den „joten öscher Kneipen“, in denen sie viel Zeit mit Freunden verbracht hat. Als die Studenten nach der Feier auf dem Treppenabsatz vor dem Krönungssaal Gruppenfotos machen, haben sie einen nachdenklichen Zuschauer. Bernd Pietschmann lehnt an der Brüstung oberhalb der Treppe und betrachtet seine ehemaligen Studenten. Er hat unter anderen Annas Abschlussarbeit betreut. „Wenn Sie die Erstsemester vor zehn Jahren gefragt haben“, erzählt er, „dann wollten sie alle Manager werden. Heute sagen die Studenten im ersten Semester, dass sie Ausgeglichenheit von Beruf und Familie wollen.“ Die meisten der Absolventen sind gerade auf der Suche nach einem Job oder beginnen nun ein Masterstudium. Anna arbeitet schon. Sie ist Personalreferentin bei Saint-Gobain Deutsche Glas und hat schon in der kurzen Zeit beim ersten Arbeitgeber mitbekommen, dass immer mehr Bewerber nach der Vereinbarkeit von Job und Privatleben fragen. Zu Recht, findet Anna. „Heute kann man auch als Frau Karriere machen und muss eigentlich auf nichts verzichten“, sagt sie. Familie, Freizeit, Arbeit, das muss zusammengehen. „Man muss aber natürlich auch viel dafür arbeiten“, sagt Anna. Die Studenten im Aachener Rathaus gehören zu einer Altersgruppe, die gern unter dem Begriff „Generation Y“ zusammengefasst wird. Über diese Generation, die Geburtenjahrgänge ab 1980, wurden in jüngster Zeit viele Studien veröffentlicht. Es heißt, Freizeit und Familie hätten für sie einen viel höheren Stellenwert als noch für ihre Eltern. Spricht man mit Personalern in verschiedenen Unternehmen, können sie einige Unterschiede nennen zwischen den Berufseinsteigern von heute und ihren Vorgängern. Christoph Fellinger ist Talent Relationship Manager der Beiersdorf AG. Seit einiger Zeit setzt er sich intensiv mit der Generation Y

auseinander und schreibt sogar einen Blog zum Thema. Ihm ist aufgefallen, dass sich die Studenten schon in ersten Bewerbungsgesprächen sehr selbstbewusst zeigen: „Die sind oft sehr gut über das Unternehmen informiert und stellen viele Fragen, sogar nach dem Vergütungssystem oder der betrieblichen Altersvorsorge.“ Die Absolventen wollen immer noch Karriere machen, glaubt Fellinger. Nur ihr Begriff davon habe sich geändert. Karriere, das bedeutete früher einmal zielstrebige Arbeit und als Lohn den schnellen Aufstieg sowie ein gutes Einkommen. „Im Vergleich mit der Generation der Babyboomer und der Generation X ist es den jungen Arbeitnehmern heute viel wichtiger, Sinn und Freude in ihrem Job zu finden“, sagt Fellinger. Monika Rühl, verantwortlich für Change Management und Diversity bei der Deutschen Lufthansa, sieht noch eine Veränderung: den geringeren Stellenwert von Eigentum. „Früher war ein eigenes Auto die Anerkennung für die Lebensleistung. Die heutige Generation will lediglich Zugang zu den Dingen haben. Ob die gemietet oder geliehen sind, ist egal“, sagt Rühl. Nach zwei Finanzkrisen und ausführlichen Debatten in den Medien über Arbeitslosigkeit, Altersarmut und Burn-out ist das Sicherheitsbedürfnis der Absolventen gewachsen. Die größte Veränderung hat sich aber in den Elternhäusern vollzogen. Die meisten der seit 1980 im deutschen Mittelstand Geborenen sind behütet und in stabilem Wohlstand aufgewachsen. Die Kinder der Babyboomer wurden partizipativer erzogen als frühere Generationen – sie durften zum Beispiel selbst entscheiden, ob sie lieber zum Fußball oder zum Tennis wollten. Und darum achten sie noch heute darauf, dass das, was sie tun, ihren Vorstellungen entspricht. Angelika Glesners Werdegang ist ein gutes Beispiel dafür. Die 32-Jährige fing nach ihrem Abschluss in Phonetik, Psycholinguistik und Psychologie in der Personalentwicklung einer Unternehmensberatung ein. Es waren aber nicht die branchenüblichen Überstunden, die Glesner

an ihrem Job störten, sondern, dass sie in der großen Firma nur einen kleinen und sehr speziellen Teil der Arbeit machen konnte. „Ich will lieber verschiedene Aufgaben erfüllen. Und zwar in einem Unternehmen, in dem ich einen Sinn sehe und etwas Gutes tue“, sagt sie. Angelika Glesner wechselte die Branche. Heute arbeitet sie bei einem jungen Naturkostunternehmen, in dem noch viel organisiert und aufgebaut werden muss. Jetzt kann sie viel mehr eigene Ideen einbringen, mehr ausprobieren und selbst gestalten als in ihrem früheren Job. Ihre Erfahrung teilt Glesner als Mentorin mit Studenten. Ihren Mentees rät sie, sich genau zu überlegen, welcher Job zu ihnen passt. „Wichtig ist, auf das eigene Herz zu hören. Was will ich wirklich machen, woran hab ich Interesse, was fasziniert mich?“, sagt Glesner. „Es ist aber auch wichtig, dass man die andere Seite beachtet: Was ist eine Herausforderung für mich? Was ängstigt mich?“ Deshalb gibt sie jedem den Rat, ganz viel über den Job herauszufinden, den man anstrebt. „Sprecht Leute an, fragt ihnen Löcher in den Bauch.“ Viele Absolventen stellen mittlerweile unheimlich viele Fragen. Das ist auch Christoph Fellinger aufgefallen. Wenn er die Veränderungen in seinem eigenen Job beschreiben soll, sagt er: „Es ist einfach komplexer geworden.“ In Amerika ist teilweise gar nicht mehr von der Generation Y die Rede, dort spricht man von den „Trophy Kids“. Jeder aus dieser Generation hat in seiner Kindheit einen Pokal bekommen – selbst wenn er im Hockeyteam nur auf der Ersatzbank saß. Wer so aufgewachsen ist, verlangt regelmäßiges Feedback und gute Gründe, warum er etwas machen oder lassen soll. So viel Austausch hat aber auch Vorteile, sagen die Personaler. Ein Berufseinsteiger, der es schon von zu Hause gewöhnt ist, dass man auf Augenhöhe mit ihm spricht, denkt kaum noch in strengen Hierarchien. Es fällt ihm leicht, im Team zu arbeiten. „Es gibt nicht mehr so viele Grabenkämpfe wie früher, die jungen Leute arbeiten viel sachorientierter und lösungsorientierter zusammen. Dabei überwinden sie Abteilungs- und Hierarchiegrenzen oder sehen sie gar nicht erst“, sagt Monika Rühl von der Lufthansa. Viele Unternehmen reagieren inzwischen auf die neuen Absolventen und machen Angebote, die auf Familien und flexible

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Arbeitszeiten ausgelegt sind. Es gibt betriebseigene Kitas, Babysitterbörsen, Betreuungszuschüsse, Gleitzeit, Homeoffice. Immer öfter gibt es auch die Möglichkeit, ein Sabbatical zu machen oder schlicht in Teilzeit zu arbeiten. Außerdem wird die Präsenz der Angestellten im Büro immer unwichtiger, mehr und mehr Chefs geht es vor allem um das Ergebnis der Arbeit: Eine Leistung muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden. Wann und wie das geschieht, kann der Arbeitnehmer weitgehend selbst entscheiden. Im Rathaus von Aachen gibt es jetzt Schnittchen und Sekt. Es bilden sich überall neue Grüppchen aus Professoren, Studenten und Eltern, immer wieder geht es um die Wünsche an die Zukunft. Fragt man nach, ist nur selten vom großen Geld die Rede. Viel häufiger dafür von „netten Kollegen“, von „Sinn und Spaß“ oder ganz prinzipiell von „Herausforderungen“. Der Satz an Erwartungen ist umfangreich. Es geht viel um Freunde und Familie, von Karriere spricht aber niemand. Und doch sind die Ansprüche enorm. Irgendwann fällt auf, dass die Generation Y nicht etwa keine Karriere mehr machen will. Sie will eigentlich sogar noch viel mehr als das, weil sie das ganz große Glück zwischen Erfolg und Erfüllung sucht, zwischen Karriere und Freiheit, ohne Abstriche auf irgendeiner Seite. Die Arbeitszeit soll nicht schlechter sein als die Freizeit, alle Gespräche bestätigen, was Anna sagte: „Man muss heute auf nichts mehr verzichten.“ Man will alles. Diese Erwartung ist verdammt hoch. Die Gefahr, enttäuscht zu werden, ist groß. Der Idealismus der Absolventen wird mit der Realität der Wirtschaftswelt zusammenprallen. Denn die ändert sich nicht so schnell wie die Einstellungen ihrer Arbeitnehmer – trotz der Anpassung, um die die Unternehmen sich schon bemühen. Aber vielleicht ist sogar die Möglichkeit, enttäuscht zu werden, schon in den Köpfen der Absolventen präsent. Vorhin, als während der Abschlussfeier im Aachener Rathaus die Titel der Abschlussarbeiten an die Wand projiziert wurden, konnte man häufig die Begriffe „Work-Life-Balance“ und „Burn-out“ lesen. Anna antwortet auf die Frage, wo sie einmal hinwill: „An die Spitze!“ Sie lacht dabei. Es hört sich trotzdem ernst gemeint an.

Es ist nur selten vom großen Geld die Rede.

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WHERE SKILLS JOIN THRILLS. join.rolandberger.com

Gerrit Schmidt, Senior Consultant, Hamburg, bringt die Entwicklungsabteilung eines Flugzeugherstellers zum Hรถhenflug. It's character that creates impact!


VON MICHELE LOETZNER / TEXT & KATHARINA BITZL / LLUSTRATION

TRIMM-DICH-PFAD Was hast du das letzte Mal dagegen unternommen?

Warum genau willst du Sport machen?

Weil mir sonst der Kopf platzt vor lauter Job-Scheiß.

Einen flotten Dreier mit Ben & Jerry´s auf der Couch.

Ab in die Bar meines Vertrauens!

Meine/n beste/n Freund/in anrufen.

„Arte Tracks“, „Roche & Böhmermann“.

Wie endet der Abend? Allein im Bett, an die Decke starrend. Ich kann mich nicht erinnern.

Da käme ich gar nicht dazu.

Deadlines ...

Je später, desto besser.

Spielst du in Konferenzen Bullshit-Bingo?

... halte ich meistens ein.

... schaff ich nie. Welches Zitat könnte von dir sein?

Alter, ich führe den Highscore an!

Spinnt ihr?

„Ich bin der König der Welt!“

„Dinge passieren!“

Einer für alle, alle für einen!

Nach dem Vorletzten.

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Wann stehst du auf?

Einer arbeitet, die anderen faulenzen.

Woran denkst du beim Stichwort „Arbeitsgruppe“?

Um 8 Uhr, auch am Wochenende.

Fitte

Ausdauer


Du weißt schon ziemlich lange, dass du am Abend was machen musst. Du brauchst einen Ausgleich. Einen Sport! Wir helfen dir bei der Auswahl.

Einfach eine neue kaufen?

Weil meine Hose kneift. So richtig ... Was schaust du gern im Fernsehen?

Ist das nicht zu einfach?

Nein. Muffins.

„X Factor“, „Bauer sucht Frau“.

Was isst du gern? Doppel-Whopper.

Je nach Größe so 3 bis 6. Fährst du mit dem Rad zur Arbeit?

Wie viele?

Mehr als einen schaff ich nicht.

Na gut, war gelogen ...

Echt?

Echt!

Ja.

Nein.

... hab ich auf den Tischen getanzt wie alle anderen auch.

Stichwort „Schulsport“..

Wer sich das Leben schwer macht, ist selbst schuld!

Huch, ich hab mir was verknackst. ... bin ich früh heim.

Wann gehst du heim?

Okay, nächste Frage!

Auf der letzten Weihnachtsfeier ...

Auch bei Regen?

Ja.

Ja.

Absolute Lieblingsstunde..

In meinem Vertrag steht: Feierabend = 18 Uhr.

Kurse

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VON CHRISTIAN HELTEN / TEXT & MAXIME BALLESTEROS / FOTO

Mitgenommen. Ist es Selbstaufgabe, wenn man seinem Partner beim Jobwechsel folgt? Oder einfach nur ein Zeichen von Aufgeschlossenheit?

Wenn

es mal wieder regnet in Hamburg, wenn der Arbeitstag anstrengend war, wenn sich in ihr wieder das Gefühl einstellt, nicht so glücklich zu sein in dieser Stadt, dann hat Anna ein Problem: Früher konnte sie in solchen Situationen mit ihrem Freund sprechen, ihm ihr Leid klagen. Das machte das Aushalten einfacher. Jetzt geht das nicht mehr. Schließlich war sie es, die nach Hamburg wollte, Sebastian wäre lieber in München geblieben. „Deshalb kann ich von ihm jetzt kein Mitleid erwarten“, sagt Anna. „Ich behalte meinen Stress so lange wie möglich für mich, weil ich weiß: Wenn ich mich beklage, kommt wahrscheinlich die Antwort: Du wolltest ja hierher.“ Anna und Sebastian standen vor eineinhalb Jahren vor einer Entscheidung. Sie wohnten in München, Anna bekam ein Angebot für einen Job in Hamburg. Es war nicht irgendein Job, es war ein Karrieresprung, eine Chance, die sich so schnell nicht wieder bieten würde. Oder überhaupt nicht mehr. Anna war glücklich in München, auch ihre Arbeit dort machte ihr Spaß. Und: Se-

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bastian wollte nicht nach Hamburg. Kein bisschen. Anna und er hatten einen großen Freundeskreis aus Arbeitskollegen und alten Schulfreunden, Annas Schwester war auch gerade nach München gezogen. Es war nach fünf Jahren gerade so richtig gemütlich geworden. Das Leben in Hamburg hingegen war ein leeres Blatt, nirgends gab es Anknüpfungspunkte. Immerhin, auf Anna wartete der neue Job, eine Herausforderung. Die moderne Arbeitswelt ist flexibel geworden. Dass jemand seine Karriere bei dem Arbeitgeber beendet, bei dem er sie nach dem Studium oder nach der Ausbildung begonnen hat, kommt kaum noch vor. Man sammelt Auslandserfahrung, wird vom Arbeitgeber versetzt oder muss dort hinziehen, wo es gerade einen guten Job gibt. Wer weiterkommen will, muss den Job wechseln und unter Umständen auch die Stadt oder das Land. Die Entscheidung, ob man wegsoll oder nicht, ist nicht leicht zu treffen. Es gibt immer Dinge, die man zurücklassen müsste, und Ungewissheiten, die man vorher nicht abschätzen kann. Noch schwerer wird es, wenn der Partner die Konsequenzen einer Entscheidung mittragen muss. „Diese Situationen sind vertrackt“, sagt Manfred Hassebrauck. Er ist Professor für Sozialpsychologie und erforscht vor allem Paare und Beziehungen. „Höchstwahrscheinlich wird es sich nicht vermeiden lassen, dass ein Partner unter der Entscheidung zu leiden hat – wie auch immer diese ausfällt.“ Hätte Anna das Jobangebot ausgeschlagen, hätten sie das Bedauern und der Ärger über die verpasste Chance womöglich nicht losgelassen. Vielleicht hätte sie Sebastian Vorwürfe gemacht. Aber er sagte: „Ich will nicht nach Hamburg, doch wenn du dich dafür entscheidest, komme ich mit.“ Er hat ihr die Entscheidung überlassen, ihr damit allerdings auch eine Bürde aufgeladen: Sie muss jetzt mit dem schlechten Gewissen klarkommen. Für ein Paar kann das eine Gefahr sein. In stabilen und glücklichen Beziehungen herrsche immer ein Gleichgewicht, sagt Manfred Hassebrauck. Wenn jemand für die Karriere der Freundin Teile seines Lebens aufgibt, könne dieses Gleichgewicht ins Wanken geraten. Hassebrauck spricht von „nachteiliger Unausgewogenheit“, die das Paar wieder beseitigen müsse, durch Zugeständnisse und Entgegenkommen. Beim Umzug nach Hamburg hatten Anna und Sebastian zwei Wohnungen zur Auswahl, jeder favorisierte eine andere. Anna gab nach, genauso wie beim neuen Kühlschrank und der neuen Couch.

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Nachdem sie sich für Hamburg entschieden hatten, heirateten beide. Anna versprach, Sebastians Namen anzunehmen. Und falls sein Traum von einer Greencard für die USA irgendwann in Erfüllung geht, wird Anna ihm wahrscheinlich folgen. Nach San Francisco. Conny ist mit ihrem Freund Felix ins Ausland gegangen. Seit knapp einem Jahr wohnen die beiden in Sydney, er leitet dort den Aufbau und den Betrieb einer neuen Maschine zur Papierproduktion. Ein guter Karriereschritt, Felix, 31, ist verantwortlich für eine Maschine so groß wie ein Fußballfeld. Es ist das dritte Mal, dass sein Job in der Beziehung den Wohnort vorgibt. Während seines Studiums machte Felix ein Praxissemester in Kapstadt. Conny kündigte ihre Stelle als Praxismanagerin in München und begleitete ihn. Als beide zurück in München waren, wurde schnell klar, dass Felix seine Diplomarbeit bei einem Unternehmen in der Nähe von Hamburg schreiben und dann dort eine Festanstellung bekommen würde. Conny ging mit. Zwei Jahre später fand Felix in seinem Posteingang eine Mail von einem seiner früheren Professoren: In Sydney werde jemand für die neue Maschine gesucht, ob er nicht Interesse habe. Er bewarb sich und wurde genommen. Conny ging mit. Die ersten beiden Ortswechsel sind Conny leichtgefallen. In der Arztpraxis war sie schon längere Zeit unzufrieden, sie hatte Geld gespart, und es ging ja nur um fünf Monate. Sie besuchte in Kapstadt eine Sprachschule, die beiden bekamen dreimal Besuch, die Zeit war schnell um. Ob sie sich danach in München oder woanders einen neuen Job suchen musste, war ihr relativ egal. Und Hamburg klang spannend. Sie arbeitete erst im Büro einer großen Kinokette, danach baute sie ein eigenes Geschäft auf: Sie verschönerte gebrauchte Möbel von Flohmärkten und verkaufte sie über die Internetplattform Dawanda. „Damit hatte ich zum ersten Mal etwas gefunden, das mir richtig Spaß machte und auch noch gut lief“, erzählt Conny. Dann kam Australien. „Ich habe sehr darunter gelitten, das aufgeben zu müssen“, erinnert sich Conny. Und doch zog es sie auf die andere Seite des Planeten. Irgendwann wären die beiden sowieso ins Ausland gegangen, das war fest geplant. Der Zufall hatte nun eben schon jetzt Australien aufs Menu geschrieben. Nachdem der potenzielle Arbeitgeber Felix

und Conny eine Woche nach Sydney eingeladen hatte, um ihnen Firma, Mitarbeiter und mögliche Wohngegenden zu zeigen, waren beide überzeugt. Aber selbst wenn man es will – für denjenigen, der dem Partner folgt, ist es besonders schwer, am neuen Ort anzukommen. Vor allem, wenn man dort keine eigene Aufgabe hat, wenn nicht gleich Arbeit wartet und Kollegen, die einen nach Feierabend auf ein Bier mitnehmen. Auch das ist eine Art von Ungleichgewicht. „Ich bin froh, dass Conny ein Mensch ist, der gut viel Zeit mit sich selbst verbringen kann“, sagt Felix. „Ich hatte durch die Arbeit sofort Anschluss. Für sie war das schwieriger.“ Ihr Onlinegeschäft mit den Möbeln baut Conny in Australien zwar wieder auf. Aber es ist ein einsamer Job, die meiste Zeit verbringt sie zu Hause. Am Anfang, erzählt sie, habe sie oft den ganzen Tag mit niemandem geredet außer mit den Papageien auf dem Balkon. Viel wirft ihr Möbelgeschäft nicht ab. Ein finanzielles Problem entsteht dadurch nicht, Felix’ Gehalt versorgt beide. Wenn sie essen gehen, holt am Ende er das Portemonnaie aus der Tasche. Es sind eher die Erwartungen von außen, die die beiden manchmal stören. Wenn Freunde oder Bekannte fragen, was Conny in Australien „jetzt eigentlich macht“, hört sie einen Unterton. Die Frage scheint stille Vorwürfe zu beinhalten, von wegen: Conny lasse sich aushalten, sei dem gut verdienenden Freund hinterhergezogen, interessiere sich nicht für eine eigene Karriere und spiele nun Hausfrau. Mit dem Freund oder der Freundin mitzugehen kann aussehen wie Selbstaufgabe, und vielleicht stimmt es auch manchmal. Ein ungeplanter Ortswechsel kann einen aber auch weiterbringen. Sebastian hatte in München oft über seinen Job geklagt. Zu einer Kündigung hatte er sich, wie er sagt, wegen der netten Kollegen nicht durchringen können. Das Jobangebot für Anna war für ihn der Schub, den ein Mensch manchmal braucht, wenn er sich etwas nicht traut. Mittlerweile hat Sebastian in Hamburg einen Job gefunden, der ihm wirklich gefällt. Vielleicht ist es manchmal ganz gut, sich treiben zu lassen. Vielleicht ist es ganz angenehm, wenn jemand anderes das Steuer hält und einen nur ab und an fragt, ob man mit einem Kurswechsel einverstanden ist. Und derjenige, den man liebt, ist sicher nicht der schlechteste Steuermann.

Ein Partner wird immer leiden. Das ist unvermeidbar.


Absprung wagen – sicher landen. Seit mehr als 120 Jahren ist HEIDENHAIN an den wesentlichen Entwicklungen der Fertigungsmesstechnik maßgebend beteiligt. Vor mehr als 40 Jahren wurde die Unternehmensgruppe in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht mit dem Ziel:   

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Forschung und Entwicklung einzigartige Fertigungsprozesse Kapazitätserweiterungen, vor allem im Inland Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter

Durch die langfristige Verfolgung unserer Ziele hat sich das Unternehmen im Bereich der Mess-, Steuerungs- und Antriebstechnik für Werkzeugmaschinen, sowie Fertigungseinrichtungen der Halbleiterund Elektronikindustrie weltweit eine herausragende Marktposition erarbeitet.

Unseren Mitarbeitern bieten wir außergewöhnliche Entfaltungs-und Gestaltungsmöglichkeiten, erwarten aber dafür auch außergewöhnlichen Einsatz, nicht zuletzt, da wir sie auch am finanziellen Erfolg beteiligen. Zur Bewältigung des weiteren Wachstums suchen wir für den Einsatz am Hauptsitz des Unternehmens in Traunreut (zwischen München und Salzburg): 

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VON ERIC MAUERLE / TEXT & JOANNA SWISTOWSKI / ILLUSTRATION

Meine Perle. Bist du ein Yuppie, wenn du deine Wohnung putzen lässt? Gar nicht, sagt unser Autor. Er leistet sich eine Putzfrau, weil er wieder Zeit fürs Leben haben will.

Auf dem neuen Album der Münchner Hip-Hop-Gruppe Blumentopf singen die Rapper über die Viertel, in denen sie wohnen. Sie charakterisieren ihre Heimatgegenden in lokalpatriotischen, aber durchaus kritischen Texten. Florian „Schu“ Schuster wohnt irgendwo im Glockenbach- oder Gärtnerplatzviertel, in einer Ecke also, die einst niemanden interessierte, die billig war und Künstler, Musiker und Kreative anzog, was sie wiederum interessant machte für andere, die mehr Geld hatten. In den vergangenen Jahrzehnten stiegen die Mieten und Getränkepreise. Wo früher einer der besten Clubs Münchens beheimatet war, zieht eine Werbeagentur ein, schräg gegenüber wird ein altes Heizkraftwerk umgebaut, die Wohnung ganz oben ist angeblich für mehr als 14 Millionen Euro verkauft worden. In Schus Rap-Part ist deshalb vor allem das Lied der Gentrifizierung zu hören. Ich kann in dieses Lied ganz gut einstimmen, über vieles, worüber Schu sich lustig macht, habe auch ich schon bei einem Bier ironisch gewitzelt. Aber eine Textzeile machte mich stutzig: „Hier erholen sich die Yuppies von ihrem Jetlag, und einmal die Woche putzt die Putzfrau ihren Dreck weg.“ Ich habe auch eine Putzfrau. Demnach stehe ich also auf der falschen Seite. Schu stellt mich in eine Reihe mit den Yuppies, den Snobs und den feinen Pinkeln, über die er herzieht. Vielleicht habe ich also gar keine Berechtigung, bei seinem Lied mitzunicken, mich innerlich mit ihm zu verbrüdern in dem Gefühl, zu den Coolen zu gehören, zu den Junggebliebenen, den Menschen mit dem spannenden, unspießigen Leben. Vielleicht habe ich die Seiten gewechselt, ohne es zu merken. Ich konnte mich zuerst nicht sehr gut mit dem Gedanken anfreunden, jemanden dafür zu bezahlen, bei mir sauber zu machen. Nicht weil ich misstrauisch war, wie anscheinend viele Deutsche: In ihrem Buch „Unter deutschen Betten“ schildert eine Putzfrau, wie ihre Arbeitgeber ihr Fallen stellen, um ihre Ehrlichkeit zu überprüfen – absichtlich zwischen Sofakissen platzierte Geldscheine zum Beispiel. Ich hatte keine Angst davor, dass sich eine quasi fremde Person allein in meiner Wohnung aufhält. Ich hatte ein Problem mit dem Gedanken, jemand anderen meinen Dreck wegmachen zu lassen. Wenn über Menschen gesprochen wird, die „putzen gehen“, soll damit meistens ein sozialer Abstieg verdeutlicht werden, es ist ein ähnliches Bild wie das des Sozialwissenschaftlers, der studiert, aber später Taxi fahren muss. Einen Job soll man gern machen, und Putzen, das kann niemand mögen. Wer putzt, tut das, weil er muss. Morgens einen Zettel mit Anweisungen für die Putzfrau zu hinterlassen, daneben drei Geldscheine, das hatte deswegen etwas Herrisches, das

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ich mit meinem Selbstbild schlecht vereinbaren konnte. Genauso wenig würde ich jemanden vor mir niederknien lassen, der mir die Schuhe poliert. Eine Putzfrau zu haben erschien mir irgendwie eitel, ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich mir für etwas zu schade bin. Die Frage ist aber: Bin wirklich ich mir zu schade? Oder ist mir meine Zeit zu schade? Wenn man anfängt zu arbeiten, bleibt im Leben weniger Zeit für schöne Dinge. Die Wochenenden und die Abende reichen nicht aus, um alle Freunde regelmäßig zu treffen, auf Partys oder shoppen zu gehen, an den See, in die Berge oder eine andere Stadt zu fahren, Eltern oder Freunde zu besuchen – oder mal einen halben Tag gar nichts zu tun. Der Alltag ist ein Zeitfresser: Man steht morgens auf und geht ins Büro, vorher muss man noch kurz zur Post oder zur Bank, abends auf dem Heimweg schnell vor Ladenschluss in den Supermarkt. Was man dort kauft, muss noch gekocht werden, eigentlich wollte man auch noch die Fotos aus dem Urlaub vor drei Monaten sortieren, man wollte dem Kumpel in Australien endlich mal wieder eine ausführliche Mail schreiben, ach ja, und mit der Steuererklärung müsste man eigentlich auch längst angefangen haben. Ist es angesichts dieses ewigen Hinterherrennens nicht vollkommen normal, etwas abzuwälzen? Ist es nicht nachvollziehbar, wenn ich den Samstagnachmittag lieber mit der Grillzange im Park als mit dem Fensterleder im Wohnzimmer verbringen möchte? Die Formel ist im Prinzip ganz einfach: Ich muss arbeiten, um Geld zu verdienen. Mit einem kleinen Teil dieses Geldes kaufe ich mir ein Stück der Zeit zurück, die ich nicht mehr habe, weil ich arbeiten muss. Diese Formel gilt nicht nur im Fall der Putzfrau. Sie gilt genauso für das Taxi, mit dem ich nachts aus der Bar nach Hause fahre, obwohl ich als Student die Strecke noch gelaufen bin oder eine halbe Stunde auf den Nachtbus gewartet habe. Sie gilt für das Zugticket, das ich kaufe, obwohl ich die Strecke schon zigmal per Mitfahrzentrale für wesentlich weniger Geld bewältigt habe. Sie gilt für alles, was das Leben ein bisschen leichter und angenehmer macht. Eine Sache muss ich vielleicht in Klammern hinzufügen: Das Beispiel mit dem Fensterleder vorhin war nicht ganz treffend. Unsere Putzfrau kommt zwei Stunden alle zwei Wochen. Sie saugt, wischt die Böden, putzt Küche und Bad, wischt Staub. Den dreckigen Backofen, den Kühlschrank, die Fenster, die Wäsche – das erledigen meine Freundin und ich selbst. Der kleine Schock beim Hören des Blumentopf-Liedes war also vielleicht übertrieben. Unsere Putzfrau ist kein Zeichen dafür, dass ich ein anderer Mensch werde. Wahrscheinlich darf man Raptexte auch einfach nicht so ernst nehmen.


Welcher Titel wurde Tognum 2012 bereits zum wiederholten Mal verliehen? a) Top Arbeitgeber

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VON PETER WAGNER

Leben brauchst du zu jeder Zeit einen Fluchtort. Zumindest gedanklich. Du musst immer einen Plan B im Kopf haben, eine Alternative, sonst implodierst du, wenn es mal nicht mehr weitergeht, einfach so, bumm, und das ganze Ich ist kaputt. Weil das niemand wollen kann, pflegen wir in unseren Gedanken Fluchtorte. Wir denken uns eine bessere Arbeit, eine bessere Behausung, eine bessere Stadt. Man kann auch von „Traumjob“ oder „Traumhaus“ oder „Traumstadt“ sprechen. Nur klingt das so affektiert. Alles, was mit dem Vorwort „Traum“ versehen wird, kann man guten Gewissens auch mit dem Vorwort „Flucht“ versehen. Der Kopf muss einen Ort und Menschen kennen, zu denen er flüchten kann, wo alles besser ist. Die Amerikaner kennen zum Beispiel die Cabins. Das sind Hütten irgendwo im Nirgendwo. Die Amerikaner haben sehr viel Nirgendwo, was für den Bau einer Hütte schon mal von Vorteil ist. „My family has a cabin“, den Satz hört man dann oft in Gesprächen. Das heißt nichts anderes, als dass sich eine Familie einen Fluchtpunkt leistet, von dem aus man in einen See springt oder von dem man auf einen Berg schaut oder von dem man von einem Berg runterschaut, was auch eine gute Sache ist. Solche Cabins gibt es durchaus auch in Deutschland, nur ist dann eher profan von einem Ferienhaus die Rede, das leider oft nicht so schön im Nirgendwo liegt, weil Deutschland bekanntermaßen wenig Nirgendwo hat. Der Amerikaner Zach Klein hat das Videoportal „Vimeo“ miterfunden und dann eine noch viel wichtigere Seite mit dem Titel „Cabin Porn“. Dort stellen Menschen aus aller Welt Bilder von sehr schön gelegenen Cabins online. Die Seite wird von vielen Menschen gern gesehen. Wer noch keinen gedanklichen Fluchtort hat, sollte mal draufschauen und sich einen abholen: freecabinporn.com – die Auswahl ist wirklich groß. Echte „Traumhütten“, muss man sagen. Auch wenn es affektiert klingt.

Im

ALLE FOTOS VIA FREECABINPORN.COM, BEIGESTEUERT VON PINKBIKE.COM, MARK MC INNIS, OLGA GLADYKOWSKA, MOA SANDBLAD, DANIELLE VOTANO, MATTHIAS SMITH, JONATHAN C.SADLER, CONRAD THIESSEN, GREG BROWN, LOGCABINEER.COM


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Der steigende Energiebedarf ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Und die erste in Ihrem neuen Job.

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VON BERND KRAMER / TEXT

Angeblich muss man tüchtig an seinen Soft Skills arbeiten, wenn man es im Beruf zu was bringen will. Können wir mal aufhören mit dem Quatsch — und einfach arbeiten?

wird erfüllen können. Sobald man irgendwo in seinem Qualifikationsprofil ein Häkchen setzen kann, tut sich an anderer Stelle fast automatisch eine Lücke auf. Was bleibt, ist ein ständiges Gefühl des Nichtgenügens. Obwohl man in Wirklichkeit natürlich sämtliche wichtigen Voraussetzungen für seinen Job erfüllt. Denn mal ehrlich: Letztlich geht es bei der Arbeit doch nur darum, dass der ganze Kram erledigt wird. Das Perfide ist, dass das Gefühl des Ungenügens nicht im Job hängen bleibt. Es begleitet uns wie die Dienstmails, die wir auch nach Feierabend noch beantworten. Es verfolgt uns wie der Anruf des Chefs, der uns natürlich auch im Urlaub auf dem Handy erreichen kann. Bereits Siegfried Kracauer beschrieb in seiner Angestelltenstudie die „von den Charakteranalysen her drohende Gefahr eines Übergriffs in die Privatsphäre“. Die Psychologisierung der Arbeitswelt bedeutet, dass auch deren Probleme psychologisch zu interpretieren sind. Klappt es im Büro nicht, liegt das nicht mehr nur an der schwierigen Wirtschaftslage oder dem falschen Fach, das wir studiert haben. Irgendwas tief in uns drin ist mitverantwortlich. Soll die Persönlichkeit für den Erfolg bestimmend sein, ist sie das auch für unser Scheitern. Da wird der hübsche Soft-Skills-Jargon brutal: Er führt uns direkt in eine „Welt, in welcher persönliche Niederlagen, auch wenn sie sozial bedingt sind, sozial kompetent eingesteckt werden“ müssen, schreibt der Basler Bildungsphilosoph Roland Reichenbach. Protest verrät mangelnde Sozialkompetenz. Indem überall Soft Skills eingefordert werden, wird nicht nur unsere ganze Person in Mithaftung für sämtliche Übel der Arbeitswelt genommen. Wir müssen auch deren Ungerechtigkeiten hinnehmen. Eigentlich lebt eine moderne Gesellschaft von dem Versprechen, dass die besten Stellen nach Leistung und Begabung vergeben werden, nach klaren Kriterien, an denen sich jeder orientieren kann. Aber was ist gerecht, wenn der Aufstieg von weichen, widersprüchlichen Qualifikationen abhängen soll? Die Soziologen Michael Hartmann und Johannes Kopp haben die Lebensläufe von 6500 promovierten Ingenieuren, Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern ausgewertet, also von fachlich bestens qualifizierten Leuten. Das Ergebnis: In die obersten Chefetagen schaffen es nur diejenigen unter ihnen, die aus dem richtigen Elternhaus stammen. Nur sie haben von klein auf die feinen Codes und Umgangsformen des gehobenen Bürgertums gelernt und verinnerlicht, mit denen sie ihren Förderern signalisieren, dass sie denselben Kreisen entstammen. Ist das gerecht? Man fände bestimmt ein paar Soft Skills, mit denen sich legitimieren ließe, dass sich in den Führungsetagen immer derselbe Schlag Mensch verschanzt. Weltgewandtheit, Stil, Etikette, was auch immer. Gute Doktoranden aus Arbeiterfamilien bleiben derweil unterwegs stecken. Genau wie Frauen, die irgendwann mit ihrem Kopf an die gläserne Decke knallen beim Versuch, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Woran das liegt? Soft Skills natürlich. Fehlendes Alphatiergehabe, untrainierte Ellenbogen, mangelndes Gespür für Herrenwitz. Daran zeigt sich wieder die Verlogenheit des Soft-SkillsKonzepts: Man könnte den Aufstieg auch mit den genau entgegengesetzten Eigenschaften rechtfertigen. Wir sind so gut ausgebildet wie keine Generation vor uns. Warum sind wir nicht selbstbewusst und treten das Soft-Skills-Gerede, das uns überall entgegenschlägt, in die Tonne? Konzentrieren wir uns besser auf das, was bei der Arbeit wesentlich ist: dass der Kram erledigt wird.

Hard Skills, please. So weit ist es schon gekommen. Die Fachhochschule Fulda bietet einen Studiengang für „Sozialkompetenz“ an. Teilnehmer des berufsbegleitenden Weiterbildungsprogramms belegen zunächst den Kurs „Zwischenmenschliche Kommunikation I“, darauf aufbauend „Zwischenmenschliche Kommunikation II“, es folgen „Kommunikation im Team“ und „Persönlichkeitsentwicklung“. Nach zwei Semestern bekommen die Studenten dann von akademischer Stelle zertifiziert, dass sie jetzt mit Menschen können. Was in Fulda passiert, ist vielleicht nur die abstruseste Curricularisierung eines Blabas, das allenthalben um sich greift in der Ausbildungs- und Arbeitswelt. Schule, Uni, Dozenten, Freunde mit und ohne BWL-Hintergrund schwadronieren darüber, wie wichtig all das ist, was nicht in ihren Ausbildungsordnungen und Lehrplänen steht. Wie unbedeutend das Fachliche und wie entscheidend alles Menschliche ist für Geld, Prestige, Erfolg. „Gute Noten haben heute alle“, deklamiert eine Rhetoriktrainerin in einem dieser Seminare mit für einen klar denkenden Menschen schleierhaftem Selbstvertrauen. „Soft Skills, das ist es, was heute zählt.“ Es ist nicht neu, dass es plötzlich nicht mehr nur wichtig erscheint, was wir können und gelernt haben, sondern dass auch zählt, wer und wie wir sind. Schon der Publizist Siegfried Kracauer beobachtete Anfang der 30er-Jahre, wie der im Arbeitsleben neu aufkommende Typus des Angestellten psychisch von oben bis unten vermessen wird – mit Fragebögen, grafologischen Gutachten, Diagnosegesprächen und Persönlichkeitsinterviews. Beim Arbeiter in der Fabrik reichte es dem Chef noch zu wissen, dass er zupacken kann. Bei Sekretärinnen, Verwaltungsbeamten und Bankangestellten brauchte es die „Totalschau“. Die Soziologin Eva Illouz hat gezeigt, dass der Psychosprech im 20. Jahrhundert von den Unternehmen aus seinen Siegeszug durch die Gesellschaft antrat: Schon die ersten Personalberater ähnelten Psychologen. Klar, man könnte naiverweise erst einmal davon ausgehen, dass die Arbeitswelt dadurch menschlicher wird, persönlicher, wärmer und freundlicher. Aber der Ruf nach Soft Skills bedeutet, dass die Ansprüche steigen, dass uns noch mehr abverlangt wird im Job. Und wir wissen noch nicht einmal genau, was. Wir sollen teamfähig sein und durchsetzungsstark, uneitel und zielstrebig, ehrgeizig und anpassungsfähig, flexibel und beharrlich. Bestenfalls tut man diese Anforderungen als Büro-Binsen ab und vergisst sie schnell. Nimmt man sie dagegen ernst, stellt man fest, dass sie nicht so recht zusammenpassen. Die Fähigkeiten, die wir für die moderne Arbeitswelt mitbringen sollen, widersprechen einander. Damit die Widersprüchlichkeit nicht auffällt, wird sie im Jargon des Personalmanagements als „weich“ umetikettiert. Der Widerspruch hat Methode: Wenn die Anforderungen der Arbeitswelt einander ausschließen, heißt das auch, dass man sie nie ganz

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RÄTSEL

Gibt der Beruf eines Menschen einen Hinweis auf sein Mittagessen? Mach die Probe!

JUAN-CARLOS, BARISTA

STEFFEN, MALER (KÜNSTLER)

NICKOLAY, TOUR-GUIDE

Die Lösung findest du online unter jetzt.de/mahlzeit

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TERESA, ART-DIREKTORIN

VON KIM KEIBEL / FOTOS

MANDY, FRISEUR-AZUBINE

FRANZISKA, RETTUNGSSANITÄTERIN


Wer der Überzeugung ist, dass ein Arbeitsplatz mit einem Telefon und einer Ablage schon zur Genüge dekoriert ist, der braucht hier nicht weiterzulesen. Alle anderen – bitte schön.

jetzt-Magazin

EINKAUFSWAGEN

jetzt – das junge Magazin der Süddeutschen Zeitung Alle Termine 2013 im Überblick Schule&Job: 04. März 2013 (Anzeigenschluss: 01. Februar) 23. September 2013 (Anzeigenschluss: 23. August) Uni&Job: 15. April 2013 (Anzeigenschluss: 15. März) 21. Oktober 2013 (Anzeigenschluss: 20. September)

VON MAX SCHARNIGG / TEXT

Leben&Job: 13. Mai 2013 (Anzeigenschluss: 12. April) 11. November 2013 (Anzeigenschluss: 11. Oktober)

Eine Band braucht als Erstes einen Namen, dein eigenes kleines Büro braucht als Erstes eine Kaffeemaschine. Vergiss die Espresso-Kisten, kreative Arbeit erfordert große Tassen voll Kaffee. Für den professionellen Büroeinsatz ist deshalb die Mondo-Kaffeemaschine von Bonamat zu empfehlen, wie sie in allen Teeküchen dieser Welt steht. Liefert unverwüstlich schnell viel schwarze Denkgrundlage – und, hey, kostet genauso viel wie die EspressoKiste. (amazon.de, ca. 415 Euro) Alles außer dem Tasseninhalt darf aber bunt sein. Die Schreibtischlampe etwa muss unbedingt gute Laune und schönes Licht machen, spätestens wenn du die erste Nacht durchgearbeitet hast, ist sie dein bester Freund. (Tischlampe Studioilse, 470 Euro) Wer die Nacht nicht durcharbeitet, bekommt dafür das Procrastination-Kissen (gesehen bei YellowBugBoutique, Etsy, um 35 Euro), da kann man in den schlimmsten Phasen der Arbeitsverweigerung auch reinbeißen. Unterwegs zwischen verschiedenen Rechnern, daheim, im Büro und im Zug? Die legendäre Flipboard-App ist immer noch eine der besten Möglichkeiten, sämtliche Inspirationsquellen aus Blogs, Readern, Netzwerken auf deinem Mobilgerät zu bündeln – mit schön übersichtlicher Oberfläche. Gratis für iOS, Android, etc. Und wo wir schon dabei sind. Ein Poster mit den wichtigsten Mac OS X-Shortcuts (gesehen bei BugsyAndSprite, Etsy, um 16 Euro) ist vielleicht ein bisschen geekig – aber sie alle auswendig zu können doch erst recht! Als analoger Gegenpol auf dem Schreibtisch käme dann nur der Klebefilm-Abroller in Form einer alten Musikkassette infrage. Rolle rückwärts, quasi. (connox.de, 18 Euro) Gibt es eigentlich ein männliches Federmäppchen? Klar, es muss nur aus gewachster Baumwolle, mit Lederriemen und leicht militärisch sein. (gesehen bei McLovebuddy, Etsy, ca. 28 Euro) „Kabelsalat“ ist in diesen Jahren ein populäres Wort, genau wie „formschön“ . Mit beiden Begriffen hat der Extension Socket der Minimal-Designer von Punkt. zu tun: eigentlich nur eine Mehrfachsteckdose, aber eben eine, die formschön gegen Kabelsalat kämpft. Wer sich dafür interessiert, kann seine Mailadresse bei punktgroup.com hinterlassen.

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VON ROGER WILLEMSEN / TEXT & FILIPEK / ILLUSTRATION

Eine Frage noch: Leben wir für die Arbeit oder für die Freizeit? Die Arbeit, sagen die Pflichtbewussten, ist die Gegenwelt zur Freizeit. Sie muss drücken, muss nach Leistung und Verantwortung stinken und ein definiertes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zeigen. Die Arbeit hat so eine lustfeindliche Ausdünstung. Eigentlich geht sie als echte Arbeit auch nur durch, wenn sie wehtut und Worte hervorbringt wie „Zeitmanagement“ oder „Quality time“. So reden immer die, die Arbeit haben, und auf den Bildern, die in der Werbung „Arbeit“ darstellen, kann man dann sympathische Malocher im Blaumann sehen oder Manager mit Bauhelm, die mit Weitblick in die Ferne zeigen. Nur wenn man so eine Hochleistungsmaschine ist, so heißt es, kann man in der Freizeit auch mal über die Stränge schlagen, mit dem Bollerwagen voll Bier über Land kommen, Herrenabende feiern oder auf mediterranen Partymeilen barbrüstig durch eine „Polonäse Blankenese“ torkeln. Dem Schrecken der Arbeit korrespondiert dann der Terror der Freizeit, und beide spucken am Ende ein Individuum aus, das sich nach der Gegenwelt sehnt, entweder nach der Haftanstalt des Büros oder dem schwerelosen Leben der Freizeit. Das Beruhigende an der Freizeit ist das Versprechen der Selbstbestimmung. Das Bedrohliche an ihr ist, dass sie frei ist, gähnend leer und undefiniert. Arbeit und Freizeit sind also eigentlich keine Gegenwelten. Man nimmt denselben Menschen ja immer mit, und in der guten Freizeit wie in der guten Arbeit stellt sich ein Zustand der Versenkung, der Selbstvergessenheit ein. Als Johannes Rau noch Wahlkämpfe als MinisterpräsidentenKandidat bestritt, warb er für sich mit dem Slogan: „Freiheit bedeutet, einen Arbeitsplatz zu haben.“ Das war wohl für die gesagt, die jeden Morgen ins Büro rennen und sagen: „Heute nehme ich mir mal wieder die Freiheit!“ Wenn diese Werktätigen dann aber die Arbeitslosen schon um zehn Uhr morgens im Park sitzen und picheln sehen, kommt den Werktätigen mit Sicherheit zuletzt der Gedanke: „Sind die aber heute mal wieder unfrei!“ Dass Arbeit frei mache, kann der

spätere Bundespräsident unmöglich gemeint haben. Was er stattdessen gemeint hat, weiß man nicht. Nein, Arbeit und Freiheit, man halte sie lieber getrennt, und „Arbeit oder Freizeit“ – das klingt wie einer dieser Besinnungsaufsätze zur Frage: „Soll man in den Ferien eher ans Meer oder in die Berge reisen?“ Man soll ja nicht einmal reisen. Wir sollen also auch weder für Arbeit noch für Freizeit leben, sondern allenfalls soll man überhaupt leben, das heißt, es fühlen können, Erfahrungen machen, und das bedeutet auch, aus dem Kollektivschicksal des Arbeiters, des Massentouristen ausscheren und das eigene Leben persönlich nehmen. Denn was helfen sie mir beide, was hilft mir eine Arbeit, was eine Freizeit, die ich nicht fühlen kann? Ideal wäre also eine Arbeit, die ich nicht als solche empfinde, eine Freizeit, die nicht nur deshalb genießbar ist, weil ihr der Druck der Leistungswelt fehlt. Unmöglich, dieses eine Leben zu haben und auf die Hälfte davon zu verzichten, nur weil sie dem Gelderwerb dient! Der Kopf macht sich immer bemerkbar, man kann also nur das in der Freizeit erworbene Bewusstsein auf die Arbeit ausdehnen, scharf beobachten, genau empfinden, leidenschaftliche Kommunikation pflegen, heimlich verwahrlosen. Man kann die Arbeit auf ihre genießbare Seite hin absuchen und dort wildern. Auch mal ein verbotenes Schläfchen zwischendurch abhalten, einen Tratsch pflegen, ein kleines Drama in die Welt setzen, sich einer Übertretung schuldig machen. Es muss doch möglich sein, die Komfortzone auf die Leistungswelt auszudehnen. Und wie wollen Angestellte, die nicht auch subversiv sein können, je mündig werden – selbst im Sinne des Arbeitgebers? Außerdem gilt doch umgekehrt ebenso: Keine Freizeit ist besser als jene, die intensiv und zielstrebig und mit der Energie des geradezu bienenfleißig Amüsierwilligen betrieben wird. So ist es, und wenn nicht, dann gilt: So sei es! Und damit, liebe Gemeinde, zurück in die Gärten oder an die Spielautomaten, denn dies hier droht gerade in Arbeit auszuarten.

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