Anbruch der weiblichen Kultur

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Johanna Krzystolik-Klima Klaus Klima

Anbruch der weiblichen Kultur


© tao.de GmbH, Bielefeld 1. Auflage 2013 Autoren: Johanna Krzystolik-Klima und Klaus Klima Umschlaggestaltung: Klaus Klima Umschlagfoto: Klaus Klima Lektorat: Johanna Krzystolik-Klima und Klaus Klima

Printed in Germany Verlag: tao.de GmbH, Bielefeld www.tao.de Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogrphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-95529-068-9 Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.


Inhaltsverzeichnis Einführung .....................................................................S. 009 Kapitel 1: Das Frauenbild. Wie Männer ihr Gewissen erleichtern a) Die Frau als Pandorabüchse ...................................S. 013 b) Aristoteles – Begründer der Frauenfeindlichkeit .....S. 016 c) Das Schwingen mit metaphysischer Keule .............S. 018 d) Das Leiden der Frau im Judentum ..........................S. 022 e) Jesus und die kurze Zeit der Hoffnung ...................S. 029 f) Paulus bringt die Härte zurück ................................S. 032 g) Der abgründige Frauenhass im Christentum ..........S. 036 h) Das schwarze Gewissen der Heiligen: Augustinus und Thomas v. Aquin ............................S. 038 i) Noch eine Stufe herab: Thomas von Aquin ............S. 044 j) Schopenhauer – Erbe der Inquisition ......................S. 048 k) Weininger – die entmythologisierte Frau Punkte 1 – 44 – kritische Bemerkungen zur Philosophie der Frau .........................................S. 057 l) Rückführung der Frau auf ihre Urinstinkte ..............S. 087 m) Die sittliche Entwertung schadet der Frau .............S. 097 n) Die relative Entwertung der Frau in der indischen Kultur ............................................S. 107 1.) Die Frau nach den Veden .................................S. 107 2.) Die Frau im Hinduismus ....................................S. 110 a) Die Frau im Vedantismus .............................S. 111 b) Das Weibliche in Sankhya ............................S. 114 c) Das Hauptziel des Lebens ............................S. 115 d) Die Frau als Bedrohung ................................S. 118 Kapitel 2: Die Lehre des Mythos über die Natur der Frau. a) Die weibliche Selbsterkenntnis ..............................S. 122 1.) Weiß die Wissenschaft mehr als der Mythos?...S. 123 2.) Das weibliche Bewusstsein ...............................S. 124 b) Die Frau als Göttin .................................................S. 126 c) Der demeterische Archetypus der Frau Punkt 1 – 3 .............................................................S. 132


d) Der aphroditische Archetypus der Frau Punkt 1 – 3 .............................................................S. 141 e) Der Diana-Archetypus der Frau Punkt 1 – 3 .............................................................S. 149 f) Der Athene-Archetypus der Frau ...........................S. 156 1.) Weisheit kommt aus dem Kern der Weiblichkeit g) Die mythische Göttin ist die reale Frau ..................S. 161 Kapitel 3: Das Wesen der Frau nach den antiken Lehren. a) Ist die Natur der Frau vom Wasser geprägt? .........S. 164 b) Der schwierige Zugang zu den Elementen ............S. 165 c) Weiblich und Männlich in der Alchemie .................S. 168 d) Die Urqualitäten .....................................................S. 170 e) Das Wasser und die Frau ......................................S. 172 Kapitel 4: Das Universum der Liebe. a) Die romantische Liebe ...........................................S. 179 b) Die barocke Wurzel der romantischen Liebe .........S. 182 c) Der erzogene Eros .................................................S. 183 d) Die ganzheitliche Theorie der Liebe .......................S. 187 Kapitel 5: Wie lange bleibt die Weiblichkeit verhüllt? 1.) a) Die Phantasiespiele mit männlich und weiblich .S. 197 b) Männlich – weiblich ohne Metaphysik ................S. 199 2.) Weiblich auf dem Kriegspfad .................................S. 204 3.) Gefühle statt Vernunft ............................................S. 206 4.) Das Geschlecht überwinden ..................................S. 213 Kapitel 6: Auf der Suche nach dem Ursprung der Geschlechter. 1.) Ausflug ins Jenseits ...............................................S. 217 2.) Über den Sinn der Geschlechtlichkeit ....................S. 218 3.) Was verbirgt sich hinter der Begattung ..................S. 221 4.) Folgen oberflächlicher Beziehung ..........................S. 222 5.) Woher kommt die Geschlechtlichkeit? ...................S. 225


Kapitel 7: Die göttliche Essenz der Weiblichkeit in der indischen Kultur. a) Ein ganzheitliches Emanzipationsmodell aus Indien ...............................................................S. 231 b) Cudala, eine Meisterin der Emanzipation ..............S. 233 c) Mata Amritanandamayi ..........................................S. 236 d) Die blaue Perle .......................................................S. 244 Kapitel 8: Das trojanische Pferd der Emanzipation. A. Befreiung aus der Sklaverei ...................................S. 253 B. Zurück in die Versklavung ......................................S. 256 a) Der Bergführer war blind ...................................S. 256 b) Der ausgetrocknete Brunnen ............................S. 259 c) Selbstverwirklichung oder Gleichberechtigung? S. 261 d) Schmoren im Eintopf der Zivilisation .................S. 265 Kapitel 9: Die neue weibliche Welt. a) Befreiung aus der Vermännlichung ........................S. 269 b) Die Wüstenlandschaft in der Seele der Frau .........S. 272 c) An der Frau wird die Welt genesen ........................S. 273 d) Weisheit statt Wissen .............................................S. 276 Kapitel 10: Der Untergang des Mannes. a) Der selbsterhöhte Mann .........................................S. 281 b) Die Selbsterniedrigung ...........................................S. 288 c) Das Leben aus der Froschperspektive ..................S. 292 d) Besiegt durch Geschlechtlichkeit ...........................S. 295

Bibliographie:



Einführung Gemäß dem Modell der Zeitwanderung großer Kulturzyklen, wäre nun die Frau an der Reihe, eine weibliche Menschheitskultur hervorzubringen. Der männliche, kulturelle Überbau hat sich in seiner religiösen und metaphysischen Form selbst aufgelöst. Seit über drei Jahrtausenden gestalten die Männer das Gesicht der Kultur und Zivilisation nach ihrem Selbstbild. Die Kulturpotentiale der Frau, gelagert in ihrem Wesen, aber an Entfaltung gehindert, dürften das Kulturfeld nicht prägen. Sogar das Selbstbild der Frau, kommt aus der Männerhand. Der Kampf um die Verhinderung der weiblichen Kultur wurde mit allen Mitteln, auch mit der physischen Gewalt, erbarmungslos durchgeführt. An eine Gutmachung der Schäden ist nicht zu denken. Der Grund dafür liegt im mangelnden Schuldgefühl. Die Geschichtsschreibung wird bis heute noch unter dem männlichen Blickwinkel verfasst und die verbrecherischen Züge männlicher Heldenmoral werden nicht entlarvt. Die Frauen wollen endlich das Recht erkämpfen, die ihrem Wesen fremde, männliche Zivilisation, in der sie weiterhin verheizt werden, zu ersetzen. Das Urelement der weiblichen Kultur wurde der Frau entzogen. Aus ihrem Kern heraus konnte sie ihre Werte und Tugenden nicht mehr objektivieren. Statt dessen war sie gezwungen, in den männlichen Gewässern zu schwimmen. Eingesperrt im weiblichen Haushalt, der Willkür männlicher Götter ausgesetzt, lebte sie im fremden Revier und wurde von Speisen ernährt, die an ihrer geistigen und psychischen Gesundheit Schäden angerichtet haben. Das Schicksal der Menschheit entscheidet sich im Verhalten der modernen Frauen: sollen sie der Einladung folgen und das „Geschäft“ der materiellen Zivilisation ausbauen helfen oder den Hauptakzent ihrer Kreativität auf die vernachlässigte Selbsterkenntnis als Frau setzen und aus dieser Erkenntnis heraus eine neue Transzendenz vermitteln, neue Metaphysik, Ethik, Kunst, Philosophie und Jurisprudenz formulieren? Wenn 9


die Frau der Anziehungskraft der männlichen Zivilisation, die ja ihrem Wesen fremd ist, nicht widersteht und ihre Interessen nur noch im Kampf um die Gleichberechtigung sieht, bleibt sie weiterhin im Käfig verdorbener männlicher Geistigkeit eingesperrt und kann von der schönen neuen Frauenwelt nur noch träumen. Sie würde sich bis in die tiefsten Schichten ihres Wesens vermännlichen, mit allen Folgeschäden an ihrer Psyche und bliebe dem nie gelöschten Frauenhass ausgesetzt.

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Kapitel 1: Das Frauenbild. Wie Männer ihr Gewissen erleichtern. Für die alten Römer war die Geschichte „magistra vitae“. Die Vergangenheit ist besonders für die moderne Frau die Lehrerin des Lebens. Damit sich die grausamen Zeiten, der männlichen Unmenschlichkeit nicht wiederholen, müssen die Frauen ihre Geschichte wach im Bewusstsein behalten. Unter den abendländischen Nationen wird die vergangene Unterdrückung der Frau geschichtlich immer mehr unter den Teppich gekehrt, aber die feindlichen Religionen und Philosophien, die für die Schoa an Frauen verantwortlich sind, haben ihre Lehre nicht reformiert. Bei günstigen Winden kann jeder Mann sie in die Segel nehmen, fangen und verbreiten. Die patriarchalen Machtstrukturen lassen sich per Gesetz aus dem Denken nicht wegräumen. Dicht unter der oberflächlichen Schicht des männlichen Bewusstseins schwillt ein latenter Frauenhass weiter. Nur wenigen Männern passt die Feizügigkeit der Frauen, ihre Ansprüche an den Lebensstandard, die Überlegenheit der meisten Frauen am Arbeitsplatz und so manche „ungerechte“ Erleichterung bei Beförderung. In vielen Ehen herrschen immer noch undemokratische, patriarchalische Strukturen und es gibt Betriebe, die keine Frauen einstellen. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist immer noch voller Spannung und birgt möglichen Zündstoff für künftige Tragödien. Und weil die Herausstellung der eigenen geistigen Vervollkommnung kaum noch in den Beziehungen eine Rolle spielt, reichen oft schon kleine Reibereien aus, um in einer neuen Partnerschaft die erhoffte Erlösung zu finden. Weil die Untugenden weiter gepflegt werden, scheitern alle Erlösungsversuche und die Enttäuschung mündet in Hass auf das andere Geschlecht. Es ist nicht die Natur der Frau, die das Leben der Männer schwierig macht. Es ist einfach die fehlende Bereitschaft am eigenen Charakter zu arbeiten, seine Emotionen zu beherrschen und nach tieferem Lebenssinn zu suchen. Weil 11


die Frustrationen spürbar da sind, ist auch der Boden für künftige Hasspropheten gut gedüngt. Für Männer ist die Geschichte der Frau ein Dorn im Auge. Damit der Männerhass endlich aufhört, muss an das Frauenleiden immer wieder erinnert werden. Wir wollen, dass der Dorn im Auge bleibt!

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a) Die Frau als Pandorabüchse. Die Erschaffung der Pandora schildert Hesiod (Theog. Ab 562). Der von Prometheus begangene Feuerdiebstahl erweckt in Zeus einen Grimm, der durch ein Unheil ausgeglichen werden will. Er beauftragt den Hephaistos, eine „züchtige Jungfrau“ nach der Göttin Pallas Athene, zu schmieden. Der göttliche Schmied schuf die Jungfrau, aber es war ein listiger Betrug: „Denn es entstammte von ihr die Reihe blühender Frauen – ihr entstammte das schlimme Geschlecht und die Stämme der Frauen. Unheilbringend wohnen sie unter den sterblichen Menschen, ohne schlimme Not zu teilen, aber das Wohlsein. Wie wenn in dem Bau gewölbter Körbe die Bienen Drohnen züchten und füttern, Genossen schimpflicher Werke... Also hat auch die Weiber den sterblichen Männern zum Unheil Zeus, der donnernde Gott, bestellt als schimpflicher Werke böse Genossen. Er gab noch weiteres Übel für Gutes. Wer die Heirat flieht und das schreckliche Schalten der Weiber, giert nach keiner Vermählung, doch kommt das missliche Alter, greist man pfleglos hin, und wenn es am Gelde nicht mangelt, stirbt man aber so teilen sich in das Besitztum ferne Verwandte; doch wenn das Eheschicksal beschieden dass er ein wackeres Weib, mit fügsamen Herz gefunden, dem sucht wechselweis sich jeder Gutes und Böses immer zu nahen, doch findet er eine von böser Gemütsart, lebt er dahin und trägt in der Brust unaufhörliche Plage tief im Herzen und Sinn; Es ist ein unheilbares Übel!“ Pandora ist erschaffen, um den Deckel des Kruges zu heben, in dem Myriaden von Unheil gestaut sind. Durch die Frau verbreitet sich das Böse über das Menschengeschlecht und unaufhörlich bringt sie Krankheiten, Unglück und Katastrophen. Nach Hesiod stammen alle Frauen von Pandora ab. Zeus Wille ist, dass „alle sich ergötzen und in ihr Unglück verliebt sein sollen.“ Hesiod warnt die Männer (Erga 373): 13


„Lass dich von keinem Weib mit prunkenden Hüften betören das mit schmeichelnden Worten in deiner Hütte dich aufsucht. Wer dem Weibe vertraut, vertraut auch Betrügern und Dieben.“ Den Kirchenvätern sind die Analogien zum Bibeltext über die Erschaffung von Eva wohl bekannt. Pandora („die alle Göttergaben vereint“) ist die Frau des Begehrens. Von den Göttern wird sie dem PrometheusBruder, Epimetheus („der erst hinterher begreift“) geschenkt. Trotz Warnung des Prometheus, nimmt sein Bruder das faule Geschenk an, lässt sich von allen Gaben der Frau erfreuen und bezaubern, ohne gewusst zu haben, dass sie alles Unheil der Welt in sich birgt. Der Kommentar bei Zosimos lautet: „Hesiod nennt die Fessel, mit der Prometheus angekettet war, den äußeren Menschen. Später wurde eine zweite Fessel geschickt, Pandora, die von den Hebräern Eva genannt wird“ (Zosimos XLIX,3). Der ursprüngliche feinstoffliche und göttliche Mensch wurde von den Göttern in die stoffliche Hülle eingeschlossen. Später bekam er die Pandora, die alles Böse auf ihn und seine Welt losgelassen hat. Sie weckte in ihm eine Begierde, die nicht mehr zu stillen war. Sein ganzes Interesse richtete sich nach außen auf die Frau und auf die Erfüllung ihrer Wünsche. Die göttliche Welt, mit der sich der feinstoffliche Mensch gleichsetzte, geriet in Vergessenheit. Der endgültige Fall des Menschen, nach dem Zeus gesinnt hat, ist nun eingetreten. Durch die Frau als Werkzeug des Bösen, haben die Götter den Sieg, über ihre verhassten Brüder – die Menschen – errungen. In den Fesseln der Begierde ist das Bewusstsein der Gleichheit mit den Göttern, erstickt. Die hesiodische Interpretation der Frau hat die Meinung der Männer über die Frau gründlich geprägt. Sie beeinflusste auch das Christentum und die Geheimwissenschaften. Für Plotin ist die geschlechtliche Liebe eine Krankheit der Seele. Auch die Alchimisten verstehen Eva als Geschenk Jahwes an Adam im Sinne des Pandoramythos. Im gnostischen Evangelium der 14


Ägypter werden folgende Worte von Jesus zitiert: „Ich bin gekommen um dem Werke der Frau, der Frau d. h. der Brunst, dem Werk der Zeugung und des Todes ein Ende zu setzen.“ In den ersten Jahrhunderten des Christentums hat sich der Begriff des Begehrens, der Voluptas und Concupiszentia als die Grenze zwischen der Welt des christlichen und der Welt des tierischen Menschen herauskristallisiert. Fleischliches Begehren steht dem geistigen Begehren im Wege. Das Begehren nach der Frau macht den Christen blind für das Streben nach Gott. Und so steht der Pandora-Mythos am Anfang des umfassenden Frauenhasses im abendländischen Kulturkreis. Weil er in der Atmosphäre lag, die auch die Philosophen geatmet haben, wurden auch ihre Meinungen, oft über Dinge, die keinen Zusammenhang mit Frau aufweisen, doch in negativer Bedeutung für das Weibliche geäußert, so z. B. das Gegensatzpaar rechts - links, das Pythagoras hervorhob, wurde laut Aristoteles von Anaxagoras auf die Geschlechter übertragen. Die rechte Seite wäre danach männlich, die linke weiblich. Damit entstand die Degradation der linken, weiblichen Seite. Laut Aristoteles werden die Lasten links getragen, damit die Rechte die Führung behält. Fachärzte haben bis ins 20. Jahrhundert die Linkshänder als potentielle Schwachsinnige angesehen. Hippokrates formulierte die Empfehlung den Hoden unterbinden während des Geschlechtsverkehrs, wenn man sich einen Knaben wünschte. Platon, der in der Politea (402 d. ff) viel Gutes über Frauen schrieb, sogar eine vollständige Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verlangte, behauptete im Timaios (42, B; 90 E), dass ein Mann, der ein unwürdiges Leben geführt hatte, in der nächsten Einkörperung als Strafe in ein Weib umgewandelt wird.

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b) Aristoteles, Begründer der Frauenfeindlichkeit. Das Einführen patriarchaler Strukturen durch die Eroberer des Reiches von Pelasgen, in dem die Göttinnen das Sagen gehabt haben, hat das Ende des Matriarchats in Europa noch nicht bewirkt. Das eroberte Land nannte sich nun Griechenland. In den Nischen lebten die alten Göttinnen weiter. Ihre Macht konnten sie mit der Zeit auf die fremden, griechischen Götter, vor allem auf Zeus selbst, ausweiten. Erst Aristoteles hat die Fundamente matriarchaler Ordnung ins Wanken gebracht. Sein Instrument war keine neue und männlich ausgeprägte Gottheit, sondern sein naturphilosophischer Verstand. Er stellte einfach die Zeugungsfähigkeit der Frau und damit ihre Mutterschaft in Frage. Sein philosophischer Einsatz geht von der damaligen Elementenlehre aus, nach der die Frau dem Wasser und der Mann dem Feuer zugeordnet war. Das dem kühlen Wasser entsprechende Weibliche kann aus sich selbst heraus niemals fruchtbar werden. Er hat zwar die Existenz von weiblichen und männlichen Sperma angenommen – das Menstruationsblut gehörte zum weiblichen Sperma - aber im Sinne hippokratischer Kochungslehre wäre die Qualität des männlichen Sperma viel höher. Beim Mann wäre sein Sperma besser ausgekocht. Durch seine Entsprechung zum Feuer hätte er den richtigen Hitzegrad in sich und kann das Blut zum Sperma auskochen. Durch die Kälte ihres Wassers kann der Frau das niemals gelingen. Dank seiner Elemente-zusammensetzung ist der Mann alleine zeugungsfähig. Der Anteil der Frau an der Entstehung des Kindes beschränkt sich auf die passive Ernährung des in den Mutterleib eingebrachten fertigen Kindes. Die Lehre hat für die matriarchale Religion und für die Stellung der Frau negative Folgen gehabt. Die universalen Göttinnen, die das Universum aus sich selbst hervorgebracht hätten, sind unglaubwürdig geworden. Zwar hat sich die aristotelische Lehre nicht unter dem Volk ausgebreitet, aber 16


die gebildete Schicht nahm Abschied von den matriarchalen Religionen und von der Kraft der Frau, Menschen ohne den Mann zu gebären. Sie verlor an biologischer Bedeutung und auch in ihrer Rolle als Mutter wurde sie herabgewürdigt. Im Vergleich zum Mann, der nun alleine zeugt, blieb sie ein minderwertiges Wesen. Im Zusammenhang mit der Lehre vom absoluten Geist, eine Lehre, die wir anschließend beschreiben, an dem alleine der Mann teilhaftig ist, wurde das Weibliche zum Lieferanten der Materie für den Körper herabspekuliert. Damit ist die Frau dem Werden unterstellt, dem Entstehen und Vergehen, wogegen der Mann – dem unvergänglichen Sein. Seine Lehre wurde bereits in der Zeit der Patristik in die Doktrin der christlichen Kirche aufgenommen und bei der Formulierung verschiedener Dogmen in der Scholastik haben sie eine wesentliche Rolle gespielt. In der Aufarbeitung seiner Philosophie von Thomas von Aquin sind die aristotelischen Ansichten in die theologische Begründung der Hexenverfolgung eingegangen. Obwohl die moderne Biologie den gleichwertigen Anteil der Frau bei der Zeugung des Menschen festgestellt hat, berufen sich die Frauenfeinde diesmal mehr auf die Metaphysik von Aristoteles um ihrer emotionellen Abwertung der Frau eine philosophische Politur und intellektuellen Glanz zu verleihen.

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c) Das Schwingen mit metaphysischer Keule. Die Antike konnte sich die Entstehung der Welt aus dem Nichts genau so schwer vorstellen, wie die modernen Astrophysiker. Die alten Philosophen haben die Existenz zweier polarer Kräfte angenommen, die durch ihre Vereinigung den Urknall – die Welt, hervorbrächten. Beide Kräfte sollten aus der höchsten und feinsten Einheit emaniert haben. Bei ihren Analysen merkt man jedoch die vielleicht ungewollte, aber doch vorhandene Herabsetzung der weiblichen Kraft zum Vorteil der männlichen. Aristoteles schrieb: „Das Männliche ist die spezifische Form, das Weibliche die Materie. Insoweit sie das Weibliche ist, ist sie passiv, während das Männliche aktiv ist.“ (De gen. anim I, 11, 716a) Unter der „weiblichen Materie“ versteht er nichts, was Gegenstand der Wahrnehmung wäre oder was man sich vorstellen kann. Seine erste Materie ist reine Potentialität, Passivität, ohne eigene Existenz und ohne jeglichen Inhalt. Sie wäre reine Formbarkeit, ohne Initiative, ohne eignes Streben, ohne die Lebendigkeit. Die aufgezählten Eigenschaften bekommt sie durch die Form, die ihr das männliche Prinzip verleiht. Das Männliche befruchtet sie mit seiner Kraft, so dass sie alles werden kann. Alles was im Universum existiert, besteht aus diesen zwei Prinzipien, auch die übersinnlichen Welten. Durch die Verleihung der Form, wird die Materie Träger des Werdens, der Entstehung und des Vergehens. Für Aristoteles steht das Weibliche auf der Seite der Materialität, der Passivität, des Werdens. Es hat keine Autonomie und ist in jeder Hinsicht vom Männlichen formbar. In der rein abstrakten Fassung wäre das Weibliche ein geheimnisvolles, unbekanntes, unfassbares, abgründiges Etwas, das unerschaffen und ewig der formenden aktiven, bestimmenden Kraft des Männlichen zur Verfügung steht. Das Männliche hat sein eigenes Prinzip in sich (Stabilität, Unveränderbarkeit, Dauer, Existenz) das Weibliche dagegen 18


im Männlichen. Das Weibliche wird durch die Befruchtung zur Muttersubstanz des Lebens. Das Existenz verleihende Prinzip nannte Aristoteles „nus“. Es ist die reine Männlichkeit, der reine Akt, ohne jede Passivität des Weiblichen. Nus ist reines Licht, der erste unbewegliche Beweger. Weil die gesamte Aktivität vom Männlichen kommt, gründet auch die Fruchtbarkeit der Frau im Männlichen. Die Konzeptionsfähigkeit kommt alleine dem Manne zu. Die aristotelische Unterscheidung der Geschlechter beruht auf einer nach oben gerichteten Werteskala. Auf der Spitze der Seinshierarchie steht der ewige, unveränderliche nus, das übergeistige männliche Prinzip. Auf ihrer unteren Basis befindet sich die gestaltlose, weibliche Urmaterie. Seiner Natur entsprechend ist das Männliche stets verursachend und bewirkt die Vervollkommnung des Weiblichen. Das Ziel des Weiblichen liegt in der Anteilnahme an männlicher Vollkommenheit. Damit das Weibliche für ewig nicht nur Quelle der Materie bleibt, muss es männlich durchformt werden. Mit seiner Theorie der Geschlechter setzt Aristoteles eine Grenze zwischen der mystischen und philosophischen Zeit im Nachdenken über die Natur der Geschlechter. Es ist nicht erstaunlich, dass seine Ansichten in der sich formenden christlichen Philosophie mit Begeisterung aufgenommen wurden. Sie wurden mit der biblischen Aggression gegen die Frau vermengt und mündeten in der Hexenverbrennung. Obwohl Aristoteles selbst nie behauptet hatte, dass die Frau den Eigenschaften der Materie entspricht und nichts weiter als Materie wäre, hat sich diese Meinung hartnäckig im Christentum bis in unsere Tage gehalten. Besonders die Scholastik und Thomas von Aquin haben sich der Gleichsetzung der Frau mit Materie bedient um ihr den Geist abzusprechen. Wie der Dominikanermönch G. Bruno – selber bei lebendigem Leibe wegen Ketzerei verbrannt – für seine Zeit bestätigt, war die gängige Meinung unter den christlichen 19


Theologen im 16. Jahrhundert, dass die Frau die Ursache allen Übels, allen Leids, allen Mangels, allen Untergangs, allen Verfalls war. Das wirft er den Theologen vor. Wie wir sehen werden, dachten die prominenten Feinde der Weiblichkeit – Schopenhauer und Weininger – im aristotelischen Modell. Von Anfang an wollte man mit dem aristotelischen Modell der Materie, das Wesen der Frau, Ihre Natur, vollkommen entmenschlichen und zerstören. Wäre sie tatsächlich nichts als Materie, bestünde sie nur aus Leib, ohne Seele, die einen Menschen zum Menschen macht. Alles was in den 2 Jahrtausenden den Frauen im Christentum zugestoßen ist, war mit der absichtlich verfälschten Metaphysik von Aristoteles gedeckt. Nach dem kanonischen Recht haben Tiere keinen Schutz vor der Tötung. G. Bruno schildert die Denkungsart der christlichen Aristoteliker über die Frauen in der Zeit der wütenden Hexenverbrennung: „Das weibliche Geschlecht ist dies widerspenstige, schwächliche, unbeständige, weichliche, kleinliche, ehrlose, unedle, feile, verworfene, unwürdige, nichtswürdige, unheilvolle, tadelswerte, kalte, hässliche, leere, eitle, unsinnige, treulose, nachlässige, undankbare, unvollkommene, unvollendete, unzureichende, unzulängliche Wesen, diesen Mehltau, diese Nessel, dies Unkraut, diese Pest, diese Seuche diesen Tod von Gott – Natur im Zorn dem Leben als Last und Bürde beigegeben.“ (Zitat nach: Was Philosophen über Frauen denken. Mathes und Seitz Verl. München) Die Identifizierung der Frau mit Materie als Ursache allen Übels und des Mannes mit dem reinen Akt, der die Form verleiht ist vollkommen absurd und ungeeignet, die Differenzierung der Geschlechter zu begründen. Das Empfangende und das Formende ist nach Aristoteles weder weiblich noch männlich. Die Materie und der formende Geist sind mit gleicher Kraft in beiden Geschlechtern vertreten. Das Formende und Gestalt gebende Prinzip ist bei Menschen die 20


substanzielle Form, von den Christen Seele genannt. Ohne das Vorhandensein der Seele im Leibe der Frau, gäbe es sie überhaupt nicht: sie hätte ja ohne die Seele aus der Potentialität der Materie gar nicht die Existenz empfangen können. Die christlichen Theologen haben sich den Aristotelismus bequem zurecht gelegt, damit ihre verbrecherischen Taten nicht als solche erscheinen, sondern in reinen Kleidern einer philosophischen Unschuld.

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d) Die Leiden der Frau im Judentum. Wie in den anderen Kulturen der antiken Zeit, wird auch bei den Hebräern die Auffassung über die Natur der Frau, von Schöpfungsmythen bestimmt. Nach der Bibel wäre der Mensch kein mehrschichtiges Wesen, aus immer subtileren, geistigen und unsterblichen Körpern, wie z. B. in ägyptischer Religion. Sein Wesen gipfelt auch nicht in einer ewigen, unzerstörbaren Seele, wie bei den Orphikern. Die Schöpfung emaniert auch nicht aus Gott, wie in den pantheistischen Systemen. Der hebräische Schöpfungsmythos unterscheidet den Schöpfer sehr streng von seinem Werk. Gott erschafft alles aus dem Nichts seines Wesens und aus dem Nichts eines vorhandenen Materials – so behauptet die Bibel mindestens verbal. Weil in der Schöpfung nichts aus ihm selbst ist, besteht eine fundamentale Trennung zwischen Gott und seiner Schöpfung. Nicht mal in seinem besten Werk – im Menschen – hatte er Spuren seiner Natur hineingelegt. Nur sein Wort ist der Mittler zwischen Schöpfung und ihm. Das Wort ist aber bei Gott geblieben und nicht in die Schöpfung eingegangen. Trotz der Betonung des Schöpfungswortes wird im älteren Teil des Schöpfungsmythos gesagt: „Da bildete Jahve, Gott den Menschen aus Staub vom Erdboden... Er hauchte seiner Nase Lebensodem ein, so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (Gen. 7) Der Mensch ist nur Adam (von adamo – Erde). Somit wäre der Mensch nicht durch das Wort entstanden, sondern durch das Machen: aus einem vorhandenen Material, aus der Erde! Das Leben wurde ihm eingehaucht und auch diesmal nicht durch das Wort, sondern durch direkte Einatmung über die Nase. Auch die Frau ist durch handwerkliches Machen entstanden und nicht durch ein schöpferisches Wort. Gott ließ auf den Mann einen Tiefschlaf fallen und entnahm ihm eine Rippe. Aus der Rippe baute er ein Weib. Die Reaktion von Adam war freundlich. „Das ist nun endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von 22


meinem Fleisch. Diese wird man issa (Weib) nennen, weil sie vom is (Mann) genommen ist.“ (Gen. Vers 23) Adam und Eva sind das Werk handwerklichen Könnens. Adam wurde aus der Erde gemacht und Eva entstand „chirurgisch“ aus der Rippe des Mannes. Beide sind nun ein kurzes Zeitgebilde. Dieses Bewusstsein bringt auch Hiob zum Ausdruck: „Wenn er zurücknähme seinen Geist und seinen Odem an sich zöge, verscheiden müsste alles Fleisch zumal und zum Staub kehrte der Mensch zurück.“ (Hiob 34, 14) Die für das alte Hebräertum charakteristische Minderwertigkeit der Frau gründet bereits in der Erschaffung. Sie ist nicht gleichzeitig mit Adam gemacht worden, sondern nach und für ihn. Beim Werkeln am Adam war sie gar nicht vorgesehen. Ihre Seinsschwäche wird zusätzlich durch ihren entscheidenden Anteil am Sündenfall betont. „Von einer Frau ging die Sünde aus und um ihretwillen sterben wir alle.“ (Jesus ben Sirach, 25, 24) Dass die Frau im Alten Testament unter dem Manne steht und eher als Sache denn als ein gleichwertiger Mensch betrachtet wird, zeigt sich schon an vielen Beispielen. Man unterdrückt ihren Namen, als ob sie keinen hätte. So spricht man von „Königin Saba“, ohne ihren Namen zu nennen, von der „Hexe von Endor“, von der „Tochter des Pharao“, immerhin Gattin von Salomon, von der „Tochter Jephtas“ usw. Auch gibt es sehr selten weibliche Namen, die den Namen Gottes (El) führen. Bei Männernamen ist dieser Brauch häufig und er deutet auf besonderen Schutz Gottes über dem Namensträger. Anscheinend sind Frauen dieses Schutzes nicht würdig. Wer ein Gelübde vor Gott abgelegt hatte, musste es erfüllen und keine Macht konnte ihn von seinem Versprechen entbinden. Wenn aber eine Frau Gott ein Gelübde abgegeben hatte, dürfte ihr Vater, falls sie noch 23


unverheiratet war oder der Gatte das Gelübde auflösen. Auch zur Einhaltung der Gebote war die Frau nicht unbedingt verpflichtet. So lautet z. B. das dritte Gebot in seiner erweiterten Fassung: „Der siebte Tag ist ein Sabbat zu Ehren Jahves, deines Gottes; da darfst du kein Geschäft verrichten, weder du selbst, noch dein Sohn oder deine Tochter, weder dein Sklave noch deine Sklavin noch dein Vieh, noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist.“ Sogar das Vieh hält Sabbat nicht aber die Ehefrau! Ob sie das Sabbatgebot hält ist nicht so wichtig. Dass die Frauen von Natur aus sensibler sind und paranormale Fähigkeiten schneller erwerben, war auch in der antiken Zeit bekannt. Im Hebräertum werden nur 7 Prophetinnen genannt gegenüber 49 Propheten. Und auch dem schwächsten Propheten wurde mehr Autorität zugesprochen als den sieben Frauen zusammen. Die Rechtsstellung und die Lebensform der Frau ist mit der Position des Mannes vergleichbar. Wie tief die Minderwertigkeit der Frau empfunden war, zeigt sich sogar am Tempelbau von Herodes (+ 4 v. Chr.). Der Platz für Frauen lag 15 Stufen niedriger als der Vorhof für Männer, der auch „Vorhof Israel“ genannt war. Das Vorlesen aus der Tora war den Frauen verboten. Auch die Gerichte wollten von der Frau nichts wissen. Als Zeugin durfte sie nicht auftreten. Auch im Alltag waren Unterhaltungen mit einer Frau nicht zugelassen. Jesus ben Sirach (um 200 v. Chr.) gibt den Männern einen „guten Ratschlag“: „Mit einer verheirateten Frau pflege nicht viel Unterhaltung und führe nicht lange Gespräche mit ihr, damit sich nicht dein Herz ihr nach ablenken lasse und du mit schuldigem Blute in die Unterwelt hinabsteigst.“ (9,9) In der rabbinischen Kasuistik wird Jesus ben Sirachs Warnung deutlicher: „Wegen eines unnötigen Gesprächs, das zwischen dem 24


Manne und seiner Frau vorfällt, wird der Mann in der Stunde des Todes zur Rede gestellt.“ (Bab. Chagiga, 5b) Folglich darf die Gattin nicht am Gastmahl teilnehmen, besonders wenn Gäste eingeladen werden. Auch als Bedienung bei Tisch dürfen Mädchen und verheiratete Frauen nicht teilnehmen. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Wohnen auf dem Lande und in Jerusalem. Die strenge Abschottung und Überwachung der Frau war nur in der Stadt möglich. Harems für reichere Männer existierten nur in der Stadt. Auf dem Land mussten die Frauen Feldarbeit leisten aber dadurch erfreuten sie sich mehr persönlicher Freiheit. Allerdings alleine aufs Feld ziehen durften sie nicht. Die Konsequenz aus allen diesen Maßnahmen war, dass die Frauen von allen Bildungsquellen abgeschnitten waren und letztlich unter dem geistigen Niveau ihrer Männer standen. Weil sie auch religiös nicht unterrichtet waren, wurden sie schneller als die Männer für allerlei „Sünden“ zur Rechenschaft gezogen was nicht selten mit dem Tod endete. Für die beispiellose Unterdrückung der Frau im Hebräertum war noch ein anderer Faktor verantwortlich. Weil sie kein Mann war, wurde sie auch nicht beschnitten. Die Beschneidung war jedoch ein Sakrament und bewahrte vor der Hölle. Die Schriftgelehrten haben daraus die Behauptung aufgestellt, dass Gott selbst ein Urteil über die Frau gefällt hätte. Eine Gleichstellung mit dem Mann, war rein religiös ausgeschlossen. Besonders schmerzlich haben den Frauen die Reinheitsgebote zugesetzt. Es ging vor allem um die Vorschriften bei der Menstruation und um das Verhalten nach dem Geschlechtsverkehr. Die menstruierenden Frauen wurden ihrer Wohnung verwiesen und in speziellen Zelt oder Haus eingesperrt. Auch darin sahen die Juden ein negatives Urteil Gottes über die Natur der Frau. Sie war immer wieder unrein. Sogar ihre Haare wurden als anstößige Nacktheit empfunden, was zum Gebot der Verschleierung führte. Und weil auch das 25


Haar zu einer Äußerung der weiblichen Natur gehörte, wurden praktisch alle Entwertungsmaßnahmen der Frau religiös mit dem Willen Gottes begründet. Die Glaubensgründe für alltägliche Herabsetzung der Frau nahmen ihr jede Zuflucht zu Gott in ihrem Leid weg, weil sie ja von Gott selbst und nicht von den Männern kamen. Das Leben der Frau war einer erbarmungslosen Härte ausgesetzt. Auch sie gehörte zum manifestierten Willen Gottes. Aus dieser Überlegung heraus haben die Rabbiner die geringste Höflichkeit der Frau gegenüber untersagt und viele hielten die Frau für eine Sache. Diese Haltung ist auch aus dem Gesetz der Ehescheidung ersichtlich. Die Scheidung darf nur der Mann einleiten, d. h. seine Gattin entlassen. Dazu braucht er keine Behörde, es reicht die Aushändigung eines Scheidebriefes. Die Scheidung war keinesfalls z. B. durch den Ehebruch begründet, weil dafür direkt die Todesstrafe durch Steinigung stand. Es waren nur geringe Anlässe für den Scheidungsbrief, wie es aus dem Weisheitssprüchen Jesus ben Sirachs ersichtlich ist: „Gib dem Wasser keinen Abfluss und einer bösen Frau keine Freiheit; wenn sie nicht Hand in Hand mit ihr geht, so schneide sie ab von deinem Fleisch.“ (Sir. 25, 25) Rabbi Abeiba meinte sogar, dass als Scheidungsgrund ausreiche, wenn der Gatte eine andere gefunden hat, die schöner ist. Ein reicher Hebräer durfte sich mit mehreren Frauen verheiraten, ohne dabei des Ehebruchs verdächtigt zu werden. Auch dieser Umstand war für die Frau erniedrigend. Unter dem einfachen Volk war Monogamie die Regel. Die Macht des Familienvaters war sehr hoch. Seine unmündigen Kinder konnte er opfern, verschenken oder verkaufen. Über die ganze Familie wachte er mit richterlicher Kompetenz. Als Gatte konnte er über seine Frau die Todesstrafe für Ehebruch und viele andere Sünden verhängen. Die Namensgebung geschah nach ihm. Seine Söhne blieben mit ihren Frauen im Hause. 26


Der erstgeborene Sohn war der Oberste der Sippe. Mit zwölf Jahren wurden die Töchter verheiratet. Bei der Scheidung gehörte ihr alles, was sie als Mitgift in die Ehe gebracht hatte. Nicht selten war das ein beträchtliches Vermögen, bestehend aus Land und Personal. Die vom Vater verkauften Töchter durften nicht als Sklavin betrachtet werden. Sie wurden zu Nebenfrauen des Käufers oder seiner Söhne. Weil die Nebenfrau das Recht auf Bekleidung, Beköstigung und Geschlechtsverkehr hatte, musste sie freigelassen werden, wenn der Käufer diese Forderungen nicht erfüllen konnte. Bei Geschlechtsverkehr mit einer menstruierenden Frau wurden beide mit dem Tod bestraft. Prostitution gab es im Lande seit der Zeit der Urväter. Bestraft wurde lediglich die Priestertochter, wenn man ihr Prostitution nachgewiesen hatte. Dabei ging es nur um die Schande des Vaters, die durch Strafe an der Tochter getilgt wurde. In den Städten gab es Dirnenhäuser, die gleichzeitig auch Herbergen waren. Die selbständige Prostituierte spazierte vor ihrem Haus und an ihrem Kleiderluxus ließ sie sich erkennen. Die Landprostituierte bot ihre Dienste im Zelt an, das am Straßenrand oder dem Rastplatz stand. Ähnlich wie in Griechenland spielten die leichten Mädchen Instrumente, sangen und tanzten. Auf der Kultprostitution, die von den kanaaitischen Religionen stammte, stand die Todesstrafe. Auch mit dem Tod war der Sexualverkehr mit Tieren bestraft. Weil die Hebräer Jahrhunderte lang in Ägypten lebten, würde man vermuten, dass die unwürdige Behandlung der Frau dort ihren Anfang nahm. Dem ist jedoch nicht so. Aus den erhaltenen Eheverträgen geht hervor, dass die ägyptischen Frauen mit den Männern gleichgestellt waren. In der Regel galt die Einehe. Die Ehefrau war als Hausherrin angesprochen. Die reichen Ägypter durften einen Harem („Haus der Abgeschlossenen“) unterhalten. Sie tanzten und musizierten und benutzten verschiedene andere Räume in den Palästen. Auf dem Land arbeiteten die Frauen auf den 27


Feldern, erwirtschafteten die Felderträge und ernährten ihre Familien. Hier galt noch bis Ende des Reiches das Mutterrecht. Darum gehörte der Frau der ganze Boden und die natürliche Erbin war die Tochter. Im gesellschaftlichen Leben waren Frauen und Männer an allen Zusammenkünften und Staatsfesten anwesend und das gleiche galt auch für die Gottesdienste. Frauen hatten wichtige Ämter inne und dürften auch das Amt des Pharao bekleiden. Die Ehefrauen begleiteten ihre Männer auf der Jagt, beim Fischen und Ausflügen. Die Männer betonten ihre innige Zuneigung zu der Gattin. Beispiele für Unterdrückung und Herabsetzung der Frau oder ihre Geringschätzung sind nicht bekannt. An den Feierlichkeiten zu Ehren der Göttinnen nahmen auch Männer teil. Die mächtige Isis, als Mutter aller Götter und Menschen, garantierte die Unabhängigkeit der Frauen in der Gesellschaft. (wir haben uns der älteren Quelle bedient, die das Leben der Frau in Ägypten objektiv darstellt: L. Mitteis und M. Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde II, 1, 1912; A. Erman und H. Ranke, Ägypten und ägyptisches Leben im Altum. 1923). Der männliche Monotheismus der Hebräer, konnte sich schon wegen seiner einseitigen Natur nicht anders als frauenfeindlich und auch für die Gesellschaft unmenschlich auswirken. Trotz der patriarchalen Strukturen in Griechenland und Rom haben dagegen die Frauen in diesem Kulturkreis wesentlich mehr Freiheit genossen als im Judentum und seiner christlichen Fortsetzung. Die Rechte der Frauen waren damit nicht alleine von patriarchialischen Gesellschaftsstrukturen abhängig, sondern vorwiegend vom männlichen Monotheismus. Nun wollen wir uns der geschichtlichen Weiterführung des Hebräertum im Christentum widmen und seine frauenschädigende Wirkung herausstellen.

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e) Jesus und die kurze Zeit der Hoffnung. Der Beitrag Jesu, das Leben der Frauen im Judentum erträglicher zu gestalten liegt in der Reform des Reinheitsbegriffes. Nicht die Übertretung des Gesetzes steht bei ihm im Vordergrund, sondern die Qualität der Innerlichkeit, Reinheit des Herzens: Denn von innen aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, böser Blick, Lästerung, Hochmut und Maßlosigkeit. All dieses Böse kommt von Innen (Mk 7, 21f). Die Pflege der Herzensreinheit steht bei Jesus an erster Stelle. Der biblische Begriff der Sünde bekam eine sittliche Dimension. Die kultischen Maßstäbe und Äußerlichkeiten verlieren für die Jesusanhänger ihren alten Wert. Die Grundlage der neuen Sittlichkeit ist die Nächstenliebe. In Bezug auf die Frauen kommt dieser Grundsatz überall zum Vorschein. Er verkehrte mit bekannten Sünderinnen, mit menstruierenden Frauen und fasste sie sogar an. Ließ sich von Frauen bedienen, heilte besessene Frauen, nahm Ehebrecherinnen in Schutz und unterrichtete Frauen in seiner Lehre. Für einen gesetzestreuen Juden war sein Verhalten sündhaft. Er ergriff die Hand von Petrus Schwiegermutter, wobei das Gesetz bereits schon das Anschauen einer Frau verboten hat. Die unter ausgeprägter Skoliose leidende Frau heilte er und bezeichnete sie als „Tochter Abrahams“. Damit wollte er sagen, dass sie zum auserwählten Volk gehört, wie jeder Mann. Lukas (10, 38) beschreibt den Besuch von Jesus bei zwei Schwestern, Martha (die Herrin) und Maria. Es scheint, dass sie beide seine Anhängerinnen sind. Für die damaligen Juden war es unbegreiflich, warum er es gewagt hat, zwei Mädchen zu besuchen. Auch nach den Regeln der Tora wart es unverständlich, dass er bei seiner Missionsarbeit in den Städten und Dörfern ständig von den Frauen begleitet war, die mit ihm umherzogen und „dienten ihm mit ihrem Vermögen“. Darunter waren Mädchen und verheiratete Frauen, die ihr 29


Heim und Familie verlassen haben und wanderten mit ihm quer durchs Land. Die Väter und Ehemänner dieser Frauen fanden es einfach unerträglich und frevelhaft. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung erwachten die Frauen zu ihrem Eigenleben und schöpften Hoffnung auf endgültige Befreiung aus dem Joch männlicher Unterdrückung. Für die Stellung der Frau als Mutter und Gattin war die Aussage Jesu über Ehescheidung wichtig. Bei Markus ( 10, 2 – 12) lautet der Text: „Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen. Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und (die Frau) aus der Ehe entlassen. Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet begeht ihr gegenüber Ehebruch.“ Die Begründung für das Verbot der Ehescheidung geht auf den Genesistext (1, 27 und 2, 24) zurück, und damit auf die Schöpfungsordnung Gottes. Bei Matthäus, der für die Judenchristen geschrieben hat, wird der Ehebruch des Mannes deutlich als Sünde angeprangert. Bereits das Begehren nach einer anderen Frau wird hier als Todsünde angesehen. Nach der Lehre Jesu bekommt die Frau eine dem Manne gleichwertige Stellung. Seine Grundgedanken zu Ehe lassen sich in drei Sätzen ausdrücken: Die Ehe ist von Anfang an von Gott verordnet; sie ist fester als das Band, das Eltern mit Kindern verbindet; als gottgewollte Bindung ist sie unlösbar. Damit ist von Jesus automatisch alleine die Monogamie erlaubt und die Vielweiberei strengstens verboten. Seine Lehre entzieht sich auch dem alten Brauch, die Frau als 30


Sache zu betrachten, sie zu kaufen oder zu rauben und zum Eigentum zu machen, jede ethische Legitimation. Seine Doktrin der Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Vergebung, kommt in der Erzählung von Johannes (8, 3ff) gut zum Vorschein. Man brachte zu Jesus eine Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde und fragte ihn: „Im Gesetz befahl uns Mose solche zu steinigen; was sagst nun du? Jesus durfte sich dem Mose nicht entgegenstellen. Nach kurzer Überlegung sagte er: „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe zuerst einen Stein auf sie!“ Die hier gedachte „Sünde“ bezog sich auf Ehebruch. Somit lautete die Frage: „Wer keinen Ehebruch begangen hat, werfe den ersten Stein.“ Alle Ankläger sind nach dieser Belehrung verschwunden. Eine Ewigkeitsbedeutung hat jedoch Jesus der Ehe nicht beigemessen. Verschiedene Völker im Orient lebten in der Vorstellung, dass sich die Ehe in der anderen Welt fortsetzt. Für die Frauen des verstorbenen Mannes hat das in der Urzeit entsetzliche Folgen gehabt. Sie wurden alle getötet, damit ihr Gatte im Jenseits nicht auf sie warten müsse. In Indien z. B. – später werden wir darüber mehr berichten – musste sich die Ehefrau lebendig ins Feuer werfen, das die Leiche ihres Mannes verzehrte. Erst die Engländer haben diesen Brauch verboten. Jesus jedoch sagte, dass sich die Ehe in der anderen Welt nicht fortsetze. Nach seiner Lehre ist die Ehe keine Notwendigkeit. Höher als die Ehe steht die Pflicht, die Vollkommenheit zu erreichen.

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f) Paulus bringt die Härte zurück. Als Jude nannte er sich Saulus und war Sohn eines Pharisäers. Durch seine römische Bürgerschaft nannte er sich Paulus. Seine Heimat war Tarsos im griechischen Teil des römischen Reiches. Von seiner weltlichen Bildung war er ein Grieche und von der religiösen Zugehörigkeit ein Jude. Vor seiner Bekehrung war er ein erbarmungsloser Christenverfolger und danach der eifrigste Christ seiner Zeit. Er gehörte drei geistigen Kreisen an – dem Hellenismus, dem Judentum und dem Christentum. Er ist Junggeselle geblieben. Als Christ war er ein Wanderprediger gewesen. Durch seine Briefe, die einen Offenbarungsstatus bekommen haben, gehörte er zu den geistigen Stiftern des Christentums. Er war kein Systematiker und seine Gedanken, die aus vielen Quellen zusammengetragen werden, stehen oft unverbunden und sogar widersprüchlich nebeneinander. Er war der erste, der die Lehre Jesu nach Korinth gebracht hat. Schon zu Zeiten Platons hat diese Stadt einen vergleichbaren Ruf gehabt, wie heute die Reeperbahn in Hamburg. Es war eine Hochburg der Aphrodite. Frauen, die in den Harems nicht eingeschlossen waren, genossen alle Freiheiten und alle Rechte. Sie haben aktiv an kultischen Handlungen in den Tempeln teilgenommen und auch bei den Bürgerversammlungen glänzten sie mit ihren Initiativen. Bei den von Paulus eingeführten Gottesdiensten waren sie auch sehr aktiv. Sie beteten, prophezeiten und predigten. Wie auch die Männer, haben sie dabei ihr Gesicht nicht verschleiert. Paulus hatte zunächst das Vorbeten und Weissagen der Frauen akzeptiert, aber in Sache der Verschleierung blieb er auf der alten jüdischen Position: „Die Frau aber beschimpft ihr Haupt, wenn sie beim Beten oder Weissagen das Haupt unbedeckt hat.“ Wenn also die Frau im Gottesdienst auftritt, muss sie verschleiert bleiben. Nach der jüdischen Tradition sollte der Schleier böse Geister abwehren. Frauen wären auf die Angriffe des Bösen besonders anfällig, wie das Beispiel von 32


Eva beweist. Nach der Aussage der Genesis (1, 26 ff) ist die Frau dem Manne nicht gleich. Hinter der so einfach erscheinenden Frage der Verschleierung steht der Glaube des Juden Saulus, dass vor Gott die Frau in der zweiten Reihe steht. Ferner gebietet er der Korinthergemeinde (1 Kor 7,5): „Entzieht euch einander nicht, es sei denn nach Übereinkunft auf einige Zeit, um ohne Störung dem Gebet zu leben und dann wieder zusammen zu leben damit euch der Satan nicht versuche, euer Unenthaltsamkeit wegen.“ Die Eheleute sollten sich von Zeit zu Zeit trennen, damit jeder für sich und nicht in einem gemeinsamen Gebet mit Gott spricht. Auch diese Worte spricht Saulus: Es gehörte zum jüdischen Brauchtum, das dem Manne die Pflicht auferlegte, sich von der Frau zu trennen, um den Erfordernissen des Gesetzes zu entsprechen. Statt Gesetz führt Paulus als Begründung das Gebet ein. In diesem Brauch ist der Gedanke eingeschlossen, dass ein eheliches Zusammensein ein Hindernis für die Pflichten der Frömmigkeit darstellt. Seine Gedankenführung bekommt ihre Klarheit, wenn man die Frage nach dem Zweck der Ehe stellt. Für die Hebräer war der Ehezweck eindeutig: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ Für Paulus liegt dieser Zweck in der Verhinderung der Unzucht. (1Kor 7, 2 ff) Die Ehe ist nichts anderes als ein notweniges Übel. Diese Haltung zur Ehe spiegelt sich bei Paulus in seiner Reaktion auf die asketische Bewegung in der Korinthergemeinde. Lange vor Paulus wollten auch die Stoiker die zu Ausschweifung neigenden Korinther auf den Weg der Tugend bekehren. Sie gründeten eine asketische Bewegung, in der es um die Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit ging als einen direkten Weg zur Gottähnlichkeit. Im 1 Kor 7, 25ff empfiehlt Paulus die Askese und Ehelosigkeit. In Verbindung mit der schon bestehenden stoischen Bewegung, hat sich seine Empfehlung über den ganzen Mittelmeerraum ausgebreitet. In vielen Regionen entstanden selbständige asketische Frauengemeinschaften, aber auch individuelle asketische Lebensformen. Die Frauen, besonders aus dem 33


asketische Lebensformen. Die Frauen, besonders aus dem Einflussbereich der jüdischen Religion, fühlten sich nicht mehr verpflichtet Kinder zu gebären und dem Manne Untertan zu bleiben. Im ersten Korintherbrief (14, 33-36) wurde ein Verbot ausgesprochen, das mit anderen Aussagen von Paulus im Widerspruch steht: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen. Ihnen kommt es nicht zu, zu reden, sondern untertan zu sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie sich aber unterrichten, so mögen sie zuhause ihre Männer fragen; in der Versammlung zu reden ist für eine Frau unziemlich.“ Ein öffentliches Reden der Frau zur Gemeinde wurde damit endgültig verboten. Im gleichen Brief (7, 7) schreibt er im Sinne der asketischen Bewegung: „Ein Weib nicht zu berühren ist eine Tugend.“ Die Korinthfrauen, die sich um den Paulus versammelten, bildeten die Mehrzahl der Gemeindemitglieder. Es waren vor allem stoische Asketinnen, die ehelos lebten. Ihnen zu empfehlen, sie sollten den Ehemännern folgen war realitätsfremd. Im ersten Timotheusbrief wird die Unterwürfigkeit der Frau noch stärker betont: „Eine Frau soll in der Stille lernen, in aller Unterwürfigkeit. Zu Lehren gestatte ich einer Frau nicht , auch nicht über den Mann zu herrschen, sondern sie soll sich still verhalten. Denn Adam ward zuerst geschaffen, danach Eva; und nicht Adam ließ sich betrügen, die Frau aber ward betrogen und kam zu Falle; sie soll aber gerettet werden durch Gebären von Kindern.“ (1 Tim 2, 11 – 15) Falls die Briefe echt sind, dann wurden sie von „Saulus“ geschrieben – von einem echten Pharisäer. Sie entspringen nicht der Lehre Jesu, sondern dem Geist des alten frauenfeindlichen Judentums. Wir wollen die Echtheit der Paulusbriefe nicht in Frage stellen. Tatsache ist doch, dass sie 34


einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte Christenheit genommen haben. Für die Kirchen wäre es heute bequemer zu sagen, Paulus ist gefälscht worden und der Fälscher trägt die Verantwortung für die gepredigte Gottferne der Frauen, für ihre geglaubte Anfälligkeit auf das Böse, für ihre von der Kirche verbreitete moralische Schlechtigkeit und Minderwertigkeit ihrer Natur. In den folgenden Jahrhunderten bis zu unserer Zeit, folgte die Kirche nicht den Lehren von Jesus, sondern den frauenfeindlichen Briefen von Paulus.

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g) Der abgründige Frauenhass im Christentum. Die Christen haben das Alte Testament von den Hebräern übernommen und mindestens im Bezug auf die Einschätzung der Frau nicht an das Neue Testament angepasst. Das göttliche Prinzip im Alten Testament ist rein männlich, weil es über den Wassern schwebt und als Jahweh ein absoluter Zölibatär ist. Im Neuen Testament befruchtet er die Jungfrau Maria, ist also weiter männlich. Er versteht sich als Geist mit männlichem Charakter. In der christlichen Gnostik wurde allerdings viel über das Geschlecht des Heiligen Geistes spekuliert und im Evangelium der Ägypter wird der Ausspruch von Jesus zitiert: „Meine Mutter, der Heilige Geist“ (Origines, Johannem, II, 12). Dass am Tag der Herabkunft des Heiligen Geistes über die Apostel, Flammen über den Köpfen sichtbar waren, wurde als Zeichen der weiblichen Natur des Heiligen Geistes gedeutet, weil die Flammen als die Weibliche Schekinah verstanden wurden. Auch das hebräische Wort für den Geist – Ruah – ist weiblich. Und während der Taufe Jesus im Jordan wurde die Herabkunft des Heiligen Geistes als Taube gesichtet. Taube war jedoch ein ursprüngliches Symbol der weiblichen Gottheiten in den Kulturen des Mittelmeerraumes. In manchen gnostischen Richtungen war die göttliche Frau mit dem Begriff Sophia (Weisheit) bezeichnet und mit dem Heiligen Geist gleichgesetzt. Im Kult der christlichen Kirchen wird das Fest des Heiligen Geistes als Herabkunft der Weisheit gefeiert. Für die Kirchenväter wäre es kein Problem gewesen, den Heiligen Geist als weiblich darzustellen, weil bereits der Begriff der weiblichen Weltseele schon seit den Stoikern im Umlauf war. Damit hätte man die einseitige und aggressive Männlichkeit im Charakter der jüdischen Gottheit gemildert und den Frauen einen religiösen Überbau geschaffen. Statt dessen wurde die Maria zu Mutter Gottes erhoben, ein absolut willkürlicher Akt, der ohne jegliche Rechtfertigung begründet ist. Über die Jungfrauzeugung seiner Mutter hat Jesus an keiner Stelle seiner dokumentierten Sprüche eine Aussage gemacht. Durch die Abstammung von 36


seinem leiblichen Vater Joseph, dessen Genealogie auf David zurückging, war seine Wirkung im Volke als Messias erst möglich. Die angebliche Geistzeugung war das Fundament der späteren Erhöhung Marias. Es ist auch keine einzige Aussage von Jesus bekannt, die eine Hervorhebung seiner Mutter über andere Frauen rechtfertigen würde. Er nivelliert sogar den Versuch seiner Mutter eine Ausnahmestellung unter den Frauen einzuräumen. Auf die Hochpreisung seiner Mutter seitens einer ihm nachfolgenden Frau, antwortet er: „Selig sind die, die das Wort Gottes hören und bewahren.“ (Lk 11, 27) Vom möglichen Verdienst seiner Mutter lenkt er ab. Als die Jünger ihm berichten (Mt 12, 46 Mk 3, 31 Lk 8, 19) dass seine Brüder und seine Mutter ihn sprechen wollen, hatte er zuerst gar nicht reagiert und erst auf wiederholtes Drängen seiner Jünger antwortete er, dass jeder der den Willen seines himmlischen Vaters tut sein Bruder und seine Mutter ist. Weil es in den Schriften keinen einzigen Hinweis darauf gibt, dass Maria zu seinen Jüngern zählte, vermuten die Bibelausleger, dass in seiner schroffen Antwort der Vorwurf nachklingt, seine Familie tue gar nicht den Willen seines Vaters. Auch nach der Himmelfahrt ist von der Aktivität Marias z. B. in der Apostelgeschichte keine einzige Spur, obwohl verschiedene Frauennamen erwähnt worden sind, die sich sehr aktiv im Bereich der Nächstenliebe engagiert hatten. In den ersten zwei Jahrhunderten existiert Maria in der Predigt der Kirche nicht. Gründe, die Kaiserin Helena zur Erhöhung Mariens als „Mutter Gottes“ geführt haben, lagen in der weiter praktizierten Verehrung der alten Göttinnen, besonders im östlichen Teil des Imperiums. Maria als neue Himmelsgöttin sollte die alten weiblichen Kulte vertreiben. Seit Konstantin das Christentum zur Staatsreligion machte, säuberten die Christen ihren Himmel von jeder Spur weiblichen „Heldentums“. Wie die Geschichte zeigte, geschah alles zur weiteren Unterdrückung und Entwertung der Frau.

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h) Das schwarze Gewissen der Heiligen: Augustinus und Thomas von Aquin. Augustinus wurde 354 in Thagaste, in Numidien geboren. Sein Vater war Provinzialbeamter und ein Nichtchrist. Mutter Monika, war Christin. Er wollte Rhetor werden und ging nach Madaura, später 371, nach Karthago. Hier hat er eine Frau gefunden, mit der er eine Lebensgemeinschaft gründete und einen Sohn von ihr bekam. Sie lebten im Konkubinat, das in Rom als rechtliche aber mindere Eheform anerkannt war. 374 ist er zu den Manichäern übergegangen und eröffnete eine Rhetorikschule in Thagaste. Er kehrte nach Karthago zurück und übernahm einen Lehrstuhl für Rhetorik. 383 kam er nach Rom und kurz darauf wurde er Professor in Mailand. Seine berufliche Karriere war durch Beziehungen seiner manichäischen Freunde zustande gekommen. In Mailand hat er sich vom Manichäismus theoretisch losgesagt und schloss Freundschaft mit dem Mailänder Bischof Ambrosius. Unter seinem Einfluss wurde er Christ. 386 verfasste er seine ersten Schriften als Christ und ein Jahr später empfing er von Ambrosius die Taufe. 388 kehrte er nach Karthago zurück und gründete in Thagaste eine klösterliche Gemeinschaft. 391 wurde er auf seiner Reise nach Hippo vom Ortsbischof zum Priester geweiht. Fünf Jahre später, nach dem Tod von Bischof Valerius, wurde er selbst zum Bischof von Hippo. Während der Belagerung der Stadt durch Vandalen starb Augustinus im Jahre 430. Durch seine Schriften hat er das Christentum nicht nur beeinflusst, sondern dauerhaft geprägt. In der Frauenfrage, die uns hier interessiert, folgt er der Linie von Paulus und dem Geist von Mani. Manichäismus entstand im 3. Jahrtausend in Babylonien und entwickelte sich zu einer Weltreligion. Gegen ihn wehrten sich das Christentum, der Zoroastrismus, die chinesischen Philosophen, der Buddhismus und später der Islam. Der Stifter dieser Bewegung, Mani, wurde in Babylon im Jahre 216 geboren. Er stand unter dem Einfluss einer christlichen Täuferbewegung und wurde vom Gnostiker 38


Marcion geprägt. Er hat das Neue Testament und besonders Paulus eifrig studiert, aber auch die Schriften der Zoroaster waren ihm gut bekannt. Er glaubte eine Inkarnation vom Heiligen Geist zu sein, der das Weltende und das Kommen Christi voraussagt. Seine Lehre war vom radikalen Dualismus des Guten und des Bösen durchdrungen. Das Urprinzip des Lichtes – das Gute, kämpft gegen das Böse – das Urprinzip der Finsternis. Finsternis umzingelt das Licht und droht es zu ersticken. Der Mensch ist ein Werkzeug der Finsternis und durch seine Fortpflanzung entzieht er dem Licht seinen Kern. Die Heiligen Propheten, wie Zoroaster, Buddha, Christus und schließlich er selbst, Mani, kommen auf die Erde im Namen der Lichtgottheit um den Lichtsamen zu befreien. Das Wesen der Sittlichkeit beruht darauf, dass der Geist von der Körperlichkeit befreit werden soll. Zeugung und jegliche geschlechtliche Zusammenkunft war strengstens verboten. Seine Anhänger waren zu mehrtägigen Fasten im Jahr, zum Schweigen und Waschungen verpflichtet. Er wollte die vorausgegangenen Offenbarungen vollenden. Die Lehre von Mani hatte eine iranisierende und christianisierende Form angenommen. Die erste breitete sich über Persien bis nach China aus. 762 wurde Manichäismus im Uigurenreich zur Staatsreligion, bis die Chinesen im 14. Jahrhundert sie verboten haben. In Europa lebte der Manichäismus zuerst im Osten, bei Bogumilen und Paulizianern weiter und in Westeuropa ist er in die Katharerbewegung eingegangen. Hier wird er in langen Kriegen, auch im Zusammenhang mit dem Hexenkult blutig bekämpft. Der Geist der manichäischen Doktrin hat sich jedoch erfolgreich in den augustinischen Lehren versteckt und hat im Christentum bis in die Gegenwart seine Feste gefeiert. Der manichäische Gedanke „nach keinem Weib mehr zu verlangen“ trieb ihn in die Bekehrung. Er schrieb: „Es tut dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre, und ferner, wer ledig ist, der sorgt, was dem Herrn angehört, wie er dem Herrn gefalle.“ (Conf. 2,2) 39


Zu der paulinischen Abwertung der Frau kam jetzt der manichäisch versteckte Frontalangriff auf das sexuelle Verlangen (cupiditas, concupiscentia) hinzu. Am liebsten würde er die Ehe und die Zeugung verbieten, aber dann würde es bald keine Christen mehr geben. Die größten theoretischen Schwierigkeiten bereitete ihm das Einbeziehen der Sexualität in das Heilsgeschehen. Er hat lange darüber nachgegrübelt, wie sich die Menschheit entwickeln würde, wenn die Ureltern nicht gesündigt hätten. Er schrieb: „Es scheint zwar, dass ohne Geschlechtsverkehr keine Kinder gezeugt werden können; man könnte aber dennoch behaupten, dass bei den unsterblichen Leibern eine andere Möglichkeit gewesen wäre, lediglich aus echter Liebesneigung, ohne irgendeine verderbliche Begierlichkeit hätten Söhne geboren werden können, die weder sterblichen Eltern folgen, noch selber sterben bräuchten, bis der Erde mit unsterblichen Menschen erfüllt würde.“ (De gen. ad litter 3, 21) Im Paradies würde die Zeugung auf natürlichem Wege geschehen und ohne die Konkupiszens. Die Zeugungsorgane würden nicht durch Lust, sondern durch den Willen bewegt. Für Augustinus war es ganz klar, dass die Frau ausschließlich zur Zeugung für den Mann erschaffen wurde und darüber hinaus keinen anderen Zweck hätte. Der erste Mensch konnte ohne die Geschlechtslust zeugen. Erst nach dem Fall ist die Begierde bei der Zeugung entstanden und blieb ein Symptom der Verderblichkeit der Natur. Würde die menschliche Natur nicht durch die Sünde verdorben werden, hätte der Körper niemals gegen den Geist begehrt. Durch den Fall ist die ursprünglich gute Natur der sexuellen Erregung verfallen und damit schlecht geworden. Kurz: Die Sexualität ist die Folge der Sünde und selbst eine Sünde. Es gibt also nur eine Form der Sittlichkeit und die heißt Keuschheit. Meister Mani hätte es nicht besser ausdrücken können. Und die heilige Kirche, mit ihrem großen Schatz an göttlichen Offenbarungsurkunden hat voller Begeisterung seine heraus40


spekulierte Verbindung der Sexualität und Sünde in den Dogmenbereich aufgenommen, wo sie bis heute als offizielle Lehre glänzen. Die sexuelle Begierde ist das Gesetz der Sünde: „Gesetz der Sünde heißt sie, weil sie die Sünde nährt,... Sünde heißt sie, weil sie durch die Sünde entstanden ist und nach der Sünde strebt.“ (Op imperf. e Jul 1, 71) Darum sind auch die Geschlechtsorgane der obszöne Teil des Körpers. Sie streben immer nur nach Sünde. Nicht mal die Taufe kann das Böse der Geschlechtlichkeit mildern. Aristoteles hat zwar die Lehre von der Passivität der Frau entworfen und ihr nur einen ernährenden Anteil an der Entstehung des Menschen zugebilligt, weil der Zeugende alleine der Mann wäre, aber Augustinus hat zu all dem noch den Hass auf die Geschlechtlichkeit und damit auch mittelbar auf die Frau gepredigt. Er tolerierte die Frau gerade noch als Heilmittel für die Begierde des Mannes in der Ehe. Höher als die Ehe steht die Jungfräulichkeit und die Enthaltsamkeit im Witwenstand. Von einer liebenden Begegnung in der Ehe, von gegenseitiger Freundschaft und Hingabe, von Hilfe und Trost auch in schwierigen Zeiten, oder nur von emotionaler Wärme, ist bei Augustinus keine Spur. Und obwohl alle diese Werte seit Jahrhunderten alleine schon von den Stoikern, Pythagoräern im ganzen Römischen Reich verbreitet wurden und bekannte Philosophen Trostbücher für die Frauen geschrieben hatten, nimmt davon Augustinus keine Notiz. Für ihn ist die Ehe eine Zweckgemeinschaft zum Nutzen des Staates. Liebe zwischen Mann und Frau existiert nicht. Den platonisch verstandenen Eros strahlt die Frau nicht aus, sondern alleine die fleischliche Begierde. Die Ehe soll für die Frau ein Heilmittel gegen ihre sündhafte Begierde sein und somit auch ein Heilmittel für Kranke. Ehe soll Unzucht und Ehebruch verhindern und damit die Zahl der Sünden verringern. Die Eheleute sollen nur zur Kinderzeugung zusammenkommen. Wird jedoch der Eheakt „zur Sättigung 41


der Begierde vollzogen, so birgt er in sich... eine Schuld.“ (De bono conj.6) Eine Ehe, die der Begierde gehorcht, schändet die Ehe und häuft den Schuldenberg an. Die Gebetszeiten, Fest-Fasten und Sonntage dienen der Enthaltsamkeit. Die an solchen Tagen gezeugten Kinder werden krank. Sie verfallen dämonischen Einflüssen, werden psychisch krank oder leiden an Lepra. Augustinus bekennt sich zu Unauflöslichkeit der Ehe. Eine aus der Ehe entlassene Gattin oder ihr Gatte dürfen sich nicht wieder verheiraten. Die Unauflöslichkeit der Ehe begründet er mit ihrem sakramentalen Charakter, obwohl sie damals noch kein Sakrament war. Die Ehe erlischt alleine durch den Tod eines Gatten, auch wenn die Gatten vorher, wegen des Ehebruchs getrennt waren. In den nachfolgenden Jahrhunderten blieb die Verbindung zwischen sexueller Begierde und Erbsünde bestehen. Die Eheleute dürften die Lust nicht suchen sondern sie ertragen. Noch Leo der Grosse (440 – 461) lehrte, dass „die Empfängnis bei allen Müttern nicht ohne Schmutz der Sünde geschehen kann.“ (Serm. 22, C.3) Die augustinische Sexualisierung der Erbsünde und sein Begriff der „obszönen Körperteile“, führte zur Entstehung von übertriebenem Schamgefühl und Verhüllung des weiblichen Körpers. Nacktheit wurde degradiert und diffamiert. Daran erkennt man am deutlichsten den vollzogenen Abschied von der antiken Kultur. Die christliche Ehemoral steht unter dem Fluch des manichäischen Geistes von Augustinus. Im katholischen Glaubensbereich ist es eine Sünde, wenn zwischen den Ehegatten eine Verbindung stattfindet, die nur der Lustbefriedigung dient und nicht dem Begehren entspringt, Kinder zu zeugen. Im praktischen Leben der Christen waren die Enthaltsamkeitsvorschriften sehr ausgedehnt und ihre Übertretung mit Busse bestraft. Es gab z. B. Verbote für den Geschlechtsverkehr während der ganzen Schwangerschaft, 42


w채hrend der Menses und nach der Geburt der Kinder: nach Knabengeburt dauerte die Enthaltsamkeit 36 Tage und nach M채dchengeburt 56 Tage. Es gab auch Theologen die lehrten, dass jeder Beischlaf in der Ehe schwer s체ndhaft ist.

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i) Noch eine Stufe herab: Thomas von Aquin. Nach Gratian, Petrus Lombardus, Bonaventura und Albertus Magnus, die versucht haben, angesichts der kirchlich erzeugten Leiden, die Ehe weniger als Verbindung der sündhaften Leiber und mehr als Verbindung der Seelen zu verstehen, kam Thomas von Aquin, der die augustinische Auffassung über Ehe und Frau sogar noch verschärft hatte. Zwar ist der Geschlechtsakt unter den Eheleuten sündlos, wenn sie die Absicht haben Kinder zu zeugen, wenn jedoch einer der Partner andere Absichten hatte, verfällt er der Sünde. Ein Geschlechtsakt außerhalb der Ehe ist immer eine Todsünde. Eine Todsünde, eine einzige im Leben, ist ein Todesurteil für die Seele, ein Urteil, das viel schlimmere Folgen hat als ein Todesurteil für den Körper. Weil die Seele ewig ist und darum nicht umgebracht werden kann, wird sie die ganze Ewigkeit – und die hat keine Zeitgrenzen – im ewigen Feuer der Hölle verbringen. Herauszukommen aus der Hölle ist auch nach Millionen von Jahren nicht möglich. Eine Todsünde reicht für die Höllenfahrt aus. Die Qual der Eheleute, besonders der Frauen, die ja keine verwerfliche, äußere Tat begangen haben, war unbeschreiblich. Diese Pein war Folge der Erweiterung des Sündenbegriffes von der äußeren Übertretung des Gesetzes, wie es bei den Hebräern war, auf das innere Leben der Seele. Diese Verinnerlichung der Sünde hat Jesus eingeführt und die Theologen stürzten sich förmlich auf das Terrain der Seele um hier immer neue Sünden zu konstruieren. Überall, wo die „libido“ hineinspielt z. B. auch nur im Wünschen oder Vorstellen, in der Ehe oder außerhalb der Ehe, ist dieses Verlangen ein Akt der Sünde. Für eine Frau war die Chance der Hölle zu entkommen, gleich Null! Für Thomas von Aquin ist die Frau ein „unvollkommenes Tier.“ (animal inperfectum – Summa Theol. I qu. 102 a 3 ad 9) Die von Aristoteles übernommenen Überzeugungen über die Natur der Frau, kommen in einer Question der Summa zum 44


Vorschein: „Die Verwirklichung des Guten, die im Samen des Mannes enthalten ist, hat das Streben, seine eigene Vollkommenheit hervorzubringen, entsprechend dem männlichen Geschlecht. Wird aber eine Frau hervorgebracht, so geschieht dies der Schwäche der männlichen Aktivität wegen. ... Betrachtet man die allgemeine Natur, so ist die Frau nicht nur etwas Zufälliges, sondern sie ist vom Streben der Natur her zum Werk der Fortpflanzung hingeordnet.“ Der Mann ist das aktive, die Frau das passive untergeordnete Prinzip in der Natur. Sie ist alleine zur Arterhaltung nötig. Die Frau ist es, die die Seele des Mannes, die naturmäßig höhere Tugend besitzt und mit größeren Vollkommenheiten ausgestattet ist, in die Sklaverei der Sünde stürzt. Außerdem besitzt die Frau keine Individualität, ist biologisch und geistig minderwertig und verfolgt lediglich den Gattungszweck. Darum hat auch der Satan leichten Zugang zu ihr. Auf ihrer ganzen Breite ist sie auf das Böse anfällig. Seine Philosophie der Frau bildete die Begründung für das Werk der kirchlichen Verfolger der Zauberinnen und Hexen. Über das Martyrium der Frau als Zauberin und über den Hexenwahn der Kirche haben wir an anderer Stelle berichtet (K. Klima: „Leid und Böse als Weltproblem“, 1. Auflage 2010, BVK Krefeld). Was Augustinus und Thomas den Frauen über Jahrhunderte angetan haben, lässt sich mit keinem Maß errechnen. Die Bindung der Todsünde an die Libido und ihre Ausbreitung in den Gedanken, Phantasien und Gefühle, war die schrecklichste Folter, die man sich überhaupt vorstellen kann. Das verbreitete Dictum, dass ein Heiliger sieben mal am Tage sündigt, hat den empfindlichen Menschen in Schrecken und Panik versetzt. Die Tore zur Hölle waren riesig breit und immer offen. In seiner Vision sah Augustinus die ganze Menschheit in geordneten Abteilungen in die Hölle marschieren. Nur selten sah er Hand Gottes, die einen am Schopf packte und in den Himmel herausholte. Jeder roch bereits zu Lebzeiten den Geruch der Hölle um sich herum. Die Römische Inquisition 45


fand bei Thomas von Aquin und Augustinus die Vordenker und Begründer für ihre blutige Arbeit. Die größten, längsten (über 500 Jahre) und grausamsten Frauenmorde der Menschheitsgeschichte, hat das Christentum zu verantworten, das bis zum heutigen Tag an der Heiligkeit ihrer Männer, wie Paulus, Augustinus und Thomas von Aquin festhält. Für die Frauenpogrome hat sich kein Pabst jemals entschuldigt. Die Verletzungen, die man den Frauen in den zwei tausend Jahren des Christentums zugefügt hat, wirken in der Psyche immer noch nach. Die Lehre, den Koitus nur dann als sündfrei zu bewerten, wenn er der Kinderzeugung dient, führte zu einer Entwertung der persönlichen Existenz der Frau. Sie verstand sich als körperliches Werkzeug für Ernährung, der in ihren Schoss eingelegten Kinder. Sie war nur für die Vermehrung der Art von Bedeutung und nicht als Persönlichkeit mit einem überirdischen Auftrag. Wenn der Mann die Befriedigung der eigenen Wollust mit ihr im Sinne hatte und damit zusätzlich sein Gewissen belastete, sah er desto mehr in seiner Frau ein rein tierisches, körperliches Wesen, das in den Dienst des Teufels ihren Körper stellte. Das Christentum, das sich in der Welt als Religion der Liebe profiliert, hat das Personsein der Frau ständig bestritten. Wärme, Liebe, Zuneigung, Würdigung und Lob standen ihr nicht zu. Der Alltag war für beide Geschlechter voller Dramatik und Spannung. Die verbreitete Ideologie, dass die Frau nur Mittel zum Zweck ist und sonst keinen Wert besitzt, hat sich im Denken des Mannes auf alle anderen Lebensbereiche übertragen, auf denen die Frau tätig war. Ihre Arbeit und Leistung zählte nicht. Dass diese, über Jahrhunderte lang andauernde Einstellung zur Frau, sie wäre nichts, nur Sache und Ding und Mittel zum Zweck, ihre Psyche umgeformt hatte und sich genau so dachte, wie die Kirche und die Männer ihr das vorgaben, darf uns nicht wundern. Dieser psychische Zustand der Frau sollte erst durch die Fortschritte der Emanzipation und Gleichberechtigung gemildert werden. Wie lange es aber noch dauern wird, bis die Frau ihren Wert und 46


ihr geistiges Gleichgewicht findet, kann noch niemand sagen. Vieles hängt noch vom Verhalten der Männer ab, die auf die Frau weiterhin herabschauen. Die moderne Frau hat sich unvermittelt aus dem psychischen Sklaventum heraus unter die Bedingungen der männlich geprägten rationalistischen Zivilisation, dem Wettbewerb gestellt und auf vielen Gebieten, auch in der Mathematik und Logik geht sie als Siegerin hervor. Die tiefen Verletzungen ihrer Seele werden jedoch dadurch noch nicht geheilt. Zu den physischen Verfolgungen als Hexe und Giftmischerin, die im 19. Jahrhundert aufgehört haben, kam aber die geistige Verfolgung hinzu, die viel schlimmer war, weil sie ihr jede Würde nahm: der Zweifel, ob sie überhaupt ein Mensch sei! Wie sollte sie sich selbst achten und vom Mann geachtet werden, wenn sie nicht mal die Sicherheit hatte, zu den Menschen zu zählen? Dass dieser Aspekt nicht ausgedacht ist, sondern immer noch im Umlauf bleibt, werden die nun folgenden Untersuchungen zeigen.

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j) Schopenhauer – Erbe der Inquisition. 1. Der eigentliche Mensch ist der Mann! Die Frau ist, eine Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher „der eigentliche Mensch ist.“ Außer der theoretischen Gründe, auf die wir noch zurückkommen, stützt er seine Aussage auf Beobachtungen von Mädchen, „die Tage lang mit einem Kinde tändeln, herumtanzen und singen.“ Eine Leistung, die kein Junge bringen kann. Die Frauen können es, weil sie selbst „ kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit einem Worte, Zeit Lebens große Kinder sind.“ Sicher ist, dass die Kindererziehung nicht zu den stärksten Begabungen Schopenhauers zählte, obwohl er im Anschluss an den Essay „Über die Weiber“, aus dem wir zitieren, eine Betrachtung zur Erziehung angeschlossen hatte. Und dieses mal behält er Recht, wenn er schreibt: „Eben weil früh eingesogene Irrtümer meistens unauslöschlich sind und die Urteilskraft am spätesten zur Reife kommt, soll man die Kinder bis zum sechzehnten Jahre von allen Lehren, worin große Irrtümer sein können frei halten, also von der Philosophie, Religion und allgemeinen Ansichten jeder Art.“ Leider wussten es seine Eltern nicht, wann er den „früh eingesogenen Irrtümern“ in der Frauenfrage zum Opfer geworden ist. Die Philosophie und Religion hält er für die Hauptquelle der Irrtümer und er warnt, die Gesellschaft sollte sich hüten, den Menschen diese Disziplinen vor dem Erreichen der Urteilsreife zu präsentieren. Dank der Fähigkeit zur „Mittelstufe“ kann das Einfühlen in die Seele des Kindes erst funktionieren. Und wer der „eigentliche Mensch“ sei – Mann oder Frau – entscheidet wohl die Menschlichkeit. Damit sieht es bei Mann nicht rosig aus. Das Mädchen ist ein „Knalleffekt der Natur“: Die junge Frau wird auf wenige Jahre mit überreichlicher Schönheit, Reiz und Fülle ausgestattet auf „Kosten ihrer ganzen übrigen Lebenszeit.“ In der kurzen Zeit ihrer Schönheit bemächtigt sie sich der Phantasie eines Mannes, „dass er hingerissen wird, die Sorge für sie auf Zeit Lebens in irgendeiner Form ehrlich zu übernehmen.“ Nach der Begattung verliert sie die Flüge und 48


beginnt zu welken. Zu fragen wäre, ob auch nicht der Junge ein „Knalleffekt der Natur“ wäre und ob er nicht im gleichen Tempo welkt, wie das Mädchen? Die Jugend kann ja nicht ewig dauern, weil sie von Natur aus auf die reifen Jahre ausgerichtet ist. Dass die Frau in der Jugendzeit heiratet, liegt in den Notwendigkeiten des Körpers und an der lange dauernden Erziehung der Kinder. Eine Falle für den Mann ist es nicht. 3. Je „edler und vollkommener eine Sache ist, desto später und langsamer gelangt sie zur Reife.“ Nach Schopenhauer erlangt der Mann seine Geisteskräfte – die Reife der Vernunft und des Willens – nicht vor dem achtundzwanzigsten Lebensjahr. Die Frau dagegen wäre mit achtzehn geistig ausgereift: „Danach bleibt auch ihre Vernunft eine gar knapp bemessene.“ Weil die Frauen nicht zum Manne heranreifen können, bleiben sie ihr Leben lang Kinder, das heißt „sehen immer nur das Nächste, kleben an der Gegenwart, nehmen den Schein der Dinge für die Sache und ziehen Kleinigkeiten den wichtigsten Angelegenheiten vor.“ Hätte die Frau Vernunft, würde sie nicht wie ein Tier Gefangene der Gegenwart bleiben. Sie hätte eine Perspektive auf Vergangenheit und Zukunft entwickeln können, könnte ihre Erfahrungen ordnen und die Zukunft planen. Als Folge ihrer schwächeren Vernunft besitzt sie einen „engen Gesichtskreis“. Das Entfernte kann sie nicht „fassen und alles Abwesende, Vergangene, Künftige viel schwächer auf die Weiber wirkt“ als auf die Männer. Daraus entspringt der „an Verrücktheit grenzende Hang zu Verschwendung ... Die Weiber denken in ihrem Herzen, die Bestimmung der Männer sei, Geld zu verdienen, die ihrige hingegen es durchzubringen.“ Die von Schopenhauer festgestellte Verschwendungssucht der Frau würde im „Aufgehen in der Gegenwart“ wurzeln. Damit würde die Frau besser als der Mann das Leben genießen und heiter bleiben. Dass die Frau eine Gefangene der Gegenwart wäre, aus der Vergangenheit nicht lernen könne und die Zukunft 49


nicht planen würde, ist wiederum ein „eingesogenes Vorurteil“, das Jahrhunderte lang vom Christentum verbreitet wurde, allerdings bezüglich der Abwendung von Diesseits und der Zuwendung zum Jenseits. In den modernen Industriegesellschaften ist der „Hang zur Verschwendung“ ein Wachstumsfaktor der Wirtschaft ersten Ranges und ohne den (unnötigen) Konsum gäbe es keine Zuwächse des Bruttosozialproduktes. Das Konsumverhalten der Männer ist nicht niedriger als der Frauen. Sparsamkeit wurde zu einer Untugend degradiert. Das „Aufgehen in der Gegenwart“ ist sicherlich kein Zeichen für eine Vernunftschwäche. Jedoch nicht die Frauen sind primär davon betroffen, sondern die gesamte Bevölkerung. Verantwortlich für diese „Vernunftschwäche“ sind die intellektuellen Autoritäten unserer Zeit, die den Menschen auf einen tierischen Organismus reduziert haben und damit jede geistige Motivation zu Entwicklung und Kontrolle des Innenlebens erstickt haben. 4. „Infolge ihrer (der Frau) schwachen Vernunft übt das Gegenwärtige, Anschauliche, unmittelbar Reale eine Gewalt über sie aus, gegen welche die abstrakten Gedanken, die stehenden Maximen, die festen Entschlüsse ... selten viel vermögen.“ Aus dieser Quelle leitet der Autor den Mangel an Gerechtigkeit, Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit bei Frauen ab. Die Ungerechtigkeit zählt er sogar zu „den Grundfehlern des weiblichen Charakters. Sie stammt zwar vom Mangel an Vernunft und Überlegung, wird jedoch durch angeborene List unterdrückt! Daher „ihre instinktartige Verschlagenheit und ihr unvertilgbarer Hang zum Lügen“. Die Natur hätte die Frau „mit Vorstellungskraft ausgerüstet“. In der heutigen Zeit ist die Arbeit am Charakter, an der Erziehung und Selbsterziehung längst den Bach runtergegangen. Vom Verfall der Sitten sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. Es ließe sich eher sagen, dass die Unmoralischen und Bösen aus der Männerwelt stammen. Die Seele ist schlecht und so darf es 50


nicht weiter gehen. Aber zu begründen war nicht alleine der Sittenverfall, sondern die Behauptung von Schopenhauer, dass die Frau von Natur aus und nicht durch die Lebensumstände, schlechter, listiger und ungerechter ist. Ihr Wesen wäre im Vergleich zum Mann moralisch minderwertiger. Das zu beweisen ist dem Schopenhauer nicht gelungen. 5. „Aus dem aufgestellten Grundfehler und seinen Beigaben entspringt aber Falschheit, Treulosigkeit, Verrat, Undank usw.“ Mann sollte die Weiber zum gerichtlichen Eid gar nicht zulassen, weil sie sich des Meineids schuldig machen. Der Grundfehler der Ungerechtigkeit, mit allen seinen Beigaben, war den antiken Griechen wohl bekannt. Er lag allerdings auf der Seite der Männer. Wie wir es noch sehen werden, verteidigte der Stoiker Mussonius im ersten Jahrhundert, die römischen Frauen vor aggressiven Männern, die ihre eigenen Untugenden den Frauen zugeschrieben hatten. Die Geschichte hat es längst bewiesen, dass zu allen Zeiten und bei allen Völkern die Männer die negative Elite bei allen Verbrechen bilden. 6. „Weil die Weiber ganz alleine zur Propagation des Geschlechts da sind und ihre Bestimmung darin aufgeht; so leben sie durchweg mehr in der Gattung, als in den Individuen.“ Auch in diesem Punkt seiner Argumentation verfällt Schopenhauer den wohlbekannten Vorurteilen und Herabsetzungen von Augustinus und Thomas von Aquin. Und er gibt sie kritiklos weiter. Besonders Weininger hat sich sehr breit darüber ausgelassen. Was Schopenhauer sagt, ist für ihn ganz klar: die Frau ist zwar als Exemplar der Gattung individualisiert, aber dennoch fehlt ihr die Individualität und damit der innere Aufbau eines Menschen, der aus Seele, Geist und Monade (das Selbst) besteht. Sie wäre einfach ein rein animalisches Wesen. Er konnte es noch nicht gewusst haben, dass bereits rein biologisch der Mann im gleichen Masse wie die Frau zur Propagation der Gattung notwendig ist. Auf ihr lastet die Schwangerschaft, die Geburt und die 51


Ernährung des Säuglings. Es ist tatsächlich mehr, was sie für die Erhaltung der Gattung macht. Darauf jedoch das Frausein zu reduzieren und den Sinn ihres Lebens im Gebären zu sehen, ist eine arge Verengung der Denkkraft. Von der freiwilligen Keuschheitspflicht waren z. B. die Stoikerinnen und die Christinnen nicht ausgenommen und die Bewegung der Asketinnen im Hinduismus hat zu verschiedenen Zeiten große Ausmaße erreicht. Jenseits aller Pflichten für die Gattung suchten die Frauen den Sinn ihres Lebens in der Befreiung aus den engen Schranken der Körperlichkeit und der irdischen Verblendung zu finden. Sie waren sogar öfter findig als die Männer. 7. „Zwischen Weibern ist schon von Natur Feindschaft ... da alle nur ein Gewerbe haben, nämlich das Gebären von Kindern. Um sich von der Masse der Frauen abzuheben, betonen sie durch herablassendes Verhalten ihren Rang.“ Geschichtlich ist der Feindschaftsvorwurf nicht belegt. Es gab zu allen Zeiten Frauengemeinschaften mit friedlichen Strukturen. Durch die Friedenspolitik unterschieden sich auch die matriarchalen Strukturen von den späteren patriarchalen, die kriegerisch ausgerichtet waren. Der Vorwurf trifft eher die Männer, die schon bei den Ritterturnieren um die Gunst einer Frau gegeneinander gekämpft haben, wie es auch die Männchen in der Natur tun. Von einer Feindschaft zwischen Frauen, die von ihrer Natur und nicht vom Charakter ausginge weiß die Wissenschaft nichts. 8. „Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt; in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schönheit.“ Dass eine Frau als schön empfunden wird liegt nach Schopenhauer keineswegs an ihrem Erscheinungsbild, am Grad ihrer Teilhabe an der Idee der Schönheit, sondern am blinden, ästhetisch ungeschulten Blick des Mannes. Schopenhauer betrachtet nicht nur die Gestalt der Frau als unästhetisch, er spricht ihr auch jede Empfänglichkeit für das 52


Schöne ab: „Die eminentesten Köpfe des ganzen Geschlechts es nie zu einer einzigen, wirklich großen, echten und originellen Leistung in den schönen Künsten haben bringen, überhaupt nie irgend ein Werk von bleibendem Wert haben in die Welt setzen können.“ Die Frauen betätigen sich zwar nach Schopenhauer auf vielen Feldern der Kunst, besonders in der Malerei, hätten jedoch keine einzige „große Malerei“ aufzuweisen. Den Grund dafür sieht er darin, dass „sie überall im Subjektiven stecken.“ In diesem Ausdruck wird das Fehlen des Geistes und überhaupt des inneren Menschen gemeint. Die Frau hat nicht den aristotelischen „Nus“, der nur im Manne wohnt. Darum wäre die Frau niemals zu einer höheren Aufgabe befähigt. Kommentatoren von Schopenhauer sehen in seiner Überbetonung der Männerrolle in der Kunst, die Kompensierung ihrer Minderwertigkeit angesichts der natürlichen Fähigkeit der Frauen, einen Menschen zu gebären. Aber auch dann bleibt das Problem bestehen: Warum gibt es nicht die großen Frauenpersönlichkeiten in der Kunst? Ist der Kulturgenius männlichen Geschlechts? Wenn wir uns aber fragen, in welcher Beziehung die genialen Kunstwerke, die Meisterwerke der Malerei, der Musik oder Literatur zur Verwirklichung des Lebenssinnes stehen, sieht die Sache anders aus. Ereignet sich in der ästhetischen Ekstase eine Verbindung mit der transzendenten Quelle des Lebens? Ist die Kunst unter diesem Aspekt mehr wert als ein Leben voller Liebe, Selbstüberwindung, Demut und Hingabe an die Nächsten? Die Kunst der Aufopferung der Mutter, der Treue, der verzeihenden stillen Gattin, trotz herzzerreißenden Verhaltens des Gatten – sind das nicht geniale Kunstwerke des ethisch Schönen und Heiligen, Kunstwerke der Geistkultur? Was die Frauen hier leisten und immer schon geleistet haben, übersteigt im Gesamtblick auf die tragenden Säulen der menschlichen Gattung alle Werke der männlichen Kunstwerke, die eigentlich nichts mehr sind als Gegenstände des Handwerks. Der Ort der ewigen Kunstwerke der Frau ist 53


ihr Herz, ein Ort des Könnens, dem kein männliches Genie gewachsen ist. Die großen Künstler empfangen ihren Lohn und genießen ihre „Größe“. Die innere, geniale Leistung der Frau bleibt für alle Zeiten unerkannt und unentgolten. Ohne diese stille Genialität gäbe es auch keine handwerklichen Kunstwerke, weil die Menschheit keine Kultur entwickeln könnte. Der Vorwurf von Schopenhauer, der in allen Varianten in den Chören der männlichen Kritiker immer noch unüberhörbar schwingt, ist an den falschen Adressaten geschickt worden. Es sind und waren primär Männer, die Frauen betrügen und das seit Jahrtausenden. Sie ließen sich das Konkubinat gesetzlich sanktionieren, die Reichen haben sich ganze Harems angelegt, die Ärmeren bedienten sich der Prostituierten und – wie im alten Judentum – dürften aus banalen Gründen ihre Gattin, des Hauses verweisen. Auch der moderne Mann hat sich noch keine moralische Größe erarbeitet, um seiner Ehefrau die geschworene Treue zu halten. Somit sind die Männer noch lange nicht der Herzensgröße der Frau gewachsen. 9. Weiber sind „das in jedem Betracht zurückstehende zweite Geschlecht ... Als die Natur das Menschengeschlecht in zwei Hälften spaltete, hat sie den Schnitt nicht gerade durch die Mitte geführt.“ Das charakterlose, Unvernünftige und schlechthin Böse ist der Frau zugefallen. Weiberverehrung ist einfach eine Dummheit, weil eben dadurch die Weiber noch arroganter und rücksichtsloser werden. Er lobt die orientalischen Völker dafür, dass sie die „angemessene Stellung“ zum Problem „Frau“ frühzeitig erkannt haben. Zeus hat sicherlich das Schwert in der Mitte am Androgyn gesetzt. Ob der männliche oder der weibliche Teil mehr von der Teilung profitiert, hat die Geschichte längst entschieden. Und ihr Zeugnis ist für das Vernunftwesen „Mann“ niederschmetternd. 10. Weil die Frau weniger ist als der Mann, darf man sie auch nicht dem Manne gleichstellen: „Weib ist kein Äquivalent des Mannes. Diese Tatsache sollte auch die europäischen Ehe54


gesetze berücksichtigen. Gleichstellung in Ehe bedeutet für den Mann, seine Rechte halbieren und seine Pflichten verdoppeln.“ Schopenhauer sagt, dass als die Gesetze den Frauen gleiche Rechte einräumten, sollen sie ihnen auch den gleichen Verstand verleihen. Die Gleichstellung der Frau mit dem Mann würde ihrer Natur im Wege stehen. Darum wäre die Gleichstellung ungerecht und ginge auf Kosten des Mannes. Die angeborene Minderwertigkeit ihres Verstandes kann durch Bildung nicht behoben werden, weil sie metaphysischen Ursprung hat. Darum kann auch kein Gesetz ihr die Individualität verleihen. Die Frau sollte also auf die Position zurückgeführt werden, die sie von Natur verliehen bekam, nämlich als „subordiniertes Wesen“. Wenn man die Ungleichheit der Naturen bei Mann und Frau akzeptieren möchte, dann könnte man daraus auch andere Schlüsse ziehen, die dem Schopenhauer nicht gefallen würden: Dass die Frau dem Manne nicht gleich ist, ist ein reiner Segen für die Welt. Hätte sie eine gleichwertige Natur, würde auch ihr Verstand unter Mordlust stehen, Kriege anzetteln, rauben, plündern, vergewaltigen, misshandeln und das ohne Aussicht auf Besserung. Wer Atombomben baut und als Genius verehrt wird hat kein Recht darauf, sich mit Frau gleichzustellen. Die Frauen sind den Männern nicht gleich! Sie sind in jeder Hinsicht besser! Wären sie nämlich gleich, gäbe es die Welt nicht mehr. Dass die Frauen um eine gesetzliche Gleichstellung immer noch kämpfen müssen, ist ein widerliches Zeugnis einer zusammengeschrumpften männlichen Vernunft. In der Frauenfrage betätigte Schopenhauer ausschließlich diese Vernunft. Die Frauenphilosophie von Schopenhauer steht in der Tradition von Judentum, Christentum und Aristotelismus. Er kommentiert die Aussage von Aristoteles (Politik BII, c 9 ) dass den Spartanern „große Nachteile daraus erwachsen sind, dass bei ihnen den Weibern zu viel eingeräumt war, indem sie Erbschaft, Mitgift und große Ungebundenheit hätten und wie Dies zum Verfall Spartas viel beigetragen hat.“ Dass allerdings 55


die Verbreitung frauenfeindlicher Vorurteile zu einer Knechtschaft der Frau mit anschleißender Hexenjagd geführt hat, die psychische Wunden hinterließ, ohne dass sie heute schon verheilt wären, hat ihn nicht interessiert. Die Motive für seine Frauenfeindlichkeit sind wahrscheinlich als Reaktion auf das Verhalten seiner Mutter zurückzuführen, die sich um ihren kleinen Arthur kaum gekümmert hat. Nach dem frühen Tod seines Vaters führte sie einen Salon, schrieb Romane und spielte eine Weltdame. Durch ihre Verschwendungssucht verlebte sie schnell das Vermögen seines Vaters und im Alter war sie auf das Gnadenbrot einer Gräfin angewiesen. Darin jedoch die tatsächliche Ursache seiner negativen Einstellung zur Frau zu suchen, wäre seinen Fähigkeiten und seiner Bildung nicht angemessen. Eigentlich alles, was er über die Frau geschrieben hatte, haben vor ihm bereits andere verewigt. Die seit Jahrtausenden gedachte Minderwertigkeit der Frau lag zu Zeiten Schopenhauers immer noch in der Atmosphäre, die jeder atmete. Er wollte von der Vernunftseite auf die romantische Galanterie und äußerliche Verehrung reagieren, die man der Frau nach Frankreich, nun auch in Deutschland, entgegenbrachte. In der Einstellung zur Frau verstand er es als seine Pflicht, an die alte Linie von Judentum, Christentum, Orient und Indien zu erinnern: die Frau ist metaphysisch weniger als Mann, darum kann sie niemals gleich behandelt werden. Auch ein Genie vom Format eines Schopenhauer konnte sich von den alt eingebürgerten, von Hass und Entwertung diktierten Denkgewohnheiten nicht befreien. Die Rationalität reicht dazu nicht aus. Ein Verstehen ist ohne Herz nicht möglich. Die frauenfeindliche Philosophie von Schopenhauer ist nicht einfach im Boden der Vergessenheit versickert. Sie lebte weiter in den Schriften von Nietzsche und Freud und in Köpfen unzähliger deutscher Intellektueller. Der junge Weininger war jedoch das neue große Genie, das die Eva von Schopenhauer auf das Podest des zwanzigsten Jahrhunderts gestellt hat. 56


k. Weininger – die entmythologisierte Frau. 1. Die Frau ist „sexuell viel erregbarer als der Mann; ihre physiologische Irritabilität (nicht Sensibilität!) ist, was die Sexualsphäre anbelangt eine viel stärkere“ (S. 111). Die Erregbarkeit kann sich durch „Scheu vor der Erregung durch Berührung“ zeigen oder im Bedürfnis nach sexueller Erregung. Was Weininger hier eigentlich denkt, kommt erst zum Vorschein wenn er die männliche Sexualität zum Vergleich heranzieht. Mit Orgasmus wäre beim Mann die sexuelle Erregung zu Ende. Bei Frau bleibt trotz der Loslösung „die hohe Leichtigkeit und Willigkeit der Gesamtanlage“ bestehen. 2. Entwertend klingt schon die nächste Aussage: „Der Zustand der sexuellen Erregbarkeit bedeutet für die Frau nur die höchste Steigerung ihres Gesamtdaseins. Dieses ist immer und dadurch sexuell ... Weib geht im Geschlechtsleben, in der Sphäre der Begattung und Fortpflanzung vollständig auf.“ (S. 112) Er stützt seine Aussage auf der Beobachtung „größeren Ausdehnung der Sexualsphäre über den ganzen Menschen bei Weib.“ (S. 112) Maßgebend wäre für ihn die Lokalisierung der sexuellen Lust beim Mann auf die Geschlechtszone alleine. Ob die Andersartigkeit des Erlebens eines Sexualaktes bei Frau und Mann ausreichend ist um die gesamte Existenz der Frau von der Sexualität abhängig zu machen, als ob es für sie keine anderen Werte gäbe, ist sehr fraglich. Der Mann, schreibt er: „kennt noch dutzend andere Dinge“ – die Frau nur die Sexualität. Das wäre ein offensichtlicher Beobachtungsfehler, wenn er nicht die nächste Gemeinheit den Frauen servieren würde: 3. „Weib befasst sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur für den Mann, den sie liebt, oder um des Mannes willen, von dem sie geliebt sein möchte.“ (S. 113) Es fehlt ihr das direkte Interesse für die Dinge. Dafür hätte sie auch kein Talent und wenn ja, dann niemals so intensiv, wie ein Mann. Sachinteressen treten bei Frau niemals direkt und spontan auf. Damit wäre die Frau niemals zu einem objektiven Urteil fähig. 57


4. „Weib ist nichts als Sexualität.“ (S. 113) Für diese Beobachtung will er seine Unterstützung im anderen Verlauf der Pubertät bei Mann und Frau finden. Der Junge empfindet den Einbruch der Sexualität als etwas Fremdes, das zu seiner bisherigen Natur hinzukommt. Etwas Fremdes, das er mit seinem Denken und Wollen nicht beherrschen kann. „Das Weib aber findet sich nicht nur leicht in die Pubertät, es fühlt sein Dasein von da ab sozusagen potenziert, seine eigene Wichtigkeit unendlich erhöht ... Die Frau erwartet bereits als ganz junges Mädchen von dieser Zeit alles.“ (S. 114) Die Menses bedeutet für die Frau „eine ungeheure Steigerung ihrer bisherigen Daseinsart.“ Aus diesem Erlebnis zeiht Weininger den Schluss, dass die Frau ein rein sexuelles Wesen ist, nichts als ein animalischer Mensch. Diese Idee begleitet sein Denken noch in vielen weiteren Zusammenhängen. 5. „Das Weib ist fortwährend, der Mann nur intermittierend sexuell. Der Geschlechtstrieb ist beim Weibe immer vorhanden, beim Manne ruht er immer längere oder kürzere Zeit.“ (S. 115) Die Triebabhängigkeit wäre bei Frau nicht nur als körperliches sondern auch als seelisches Bedürfnis vorhanden. Daraus der logisch falsche Schluss: Die hat nicht nur Sexualität, sie ist nichts als Sexualität. Weil das die Hauptthese von Weininger ist, kommen wir darauf noch zurück. 6. Weininger war überzeugt, dass die Frau nichts mehr im Kopf hätte als die Sexualität. Es ist ihr unmöglich, sich von ihrer Sexualität zu trennen, von ihr abzuheben. Andere, wichtige Dinge hätten in ihrem Kopf keinen Platz mehr: „Beim Weibe kann sich die Sexualität nicht durch eine zeitliche Begrenzung ihrer Ausbrüche noch durch ein anatomisches Organ, in dem sie äußerlich sichtbar lokalisiert ist, abheben von einer nichtsexuellen Sphäre ... Weil sie nichts ist als Sexualität, weil sie Sexualität selbst ist.“ (S. 116) Er drückt es noch krasser aus: „Der hat den Penis, aber die Vagina hat die Frau.“ Die Vagina würde nicht nur ihren 58


Körper beherrschen, sondern ihr ganzes Selbstbewusstsein ausmachen. Der Mann kann seiner Sexualität gegenübertreten, zu ihr Stellung beziehen, sich von ihr distanzieren und auf objektive Sachverhalte konzentrieren. Dem Weibe fehlt dazu die Fähigkeit der Distanzierung von seiner weiblichen Natur. In der nun folgenden Aussage klingt eine weitere Entwertung der Frau nach, die als Konsequenz der bisherigen Behauptungen folgen musste: „Der Mann hat die gleichen psychischen Inhalte, wie das Weib aber in artikulierter Form, wo sie mehr oder minder in Heniden denkt, dort denkt er bereits in klaren, distinktiven Vorstellungen, an die sich ausgesprochene und stets die Absonderungen von den Dingen gestaltende Gefühle knüpfen“. (S. 127 – 8) Weil das Denken der Frau von der Vagina beherrscht ist und sie nichts ist als Sexualität, kann sich das weibliche Bewusstsein nicht auf das geistige Niveau eines Mannes erheben. Sie kann nicht richtig unterscheiden, nicht in klaren Begriffen denken und ihre Denkinhalte frei von Emotionen halten. Darum ist sie auch nicht fähig, ihr eigenes, psychisches Leben zu artikulieren. Die männliche Psyche ist dagegen geordnet, die Gedanken bleiben voneinander getrennt und sein inneres Leben besitzt klare Konturen. Dieses geordnete Innere verleiht seinem Körper Strenge, Kantigkeit und Kraft. Das ungeschiedene, unscharfe Innere der Frau, formt ihre Rundungen und die Weichlichkeit ihres Körpers. Die klare Geistigkeit des Mannes findet ihren Ausdruck in größerer Sinnenempfindlichkeit und Präzision seiner Wahrnehmungen. 7. Die einzige Ausnahme bildet der Tastsinn. „Die taktile Empfindlichkeit der Frauen ist feiner als die der Männer“ (S. 128). Weininger unterscheidet den Schmerzsinn von Hautsinn und räumt dem Manne eine höhere Schmerzempfindlichkeit und Sensibilität ein. Die höhere Hautempfindlichkeit würde nach Weininger bestätigen, dass die Frau ein rein sexuelles Wesen sei, weil die taktile Reizung eine 59


entscheidende Rolle beim Sexualakt spielt. Dagegen würde die höhere Artikulationsfähigkeit des männlichen Vorstellens mit der erhöhten Sensibilität des Mannes zusammenhängen. Auch hier wiederum erscheint die Frau als ein materielles Wesen, gekettet an die Haut und die Berührung. Diese Anschauung bildet den Anlass für weitere Herabwürdigung der Frau. 8. Weil der Frau eine wesentlich geringere Vorstellungskraft gegeben ist, ist sie bei der Deutung ihrer „dunklen Vorstellungen“, denen sie immer wieder ausgesetzt wird, auf die Hilfe eines Mannes angewiesen. Er soll bei der Einordnung ihrer chaotischen inneren Welt Hilfe leisten. Für die Frau hat die ordnende Hilfe des Mannes einen von ihr gewünschten, Geschlechtscharakter. Für Weininger wäre das wiederum ein Hinweis darauf, dass der Mann geistig der Frau überlegen ist und dass sie ihr Bewusstsein vom Manne empfängt. Zum Erwerb eines klaren Selbstbewusstseins wäre sie aus eigener Kraft ungeeignet. Auch diese „Erkenntnis“ zieht nach Weininger weitere negativen Folgen für die Frau nach sich. 9. „Von jeder Genialität, ist das Weib ausgeschlossen... so muss die Frau als ungenial bezeichnet werden“. (S. 143). Genialität wäre ausschließlich „an die Männlichkeit geknüpft... denn das Weib hat kein originelles, sondern ein ihr vom Manne verliehenes Bewusstsein.“ (S.144) Wie wir noch zeigen, gab es in der Geschichte und gibt es immer noch in der Gegenwart genügend geniale Frauen, die ihr Bewusstsein sich selbst verdanken und ein Beispiel für das vernachlässigte und verfallene Bewusstsein der Männer darstellen. Außerdem ist der Begriff der Genialität heute umstritten und erscheint als Relikt der romantischen Epoche. War z. B. Einstein ein Genius oder durch den Bau der ersten Atombombe, die auch auf Menschen abgeworfen wurde, ein Verbrecher? War die Heilige Mutter Theresa ein Genius der Nächstenliebe oder ein verkapptes sexuelles Weib? 10. Eine andere Entwertungsart der Frau klingt in der folgenden Behauptung nach: „Die Frau interessiert sich nicht 60


für sich – darum gibt es keine weibliche Psychologie und keine Psychologie des Weibes von einem Weibe.“ (S. 188- 9) Eine Psychologie der Geschlechter war zu Lebzeiten von Weininger (gest. 1903) kein Thema wissenschaftlicher Diskussion. Die Frauen haben erst um die Zulassung zum Studium gekämpft und ihr Interesse konzentrierte sich auf die Ausübung von Berufen, die das praktische Überleben in der Männerwelt einigermaßen garantierten. Dass jedoch im Verlauf der Geschichte immer wieder große Frauenpersönlichkeiten auftauchten, die sich um die Selbsterkenntnis kümmerten ist durch Fakten belegt und darauf kommen wir auch noch zurück. Bereits im Alten Ägypten gab es den Berufsstand der Priesterinnen in dem das geheime Wissen über die Macht der Weiblichkeit im Universum bewusst gemacht wurde. Priesterinnen, die sich ihrer Weiblichkeit bewusst waren und ihr Wissen über sich selbst niemals den Männern verraten haben, gab es auch in Griechenland und Rom, in den Tempeln der Göttinnen. Diese Frauen waren nicht nur sich selbst im Sinne der modernen Psychologie bewusst, sie waren darüber hinaus der Anwesenheit der Göttin in sich bewusst. Von dieser Erkenntnis ist die moderne Psychologie noch meilenweit entfernt. Wenn die Psychologie mit der aktuellen Methodologie weiter „forscht“, wird sie weiterhin den Kern der Weiblichkeit verfehlen. Mit den Methoden der Psychologie hat sich noch keine Frau erkannt. 11. „Das Weib besitzt keine Logik“ (S. 191). Weininger leugnet nicht, dass Frauen hartnäckig folgern können. Ihm geht es um folgenden Sachverhalt: „Die Frage ist, ob jemand die logischen Axiome als Kriterien der Gültigkeit seines Denkens, als Richter über das was er sagt, anerkennt oder nicht, ob er sie zu steten Richtschnur und Norm seines Urteils macht. Eine Frau nun sieht nie ein, dass man alles auch begründen müsse; das es keine Kontinuität hat, empfindet sie auch kein Bedürfnis nach der logischen Stützung alles Gedachten; daher die Leichtgläubigkeit aller Weiber.“ (S. 192) Weininger war überzeugt, dass ein Mann von seinem Wesen her, die Logik in 61


sich trägt und darum nie der Leichtgläubigkeit verfallen kann. Die Geschichte beweist jedoch das Gegenteil. Die Männer haben sich zu allen Zeiten von „Propheten“ falscher Lehren und Aktionen anwerben lassen und folgten blind den Blinden. Auch heute noch trotz der „Logik“ zählen die Männer zu den meisten Opfern der Werbung. Tief entwertend ist der Grund für das angebliche Fehlen der Logik bei Frau: „Sie hat keine Kontinuität, das heißt, sie besitzt keinen Geist, der über dem Zeitfluss stünde, der sich im Werden immer identisch bleibt. Ohne den stabilisierenden Geist ist sie das Opfer der kommenden und gehenden Stimmungen. Sie selbst ist das Werden.“ Auch hier täuscht sich Weininger. Die Frau behält ihre Identität lebenslang und auch lebenslang kann sie ein und das gleiche Ziel verfolgen, z. B. die Veredelung ihres Wesens. Und wie die Statistiken zeigen, ist sie auch im Alter gegen den Zerfall des Bewusstseins besser gewappnet als der Mann. Weininger macht den Mann zu einem Felsen in der Brandung und die Frau zur Brandung. In den meisten Familien der modernen Welt ist jedoch die Frau der Fels der Kontinuität des Lebens. Die Männer betätigen sich eher als Trittbrettfahrer im Leben und verabschieden sich sehr schnell von ihren Vorsätzen. 12. „Weil sich in ihr (Frau) alles im Fluss befindet, kann sie durch nichts mehr gehindert werden zu lügen.“ (S. 193) Die Wahrheit als Maß des Bleibenden geht ihr ab. Schlimmer noch. Sie lügt ohne es zu wissen, weil sie ohne den bleibenden Geist gar kein Bewusstsein für die Wahrheit entwickeln kann. Und als ein von Natur aus lügenhaftes Wesen, ist die Frau verlogen, verirrt und darum amoralisch. A-moralisch bedeutet für Weininger etwas anderes als unmoralisch. „Unmoralisch“ setzt die Kenntnis des moralischen Verhaltens voraus, setzt es aber nicht durch. Er sieht zwischen dem Fehlen der Logik und Amoralität eine direkte Beziehung. Sittlichkeit setzt logisches Denken voraus, weil in konkreten Situationen des Lebens Schlüsse für Entscheidungen aus den allgemeinen Normen gezogen werden müssen. 62


Der Weg vom Allgemeinen in das Konkrete ist der logische Weg der Deduktion. Den tieferen Grund für die Defizite an der Natur der Frau sieht Weininger im Fehlen des Geistes: 13. „Zur Annahme eines intelligiblen Ich oder einer Seele, als eines Seienden von höchster hyperempirischer Realität ... entfällt (der Frau) jeder Grund.“ (S. 238) Weil die Frau alogisch und folglich amoralisch ist, fehlt ihr das Bewusstsein der Pflicht und die Verantwortung für ihr Tun – alles Voraussetzungen für das Sein der Persönlichkeit. Daraus wiederum die Folgerung: „Das absolute Weib hat kein Ich.“ (S. 240) Weininger wollte damit die verbreitete Redensart über Frauen: „Das Weib hat keinen Charakter“ präzisieren. In seinem Entwertungseifer hat sich der junge Autor in eine Sachgasse vergaloppiert. Er gibt zu, dass die Frau Mensch ist – sonst könne sei keine Menschen (Männer) gebären – gleichzeitig ist er überzeugt, dass nur durch die Seele man zum Menschen werden kann. Die aber spricht er der Frau ab! Die Logik seines Denksystems zwingt ihn zu eindeutiger Folgerung, dass ein dauerhaft verlogenes, alogisches und amoralisches, aus reiner Sexualität bestehendes, ohne mit einem Ich ausgestattetes Wesen, kein Mensch sein kann. Dann aber würde er vom Muttertier abstammen. Ohne das Ich kann auch die Frau keine Monade sein und damit kein Spiegel der Universums. (S. 243) 14. Ohne die Seele und ohne ein intelligibles Ich und ohne Monade (Selbst, Atman) wäre auch unvorstellbar, dass eine Frau zur Begrifflichkeit und Begreiflichkeit fähig wäre: „Das Denken des Weibes ist ein Gleiten und ein Huschen zwischen den Dingen hindurch, ein Nippen von ihren obersten Fächern ... es ist ein Kosten und ein Schmecken, ein Tasten, kein Ergreifen des Richtigen.“ (S. 244) Das Denken wäre somit keine Sache der Frau! Auch dieses Urteil ist ohne das „Ergreifen des Richtigen“ gefällt. Die denkerischen Fähigkeiten der Frau haben u. a. Pythagoras und Platon gewürdigt, die Spartaner und alle Römer, die der Göttin Demeter und ihrer Priesterinnen die Ordnung des Staates zu verdanken wussten. 63


Große Philosophinnen gibt es heute noch nicht, genau so wenig, wie große Philosophen. Aber es gibt genügend weibliche Professoren für Philosophie, d. h. auch für Logik, bei denen eifrige Männer das Denken lernen. 15. „Weil das Denken des Weibes vornehmlich eine Art Schmecken ist, bleibt auch Geschmack, im weitesten Sinne die vornehmlichste weibliche Eigenschaft, das Höchste, was eine Frau selbständig erreicht und worin sie bis zu einer gewissen Vollendung bringen kann.“ (S. 244 – 45) An Stelle des männlichen begrifflichen Verstehens, steht bei der Frau eine Art Schmecken: „Wenn eine Frau einen Mann, „versteht“, so schmeckt sie sozusagen nach, was er ihr vorgedacht hat.“ (S. 245) Das unbegreifliche, weibliche „Verstehen“, ist bei Frauen für die Entstehung der „unbegrifflichen Gefühle“ verantwortlich, die einem Mann grundlos erscheinen. Weininger hat sich zu wenig mit der psychischen Realität der Emotionen beschäftigt und ihr Einfluss auf das Denken, vor allem bei Männern, war ihm nicht klar. Mit seiner rationalistischen Denkmethode war das „Erfassen“ der Gefühle auch gar nicht machbar. Auf keinen Fall sind Gefühle emotionale Gedanken. Zwar haben sie Einfluss auf den Gang der Gedanken, bei Mann genau so wie bei Frau, aber beide Geschlechter haben die gleiche Chance, bei wichtigen Entscheidungen und bei rein theoretischem Denken, die mentale Zone von Gefühlseinflüssen abzuschirmen. 16. Weil die Frau unfähig wäre Begriffe zu bilden, erwachsen ihr daraus weitere Folgen: „Erst der Begriff emanzipiert von der ewig subjektiven, ewig psychologisch-relativen Tatsache des Empfindens, erschafft die Dinge.“ (S. 245) Weininger zieht daraus wiederholt den Schluss, dass die Frau kein Ich besitzt, über keine urteilende Fähigkeit verfügt, darum auch keinen Zugang zur Wahrheit hat, verlogen ist und kein wirkliches Interesse für die Wissenschaft entwickeln kann. Auch mit dieser Behauptung steht Weininger auf einem längst verlorenen Posten. Es gab genügend Frauen, die ihre sicheren Erkenntnisse aus 64


übersinnlichen und transzendentalen Quellen schöpften, sie aber in einer begrifflichen und sprachlich korrekten Form weiter gaben. Sie erfassten die Wahrheit direkt von ihrer Quelle, ohne die Täuschung der konstruierten Logik, geschulter „Philosophen“. Über Frauen, die nicht nur isolierte Wahrheiten erblickten, sondern die gesamte wahre Wirklichkeit erschauten, werden wir noch berichten. Dass zur Zeit Weiningers weniger Frauen als heute an den Unis sich tummelten und ihre Rationalität, wie sie Weininger verstand, unter Beweis stellen konnten, lag nicht an der Unfähigkeit der Frauen, sondern an patriarchalen Restriktionen. Am Willen zur Wahrheit lag es nicht. Der war immer schon da. Andererseits konnten sie „Wahrheit“ der Männer und ihren „rationellen“ Weg dorthin, der zu Millionen Katastrophen geführt hat, nicht lobend und begeisternd empfangen. Der Weg der Geschichte ist mit Frauenleichen gepflastert, die zu ihrer Herzenswahrheit standen, zum Trotz aller Luftblasen aus „ewiger Wahrheit“, die von hohlen aber frommen Männerköpfen ausgepustet wurden. Weininger demontiert jedoch die Natur der Frau mit erstaunlichem Elan weiter: 17. „Auch der Wirklichkeitssinn der Frauen, so oft auch das Gegenteil behauptet worden ist, ist viel geringer als jener der Männer. Ihnen ordnet sich stets die Erkenntnis einem fremden Zweck unter ... Was Wahrheit an sich und um sich selbst Willen für einen Wert haben sollte, wird eine Frau nie und nimmer einzusehen imstande sein.“ (S. 250) Weininger ist 1903 im Alter von 23 Jahren durch Freitod gestorben. Der amerikanische Pragmatismus und Utilitarismus dürfte ihm eigentlich bekannt sein. Was er hier den Frauen vorwirft, haben die Philosophen zum Sinn und Maßstab der Forschung erhoben. Die Wahrheit hat sich im Dunst der Profite aufgelöst und wurde zum Ideal neuer Männlichkeit. Der Profit ist Maßstab aller Wahrheit in der wissenschaftlichen Welt bis zum heutigen Tage. Und es gab niemanden, der davor warnte. Wie es scheint, drehen sich die Fähnchen in den Köpfen der Männer nach dem Zug des Geldes und nicht nach dem Wind 65


des Geistes. Im Vergleich zu der klassischen Erkenntnislehre sind die modernen Forschungen rein barbarisch, weil sie nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern dem Profit, d. h. der Geldgier. Was Weininger den Frauen vorwirft ist nicht die Unterordnung der Erkenntnis unter den Profit, sondern die Unfähigkeit, den Verstand an die Wahrheit zu binden. Wir betrachten die Tatsache, dass die Philosophen den Verstand an das Geld gebunden haben, als viel tiefere Degradation des männlichen Geistes. Alleine dieser Schritt sollte ausreichend sein, den Männern jede Wahrheitsfähigkeit abzusprechen. Es wäre auch an dieser Stelle wünschenswert und geistreich, wenn die Frauen auch diesem männlichen „Wirklichkeitssinn“ Widerstand leisten würden, wie seinerzeit den Wahrheitsaposteln aus Rom. 18. Weil die Frau angeblich keine logischen Urteile bilden kann – dazu würde ihr einfach der Geist fehlen – hat sie auch keine eigenen Überzeugungen. Darum „verlangt die Frau vom Manne stets bestimmte Überzeugungen, die sie übernehme... Auch erwartet sie stets, dass der Mann rede und die Rede des Mannes ist ihr ein Zeichen der Männlichkeit“ (S. 252) Mit diesem Urteil ist Weininger zur Jahrtausendwende hinter die Wahrheit gefallen. Schon das Symbol der antiken Musen, die in den wichtigsten Lebensbereichen den Geist inspirierten, birgt die Wahrheit in sich, dass Frauen mit überrationalen, intuitiven Fähigkeiten begabt sind und ganze Kulturfelder neu befruchten könnten. Diese Wahrheit ist in vielen Mythen ausgedrückt und ihr Sinn liegt auch in der „Schnur der Ariadne“ verborgen. Heute genießen die Frauen pflichtmäßig die gleiche Bildung, wie die Männer und formen objektive Urteile über die Wirklichkeit. Vergleichsweise erreichen sie ihre Ziele schneller als die schwer begabten männlichen Artgenossen. 19. „Die weibliche Güte, das weibliche Mitgefühl, haben zu der schönen Sage von der Psyche des Weibes den meisten Anlass gegeben, und das letzte Argument allen Glaubens an die höhere Sittlichkeit der Frau als Krankenpflegerin, als 66


barmherzige Schwester.“ (S. 254) Für erhöhte Intensität des Mitleids bei Frauen sieht Weininger keinen Beweis in dieser Betätigung. Ihm fällt eher das Gegenteil auf: „Wer Krankenschwestern beobachtet, nimmt mit Erstaunen wahr, dass diese gleichmütig und „sanft“ bleiben, selbst unter den furchtbaren Kämpfen eines Sterbenden.“ (S. 255) Ein Mann würde angesichts der schwersten Leiden „die Qualen lindern, den Tod aufhalten, er würde helfen wollen.“ Seine Erklärung für diese angeblich objektive Erfahrung ist wiederum typisch für sein Frauenbild: Die Tätigkeit der Frauen in diesen Berufen ist alleine durch den Mangel an Mitleid und Mitgefühl möglich. Ihre berufliche Eignung darf man alleine „vom utilitaristischen Standpunkt“ und nicht von der moralischen Norm her schätzen. Entwertend in diesem Urteil ist das Absprechen jeder Eignung der Frau, Mitgefühl und Mitleid zu erleben. Sie würde nicht über die Empathie verfügen. Alleine schon geschichtlich passt dieses „kalte Herz“ zu der weiblichen Psyche nicht. Bereits in den ersten christlichen Gemeinden, noch unter Führung von Paulus, bildeten die Frauen die Mehrzahl der Mitglieder und engagierten sich mit der ganzen Persönlichkeit in allen Bereichen der Nächstenliebe, auch und besonders in der Krankenpflege. Sie opferten nicht nur ihr Herz, sondern oft ihr ganzes Vermögen und verzichteten auf ihr Privatleben. Diese Aufopferung des Lebens für die Nächsten erweitert sich bei tausenden von Frauen in jeder Generation in Form von organisierten Orden auf alle europäischen Länder. Ohne diese Frauen gäbe es in Europa keinen funktionierenden Krankendienst. Den christlich orientierten Frauen, die in den Pflegediensten tätig sind, geht auch der Glaube voran, dass man nicht mit herzzerreißenden Schreien helfen kann, sondern mit beherrschter Konzentration, in der man für den Leidenden innigst zu Gott betet. 20. „Die Frau lebt stets, auch wenn sie alleine ist, in einem Zustand der Verschmolzenheit mit allen Menschen die sie kennt: ein Beweis, dass sie keine Monade ist, denn alle Monaden haben Grenzen.“ (S. 255) Den von Leibnitz in die 67


Philosophie eingeführten Begriff der Monade, die das überindividualisierte und in der göttlichen Seinssphäre beheimatete, wahre Wesen des Menschen bildet, nutzt nun Weininger aus, um den Mann über die Frau zu stellen. Ohne Monade wäre die Frau eigentlich kein menschliches Wesen mehr. Weil die Monade in diesem Denksystem das Prinzip der Individuation darstellt und somit für die Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit eines Menschen sorgt, tritt bei ihrem Fehlen der Zustand des Nichtabgesondertsein von anderen ein. Die Frau wäre damit nicht ein individuelles Exemplar der Gattung Mensch, sondern ein einfaches Gattungswesen, das auch von anderen Frauen nicht unterschieden wäre. Auch auf weitere Äußerungen ihrer angeblichen Gattungsseele will er hinweisen: Die Frau „leidet nie unter ihren Nächsten“ und betrachtet nie den Anderen, als von ihr abgesondert. Dieses Verschmolzensein mit allen Menschen wäre nach Weininger nichts Spirituelles, sondern durchaus Sexuelles, weil es in die körperliche Annäherung führt. Beim „alten Weib“, wo die Sexualität erloschen ist, fehlt nach Weininger auch jedes Mitleid – „im alten Weib ist nie auch nur ein Funken jener angeblichen Güte mehr.“ (S. 256) Uns persönlich sind Ordensschwestern bekannt, die im fortgeschrittenen Alter sich liebevoll um Sterbende kümmern. Auch die verstorbene Mutter Theresa war bis ins hohe Alter im Dienst am Nächsten engagiert. 21.“Nur das Weib jammert so recht andere Menschen an, weint sie an und verlangt ihr Mitleid. Hierin liegt einer der stärksten Beweise der psychischen Schamlosigkeit des Weibes... Die Frau stellt sich zuerst in einer Reihe mit den anderen, macht sich zum Objekt des Mitleids anderer und beginnt nun, tief ergriffen, mit ihnen über sich, „die Arme“, mitzuweinen.“ (S. 256-7) Das männliche Mitleid versteckt sich, das weibliche dagegen ist zudringlich. Im männlichen Mitleid werden die Grenzen der unüberwindbaren Individualität sichtbar, im weiblichen dagegen wird die Frau als Subjekt zu eigenen Objekt. Durch 68


die fehlende Tiefe ihres Wesens kann sie keine Distanz zu sich selbst aufbauen. Das weibliche „Heulen und Schluchzen“ ist schamlos. Die Unfähigkeit Traurigkeit zu beherrschen, Verluste zu überwinden, wird heute nicht mehr als Willensdefizit empfunden. Es ist ein natürlicher Weg der Abreaktion und schnellerer Selbstfassung. „Schluchzen und Heulen“ wären demnach im heutigen Empfinden wichtig für die Herstellung des psychischen Gleichgewichts. Die metaphysische Kritik der Frauennatur, sie hätte keine Monade wiegt dagegen sehr schwer. Was allerdings Weininger zu Begründung seiner Aussage gebracht hat ist inkompetent und trifft sie Sache nicht. Hätte die Frau keine Monade – kein höchst göttliches Selbst – würde sie gar nicht existent sein, weil die Monade die gesamte individuelle Menschwerdung, über Geist und Seele bis hin zu Formung des Körpers in Gang setzt. Weil sie eben da ist entstammt sie nicht einer amorphen Weltseele, in der sie sich nach dem Tode auflösen würde. Jede Frau ist ein einmaliges, unverwechselbares, einzigartiges Wesen, das nur einmal im ganzen Universum existiert. Sie kann mit anderen gemeinsame Eigenschaften haben weil sie auch gemeinsame Bildung und Erziehung genießt und nach den gleichen irdischen Zielen ausgerichtet ist, aber in ihrem innigsten Kern ist jede Frau anders als jede andere. Eine abstrakte, gesichtslose und für alle Frauen gemeinsame, geistige Substanz gibt es im Universum nicht. 22. „Ihr Äußeres, das ist das Ich der Frauen.“ (S. 259) Unter ihrem Ich würden die Frauen immer nur den Körper verstehen. Daraus resultiert „die spezifische Eitelkeit der Frauen“. Weil die Frau keine Persönlichkeit ist und keine Würde kennt (?) nimmt sie als Ersatz „die Festhaltung, Steigerung und Anerkennung körperlicher Schönheit“. Sie findet ein „Behagen am eigenen Leibe“ und kann an einem Spiegel nicht vorbeigehen, ohne ihre Abbildung – ihr Lustobjekt – zu betrachten. Den Grund weiblicher Eitelkeit findet Weininger im Fehlen des Eigenwertes. Dieses Fehlen würde wiederum aus dem Mangel an intelligiblen Ich resultieren. Frau 69


gewinnt ihren Wert immer von anderen. Weininger schreibt: „Die Frauen leiten ihren Wert immer von anderen Dingen ab, von ihrem Geld und Gut, der Zahl und Pracht ihrer Kleider, dem Rang ihrer Loge im Theater, von ihren Kindern, vor allem aber von ihrem Bewunderer, von ihrem Manne.“ (S. 261) In der Eitelkeit, die gleichermaßen auch die Männer befällt, sieht Schopenhauer die Untugend in der Abhängigkeit von Köpfen anderer, die durch Besinnung auf das eigene Wesen zu beseitigen ist, Weininger dagegen einen ontologischen Schaden der Seelenlosigkeit bei Frau. Dieser Grund ist absurd, weil ohne die Seele es auch die Frau gar nicht gäbe. 23. „Das Weib rühmt sich dessen, dass es geliebt wird, es prahlt damit vor anderen Frauen um von diesen beneidet zu werden.“ (S. 262) Die ihr entgegengebrachte Schätzung wird als Gabe einer Existenz und einer Essenz empfunden, weil ihr eben diese Gaben fehlen. Auch hier wiederum die maßlose Übertreibung Weiningers. Wenn ihr das Dasein und das Wesen tatsächlich fehlen würden, gäbe es die Frau gar nicht. Auf dem beschriebenen Wege kann eine Frau nicht erschaffen werden. Die meisten Frauen freuen sich im Stillen und schweigen über die Liebe, die sie erfahren und prahlen nicht damit. Das Durcheinanderbringen von Charaktermängeln mit ontologischen Defiziten ist für die Denkungsweise Weiningers charakteristisch. Wenn jemand Durst hat, kann man daraus korrekt auf Wassermangel im Körper schließen. Wenn sich aber jemand bei Lob und Würdigung freut, darf daraus kein korrekter Schluss gezogen werden, dass ihm die Seele und das Selbst fehlen. 24. Frauen haben ein „Gedächtnis für Komplimente, selbst wenn ihnen diese in frühester Jugend gemacht werden. Durch Komplimente nämlich erhalten sie den Wert, und darum Verlangen die Frauen vom Manne, dass er „galant“ sei. Die Gallanterie ist die billigste Form von Veräußerung von Wert an die Frau.“ (S. 263) Frauen hätten das beste Gedächtnis für Komplimente. Auch aus diesem vermeintlichen Urbedürfnis der Frau wird wieder70


um ein ontologischer Schluss gezogen: Einen absoluten Wert haben die Frauen nicht in sich! Nur von außen und durch Schmeicheleien kann er ihnen verliehen werden. Daraus lässt sich höchstens schließen, dass Weininger das Leben nicht verstanden hat. Als Teil der Gerechtigkeit ist Lob Pflicht eines ethisch geschulten Menschen. 25. „Frau hat kein Verhältnis zu sittlichen Ideen.“ (S. 264) Dies ist kein unmoralischer, sondern ein amoralischer Zustand: Weiber wissen gar nicht was sittlich ist. Das Absprechen der Sittlichkeit ist die Folgerung aus der angeblichen psychischen Tatsache, dass „das Weib sich seine Gemeinheit nicht verübelt.“ (S. 264) Den Frauen würde sofort alles entschwinden, was sie Unsittliches getan hätten. Und hier wiederum die berühmte Logik Weiningers: Frauen haben kein Gewissen: Sie gehören der animalischen Welt. Hätte Weininger sich mit gleichem Elan den Männern zugewandt und beispielsweise die Schergen der Inquisition unter die Lupe genommen, müsste er nach der gleichen Logik der christlichen Hierarchie für Jahrhunderte das Gewissen, die Seele, den Geist und die Monade absprechen. Bis heute gab es von der Seite keine Gewissensreaktion. Wenn es vereinzelt Frauen gibt, die kein Verhältnis zur Sittlichkeit haben, ist es doch keine Konstante ihrer Natur, sondern ein Mangel an ethischer Bildung. Und dieser Mangel scheint unter den Männern viel verbreiteter zu sein. 26. „Alle Frauen sind neidisch.“ (S. 265) Wo kein Eigenwert und kein Wille vorhanden ist, kommt Neid hoch. Das Fehlen der Selbstachtung führt zum Neid. Nach Weininger setzt Neid weiter „einen völligen Mangel an Gerechtigkeitsgefühl voraus.“ Frauen hätten keinen Zugang zu Gerechtigkeit, weil ihnen die Idee der Wahrheit fehlen würde. Gerechtigkeit wäre die Anwendung der Wahrheit auf das Praktische. Neid wäre „die absolut unsoziale Eigenschaft.“ Keine Gesellschaft kann ohne Gerechtigkeit existieren. Daraus darf Weininger wieder folgern: „Das Weib ist vollkommen unsozial!“ Langsam wird der Leser jetzt schon merken, wie die Trennungslinien zwischen 71


Mann und Frau weiter verlaufen werden: die Frau ist das Böse schlechthin, der Mann das untadelige Gute, die Frau ist zu keiner Tugend fähig, der Mann kann alle ethischen Werte erwerben, die Frau ist ein tierisches, rein sexuelles Wesen, der Mann ist die Verkörperung des Selbstes, der Seele und des Geistes, die Frau stirbt restlos, der Mann bleibt ewig bestehen, der Mann entwickelt die Kultur und Zivilisation, die Frau genießt die Zivilisation, aber zerstört die Kultur usw. Damit auch kein helles Pünktchen am Kleid der Frau übrig bleibt, türmen sich die verbliebenen Gemeinheiten der Frau weiter: 27. „Der Stehltrieb bei Frauen ist viel mehr entwickelt als bei den Männern: Die sogenannten Kleptomanen (Diebe ohne Not) sind beinahe ausschließlich Frauen.“ (S. 266) Der diebische Trieb hätte bei Frauen überhand genommen, weil sie von Natur aus kein Verständnis für Eigentum hätten und wiederum das käme von Fehlen der Idee der Gerechtigkeit, die wiederum aus Mangel an Idee der Wahrheit... usw. Der Schutz des Eigentums wäre zwar nicht ihre Sache, aber ihr Verständnis für Macht und Reichtum ist voll ausgeprägt. Darum klaut die Frau! Auch hier wiederum Gleichsetzung von erzieherischen Mängeln mit metaphysischen Defiziten. 28. „Das Weib, das im Grund namenlos ist, ist dies, weil es seiner Idee nach, keine Persönlichkeit besitzt.“ (S. 267) Dieses Mal geht es um das Verhältnis der Frau zu ihrem Familiennamen. Sie gibt ihren Geburtsnamen auf und nimmt den Namen ihres Mannes an, den sie heiratet. Die Frauen trauern um ihren Namen nicht, sie haben zu ihm kein herzliches Verhältnis. Leichten Sinnes tun sie es. „Name ist aber als Symbol der Individualität gedacht“ – regt sich Weininger auf! Weil die Frauen keine Individualität sind, haben sie auch keine Pietät für ihren Namen. Dass sie es unter juristischem Zwang tun mussten, interessierte Weininger nicht. 29. „Wenn in einem Raum, in dem sich ein Weib befindet, ein Mann tritt und sie ihn erblickt, seinen Schritt hört oder seine Anwesenheit auch nur ahnt, so wird sie sofort eine ganz 72


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