Winterthurer Stadtanzeiger - Mit dem Znüni Kindern in Not helfen

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Stadtanzeiger

leben

Dienstag, 8. Oktober 2013

Wo Blinde an die Grenzen stossen Am 15. Oktober, dem Tag des weissen Stockes, machen sehbehinderte Menschen auf sich aufmerksam. So auch Regula Kuster aus Wülflingen. Nach einem Augeninfarkt ist sie stark sehbehindert. Sie weiss um die Tücken und Fallen, mit denen Blinde in Winterthur zu kämpfen haben.

Winterthur: Ein gutes Buch lesen, auf dem Markt einkaufen gehen, einen Sport ausüben oder mit dem Zug durch die Schweiz reisen. Hobbys und Bedürfnisse, die für die meisten Menschen völlig normal sind. Für blinde und sehbehinderte Menschen sind das keine Selbstverständlichkeiten. Es ist eine Herausforderung, sich selbstständig und eigenverantwortlich im öffentlichen Raum zu bewegen. Zudem gibt es viele Tücken und Fallen, die ihnen das Leben erschweren. Das weiss auch Regula Kuster. Die 72-Jährige ist seit bald 15 Jahren auf dem rechten Auge vollständig erblindet. Auf dem linken Auge hat sie eine schwache Sehkraft von nur noch knapp 20 Prozent. Nach einer langen Zeit der Trauer und des Haderns hat sie ihr Leben unter diesen neuen Umständen wieder schätzen gelernt. Deshalb ist es für Regula Kuster auch selbstverständlich, sich aktiv zu engagieren, um andere sehbehinderte Menschen zu unterstützen. So ist sie unter anderem für den Schweizerischen Blindenbund in Winterthur als Botschafterin aktiv, um beispielsweise am 15. Oktober, dem internationalen Tag des Weissen Stockes, auf die Bedürfnisse und Anliegen der sehbehinderten Bevölkerung aufmerksam zu machen.

Arzt schätzte Situation falsch ein Es war Silvester 1999. Im Blickfeld von Regula Kusters rechtem Auge erschien ein Stecknadel grosser Punkt. «Nach den Feiertagen ging ich sofort zum Arzt», erzählt die zweifache Mutter und dreifache Grossmutter. «Dort wurde ich aber vertröstet. Es sei noch nicht notwendig, darauf zu reagieren. Ich sollte mich wieder melden, wenn ich plötzlich blitzartige Lichter vor meinem Auge sehen würde.» Wie sich herausstellen sollte, ein fataler Fehlentscheid der untersuchenden Arztgehilfin. «Einige Tage später war ich auf dem rechten Auge vollständig blind.» Die Ärzte entdeckten, dass ­ Regula Kuster an einem Augeninfarkt, einem Sehsturz erkrankt ist. «Die Arterien der Netzhaut wurden nicht mehr richtig durchblutet.» Die leidenschaftliche Näherin, die damals bei der Winterthurer Versicherung arbeitete, fiel in ein tiefes Loch. «Es war schwierig, mit der Tatsache umzugehen, auf einem Auge rein gar nichts mehr zu sehen. Wie sollte ich so weiterleben? Glücklicherweise half mir meine Familie, wo sie nur konnte. Ich trauerte viel, begann aber auch meine neue Situation zu akzeptieren. Nach sechs Monaten arbeitete ich wieder.»

Im Mai 2001 folge der nächste Schock. «Ich sah auf dem linken Auge nur noch einen Nebel.» Die Ärzte führten zahlreiche Versuche durch, aber ohne klares Ergebnis. «Heute habe ich auf dem linken Auge nur noch eine Sehstärke von 20 Prozent. Das ist wenig, trotzdem bin ich froh. Ich erkenne noch Umrisse, was für mich ungemein wichtig ist.» Regula Kuster kämpfte jeden Tag. Sie wusste, dass sie sich mit der neuen Lebenssituation abfinden musste. Sie holte sich Hilfe beim Schweizerischen Blindenbund, der auch einen Sitz an der Wartstrasse 12 in Winterthur hat. «Ich war mein Leben lang eine selbstständige Frau. Deswegen war es mir wichtig, mich auch künftig frei bewegen zu können.» Für Ehemann Niklaus Kuster, mit dem sie seit 48 Jahren verheiratet ist, sowie für die beiden Töchter und die drei Enkel sei es zwar selbstverständlich, Regula Kuster, so weit es geht, in ihrem Alltag zu unterstützen. «Doch ich will meiner Familie nicht immer zur Last fallen. Sie sollen auch ihre Freizeit, ihr eigenes Leben ge-

Trottoirs oder Büsche und Bäume, die nicht geschnitten werden und deswegen den Fussgängerweg blockieren, Probleme. «Da ich mich nur über den Boden orientieren kann, ist schon mancher Ast gegen mein Gesicht geschlagen. Deswegen trage ich eine Brille, um mich zu schützen.» Das grösste Ärgernis seien aber rücksichtslose Velofahrer. «Vor der Fahrprüfung lernen Autofahrer, dass sie anhalten sollen, wenn ein blinder Mensch den Langstock in Richtung Strasse hält. Das funktioniert auch immer einwandfrei. Velofahrer versuchen aber oft um den Stock herumzufahren. Deswegen habe ich mir bereits zweimal das Handgelenk gebrochen.» Zudem fahren Velofahrer auch mit vollem Tempo auf dem Trottoir statt auf der Strasse, oder parken so, dass der Gehsteig blockiert wird. «Da wäre ich der Polizei dankbar, wenn sie solche Falschparker mehr aus dem Verkehr ziehen. Es gibt ja genug offizielle Parkplätze in Winterthur.»

Jugendliche sehr hilfsbereit Hat Regula Kuster Angst, alleine auf die Strasse zu gehen? Auch wegen möglicher Rüpel, die ihre Behinderung ignorieren oder gar ausnutzen? «Gar nicht», stellt die 72-Jährige sofort klar. Ihre Erfahrungen mit anderen Menschen seien fast durchwegs positiv. «Auch Jugendliche und Ausländer, über die oft so negativ geschrieben wird, sind sehr zuvorkommend und hilfsbereit.» Gerne lasse sich Regula Kuster auch über die Strasse helfen – «aber wich-

Wir sind dankbar um Hilfe. Doch bitte zuerst fragen und nicht zerren.» Regula Kuster, Winterthur

niessen können.» So gab es nur eine Alternative: «Ich begann ein Orientierungsund Mobili­ tätstraining mit dem Langstock. Dieser hilft mir, mich sicher und selbstständig draussen zu bewegen. Zudem dient er als optisches Erkennungsmerkmal für Sehende, dass sie Rücksicht auf uns Beeinträchtigte nehmen sollten.» Der Blindenstock ist ihr täglicher Begleiter. Zwar habe sie sich auch Gedanken über einen Blindenhund gemacht. «Doch es gibt Tage, da hab ich Schmerzen und bin zu müde, um nach draussen zu gehen. Das wäre gegenüber einem Hund nicht fair.»

Velofahrer verhalten sich gegenüber Blinden oft rücksichtslos.»

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Sonntag, 13. Oktober: Solidaritätsaktion «Gemeinsam gegen Brustkrebs» Einladung zum Spaziergang und zum Mode-Apéro 16 Uhr: Gemütlicher Spaziergang, begleitet von Mitarbeitenden der Krebsliga Zürich und Edith Hunkeler, Rollstuhl-Athletin und Olympiasiegerin. Start: Begegnungszentrum Turmhaus, Haldenstrasse 69, 8400 Winterthur. 17 Uhr: Mode-Apéro mit schicker Bademode und attraktiven Dessous für brustkrebsbetroffene Frauen. Eingeladen sind Betroffene, Angehörige und Interessierte. Präsentation in Zusammenarbeit mit dem Sanitätsgeschäft Beck in Winterthur. Ort: Kongress- und Kirchgemeindehaus Liebestrasse, Liebestrasse 3, 8400 Winterthur. Es ist auch möglich, nur an einem Programmteil dabei zu sein. Details auf unserer Website www.krebsligazuerich.ch, News

kostprobe

Bürli-Pizza für 4 Personen

8 Frischbackbürli 16 Scheiben Raclettekäse 8 Tranche Bratspeck, in Streifen geschnitten 2 Zwiebeln, in Ringe geschnitten 1 Dose Champignons, geschnitten Pfeffer aus der Mühle, Paprika Zubereitung Bürli quer halbieren und auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen. Raclettekäse auf Bürli legen; Speckstreifen, Zwiebelringe und Champignons darüber verteilen. Mit Pfeffer und Paprika würzen und im vorgeheizten Ofen bei 220 °C ca. 10 Min. backen. Tipp Die Bürli wie eine Pizza Prosciutto mit Schinken, Tomaten und Mozzarella belegen. Mit Oregano würzen. Zubereitung: 15 Minuten

Regula Kuster, Wülflingerin

Velofahrer als Ärgernis Der diesjährige Tag des Weissen Stockes beschäftigt sich mit den Tücken und Fallen im öffentlichen Raum. Diese kennt Regula Kuster zu gut – aus eigener Erfahrung. Mit dem Blindenstock könne sie sich dank der Leitlinien am Boden zwar gut orientieren, aber nur, wenn sich dar­ auf keine Hindernisse befinden. «Ich habe schon Situationen erlebt, wo sich Personen seelenruhig auf den Leitlinien unterhielten, ohne diese vermutlich zu bemerken. Oder dass es sich ein Hund dar­ auf gemütlich gemacht hat. Da habe ich manchem schon ungewollt einen Schlag mit dem Stock versetzt.» Auch wenn sie sich daran lächelnd erinnert, ist es für sie ein wichtiges Anliegen, «dass man darauf achten sollte, diese Leitlinien nicht zu blockieren. Sie sind für uns das wichtigste Orientierungsmittel». Weshalb es ihr auch ein Anliegen wäre, dass Winterthur mehr Leitlinien in der Stadt schafft. Weiter bereiten schlecht abgesperrte Baustellen, Werbetafeln inmitten des

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Regula Kuster überquert mit dem Blindenstock die Wartstrasse auf den Leitlinien, von welchen sie sich in Winterthur mehr wünscht. Bild: sag.

tig ist, dass man uns zuerst fragt, ob wir diese Hilfe überhaupt wollen.» Es sei unangenehm von einem Fremden plötzlich am Arm gepackt und über die Strasse gezerrt zu werden. «Wir danken jeder helfenden Person, doch niemand sollte sich verpflichtet fühlen, dass er einem behinderten Menschen helfen muss.» Ihren Alltag gestaltet Regula Kuster möglichst normal. Sie liebt es, Hörbücher zu geniessen oder auch Bücher in Blindenschrift zu lesen, aber auch wöchentlich mit Kolleginnen zu nähen, zu basteln oder sich einen Vortrag beim Schweizerischen Blindenbund anzuhören. Ihr grösstes Hobby sei das Reisen, beispielsweise in die USA oder nach Spanien. «Viele fragen, wieso Blinde überhaupt Reisen. Die sehen ja nichts. Doch es geht mir darum, andere Kulturen kennen zu lernen, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.» Und wenn sie sich eine Landschaft vorstellt und dies Ehemann Niklaus erzählt, heisst es oft von ihm: «Behalte deine Vision in Erinnerung. In der Realität sieht es nämlich viel wüster aus», erzählt Regula Kuster lachend und verliebt wie am ersten Tag. Christian Saggese Weitere Informationen: 15. Oktober, Tag des Weissen Stockes Schweizerischer Blindenbund: www.blind.ch

Ins Gymnasium oder eine Lehre machen? Winterthur: In der heutigen Zeit gibt es viele unterschiedliche Bildungs- und Berufswege, die zum Erfolg führen. Sich einen Überblick über den gymnasialen und dualen Bildungsweg mit Berufslehre zu verschaffen, ist herausfordernd. Das Lehrlingsforum Winterthur lädt daher zu einem Informationsabend ein. Nach einem Referat von Martin Stalder, Mandatsleiter im Bildungs- und Sozialbereich zum Thema «Bildungssystem der Schweiz», folgt eine Podiumsdiskussion. Besucher können Fragen stellen. Teilnehmende sind unter anderem Susanne Buse-Mann, Berufs-, Studien und Laufbahnberaterin BIZ Winterthur oder Claudio Cavicchiolo, Prorektor Kantonsschule Büelrain Winterthur. Die Veranstaltung steht unter dem Patronat des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes Kanton Zürich. Durch den Abend führt Publizist Bernhard Schneider. red. Weitere Informationen: Informationsabend, «Gymi oder Lehre – beide Wege führen zum Erfolg» Dienstag, 5. November, ab 19.30 Uhr Mehrzweckanlage Teuchelweiher Filmsaal, Winterthur

Mit dem Znüni Kindern in Not helfen Einen Znüni geniessen und dabei Gutes tun? Dies ermöglichen die Traditionsbäckereien Holzofeund Grabebeck, gemeinsam mit der Hilfsorganisation JAM. Die Einnahmen werden von enga­ gierten Winterthurern für die Errichtung einer neuen Kinderta­ gesstätte in Südafrika aufgewendet.

Winterthur: «Das Stücklein Brot, das dich ernährt, ist mehr als Gold und Perlen wert.» Seit über 40 Jahren begleitet diese Botschaft die Winterthurer Bäckereien Holzofe- und de Grabebeck in deren täglichem Geschäft. Den Mehrwert möchte nun das Win­ terthurer Geschäft mit einer Spen­ den­ aktion der Non-Profit-Organisation Stiftung JAM Schweiz unterstützen. Seit gestern Montag bis Ende Jahr wandern 40 Rappen eines jeden Schoggimurren

­ irekt in das Hilfsprojekt. Auch Wechseld geld, das man in die «roten JAM-Schalen» auf den Theken wirft, wird gespendet. Eine kleine Geste mit grosser Wirkung.

Ein Weg, ein Ziel Seit 2011 reisen junge Leute nach Südafrika, um dort mit den Spendeneinnahmen solcher Aktionen Kindertagesstätten aufzubauen. Bis anhin war jedes Jahr eine Winterthurer Gruppe dabei. Nach 2011 reist nun Katja Lavorato («Stadi» vom 28. Mai 2013) erneut nach Johannesburg, um dort mit ihrem 17-köpfigen Team eine Kindertagesstätte aufzubauen. Damit das Vorhaben realisiert werden kann, hat sie sich an den Traditionsbetrieb gewendet. Diese Aktion mit dem Namen «Teamwork» ist dabei herausgekommen. red. «Teamwork»-Aktion bis Ende Jahr bei: de Grabebeck, Oberer Graben 34, Winterthur Telefon 052 214 18 14, www.debeck.ch de Holzofebeck, Marktgasse 51, Winterthur Telefon 052 213 91 91, www.debeck.ch

Stiftung Jam Schweiz: www.jam-schweiz.org


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