IPPNW-Thema: „Gegen die Militarisierung der EU – Europa als Friedensprojekt gestalten“, März 2019

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Foto: Atombombengeschäft

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März 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Gegen die Militarisierung der EU – Europa als Friedensprojekt gestalten


FRIEDENSPROJEKT EUROPA

Foto: © Theophilos Papdopoulos, flickr CC BY-NC-ND 2.0

Militarisierung und Migrationsabwehr in Europa Die EU verliert die Globalen Nachhaltigkeitsziele aus dem Blick

Mit schwindelerregendem Tempo baut die Europäische Union, Friedensnobelpreisträger von 2012, zurzeit menschenrechtliche Standards ab und Grenzzäune auf. Seenotretter im Mittelmeer werden juristisch drangsaliert und Menschen in vermeintlich sichere Herkunftsländer wie Afghanistan abgeschoben. Zeitgleich verstärken Deutschland und die EU ihre Kooperation mit nordafrikanischen Despoten, deren Armeen und Polizeikräfte für die EU Flüchtlinge stoppen sollen. Die Hysterie um Menschen, die vor Kriegen, Hunger und Armut nach Europa fliehen, dominiert inzwischen auch die Entwicklungspolitik. Ab 2021 will die EU ihre Außen- und Entwicklungspolitik umbauen. Für zivile Konfliktbearbeitung fehlt hingegen das Geld.

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ie Sorge, die EU könne eines Tages ihre Werte verraten, wenn Menschen in größerer Zahl nach Europa flüchten, ist nicht neu. So erinnerte sich der langjährige Entwicklungsminister Erhard Eppler, dass die Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in den frühen siebziger Jahren beschlossen, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Eppler pochte auf eine Einhaltung dieser Zusage. Konsequenterweise trat er 1974 vom Amt des Entwicklungsministers zurück, weil sich die damalige Regierung Schmidt nicht dazu durchringen konnte, ihre internationalen Versprechen einzuhalten. Im Grunde hat sich bis heute wenig am deutschen oder europäischen Beitrag für die Entwicklungsfinanzierung geändert: Zwar investierte Deutschland nach offiziellen Angaben 2017 immerhin 0,66 Prozent seines BNE in Entwicklung. Doch diese Zahlen sind geschönt, denn nicht alle Gelder fließen wirklich in nachhaltige Entwicklung. So rechnet die deutsche Bundesregierung die Kosten zur Unterbringung von Flüchtlingen mit in ihre Quote ein: Ohne diesen Zahlentrick, der auch vom Dachverband der Entwicklungsorganisationen in Deutschland (VENRO) kritisiert wurde, bleiben noch rund 0,5 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit übrig. 2

Während das Thema Entwicklungsfinanzierung medial kaum eine Rolle spielt, beherrscht die Diskussion um eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben seit dem Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump regelmäßig die Schlagzeilen. Er pocht auf die Zusage der NATO-Staaten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär auszugeben. Die Bundesregierung geht darauf ein und verkündet, perspektivisch das NATO-Ziel mitzutragen. Das gilt auch für die SPD, die im Wahlkampf 2017 das NATO-Ziel noch als unrealistisch und vor allem unsozial gegeißelt hatte: Denn das Geld, das in die Bundeswehr gesteckt wird, fehlt für Bildung, Soziales, Infrastruktur und Entwicklungszusammenarbeit.

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er Koalitionsvertrag enthält dazu einen problematischen Kompromiss: Für je­den Euro, der zusätzlich für das Militär ausgegeben wird, soll auch ein zusätzlicher Euro in die Entwicklungsfinanzierung fließen. Schon im Juli, also nur vier Monate nach Verabschiedung des Koalitionsvertrags, wackelt diese Zusage. Nach dem NATO-Gipfel im Juli 2018 versprach die Bundesregierung für das nächste Jahr zusätzliche 650 Millionen für die Bundeswehr. Entsprechend mehr Geld für Entwicklung: Fehlanzeige! Die Politik der Europäischen Union verändert sich unter dem Eindruck der sogenannten „Flüchtlingskrise“ sogar noch


DEMONSTRATION GEGEN RASSISMUS IN HAMBURG AM 29.09.2018 Fotos: © Rasande Tyskar, CC BY.SA2-0

stärker: Letztes Jahr gaben die EU-Kommission und das Europaparlament grünes Licht dafür, Gelder aus dem Instrument für Stabilität und Frieden, die bislang ausschließlich für die Friedensförderung bestimmt waren, zur „militärischen Ertüchtigung“ anderer Staaten einsetzen zu können. Unter „Ertüchtigung“ ist die Ausrüstung und Ausbildung fremder Armeen durch europäische Soldat*innen zu verstehen. Beispiele sind Armee und Polizeikräfte in Mali oder die libysche Küstenwache. Ein Tabubruch, der leider kaum kritische Resonanz in der Öffentlichkeit erhielt. Die Rechtsabteilung des Europäischen Rats riet von einer solchen Umwidmung von Geldern aus dem Instrument für Stabilität und Frieden für militärische Ertüchtigung ab. Der juristische Dienst des EU-Parlaments kam zum gleichen Urteil. „Dann aber“, so der Journalist Markus Becker von Spiegel Online im Juli 2017, „geschah Erstaunliches: Im Januar 2017 legte der Parlamentsrechtsdienst eine zweite Expertise vor, die das genaue Gegenteil behauptete. Plötzlich war die Verordnung kompatibel mit EU-Recht. Insider vermuten, dass die Juristen unter politischen Druck geraten waren.“ Eine juristische Aufbereitung dieser Entscheidung ist indes gar nicht mehr nötig: Die Europäische Union arbeitet schon an einem neuen „Mehrjährigen Finanzrahmen“ für die Jahre 2021 bis 2027 mit einem „Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit“. Ein Grund zur Entwarnung ist das allerdings nicht: Zwölf bislang unabhängige Finanzinstrumente der EU, darunter Haushaltslinien für Frieden, Men-

schenrechte und Entwicklung, sollen zu einem einzigen Finanzinstrument für Auswärtiges zusammengefasst werden. Begründet wird dies unter anderem mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU und den damit verbundenen Sparmaßnahmen. Dabei sollen die Ausgaben für Auswärtiges ab 2021 steigen. Die Mittel für Konfliktprävention und Friedenskonsolidierung sollen hingegen von rund 2,3 Milliarden Euro auf etwa eine Milliarde Euro halbiert werden.

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ndere Zahlen zeigen, wo die Prioritäten liegen: Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll spürbar gestärkt werden. Und während zumindest die Auslieferung von Waffen und Munition an Drittstaaten im alten Finanzrahmen für Friedensförderung rechtlich nicht möglich war, kann ab 2021 Ausrüstung im Wert von 10,5 Milliarden Euro an die Armeen von Partnerländern ausgeliefert werden. Zynischer Name dieses neuen Programms ist „European Peace Facility“, also „europäische Friedenseinrichtung“. Es sollen vor allem Staaten entlang der Fluchtrouten wie der Sahelregion aus diesem Fonds aufgerüstet werden. Weitere 13 Milliarden Euro sind in den Jahren 2021 bis 2027 für die Subventionierung der europäischen Rüstungsindustrie eingeplant. Auf diese Weise sollen neue Absatzmärkte für die europäische Rüstungsindustrie erschlossen werden. Die europäische Entwicklungsund Friedenspolitik steht damit vor einem Paradigmenwechsel: Sie soll nun offenbar vollkommen der Sicherheitspolitik und der Migrationsabwehr untergeordnet werden. Die Europäische Union droht damit, ihren Anspruch als Zivilmacht endgültig aufzugeben. Die Bundesregierung ist dabei 3

eher treibende Kraft dieser Entwicklungen als deren kritisches Korrektiv. Der mehrjährige Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021 bis 2027 ist noch nicht beschlossen. Noch kann die Zivilgesellschaft die skizzierte sicherheits- und verteidigungspolitische Ausrichtung der europäischen Außenpolitik mit ihrem Fokus auf Migrationsabwehr wie auf eine Stärkung militärischer Komponenten zulasten der Gelder für zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung verhindern.

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eht es nach der Europäischen Kommission, soll der Finanzrahmen noch vor der Europawahl im Mai 2019 beschlossen werden. Viele Expert*innen halten diesen Plan aufgrund des knappen Zeitrahmens für unrealistisch. Eine solche gravierende Neuausrichtung europäischer Politik müsste ausführlicher in den Parlamenten debattiert werden. Für zivilgesellschaftliche Organisationen der Friedens- und Entwicklungsarbeit bietet die anstehende Europawahl eine Gelegenheit, um ihre Kritik vorzubringen. Nicht zuletzt sind jetzt die Bürger*innen Europas gefragt: Sie können sich in den nächsten Monaten stärker für das Friedensprojekt EU einsetzen.

Richard Klasen ist Referent für nachhaltige Entwicklung und Friedenspolitik des forumZFD.


FRIEDENSPROJEKT EUROPA

Friedenspolitik statt Aufrüstung In zivile Konfliktbearbeitung und Friedenserziehung investieren

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Auslandsbeziehungen, das weltweit Projekte in Krisenregionen dokumentiert und evaluiert, würde gerne mehr Projekte starten oder begleiten. Als Erfolgsbeispiel ziviler Krisenbearbeitung gilt die Versöhnungsarbeit in Sri Lanka, wo es laut Peter Wittschorek von zivik gelungen sei, Versöhnung zu stiften, indem man ganz konkret Individuen zusammenbringe. Der Zivile Friedensdienst erhielt vom Bundesentwicklungsministerium 45 Millionen Euro. Auch der ZFD wäre in der Lage, deutlich mehr Projekte umzusetzen, als ihm sein Budget aktuell erlaubt.

ie Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben langfristig weiter erheblich anzuheben, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Bis 2024 soll der Verteidigungsetat zunächst auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Der deutsche Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 5. Februar 2019 ein Dokument überreicht, worin sich die Bundesregierung verbindlich zu diesem Ziel bekennt. Laut Informationen des Spiegels laufen die Versprechungen auf eine Steigerung der jährlichen Ausgaben von 43 Milliarden im Jahr 2019 auf 60  Milliarden in 2024 hinaus. Wenn die 1,5-Prozent-Marke tatsächlich erreicht würde, wäre das eine Steigerung um 80 Prozent seit 2014, so Ministerin von der Leyen. Dabei leitet sich aus dem auf dem NATO-Gipfel 2014 in Wales vereinbarten sogenannten „Zwei-Prozent-Ziel“ gar keine rechtliche Verpflichtung zur Aufrüstung ab. So sieht das auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages: „Politik- und Rechtswissenschaftler sind sich einig, dass die Zwei-Prozent-Zielvorgabe der NATO für die Höhe der nationalen Verteidigungsausgaben als Anteil vom Bruttoinlandsprodukt keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet“.

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uf europäischer Ebene stehen die Zeichen leider ebenfalls auf Aufrüstung. Die EU-Kommission plant, zuvor eigenständige Etats in einem einzigen großen Topf für „Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Kooperation“ zusammenzufassen. Dieser Etat soll einen „starken Fokus auf Migration“ haben und Maßnahmen zur „Ertüchtigung“ von Polizei und Armeen in Partnerländern finanzieren. Über den europäischen Verteidigungsfond und die Mittel für militärische Mobilität könnten dann 19,5 Mrd. Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt für militärische Zwecke ausgegeben werden, zusätzlich zu den nationalen Verteidigungsbudgets und den Mitteln für „Ertüchtigungsmaßnahmen“ der Armeen von Drittstaaten.

Die richtige Antwort auf die von US-Präsident Trump erhobene Forderung ist aus IPPNW-Sicht eine Beendigung konfliktverschärfender Außen- und Wirtschaftspolitik sowie eine aktive deutsche Friedenspolitik. Es gibt bereits zaghafte Ansätze von ziviler Konfliktbearbeitung, z. B. den „Aktionsplan Zivile Krisenprävention“ (2004) der Bundesregierung und die „Leitlinien zur Krisenprävention“ (2017). Darüber hinaus bekennt sich Deutschland zur „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ der UNO mit ihrem Friedens-Ziel 16 „Frieden, Sicherheit und starke Institutionen“ sowie zum „Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 Frauen, Frieden und Sicherheit“.

Friedenssichernde und -stabilisierende zivile Maßnahmen drohen zurückgedrängt zu werden zugunsten der Abwehr von Geflüchteten und Migrant*innen. Für zivile Krisenprävention stünde nur eine Milliarde Euro bereit – circa ein Drittel gegenüber dem bisherigen Finanzrahmen 2014 – 2020. Wichtige Aufgaben wie z. B. Maßnahmen zur Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer*innen, zur Resozialisierung von Kindersoldat*innen, Räumung von Landminen, Förderung von Frauengruppen und Versöhnungsarbeit sollen gemäß den Haushaltsvorschlägen der Europäischen Kommission für die Zeit nach 2020 entfallen. Stattdessen sollen Migrationskontrolle, Grenzschutz und militärische und polizeiliche „Ertüchtigung“ stärker gefördert werden.

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in großer Fortschritt für Frieden und Sicherheit bestünde darin, der zivilen Konfliktbearbeitung zusätzliche Mittel zugute kommen zu lassen. Denn während der Verteidigungsministerin 43 Milliarden Euro bewilligt wurden, sind für die Entwicklungsarbeit lediglich 9,39 Milliarden Euro vorgesehen. Zwar erreichte die Bundesregierung 2016 erstmals fast ihre Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklung und humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen. Doch die Zahl ist geschönt, weil auch Kosten einrechnet werden, die durch die Unterbringung von Geflüchteten in Deutschland entstanden. Die Präsidentin von Brot für die Welt, Dr. Cornelia Füllkrug-Weitzel, wies darauf hin, dass die Ausgaben ohne die Anrechnung bestimmter Gelder für die Versorgung von Flüchtlingen lediglich bei 0,52 Prozent lägen.

Steigende Ausgaben für den Verteidigungsetat machen die Bundesrepublik Deutschland und die EU aber nicht sicherer. Militärische Interventionen oder die Aufrüstung von Kriegsakteuren haben weltweit nicht zu mehr Frieden und Stabilität beigetragen. Im Gegenteil: Die Sicherheitslage und Menschenrechtslage in Afghanistan, im Irak, in Libyen und im Jemen ist vielerorts katastrophal. Studien belegen, dass Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit viel wirkungsvoller sind, um Menschen zu ermöglichen, in ihrer Heimat zu bleiben und zu überleben, als Militäreinsätze. Statt militärisch auf Konflikte zu reagieren, müssen diese aktiv verhindert werden. Deutschland und die EU sollten daher die Ursachen von Flucht wie Hunger, Armut und Kriege beseitigen und nicht Teil der weltweiten Aufrüstungsdynamik bleiben. Auch muss die Entwicklungszusammenarbeit stärker die lokale und regionale Wirtschaftsintegration stärken und die Entwick-

Für Maßnahmen auf den Gebieten Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung standen dem Auswärtigen Amt 2018 gerade mal 351 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm „zivik“ (zivile Konfliktbearbeitung) beim Institut für 4


DEUTSCHLAND BEKENNT SICH MIT DIESEM PLAKAT VOR DEM PRESSEUND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG ZUR AGENDA 2030 FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG MIT DEM FRIEDENSZIEL #16 Foto: © IPPNW

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lungsländer darin unterstützen, Steuervermeidung zu bekämpfen und Steueroasen auszutrocknen. Den negativen Auswirkungen der globalen Handels- und Wirtschaftspolitik muss Einhalt geboten werden.

ie zahlreichen Forschungen, Konzepte und Erfahrungen im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung (Ziviler Friedensdienst, Ausstiegsprogramme für radikalisierte Menschen, Friedensbildung an Schulen statt Besuchen von Jugendoffizieren der Bundeswehr u.a.) müssen als Querschnittsaufgabe deutscher Politik ernst genommen, gefördert und bekannt gemacht werden. Wichtig ist zudem eine Förderung von Friedensorganisationen und Friedensforschung ohne eine politische Einflussnahme. Die Bevölkerung, aber auch gerade die politischen Entscheidungsträger*innen, brauchen mehr Wissen über die Wirksamkeit der zivilen Konfliktbearbeitung.

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ntwicklungszusammenarbeit und zivile Maßnahmen der Konfliktlösung könnten einen stärkeren Beitrag zu Frieden und Stabilität leisten, würde man sie mit mehr Ressourcen ausstatten. Die Bundesregierung sollte deshalb mehr Geld ausgeben für zivile Instrumente wie den Zivilen Friedensdienst, ziviles Personal und Polizeikräfte für internationale Friedensmissionen, Mediation, Unterstützung beim Aufbau von Justiz und Rechtsstaatlichkeit sowie für die Erreichung der Sustainable Development Goals. Im Sinne der von der Bunderegierung beschlossenen Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ muss vor allem in Prävention investiert werden, aber auch in humanitäre Hilfe und Konfliktnachsorge, Unterstützung von Zivilgesellschaft, Institutionen für Streitschlichtung und Menschenrechtsschutz, Aufarbeitung und Aussöhnung in Nachkriegsregionen. Dabei muss die Pluralität und Eigenständigkeit der Akteure als Voraussetzung für den Erfolg von Friedensprozessen respektiert werden.

Susanne Grabenhorst ist stellvertretende Vorsitzende der IPPNW.

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer

Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung

Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Geneh-

Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen

migung.

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körte­straße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69 80 74 0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE39100205000002222210, BIC: BFSWDE33BER

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FRIEDENSPROJEKT EUROPA

Militarisierung oder Zivilisierung der Sicherheitspolitik? Europa vor der Wahl

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ie derzeitige militärgestützte Sicherheitspolitik schafft keine dauerhafte Sicherheit, sondern ständig neue Unsicherheiten. Die negativen Folgen militärischer Sicher­ heitspolitik werden gar nicht oder zumin­ dest nicht in Gänze öffentlich zum Thema gemacht. Seit Jahren zeigen Umfragen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Rüstungsexporte, Atomwaffen und militärische Interventionen ablehnt. Und dennoch ändert sich nichts, weil einerseits Alternativen zu wenig bekannt bzw. mit zu geringen Finanzmitteln ausgestattet sind und zum anderen, weil das Denken, dass Gewalt „das Böse“ und damit die Bedrohung beseitigen kann in unseren Köpfen tief verankert ist. Dieses Denken ist Grundbestandteil der sogenannten Sicherheitslogik und führt eben weder zur Sicherheit noch zum Frieden. Was benötigt wird, ist neben der Ablehnung einer kriegsfördernden Politik eine konstruktive Alternative. Es muss darum gehen, ein Denken zu entwickeln, mit dessen Hilfe es möglich ist, „Frieden zu schaffen und das heißt Beziehungen zu ermöglichen, in denen Gewalt unwahrscheinlich wird, weil Kooperation gelingt“ (Hanne-Margret Birckenbach). In der Friedensforschung und der Sozialwissenschaft spricht man darüber unter dem Stichwort „Friedenslogik.“ Doch wie kann dies konkret aussehen? Gibt es wirklich einen anderen Weg zur Militarisierung der Europäischen Union?

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ie Evangelische Landeskirche in Baden veröffentlichte im April 2018 ein Buch mit dem Titel „Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik – Ein Szenario bis zum Jahr 2040“. Die Autor*innen erstellten mit Hilfe der Szenariotechnik drei Szenarien für das Jahr 2040. Diese Technik wird angewandt, wenn es um die Lösung von Zukunftsproblemen, um globale Weltmodelle oder um langfristige Entwicklungsprognosen geht. Ein Szenario ist kein Umsetzungsplan einer Idee, sondern skizziert Entwicklungen, die aufgrund von Entscheidungen eintreten können. Die Darstellung von drei unterschiedlichen Zukunftsszenarien (Trend-, Negativ- und Positivszenario) erleichtert die Auswirkungen der jeweiligen Entscheidungen zu erkennen. Das Positivszenario stellt dabei die bestmögliche Entwicklung dar und es ist das Ziel in der Realität dem Positivszenario möglichst nahe zu kommen. Das Trendszenario beschreibt die Entwicklung, wenn der momentane Trend der politischen Entscheidungen fortgesetzt wird mit dem Ergebnis, dass die hohen Militärausgaben und auch militärische Einsätzezu zunehmenden Spannungen in Europa und auch innerhalb Deutschlands führen. Das Negativszenario zeichnet 2040 eine Situation eines eskalierenden regionalen Konflikts, der einen Atomkrieg auslösen kann. Das Positivszenario beschreibt dagegen eine völlig andere Entwicklung: Die refor6

mierte UNO ist organisatorisch ein Dachverband kontinentaler Organisationen mit jeweils eigenen Sicherheitsräten und Polizeikräften. Die OSZE bearbeitet sämtliche Konflikte in Europa mit rein zivilen und polizeilichen Mitteln. Deutschland trägt mit über 5.000 Polizei- und 50.000 zivilen Friedensfachkräften zu internationalen UNO-Friedensmissionen bei.

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achhaltige zivile Sicherheitspolitik beruht auf einer Friedensethik, in der sich die Gedanken und Handlungen nicht nur auf die eigenen nationalen Interessen beziehen, sondern zugleich reflektieren, welche Folgen diese für die Menschen in anderen Ländern haben. Sicherheit besteht in dieser Perspektive (nur) als gemeinsame Sicherheit aller Beteiligten. Das gilt sowohl für den Einzelnen in seinem privaten Alltag als auch für die Akteure in Wirtschaft, Politik, Kultur, Erziehung und Wissenschaft. In diesem Szenario entwickelt die Gesellschaft als Ganze eine Orientierung gemeinsamer Sicherheit als Weg und Ziel, um der Kultur der Gewalt entgegentreten und eine Kultur des Friedens entwickeln zu können. Gemeinsame Sicherheit bedeutet, für die eigene Sicherheit einen Lebensund Wirtschaftsstil zu praktizieren, der die ökologischen Ressourcen der Erde nur entsprechend unseres Bevölkerungsanteils in Anspruch nimmt und weltweit zu ökologisch und sozial gerechten Wirtschaftsbeziehungen führt.


TEILNEHMER*INNEN DES SONDIERUNGSGESPRÄCHS „SICHERHEIT NEU DENKEN“ AM 12. DEZEMBER 2018 IN KARLSRUHE Foto: © Arbeitsstelle Frieden

Das Positivszenario – die fünf 3. Teilhabe an der InternationaSäulen der zivilen Sicherheits- len Sicherheitsarchitektur Deutschland ist Mitglied der EU, der OSZE, politik Die Grundlage des Szenarios bildet u.a. der vierte Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ (2014). Es basiert auf den fünf Säulen:

1. Gerechte Außenbeziehungen Deutschland strebt generell ökologisch, sozial und wirtschaftlich gerechte Außenbeziehungen an. Dies bedeutet, dass sich Deutschland auf den Weg zu einem Lebens- und Wirtschaftsstil begibt, der die ökologischen Ressourcen der Erde nur entsprechend seines Bevölkerungsanteils in Anspruch nimmt. Deutschland setzt seine im Klima-Abkommen von Paris 2015 zugesicherten Klima-Ziele konsequent um.

der NATO und der UNO. Die OSZE ist die Schlüsselorganisation für Frühwarnung, Krisenprävention und Konfliktbearbeitung. Deutschland nimmt innerhalb der NATO eine neue Rolle ein, Deutschland tritt nur noch als ziviler Akteur auf. Der Beitrag Deutschlands sind rein zivile Mittel. 2040 entsendet Deutschland 50.000 zivile Friedensfachkräfte.

4. Resiliente Demokratie Resiliente Demokratie umfasst die nachhaltige Stärkung der strukturellen zivilen Widerstandsfähigkeit unserer Zivilgesellschaft und unseres demokratischen Staates gegen Freiheitseinschränkungen von innen und außen. Kern der resilienten Demokratie ist der Aufbau einer zivilen Konfliktkultur innerhalb von Deutschland.

2. Nachhaltige Entwicklung der 5. Konversion der Bundeswehr EU-Anrainerstaaten Grundlage echter Sicherheit sind lebens- und der Rüstungsindustrie werte und stabile Verhältnisse innerhalb Deutschlands und in den Nachbarstaaten Deutschlands - sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union, insbesondere östlich und südlich der EU. Deshalb setzt sich Deutschland für die Förderung wirtschaftlicher Perspektiven und staatlicher Sicherheit östlich und südlich der Europäischen Union ein. So soll es eine Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft zwischen der EU und der EAWU geben. Darüber hinaus soll es einen UN-Entwicklungsplan mit Afrika und dem Nahen Osten geben, den die EU mit den Staaten der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga unter dem Dach der UN entwickelt.

Bis zum Jahr 2040 wird eine Konversion von der Rüstungs- zur zivilen Produktion sozialverträglich gestaltet. Teile der Bundeswehr werden zu einem Internationalen Technischen Hilfswerk transformiert, andere werden als Polizeikräfte tätig sein. Die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Studien wie u. a. von Erica Chenoweth und Maria Stephan zur Wirksamkeit von Gewaltfreiheit entzaubern zunehmend den Mythos der erlösenden Gewalt. Da Politik immer auch ein Zusammenspiel gesellschaftlicher Kräfte ist, braucht es für die Realisierung dieses Szenarios vergleichbar dem Ausstieg aus der Atomenergienutzung eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung. Ähnlich der erfolgreichen Er7

lassjahr-Kampagne „Entwicklung braucht Entschuldung“ in den Jahren 1996 – 2000 können die Kirchen hier eine wirksame Vorreiterrolle übernehmen Im vergangenen Dezember haben sich Vertreter*innen von 30 Organisationen auf Einladung der Evangelischen Landeskirche in Baden zu einem Sondierungstreffen getroffen. Sie beschlossen 2021 eine gemeinsame Kampagne zu starten. Bis zu diesem Zeitpunkt wollen die Organisationen das Szenario bekannt machen und weitere Unterstützerfür die Kampagne gewinnen. Im Frühjahr erscheinen eine englische und eine französische Übersetzung, so dass auch andere europäische Länder, sich mit dem Szenario befassen und ein für ihr Land passendes Szenario schreiben können. Denn nur wenn es gelingt, neben den Deutschen auch andere Europäer*innen für eine zivile Sicherheitspolitik zu gewinnen, wird sich die Politik verändern. Weitere Informationen: www.ekiba.de/ friedensszenario – Das Buch kann für 9,95 Euro bei Elisabeth Russy: Elisabeth.Russy@ekiba.de bestellt werden.

Stefan Maas ist Friedensbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden


FRIEDENSPROJEKT EUROPA

Drohnen mit EU-Stempel Mit PESCO treibt die EU den Weg in den Drohnenkrieg voran

Die Pläne gibt es schon länger, aber mit der neuen PESCO-Projektwelle bekommt die Eurodrohne frischen Wind unter die Tragflächen. Im Rahmen der so genannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit soll auch die europäische Militärdrohne gezielt gefördert werden. Unter dem Stichwort „European Medium Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft Systems – MALE RPAS (Eurodrone)“ wird in der neuen Peso-Projektliste auch die Eurodrohne geführt, wobei MALE RPAS für Medium Altitude Long Endurance / Remotely Pilo­ted Air System steht. Es handelt sich um Drohnen, die eine mittlere Höhe von 5.000 bis 15.000 Metern erreichen und dabei 24 Stunden oder länger in der Luft bleiben können.

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ie Eurodrohne soll ab 2025 als Teil souveräner europäischer Militärkapazitäten zur Verfügung stehen. Beteiligt an dem Projekt sind Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Tschechien, wobei Deutschland die Projektleitung inne hat. Gebaut werden soll die Eurodrohne von Airbus Defence and Space (Deutschland), Dassault Aviation (Frankreich) und Leonardo (Italien). Und dieser Zeitplan gilt. So teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage mit, sie gehe „unverändert davon aus, dass die Entwicklung eines serienreifen Systems bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein wird“. Dabei kam auch heraus, dass die Eurodrohne genaugenommen nicht Teil von PESCO ist, sondern dass das PESCO-Projekt die Eurodrohne ergänzt. Die Bundesregierung erklärt den Unterschied so: Bei der Eurodrohne geht es um deren Entwicklung und Beschaffung, beim PESCO-Projekt um Kooperation bei Betrieb und Nutzung der Eurodrohne.

Dabei muss es aber nicht bleiben, denn die Eurodrohne ist mit einer Länge von zehn Metern prinzipiell groß genug, um Waffen tragen zu können. „Eine Bewaffnung ist als Option vorgesehen“, schreibt das Branchenblatt Flug Revue (26.04.2018) ausdrücklich.

Die Bundeswehr soll fünf Systeme erhalten, die aus 21 Drohnen und 16 Bodenkontrollstationen bestehen. Spanien will 15 Systeme kaufen, Frankreich laut Presseberichten acht Drohnen. Die Eurodrohne dient zunächst einmal der Luftaufklärung.

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Zugleich gilt die Eurodrohne als industrie­ politisches Schlüsselprojekt, denn Droh­ nen gelten als Zukunftstechnologie. Mindestens 45 Länder entwickeln solche unbemannten Luftfahrzeuge. Genutzt wer­den Drohnen längst auch zivil, etwa in der Landwirtschaft. Militärs schätzen die unbemannten Flugobjekte zur Aufklärung, aber auch als Waffen. Berühmt-berüchtigt ist der Drohnenkrieg, mit dem die USA bis heute Jagd auf vermeintliche oder tatsächliche Terrorist*innen machen. Die Drohnenkrieger*innen sitzen dabei tausende Kilometer entfernt am Joystick. Das Leben der eigenen Soldat*innen wird dabei nicht gefährdet. amit die EU bei Militärdrohnen nicht abhängig ist von außereuropäischen Herstellern, wurden bis 2017 mindestens 85 Millionen Euro in die Entwicklung der Eurodrohne gesteckt. Probleme sind dabei nicht ausgeschlossen. Schon im Jah8

resrüstungsbericht, den das Bundesverteidigungsministerium im Frühjahr 2018 vorlegte, wurde die Öffentlichkeit auf Verzögerungen eingestimmt: „Die im Projekt Eurodrohne identifizierten politisch/ strategischen Risiken begründen sich im Wesentlichen in der Multinationalität des Projekts“, heißt es dort. Wenn mehrere Nationen an einem Projekt beteiligt sind, mache das die Koordinierung schwierig. Es wäre nicht die erste Problemdrohne, mit der die Bundeswehr zu kämpfen hat. Schon einmal war ein Drohnenprojekt krachend gescheitert. 2013 musste Verteidigungsminister Thomas de Maizière den Kauf der US-Drohne Euro Hawk absagen. Die Drohne wird vom US-Rüstungskonzern Northrop Grumman hergestellt, heißt eigentlich „RQ-4 Global Hawk“ und sollte als Euro Hawk in Europa eingeführt werden. Doch das ging schief - die EU-Flugsicherheitsbehörde verweigerte die Zulassung, weil die Drohne über kein Antikollisionssystem verfügte. Schließlich stoppte Thomas de Maizière das Projekt, musste sich aber einem Untersuchungsausschuss stellen; die Regierungsmehrheit entlastete ihn. Unterm Strich wurden mindestens 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt, wie die Linke damals in ihrem Sondervotum schrieb. Doch bei diesem Debakel soll es nicht bleiben. Vor allem an Antikollisionssystemen wird gearbeitet. Die Unternehmensgruppe Hensoldt gab Anfang des Jahres bekannt, ein solches System erfolgreich getestet zu haben. Das Unternehmen gab sich optimistisch, in weiteren Tests beim Finetuning voranzukommen. Mit einem entsprechenden System soll dann die Eurodrohne ausgerüstet werden, um eine Zulassung im europäischen Luftraum zu bekommen und ein zweites Euro-Hawk-Desaster zu vermeiden.


EURODROHNE GLOBAL HAWK Fotos: © Bobbi Zapka, U.S. Air Force

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islang nutzt die Bundeswehr Drohnen zur Aufklärung. Stand 2013 hatte sie insgesamt mindestens 580, nach anderen Angaben 871 Drohnen zur Verfügung, von denen 60 in Afghanistan eingesetzt wurden. Drohnen wie LUNA, Aladin und Heron 1 dienen der optischen Aufklärung oder der Zielerfassung wie das KZO (Kleinfluggerät Zielortung). Was fehlt im Einsatzspektrum sind Drohnen, die als Waffensystemträger dienen. Dazu könnte nur Heron TP eingesetzt werden oder die dann aber nicht angeschaffte Euro Hawk. Und als Kampfmittel ließe sich die israelische IAI Harop einsetzen. Die Bundeswehr nutzt sie zusammen mit dem KZO von Rheinmetall als Verbundsystem unter dem Namen WABEP (Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen). Weil die Harop ausgesuchte Ziele in einem Kamikazeangriff zerstört, sieht die Bundesregierung sie allerdings nicht als Drohne oder UAV (unmanned aerial vehicle – unbemanntes Luftfahrzeug) an, sondern als Wirkmittel, vergleichbar mit Munition. Es ist offensichtlich, was die Bundeswehr gegenwärtig kaum hat und was also noch nachgekauft werden soll: Drohnen, die als Waffensystemträger und Kampfmittel einsetzbar sind. Am 13. Juni 2018 gaben

Verteidigungs- und Haushaltsausschuss grünes Licht für das Projekt, für rund eine Milliarde Euro fünf Drohnen vom Typ Heron TP zu leasen. Hersteller ist die israelische Firma Israel Aerospace Industries (IAI), bereitgestellt und gewartet werden die Drohnen von Airbus. Mit der Drohne least sich Airbus israelisches Knowhow, die deutschen Drohnenbauer können hier wertvolle Kenntnisse sammeln. Dass die Bundeswehr nach Israel ausweicht, hat aber auch noch einen ganz profanen Grund. In Deutschland dürfen militärische Drohnen nicht ohne weiteres fliegen, zu groß ist die Gefahr von Kollisionen. Das Geschäft ist pikant, weil die Heron TP bewaffnungsfähig ist, wie auch die Bundeswehr zugibt. Für bewaffnete Drohnen hat der Bundestag bisher aber kein grünes Licht gegeben. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung heißt es dazu: „Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“ Es ist offensichtlich, dass die Bundesregierung mit der Ausbildung an der Heron TP schon mal den Grundstein dafür legt, dass deutsche Soldat*innen eines Tages bewaffnete Droh9

nen einsetzen können. Sollte der Bundestag dann grünes Licht geben, wäre bereits alles da: Kampfdrohnen und Soldat*innen, die sie bedienen können. Welche Drohne sozusagen „über Nacht“ zur Kampfdrohne mutiert, Heron TP oder die Eurodrohne, ist gar nicht mehr entscheidend. Dann ist die Frage nicht mehr, welche Drohne, sondern Bewaffnung – ja oder nein. Nichts scheut Ursula von der Leyen mehr als eine offene Debatte darüber, denn sie weiß ganz genau, dass sie in der Bevölkerung keine Mehrheit dafür bekommen würde. Durch weitere Aufklärung und Aktionen können wir dafür sorgen, dass die Einführung einer bewaffneten Drohne schwieriger wird, als die Bundesregierung es plant.

Tobias Pflüger, ist Friedens­ akti­vist, im Vorstand der Informations­ stel­le Militari­ sie­­rung und verteidigungs­ politischer Spre­cher der Bundestags­frak­ tion DIE LINKE.


FRIEDENSPROJEKT EUROPA

Weiterführende Informationen: • www.ippnw.de/frieden • Informationsstelle Militarisierung: www.imi-online.de • forumZFD: www.forumzfd.de • Plattform Zivile Konfliktbearbeitung: www.konfliktbearbeitung.net • Kooperation für den Frieden: www.koop-frieden.de

Sie wollen mehr? Die Artikel dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 157, März 2019. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomenergie, Erneuerbare Energien, Atomwaffen, Friedenspolitik und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungshinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint vier Mal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelene Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.

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