Meltnews 2011 - Sonntag

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Eine Zeitung von Intro und Frankfurter Rundschau

INCLUDING ENGLISH SECTION FROM PAGE 14–15

No 3 Sonntag 17. JULI 2011

The Streets

MeltNews! sprach nach der Show mit Mike Skinner | Seite 2

Patrick Wolf

Ente süß-sauer hätte ihm fast das Melt! vermiest | Seite 7

Pulp

Die Britpop-Helden sind das Highlight am Sonntag | Seite 10

Foto: Dennis Dirksen

Beady Eye sind nicht Oasis

Abschied von den Rockstars Oasis waren 2009, 2011 sind Beady Eye: Die neue Band von Liam Gallagher versuchte, an alte Pfründe anzuknüpfen. Der Erfolg blieb vergangene Nacht aus. Text: Christian Steinbrink Nie wurde im Künstlerbereich des Melt! ein ähnlicher Aufwand betrieben wie im Jahr 2009. Für eine besondere Band wurden den ganzen Festivalsonntag lang ein großes Areal abgesperrt, persönliche Shuttles bereitgestellt und haufenweise VIP-Gäste vertrieben. Die Band hieß: Oasis. Als die britischen Rockstars ihr Tagwerk beendet und Minuten später wieder abgereist waren, variierten die Meinungen über den Gig zwischen nervig und erhaben. Viele nüchterne Betrachter fragten sich,

ob der Aufwand für die Briten noch gerechtfertigt sei. Die Legionen von Landsleuten, die mit Union Jacks und Ale über den Kanal geschippert waren, sahen das anders: Sie feierten ihre Helden euphorisch. Nie kamen mehr Fans aus dem Vereinigten Königreich zum Melt! als 2009. Wenige Wochen später, Ende August, gab der eine der beiden manischgenialischen Gallagher-Brüder, Noel, spätnachts auf der bandeigenen Webseite ein Statement ab. Er erklärte seinen Ausstieg und entschuldigte sich dafür, gebuchte Festival-Gigs in den kommenden Tagen absagen zu müssen. Kurz darauf äußerte sich sein Bruder Liam und es war klar: Oasis sind Geschichte. Danach passierte zunächst wenig – kein Wunder bei einer Band, die ganze 18 Jahre lang den Pop eines ganzen Kontinents entscheidend mitgeprägt hatte. Der erste der streitbaren Brüder, der ein neues Lebenszeichen absetzte, war Liam, der stets coolere, aber auch etwas dümmlicher wirkende Frontmann. Er gründete mit dem Rest der alten Stammband Beady Eye. Wohl mit dem Ziel, seinen ewigen

Minderwertigkeitskomplex zu überwinden und dem großen Bruder zu beweisen, dass er auch ohne ihn zurande kommt. Die Band veröffentlichte ein Album mit dem programmatischen Titel »Different Gear, Still Speeding«. Die Reaktionen von Presse und alten Fans aber blieben durchwachsen. Irgendetwas fehlte beiden Parteien, und sei es nur der unterschwellig spürbare Zwist der Brüder. Der gestrige Auftritt beim Melt! war für Beady Eye eine Art Nagelprobe: Einerseits der erste Festivalauftritt in Deutschland, andererseits mit dem legendär kontroversen Oasis-Gig von 2009 als hoher Maßstab. Liam Gallagher ist lang genug im Geschäft, um das zu wissen – daher dürfte der Anblick von der Bühne herab für ihn ernüchternd gewesen sein: Nur etwa die Hälfte der Arena vor der Main Stage war gefüllt. Kein Vergleich zu der besagten Oasis-Show, bei der sogar die Treppen gerammelt voll waren. Aber jeder Fan weiß, dass der Sänger laut selbstgestricktem Mythos der arbeitenden Klasse entstammt, nie etwas geschenkt bekommen und schon

früh zu kämpfen gelernt hat. Heißt: Er schluckte seinen Groll herunter und legte sich ins Zeug. Tatsächlich kann man Beady Eye nicht vorwerfen, sie wären reine Oasis-Klone. Die Mehrzahl ihrer Songs klang rauer und rockiger als anno dazumal, Noels Akustikgitarre gehört der Vergangenheit an. Beady Eye sind räudiger Sixties-Rock aus den Rauchschwaden des Pubs, bei dem der Sänger wie zufällig nach Liam Gallagher klingt. Aber es half nicht viel: Außer beim harten Kern der Gallagher-Fans vorne tat sich wenig. In den hinteren Reihen schauten die Leute eher teilnahmslos zu und schreckten nur kurz auf, als Liam ein paar harsche Worte ins Publikum warf. Er meinte es nicht böse, war im Vorfeld sogar unprätentiös wie nie zuvor. Selbst Backstage genoss er außer einer eigenen Umkleide keine Extrawürste. Er lief ohne Allüren durch die Gegend und ließ sich fotografieren. Wahrscheinlich hat er längst gemerkt, dass er mit seiner zweiten Karriere wieder weiter unten anfangen muss. Bedauerlicherweise fehlt Beady Eye dafür nur eine erfolgversprechende Zutat: Hits.

Genau das war der Punkt, an dem alten Fans am schmerzlichsten bewusst geworden sein dürfte, dass mit Bruder Noel der eigentliche Songwriter fehlt. Beady Eye reproduzierten live wie auf ihrem Debütalbum altbekannte Harmonie-Standards des Britrock. Manche verdächtig nah an alten Oasis-Heulern. Die Band, die zu großen Teilen aus Ex-Oasis-Mitgliedern besteht, verhielt sich ihrem fortgeschrittenen Alter angemessen: engagiert, aber mit einer lässigen Routine. Dennoch verging den abgezockten Platzhirschen am gestrigen Abend irgendwann die Lust. Beady Eye spielten ihre Songs solide herunter. Nur Gallagher bäumte sich in neuem Anorak und alten Rotzlöffel-Posen auf. Aber selbst er wird bald erkennen müssen, dass die Zeit der großen Rockstars bald Geschichte sein könnte. Es jagt keinem Act mehr Angst ein, auf einem Festival zeitgleich mit einer GallagherBand zu spielen. Beady Eye sind nicht mehr als eine traditionsverliebte Britrock-Band, aber auch nicht weniger. Auf der Bench Main Stage gewannen dieses Jahr andere.


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