Intro #237

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#Pop #Kultur #Life #Style #Star Wars

Star Wars

ERWACHET!

Grimes — Die Nerven — Vivienne Westwood — Coma — Joanna Newsom

— Bill Drummond — Reportage: Mit DIY zum Mond— Chvrches

#237 November 2015 gratis www.intro.de


Du hast jeden Song der Welt. Doch – wie hörst du ihn?



DEUTSCHLANDS GRÖSSTER RADIO-AWARD AM 03.12.2015 / JAHRHUNDERTHALLE BOCHUM AB 20.00 UHR IN 1LIVE UND AB 22.00 UHR IM WDR FERSEHEN / # KRONE 15


Unsere Partner

Fotografie: detlefovermann.de / Layout: karenadams.de


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#Intro Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im Novem­ ber 2005? Intro #133

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 94993-0, Fax +49 221 94993-99 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirector Holger Risse Projektleitung Martin Lippert

Covergeschichte: Haare, Haare, überall Haare: Das Cover

ziert ein Kopf mit nichts als Haaren, auch im Gesicht. Darunter steht in haariger Schrift »Haarpop« – eine neue Musikrichtung etwa? Rapunzel-Rap? Selbst das Intro-Logo wurde vermutlich mit einer für damalige Verhältnisse brandaktuellen Photoshop-Funktion namens »Haarschablone« oder so verwirklicht. Bäh! Storys: Seeed, Arctic Monkeys, Gravenhurst, Louis XIV, Puppetmastaz, Matias Aguayo, Why?, Mike Ness / Campino, Silver Jews, Animal Collective, Martha Wainwright Wichtige Alben: Boards Of Canada »The Campfire Headphase«, Arab Strap »The Last Romance«, Animal Collective »Feels«, Gravenhurst »Fire In Distant Buildings«, The Mitchell Brothers »A Breath Of Fresh Attire«, Louis XIV »The Best Little Secrets Are Kept«, The Pixies »Sell Out«, Rihanna »Music Of The Sun«, Sunn O))) »The Black One« Platten vor Gericht: Sieger: Gravenhurst – 7,16 / Letzter: Peter And The Test Tube Babies – 3,27 Besondere Vorkommnisse: Auf Seite 15 gibt’s schon ältere Haircrimes aus der Intro-Belegschaft. Obwohl die Namen drunterstehen, will man viele von ihnen einfach nicht erkennen. Und ist es eigentlich Zufall oder Verblendung, dass man auch auf allen übrigen Heftseiten, die gar nicht zwingend das Haarthema kratzen, plötzlich nur noch Haare sieht? Schlagzeile des Monats: Angela Merkel wird Bundeskanzlerin +++ Bislang größter Stromausfall in der Geschichte Deutschlands ereignet sich im Münsterland +++ Krawalle in Pariser Vorstädten

Redaktion Senta Best (#Life), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (#Review), Jenny Weser (#Style), Frederike Wetzels (Foto), Kristina Engel (Lektorat), Sermin Usta (Volontariat) Redaktionsassistenz Alexandra Heckel Live-Redaktion Carsten Schumacher, Julia Brummert, Thomas Lorber Layout Jörn C. Osenberg (osi), Vanessa Weber, Eleni Mihailidis Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Philip Fassing, Bastian Küllenberg Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Emanuel Bergmann, Kristof Beuthner, Alex Bohn, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Cay Clasen, Doc Intro, Elisabeth Eberhardt, Valentin Erning, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Boris Fust, Kathrin Gemein, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Mark Heywinkel, Moritz Honert, Leopold Hutter, Christian Ihle, Ulf Imwiehe, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Sinem Kilic, Dennis Kogel, Kerstin Kratochwill, Astrid Kusser, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Nadja Neqqache, Sarah Neuhaus, Katja Peglow, Kerstin Petermann, Olaf Radow, Verena Reygers, Henje Richter, Sven Riehle, Martin Riemann, Felix Scharlau, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Frank Schuster, Hanno Stecher, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Jan Tölva, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Thomas Venker, Daniel Voigt, Linus Volkmann, Benjamin Walter, Timo Weber, Jan Wehn, Liz Weidinger, Michael Weiland, Holger Wendt, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Sebastian Witte, Peter Wittkamp, Fabian Wolff, Marius Wurth Cover Nikolas Müller Fotos Carmen Catuti, Patrick Desbrosses, Peter Kaaden, Tina Linster, Joseph Wolfgang Ohlert, Matthew Reamer, Jenny Schäfer, Marina Weigl, corbis, Getty Images und Pressebildfreigaben Illustrationen Julia Feller, Peter Hoffmann, Alexandra Ruppert Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Christina Deutsch PraktikantInnen Isabelle Friedrich, Carolin Stölting, Lena Willems, Louisa Zimmer Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 94993-41) Abo Lisa Münzenberger (abo@intro.de) Brandmanagement Eike Wohlgemuth Public & Media Relation Claudia Trede (claudia.trede@gemeinsame-sache.net), Michael Gwiozdzik (michael.gwiozdzik@intro.de) Anzeigen & Administration Eva Sieger (Leitung – Fon +49 221 94993-12, Fax +49 221 94993-88), Florian Schuster Director Marketing & Sales Oliver Bresch (Fon +49 221 94993-13) Marketing & Sales Büro Köln Fon +49 221 94993-Durchwahl: Martin Lippert -17 (Head of Sales Intro – Tonträger, Film, Kultur, Marken), David Winter -63 (Head of Digital Sales – Marken, Media), Laura Heinrichs -82 (Marken, Media), Backoffice & Digital Ad Management: Sonja Reitemeier -40 & Sabrina Esser -33 Büro Berlin Sebastian Siegmund +49 30 403670511 (Konzertagenturen & regionale Kunden), Frank Straessner +49 30 403670520 (Marken, Media, Musik) Aktuelle Anzeigenpreisliste Mediadaten 2015 (Nr. 25 aus 12/14) Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900 Termine für Nr. 238 / Dezember 2015 & Januar 2016. Redaktionsschluss: 06.11.2015; Termin- & Anzeigenschluss: 13.11.2015; Druckunterlagenschluss: 17.11.2015; Erscheinungstermin: 30.11.2015

In Zeiten von Spam-Mails, TwitterShitstorms und Facebook-Hetze freut man sich doch irgendwie immer wieder über handgeschriebene und -feste Post, wie sie uns zum Gewinnspiel unserer Filmbeilage »Projektor« erreichte. Obwohl, na ja, mhm, äh, mussten es denn gleich die nächstbesten Postkarten aus dem Kneipenständer sein? Da wird ja selbst die Glücksfee blind!

Tja, so schnell kann's gehen: Eben noch putzte Linus Volkmann seine Brille mit Zehn-Euro-Scheinen, sprach von Angeboten anderer und sagte, die »Intro-Deppen« sollten sich wen anders suchen. Und dann saß er doch auf der Straße. Aber wir sind ja nicht so: »Kurzer Prozess« und Linus sind zurück! Geiler, härter, schneller auf youtube.com/intromagazin.

Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen IVW-geprüfte Auflage & Verbreitung III. Quartal 2015 Druckauflage: 121.192 / verbreitete Auflage: 118.130 (Durchschnittszahlen) Bezugsquellen Erhältlich an 1.289 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos! Proud Member of the Hörstmann Unternehmensgruppe


#Intro Editorial

#Intro

Das unschuldig weiße Cover soll nicht von der Tatsache ablenken, dass wir uns damit klar für die dunkle Seite der Macht entschieden haben. Nicht weil wir insgeheim das Universum unterjochen wollen, sondern weil wir wie viele »Star Wars«-Fans der Meinung sind, dass die Ästhetik des Imperiums einfach die coolere ist. Mit dieser Themenausgabe wollen wir schon jetzt die Vorfreude auf einen »Star Wars«-Film schüren, der vieles richtig zu machen scheint. Deshalb sprachen wir für unsere Titelstory mit den jungen Schauspielern aus »Das Erwachen der Macht«, die an der Seite der »Alten« dafür sorgen sollen, dass die Saga im Dezember ehrenvoll weitergeführt wird und nicht wieder als seelenlose CGI-Effektfahrt (ver-)endet – siehe Episode I bis III. Außerdem befassen wir uns mit den wahren Helden des »Star Wars«-Imperiums: den Fans, die das Franchise mit eigener Kreativität am Leben halten. Und natürlich gibt’s auch in dieser Ausgabe eine Menge Musik, beispielsweise von tollen Künstlerinnen wie Little Simz, Joanna Newsom, Grimes und Bands wie Chvrches, Die Nerven oder Deerhunter. Viel Spaß beim Lesen! Oder wie sagt man in diesem Fall? Möge die Macht …

3D Rendering: Nikolas Müller

Darth Koch (im Namen der Redaktion)

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Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN

Fotografin Marina Weigl ist die wahrscheinlich leidenschaftlichste Bastlerin und Tüftlerin Kölns. Oder des ganzen Planeten. Und die charmanteste noch dazu. Genau die Richtige also, um Fashion und »Star Wars« unter einen Helm zu bringen. Glitzer, Stormtrooper, Laser und eine nackige Luke-Skywalker-Büste? May the Modestrecken-Force be with you, Marina!

Der 3D-Künstler und Diplom-Designer Nikolas Müller führte bei unserem »Star Wars«-Cover sozusagen Regie. Er modellierte und renderte ein 3D-Modell des neuen Stormtrooper-Helms. Das klingt leichter gesagt als getan, denn dieses Modell musste anhand von Szenenbildern angefertigt werden. Zum Glück hatten Fans schon ein wenig Vorarbeit geleistet. Für unsere Trennerseiten zerfetzte Nikolas dieses Modell dann wiederum, um neue bizarre Formen zu erschaffen, die bisweilen aussehen, als seien sie einst HR Gigers Hirn entsprungen. Ein Interview gibt's auf intro.de unter #Nikolas Müller.

Aus der Redaktion Daniel: »Okay, welcher Spaßvogel ist denn unter dem Namen Bill Gates im Dokument?«

»Ein guter Assistent ist so selten wie ein guter Designer.« Vivienne Westwood hat ihren 1992 einfach geheiratet. Der 25 Jahre jüngere Andreas Kronthaler ist auch bei ihrer Audienz in Mönchengladbach dabei. Dort erzählt Miss Westwood zum Beispiel, wie sie ihre zwei Söhne im Kindesalter mit dem Fahrrad zu den Großeltern schickte, die mal eben über 100 Kilometer entfernt wohnten. Sie verfuhren sich, klingelten bei Anbruch der Nacht an irgendeinem Haus, wo sie auch übernachten durften, die Polizei wurde informiert. Vivienne Westwood dazu: »Damals durften Kinder noch Abenteuer erleben.«

Jenny: »Birnen sind eh die geileren Äpfel.«

Dass es diese »Star Wars«Ausgabe gibt, liegt zu großen Teilen am Engagement von FestivalguideRedakteurin Julia Brummert und Online-Redakteur Bastian Küllenberg. Sie warben schon früh für die Idee, das Fan-Universum der Sternensaga auszuleuchten, und schafften Themen im Dutzend ran. Julia sprach zum Beispiel mit Laela French, der Hüterin des »Lucasfilm Archives« und Bastian mit Stormtrooper Markus Rau, dem Commanding Officer der 501st German Garrison.

Bastian: »Dieser Kaffee ist wie ein Rollkragenpulli für die Zunge.« Carsten: »Ach, wir improvisieren morgen. Und den Rest füllen wir halt mit Alkohol auf.« Wolfgang: »Mach da kein Komma hin, wir haben eh schon so viele Kommas im Heft.« Frederike: »Brot wirkt irgendwie immer so dümmlich.«


Inhalt

INHALT #Intro

#Pop

Bilder von: »Star Wars – The Force Awakens«, »Fall« von Ryan McGinley, Harris Glenn Milstead in »Andy Warhol. Polaroids 1958–1987« 10

Joanna Newsom: Was vom Freak übrig blieb 38

Blitzidee beim Zahnarzt: Oneohtrix Point Never

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Laela French: Im Traumland für Filmfans 16 Das Arschloch Angst: Von Brücken

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Auftakt mit: Sido, Asbjørn, Kratzen & Beißen, Converse Rubber Tracks, Top 7: Star Wars DIY, Peter Mayhew, Enno Bunger, Here We Go Magic, Born Ruffians, El Vy, Steven A. Clark, Figrin D’an And The Modal Nodes, Kodiak Deathbeds 20

Inhalt statt Trash: Little Simz

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Coma: Club oder Heim? 44 Cover-Welten: Weltraum und Co. 46 Aufblühen unterm Lorbeerkranz: Die Nerven

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Monster als Musen: Grimes 50 Deerhunter: Negativ wie immer 52 Funktionieren nur als Ganzes: Chvrches 54

#Kultur Schnappatmung galore: Star Wars 58 Bill Drummond nach The KLF 62 Steve Jobs: Menschlich gesehen 64 Neue Filme & Serien 65 Alan Tudyk über Con Man und Star Wars 70 Games: Star Wars, Halo 5 u. a. 72

#Life Reportage: Mission Mond 76 First World Problems: Namensfindung 81 Leben als Teilzeit-Stormtrooper 82

#Style Modestrecke: Style Wars 86 Vivienne Westwood 92

#Review Platten vor Gericht 96

Foto: Patrick Desbrosses

Neue Platten: Lana Del Rey, New Order, Janet Jackson, !!!, Claptone, Deerhunter, Here We Go Magic, John Newman und viele mehr 98 Impressum / Dein Intro 6

#Preview

Abo 15

Intro empfiehlt 120

Katz & Goldt / Demnächst 130

Kalender 122

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»Everything changed but nothing’s changed. That’s the way you want it to be.« So sagte es Luke-Skywalker-Darsteller Mark Hamill in einer Kurzdoku über »Star Wars – Das Er­ wachen der Macht«. Diese Szene aus dem Filmtrailer zeigt sehr deutlich, was er meint: Vertraute Raumschiffe kämpfen einen neuen Kampf in den Überresten des alten. Klar, dass die Fans bei diesen Szenen Pipi in den Augen bekommen.


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Der Herbst ist die schönste Zeit des Jahres. Das beweist der New Yorker Fotograf Ryan McGinley, der für seine »Fall«Ausstellung nackte Motive inmitten von wunderschönen Farbexplosionen inszenierte. Wer einen Herbsttrip nach New York plant, kann die Bilder ab Mitte November in der Team Gallery anschauen. Im Netz findet man »Fall« und übrigens auch »Winter« auf ryanmcginley.com.


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»Bevor es Instagram gab, gab es Warhol.« Etwas reißerisch, dieser Slogan des Taschen Verlags zum neuen Bildband: »Andy Warhol. Polaroids 1958–1987«. Aber eben nicht falsch. Warhols »visuelles Tagebuch«, so nannte er seine Polaroidsammlung, funktioniert in der Tat ähnlich. Hier im Bild übrigens die Schauspielerin, Sängerin, Drag Queen Harris Glenn Milstead alias Divine.


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#Pop #Oneohtrix Point Never

Oneohtrix Point Never

ZAHNBOHRER VERSUS PHIL COLLINS #Pop — Das Internet: unendliche Weiten, tiefe Abgründe und Katzen, die auf Synthesizern durchs All schweben. Irgendwo in dieser Galaxie zieht auch Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never seine mysteriösen Bahnen aus Vocoderstimmen, Drumgetöse und Hypergrunge. Karola Szopinski bat den New Yorker Produzenten um Interpretationshilfe bei seinem neuen Album »G.O.D.«.

U

m gleich zu Beginn das erste Rätsel zu lüften: Oneohtrix Point Never (OPN) ist ein Wortspiel, das sich auf die Frequenz 106.7 des Bostoner Radiosenders WMJX bezieht. Die Idee zu OPN kam Daniel Lopatin 2007 beim Zahnarzt. »Während ich das Metallgeräusch auf meinen Zähnen hörte, lief Phil Collins im Radio. Ich fand es interessant, wie diese zwei gegensätzlichen Klangwelten gleichzeitig stattfanden, und wollte Musik machen, die so klingt.« Zuvor war der umtriebige Musiker bereits solo als Chuck Person und in zahlreichen Kooperationen wie Ford & Lopatin oder Tim Hecker / Daniel Lopatin aktiv gewesen. OPN ist das bisher wohl persönlichste Projekt des rastlosen Amerikaners. Gelangweilt von musikalischen GenreSchubladen, möchte OPN »das ganze Bild zeigen und ein Gemälde verschiedener Einflüsse zeichnen«. Auf Tour mit Nine Inch Nails kam ihm die Idee zum neuen Album »Garden Of Delete«: »Ich wuchs mit dieser Band auf. Die Musik erinnert mich an die traumatische Zeit der Pubertät. Ich wollte die Eigenheiten dieser Klänge nutzen und sie zu etwas Interessantem umformen.« Das Ergebnis beschreibt OPN als »wirklich verrückte Lieder«, die jedoch nicht so filmisch seien wie auf dem Vorgängeralbum »R Plus Seven«. »Meine Mutter sagte, meine früheren Sachen seien ein einziges Wirrwarr für sie. Sie mag die Musik, muss sich aber immer einen Film dazu vorstellen, um sie leichter hören zu können. Bei meinem neuen Album genoss sie einfach die Lieder. Das freute und

erleichterte mich sehr, denn das war meine Absicht.« Um sich und seine Fans bis zum Albumrelease bei Laune zu halten, inszenierte OPN eine virtuelle Schnitzeljagd. Mithilfe eines Aliens namens Ezra (OPNs Metapher für die Pubertät), eines ominösen Briefs an die Fans sowie von zwielichtigen Blogs gab er Stück für Stück mehr über das neue Album preis. »Es war spannend, zu sehen, wie Leute von ganz alleine ihre Rolle in dem Ganzen einnahmen

und Sachen rebloggten. Ich las ihre Posts und fügte Sachen hinzu, um zu sehen, wie weit man das verstörende Zeug treiben kann, indem man einfach mitspielt.« Was nach ausgeklügelter viraler Marketingstrategie klingt, ist für Lopatin Kritik an ebendieser: »Ich finde es ekelhaft, Menschen glauben zu lassen, etwas Durchgeplantes sei organisch, und wollte meine eigene satirische Version davon machen.« Viel weiter will OPN das Spiel mit den Untiefen des Internets jedoch nicht treiben, »sonst lande ich immer tiefer in diesem verrückten Kaninchenbau!« — Oneohtrix Point Never »Garden Of Delete«

(Warp / Rough Trade / VÖ 13.11.15) — Auf Tour am 10.11.

»Ich finde es ekelhaft, M ­ enschen glauben zu lassen, etwas Durchgeplantes sei organisch, und wollte meine e ­ igene ­satirische Version davon machen.«


Abo

#ABO

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Daniel Espinosa »Kind 44«

Star Wars »Chewbacca«

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W. Jahnke, M. Scholten, J. Meininghaus »Es War Einmal … Mein Erstes Mal Star Wars« Buch – Schüren Verlag

David Cronenberg »Naked Lunch«

Star Wars »Stormtrooper«

BD – Studiocanal

T-Shirt** – Bravado.de

Jennifer Kent »Der Babadook«

Torsun »Raven Wegen Deutschland«

Mediabook (DVD&BD) – Capelight

4CD-Hörbuch – Audiolith / Broken Silence

Lenny Abrahamson »Frank«

Vince Gilligan & Peter Gould »Better Call Saul«

DVD/BD – Weltkino

BD – Sony PHE

Herzensangelegenheit des Monats: Sämtliche Erlöse der Doppel-CD »Kein Mensch ist illegal« werden an Pro Asyl und Kein Mensch ist illegal ge­ spendet. Das Album gibt es deshalb nicht als AboPrämie. Wir bitten euch: Unterstützt das! (Unter Schafen / Al!ve)

* Abo-Preise: Inland 30 € (inkl. Prämie), Ausland 35 € (exkl. Prämie), Ausland 42 € (inkl. Prämie). Abo-Dauer: ein Jahr, danach automatische Verlängerung. Das Prämien-Kontingent ist begrenzt – keine garantierte Lieferung der Wunschprämie. Prämienversand erst nach VÖ-Termin der Prämie und Zahlungseingang. Vorzeitige Abo-Kündigung berechtigt nicht zur Erstattung etwaiger Restbeträge. Bestellwiderruf bis vierzehn Tage nach Bestelldatum möglich. Alle Details: siehe intro.de/abo. ** Bitte Größe angeben!

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#Life #Star Wars #Laela French

Laela French

DIE ­HÜTERIN DER BUNDESLADE D #Life — Laela French hat einen Traumjob: Als Chef-Archivarin im »Lucasfilms Archive« behütet sie Filmrequisiten aus den »Star Wars«- und »Indiana Jones«-Filmen und sorgt dafür, dass wir sie in Ausstellungen wie »Star Wars Identities« zu sehen bekommen. Julia Brummert hat sie angerufen und gefragt, wie es in Darth Vaders Helm riecht. Foto: Matthew Reamer

außerdem maßangefertigt, und Darth Vader ist zwei Meter groß. Das Kostüm würde mir also gar nicht passen.« Aber immerhin, sie lacht bei der Antwort und spricht voller Enthusiasmus von ihrer Arbeit. Für sie ist Indiana Jones’ Hut jedoch interessanter als Darth Vaders Helm: »Ich bin ein größerer ›Indie‹- als ›Star Wars‹Fan. Ich mag die archäologischen Aspekte der Filme sehr. Als wir uns um die ›Indiana Jones‹-Sammlung gekümmert haben, hat mir das Design der Bundeslade sehr gut gefallen, sie ist mein Lieblingsstück im Archiv, weil sie so aussieht, als hätte man sie tatsächlich irgendwo ausgegraben.« Mit Museumsstücken kennt French sich aus. Sie ist Kunsthistorikerin und hat früher für das »Smithsonian Institute« und im »Autry National Center of the American West«, einem Museum für US-amerikanische Kulturgeschichte, gearbeitet. So kam eines zum anderen, und jetzt hat sie neben dem Job als Archivarin bei George Lucas noch eine weitere Aufgabe: Für 2020 ist die Eröffnung des »Lucas Museum of Narrative Arts« in Chicago geplant. French ist wichtig, dass dort kein reines »Star Wars«-Museum entsteht, vielmehr wird es

ie schlechte Nachricht zuerst: Laela French hat derzeit keinen Job zu vergeben. Sie und drei KollegInnen arbeiten im »Lucasfilms Archive«, versteckt auf der Skywalker Ranch in Kalifornien. Wenn man French zuhört, klingt das Archiv nach einem Traumland für Filmfans und -nerds: »Für ›Star Wars‹ hat George Lucas mit Konzept-KünstlerInnen zusammengearbeitet. Sie haben Skizzen gezeichnet und deren Entwürfe diskutiert und geändert, bis sie Georges Vision entsprachen. Erst dann wurden die Modelle gebaut. Dar- »Für uns ist es schon etwas Besonderes, aus wurden die Kos- eines der Stücke in der Hand zu halten und tüme und Masken damit zu arbeiten. Das muss dann aber auch für die Charaktere im Film entwickelt. Wir reichen. Wir sind Profis.« haben alle Teile dieses Prozesses bei uns: die Konzepte, die Skizzen, sich um die Kunst des Erzählens drehen. Im die Modelle und auch die fertigen Kostüme Bereich für Filmdesign und -geschichte werden und Fahrzeuge.« aber auch Teile des »Lucasfilms Archive« zu Wie gerne würden Fans sich eine Nacht sehen sein. Das ist gut, denn das Archiv selbst lang im Archiv einschließen lassen. Einmal ist für die Außenwelt normalerweise nicht im Landspeeder Platz nehmen, eine Jedi-Kutte zugänglich: »Der Andrang wäre viel zu groß, anziehen oder Darth Vaders Helm aufsetzen. wir müssen hier ja auch noch arbeiten«, sagt Kein olles Kostüm-Replikat, nein, den echten. French. Manch ein VIP durfte aber schon mal Laela French kann diesen Wunsch nachvoll- durch die Regalreihen wandern. Für »normaziehen, sie selbst hat aber zu großen Respekt le« Fans bleibt da nur, sich entweder bis 2020 davor: »Für uns ist es schon etwas Besonderes, zu gedulden oder schnell noch ins Odysseum eines der Stücke in der Hand zu halten und in Köln zu fahren: Dort läuft die »Star Wars damit zu arbeiten. Das muss dann aber auch Identities«-Ausstellung mit Teilen des Archivs reichen. Wir sind Profis. Die Kostüme sind noch bis zum 17. November.


‡ Kurz, aber nie zu knapp: der neue smart fortwo. Mit einer Länge von nur 2,69 m kommt der smart fortwo schneller in die Lücke als ihr in eure Lieblingssneaker. Und auch in Sachen Style zieht er neben den anderen Modellen nie den Kürzeren. Denn sein Design ist einfach ausgezeichnet – mit dem Red Dot Award 2015. Also kein Wunder, dass er auf der SNEAKERNESS nicht nur schnell, sondern auch richtig gut angekommen ist.

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smart – eine Marke der Daimler AG


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#Pop #Von Brücken

Problems. Ich dachte, wenn ich jetzt aufhöre, dann kommt vielleicht kein Output mehr. Es funktioniert aber trotzdem.

Inwiefern hat die Krankheit nicht nur deine Wahrnehmung als Person, sondern auch als Künstler geprägt?

NM: Meine Krankheit hat mich natürlich sowohl auf persönlicher als auch auf künstlerischer Ebene beeinflusst. Ich stamme aus der großen deutschen Schule der Empfindlichkeitstexter. Ich schreibe sehr viel über Zwischenmenschliches und über Introspektives. Dabei ist der Umgang mit der Krankheit ein ganz wichtiger. Ich muss aber darauf achten, dass ich nicht anfange, mich in eine Art Sumpf hineinzuschreiben. Womit wir wieder beim leidenden Künstler wären. Das ist ein schmaler Grat. Wie hast du es geschafft, diesen Sumpf mit Von Brücken zu umgehen?

Von Brücken

NM: Es gibt auf der Platte nur einen Song, in dem es konkret um die Krankheit geht, und der heißt auch »Lady Angst«. Ein Konzeptalbum sollte es ganz bewusst nicht werden. Ich habe zu lange dafür gekämpft, dass die Angst nicht mehr mein Chef ist, als dass ich ihr nun ein ganzes Album widmen wollte. Das hat sie nicht verdient, die blöde Sau.

ANGST, DIE BLÖDE SAU #Pop — Nicholas Müller singt wieder. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass er im Frühjahr 2014 seinen Dienst als Frontmann von Jupiter Jones quittierte, weil er unter akuten Angststörungen litt. Das neue Projekt von ihm und Tobi Schmitz heißt nun Von Brücken und fühlt sich an wie eine richtige Band. Annett Bonkowski fragte nach, wie es zu dem doch recht fixen Comeback kam. Foto: Joseph Wolfgang Ohlert

Es heißt, den Neuanfang konntest du dir nur mit Tobias vorstellen. Warum?

NM: Tobi ist schon seit vielen Jahren ein guter Freund, der mich auch in Phasen erlebt hat, in denen eine Zusammenarbeit und ein Zusammenleben als Band gar nicht schön war. Es war für mich ein ungeheurer Vertrauensbeweis, dass er trotz dieses Wissens Ja zur Zusammenarbeit mit mir gesagt hat.

Die Rollenverteilung bei diesem Projekt ist klar zwischen euch abgegrenzt. Ist das, kreativ gesehen, denn immer sinnvoll?

Mit welchen Gefühlen blickt ihr auf diesen Neuanfang?

Nicholas Müller: Es ist das Natürlichste, was ich in den letzten zehn Jahren gemacht habe. Der Weg davor war aber extrem hart. Es war sehr schwer für mich, bei Jupiter Jones auszusteigen. Ich musste gesund werden, und das war kein Pappenstiel. Ich habe bei alldem oft mit mir gehadert, aber seitdem Von Brücken draufsteht, ist es okay. Man muss nicht immer der leidende Künstler sein. In meinem Fall war es vermutlich jahrelang ein Teil des

NM: Ich bin kein Komponist, und Tobi ist kein Texter. Er hat auch schon den einen oder anderen tollen Text geschrieben, und ich habe auf der anderen Seite schon hier und da einen guten Song geschrieben, aber wir wissen trotzdem, wo unsere Grenzen sind. Tobias Schmitz: Die Rollenverteilung beruht auf unserer Wahrnehmung, was unsere jeweiligen Stärken angeht. Ich sage eindeutig: Beim Text ist Nicholas die Instanz von uns beiden, und da will ich ihm gar nicht reinreden. Ich glaube, die bewusst gewählte Rollenverteilung macht Von Brücken so stark, weil dadurch nichts verwässert. — Von Brücken »Weit weg von fertig« (Four / Sony / VÖ 30.10.15) — Intro empfiehlt die Tour vom 10. bis 27.02. — Mehr Interview auf intro.de unter #Von Brücken


P R OM OTI ON

Spotify bastelt Dir ein Mixtape Ein persönliches Mixtape ist ein schöner Liebes- oder Freundschaftsbeweis. Wenn sich jemand Gedanken gemacht hat, was einem gefallen könnte und dazu noch ein paar alte Hits rausgekramt und zusammengestellt hat, fühlt man sich und seinen persönlichen Musikgeschmack gleich wertgeschätzt.

»In mei­ ner ­Jugend fühlte ich mich lange als minder­ wertiger Mensch. Ich dachte, es gäbe ­keinen Platz für jemanden wie mich in der Gesell­ schaft«

Diesen Gedanken hat Spotify aufgegriffen und stellt seinen Usern ab sofort jeden Montag einen individuellen »Mix der Woche« zusammen. Der ist direkt in den Playlists der User zu finden. Die Playlisten umfassen etwa zwei Stunden Musik. Die Mischung basiert auf dem, was man bei Spotify gern und oft hört und darauf, was andere User mit einem ähnlichen Musikgeschmack oft gestreamt haben. Umso mehr Musik man bei Spotify hört, umso genauer kann der Streaming-Dienst die wöchentliche Playlist anpassen. So ist es jetzt noch einfacher und auch persönlicher, auf Spotify neue Musik zu entdecken. Vielleicht landet das ein oder andere Lied dann ja auch in einer Playlist für die Liebsten.

#DeinMixderWoche


#Pop

Mein Song und seine Geschichte

SIDO »MEIN BLOCK« #Pop — Zugegeben: Wir sind noch immer milde schockiert über Sidos Heimatlied »Wiese vor dem Reichstag«. Kurz vor diesem Ausrutscher ließen wir uns von einem unmaskierten Paul Würdig aber noch erzählen, wie seine Karriere mit »Mein Block« damals so richtig in Fahrt kam.

D

ie Idee zu »Mein Block« schleppte ich über ein Jahr mit mir herum. Es war der erste Song, der für mein Album »Maske« stand – zumindest in meinem Kopf. Als ich die Möglichkeit bekam, mir meinen Produzenten auszusuchen, weil Aggro Berlin viel Geld in mein Album stecken wollte, fiel meine Wahl auf das Produzenten-Team Headrush. Auf Roman »Roe ­Beardie« Preylowski bin ich aufmerksam geworden, weil er MC Renes Album »Renevolution« zu verantworten hat und vieles für Olli Banjo macht. Da hieß es immer: Roman hier, Roman da. Irgendwann wollte ich wissen, wer dieser Typ ist. Also hab ich ihn in Düsseldorf besucht. Als ich das Album gemacht habe, konnte ich mir nicht vorstellen, damit jemals so viel Erfolg zu haben. Ich wollte einfach eine Platte machen, vielleicht mal 10.000 Euro verdienen, mir eine größere Menge Drogen kaufen und vom Rest mein Business starten. Das war tatsächlich mein Ziel. Realisiert habe ich den Erfolg erst, als bei »Get The Clip« auf VIVA die Leute immer wieder für den Song anriefen und aus diesem Grund die Anrufsperre von 30 Minuten auf eine volle Stunde verlängert wurde. Es war das erste Mal in der Geschichte dieser Sendung, dass so oft für ein Video angerufen wurde. Die erste Wohnung, die man im Video sieht, war meine eigene. Die, in der ich morgens wach wurde und ein Köpfchen rauchte. Wir sind ins Märkische Viertel gezogen,

als ich in die fünfte Klasse kam. Ich hatte zum Glück nie Probleme, Anschluss zu finden, auch wenn es nicht einfach war, in ein Land mit solchen Klassenunterschieden zu kommen. Das Haus, in dem ich aufwuchs, hatte 15 Stockwerke. Im Song sind es allerdings 16, da es zwei Strophen à 16 Takte gibt und ich für jede Etage zwei Takte brauchte. Es gab einige Leute, die mich für »Mein Block« kritisierten. Sie fragten mich, wieso ich schlecht über unser Viertel reden würde. Ich dachte dann: Wo warst du denn, als der ganze Zirkus war? Nichts von dem, was ich erzähle, ist in irgendeiner Form erfunden. Die Version aus dem Video ist der Beathhovenz-Remix, der exklusiv für das JUICE Magazin produziert wurde, um das Original nicht zu verbraten. Der hat dann so gut funktioniert, dass alle zu mir sagten, ich solle ihn als Single rausbringen. Erst war ich dagegen, am Ende habe ich mich aber breittreten lassen. Die richtige Entscheidung, würde ich sagen. Aufgezeichnet von Sermin Usta — Sido »VI« (Urban / Universal) — Auf Tour vom 01.11. bis 07.12.

Sido »Mein Block« Du in deinem Einfamilienhaus lachst mich aus Weil du denkst, du hast alles, was du brauchst Doch im MV scheint dir die Sonne aus’m Arsch In meinem Block weiß es jeder: Wir sind Stars Hier kriege ich alles. Ich muss hier nicht mal weg Hier hab ich Drogen, Freunde und Sex Die Bullen kommen, doch jeder weiß hier Bescheid Aber keiner hat was geseh’n, also könnt ihr wieder geh’n OK, ich muss gesteh’n: Hier ist es dreckig wie ‘ne Nutte Doch ich weiß; das wird schon wieder mit’n bisschen Spucke Mein schöner weißer Plattenbau wird langsam grau Drauf geschissen. Ich werd auch alt und grau im MV Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend Meine Straße, mein Zuhause, mein Block Meine Gedanken, mein Herz, mein Leben, meine Welt Reicht vom ersten bis zum 16. Stock Der Typ aus’m Ersten war früher mal Rausschmeißer Seitdem er aus dem Knast ist, ist er unser Hausmeister Er ist oft bei der Nutte aus dem Zweiten Jetzt verkauft sie Fotos von ihm beim Arschausweiten Der Fetischist aus dem Fünften kauft sie gerne Er sagt, Rosetten sehen aus wie kleine Sterne Obwohl die von dem Schwulen aus dem Elften immer aussieht Als wenn man den Schwanz gerade frisch rauszieht Und davon sing ich dir ein Lied, du kannst es kaufen Wie die Sekten-Fans aus dem Neunten, die immer drauf sind Genauso wie der Junkie aus’m Vierten Der zum Frühstück erst mal zehn Bier trinkt Dann geht er hoch in den Siebten zum Ticker Er bezahlt für zehn Teile, doch statt Gras kriegt er ‘nen Ficker Damals war der Drogenstock noch der zehnte Der aus’m Siebten ist der, der überlebte Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend Meine Straße, mein Zuhause, mein Block Meine Gedanken, mein Herz, mein Leben, meine Welt Reicht vom ersten bis zum 16. Stock Hier kriegst du alles Im Zwölften bei Manne kriegst du Falschgeld Und ein Bootleg von Eißfeldt Ein Stock höher hat so’n Kerl sein Studio Er rappt und macht Tracks auf die Beats von Coolio Ganz zur Freude der Hausfrau darüber Die sagt: »Männer ficken auch nicht mehr wie früher« Deshalb trifft man sie oft im 15. Stock Bei der Hardcore-Lesbe mit dem Kopf unter ihrem Rock Wenn ich ficken will, fahr ich runter in den Dritten Aber die Braut fick’ ich nur zwischen die Titten Denn der Pornostock befindet sich im Achten Hier könnt ich jeden Tag woanders übernachten Im 16. Stock riecht der Flur voll streng aus der Wohnung Wo so’n Kerl schon seit drei Wochen hängt Ich häng im Sechsten herum, in meinem Stock Mit meinen übergeilen Nachbarn in meinem Block (...)

Foto: Andreas Rentz / Getty Images

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It’s Showtime Folks! Here We Go Magic

DIE MAGIE DES MORGENS

VON DEN MACHERN VON BREAKING BAD

#Pop — Bescheidenheit und Demut waren musikalisch gesehen nie ihr Ding. Die Werkschau von Here We Go Magic strotzt eher vor impulsiv-quirligen Momenten, denen sie nun auf ihrem vierten Album »Be Small« mit einer größeren Ausgeglichenheit begegnen. Bandchef Luke Temple sprach mit Annett Bonkowski über Ruhepole und Pop-Formeln.

U

nschuldig und tief im New Yorker Morgendunst verfangen liegt er da: der Optimismus inmitten der magischen frühen Stunden. Diesen Morgendunst-Optimismus greift Luke Temple auf und vertont ihn schließlich auf »Be Small« mit jenen Klang-Ambitionen, für die er seit Beginn seiner Karriere geschätzt wird. »Mittlerweile ist der Morgen für mich die Zeit, in der ich am produktivsten bin. Alles um dich herum liegt im Schlaf, und man selbst ist noch so unberührt. Erst abends zeigen sich die Dämonen«, flüstert Temple verschwörerisch. Diesen versperrte er beim Schreiben der neuen Songs höchstpersönlich den Weg zum Heimstudio und kam so in den Genuss einer unbeschwerten kreativen Phase: »Wenn alles in meinem Leben einfach und stabil ist, kann ich meine Augen wirklich öffnen und fühle mich von Klarheit erfüllt.« In diesem Zustand schufen er und der Rest der Band herrlich eingängige und

verzwickte Songs mit den typischen Finten, zum Beispiel »Candy Apple« – eine Ode an ihre New Yorker Heimat – oder das pulsierende, aufgeweckte »Falling«. Für die einen ist es Future Pop, für Temple gleichen die Songs eher einer Haiku-Versform: »Es geht darum, einfache Arrangements mit bekannten Formen und kleinen Windungen zu verbinden. Das ist Popmusik. Ich empfinde gegenwärtigen Pop häufig als abgestanden, eintönig und schal.« Mit »Be Small« dehnen Here We Go Magic den Pop-Begriff einmal mehr auf ihre Weise aus. — Here We Go Magic »Be Small« (Secretly Canadian / Cargo)

AB 12. NOVEMBER AUF BLU-RAY™, DVD & ALS INKL. VIDEO ON DEMAND! © 2015 SONY PICTURES TELEVISION INC. ALL RIGHTS RESERVED. © 2015 LAYOUT AND DESIGN SONY PICTURES HOME ENTERTAINMENT INC. ALL RIGHTS RESERVED.


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#Style #Pop

#Tech Talk

ASBJØRN ÜBER SEINEN SPIELZEUGKASTEN #Style — Der junge Däne Asbjørn lebt mittlerweile in Berlin und hat mit dem dort heimischen Label Sinnbus angebändelt. Hier erscheint im November seine neue Songsammlung »Pseudo Visions«, die sich aus acht 2014 veröffentlichten Singles über die Adoleszenz zusammensetzt. Dazu gibt’s vier neue Tracks. Im Folgenden stellt Asbjørn seine liebsten Studiospielzeuge vor.

#App des Monats

Wenn ich an Songs arbeite, sitze ich gerne inmitten eines Spielzeugkastens voller Instrumente und Dinge, die ich samplen kann. Allerdings werde ich dabei schnell von meinem Perfektionismus und meiner Technikliebe abgelenkt, deshalb schreibe ich die Basis manchmal an meinem Klavier zu Hause. Die Musik produziere ich mit dem Programm Reaper, meine Synthie-Sounds meistens mit Diva von u-he. Die Möglichkeiten sind endlos, und es hat dennoch so ein analoges Feeling. Im Studio nutze ich dann altes Tape, um Halleffekte zu generieren, oder aber Geräte wie den Roland RE-201 Space

Echo. Außerdem kombiniere ich alte Drum Machines mit eigenen Percussion-Samples, bevor ich die tighteren, roboterhaften Beats mit Maschine von Native Instruments produziere. Diese Balance zwischen analoger Wärme und der Kühle der Software ist ein essenzieller Bestandteil meines Sounds. — Asbjørn »Pseudo Visions« (Sinnbus / Rough Trade / VÖ 06.11.15) — Auf Tour vom 03. bis 12.11.

Star Wars #Style – Zugegeben: Eigentlich wollten wir die offizielle App boykottieren, weil wir es ein wenig panne finden, dass man sich extra einen Disney-Account anlegen muss, um sie zu nutzen. Andererseits ist das ja auch nur wieder der Deal, den viele fahren: is’ für umme, kostet aber ‘ne Registrierung. Leider ist die App sehr nerdig und liebevoll gestaltet und gibt uns genau das, was uns glücklich macht: Sie sagt uns, dass sich der Kreuzberger Nieselregen-Herbst in Wirklichkeit wie ein Tag auf Alderaan anfühlt; sie gibt uns tägliche Lichtschwert-Trainingseinheiten; sie ermöglicht uns Selfies an Darths Seite; sie erweitert unsere Emoji-Palette um allerlei Sternenwesen; und dank des Soundboards der App können wir jetzt mies gelaunten Streifenpolizisten »Yedi scum!« hinterherrufen, beim Flirten im Han-Solo-Timbre »Hey, it’s me!« raunen und »Star Wars«-Ignoranten in schönstem Vader-Asthma sagen: »I find your lack of faith disturbing.« — starwars.com/games-apps/star-wars-app (Android, iPhone)

#Redaktionstipp

This is how you lunch! Hunger? Der Instagram-Account @thisishowwelunch kümmert sich blitzschnell um eure grummelnden Kugeln! Hier kochen die drei schönsten Mädchen Berlins sehr leckere und vor allem einfache Gerichte, die selbst in der kleinsten Büroküche der Welt funktionieren. Nach einem Süßkartoffel-Burger, Auberginen-Aprikosen-Ragout oder Tortellini-Feigen-Walnuss-Salat arbeitet es sich einfach besser. #happylunchdate Isabelle Friedrich (Redaktions-Praktikantin)


3 Fragen an

EL VY

albern geht es bei euch hinter verschlosse­ nen Türen zu?

Das ist der albernste Song, den ich jemals geschrieben habe! Er ist sorglos und absurd zugleich. Brent und ich versuchen uns ständig zum Lachen zu bringen, aber manchmal auch zum Weinen. Als ich ihm die Idee für den Song schickte, ließ er eine Woche lang alles #Pop — Ungeplant, verheimlicht stehen und liegen und rückte diese Zeile in den Fokus, obwohl sie zunächst eher nebenund tollkühn: Matt Berninger sächlich war. Wir haben die Vorstellung von von The National und Brent einem depressiven, einsamen Rockstar in eiKnopf von Ramona Falls nem Hotelzimmer als Anlass genommen, uns auszutoben. Ich war in meinem Leben schon und Menomena machen oft dieser Typ, auch wenn dieser im Song sehr auf »Return To The Moon« extrem dargestellt wird.

gemeinsame Sache. Im Gespräch mit Annett Bonkowski sprach Berninger über die Hintergründe des Überraschungscoups.

Es heißt, weder du noch Brent wollten eine neue Band gründen. Jetzt habt ihr den Salat und wir EL VY. Habt ihr euch mittlerweile mit dem Gedanken angefreundet?

Ich wollte keine neue Band gründen, weil ich es liebe, ein Teil von The National zu sein. Kreativ gesehen hat mir wirklich nichts gefehlt. Ich fühle mich auch als Vater und Ehemann vollkommen erfüllt. EL VY ist eher mit einer ungeplanten Schwangerschaft zu vergleichen. Es ist einfach passiert. Nun haben wir beschlossen, gute Eltern zu sein und dieses Baby auf die Welt loszulassen.

Angesichts von Zeilen wie »I’m peaceful cause my dick’s in sunlight held up by kites« (»I’m The Man To Be«) möchte man meinen, ihr steckt noch mitten in der Pubertät. Wie

Auf »Return To The Moon« thematisierst du auch ernsthaftere Coming-of-Age-Momente deiner Jugend. Wie empfindest du als Song­ writer diese persönliche Rückschau?

Die Musik ist für mich ein sicherer Ort, um auch mal über unbequeme Dinge zu sprechen. Genau aus diesem Grund bin ich ihr schon früh verfallen. All die hässlichen Erfahrungen, Unsicherheiten oder Verwirrungen lassen sich in diesem Rahmen darlegen. Man bastelt eine Melodie um die Texte und fühlt sich dadurch etwas wohler. Als Jugendlicher habe ich The Smiths und die frühen U2 dafür geliebt. Heute kann ich recht ungezwungen meine eigenen Gedanken und Gefühle mit anderen teilen. — Mehr Interview auf intro.de unter #EL VY — EL VY »Return To The Moon« (4AD / Beggars / Indigo / VÖ 30.10.15) — Auf Tour vom 02. bis 06.12.


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#Pop

Ein Tag in Hamburg mit ...

ENNO BUNGER

Fähre 62 nach Övelgönne Landungsbrücken, Brücke 3 Von den Landungsbrücken mit der Fähre 62 nach Övelgönne, bei bestem Touristenwetter und dementsprechend raren Plätzen auf Deck. »Ich bin diese Strecke häufiger gefahren, seitdem ich wusste, dass ich ein Lied über Hamburg schreiben will«, erzählt Enno. »Keine reine Lobeshymne. Eher etwas, das die Ambivalenz auch auf die Schippe nimmt. Den Gentrifizierungswahnsinn und so weiter. Auf dieser Strecke nahm diese Idee ihren Lauf. Das war im Januar. Acht Uhr morgens. Und draußen wurde gerade das Eis gebrochen.«

#Pop – Was haben »Tetris«, Beamtenbeleidigungen und Mutti gemeinsam? Sie alle spielen tragende Rollen auf der kleinen Tour, die wir mit dem gebürtigen Ostfriesen Enno Bunger durch seine Wahlheimatstadt gemacht haben. Ebenjener hat er auf seinem aktuellen Album »Flüssiges Glück« eine zehnminütige Liebeserklärung namens, logisch, »Hamburg« gesungen. Miriam Mentz ließ sich von ihm seine Lieblingsorte zeigen. Fotos: Jenny Schäfer

Golden Pudel Club & Park Fiction Am St. Pauli Fischmarkt 27, 20359 Hamburg »Ich sehe das Ganze hier heute zum ersten Mal nüchtern!« freut sich Enno, als wir beim Pudel und dem angrenzenden Park Fiction ankommen. »Das ist einfach so ein Ort geworden, an dem man ständig am Ende eines Abends landet. Dazu finde ich den Platz auch einfach unglaublich wichtig, als Zeichen für die Hamburger Protestkultur. Da gehört schon was dazu, an so einem Spot so ein Ding zu betreiben. Hier könnten ganz andere Sachen stehen, die viel mehr Geld einbringen.«

Molotow Nobistor 14, 22767 Hamburg

Strandperle am Elbstrand Oevelgönne 60, 22605 Hamburg »Kräne spielen Tetris mit bedruckten bunten Quadern« ist die erste Textzeile vom Song »Hamburg« und – natürlich – mit Blick auf die Kräne am Elbstrand entstanden. »Wobei es schon eine sehr einfache ›Tetris‹-Version ist, immer nur die Längssteine«, ergänzt Enno Fischbrötchen kauend. »Ich bin eigentlich eher jemand, der rückwirkend seine Texte schreibt. Am Laptop. So ganz unromantisch. Aber hier ist diese Zeile tatsächlich direkt beim Betrachten entstanden. Wie bei einem Maler. Auch mal schön.«

Noch im alten Molotow, in den Esso-Häusern, spielte Enno 2007 sein erstes Hamburg-Konzert: »Das war direkt nach dem Abi bei einem Bandwettbewerb namens Global Battle Of The Bands. Pro Bandmitglied musste man 30 Euro Startgebühr zahlen. Das Ganze gab es auch in Oldenburg, Paderborn und Pusemuckel ... Wir haben so getan, als wären wir Hamburger, damit wir hier spielen durften. Dabei waren wir Ostfriesen. Also schwerst illegal. Am Ende haben wir dann aber tatsächlich gewonnen, was wir beinahe nicht mitbekommen hätten – zusammen mit einer Band namens 1000 Robota!«

Große Freiheit (Thai Oase) Große Freiheit 38-40, 22767 Hamburg So ungefähr alles, was man von der Reeperbahn erwartet, hat Enno an der Großen Freiheit in einer Nacht nach einem Konzert in der PIAS Night erlebt: »Wir haben damals gnadenlos verkackt, und ich war so frustriert, dass ich mir richtig einen reingetrunken habe. Das führte dazu, dass ich in der Thai Oase Wolfgang-Petry-Karaoke gesungen habe, mit einer Freundin im Dollhaus war, wo mir von einer Stripperin mein Handy geklaut wurde, dann mit Polizisten wieder dort hin bin, um in einer bizarren Situation Aussagen aufzunehmen, und ich am Ende selbst noch auf der Davidwache Ärger bekommen habe. Weil ich mein Brot essen wollte, aber nicht durfte und Beamte beleidigt habe. Und trotz allem war das einer der schönsten Abende, die ich in Hamburg je erlebt habe.«


Mutter Stresemannstraße 11, 22767 Hamburg »Hier kommt man immer wieder vom Schnaps zur Freundschaft zu gemeinsamen Projekten!« erzählt Enno, während er seinen Aufkleber an prominenter Stelle am Eingang der Mutter platziert. »Spaceman Spiff hab ich hier an der Theke kennengelernt. Man ist immer nach Konzerten hier – egal, ob man selbst gespielt hat oder wer anderes. Ich komm aber ansonsten auch gerne mal alleine vorbei und guck mir die Leute an.«

— Enno Bunger »Flüssiges Glück« (PIAS / Rough Trade) — Auf Tour mit And The Golden Choir vom 13.11. bis 28.12.

#Redaktionstipp

Samstags bin ich Sushi Das Auge isst bekanntlich mit. Besonders hungrig dürfte es sich auf die Rezepte stürzen, die meine Kollegin Senta Best und deren Kollegin Viola Krauß zusammengestellt haben. Nicht um Kochanleitungen geht es in deren gewitztem Ratgeber für Anarcho-Karnevalisten, Freundinnen der Mash-up-Travestie und für alle, die mal aus ihren 08/15-Klamotten hüpfen wollen, ohne gleich nackt dazustehen, sondern um Kostüme. Der Clou der originellen Teile, »die garantiert auffallen« und von Rinah Lang wundervoll illustriert wurden: Man kann ihre Bestandteile im nächsten Supermarkt erstehen. Was für eine Verkleidung mag es sein, für die man Folgendes benötigt: »1 (Tofu-) Wurst, 1 hübschen dicken Faden, schwarzen Kajal (oder Fake-Bart), 1 glamouröses Kleid, ggf. dunkelbraune Haartönung«? »Der Dönerspieß«, »Conchita Wurst« oder doch »Das Mundwasser«? Ein Buch, das man unter den Weihnachtsbaum legt und vorm Spiegel liest. Wolfgang Frömberg (stellvertretender Chefredakteur)

alt-J


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#Style #Life

Schatzparade

DINGE, DIE DICH WOLLEN #Style – Intro sammelt jeden Monat nerdige Schätze für insgesamt unter 100 Euro – aus dem Internet und der echten Welt.

Schreibtisch-Staubsauger R2-D2 Endlich kannst du auch am Schreibtisch mit offenem Mund Kekse verspeisen! R2D2 saugt alle verdächtigen Krümel auf. Und das fast ganz ohne Stromverbrauch, wie es sich für einen anständigen Roboter gehört – USB macht’s möglich. An den Rechner anschließen, aufs blaue Knöpfchen am Helm gedrückt, und schon blitzt dein Tisch wie nie zuvor. Für 22,79 € bei amazon.de

Todesstern Plüsch Wir als zivildienstleistendes Hippiemagazin stehen zwar nicht auf Krieg, aber auf Krieg der Sterne. Deshalb empfehlen wir diesen formschönen und weichen Plüschklumpen als Wurfgeschoss. Tut beim Völkerball nicht weh und ist an Hipness kaum zu überbieten. Seit wann sind Bälle eigentlich hip? Für 10,95 € gesehen bei getdigital.de

Muffin-Set Star Wars Galactic Empire Wer Muffin-Backmuffel ist, wird seine Meinung nach den folgenden Infos schnell revidieren: Mit diesem 48-teiligen Muffin-Set legt sich die Backschürze wie von selbst um deinen faltigen Hals. Das Ergebnis? Bietet intergalaktisch leckeren Spaß statt braunen Mehlklumpen. Für 14,95 € bei amazon.de

SUMME

89,58

Moodlight Darth

Brotzeitdose Stormtrooper

Zum Glück hält dieser Darth den Mund. Schließlich soll ein Moodlight gute Stimmung verbreiten und keine keuchend vorgetragenen Wortfetzen. Die rot leuchtenden Gesichtspartien sind ja wohl schon gruselig genug, oder nicht? Für 19,95 € bei getdigital.de

Erdbeermarmelade oder Leberwurst? ­Große Pause schon vorbei? Alles Neben­ sache – jedenfalls für Besitzer dieser schmucken Brotzeitdose. Jedes noch so schlampig geschmierte Brot, das einmal in der feschen Plastikkiste liegen durfte, schmeckt einfach nur super. Für 5,99 € bei amazon.de

Buch »How To Speak Wookiee« Ein Lernbuch im Intro? Why not? Schließlich geht es auch um Musik: In Kapitel vier wird erklärt, was »I love this band!« auf Wookiee heißt: »Arghr rugh-rugh!« Bei der korrekten Aussprache hilft das braune Kästchen in Form einer WookieeTatze – aufgenommen vom Meister himself: ­Chewbacca! Mehr Wookiee gibt’s auf Seite 97 bei »Platten vor Gericht«. Für 14,95 € bei radbag.de


#Kratzen & Beißen

Gegen Science-Fiction

RUDIMENTAL

13.11. Berlin, Astra Kulturhaus 16.11. Hamburg, Große Freiheit 36 17.11. Köln, Live Music Hall

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — Puh, alles so voll hier mit diesem Sci-Fi-Heldenepos, das aus Umsatzgründen einfach nicht sterben will. Wie öde! Christian Steinbrink schaut sowieso lieber Filme, in denen einfach nichts passiert. Ich will fair bleiben, zumindest anfangs: Was hier steht, kommt von einem Ignoranten gegenüber allem, was mit Sci-Fi, Fantasy und dem ganzen Schmonz zu tun hat. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich dieser plumpen Form von Eskapismus so lustvoll hingeben kann. Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob die Galaxie frei erfunden oder mit wissenschaftlichen Fakten aufgeladen wurde: Beides wirkt so schlicht konstruiert, dass man nicht ernsthaft mit einem Erkenntnisgewinn oder wenigstens aufregender Unterhaltung rechnen kann. Wer Astronomie will, kann ja auch eine Dokumentation schauen. Ich verstehe nicht, warum man zu Science-Fantasy greift, obwohl es so viele Filme und Regisseure gibt, die spannende Plots auch mit deutlich nahbareren Charakteren entwickeln können. Warum schauen nicht alle lieber Mike Leigh anstatt Ridley Scott? Die Antwort ist natürlich klar: Beim Gros der Science-Fantasy geht es nicht um physikalische und biologische Theorien rund um das Outer Space, sondern um grelle Reize, die die Gehirne vieler erst zum Klingeln bringen. Verzichtet man auf ein aufsehenerregendes Setting, schweben über diesen Köpfen große Fragezeichen. Das ist so traurig. Denn dass langsam erzählte Filme ohne absurde Wendungen aufregend sein können, hat beispielsweise Eric Rohmer eine komplette Karriere lang bewiesen. Allein: Abgestumpfte Synapsen werden nicht gereizt, wenn einen ganzen Film lang scheinbar überhaupt nichts passiert. Mir ist schon klar, dass auch das Genre der ScienceFiction Filmklassiker hervorgebracht hat. Dennoch schaue ich mir lieber Plots an, deren Protagonisten auch bei mir im Nachbarhaus wohnen könnten. Da muss auch niemand sterben, heiraten oder in eine Lebenskrise stürzen. Mir reicht es, wenn Gaspard die ganze Zeit mit Margot durch die Bretagne streift und ihr seine Zweifel an Liebe und Beziehung darstellt, wie es Rohmer in seinem Film »Sommer« anlegte. Dadurch ist Gaspard nicht weniger egozentrisch als Darth Vader, aber es ist ein Egozentrismus, der mir etwas über mich erklärt. Oder eben über den Typen im Nachbarhaus. Deshalb: Schmeißt der Unterhaltungsmaschinerie »Star Wars« ruhig weiter euer Geld in den Rachen und kauft ihr absurdes Merchandise! Als Nächstes könnt ihr dann auch Helene Fischer ihre anderthalbmillionste CD abkaufen. Kommt aufs Gleiche raus.

ROISIN MURPHY 19.11. Berlin, Tempodrom

IBEYI

Support: Gwilym Gold 09.12. Hamburg, Mojo 11.12. Berlin, Kesselhaus 12.12. Köln, Kantine 13.12. München, Technikum

SALES

26.10. Köln, King Georg 27.10. Dortmund, Sissikingkong 28.10. München, Ampere 29.10. Nürnberg, Club Stereo 30.10. Bielefeld, Skala

MICK JENKINS

26.10. Berlin, Prince Charles 27.10. Hamburg, Kleiner Donner

SON LUX

Support: Olga Bell 27.10. Hamburg, Uebel und Gefährlich 28.10. Berlin, Bi Nuu

VESSELS

Support: Sea Moya 28.10. Hamburg, Hafenklang 29.10. Leipzig, Werk 2 30.10. Berlin, Urban Spree 31.10. Köln, Klub Genau 01.11. München, Strom

MILD HIGH CLUB Support: Gold Celeste 30.10. Berlin, ACUD

BATTLES

31.10. Frankfurt, Zoom 04.11. Berlin, Berghain

PURITY RING

Support: Empress Of 04.11. Köln, Kulturkirche 11.11. Berlin, Berghain

RHYE

Support: Kadhja Bonet 07.11. Berlin, Lido

ONEOHTRIX POINT NEVER

10.11. Berlin, Berghain

meltbooking.com facebook.com/wearemeltbooking

JOY WELLBOY

HUDSON MOHAWKE

CHVRCHES

THE UNDERACHIEVERS

11.11. Dresden, Scheune Lounge 12.11. Jena, Kassablanca

Support: Mansionair 12.11. Hamburg, Docks

POST MALONE

14.11. Berlin, St. George

WOLF ALICE

19.11. Köln, Luxor 20.11. Berlin, Lido 22.11. Leipzig, Täubchenthal Club 23.11. Hamburg, Uebel und Gefährlich

YEARS & YEARS

20.11. Offenbach, Stadthalle 22.11. Hamburg, Docks (sold out) 23.11. Berlin, Astra Kulturhaus (sold out)

C DUNCAN

24.11. Köln, Blue Shell 25.11. Berlin, Grüner Salon

RAE SREMMURD

25.11. Berlin, Astra Kulturhaus 28.11. München, Muffathalle 07.12. Frankfurt, Batschkapp 08.12. Köln, Live Music Hall

ROOSEVELT

Support: Coma 26.11. Hamburg, Häkken 27.11. Köln, Yuca 28.11. Frankfurt, Zoom 29.11. Berlin, Badehaus Szimpla

EVERYTHING EVERYTHING

29.11. Hamburg, Molotow 30.11. Berlin, Pbhfclub 05.12. München, Strom

02.12. Berlin, Berghain

02.12. Berlin, Pbhfclub 03.12. Hamburg, Uebel und Gefährlich 04.12. Köln, Luxor 05.12. Frankfurt, Zoom 06.12. Stuttgart, Wizemann 07.12. Leipzig, Täubchenthal Club

DISCLOSURE

08.02.16 Hamburg, Sporthalle 11.02.16 Köln, Palladium 12.02.16 Berlin, Columbiahalle

ROMANO

03.03.16 Kiel, Orange Club 04.03.16 Rostock, Helgas Stadtpalast 05.03.16 Hamburg, Mojo 06.03.16 Bielefeld, Forum 09.03.16 Köln, Luxor 10.03.16 Weinheim, Café Central 11.03.16 Darmstadt, Centralstation 12.03.16 Stuttgart, Schräglage 17.03.16 München, Hansa 39 19.03.16 Chemnitz, Atomino 20.03.16 Dresden, Reithalle 21.03.16 Leipzig, UT Connewitz 23.03.16 Berlin, Astra Kulturhaus

THE 1975

02.04.16 Hamburg, Sporthalle 08.04.16 Berlin, Columbiahalle 10.04. München, Zenith (verlegt vom 9. April aus Tonhalle)

ANGEL HAZE

26.01.16 Hamburg, Mojo 28.01.16 Berlin, Pbhfclub 29.01.16 Frankfurt, Zoom 08.02.16 München, Ampere 09.02.16 Stuttgart, Wizeman


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#Pop

Converse Rubber Tracks

CHINESE ROCK #Pop — Bei den Converse Rubber Tracks dürfen 84 Acts aus aller Welt in zwölf legendären Studios aufnehmen. Im September gastierte die Aktion mit sieben Bands in den Hansa Studios in Berlin. Michael Schütz besuchte die Session der chinesischen Punkband Pumpkins, die bei ihren Aufnahmen von Ex-RamonesDrummer Marky Ramone unterstützt wurde.

B

evor hier die Besserwisser aufschreien: Natürlich bezieht sich das »Chinese Rock« im Song von Dee Dee Ramone und Richard Hell nicht auf die Rockqualitäten des chinesischen Volkes – der Begriff ist eine Metapher für Heroinsucht. Dennoch kann man sich kaum dagegen wehren, dass er bei unserem Besuch in den Hansa Studios irgendwann im Raum steht. Spätestens dann, wenn Marky Ramone einem gegenübersitzt und von seiner prägendsten Studioerfahrung spricht. »Das waren die Aufnahmen zu ›End Of The Century‹ in L.A. Da wollten wir den Ramones-Sound in Phil Spectors ›Wall of Sound‹ krachen lassen. Viele Punk-Puristen haben es gehasst, dass wir plötzlich mit Bläsern und Streichern arbeiteten.« Die Sessions unter der Ägide des inzwischen wegen Totschlags inhaftierten Spectors genießen noch heute Legendenstatus. Ein Grund, warum Marky kürzlich seine Autobiografie »Punk Rock Blitzkrieg: My Life As A Ramone« veröffentlichte: »Über die Zeit kursiert so viel Bullshit, den ich endlich klarstellen wollte. Phil hat nie eine

Knarre auf uns gerichtet. Er hatte zwar immer eine dabei, aber die legte er höchstens mal auf den Kaffeetisch.« Ein Song auf besagtem Album ist übrigens, genau, »Chinese Rock«. Marky ist gerade auf Einladung von Converse auf einem Zwischenstopp in Berlin. Das lag günstig auf seiner Route, weil er eh gerade eine Lesetour absolviert und erst einen Tag später in London sein muss. Der ehemalige Drummer der Ramones, der 1978 zur Band stieß und mit ihnen bis zum Ende »rund 1700 Konzerte« spielte, trifft hier auf die Pumpkins aus der chinesischen Stadt Xinxiang. Die sitzen nun auf einem Ledersofa jenes Studios, das durch Alben wie »Low« und »Heroes« von David Bowie oder »The Idiot« und »Lust For Life« von Iggy Pop Musikgeschichte schrieb. Letzteres war auch der Grund, warum sich die Pumpkins bei den Rubber Tracks bewarben. Das erzählen sie in einem aufgekratzten Wortschwall dem Übersetzer, der es so

zusammenfasst: »Unser Sänger ist riesiger Iggy-Pop-Fan.« Böse Ironie des Schicksals: »Leider hat er im Gegensatz zu uns kein Visum für die Reise bekommen.« Die Lösung: »Wir haben in Xinxiang extra noch ein Studio gemietet und ihm unsere Aufnahmen geschickt. Durch die Zeitverschiebung musste er von eins bis vier Uhr morgens Nachtschicht machen, aber es war die Sache wert.« Das Ergebnis ballert wenig später durch die Studioräume. Ein noch namenloser, erstaunlich tighter Punktrack, der eher britisch denn Ramones-typisch klingt. Kein Wunder, wo doch alle Bandmitglieder »God Save The Queen« von den Sex Pistols als jenen Song nennen, der sie einst anfixte. Aber wie steht es denn überhaupt mit Punkrock in China, einem Land, in dem man ja denken könnte, eine im Kern aufmüpfige Musikrichtung sei eher nicht so gern gesehen: »Es ist eine kleine Szene, aber die ist sehr lebendig. Vor allem in unserer Heimatstadt, aber auch in Beijing und in Wuhan. Probleme haben wir damit nicht. Wir sind keine politische Band, für uns ist Punk eine Einstellung, ein Weg zu leben.« Auch Marky Ramone bestätigt: »Ich habe auch in China gespielt, und die Leute sind sehr begeistert, was Punkrock angeht.« Ist natürlich klar, dass die Pumpkins hier nicht zu großen Monologen gegen Staatsrepressionen ansetzen und sich mit Ambivalenz absichern. Wer allerdings im Netz ihre EP »Eros Is A Pimp« findet, hört Songs wie »Walking Dicks«, »Asshole« oder »Loss Of Tongue«, in dem es heißt: »Chaos! Corruption! Loss of tongue!« Das ist – natürlich – völlig unpolitisch zu lesen. — Mehr über die Pumpkins: pumpkins.bandcamp.com Mehr zu den Converse Rubber Tracks: rubbertracks.converse.de


#Pop #Promotion #Superintim 29

präsentiert

Reeperbahn Festival Superintim 2015

SO WAR’S IN DER SUPERBUDE

Ende September fand am Freitag und Samstag des Reeperbahn Festivals bereits zum dritten Mal das Superintim in der Superbude auf St. Pauli statt. Das Konzept in diesem Jahr: der gepflegte Stilbruch. Dafür sorgten LGoony, Cristobal And The Sea, Petite Noir, Pins, Rdgldgrn, Isolation Berlin und Palace. Fotos: Christian Perl

D

iese Sofas! Irgendwas müssen sie haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich das Publikum gleich nach Türöffnung der Rockstar Lounge in der Superbude auf St. Pauli auf die grauen Polstern fläzt. Wer zu spät ist, verteilt sich derweil auf den Teppich und klemmt sich ein Bier in die Hand. Aber genauso soll es ja auch sein: Die Konzertreihe Superintim war und ist der Versuch, Bands in einem gemütlichen, vertrauensvollen Rahmen zu präsentieren. In einem Umfeld, in dem man sich durchaus vorstellen könnte, intim zu werden. Oder so ähnlich. Wie schon in den Jahren zuvor spielen die Künstler ein rund 40minütiges Set und müssen sich im Anschluss noch ein paar Fragen gefallen lassen. So facettenreich wie in diesem Jahr war das Programm dabei selten. So schien das unterschwellige Konzept des Line-ups der gepflegte Stilbruch zu sein. Deshalb ging

es mit ganz jungem HipHop los. Genauer mit dem erst 17jährigen LGoony aus der Intro-Wahlheimat Köln, der einen verhallten, Autotune-freudigen Style pflegt und ein Buddy von Money Boy ist. Cristobal And The Sea bringen im Anschluss Hippie-Flair auf die kleine Bühne, auf der sonst Betten stehen. Yannick Ilunga alias Petite Noir arbeitet derweil an der Zusammenführung von afrikanischen Rhythmen, Soul-Elementen und New Wave-Gitarren. » Am Samstag beginnt der Tag mit den PINS aus Manchester. Die fünf Damen um Sängerin und Gitarristin Faith Holgate klingen eher nach amerikanischen Riot-Grrrl-Bands als nach ihrer Heimatstadt. Wach ist jeder nach dieser vorbeigezogenen Gitarrenfront. RDGLDGRN bringen das Publikum schließlich noch einen Level weiter: Hier wird gestanden und getanzt. Und wieder ein Stilbruch: die Ostküsten-Gute-Laune-Fraktion verlässt das Feld und macht Platz für Isolation Berlin. Live ist es vor allem Sänger und Gitarrist Tobias Bamborschke, der die Leute entweder in seinen nihilistischen Bann zieht, oder sie mit seiner betont coolen Attitüde nervt. Melancholisch wird es noch einmal mit Palace aus London, die mit ihrem Indie-Entwurf einen sehnsüchtigen Sog entwickeln, den man sich schwer entziehen kann. Ein perfekter, ruhiger Ausklang für unsere Konzertnachmittage, der uns zu der Frage führt: Fuck, warum machen wir so was nicht eigentlich öfter? Wir bedanken uns bei allen Künstlerinnen und Künstlern und natürlich bei all unseren Gästen!

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#Kultur #Pop

The Wookiee Roars

PETER MAYHEW #Kultur — Er hätte einer der großen Unbekannten des Filmgeschäfts bleiben können. Mitte der 70er-Jahre stolperte der 2,21 Meter große Engländer von seinem Job als Krankenpfleger direkt hinein in einen Film, der zur wohl langlebigsten und populärsten Sci-Fi-Story aller Zeiten werden sollte.

Doch obwohl Peter Mayhews Gesicht in den ruhmreichen Momenten seiner Leinwandkarriere hinter einer Fellmaske verborgen blieb, scheint er heute prominenter als zu der Zeit, in der er als Chewbacca an der Seite von Harrison Ford vor der Kamera stand. Grund dafür ist einerseits die Verehrung durch das »Star Wars«-Fan-Universum, das alte Helden nie vergisst und ihnen auf Conventions und Festivals huldigt. Andererseits hat der mittlerweile 71-Jährige vor drei Jahren Twitter für sich entdeckt und teilt seither dort sein Leben, seine Termine und seine Ansichten mit einer Menge Followern. Mitunter blitzt dabei in den Tweets die alte Kampfeslust von Chewbacca durch. Im Sommer 2013 hatte die Transportsicherheitsbehörde (TSA) Mayhew den Zutritt zu einem Flugzeug verwehrt: Schuld war sein Gehstock in Form eines Lichtschwerts. »Magic words to TSA are not ›please‹ or ›thank you‹. It’s ›Twitter‹«, kommentierte dieser und postete ein Foto des Vorfalls, das daraufhin durch die Medien ging. Ein Lieblingsgegner ist auch American Airlines, bei denen sich Mayhew regelmäßig öffentlich beschwert, wenn die Fluggesellschaft ihm einen zu engen Sitz zugewiesen hat. Seiner Fangemeinde gefällt’s. Mittlerweile folgen ihm beziehungsweise @thewookieeroars über 180.000 Menschen. Entsprechend groß war die Anteilnahme, als Mayhew Anfang 2015 mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Mittlerweile ist der Schauspieler jedoch wieder genesen und kann sich darauf freuen, sich im Dezember in »Star Wars: Das Erwachen der Macht« noch einmal als Chewbacca im Kino zu sehen. Text: Bastian Küllenberg

#Kurzer Prozess Unplugged

REVOLVERHELD »UNPLUGGED IN DREI AKTEN« #Pop — Ruhe im Saal, jetzt fällt der Hammer. Linus Volkmann rechnet jeden Monat mit einem besonderen Endmonster von Album ab. Dieses Mal trifft es Revolverheld, die vier BWLGesichter aus Hamburg. Die gibt’s jetzt nämlich Unplugged mit ihrer zutiefst falschen RockMucke für den fetzigen Gemeinschaftsabend bei der Jungen Union. Fakt

Fazit

In einem Land fern von unserer Zeit waren die drei Buchstaben MTV noch eine Ansage. MTV, das war cool, MTV produzierte Hits, Stars und Begehrlichkeiten. Heute ist die einst weltattraktivste Marke im Pop-Game nur noch der vorletzte von hinten beim Sendersuchlauf in Absurdistan-Gefilden. Also bei Digitalkanal 467 oder so. Einzig Glanz verstrahlte noch immer die Reihe, die besondere Künstler einlud, um an besonderen Orten ohne Strom zu spielen: MTV Unplugged!

Dass anbiedernde Kunstlosigkeit hierzulande so einen Erfolg hat, weckt Fluchtreflexe. Bloß weg! Derweil pimpen Revolverheld die Rührseligkeit ihrer ohnehin schon rührseligen Songs ungestraft weiter. Schlimme Gäste wie Johannes Oerding, Marta von Die Happy oder der tragische Das Bo werden aufgefahren, während Olli Dittrich im Publikum sitzend beweist, dass er längst keine Ahnung mehr von irgendwas hat. Okay, eins muss man der ehrgeizigen GbR, pardon: der Gruppe Revolverheld lassen: Kaum eine deutsche Band suggeriert mehr emotionale Tiefe bei gleichzeitiger Deepness eines Mouse-Pads. Mouse-Pad? Noch so ein Relikt aus grauer Vorzeit – wie MTV. Wann sind bloß Revolverheld endlich auch Geschichte?

Verhandlung

Doch auch hier scheint Kehraus. Besondere Künstler: Revolverheld? Besondere Locations: Mehrzweckhalle in Hamburg-Heimfeld? Geil geht natürlich anders, andererseits soll der Rahmen ja auch der Band gerecht werden. Und daher passt das alles wohl doch wieder zusammen. Denn je langweiliger etwas ist, desto näher ist es dran an Revolverheld.


#Life

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gehen gleichzeitig Elektrolyte verloren. Dass das nicht gut sein kann, wusste bereits Herr Lehmann. Dies alles passiert, weil der Alkohol ein Hormon im Körper blockiert, das Folge 6: Kater Vasopressin. Im Normalzustand – also ohne verstärkten Alkoholkon#Life — In dieser Folge widmet sich unser Hausarzt-Kolumnist und sum – sorgt dieses Hormon in der Überlebensberater Doc Intro der Urkrankheit einer jeden Musiker­ Niere für eine erneute Filterung des, sagen wir, Ur-Urin, um nicht existenz: dem Kater. Endlich werden all die Fragen beant­wortet, unnötig Wasser und Mineralien zu die man sich beispielsweise auf Tour täglich stellt: Konterbier oder verschwenden. Folge der Blockade Melissen-Tee? Besser noch ‘ne Ibuprofen zur Line hacken und ist häufiger Toilettengang und später sniffen? Und: Hat man wirklich keinen Kater, wenn man mal eben der Kater. Neben der Niere läuft natürlich die Leber bei so einer Feiernicht säuft? nacht auf Hochtouren und versucht, Neulich war ich auf einem kleinen netten Club- das Ethanol und dessen noch giftigeres Abbauprodukt konzert einer recht neuen, aber mittlerweile Acetaldehyd zu verarbeiten. Dieser Prozess kostet enorme sehr bekannten österreichischen Band, Energiereserven in Form von Glucose, welche der Körper die es sogar auf den Titel der letzten am nächsten Morgen kläglich vermisst. Intro-Ausgabe geschafft hat. Trotz oder Und wie kann man das ganze Übel jetzt verhindern gerade wegen deren Alkoholkonsums. oder zumindest am nächsten Morgen lindern? Zunächst Während des Auftritts führte ich eine natürlich wenig Alkohol trinken. Sorry. Wenn das mal nicht kleine Strichliste über die auf der Büh- klappt, wenigstens die obligatorische Grundlage in Form ne konsumierten alkoholischen Geträn- von Nahrung schaffen (verzögert die Alkoholaufnahme ke, welche durchaus ein ausgewachsenes und liefert dem Körper Energie) sowie ausreichend WasOrchester »sitt« gemacht hätten, wenn ser trinken. Und am nächsten Tag? Da gilt im Prinzip das nicht sogar betrunken. Im Interview mit Gleiche: Im Körper müssen die leeren Tanks aufgefüllt Linus Volkmann sprach die Band übrigens werden, das heißt: wieder viel Wasser trinken oder auch von nachlassendem Alkoholkonsum – sicherlich mal einen Melissen-Tee für den Magen. Bewährt haben auch aufgrund des stets folgenden Katers. sich außerdem eine Portion Obst mit Honig und, damit es Während dieser bei mir persönlich früher in Form ei- der Pharma-Industrie an nichts mangelt, eine Ibuprofen. nes süß miauenden Kätzchens auftrat, brüllt mittlerweile Zur Not hilft wohl nur ein Flug nach Las Vegas: Dort gefühlt eine Herde ausgewachsener Löwen in meinem gibt es die sogenannten Hangover-Busse. Hier bekommt Kopf. Mit Megafon. Was aber verursacht diesen Kater, der man während einer Stadtrundfahrt alle nötigen Stöffchen übrigens durch abendlichen Tabakgenuss noch verstärkt bequem direkt in die Vene infundiert. Hausbesuche im Hotel sind ebenfalls möglich. Sicher gibt es auch hierzuwird? Und noch wichtiger: Wie verhindert man ihn? Hauptschuld an den Symptomen eines Katers – also an lande dafür einen nicht kleinen Markt ... Kopfschmerzen, Übelkeit und allgemeinem Unwohlsein Also viel Spaß beim nächsten Auskatern! – ist eine durch den Alkohol entstandene Dehydration. Euer Doc Intro Neben der Flüssigkeit, die der Alkohol dem Körper entzieht,

Mach’s dir selbst #7 Instant Wookiee Kostüm #Life — Laut Jedipedia genießt die Spezies der Wookiees (»Volk der Bäume«) dem Menschen gegenüber nur Vorteile: Sie sind äußerst loyal, haben ein großes Gerechtigkeitsempfinden, werden über zwei Meter groß, leben sehr viel länger als wir, dank ihres wetterfesten Fells brauchen sie keine unnötige Kleidung, und sie kombinieren Natürlichkeit mit modernen Techniken. Spätestens jetzt willst du selbst mal Wookiee sein, oder? Nichts leichter als das ... Illustration: Peter Hoffmann

Illustration: Alexandra Ruppert

Doc Intros Lexikon der Musikerkrankheiten


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#Style #Pop

TOP 7 STAR WARS DIY 01 Millennium Falcon Bett Mist, du hast kein Kind zur Hand und bist selbst dem Spiele-Alter seit Jahren entwachsen? Wie bloß dieses formschöne Millennium-Falke-Bett vor dem Besuch rechtfertigen? Egal – ist das Ding erst mal gebaut, wird dir schon irgendein plausibler Lösungsansatz einfallen. Vielleicht lenkt zartrosa Satin-Blumenbettwäsche von deinem Nerdwahnsinn ab.

02 Millennium Falcon Gitarre Schon wieder der Millennium Falke. Zwar sieht der aufgrund etlicher heftiger Weltraumschlachten mittlerweile leicht ramponiert aus, sein frisierter Antrieb macht aber alles wieder wett. Grund genug, das Design des geilen Luftschiffs auf eine Gitarre zu übertragen – und diese für schlappe 694,44 Euro an rechtschaffene (?) Erdenbürger zu verhökern.

05 Birthday Cake Man kann schon jetzt davon ausgehen, dass der eine oder andere Fan zum Weihnachtskaffee eine »Star Wars«-inspirierte Torte auffahren wird. Im Internet findet man Hunderte davon: vom Zuckerguss-Stormtrooper-Helm über Laserschwert-verzierte Marmorkuchenstücke bis zum Schokoplaneten samt gelandeten und essbaren X-Wing Starfightern. Und wir freuen uns schon jetzt darauf, dem ersten Zartbitter-Kylo-Ren in die faltige Stirn zu beißen.

#Style — Nicht nur das Weltall hat unendliche Weiten, auch die Erfindungslust von »Star Wars«-Anhängern kennt keine Grenzen. Wir haben die besten selbst gebauten oder gezeichneten Kreationen zusammengetragen, die selbst dem findigen Merchandise-Imperium nicht eingefallen sind. Texte: Senta Best, Daniel Koch, Bastian Küllenberg

03 Speeder Bike Drone Durch das dichte Unterholz des Waldmonds Endor jagen Leia und Luke auf einem gekaperten Speeder Bike ihren Verfolgern davon. Wer hat sich nicht schon mal vorgestellt, selbst so ein Gerät in der Garage zu haben? Oder zumindest ein ferngesteuertes Minimodell für den Garten. Der amerikanische Ingenieur Adam Woodworth setzte diesen Kindheitstraum im Maßstab 1:6 in die Realität um. Inklusive Helmkamera für spektakuläre YouTube-Videos auf seinem Kanal (ajw61185).

06 Imperial Walker Costume Da unsere Redaktion bekanntlich in Köln sitzt, schielen wir natürlich schon auf den Beginn der jecken Zeit am 11.11. um 11:11 Uhr. Und wir vermuten schon jetzt, dass ein Teil unseres Teams in dieser Karnevalssaison als Darth Vader mit diesem Imperial Walker an der Leine umherstolzieren wird. Und dann suchen wir uns noch einen Stormtrooper als Wingman, der uns hin und wieder ein wenig Kölsch in den Helm kippt.

04 Death Star Grill Der Metallbastler Bryan Tate schweißte sich aus zwei Weber-Grill-Hälften einen Grill in Todesstern-Optik. Aber keine Sorge: Um den zu befeuern braucht es nur Kohle und Grillanzünder. Man muss nicht jedes Mal mit einem kleinen X-Wing Starfighter hineinfliegen, um ihn in Brand zu setzen. Für den perfekten Grillgenuss empfehlen wir ein saftiges Steak vom KraytDrachen nach Tatooine Art oder, für die Vegetarier unter den Lesern: gegrillte Pilze aus den Wäldern Endors (meidet dabei die blauen Rokna-Pilze!)

07 Mikro-Kunst Dass es auf Größe allein in nur wenigen Bereichen des Lebens ankommt, weiß Jeremy Ennis. Deshalb wählte der Illustrator für seine Kunst ein mikroskopisches Format. Da ist selbst ein Sternenzerstörer kaum größer als der Kopf eines Bleistifts. Zwar knüpft Ennis sich auch andere Popkultur-Ikonen vor, das »Star Wars«-Universum indes scheint der Lieblingsideengeber für sein Instagram-Profil @jeremy_ennis_1979 zu sein.


Born Ruffians

GEWOHNT VERTRACKT #Pop — Das neue Album »Ruff« ist reich an Erinnerungen an die über zehn Jahre dau­ ernde Bandgeschichte. Aber von einem lah­ men Nostalgieaufguss wollen Born Ruffians nichts wissen, stattdessen gibt es Genita­ lien auf dem Cover, und es wird in bester Explicit-Content-Manier geflucht. Sarah Neuhaus interviewte Sänger Luke Lalonde.

Das Cover der Platte zeigt monströse Gestalten, die zu einem kreisförmigen Gewimmel ineinander verschlungen sind: ein Orgien-Reigen in poppigen Farben, den Luke Lalonde himself gezeichnet hat. Nicht nur Hieronymus Bosch würde das gefallen, noch dazu hat das Artwork musikpädagogische Zwecke erfüllt: »Ich begann während der Arbeit an ›Ruff‹ zu zeichnen und verstand dadurch das Album besser. Mir gefällt, dass das Cover grundsätzlich düster ist und gleichzeitig etwas widerspiegelt, das im Rest der ›Ruff‹-Welt aufgeht«, so Lalonde. »Ruff« ist Resultat und Weiterentwicklung

der bisherigen meist vertrackten Indie-PopExperimente der Band: »Die neuen Songs greifen älteres, entkräftetes Material auf und tragen es mit. Das Album ist so selbstsicher und gut, vor allem live, diese Energie wird ältere Songs anstecken.« Gewissermaßen sei »Ruff« eine »Coming-of-Age-Platte«, die nach über zehnjähriger Bandgeschichte aber auch als Kitt funktioniere. Etwas düsterer und rauer ist der Sound der Mash-up-verliebten Band aber schon geworden. Der Song »Eat Shit (We Did It)« liefert einen Einblick in die zehnjährigen Erfahrungen im Musikbusiness. So schlimm? »Ich habe grundsätzlich keine Fuck-off-Attitüde, aber ich denke auch nicht, dass irgendjemand mal etwas Großes erreichen konnte, ohne manchen Leuten mit eben so einer Einstellung zu begegnen.« Neben diesen Aggressionen haben Born Ruffians den Spaß am Repetitiven beibehalten. Immer noch werden Songzeilen so lange wiederholt, bis sie sich in die Hirne der Hörer eingehämmert haben. Das animiert zu lautem Mitsingen und wirkt rhythmusgebend bis in die Füße. Denn das war immer schon eine große Stärke der Born Ruffians. Also: Putzt eure Chelsea-Boots, denn zu »Ruff« sollte rough getanzt werden!

INDIVIDUAL STYLE UNITED SPIRIT TASHA VLOGGER

— Born Ruffians »Ruff« (Yep Roc / Cargo)

© 2015 AirWair International Limited. All Rights Reserved

#Redaktionstipp

Mein erstes Mal Star Wars Nicht erschrecken, dieses Büchlein ist tatsächlich von Fans für Fans. Michael Scholten und Wolf Jahnke bitten Menschen, persönliche Erinnerungen an »Star Wars« zu teilen. Zu den prominenteren Namen zählen die Komiker Michael »Bully« Herbig und Oliver Welke oder Hollywood-Ungetüm Uwe Boll. Unterhaltsame Klolektüre für den Nerd, mit charmant dilettantischem Fanzine-Charakter. (Bastian Küllenberg, Online-Redakteur)

DRMARTENS.COM


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#Pop

#Pop #Wer wir sind

STEVEN A. CLARK

#Pop #Wer wir sind

#Pop #Wer wir sind

FIGRIN D’AN KODIAK AND THE DEATHBEDS ­MODAL NODES Herkunft Clak’dor VII Genre Funk/Jazz Mitglieder 7, manchmal 8 Besondere Vorkommnisse Vor langer Zeit in

einer weit, weit entfernten Galaxie genossen Bandleader Figrin D’an und seine Band große Beliebtheit. Mittlerweile sind sie eher als Hintergrundband in düsteren Spelunken (unter anderem auf Tatooine) anzutreffen. Auf der Herkunft Fayetteville, North Carolina (USA) Erde wurden sie durch »Star Wars Episode Genre Melancho-R’n’B IV: Eine neue Hoffnung« bekannt. Mitglieder 1 Aktuelles Album »Star Wars Episode IV: A Besondere Vorkommnisse Steven A. Clark New Hope« (Sony) wuchs mit HipHop auf, macht heute düster angehauchten R’n’B und findet: »Rhythm and Figrin, wie sehr stört es dich als Bandlea­ blues ain’t all candy and hearts.« der, dass ihr immer nur als Cantina Band Aktuelles Album »The Lonely Roller« (Secretly bezeichnet werdet? Canadian / Cargo / VÖ 13.11.15) Figrin D’an (Kloo-Horn): Nun, der Name wird uns nicht gerecht. Während der Klonkriege Du betonst gern, dass das Beschreiten der haben wir große kommerzielle Erfolge gefeidunklen Seite der Dinge wichtig ist, um ert, an die wollen wir jetzt anknüpfen. Und authentische Songs zu schreiben. Was war das bitte nicht als Cantina Band, sondern als die dunkelste Lage, in die du dich für dein neues Album hin­ einversetzt hast?

Ich denke, die dunkelste Vorstellung war die, jemanden zu verlieren, von dem man emotional abhängig ist. Denn wenn das passiert, ist es, als müsse man das Laufen neu lernen. So ein Rückschlag kann schwere Auswirkungen haben. Darum geht es im Song »Floral Print«. Du wirfst der Allgemeinheit vor, ein unzutreffendes Bild von R’n’B vor Augen zu haben ...

Ich weiß gar nicht genau, ob es die Leute sind, die den falschen Vorstellungen aufsitzen, oder ich. Meine Musik jedenfalls möchte ich nicht als auf R’n’B beschränkt begriffen wissen. Wie bei so vielen aktuellen Künstlern ist auch meine Inspiration eine weitreichende, Genreunabhängige. R’n’B braucht das Einzigartige, Visionäre und Individuelle, um heutzutage relevant zu bleiben, und glücklicherweise haben uns in den letzten Jahren einige Musiker genau das geliefert.

Herkunft Vancouver und Seattle Genre Folk Mitglieder 2 Besondere Vorkommnisse Sängerin Amber

Webber ist hauptberuflich Teil der Bands Black Mountain und Lightning Dust, Derek Fudesco spielt(e) unter anderem bei Pretty Girls Make Graves, Murder City Devils und The Cave Singers. Aktuelles Album »Kodiak Deathbeds« (Affairs of the Heart / Indigo) Ihr seid beide in mehreren Bands aktiv. Klar, dass es nicht lange dauerte, bis die Behaup­ tung aufkam, ihr wäret eine Mini-AllstarBand. Was haltet ihr von dem Begriff?

Derek Fudesco: Ich würde »Massive Superstar Band« vorziehen, aber man nimmt, was man kriegen kann.

Ihr beide wisst ja eigentlich, wie man mit Feedback arbeitet, wie man seine Stimme mit Hall verfremdet, wie man Songs mit der richtigen Produktion glitzern und strahlen lässt. Bei diesem Projekt gibt’s allerdings nur Gesang und Gitarre – ganz pur, ganz rein. Warum das?

Figrin D’an And The Modal Nodes.

In der Klatschpresse war häufig von deinem Hang zum Glücksspiel zu lesen. War das der Grund, wieso es nach »Episode IV« so still um euch wurde?

Nein. Ich bin nicht spielsüchtig, auch wenn Lirin Car’n [spielt ab und an das zweite KlooHorn in der Band] etwas anderes behauptet. Er war schlicht neidisch auf mein Können am Kloo-Horn, das ist alles. Ich habe außerdem nicht das Gefühl, dass es still um uns geworden ist. Vielmehr haben wir uns dorthin begeben, Wie wahrscheinlich ist es, dass irgend­ wo man uns wirklich sehen möchte: in die wann einmal eine HipHop-Platte von dir kleinen, auserlesenen Bars vor ein Publikum, erscheint? Immerhin bist du ja mit HipHop das unsere großartige Musik zu schätzen weiß.

Diesen Songs steht das nun mal am besten. Nachdem wir zwei oder drei Stücke gemeinsam geschrieben hatten, diskutierten wir darüber, wie sie klingen sollen. Und wir merkten: Dieses Skeletthafte passt perfekt. Ich bin sehr froh über diese Entscheidung. Den Liedern fehlt es an nichts.

Wie kam es denn überhaupt zum gemeinsa­ men Songschreiben?

Wir sind schon eine Weile befreundet, und ich schätze Ambers Bands sehr. Also fragte ich sie, ob wir mal was zusammen starten wollen. Ich hatte schon ein paar Melodien vorbereitet und ihr geschickt. Sie schrieb und sang die Lyrics dazu, sendete das Ergebnis zurück, und ich liebte es. Das komplette Album entstand Werden wir dich und die Modal Nodes auch auf diesem Weg. Eine sehr coole Erfahrung. aufgewachsen. Ich liebe HipHop. Der Geist von HipHop lebt im neuen »Star Wars«-Film sehen? Ich hatte zu jedem meiner Songs ein festes in allem, was ich mache. Aber ein HipHop- Ich habe einen Vertrag unterschrieben, der mir Bild, aber dann kamen sie mit völlig neuer Album werdet ihr von mir nicht bekommen. verbietet, über »Das Erwachen der Macht« Bedeutung zurück. zu sprechen. Interview: Daniel Koch Niemals! Interview: Valentin Erning

Interview: Julia Brummert


SK8-HI MTE

©2014, Vans, Inc. Photo: Aaron Blatt

VANS.COM


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#Promotion

jeden Monat neu: Teilnahme unter intro.de/Quiz

DAS QUIZ #237 Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich natürlich alles um den neuen Star Wars Film. Los geht’s… 1. Die neue Star Wars Episode trägt den Titel?

2. Zwei der neuen Helden leben vom...?

L Das Erwachen der Macht

L Telefon-Marketing

N Wookie Power

T Pfandsammeln

B Leg dich nicht mit Leia an

U Plündern

3. Der dritte trägt den Namen?

4. Und Musik macht wie immer?

E Shelley

P Ennio Morricone

D Lovecraft

E John Williams

K Poe

T Andreas Dorau

Die Gewinne Star Wars The Black Series Figuren

Lego Star Wars Bausets

Star Wars »Stormtrooper«-Figuren

Adidas mi Star Wars Superstars

American Tourister Kylo Ren Edition

hasbro.com/starwars

lego.com

jakks.com

miadidas.com

americantourister.de

Was wäre die galaktische Republik ohne Sammelleidenschaft? Auch zur neuen Episode bringt Hasbro eine Reihe von sechs Zoll großen Figuren raus, als sog. »Black Series« – fünf davon gibt es bei uns zu gewinnen. Welche das sind? Überraschen du dich lassen musst!

Steinchen um Steinchen das Empire wieder aufbauen? Den Anfang könnt ihr mit den neuen Star Wars Sets von LEGO machen. Wir verlosen je einmal »Kylo Ren’s Command Shuttle« und den »Millennium Falcon«, letzterer kommt inkl. Holoschachbrett und Minifigs von Han Solo & Chewbacca.

Auch die imperialen Sturmtruppen haben in »Das Erwachen der Macht« eine optische Überarbeitung erhalten - nicht umsonst ziert der ikonische Helm das Cover unseres Sonderhefts. Gewinnt eine von drei 50cm großen, originalgetreuen Figuren.

Besser zu Fuß als Yoda - mit deinen eigenen »Star Wars Superstars«. Auf miadidas.com kann man sich den Sneaker-Klassiker mit u.a. All-Over-Prints und speziellen Schnürsenkeln komplett individuell im Star Wars Loook personalisieren. Wir verlosen drei Paar.

Neben einem Handtuch benötigt der intergalaktisch Reisende auch angemessenes Gepäck. Dieser 55cm-Trolley aus Polycarbonat (nicht Carbonite!) mit Gestänge im Lichtschwertlook erleichtert die Einreise nach Coruscant ungemein. Wir verlosen zwei Stück.

Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort, das ihr bitte mit dem Betreff »Das Quiz« an verlosung@intro.de schickt. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 30. November. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


#Pop

#Pop

3D Rendering: Nikolas Müller

Während dieses Bild der Zukunft ent­ stiegen scheint, hat man bei Joanna Newsom das Gefühl, sie sei aus einer mittelalterlichen Sage ins Jetzt gereist. Grimes hingegen ist wunder- und wan­ delbar, als sei sie ein Formwandler aus Lovecraft’schen Urzeiten. Zum Glück erden uns Die Nerven mit ihrer Wut und Chvrches mit ihrem Eigensinn in der Gegenwart.

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#Pop #Joanna Newsom


#Pop #Joanna Newsom

Joanna Newsom

»Niemals war ich Märchenwesen« Was vom Freak-Folk übrig blieb? Im Idealfall: Ambitionen und Visionen. Joanna Newsom, einst eines der Wunderkinder der Bewegung, machte zuletzt als Armani-Model und Schauspielerin von sich reden. Jetzt legt sie ein hochkomplexes und dennoch mitreißendes viertes Album vor. Ihre mitreisenden Musen scheinen scheinbar auch Steffen Greiner geküsst zu haben, der Newsom in Berlin zum Interview traf. Fotos: Carmen Catuti

Auf dem Hügel sitz ich spähend In das weite Fabelland Nach Johanna Neusam sehend Die hier einst ihre Heimat fand Schimmer liegt über den Eichen Nebel tief im Talesbruch Harfenklang hart ohnegleichen Ich vergeblich hier doch such »Niemals war ich Märchenwesen« Flüstert Neusam plötzlich mir »Bloß ich wurde so gelesen Vor zehn Jahren, auch von dir« »Okay, okay, Frau Neusam, bitte, Dann sprechen wir doch ab von nun Nicht mehr reimend – welche Sitte – Lassen Sie uns Prosa tun!«

Ha, schon besser. Joanna Newsom sitzt mir in einem grauen Hotelzimmer gegenüber, unten brummen die Autos, oben hat sie eine Ausstrahlung irgendwo zwischen Hippie und The Milk-Eyed Business-Woman, lacht viel, erzählt routiniert-freimütig Mender und sagt zu manchen Fragen auch einfach nein, wenn die Schon kurz nach Release Antworten zu nahe an die Geheimnisse ihrer unsichtbaren des Debüts interviewte unser Redakteur Christian Werkstruktur heranführen würden. Was sie sicher nicht Steinbrink Miss Newsom ist: eine Projektionsfläche für die Märchenbuch-Narrative und ließ sich die Metapher früherer Jahre, die ihr noch nie gerecht wurden. Damals, wie folgt erklären: »Nun, oberflächlich betrachtet ist 2004, als ihr erstes Album »The Milk-Eyed Mender« er- es eine Referenz an die Art, schien, war sie gemeinsam mit CocoRosie und Devendra wie die Augen einer älteren Banhart eines der Gesichter des Freak Folk und hatte dort Person sich im Laufe der Zeit verändern – sie haben mit Harfe und Kleinmädchenstimme die Rolle der etwas eine etwas milchige Farbe, unwirklichen Außerweltlichen inne. Mit Album Nummer die dann bis zur Erblindung vier, »Divers«, müsste aber auch dem letzten Schrat endlich verschwindet. Das Bild, das ich im Kopf hatte, war das klar werden: Hier ist eine der besten Künstlerinnen des einer alten, blinden Frau, gegenwärtigen Pop-Diskurses zu hören, auch, weil ihre die etwas Stoff flickt und in Fähigkeit zur postmodernen Klang-Bricolage einhergeht die Ferne blickt.« mit einer Visionarität, die sie vergangenen Entwürfen von Künstlerinnenschaft entleiht.

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#Pop #Joanna Newsom

Somit macht auch ein reimen- »Jedes bisherige Album zeigte »Divers« ist ein beeindruckendes der Einstieg Sinn. In der Poesie mich, irgendwie, aber es war Werk geworden, voller Meistersteckt der Kern des Newsom’schen schaft. Ja, so konservativ muss nie wirklich ich. Sondern die Œuvres, insbesondere in der Poman es ausdrücken. Es bringt etik der Romantik. Newsom Erzählerin – die ich ist, aber in übersprudelnd alles zusammen, studierte einst Kreatives Schrei- einer anderen Version meiner was die Musik Newsoms bislang ben und Komposition, ihre Po- selbst.« ausmachte, und führt neue Elepentwürfe produzierte sie ohne mente ein. Und gleichzeitig geht Release-Ambitionen. Ihr eigenes es emotional nahe, weil es eben Schreiben war damals vor allem nicht nur am Reißbrett entstand, nicht-fiktional, obschon sie mit sondern Spuren von Emotionen Poesie experimentierte. »Alles, trägt. Dies äußert sich nicht zuwas ich schrieb, legte eine Finte, letzt beim Cover. Zum ersten Mal zog ins Abseits, hin zu beinahe Soist die Musikerin darauf abwesend. Kim Keever nett-artigen Formen. Sehr altmoOder? »Jedes bisherige Album Ein New Yorker Künstler dische Reimschemen. Ich verstand zeigte mich, irgendwie, aber es mit Vergangenheit als das nicht, denn das war nichts, was war nie wirklich ich. Sondern die NASA-Ingenieur. Daher vielleicht der Spaß am ich gerne las. Bis ich begriff, dass ich mit diesem Singsang Erzählerin – die ich ist, aber in einer anderen Version meiBasteln: Seine von der ein Loch stopfen wollte, eine Lücke, die dann erst später ner selbst. Und es war immer ich, beherbergt von einem deutschen Romantik die Musik füllen konnte. Erst als ich die Musik, an der künstlerischen Kontext, der einen Eindruck davon vermitgeschulten Landschaften entstehen als Miniaturen in ich arbeitete, mit den Worten verheiratete, klang es gut.« telt, wie das Album klingt, sich anfühlt. Das gilt auch für Ihre Texte sind hochkomplex arrangiert, mit sich über- dieses Album. Es zeigt auch, auf seine Art, die Erzählerin.« einem riesigen Wassertank, der mit Flüssigkeit und lagernden Rhythmen und Schemen. Auf »Divers« streben Das Cover ist ein Werk des Künstlers Kim Keever, es Farbpigmentwolken geflutet wird. Seine surrealen sie thematisch in verschiedene Richtungen, vom Sci-Fi- heißt »Wildflowers«. »Jedes Mal, wenn ich es sah, erfasste Fotografien finden sich in Kriegsgesang zum Shanty zur philosophischen Betrach- mich eine emotionale Unruhe, eine intuitive Reaktion, namhaften Sammlungen tung, dennoch: »Es gibt viele Themen und Motive, die sich nicht unbedingt negativ, aber heftig. Es machte mich rastwie dem Metropolitan Museum of Art und dem durch das Album ziehen. Nicht dass sich alle Songs um los. Es ist, wie wenn ich in einem Haus am Ozean übernachMoMA. das Gleiche drehen würden. Doch jeder Song umsegelt die te. Ich kann nicht schlafen, ich denke nach, werde kreativ, gleiche Idee. Und wenn man sie zusammennimmt, wird ich fühle mich, als hätte ich acht Tassen Kaffee getrunken. Später, als ich an den ersten Liedern saß, bemerkte ich, diese Spur deutlich.« An die ferne Newsom versteht das Album als »Liederkreis« – eine dass das Gefühl, das mir ›Wildflowers‹ gab, genau dieser Geliebte Form, die mit Beethovens »An die ferne Geliebte« ansetzt innere Aufruhr war, der auch meine neuen Songs antrieb. ... von Ludwig van Beet- und in den Romantikern Franz Schubert und Robert Schu- Die heftige Reaktion kam daher, dass es etwas berührte, hoven entstand 1816 und mann ihre Meister findet. »Ich glaube nicht, dass ich jedes was ich in mir trug, was ich hinaustragen wollte. Als es gilt als erster Liederzyklus überhaupt. Die Vertonung Mal konzeptuell etwas entwerfen will, das formal an die dann darum ging, ein Cover-Motiv zu wählen, entschied von Gedichten Alois Jeitte- Romantik anknüpft, aber ich denke, ich habe als Person ich mich für dieses Bild.« les’ eröffnet mit »Auf dem eine Tendenz in diese Richtung.« Der Liederkreis – natürHügel sitz ich spähend«. Die Adressatin des Liedes lich bleibt dieser Begriff im Gespräch der deutsche – sei »Denn heute, wenn ich sinnend schaue konnte bis heute nicht da eine Form, die ihrem Wesen nach sehr streng durch- Auf dies’ Bild, fürbass du kennst es identifiziert werden, es strukturiert ist – etwas, was zur Idee von »Divers« passte. Umfasst mich nunmehr tiefer Friede wird vermutet, dass es die aufklärerische Salonnière Es ist das erste wirkliche Konzeptalbum Newsoms. »Es The Unruh’s gone, so is Bedrängnis« Rahel Varnhagen ist, die gibt eine harmonische Struktur, wie sie noch kein Album Beethoven bei einem Kur- zuvor hatte, ein harmonisches Muster, das die Reihenfolge So sprach die Neusam und entschwand aufenthalt kennenlernte. der Stücke lenkt. Es gibt beinahe so etwas wie Slots, in die Heißer Kaffee, kalte Hand. jeder Song passen musste. Das beeinflusste vielleicht das Narrative, die Texte der Lieder auch. Ganz sicher beein- — Joanna Newsom »Divers« (Drag City / Rough Trade) — Auf Tour vom 05. bis 06.11. flusste es das Arrangement.«


LES CINEMAS DE LA ZONE präsentiert

AOMI MUYOCK

KARL GLUSMAN

„LOVE HAT EINIGE DER SCHÖNSTEN SEXSZENEN DER FILMGESCHICHTE“ HOLLYWOOD REPORTER

AB 26.11. IM KINO!

KLARA KRISTIN


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#Pop #Little Simz

Little Simz

DIE KING OF RAP Die 21-jährige Simbi Ajikawo alias Little Simz hat mit ihrem ersten Album »A Curious Tale Of Trials And Persons« gerade die Tür zur ganz großen Karriere aufgestoßen. Das Album ist eine Kampfansage an egomanische Produzenten, veraltete Gesellschaftsbilder und krude Vorgaben des Musikbusiness. Lena Ackermann sprach mit der Rapperin, Patrick Desbrosses fotografierte sie in Berlin.

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uch Frauen können sich im Rap zum »King« deklarieren, stellt Little Simz gleich am Anfang ihres Debütalbums klar. Trotzdem hat sie nicht vor, sich einer großkotzigen Ghetto-Attitüde hinzugeben. Es gibt weder Audienzen in verschwenderischen Pelzmänteln noch Posen vor brennenden Mülltonnen. Aufgepumpte Brüste, bei denen der spärlich bedeckte Nippel gepixelt werden muss, Frontalblicke auf den Hotpants-Schritt – Fehlanzeige. Stattdessen wirft uns Little Simz einen ernsten Blick zu. Inhalt statt Trash ist ihr Prinzip. Textlich geht es daher auch nicht um Unterwerfungsfantasien, es müssen weder Mütter noch Nutten gefickt werden. Bitches gibt es dennoch, Machtansprüche und Aggression auch. Die aktuelle HipHop-Hoffnung kommt aus England, ist vor Kurzem 21 Jahre alt geworden und heißt Simbi Ajikawo. Kendrick Lamar hat sie kürzlich als »illest thing out there« promotet. Eines ihrer vier Mix-Tapes erschien auf Jay-Zs »Life and Times«-Blog. Doch auch unabhängig von den Verweisen berühmter Männer: Little Simz ist verdammt heißer Scheiß. Seit Jahren ist Simbi Ajikawo schwer beschäftigt. Jetzt, da die Promo für ihr erstes Album in vollem Gange ist, hat sie noch weniger Zeit. Mehrfach musste das Interview verschoben werden, nach drei Anläufen ist Simbi mehr oder weniger in der Leitung. Es rauscht und knackt, zwischendurch bricht die Stimme ganz weg. Einiges von dem, was in Berlin ankommt, klingt, als sei es einmal durch einen Sprachverzerrer und zweimal durch einen Fleischwolf gedreht worden. Schuld ist der Londoner Vorfeierabend-Verkehr. Während wir telefonieren, sitzt die Musikerin im Auto. »Die stereotype Frage, die sich bei jungen Musikerinnen stellt, lautet: Ist sie denn sexy?

Leute interessieren sich für dein Aussehen, für deinen Style. Sie interessieren sich für alles, nur nicht für das, was du zu sagen hast. Ich dagegen stehe für Inhalt und Substanz. Damit möchte ich Menschen erreichen. Und weil die Leute das nicht gewohnt sind, wissen sie nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ich treffe sie wie ein Schock.« Unter dem Titel »A Curious Tale Of Trials And Persons« bringt Little Simz diesen Schock unter die Leute. Zerlegt in zehn Teile, präsentiert sie Betrachtungen rund um das Thema Ruhm. Eine ungewöhnliche Herangehensweise an eine Karriere. Während sich andere gierig und unbeschwert auf den Erfolg stürzen, seziert Simz, was vor ihr liegt. Das erste Stück »Persons« gibt die Richtung vor. Lässig dreht es festgelegte Gender-Rollen um. Simz beansprucht Bereiche, die von Männern dominiert werden, sie verlangt Respekt und fordert Macht. »They told her women cannot call themselves kings. They told her fame is not made for everyone«, heißt es im Prolog zu »Persons«. Wer den Song gehört hat, weiß: Das Gegenteil ist hier der Fall. Phänotypischer HipHop ist Simbis Sache nicht. Wer bei »A Curious Tale Of Trials And Persons« Parallelen zu »The Miseducation Of Lauryn Hill« von 1998 sieht, liegt völlig richtig. Sie sind durchaus erwünscht. Lauryn Hill ist ihr großes Vorbild. »Ich bin stolz darauf, dass meine Musik als Grenzen überschreitender Rap bezeichnet wird. Ich versuche definitiv, an Limits zu gehen.« Auch wenn Little Simz im Vorbeigehen lässig GenderRollen verbiegt, will sich die Musikerin nicht als Feministin bezeichnen. Ihre Weltsicht soll frei bleiben von existenten Schubladen. »Ich glaube an Gleichheit und denke, dass Frauen und Männer gleich behandelt werden sollten. Meine Message lautet: Glaube an dich. Vertrau auf dich.« Wie sich derartiges Selbstvertrauen auszahlen kann, macht Simbi mit ihrem kom- The Miseducation promisslosen Businessplan vor: Sie hat sich Of Lauryn Hill für eine Kooperation mit Red Bull und gegen ... ist das erste Soloalbum ein Major-Label entschieden. Das Album er- von Lauryn Hill, die vorher vor allem als Sängerin der scheint auf ihrem eigenen Label Age 101. Hier Fugees bekannt war. Hills hat die Rapperin selbst gewählte Partner, die Konzeptalbum beschäftigt ihr wichtiges Feedback geben, es gibt keinerlei sich mit den Ungerechtigkeiten, gegen die die SänKontrollverlust. Und wer sich nicht lenken gerin im Musik-Business lassen muss, wird auch nicht verheizt. »Ich zu kämpfen hatte. Was bin entspannt, fühle mich wohl und weiß, Hill 1998 über Sexismus, Idiotie und Skeptiker, die was ich will. Ich brauche keinen großen Deal.« ihr jegliche Chance auf Dass Erfolg weitaus mehr als eine unbe- Erfolg absprechen wollten, schwerte Zukunft bringen kann, ist nicht zu sagen hatte, brachte ihr fünf Grammys und über 19 erst seit Britney Spears’ Absturz-Glatze klar. Millionen verkaufte Platten Normalerweise raffen sich Musiker jedoch ein. immer erst nach einem Aufenthalt im BettyFord-Center zu solcherlei Selbstreflexion auf, Red Bull wie Little Simz sie im Song »Tainted« aus der Die Firma verkauft Perspektive einer geldgeilen und gelangweilten bekanntlich nicht nur ein Getränk, das nach GummiSchlampe heraus betreibt. Abstrakt sind die bärchen schmeckt. Neben Texte nicht - Simbi schreibt, was sie denkt. der Sportförderung ist In »God Bless Mary« entschuldigt sie sich bei sie auch in der Musikwelt höchst umtriebig. Seit 16 ihrer Nachbarin dafür, regelmäßig ihre Anlage Jahren veranstaltet die Red aufgedreht zu haben. Ein Thema, das wenig Bull Music Academy MusikStreet Credibility zu bieten hat. Die Londo- Workshops, Radiosendungen und Studio-Sessions nerin kümmert das nicht, warum auch. Jetzt, auf der ganzen Welt. Trotzwo sie sich theoretische Gedanken zum Erfolg dem gibt es zu denken, gemacht hat, folgt die Praxis. Konkret erntet sie wenn Künstler heutzutage nur dann völlige künstlerifür ihren Erstling ziemlich viel Anerkennung. sche Freiheit bekommen, — Little Simz »A Curious Tale Of Trials And Persons« (Age 101 / Rough Trade / VÖ 30.10.15)

wenn sie das Label einer Getränkemarke auf ihrem Album tragen.


#Pop #Little Simz

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#Pop #Coma

Coma

DUO MIT ZWEI STÜHLEN


#Pop #Coma

Marius Bubat und Georg Conrad machen elektronische Tanzmusik, bei der man nie genau weiß, ob jetzt der Club oder das eigene Heim die geeignetere Umgebung sind. Diese Entscheidungsunlust scheint typisch für Coma zu sein. Dass sie lieber alles mitnehmen, als sich für eine Seite zu entscheiden, wird im Gespräch mit Marius Wurth deutlich. Es geht um Nazi-Logos, The Postal Service und Syrien. Foto: Frederike Wetzels

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etritt man im Industriegebiet Köln-Ehrenfeld im Keller eines Bürogebäudes den Proberaum von Coma, wirkt erst mal alles ganz normal: Gitarren, Synthies, Computer, Mikrofone, das übliche Studio-Equipment. Bis man sich zum Ende des Raumes vorwagt. Dort hängt neben dem Schreibtisch ein nahezu lebensgroßes Poster der beiden Coma-Jungs. Nur dass es sich eben um kein normales Bandfoto handelt. Es zeigt Georg und Marius mit laszivem Blick in einer liegenden Pose, die jedem 70er-Jahre-Zuhälter zu Ruhm und Ehre verholfen hätte. Nur der Tom-Selleck-Pornobalken fehlt. Natürlich ist das over the top, lustig und auch ein wenig kindisch. Trotzdem steckt auch eine tiefere Ebene darin: Ist Kitsch mittlerweile gar kein Ausschlusskriterium mehr in der Subkultur? Oder auf Neudeutsch: Darf man als kredibler Electro-Musiker wieder cheesy sein? Georg findet: »Ja, schon. Man muss sich nicht mehr vor großen Melodien verstecken.« Für Marius gibt es dennoch Grenzen: »Ich bin immer auf der Suche nach dieser Schwelle. In der Kunst sind die richtig beeindruckenden Sachen auch immer verständlich für Leute mit weniger Zugang. Gleichzeitig liegen die so schön auf diesem schmalen Grat, dass selbst die, die professionell damit zu tun haben, denken: ›Boah, das ist aber schon richtig gut!‹ Und so was gibt’s im Pop-Bereich auch.« Also wieder over the top, aber trotzdem noch gut. Auf der Suche nach dem schmalen Grat. Das gilt für Coma auch in der stilistischen Ausrichtung, erzählt der redseligere Marius: »Unser Output enthält ja auch immer wieder Clubkompatibles, aber das ist immer weniger unser Anliegen geworden.« Das aktuelle Album »This Side Of Paradise« veröffentlicht nach diversen Singles, EPs und dem Debütalbum »In Technicolor« wieder das alteingesessene Kölner Techno-Label Kompakt. Und gerade deswegen erscheint es auch im vor allem im Techno totgesagten Album-Format: »Weil wir eben diese gängigen Club-Klischees anfechten wollten.« Club-Klischees negieren, aber trotzdem feiern gehen wollen: Auch auf »This Side Of Paradise« sind einige Tracks wie beispielsweise »Poor Knight« zu finden, die ohne Probleme bei der nächsten Kompakt-Party laufen könnten. Überhaupt Kompakt: »Als ich noch nicht in Köln wohnte, kannte ich nur das Logo aus Anzeigen in Musikmagazinen und dachte: Was sind das denn für Nazis?« Schallendes Gelächter. »Aber als ich dann erstmals auf einer ›Total Confusion‹ war, wurde mir klar, dass die so richtig straighte Tanzmusik machen, die gar nicht mal scheiße ist«, erinnert sich Marius. Also hat das musikalische Umfeld der Stadt tatsächlich großen Einfluss auf die eigene Musik. Zumal in den letzten

Jahren gleichzeitig mit Coma diverse Kölner Bands wie PTTRNS, Urban Homes oder Von Spar auf die Bühne getreten sind, die ähnlich gekonnt mit Indie-Attitüde, Electro-Pop und Club-Atmosphäre spielen. »Ich glaube schon, dass man sich gegenseitig Dinge abschaut. Wir kennen die Bands ja alle. Marius Lauber von Roosevelt war lange bei uns im Studio, Vimes sind es noch. Vielleicht ist es eine Mischung aus gegenseitigem Beeinflussen und einer traditionellen Ästhetik, die im Rheinland seit Jahrzenten vorhanden ist. Selbst Kraut-Elemente findest du bei allen genannten Bands.« Trotz dieser ganzen Einflüsse haben Coma versucht, ein homogenes Album zu produzieren. Das ist ihnen ungeachtet des Spagats zwischen dem technoiden Label-Umfeld und dem als Alltagsbeschallung präferierten Indie-Rock (aktuelle Lieblinge: Perfume Genius, Tame Impala) ausgesprochen gut gelungen. Auch wenn man nicht von einem Konzeptalbum sprechen kann, gab es bestimmte Vorgaben. Total Confusion Das betraf nicht nur die strenge Deadline, Die von Kompakt-Spezi die verwendeten Synthies und Drum-Sounds, Tobias Thomas mit initiierte und als Resident-DJ sondern auch ein Gefühl: »Wir haben ja sehr bespielte Partyreihe feierte spärliche Lyrics. Deswegen geht’s darum, Stim- am 19.12.2014 nach 16 Jahmungen zu vermitteln. Ich fände es gut, wenn ren ihre allerletzte Ausgabe. Auch hier wurde in Abgrendas etwas auslöst, was nicht direkt mit klaren zung zum harten Berliner Aussagen von uns zu tun hat. Eine Vorstellung und hektischen Frankfurter Techno der Kompakt zugevon einem Gefühl oder Ort.« schriebene sanftere »Sound Auch die Arbeitsweise hat sich geändert: Es of Cologne« gefeiert. Ein wurde weniger gemeinsam gejammt, sondern Abschiedsinterview mit den mehr alleine herumgewerkelt. Der Pressetext Machern und Fotos vom Finale findet ihr auf intro.de zum Album formuliert das dann als »File- unter #Total Confusion. Sharing-Album aus der Cloud«. Also eher The Dropbox Service als The Postal Service? »Bei The Postal Service denen gab’s wenigstens eine Story dahinter. Death-Cab-For-CutieWir hatten nur keinen Bock, immer aufei- Sänger Ben Gibbard und nander zu hocken. Ein Duo ist eine komi- Dntel-Mastermind Jimmy sche Konstellation, viele Bands kennen das Tamborello tauften so ihr gemeinsames Projekt. gar nicht. The Postal Service haben natürlich Aufgrund jeweils anderer versucht, ihre Medienkampagne damit zu star- Verpflichtungen und der ten«, erklärt Marius. »Vielleicht müssten wir großen Entfernung mussten sie ihre Demo-Tapes einfach auch behaupten, wir wären an unter- immer mit der amerikanischiedlichen Orten gewesen: einer in Syrien, schen Post – dem United States Postal Service – hin einer in Nordafrika«, witzeln die beiden. und her senden. Und wie das so ist derzeit, kann natürlich alles auf Syrien bezogen werden: »Tobias Thomas hat witzigerweise die Theorie gehabt, dass der Albumname auch mit der aktuellen politischen Situation zu tun habe. Hat er aber nicht.« Sondern? »Was am Titel toll ist: Es schwingt eine komische Drehung mit. Wir wissen selber nicht so richtig, auf welcher Seite wir jetzt eigentlich sind«, sagt Marius und zieht sich kurz darauf zum Fotoshooting seine schwarze Jacke an, die auf jedem Ärmel einen Aufnäher trägt: APPD und Versace. Wahrscheinlich stehen Coma bei allem ein bisschen auf beiden Seiten. Wenn man sich nicht zwischen zwei Stühle setzen will, macht man es sich eben einfach auf beiden bequem. — Coma »This Side Of Paradise« (Kompakt / Rough Trade) — Auf Tour mit Roosevelt vom 26. bis 29.11.

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#Pop #Cover-Welten

Cover-Welten

WELTRAUM UND CO. Etwas, das in der Welt der Popkultur so viel Aufsehen erregt, lässt natürlich auch die Welt der Plattencover nicht völlig kalt. Zwar wären ein paar mehr R2-D2s, Stormtrooper und Darths an dieser Stelle durchaus angebracht, aber an Sternen, Weltall, Planeten und ähnlichem Universumsfirlefanz mangelt es nicht, kuck:


#Pop #Cover-Welten

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#Pop #Die Nerven

Die Nerven

VON ÜBLEN MISSVERSTÄNDNISSEN

Schon nach dem Debüt von Die Nerven, spätestens aber beim NachfolgeAlbum hat die deutsche Musikwelt so tief in die Lorbeertasche gegriffen wie bei kaum einem anderen Newcomer der letzten Jahre. Ob das angemessen ist und was die Superlative mit Max Rieger, Julian Knoth und Kevin Kuhn gemacht haben, hat unsere Autorin Mihaela Gladovic beim Interview herausgefunden. Fotos: Peter Kaaden


#Pop #Die Nerven

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nde 2012 kam mit »Fluidum« endlich mal wieder eine dieser dreckigen Punkplatten auf den Markt, die kaum verrotzter und schrammeliger hätte klingen können. Auf dem Debüt von Die Nerven hört man genau das, was man von einer dreiköpfigen Band erwartet: Gitarre, Bass und Schlagzeug werden einem mit Schmackes um die Ohren gepfeffert. Dazu der Gesang frustrierter Jungs aus einer Stadt ohne Proberäume, aber mit Protzprojekten – Stuttgart, ihr wisst schon! Wo man gefühlt entweder Freak oder Finanzberater wird. Im Sound von Die Nerven findet sich nichts von diesen Krautrock-Style-Reverbs oder Metronomy-mäßigen Happy-golucky-Synthies, die gerade so in Mode sind. Nicht dass wir Metronomy oder Tame Impala nicht mögen würden – ganz im Gegenteil –, aber erfreulicherweise gibt es diese vielversprechenden Bands noch, die nicht auf Sparflamme im Sud des Post-Indierock der 2010er köcheln. Die Nerven werden von Fans und Feuilletonisten gleichermaßen gelobhudelt – und das, obwohl oder gerade weil sie seit ihren ersten eigenständigen Veröffentlichungen auf Bandcamp so klingen, als hätten sie sich ihre Instrumente auf einem ramschigen Flohmarkt gekauft und im WG-Zimmer eine Platte aufgenommen. Obwohl man fairerweise sagen muss, dass Max, Julian und Kevin ihren Sound mit der dritten Platte Glitterhouse und nach dem Labelwechsel von This CharRecords ming Man zu Glitterhouse Records doch ein Der Vertrieb samt Label klein wenig verändert haben. »Out« klingt sitzt in der Musikbusiness- etwas cleaner als die Vorgänger, die ProdukMetropole Beverungen und existiert bereits seit den tion professioneller, die Texte dichter. »Kein 80er-Jahren. Einmal im Jahr Mensch will eine Platte machen, die absichtlich findet im Garten der Label- scheiße klingt«, sagt Max Rieger, der nicht fin»Villa« das Orange Blossom Special Festival statt. Dass det, dass »Out« gezähmter wirkt. »Wir haben Die Nerven bei Glitter- mit ›Fun‹ so viele Konzerte gespielt, dass wir house Records andocken, einfach eine bessere Band geworden sind.« ist übrigens gar nicht so abwegig – wer sich ein Nach den extensiven Touren war es für die drei bisschen damit beschäftigt, am wichtigsten, diese neu gewonnenen Livefindet viel Krachiges im Erfahrungen auf »Out« zu projizieren und zu Label-Œuvre. beweisen, dass sie weit mehr Facetten haben, als bloß diese wütende Stuttgart-21-Band zu Musikvideo mit sein. Dass den ersten beiden Platten eine geTocotronic wisse Frustration beigewohnt habe, die auf Der Clip zu »Angst«, bei »Out« scheinbar gewichen ist, um Platz für dem Maximilian Wiedenho- etwas Neues zu schaffen, würde Max – der fer Regie führte, wurde im Jugendclub Joker in Rangs- sympathisch-skeptische Widersprecher und dorf gedreht. Tocotronic Alles-in-Frage-Steller der Band – so allerdings spielen darin als Die Nerven auch nicht unterschreiben. Er hält die stänvor desinteressierten Jugendlichen, während die digen Wut-Assoziationen für eine der vielen originalen Bandmitglieder Missinterpretationen, die von Magazin zu auf ihrem Weg zum Club Magazin per Copy & Paste verbreitet werden. gefilmt werden. Kurz vor Ohnehin kann man Die Nerven relativ Ende des Songs betreten sie nach einer letzten Kippe schnell nerven mit falschen Assoziationsketvor der Tür den Club und ten zu ihren Texten, irgendwelchen Parallelschauen gelangweilt auf Tocotronic. Kann man sich bezügen zu 80er-Jahre-Bands oder mit der hier noch mal anschauen: Erwähnung der Tatsache, dass gewisse Konbit.ly/angstvordienerven. zertbesucher immer wieder verstehen, man sänge: »Ich laufe barfuß durch den Schlamm, um mich zu verletzen«, anstelle von: »Ich laufe barfuß durch die Scherben, ohne mich zu verletzen.« Das mussten wir versprechen, in diesem Text klarzustellen. Für Max ist das eines »der übelsten Missverständnisse überhaupt. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich mich geschämt habe, dass irgendjemand denkt, ich könnte so was singen.« Gerade wegen des Medienrummels der ersten zwei Jahre nahmen sich die Jungs für »Out« trotz ihres

unerschöpflichen kreativen Outputs – angeblich schreiben sie ganze Alben in Stunden und haben nebenher noch weitere Projekte und Bands – mehr Zeit. Nach dem Einstieg von Kevin begann 2012 für das Trio ein zweieinhalbjähriger Höllenritt: »Es ging dann auf einmal richtig los und immer weiter. Wir hatten nie eine wirkliche Pause, wo wir mal komplett etwas hätten abschließen können. Nach dem Erfolg von ›Fun‹ mussten wir erst mal zur Ruhe kommen. Das hat aber auch dazu geführt, dass wir in der Zeit, in der wir das dritte Album aufgenommen haben, wieder zu uns selbst gefunden haben und auf einmal total zufrieden mit der Platte waren«, erzählt Julian. Bei Max und Kevin stellen sich die Nackenhaare auf: Was meint er mit Selbstfindung!? Schon wieder so ein überladenes Kackwort, bei dem Kevin spätestens jetzt aufhören würde, diesen Artikel zu Ende zu lesen. Ein bisschen verliert man sich als Band und als Person letztendlich aber doch, wenn Der Spiegel »Fun« als »eine der wichtigsten und besten deutschsprachigen Platten dieses Jahrzehnts« deklariert, der Standard Die Nerven als »das vielleicht beste deutsche Trio seit Trio« feiert oder einem der Ritterschlag verpasst wird, weil Tocotronic plötzlich zusagen, Die Nerven in ihrem Musikvideo zu spielen. Obgleich Spiegel-Kollege Jan Wigger es, wie die Band findet, geschafft hat, in seiner Rezension genau die Assoziationen niederzuschreiben, in denen sich die Jungs wirklich wiederfinden, hatte vor allem Sänger Max »voll die krassen Probleme damit. Überall wirst du interviewt, und zu allem beziehst du Stellung, bloß, weil du gefragt wirst. Dann schreiben Leute etwas über dich, und wieder andere lesen es, und man selbst kann sich überhaupt nicht damit identifizieren. Plötzlich sitzt du dann da und denkst: Bin ich nicht doch so?« Trotzdem lassen sich die Baden-Württemberger davon nicht unter Druck setzen und haben sich dank der Pause zwischen den Veröffentlichungen von »Fun« und »Out« wieder auf die Entspanntheit und Unvoreingenommenheit von »Fluidum« zurückbesonnen. Weil sich nach Meinung der Band damals keine Sau dafür interessiert hat, was sie eigentlich machen, entsprang alles der Intuition und wurde genau so für richtig befunden. »Bisher sind wir damit auch noch nicht auf die Fresse geflogen und mussten uns nie Gedanken machen, ob das den Leuten gefällt. Das erlöst einen auch ein bisschen. Warum also nicht so weitermachen?« — Die Nerven »Out« (Glitterhouse / Indigo) — Auf Tour vom 17.11. bis 16.12.

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#Pop #Grimes

Grimes

DIE MUTTER DER DÄMONEN Die Kanadierin Claire Boucher a.k.a. Grimes ist nicht nur DIY-Musikerin, sondern auch Stilikone und Feministin. Anlässlich ihres neuen Albums »Art Angels« sprach Henje Richter mit ihr. Mit dem Auto ging es quer durch Paris und dabei um Inspiration, künstlerische Kontrolle und die Dämonen, die sie antreiben. Illustration: Julia Feller


#Pop #Grimes

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er mexikanische Horrorfilm-Regisseur Guillermo del Toro (»Pan’s Labyrinth«) sagte einmal, dass er als Kind große Angst vor den Monstern unter seinem Bett gehabt habe. Also beschloss er eines Tages, sie einfach zu seinen Freunden zu machen und sie so zu zähmen. In Paris, auf dem Rücksitz einer Luxuslimousine sitzend und auf dem Weg zu einer Anprobe für ihr DJ-Set auf der Louis-Vuitton-Party am nächsten Abend, erzählt Claire Boucher, dass es ihr ganz ähnlich ergangen sei: »Als Kind hatte ich ständig Angst. Angst vor all den Dämonen, die meine schlechten Gedanken lesen und mich dafür bestrafen würden.« Sie wirkt jünger als 27 Jahre, ist zierlich, noch ungeschminkt und ungestylt. Hier spricht nicht die energetische Bühnengestalt Grimes, sondern Claire Boucher, aufgewachsen im ländlichen Kanada und erzogen in einer erzkatholischen Schule. Es war ein weiter Weg von dort nach hier: über Montreal, Los Angeles bis nach Paris zur Fashion Week. Doch die Dämonen sind immer noch da, nur verwandelt. »Diese Wesen haben immer noch die Kontrolle über meine Inspirationen«, erklärt sie. »Aber ich habe begonnen, sie als meine Kunstengel zu bezeichnen, meine ›Art Angels‹.« Ihr neues, fünftes Album hat Boucher nun nach ihren übernatürlichen Begleitern benannt. In der öffentlichen Wahrnehmung könnte es genauso gut ihr zweites Album sein, denn ihre ersten drei wurden teils in Eigenregie veröffentlicht, sie selbst bezieht sich kaum noch darauf. Erst ihr viertes Album »Visions« und der Hit »Genesis« von 2012 hatten ihr mit der Mischung aus süßen SynthpopMelodien und rauem DIY-Charme zum großen Durchbruch verholfen. Rückblickend wird auch schon in diesen Titeln der religiöse Bezug deutlich: »Meine Musik ist eine Auseinandersetzung mit den schreckenerregenden Elementen des Katholizismus«, so Boucher. Sie hat die Kontrolle über ihre Dämonen gewonnen, indem sie diese akzeptiert und in eine Spaßkapelle in ihrem Kopf verwandelt hat. »›Grimes‹ war nur die erste Gestalt, der ich bewusst begegnete und die mit Leben gefüllt wurde. Inzwischen spielt in mir eine komplette Girl-Band aus verrückten dämonischen Alter Egos«, sagt sie. Sie identifiziere sich auch stark mit Daenerys Targaryen, der »Mutter der Drachen« aus »Game Of Thrones«. »Hoffentlich klinge ich nicht allzu verrückt!« fügt sie hinzu. Natürlich klingt das alles bisweilen total durchgeknallt, und das weiß Boucher auch, aber ihre Devise ist eben: »Was ist das Verrückteste, das ich mit den Mitteln anstellen kann, die ich habe?« Denn obwohl mit ihrem Erfolg auch ihr Budget gewachsen ist, ist es nicht das einer ChartsDiva. Sie muss immer noch haushalten. Deshalb nutzt sie ihren Besuch in Paris, um nebenbei das Video zu ihrer Singleauskopplung »California« zu drehen. Und es passt zu ihrer DIY-Einstellung, dass einer ihrer Brüder dabei Regie führt. »Wir hatten eine grobe Idee von dem, was wir machen wollten. Aber ich mag es nicht, alles zu genau zu planen«, sagt sie. »Denn wenn dann etwas schiefgeht, ist alles umsonst gewesen.« Ähnlich geht sie auch mit ihrem sprunghaften Twitter-Feed um, oder ihrem wilden Tumblr. Sie will nicht von Anfang an die Kontrolle über alles behalten – sondern lieber am Ende alles beherrschen. Es ist ein Spiel mit Grenzen, mit kleinen Kontrollverlusten und mit Unberechenbarkeiten, das sie irgendwie auch gerne spielt. »Improvisationen sind dabei genauso wichtig wie die kreativen Grenzen«, gesteht Boucher. Die Grenzen ihrer Musik haben sich mittlerweile immer mehr geweitet. Hatte sie »Visions« noch mit der

Apple-Standardsoftware GarageBand aufgenommen, so ist nun ein kleines Heimstudio entstanden. »Ich bin zu Ableton gewechselt, nutze mehr analoge Amps und spiele auf dem neuen Album auch Gitarre«, berichtet sie. »Ich bin aber keine Puristin. Im Zweifel bin ich mit Plug-ins zufrieden.« Vor allem hofft sie, dass die Diskussionen um ihre technischen Fähigkeiten mit »Art Angels« ein Ende haben werden. »Einige Leute hatten Bedenken, ob ich technisch professionell genug arbeiten könne. Und das nur, weil ich eine Frau bin.« Es ist ein Thema, das sie in den letzten Jahren immer wieder angesprochen hat und das ihr wichtig ist. »Ich möchte nicht wie ein Alien behandelt werden, nur weil ich eine Frau bin und mit Technik umgehe. Ich will als Künstlerin nicht auf mein Geschlecht oder meinen Körper reduziert werden.« Die Ironie des Schicksals: Inzwischen sind wir auf dem Rückweg von der Anprobe, bei der eine Modefirma sie gerade für ihren kommenden Auftritt mit einer passenden Garderobe ausgestattet hat. Insgesamt ist Boucher aber dabei, immer mehr Macht über ihre Musik und ihr Leben zu gewinnen. Ihr Erfolg hilft dabei mehr als alles andere, und sie möchte nun auch anderen Künstlern ermöglichen, davon zu profitieren. »Ich habe deshalb die Eerie Organization gegründet. Es ist kein Label, dafür hätte ich nicht Nicole Dollanganger die Zeit«, erzählt sie. »Es ist eine Tumblr-Platt»Natural Born Losers« form sowie ein Künstlerkollektiv, das anderen heißt das gerade erschiehelfen soll, bessere Labeldeals zu bekommen.« nene neue Album der Erster Schützling ist Nicole Dollanganger, 23-jährigen Kanadierin, die ähnlich wie Grimes süßen die sie auch auf Tour begleiten wird. »Es geht Pop mit dunklem Anstrich darum, sie bekannter zu machen, denn sie ist macht. Es ist die erste wirklich fantastisch. James hilft auch mit.« Zu Veröffentlichung auf Eerie Organization (eerie.org). viele Freunde hätten ausbeuterische Verträge mit Labels schließen müssen und ihre künstJames Brooks lerische Kontrolle verloren, erzählt sie. Sie be... ist der langjährige Freund wundere Janelle Monáe, die einen Gastauftritt von Claire Boucher. Er auf dem neuen Album hat: »Sie hat die volle war Teil des Duos Elite Macht über ihre Karriere und muss keinerlei Gymnastics und veröffentlicht mittlerweile als Default Kompromisse mehr eingehen. Dort will ich Genders sehr persönliche, auch hinkommen.« Die Kontrolle über ihre feministische DIY-Songs Dämonen hat sie schon – der Rest wird folgen. (defaultgenders.com). — Grimes »Art Angels« (XL / Beggars / Indigo / VÖ tba) — Auf Tour vom 17. bis 21.02.

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#Pop #Deerhunter

ÂťIch bin so negativ wie immerÂŤ Deerhunter


#Pop #Deerhunter

Ohne ihren exzentrischen Kopf Bradford Cox wären Deerhunter vermutlich nur eine x-beliebige Indierock-Band aus den USA. Nun erscheint ihr siebtes Album »Fading Frontier«. Annette Walter hat mit dem 33-jährigen Cox in Atlanta telefoniert und mit ihm über Antidepressiva, Resignation als Lebenseinstellung und Fassbinder gesprochen. Foto: Aaron Richter / corbis

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s passiert nicht oft, dass ein Künstler in einem Telefoninterview erzählt, er stehe gerade in einer Apotheke und hole seine übliche Ration Antidepressiva ab. Als Bradford Cox unvermittelt »Thank you, sweetheart« in den Hörer flötet und ich ihn frage, mit wem er spreche, erzählt er mir genau das. Zweifellos ist Cox ein Künstler, der so schonungslos offen mit seinen Defiziten und Dämonen umgeht, dass es manchmal wehtut. Aber eben das macht ihn so faszinierend. Seit seiner Geburt leidet er am Marfan-Syndrom Marfan-Syndrom, weshalb ihm häufig wahlDas Marfan-Syndrom ist weise Mager- oder Drogensucht unterstellt eine genetische Bindegewird. Kürzlich bekannte er, asexuell zu sein. webserkrankung. Benannt Oder doch queer, denn als Schwester im nach dem französischen Geiste von Kurt Cobain und Nicky Wire von Kinderarzt Antoine Marfan, der die Krankheit 1896 den Manic Street Preachers tritt er gern mal im erstmals diagnostizierte. Kleid auf die Bühne. Es juckt ihn nicht, ob seine Sie gilt als sehr selten, nur knochigen nackten Arme und Beine zu sehen ein bis zwei von 10.000 Menschen leiden daran. sind. Ebenso wenig, wie in Interviews zu offenBetroffene sind sehr dünn, baren, an Depressionen zu leiden. Melancholie weshalb ihnen fälschlichergehört eben zu seiner Persönlichkeit. Es störe weise häufig Magersucht unterstellt wird. Eine ihn viel mehr, erzählt er mir, wenn psychische Heilungschance gibt es Leiden tabuisiert werden. Auch, dass er einer momentan nicht. Selbst Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätseine Therapie ist nur eingeschränkt möglich. störung, kurz: ADHS, leidet, erwähnt er: »Ich verliere schnell das Interesse an Dingen.« Im Dezember 2014 ist er von einem Auto angefahren worden. Ich will von ihm wissen, wie er den Unfall verkraftet hat. »Ich habe mich wieder vollkommen davon erholt«, sagt er. Und fragt gleich zurück: »Nimmst du auch Medikamente?« Nein, antworte ich und möchte wissen, ob ihm die Tabletten helfen, sich besser zu fühlen. Seine Antwort klingt traurig: »Nein. Ich glaube eher, sie halten mich davon ab, mich noch schlechter zu fühlen.« Klar fände er es schöner, »ohne künstliche Stoffe in meinem Körper zu leben. Es ist eben nicht natürlich.« Cox ist seit 2001 die einzige Konstante in der turbulenten Bandgeschichte von Deerhunter: Der erste Bassist Justin Bosworth starb 2004 bei einem Skateboard-Unfall, an seine Stelle trat Josh Fauver, für den 2013 dann Josh McKay kam. Und auch der jetzige Drummer Moses Archuleta hatte ein paar Vorgänger. Gitarrist Lockett Pundt stieß erst 2005 zur Gruppe. Über die Jahre hat sich auch der musikalische Stil der Band verändert. Auf dem neuen Album klingt sie positiver, ja, irgendwie lebensbejahender. Ist das Album tatsächlich Ausdruck neu gewonnener Lebensfreude im Vergleich zum sperrigeren Vorgänger »Monomania«? Cox widerspricht vehement: »Jeder, der ›Fading Frontier‹ optimistisch interpretiert, liegt komplett falsch«, beteuert er. »Ich schwöre dir, ich bin so negativ wie immer. Das Leben ist für mich eine Abfolge von Fehlern. Für mich handelt

etwa der Song ›Living My Life‹ von Resignation.« Er seufzt laut. »Meine Lebenseinstellung lautet: ›Okay, das ist das Beste, was ich eben rausholen kann.‹ Verstehst du?« Cox ist aber auch ein Meister der Ambivalenz, der eine diebische Freude daran hat, falsche Fährten zu legen, wie er zugibt: »Alles ist ein Widerspruch, einschließlich allem, was ich sage.« In eingängige Melodien verpackt er gern Botschaften tiefer Schwermut. Immer wieder geht es bei ihm um Angst und Verzweiflung. Er schafft es, eine scheinbare Idylle komplett zu brechen. Wie in einem der neuen Songs, »Snakesin«: Eigentlich ist es ein hübscher, countryesker Popsong, würde Cox nicht »I was born already nailed to the cross. I was born with the feeling I was lost« singen. Im Video lächelt der Blondschopf in Latzhose und mit Hut in die Kamera, um seine Füße tollt ein Hund. Irgendwann artet die gemütliche WohnzimmerAtmosphäre in eine Blackfacing-Performance aus. Auch die melodische Electropop-Nummer »Living My Life« verbreitet nur beim ersten Reinhören gute Laune, denn Cox klagt: »Will you tell me when you find out how to conquer all this fear?« Vielleicht hat er seine Ängste heute etwas besser im Griff, weil er seit einiger Zeit ein Zuhause in einem renovierten Haus in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia gefunden hat. Eine Art sicheren Rückzugsort, vollgestopft mit Büchern, Kerzen und Platten. Cox scheint ein heimatverbundener Mensch zu sein. Schließlich wohnt er nur rund 100 Kilometer von seinem Geburtsort Athens entfernt. Sein Mitbewohner: ein Hund. Seine Familie und Gitarrist Pundt leben in der Nähe. Das gibt ihm Sicherheit, erzählt er. Scheinbar ist Cox mit Deerhunter und der Haustierpflege aber nicht ausgelastet: 2011 erschien bereits das dritte Album »Parallax« seines Soloprojektes Atlas Sound. 2013 hat er noch dazu einen Abstecher ins Filmgeschäft gewagt: Seiner extrem fragilen Statur hat er es vermutlich zu verdanken, dass Regisseur Jean-Marc Vallée ihm in seinem Aids-Drama »Dallas Buyers Club« eine Rolle gab. Der Deerhunter-Frontmann spielt darin Sunny, den Lover von Jared Leto als aidskranke Transfrau. Der Dreh war für Cox eine gute Erfahrung. Dennoch sagt er: »Ich sehe mich nicht als Schauspie- Rainer Werner ler.« Ein Filmliebhaber ist er aber schon. Er Fassbinder schwärmt für Rainer Werner Fassbinder, ... bleibt bis heute einer der »mein Lieblingsregisseur. Fassbinder ist für aufregendsten Regisseure der deutschen Filmgemich im Kino das, was Punkrock in der Musik schichte. Trotz exzessivem ist. Ich mag seine Charaktere, man kann sich Lebenswandel drehte er in mit ihnen identifizieren. Und sie sind auf eine seiner kurzen Schaffenszeit über 40 Filme. Er starb fast schon gewaltsame Art und Weise emoti- mit nur 37 Jahren in seiner onal.« Voller Begeisterung zählt er mir seine Wohnung in München Lieblingsfilme auf: »›Angst essen Seele auf‹, an einem Herzstillstand, vermutlich ausgelöst ›Lola‹, ›Eva Braun‹, ›Die Sehnsucht der Veroni- durch einen Mix aus ka Voss‹.« Und fügt in niedlich-gebrochenem Kokain, Schlaftabletten und Deutsch hinzu: »And the bitter Träns of Petra Alkohol. Bis heute wacht seine letzte Lebensgevon Kant.« Die Filme schaut er sich übrigens fährtin Juliane Lorenz über im deutschen Originalton mit englischen Un- sein Werk. Die anderen tertiteln an. Warum? »Ich liebe die Härte der Mitglieder des ehemaligen Fassbinder-Clans finden deutschen Sprache.« das weniger geil. — Deerhunter »Fading Frontier« (4AD / Beggars / Indigo) — Auf Tour mit Atlas Sound vom 16. bis 18.11.

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#Pop #Chvrches

Chvrches

RESPEKT IST ALLES Im Gespräch mit Lauren Mayberry, Ian Cook und Martin Doherty kann man viel lernen. Zum Beispiel, wie das Musikbusiness in einer gerechten Welt funktionieren sollte. Oder darüber, wie man dem darin verbreiteten Sexismus begegnet. Daniel Koch traf Chvrches kurz vor dem Release ihres zweiten Albums »Every Open Eye«, das sie im November live vorstellen werden. Foto: Patrick Desbrosses


#Pop #Chvrches

Vor unserem Treffen habe ich noch einmal unseren letz­ ten Artikel über euch gelesen. Mein damaliger Kollege Felix Scharlau schrieb gleich im ersten Absatz: »Will­ kommen in einer Welt der richtigen Entscheidungen. Willkommen bei Chvrches.« Könnt ihr euch vorstellen, was er damit gemeint hat? Lauren Mayberry: Schön, dass er es so sieht. Und: Ja, ich

glaube, ich weiß, was er meint. Wir haben in vielen Dingen glücklicherweise die richtigen Entscheidungen getroffen. Vor allem, wenn es um unsere Musik und das Geschäft drum herum geht. Aber ich würde das ungern als Leitfaden für andere verstanden wissen. Was für unsere Band funktioniert, muss nicht auch für andere das Beste sein. Ian Cook: Unser Vorteil war dabei natürlich, dass wir bereits lange Zeit Teil des Musikbusiness’ waren. Wir haben da schon einiges durch. Martin Doherty: Genau das hat uns geholfen. Wir merkten früh, wie groß das Interesse an unseren ersten Songs war. Auch von Seiten der Plattenfirmen. Wer uns da nicht alles treffen wollte! Aber die Arschlöcher mit den großen Worten und dem teuer stinkenden Aftershave haben wir zehn Meilen gegen den Wind gerochen. Die waren oft nach ein paar Minuten wieder weg. Wir arbeiten Max Martin nicht mit Leuten, die wir nicht respektieren. Der schwedische Produzent Und umgekehrt. Dieser Grundsatz gilt für und Co-Songwriter gilt alle Bereiche unseres Schaffens: Fotografen, spätestens seit seinem Durchbruch mit dem Bühnencrew, Label, Presse, Management ... Britney-Song »... Baby One More Time« als einer der erfolgreichsten seiner Zunft und wurde in diesem Jahr mit dem Grammy als »Producer Of The Year« ausgezeichnet. Zu seinen jüngsten Erfolgen zählen The Weeknds »Can’t Feel My Face« und ungefähr die Hälfte von Taylor Swifts Album »1989«. Außerdem stammen folgende Songs aus seiner Feder: »It’s My Life« von Bon Jovi, Christina Aguileras »Your Body«, »Masquerade« von Nicki Minaj sowie »Teenage Dreams« von Katy Perry.

In meinen Interviews merke ich immer wie­ der, dass Künstler mit den Entwicklungen im Musikgeschäft hadern und oft nicht wissen, wie sie sich positionieren sollen. Wenn man so selbstständig arbeitet wie ihr: Ist es nicht schwer, da auf der Höhe zu bleiben und die richtige Entscheidung überhaupt zu sehen? IC: Ich mag diese weinerliche Haltung nicht,

die bei vielen durchkommt. Die Musikindustrie entwickelt sich gerade im rasenden Tempo weiter. Jeden Tag gibt es was Neues. Da ist es wichtig, dass man sich mit Leuten umgibt, auf deren Urteil man vertraut. Ich finde, gerade ist eine großartige Zeit, um Musiker zu sein. Heutzutage haben viel mehr Leute die Möglichkeit, deine Musik hören zu können. MD: Genau. Der Hunger nach Musik ist durch Streaming riesig geworden und wird weiter ansteigen. Anstatt sich darüber zu beklagen, sollten Musiker ihre Energie nutzen, um genau dort Transparenz zu erzwingen. Das ist nämlich der Schlüssel zu allem: Jeder muss sehen können, wer daran wie viel verdient.

Lasst uns über »Every Open Eye« sprechen: Ihr habt das Album wieder im eigenen Studio in Glasgow aufgenom­ men, selbst produziert, komplett geschrieben, und es gibt weder ein Gastfeature noch irgendwelche Remi­ xe. Sehr ungewöhnlich für eine elektronische Popband, findet ihr nicht? MD: Mag sein. Aber genau darauf sind wir ungemein

stolz. Wir sind eine der wenigen Bands, die es in die Top 10 geschafft und jeden einzelnen Song selbst produziert haben. Machen wir uns nix vor: Normalerweise läuft es in der Popmusik doch so, dass man elf Leute für das Songwriting hat, vier für die Texte, sich eine Persönlichkeit sucht, zu der dieser Song passt – und dann sperrt man diese mit Max Martin so lange in ein Studio, bis sie mit einer Hitsingle wieder rauskommen. Ich wäre lieber Max Martin als der Tanzbär, der seinen Song singen muss. Versteh mich

nicht falsch: Der Typ ist ein Genie und unantastbar. Ich respektiere ihn, für das, was er macht. Aber ich will lieber mein eigenes Team sein, anstatt eines zu haben. Ich war lange Zeit Session-Musiker und fühlte mich dabei schnell unwohl. Ich kam mir vor wie ein Betrüger. Jede positive Erfahrung hatte einen faden Beigeschmack, weil ich immer dachte: »Ich verdiene das nicht. Es gehört mir nicht.« Ich muss selbst künstlerisch involviert sein, um eine emotionale Bindung zur Musik zu haben. IC: Wenn du mit deinem eigenen Kram auch noch Erfolg hast, fühlt es sich wirklich großartig an. Weil die Musik ein Teil von dir ist. Und wenn du es verkackst, musst du eben selbst damit klarkommen. MD: Aus unserem Team hat uns übrigens noch nie jemand gefragt, ob wir einen Produzenten haben wollen. Man vertraut uns und weiß, dass uns unwohl dabei wäre. Früher war ein Produzent ja eher der Typ, der die Aufnahmen organisiert hat und versuchen musste, aus einem Haufen Alkoholiker oder Junkies eine gute Session herauszukitzeln. Heutzutage arbeiten sie fast wie eigenständige Musiker und reden dir ins Songwriting rein. LM: Aber auch hier gilt: Jeder so, wie es für ihn passt. Die Popgeschichte hat viele Stars hervorgebracht, die es anders gemacht haben. Elvis zum Bei- Sexistische spiel, oder Whitney Houston – große Stim- Kackscheiße men, für die große Songs geschrieben wurden. Leider trotz des Statements Oder denke nur an die Motown-Hits. Wir (bit.ly/laurenkicksass) eine Never-Ending-Story. Wiesind einfach glücklich, dass wir alle Teile des derholt posteten Chvrches Handwerks selbst beherrschen und nicht auf schlüpfrige Bagger-Mails, Kollaborationen angewiesen sind. Gleiches gilt außerdem faltete Lauren von der Bühne aus einen für Remixe oder für Features: Es ist eine be- Fan zusammen, der »Marry wusste Entscheidung von uns als Band, darauf me, Lauren!« gebrüllt hatte. zu verzichten. Wobei wir wirklich ständig ge- Weil im Video zu »Leave A Trace« nur Lauren zu fragt werden. Ich weiß nicht, ob das am Genre sehen ist – in einem kurzen liegt. Wären wir eine Rockband, würde man Kleid –, wurde die Band uns damit vermutlich in Ruhe lassen. Für mich nach dem Motto »Erst über Sexismus klagen und sich ist die Vorstellung absurd. Wir wollen Alben dann auch noch sexy anmachen, die eine Konsistenz haben, die als ziehen« der Heuchelei beGanzes Sinn machen – das würde mit einem zichtigt. Als wenn Letzteres die Einladung zu Ersterem beigelegten Gästebuch nicht funktionieren. wäre. Ihr Kommentar: »Das IC: Stimmt, diese Alben klingen im besten Falle ist ekelerregend. Wann ändert sich das endlich?« wie Greatest Hits ... MD: ... und im schlimmsten, als hätte da jemand seine berühmten Freunde ins Studio gesperrt, bis jeder mal einen Song gesungen hat. Lauren, eine Frage noch an dich: Du hast dich vor knapp zwei Jahren in einem Kommentar im Guardian sehr offen über die sexistische Kackscheiße geäußert, der weibli­ che Popstars täglich – überwiegend im Internet – aus­ gesetzt sind. Ist es seitdem spürbar besser geworden? LM: Leider nicht. Aber für mich oder für uns ist es seitdem

leichter, damit fertig zu werden. Der Beitrag hat geholfen, die Diskussionen darüber am Leben zu halten. Es nicht zu akzeptieren. Wir haben viel Zuspruch erfahren und wissen jetzt, dass wir damit nicht allein sind. Dass wir diese Arschlöcher ins Licht zerren können. Dass wir ein Netzwerk haben, das immer wieder auf dieses Problem aufmerksam machen kann. Trotzdem schockiert es mich noch immer, wie viel Aggression gegen Frauen und wie wenig Empathie generell im Internet zu finden sind. Das ist ekelerregend. Wann ändert sich das endlich? — Chvrches »Every Open Eye« (Vertigo / Universal) — Live in Hamburg am 12.11.

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TV-PREMIERE – 31. OKTOBER 20:15 UHR


#Kultur

#Kultur 3D Rendering: Nikolas Müller

Die Macht erwacht! Und hat anscheinend schon diese Seite zerschossen. Hoffentlich ist unser Feature über die neuen »Star Wars«-Helden auf den nächsten Seiten noch intakt. Dieses Bild könnte aber ebenso ein Werk des anarchisti­ schen Künstlers, Musikers, Autors und Ex-KLFMitglieds Bill Drummond sein. Der hatte eine einzige Vorgabe für uns: »Fragt mich nur, was noch keiner gefragt hat.«

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#Kultur #Kino #Star Wars

Star Wars

DAS IMPERIUM SCHWEIGT SICH AUS Eingefleischte »Star Wars«-Fans haben sich den 17. Dezember 2015 längst knallrot im Kalender markiert. An diesem Tag kommt »Star Wars: Das Erwachen der Macht« in die Kinos. Was die Schauspieler John Boyega, Daisy Ridley und Gwendoline Christie zuvor nicht verraten dürfen, versuchte Patrick Heidmann ihnen beim Interview in London zu entlocken.


#Kultur #Kino #Star Wars

Kathleen Kennedy ... ist langjährige SpielbergWegbegleiterin und als Produzentin für alles von »E.T.« über »Zurück in die Zukunft« bis »Jurassic Park« mitverantwortlich.

Geheimniskrämer Beim letzten »Star Trek«Film wollte J.J. Abrams selbst dann nicht verraten, wen Benedict Cumberbatch spielt, als alle Welt sowieso schon richtig geraten hatte.

F

ans von »Star Wars« sind anders als andere. Diese Erkenntnis ist nicht neu, doch angesichts des immer näher rückenden Kinostarts von »Star Wars: Das Erwachen der Macht« am 17. Dezember zeigt sich eindrücklicher denn je, wie wahr sie ist. Nach dem künstlerischen Debakel, als das sich die Prequels »Episode I-III« zu Beginn des neuen Jahrtausends entpuppten, wäre es eigentlich die logische Konsequenz gewesen, diesem Kapitel ScienceFiction-Geschichte fortan den Rücken zu kehren und sich aufs nostalgische Festhalten an Jugenderinnerungen zu beschränken. Doch weit gefehlt. Wer den Schöpfungen von George Lucas einmal verfallen ist, so scheint es, verzeiht alles. Die Begeisterung kannte also keine Grenzen, als im Oktober 2012 bekannt wurde, dass Disney sich Lucas’ Firma und damit die Rechte an »Star Wars« gesichert hatte. Eine neue Trilogie sollte auf den Weg gebracht werden. Für den Konzern eine knallhart kalkulierte Business-Entscheidung: Wenn sich trotz tragischer Lachnummern wie Jar Jar Binks in »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung« und einem Jahrzehnt ohne nennenswertes neues Material, mal abgesehen von der »Clone Wars«-Animationsserie, immer noch absurde Millionensummen mit Merchandise machen lassen, wie viel Geld würden dann erst neue Filme in die Kassen spülen? Doch für die Fans kam die Nachricht einem Heilsversprechen gleich.

Aus spontanem Jubel wurde nachhaltige Vorfreude, als die neue Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy J.J. Abrams als Regisseur für »Star Wars: Das Erwachen der Macht« bekannt gab. Der hatte nicht nur jahrelang zu Protokoll gegeben, selbst seit seiner Jugend riesiger »Star Wars«-Fan zu sein, sondern mit »Star Trek« schon einmal erfolgreich eine eigentlich tot geglaubte Kino-Reihe wiederbelebt. Im Frühjahr 2014 erreichte die kollektive Erwartung dann endgültig das Stadium der Schnappatmung. Als nämlich feststand, dass nicht nur Soundtrack-Legende John Williams wieder die Filmmusik komponieren würde, sondern darüber hinaus die Rückkehr von Harrison Ford als Han Solo, Carrie Fisher als Prinzessin Leia und Mark Hamill als Luke Skywalker vermeldet werden konnte. Nicht zu vergessen Chewbacca, R2-D2 und C-3PO! Von Mai bis November 2014 fanden die Dreharbeiten in den englischen Pinewood Studios sowie in Abu Dhabi statt. Zwischendurch, so hörte man, hatte sich Harrison Ford am Set den Knöchel gebrochen und damit für eine kurze Unterbrechung gesorgt. Außerdem machten unerlaubt veröffentlichte Fotos vom Dreh im Internet die Runde. Doch wirklich schlauer hinsichtlich der Frage, was uns ab dem 17. Dezember auf der Leinwand erwartet, sind wir auch kurz vor Kinostart noch nicht. Gerade mal zwei Mini-Trailer wurden der Öffentlichkeit bis Redaktionsschluss präsentiert, dazu wurde auf der Comic-Con ein kurzer Blick hinter die Kulissen gezeigt. Die 27 Fotos zum Film, die sich auf dem Disney-Presseserver finden, gehen darüber kaum hinaus. Seinem Ruf als Geheimniskrämer macht J.J. Abrams also alle Ehre. Von manchem neu verpflichteten Schauspieler – darunter etwa Max von Sydow oder Abrams’ Kumpel Simon Pegg – ist bisher nicht einmal ein Rollenname bekannt. Dass es Filmzeitschriften und Blogs trotzdem schon seit Jahresbeginn gelingt, im Monats- oder gar Wochentakt ekstatische neue Vorberichte und Meldungen rund ums Thema »Star Wars« zu bringen, ist unter diesen Bedingungen eine bemerkenswerte Leistung! Es versteht sich also von selbst, dass kein neues Material – geschweige denn der fertige Film – gezeigt wird, als zweieinhalb Monate vor Kinostart John Boyega, Daisy Ridley und Gwendoline Christie in London zum Interview bitten. Entgehen lässt man sich die Gelegenheit natürlich trotzdem nicht. Denn auch wenn die drei Schauspieler im Ensemble von »Star Wars: Das Erwachen der Macht« unbeschriebene Blätter sind, kommen ihnen in der Handlung doch zumindest die Schlüsselrollen zu. Oder vermitteln die Trailer etwa einen falschen Eindruck? »Sie wissen doch, dass ich Ihnen dazu nichts sagen darf«, lacht Ridley und erinnert dabei ein wenig an Keira Knightley. Die 23-jährige Engländerin spielt im Film die junge Rey, und allein die Tatsache, dass die Figur nirgends mit einem Nachnamen genannt wird, bietet Stoff für Hunderte FanKommentare im Internet. Am weitesten verbreitet ist die These, dass es sich bei ihr um die Tochter von Leia und Han handelt, doch natürlich ist der Schauspielerin dazu kaum mehr als ein Lächeln zu entlocken: »Ich kann berichten, dass Rey sich auf dem Planeten Jakku als Plünderin durchschlägt. Sie ist ganz auf sich allein gestellt, doch dann kreuzt Finn ihren Weg, und ihr gemeinsames Abenteuer beginnt. Alles andere ist Geheimsache.« Dabei bleibt es tatsächlich, schließlich ist Ridley, die bislang nur ein paar kleine TV-Auftritte vorweisen kann, inzwischen eine Expertin, was das Stillschweigen in Sachen »Star Wars« angeht: Nachdem sie beim Casting-Verfahren

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#Kultur #Kino #Star Wars

wochenlang nur Fake-Szenen ausgehändigt bekommen hatte, gab’s das komplette Drehbuch nur gemeinsam mit den Kollegen in einem geschlossenen Raum zu lesen. Und dass sie schließlich die Rolle erhielt, wussten erst einmal nur die Eltern: »Selbst, als ich immer muskulöser und sportlicher wurde, weil ich längst mit dem Training begonnen hatte, durfte ich noch niemandem etwas sagen. Meine Freunde waren ziemlich irritiert und fragten sich, was da vor sich geht.« Schwer gefallen ist ihr das Stillschweigen allerdings nicht, womöglich auch deswegen, weil sie freimütig zugibt, zwar alle bisherigen sechs Filme zu kennen, aber nie ein riesiger »Star Wars«-Fan gewesen zu sein. Ganz anders dagegen John Boyega, der als besagter Finn womöglich in die Fußstapfen von Luke Skywalker tritt und als junger, unerfahrener Held im Zentrum eines riesigen Abenteuers steht. »Viel mehr Fan sein als ich kann man

kaum«, sagt der ebenfalls 23-Jährige und grinst dabei von einem Ohr zum anderen. »Als jemand, der in den Neunzigern geboren wurde, kannte ich das Spielzeug und Merchandise noch vor den Filmen. Mit denen habe ich erst angefangen, als ›Episode I‹ in die Kinos kam. Also gehöre ich zu den wenigen, die die Filme in der chronologisch richtigen Reihenfolge gesehen haben.« Dass Ford, Fisher und Hamill ihr Mitwirken an einem neuen »Star Wars«-Film zugesagt hatten, war für ihn als Fan das Wichtigste: »Ein größeres Gütesiegel kann es doch nicht geben, oder?« Nervenflattern war trotzdem nicht angesagt, als Boyega den Legenden am Set erstmals gegenüberstand: »Für weiche Knie oder so hatte ich keine Zeit. Sonst hätte ich bei der ersten Begegnung mit Harrison Ford womöglich das Wichtigste vergessen: die Frage, ob er meine Han-Solo-Figur signieren kann.« Die Emotionen überwältigten Boyega, der schon im Film »Attack The Block« und der letzten Staffel »24« mit von der Partie war, erst, als er sich selbst im (online übrigens weit mehr als 100 Millionen Mal geklickten) Trailer erstmals auf der großen Leinwand sah – da kullerten plötzlich die Tränen. Apropos Trailer: Dort sieht man Finn mit einem Jedi-Laserschwert … Der Londoner unterbricht, bevor die dazu passende Frage formuliert ist, und bleibt sogar noch kryptischer als seine Kollegin: »Finn befindet sich an einem interessanten Punkt in seinem Leben, als wir ihm im Film begegnen. Erst trägt er eine Stormtrooper-Rüstung, dann eine braune Lederjacke, das haben Sie ja schon gesehen. Das spricht doch schon mal für einen spannenden inneren Konflikt, oder?« So wenig sich die Hauptdarsteller auch zu ihren Rollen äußern wollen oder dürfen, so aussagekräftig ist doch gleichzeitig ihre Beteiligung an »Star Wars: Das Erwachen der Macht«. Denn Prinzessin Leia und Königin Amidala hin und Lando Calrissian her – das »Star Wars«-Universum war bislang nicht gerade bekannt dafür, sonderlich frauenfreundlich oder ethnisch vielfältig zu sein. Dass Kennedy

und Abrams beim Neustart im Jahr 2015 diesbezüglich Ensemble bewusst etwas ändern wollen (dritter Hauptdarsteller Zum Ensemble gehören ist Oscar Isaac, der »Inside Llewyn Davis«-Star hispani- auch Adam Driver als Bösewicht Kylo Ren, Andy scher Herkunft) und einem dadurch bereits vor Kinostart Serkis als Supreme Leader im Disney-Store regalweise Boyegas Actionfiguren mit Snoke, Domhnall Gleeson schwarzem Antlitz begegnen, ist eine erfreuliche Ent- als General Hux oder Oscar-Gewinnerin Lupita scheidung. Und scheinbar eine nötige, um auch die letzten Nyong’o in einer Motion»Star Wars«-Anhänger in der Realität des 21. Jahrhunderts Capture-Rolle. ankommen zu lassen. Einige von ihnen ließen sich beim Anblick Boyegas im Stormtrooper-Outfit nach der ersten Trailer-Veröffentlichung im Netz nämlich prompt zu rassistischer Kritik hinreißen. Auch Gwendoline Christie durfte bereits die Erfahrung machen, dass die schier unermessliche Neugier der Fans auf einen neuen »Star Wars«-Film nicht ein gewisses konservatives Sträuben gegen Veränderungen ausschließt.


#Kultur #Kino #Star Wars

» F Ü R W E I C H E K N I E O D E R S O H AT T E I C H K E I N E Z E I T. S O N S T H ÄT T E I C H B E I D E R E R S T E N BEGEGNUNG MIT HARRISON FORD WOMÖGLICH DAS WICHTIGSTE VERGESSEN: DIE FRAGE, OB ER MEINE HAN-SOLO-FIGUR SIGNIEREN KANN.« John Boyega

Oder, wie in ihrem konkreten Fall, zumindest Offenheit für Neues vermissen lässt. Der »Game Of Thrones«-Star ist als Captain Phasma aller Voraussicht nach eine der wichtigsten Vertreterinnen der dunklen Seite (und gerüchteweise auch eine Mentorin Finns). Doch als erste Bilder von ihr mit Helm und Rüstung kursierten, lautete die Hauptkritik: Woran soll man denn erkennen, dass darunter eine Frau steckt? »Als Absolventin des Drama Center London widerspricht es den Grundsätzen meiner klassischen Ausbildung, alle Kleinigkeiten zu lesen, die über meine Arbeit geschrieben werden«, lacht die 36-Jährige achselzuckend. »Aber ich kann nur jedem empfehlen, in der Google-Bildersuche den Begriff ›female heroine‹ einzugeben. Dass Captain Phasma – sei sie nun Heldin oder Anti-Heldin – so gar nichts mit den sexuell aufgeladenen Darstellungen zu tun hat, die man dort findet, halte ich bei einer Mega-Produktion wie ›Star Wars‹ für ausgesprochen progressiv!« Mit Großmeister George Lucas hat der Wind des Progressiven, der dem ersten Augenschein nach nun durchs »Star Wars«-Universum weht, nichts mehr zu tun. Zwar beinhaltete die Verkaufsmasse seines Imperiums auch umfangreiche Ideen für eine neue Trilogie, doch letztlich wurden diese, wie längst offiziell bestätigt, im von Abrams und »Das Imperium schlägt zurück«-Autor Lawrence Kasdan verfassten Drehbuch nicht berücksichtigt. Lediglich für technische Nachfragen – etwa, was die Fortbewegungsmethoden einzelner Fahrzeuge angeht – stand Lucas der Produktion zur Verfügung. Am Set wurde er nicht gesichtet, Ridley und Boyega haben ihn bis heute

nicht kennengelernt. Seinen Segen haben der Film und Regisseur Abrams (dem das besonders wichtig war) aber trotzdem bekommen: Schon vor zwei Jahren gab Lucas zu Protokoll, dass sein Vermächtnis in keinen besseren Händen sein könne. Abzuwarten bleibt nun also nur noch, ob tatsächlich auch die Heerscharen von Fans dem neuen Kapitel der »Star Wars«-Saga ihren Segen geben werden. Wobei der Buchhaltung im Hause Disney selbst das egal sein dürfte. Unabhängig davon, ob die Zuschauer den Film am Ende mögen werden, rechnen Buchmacher und Hollywoods Finanzexperten bereits jetzt mit Rekord-Einspielergebnissen. Insgesamt anderthalb Milliarden Dollar Umsatz wären keine Überraschung. Und auch für die weitere Zukunft von Finn, Rey und Co. dürften die Reaktionen der bekanntlich wenig nachtragenden Fans bestenfalls zweitrangig sein. Schließlich beginnen im März 2016 bereits die Dreharbeiten zu »Episode VIII« unter der Regie von Rian Johnson. Und auch für »Episode IX« (Kinostart: 2019) ist mit »Jurassic World«-Macher Colin Trevorrow bereits ein Regisseur gefunden. — »Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht« (USA 2015; R: J.J. Abrams; D: John Boyega, Daisy Ridley, Oscar Isaac, Gwendoline Christie, Harrison Ford, Carrie Fisher, Mark Hamill; Kinostart: 17.12.15)

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#Kultur #Kino # Bill Drummond

Vier Fragen an Bill Drummond

Das Abflussloch der Ewigkeit

Der Riesenerfolg von The KLF machte Bill Drummond in den 1990ern zum Popstar. Gemeinsam mit dem Kollegen Jimmy Cauty verbrannte er in einer kontroversen Aktion eine Million Pfund, von der Band erwirtschaftete Asche. Für die Doku »Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared« begibt er sich nun auf eine Reise, um Musik aufzunehmen, die nur diejenigen hören dürfen, die sie produziert haben – der aus unzähligen Zufallsbekanntschaften bestehende Chor The17. Im Rahmen seiner eigenen Interview-Reihe »Four Questions« gestattete Bill Drummond Martin Riemann vier Fragen, die ihm allerdings noch nie zuvor gestellt worden sein durften. Foto: Tracy Moberly


#Kultur #Kino # Bill Drummond

A

m Ende von »Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared« löschst du die voll­ ständigen Aufnahmen, die im Laufe des Films gemacht worden sind. Es erscheint fast wie ein Opfer. Ist das Thema der Opferung ein wichtiger Teil deines Schaffens?

Der Begriff »Opfer« ist mit Religion verknüpft, und ich bin in einem religiösen Haushalt aufgewachsen. Mein Vater war Pfarrer, ich war durchdrungen mit Bibelgeschichten. Diese Geschichten und ihre Bedeutungen spielen immer noch eine große Rolle für mich. Aus Sicht der Bibel ist das Opfer etwas, das sich eher auf ältere Religionen bezieht oder zumindest auf das Alte Testament. Danach erkannte man, dass Opfer, besonders in Form des Brandopfers, so töricht wie nutzlos waren. Es ging darum, die Welt zum Besseren zu wenden. Ich bin vielleicht nicht religiös aktiv, aber daran glaube ich immer noch – dass es die Pflicht eines jeden ist, die Welt zum Besseren zu wenden. Allerdings kann ich nicht leugnen, dass ich zeitweise einen Hang zu dem hatte, was man als Akt des Opfers begreifen kann, sodass mir in meiner Arbeitsweise sogar schon »magisches Gedankengut« unterstellt wurde. Das Löschen des Tracks am Ende des Films bedeutet jedoch kein Opfer. Es geht darum, dem Zuschauer zu sagen: »Wenn du diesen Score hören möchtest, glaube nicht, dass du einfach im Kino sitzen und ihn passiv konsumieren kannst. Nimm das Stück ›Score 318: Consider‹ und erzeuge es selbst.« Darum geht es im Wesentlichen bei The17. Der Titel des Films deutet die Idee eines kompletten Neustarts eines wichtigen Teils unserer Kultur an, die Löschung aller bisherigen Errungenschaften in diesem Bereich inbegriffen. Würdest du ein solches Ereignis willkommen heißen? Pol Pots »Jahr Null«-Regime, in dem er plante, alles zu

vernichten, was die kambodschanische Gesellschaft zuvor erschaffen hatte, reichte von 1976 bis 1979. Genau derselbe Zeitraum, in dem Punk die westliche Rockmusik durchzog, um alle bisherigen musikalischen Bestrebungen zu zerstören. Alle beide waren äußerst fehlerhaft und gleichzeitig sehr inspirierend – jedenfalls für mich. Es ist eine Charakterschwäche von mir, dass mich die Idee der Auslöschung von Zivilisationen derart anzieht. Dazu kommt ein weiterer Charakterfehler, nämlich, dass ich nicht möchte, dass meine eigene kleine Welt zerstört wird, während dies passiert. Das Internet gibt uns ein Gefühl von Macht, es scheint uns alles zu geben und alle unsere Träume greifbar zu machen. Aber aus irgendeinem Grund kann ich nichts daran ändern, dass ich es als tröstlich empfinde, es als etwas komplett Zerbrechliches zu sehen, das jederzeit implodieren kann und wie ein marodes Bauwerk zusammenfällt,

das von Anfang an nie eine Baugenehmigung hatte. Und während es implodiert, wird alles, von dem wir dachten, es sei dokumentiert, verloren gehen. Die ganzen Trillionen von Fotos, E-Mails, Filmen, Liedern, Alben, Romanen, Geschäftsmodellen, all die auf so vielen Wegen dokumentierten Leben verschwinden durch das Abflussloch der Ewigkeit. Und wir, die Erdbevölkerung, bleiben zurück wie Ozymandias. »Das Haupt daneben halb verdeckt im Sand und um uns dehnt die Wüste sich.« Aber um auf die Frage zurückzukommen: Irgendwann zwischen der Einführung von iTunes im Januar 2001 und dem Niedergang von Napster im Juli 2001 hatte ich die vage Ahnung, dass die Ära der Musikaufnahmen vorbei war und dass diese Ära eine genaue Spiegelung des 20. Jahrhunderts darstellte. Dass wir nun in eine Ära übergingen, in der Musikaufnahmen durch ihre allgegenwärtige Zugänglichkeit ihren Wert verlieren würden. Nicht nur finanziell, sondern auch kulturell und emotional. Dies erschien mir in der Tat als eine aufregende Aussicht. Dieser Reiz ist auch die Grundlage von The17. Ich gab mir damit Zeit bis zu meinem 60. Lebensjahr. Dann würde ich aufhören. Das tat ich. Im Nachhinein lag ich möglicherweise falsch, was den Wertverlust der Musik in unserer Zeit angeht. Sie ist nur nicht mehr so bedeutsam für unsere Kultur wie in meiner Jugend. Den Score, den du mit The17 aufnimmst, kann man auch als Reflexion über die Anfänge von Musik sehen. Als ei­ ner der wenigen, der ihn gehört hat: Klang er für dich wie der Anfang der Musik?

Für mich bedeutete es den Endpunkt meiner Auseinandersetzung mit The17. Ich bin dieser Idee gefolgt seit 2003, als ich zum ersten Mal die Worte »Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared« aufschrieb, bis zum Frühling 2013, als ich mir »Score 318: Consider« anhörte und das Stück dann löschte. Und ja, es klang nicht nur wie der Anfang der Musik, er klang wie eines der großartigsten Musikstücke, die ich jemals gehört habe. Ich habe den Eindruck, dass Musik oft dazu dient, nostal­gische Gefühle zu kanalisieren. Viele halten die Musik, die sie in der schönsten Zeit ihres Lebens, meis­ tens in der Jugend, gehört haben, automatisch für die beste Musik aller Zeiten. Was hältst du von Nostalgie?

Ich hätte jahrzehntelang behauptet, dass der Höhepunkt der Popmusik zwischen dem 29. April 1966 und dem 28. April 1967 lag. Das sind genau die zwölf Monate, in denen ich 13 Jahre alt war, das erste Mal bewusst über Musik nachdachte und mir Schallplatten kaufte, die ich mir zu Hause in meinem Zimmer anhörte Pol Pot – allein. Was die Nostalgie angeht: Ich habe Unter der Herrschaft sie stets verabscheut und als etwas angese- des 1998 verstorbenen Diktators und Bruder Nr. 1 hen, das dich an die Vergangenheit kettet. der Roten Khmer starben Allerdings konnte auch ich mich ihrer nicht schätzungsweise bis zu 3 immer erwehren. Ich sehe sie als etwas, das von insgesamt 8 Millionen Kambodschanern. Die USman durchmachen muss. Jetzt bin ich in einem Punk-Band Dead Kennedys Alter, in dem die Nostalgie als warmes und malte Ende der 1970er tröstendes Element nicht mehr existiert. Wenn einen Aufenthalt in seinem Machtbereich sarkastisch ich etwas aus der Vergangenheit wahrnehme, als touristisches Erlebnis sei es Musik oder sonst etwas, weckt das in mir aus – im Song »Holiday In nur dieses bedrohliche Gefühl für die eigene Cambodia«. Sterblichkeit und das Erstaunen darüber, wie viele Dekaden schon vergangen sind, wie wenig ich erreicht habe und wie kurz die Zeit ist, die mir noch bleibt. — »Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared« (D/CH/GB 2015; R: Stefan Schwietert; Kinostart: 22.10.15)

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#Kultur #Kino

Steve Jobs

iMensch

Regisseur Danny Boyle und Autor Aaron Sorkin wollen mit »Steve Jobs« ein Porträt abseits von Heldenverehrung und Klischees entwerfen. Michael Fassbender, der gerade offenbar alles und jeden spielen kann, schlüpft in die Rolle des Apple-Gurus.

A

usgerechnet Arthur C. Clarke hat das erste Wort. Der visionäre Autor von »2001«, der einst den Untergang der Menschheit durch kybernetische Intelligenz prophezeite, sagt mal eben in einigen Sätzen das Internet voraus – und das zu einer Zeit, als ein singuläres Rechnersystem noch ganze Lagerhallen füllte. Zehn Jahre später wird der Grundstein dafür gelegt, dass seine Prophezeiung heute alltägliche Realität ist. Die Geburtsstunde des Macintosh beziehungsweise die Minuten vor seiner Geburt bilden die Eröffnung einer faszinierenden Umsetzung des Wälzers »Steve Jobs«, der Biografie des Apple-Gründers von Walter Isaacson. Es ist der 24. Januar 1984. Kurz bevor Steve Jobs (Michael Fassbender) auf der legendären Konferenz den Mac vorstellen wird. Vom Perfektionismus getrieben, tyrannisiert der Showman seine Umwelt. Alles muss passen: vom Licht über die Notausgänge bis hin zum elektronischen »Hello« des Mac. Der Egomane wirft mit Beleidigungen und Morddrohungen um

sich. Währenddessen sitzt seine Ex Chrisann Brennan (Katherine Waterston) in der Lobby, gemeinsam mit der kleinen Lisa, Jobs’ Tochter. Oder zumindest behauptet sie, Lisa sei seine Tochter, was Jobs vehement abstreitet. Immerhin lässt eine 94-prozentige Chance Raum für Spekulation und Diffamierung. Steve Wozniak (Seth Rogen) versucht seinem »Bruder« Jobs eine einfache Würdigung des Apple-II-Teams abzuringen, das den millionenschweren Konzern groß gemacht hat – und beißt auf Granit. Unbarmherzig bahnt sich der Maestro den Weg zur Bühne. Nur sein Boss und Mentor, CEO John Sculley (Jeff Bridges), bringt ihn zur Ruhe. Licht aus, Spots an und Fade-out. Das Drehbuch von Aaron Sorkin (»The Social Network«) wirft Schlaglichter auf zwei weitere signifikante Wendepunkte im Leben von Steve Jobs, darunter natürlich die Rückkehr zu Apple und Vorstellung des iMac 1998. Auch hier zählt der Blick hinter die Kulissen. Die allseits bekannten Reden kann man sich anderswo anschauen. Es wirkt zunächst, als wäre Danny Boyles Rekonstruktion nur ein Teaser für die wahrhaft großen Karriereschritte des kontroversen Kopfes. Aber man merkt schnell, dass sich in den Minuten vor der Präsentation die eigentlich spannenden Momente abspielen,

wenn die Nervosität greifbar ist und die rohen Gefühle walten. Filmisch wirkt »Steve Jobs« daher ähnlich atemlos wie »Birdman«. Geradezu, als wären wir Backstage bei einer großen Theaterinszenierung. Sorkin liefert messerscharfe Dialoge, Boyle schneidet sie oftmals parallel zueinander. Wenn sich Erinnerungen wie die erste Begegnung und der Abschied zwischen Jobs und Sculley ineinander verschränken, kann einem schwindelig werden. Obwohl Sorkin sich also auf bestimmte Momente in Jobs’ Leben konzentriert und Fassbender anfangs so gar nicht wie der jungenhafte Turnschuhträger wirkt, ist »Steve Jobs« ein eindringliches, facettenreiches Psychogramm des selbst ernannten Messias geworden. Der Film vermittelt einen tieferen Einblick in seine Seele, als es der vor einigen Jahren erschienene »Jobs« mit Ashton Kutcher vermochte, der die Geschichte seines Aufstiegs Stück für Stück durchdeklinierte. Lars Tunçay — »Steve Jobs« (USA 2015; R: Danny Boyle; D: Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen; Kinostart: 12.11.15)


#Kultur #Kino

Scouts vs. Zombies

APOKALYPSE BABY ONE MORE TIME Ein Genre ist ein Genre. Christopher Landon lässt sich für seine ZomCom dennoch etwas Besonderes einfallen. Das könnte sogar dem alten Pfadfinder Wes Anderson gefallen.

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ombies sind, im Gegensatz zu Pfadfindern, längst Mainstream. Neben den klassischen Genre-Beiträgen hat sich die ZomCom als eigenes Untergenre etabliert. ZomComs funktionieren meistens nach demselben Schema: Im Mittelpunkt stehen ein Nerd und sein Sidekick, die von der plötzlich einsetzenden Zombieapokalypse aus ihrem Alltag gerissen werden. Es braucht eine ganze Weile und eine Reihe haarsträubender Verwicklungen, bis die beiden Protagonisten das Szenario realisieren und von nun an alles daransetzen, ihren heimlichen Schwarm – weiblich und natürlich kein Nerd, Typ blonder Cheerleader – vor dem Zugriff der Zombies zu retten. Mission glückt, Schwarm entdeckt die liebenswerte Seite des nun zum Held und Mann gereiften Nerds, Happy End. In »Scouts vs. Zombies« verlegt Regisseur Christopher Landon den Weltuntergang in ein Pfadfinderlager, wo die Freunde Ben, Carter

und Augie ein letztes Abzeichen erwerben wollen. Oder wäre die geheime Schulparty nicht der bessere Ort für die drei Teenager? Heimlich schleichen sich die Jungs in der Nacht davon, um endlich mit den coolen Kids abzuhängen. Blöd nur, dass in der Zwischenzeit ein Laborunfall die Stadt in eine menschenleere Zombiewüste verwandelt hat. Bald brauchen die Scouts all ihre Skills – Bogenschießen, Feuer machen, Wildtiere zähmen – und die Unterstützung von Stripperin, pardon, Cocktail-Mixerin Denise, um ihren Schwarm zu befreien. Der Film verdankt es seinen originellen Einfällen, dass er den Moment überdauert – wie ScoutLeader Rogers, der sein Häuschen

Interfilm Festival Berlin Das Internationale Kurzfilmfestival in Berlin, kurz Interfilm, markiert mit seiner Entstehung und Geschichte einen Einschnitt in der Popkultur – und in der Filmlandschaft. Während die Kollegen in Oberhausen bis heute Kraft

in einen Dolly-Parton-Schrein verwandelt, oder Augie, der mit einem Zombie zu Britney Spears’ »Hit Me Baby One More Time« tanzt. Popcornkino, auch für Menschen über 13.

— »Scouts vs. Zombies – Handbuch zur Zombie-Apokalypse« (USA 2015; R: Christopher Landon; D: Tye Sheridan, Logan Miller, Joey Morgan; Kinostart: 12.11.15)

Meike Wolf

drauflosfilmten. Das zweitgrößte Filmfestival der Hauptstadt ging 1982 aus der Super-8-Szene hervor, schlug in Kreuzberg seine Zelte auf und findet in diesem Jahr zum 31. Mal statt. Heute gehört Interfilm zum Establishment der Festivalwelt und hat sich doch den künstlerischen Anspruch der Anfangstage bewahrt. Diverse Wettbewerbe und das inzwischen eigenständige Kinder- und Jugendfilmfestival KUKI zeigen die etwa 600 besten Filme, die aus gut 6000 Einreichungen ausgewählt wurden. Wer in Berlin lebt, geht sowieso hin. Ansonsten kann man sich kaum einen besseren Rahmen aus den experimentellen Sechzigerjahren, der für einen, ähm, Kurz-Trip denken. Blütezeit des Autorenfilms, schöpfen, tankt Paula Fuchs Interfilm seine Energie aus den wilden Ta— Intro empfiehlt: Interfilm – 31. Internationales gen des Punk und Postpunk, als KunstanarKurzfilmfestival Berlin; 10.-15. November 2015; chisten wie die Genialen Dilettanten munter Programm und Infos unter: www.interfilm.de

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#Kultur #Kino #DVD

Virgin Mountain

KOLOSS IM HALS Das isländische Kino ist bekannt für lakonische und melancholische Geschichten. »Noi Albinoi«-Regisseur Dagur Kári berührt mit der Geschichte eines sanften Riesen.

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in Baum von einem Kerl, außen weich, innen weich. So könnte man den Helden dieser Anti-RomCom beschreiben. Fúsi (Gunnar Jónsson) hat die magische Vierzig bereits ein paar Jährchen überschritten, lebt jedoch weiter allein mit sich und seiner Melancholie bei Muttern. Das korpulente Mauerblümchen arbeitet als Gepäckfahrer und beschäftigt sich zu Hause mit seinen Spielsachen. Fúsis Erscheinung hat etwas Tragisches, eine Aura, die ihn auch dann noch umweht, als er im Tanzkurs die ebenfalls recht eigentümliche und einsame Sjöfn (Ilmur Kristjánsdóttir)

kennenlernt. Schüchternheit ist keine Schande, und schüchterne Außenseiter erzählen dir mitunter mehr über die Gesellschaft, an deren Rand sie ihr Dasein fristen, als die Gewinnertypen und Mitläufer an der Spitze und in der Mitte. Regisseur Dagur Kári aus Island spinnt mit »Virgin Mountain« jene Thematik weiter, die er bereits in seinem allseits gefeierten Film »Noi Albinoi« auf die Leinwand brachte. Besonders erstaunlich ist der deepe Humanismus, der, im Drehbuch verankert, den Film durch die sensible Kamera- und Regiearbeit so aufwühlend macht. Fúsi ist so ein Typ, von dem

»Der Babadook« von Jennifer Kent gehört nicht nur zu den Meisterwerken des Horror-Genres, nein, er ist schlichtweg einer der Filme des Jahres. Die Handlung ist spannend erzählt, mit einem Gruselfaktor, der an Nicolas Roegs »Wenn die Gondeln Trauer tragen« erinnert. Und selbst, als man denkt, man habe jede schlüssige Auflösung in Betracht gezogen (sofern einem im Verlauf des nervenaufreibenden Dramas um eine Alleinerziehende und ihren verhaltensauffälligen Sohn der Sinn nach logischen Betrachtungen steht), wird man noch einmal von einer unerwarteten Gänsehaut überrascht. Die Hauptdarsteller Essie Davis und Noah Wiseman brillieren in einem Stück, das an die besten und durchdringendsten Momente in der Karriere eines Roman Polanski denken lässt, wie zum Beispiel »Ekel« aus den Sechzigerjahren mit Catherine Deneuve. Kommt via Capelight auf DVD und Blu-ray.

man weiß, dass es ihn in der Nachbarschaft gibt, den man aber ohne »Virgin Mountain« wahrscheinlich nie kennengelernt hätte. Der Koloss, Verzeihung, Kloß im Hals ist garantiert. Paula Fuchs — »Virgin Mountain« (IS/DK 2015; R: Dagur Kári; D: Gunnar Jónsson, Ilmur Kristjánsdóttir; Kinostart: 12.11.15)


#Kultur #DVD

»›Kind 44‹ schafft es mit einer beeindruckenden Leichtigkeit, gleichzeitig Verschwörungsthriller, Kriminalgeschichte und Gleichnis über die brutale Menschenverachtung in totalitären Systemen zu sein. Wie ein Spinnennetz laufen die verschiedenen Erzählstränge zum Mittelpunkt beziehungsweise zum Ende hin zusammen. Dabei ist es überraschend, dass der Film an Komplexität nichts zu wünschen übrig lässt und doch vor allen Dingen eines macht: Spaß. Das liegt nicht nur an der – wohlgemerkt klischeehaften – Inszenierung der stoischen Russen, sondern auch am Gesamtlook. Gary Oldman als General Nesterov und die überaus trocken choreografierten Kampfszenen fügen sich nahtlos ein«, schrieb Lars Fleischmann in seiner Kino-Rezi in Intro #233. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass der Kalter-Krieg-Film nun via Concorde auf DVD und Blu-ray erscheint. Intro empfiehlt, und zwar wärmstens.

Naked Lunch

OPIUM BRINGT DEN OPI NICHT UM Star Wars Rebels / Star Wars: The Complete Saga Nach sechs Staffeln beendete Lucasfilm 2013 die computeranimierte Serie »The Clone Wars«. In Zusammenarbeit mit Disney Animation ist ein Nachfolger entstanden: »Star Wars Rebels« spielt rund eineinhalb Jahrzehnte nach den Klonkriegen. Die Handlung von »Star Wars Rebels« setzt wenige Jahre vor den Abenteuern von Luke, Leia und Co. in »A New Hope« ein. Das Imperium ist gerade dabei, von Coruscant aus die Galaxie zu erobern, die Jedi sind nur noch eine Legende der Vergangenheit. In dieser Welt muss sich der Teenager Ezra Bridger, dessen Eltern dem Imperium zum Opfer fielen, mit gelegentlichen Diebstählen und anderen Tricksereien zurechtfinden. Sein Straßenjungenschicksal ändert sich, als er auf Kanan, einen der letzten überlebenden Jedi, und seine bunte Truppe von Rebellen trifft. Schnell ist so ein bekanntes FigurenEnsemble bereit. Die »Star Wars«-typische Mischung aus Coming-of-Age, Spiritualitätssuche und paramilitärischen Aktionen kann beginnen. In 15 zwanzigminütigen Episoden, die oft in sich abgeschlossene Handlungsstränge liefern, kann man die Rebellion im Wachsen beobachten. Am Anfang oft noch eher kindlich, mit Slapstick-Einlagen und klarem Gut/Böse-Schema, wird es gegen Ende der Staffel erfreulich düster, und es tun sich weitere Ebenen auf. »Star Wars Rebels« bietet somit kurzweilige Unterhaltung, um die Wartezeit bis Dezember zu überbrücken. Weitere Möglichkeiten zur Vorbereitung bieten die neu erschienene Blu-ray-Box »Star Wars: The Complete Saga« sowie eine Serie limitierter Steelbooks (via Fox) zu allen Filmen der Reihe. Bastian Küllenberg

Autor William Burroughs schickte seine Leser nicht nur in die »Interzone«, sondern auf eine Reise ins düstere Innere (s)eines von Heroin getränkten Körpers. Regisseur David Cronenberg hat ihn für die Verfilmung schmerzhaft seziert.

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avid Cronenbergs Interpretation, genauso unlesbar wie William S. Burroughs Roman, hat mit dem literarischen Urtext noch eine weitere Gemeinsamkeit: Während der 1959 bei Olympia Press erschienene Roman genau wie der 1991 unter der Regie des kanadischen Body-Horror-Maestros entstandene Film die dunklen Abgründe exzessiven Drogenkonsums beschreibt und visualisiert, wurden beide Kunstwerke gerade in den Reihen der Konsumenten harter und weicher bewusstseinserweiternder Substanzen unterschiedlicher Generationen gleichsam kultisch verehrt. Burroughs’ Buch gehört neben Ginsbergs Gedicht »Howl« und Kerouacs Roman »On The Road« zu den Schlüsselwerken der Beat Generation, jener 50er-Jahre-Beatniks, die in Jazzclubs abhingen, wenn sie nicht gerade unterwegs oder sonst irgendwie high waren, und die man auch dank Cronenbergs Adaption fest mit dem Bild einer Schreibmaschine verbindet. Dem etwas selbstverliebten Wahnsinn der Vorlage schneidet Cronenberg mit seinen Bildern tiefer ins Fleisch, als es die Albträume der Leser nach der Lektüre jemals hätten vermuten lassen. Ein »Fear and Loathing« der biopolitischen Sorte, ein unmöglicher Film über Opium, Rausch und

Kunst. Ein süßer Horrortrip ins Unbewusste. In den Kifferstuben der Neunzigerjahre wie »Tron« als Meisterwerk gefeiert. Schöne Schlusspointe, dass es »Naked Lunch« nun in High Definition zu erleben gibt. Wolfgang Frömberg — Intro empfiehlt: »Naked Lunch« (CAN 1991; R: David Cronenberg; D: Peter Weller, Judy Davis; StudioCanal)

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#Kultur #DVD

Frank

The Walking Dead / Fear The Walking Dead

POP IST KOPFSACHE Frank Sidebottom ist ein Künstler, der ausgerechnet in seiner Verkleidung – einer Maske überm Kopf – am authentischsten rüberkommt. Der Star in Lenny Abrahamsons Tragikomödie beruht auf einer Figur des echten Chris Sievey.

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on träumt von einem Leben als gefeierter Musiker. Nur so richtig talentiert ist er nicht. Seine Texte sind noch belangloser als seine seichten Popmelodien. Durch Zufall wird er zum neuen Keyboarder der Band The Soronprfbs, deren Mitglieder genauso sperrige und schwierige Charaktere sind, wie der Name verheißt. Bandleader Frank trägt einen großen Pappmaschee-Kopf, den er selbst unter der Dusche und beim Schlafen nicht abnimmt. Um ein Album aufzunehmen, zieht die Band in eine abgelegene Hütte nach Irland. Der erfolgsversessene Jon stellt ohne das Wissen der anderen Videos der Band auf YouTube, die trotz des sehr sperrigen Sounds einige Fans finden. Eine Einladung zum South by Southwest Festival wird schließlich zur Zerreißprobe für die Außenseiter-Band. »Frank« startete mit gehöriger Verspätung in den deutschen Kinos, doch immerhin bekam er überhaupt noch einen offiziellen Kinostart und jetzt ein Home-Entertainment-Release, denn die Tragikomödie von Lenny Abrahamson gehört zu den interessantesten und außergewöhnlichsten Filmen des Jahres. Hinter jedem Lacher (und davon hat der Film viele) liegt gleichzeitig eine tiefe Traurigkeit und Düsternis. Schnell wird klar, dass es sich hier nicht um eine der typischen fluffig-leichten Indie-Komödien voller »Beautiful Loser«Charaktere handelt, bei denen der Zuschauer am Ende eine »Die Verrückten sind die

Zombies sind Wesen, denen schnell mal ein Zacken aus der Krone fällt – und die mehr als nur die Nerven verlieren, wenn sie in Wallung geraten. Da ist flugs ein Bein futsch oder gleich der ganze Kopf. Fans von »The Walking Dead« muss man das nicht erklären. Aus einer appen Rippe der erfolgreichen AMC-Show, die auf der Handlung einer gleichnamigen Comic-Serie basiert, schufen die Macher Robert Kirkman und Dave Edwards ein Spin-off, das sich von den Geschehnissen der Vorlage löst. Während mittlerweile bereits die fünfte Season von »The Walking Dead« erhältlich ist, kommt nun die erste Staffel des Kindleins in die Regale. »Fear The Walking Dead« könnte man als Quasi-Prequel der Mutterserie betrachten, schließlich setzt die Story zu jener Zeit ein, in der die Zivilisation noch intakt ist. Im Mittelpunkt stehen die Sorgen und Nöte einer Familie, die so nicht im Buche steht, aber heutzutage oft anzutreffen ist. Ihr PatchworkKonstrukt wird nach Ausbruch der Seuche jedoch nicht nur mit alltäglichen Problemen konfrontiert, die selbst schon apokalyptische Dimensionen annehmen können, sondern mit dem Ende der Welt, wie wir sie kennen. Das Interessante an der Auseinandersetzung mit Zombies und mit Family Affairs: Das Leben muss weitergehen. Beste Voraussetzungen also für eine lange Laufzeit der Show. Paula Fuchs

wirklich Normalen«-Moral um die Ohren gehauen bekommt. Stattdessen nimmt der Film seine Charaktere wirklich ernst und bricht eindrucksvoll mit ausgetretenen »Genie und Wahnsinn«-Klischees. Dreh- und Angelpunkt ist die großartige Performance von Michael Fassbender, der Frank trotz (oder gerade wegen) der Einschränkungen durch den riesigen Pappmaschee-Kopf als glaubhaften, echten Charakter spielt und ihn nicht zu einer Karikatur verkommen lässt. Nicht auszudenken, wäre man den anfänglichen Überlegungen gefolgt, Johnny Depp die Rolle übernehmen zu lassen. Ebenso wichtig: die von den Schauspielern selbst live eingespielte Musik, eine schwer verdauliche Mischung aus Postrock und New Wave. Besonders der Schlusssong »I Love You All« verfolgt einen noch Tage nach dem Schauen – versprochen!

— »Fear The Walking – Season 1« erscheint via Splendid, und »The Walking Dead – Season 5« ist über Entertainment One erhältlich, jeweils auf DVD und Blu-ray.

Dominik Bruns — Intro empfiehlt: »Frank« (GB 2015; R: Lenny Abrahamson; D: Michael Fassbender, Maggie Gyllenhaal, Domhnall Gleeson; Weltkino)

Song Contest zu »Amy« Anläßlich der DVD/BD-Veröffentlichung von Asif Kapadias »Amy« ruft der Verleih zum Song-Contest auf und sucht unter dem Hashtag #SingAmysSong eure ganz persönliche Version von »Back to Black«. Alle Infos ab 06.11. auf intro.de.


#Kultur #DVD

Better Call Saul

ALS IN ALBUQUERQUE NOCH DIE SONNE SCHIEN »Breaking Bad«-Schöpfer Vince Gilligan hat ein Nachsehen und verteilt Methadon. Allerdings nicht ohne vorher an der Uhr gedreht zu haben: »Better Call Saul« versetzt die Serienfans in die Zeit vor dem Losbrechen der Drogenhölle und widmet sich dem Lebenswandel des Saul Goodman.

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a, es gab eine Zeit davor – nicht nur für Familie White und Jesse Pinkman, sondern auch für Saul Goodman, der den Drogenköchen in der Erfolgsserie mit schmierigen juristischen Tricks zur Seite stand, als windschiefe Ausgeburt des American Dream aber nur selten menschliche Züge erkennen ließ. Vor dieser Zeit kannte man ihn als James Morgan McGill. Wenn überhaupt! Denn bevor er sich als Saul Goodman ionische Säulen ins Anwaltsbüro pflanzen und den Platz dazwischen mit den Artikeln der US-Verfassung tapezieren ließ, fristete McGill ein jämmerliches Dasein in einer Abstellkammer im hinterletzten Winkel eines Nagelstudios. Chronische »zero messages« auf dem Anrufbeantworter, mager bezahlte Pflichtmandate und ein schäbiger Suzuki Esteem, der seinen besten Tagen in dicken, verrußten Abgaswolken hinterherhustete, besiegelten den Versagerstatus endgültig. Dabei war McGill schon seinerzeit ein findiger und engagierter Prozessanwalt. So engagiert – oder so verzweifelt? –, dass er Gestik und Intonation seiner bevorstehenden Plädoyers

vorab auf dem Gerichts-WC angestrengt zu proben pflegte. Auf die Hilfe seines älteren Bruders Chuck, Vorzeige-Jurist und Partner der verhassten Großkanzlei Hamlin, Hamlin & McGill, kann Jimmy nur bedingt zählen, denn der steckt mit einer rätselhaften Psychose in seinem ganz eigenen Schlamassel und hat sich weitestgehend aus dem Berufs- und gesellschaftlichen Leben ausgeklinkt. Nachdem ihm auch die faulen Tricks von einst nichts als Scherereien einbringen, geht Jimmy also Klinken putzen, katzbuckelt vor potenziellen Mandanten und spielt sogar Bingo mit den testierfreudigen Bewohnern eines Seniorenheims, um seine Visitenkarten unter die Leute zu bringen – bis er den dubiosen Machenschaften der Einrichtung auf die Schliche kommt und die reinste Goldgrube von einem Fall wittert. Warum Jimmy McGill dennoch nicht so recht auf den grünen Zweig kommt, wo die Verwandlung vom idealistischen Prozesskämpfer zum windigen Rechtsverdreher ihren Anfang nimmt und was sein neurotischer Bruder

mit all dem zu tun hat, klärt die erste Staffel dieses Spin-offs. Von besonderem Interesse für »Breaking Bad«-Fans dürften die alles andere als von zwischenmenschlicher Wärme geprägten, aber wohl gerade deswegen amüsanten ersten Begegnungen des Anwalts mit seinem späteren Sozius Mike Ehrmantraut sein. Nicht der einzige alte Bekannte, mit dem die Serie in Staffel eins Nostalgiepunkte einheimsen wird, so viel sei verraten. Das Setting erfährt in »Better Call Saul« eine farbliche Auffrischung und gewinnt daneben stark an Komik hinzu. Wer sich daran einmal gewöhnt hat und auch in Momenten höchster Spannung – beziehungsweise höchsten Mitleids angesichts von Jimmys Misere – nicht um ein paar Lacher verlegen ist, lernt sowohl Gilligans Albuquerque aus einem grundlegend neuen Blickwinkel als auch die überraschenden wie unaufgeräumten menschlichen Hintergründe des Charakters Saul Goodman kennen. Nicht zuletzt dank seinem raffinierten Einsatz von Körpersprache gelingt es Hauptdarsteller Bob Odenkirk, die komplexe Persönlichkeit seiner Figur mitsamt all ihrer Konflikte und Widersprüche eindrucksvoll aufzufächern. ‘s all good, man! Valentin Erning — Nach der exklusiven Netflix-Premiere erscheint die erste Staffel via Sony auf DVD und Blu-Ray.

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#Kultur #Serie #Con Man

Alan Tudyk über »Con Man«

FANS & FUNGUS Wray Nerely erlebt in »Con Man« als von Selbstzweifeln zerfressener SerienHeld den geballten Sci-Fi-ConventionAlbtraum. Bastian Küllenberg sprach mit Hauptdarsteller, Regisseur und Autor Alan Tudyk über Fans, »Firefly« und Fungus.

W

ie viel von deinen eigenen Conventi­ on-Erfahrungen mit »Firefly« stecken in »Con Man«?

Deine Figur erlebt in der Serie eine Menge ausgeflippter Fans, deren Verhalten er nicht wirklich versteht. Ging es dir ähnlich?

Viele der Begegnungen mit Fans, die in »Con Man« gezeigt werden, haben tatsächlich stattgefunden. Dieser Typ, der sagt, er sei ein »Umarmer« und der Wray dann gegen seinen Protest in den Arm nimmt, das war eigentlich eine ganze Familie. Die Mutter rief: »We’re huggers!« Und dann haben wir uns alle umarmt. Ich persönlich hatte noch nie Probleme mit Fans, sie sind meistens sehr höflich. Die Einzigen, die ich als unhöflich erlebt hab, sind Paparazzi. Aber das Problem betrifft mich ebenfalls nicht, da mein Image für sie nichts wert ist. Und das ist auch besser so. Die Menschen, die ich kenne, die dieses Level an Berühmtheit haben, büßen dadurch einen großen Teil ihrer Freiheit ein. Das ist traurig. Fans sind einfach Menschen, aber das sind Paparazzi nicht. Sie sind wie Fungus.

Die ganze Welt hat mich durch »Firefly« kennengelernt, daher ist es schwer für mich, das zu trennen. Ich war ein Außenseiter, der in die Sci-Fi-Welt gekommen ist. Dieser Umstand hat mich in die Lage versetzt, später darüber zu schreiben. Ich bin nicht aus eigenem Antrieb auf Sci-Fi-Conventions gegangen, sie sind eher zu mir gekommen in den 13 Jahren, seit »Firefly« gecancelt wurde. Je nachdem, wie mein Terminplan es zulässt, gehe ich zu acht bis zehn Conventions im Jahr. Ich liebe In »Con Man« treten einige der Darsteller es! Wray Nerelys Reaktionen auf diese Welt aus »Firelfy« in Nebenrollen auf. Nathan Fil­ entsprechen dabei aber nicht meinen eigenen. lion wird sogar als einer der Co-Producer Aber ich habe auch oft Menschen gesehen, die nicht wertschätzen, was sie an Conventions haben. Bei manchen Schauspielern wartet niemand auf deren Autogramme, und das verbittert diese sehr. Andere dagegen erachten die langen Schlangen an ihren Tischen für selbstverständlich.

genannt. Wie war es, nach so vielen Jahren wieder mit ihm zu arbeiten?

Fantastisch! Wir sehen uns recht häufig. Aber es war großartig, wieder zusammen mit ihm zu drehen. Gegen Ende der Staffel gibt es einige Szenen, in denen ich wieder mit Nathan in einem Raumschiff sein konnte. Das hat großen Spaß gemacht. »Firefly« wurde abgesetzt, wir alle sind älter geworden, und ich denke nicht, dass wir das noch einmal machen werden. Meine Figur ist ja auch bereits gestorben. Wir hatten somit die Möglichkeit, das zu umschiffen und noch einmal eine kleine Space-Show zu drehen. Die Chancen für eine Fortsetzung von »Fire­ fly« stehen demnach schlecht?

Joss Whedon hat beim 10-jährigen Jubiläum auf der ComicCon in San Diego gesagt, dass er nicht etwas wiederbeleben möchte, das derart gewachsen ist. Es ist so viel Zeit vergangen. Das wäre, wie ein schlimmes Sequel zu einem Film zu drehen, das dann den ersten Teil ruiniert. Ein Problem, das man von »Star Wars: Epi­ sode 1« kennt.

Sie haben damals eine sensationell schlechte Version abgeliefert. Ich bin daher sehr gespannt auf »Episode 7« und denke, JJ Abrams bringt die alte Magie zurück. Da steckt noch sehr viel in diesem Universum. Es geht wieder um echte Sets und Requisiten an echten Drehorten. Ich drehe grade »Rogue One«, den nächsten »Star Wars«-Film, und wir machen es genauso. — »Con Man« ist exklusiv auf Vimeo On Demand zu sehen: Vimeo.com/OnDemand/ConMan.


#Kultur #DVD

IL M! DE R N E U E F KINO AB 17.12. IM

StarWars.de

#DasErwachenDerMacht starwars.de Š & TM 2015 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved.

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#Kultur #Games #Star Wars

Tony Hawk’s Pro Skater 5

HALB SO WILD Die »Tony Hawk’s Pro Skater«-Reihe ist für viele Menschen untrennbar mit schlaflosen Nächten in muffigen Jugendzimmern ver­ bunden. Ein dicker Nostalgie-Bonus, der Activison allerdings nicht vor vernichten­ der Kritik bewahrt hat. Dabei ist das Spiel längst nicht so schlecht, wie vielerorts be­ hauptet wird.

»Star Wars« im Videospiel

5 Dinge, die wir endlich haben wollen Mit »Star Wars: Battlefront« schickt sich endlich wieder ein Titel an, die Leerstellen des Epos’ mit der eigenen Fantasie zu füllen. Doch trotz der engen Anbindung an den neuen Film bleibt der Eindruck, dass ein perfektes »Star Wars«-Spiel noch immer nicht erfunden wurde. Gregor Wildermann, der immer noch »Shadow Of The Empire« auf dem Nintendo 64 spielt, hätte da ein paar Wünsche. 01 Kimme und Korn

04 Bleifuß im TIE Fighter

Die stillen Helden des »Star Wars«-Universums sind die Kopfgeldjäger. Umso tragischer ist das Schicksal vom Entwicklerstudio LucasArts, das noch während der Umsetzung von »Star Wars 1313«, in dem Boba Fett die Hauptrolle übernommen hätte, eingestampft wurde. Dabei könnten auch die Geschichten von IG-88, Bosk oder 4-LOM perfekten Stoff für einen guten Shooter liefern.

Die Storys der guten Rebellen sind ja gut und schön, aber die wirklich coolen Fahrzeuge und Raumschiffe hat das Imperium. Für die Umsetzung von SpeederBikes, TIE Fightern und Sternenzerstörern gab es in diversen Spielen ja immer wieder gute Ansätze, aber so eine Art Fahrschule des Imperiums steht immer noch aus.

02 Grand Theft Landspeeder Nach dem Prinzip der »GTA«-Serie hätte es eigentlich schon längst einen Open-World-Titel zu dem kargen Wüstenplaneten Tatooine geben müssen. Ausgangpunkt wäre eine Spelunke in Mos Eisley, es gäbe Schleich-Passagen, Kämpfe mit Sandmenschen und Rennen in der weiten Wüste. Wer einen Bantha reiten will, soll natürlich auch das machen können, und ungeliebte Feinde verschwinden im Schlund des Sarlacc.

03 Zurück in die Schule Aristoteles und Kant in Ehren, aber der perfekte Philosoph mit mehr als 900 Jahren Jedi-Erfahrung ist und bleibt Yoda. »Lernen du musst Geduld« hat mir mein Abitur gerettet, und Abermillionen Kaffeetassen oder T-Shirts können sowieso nicht irren. Warum aber gibt es kein Spiel, in dem wir mehr über den kleinen grünen Lehrmeister erfahren?

05 Bewegungstherapie Trotz längst etablierter Bewegungserkennung wie Kinect oder Move gab es nur einen einzigen vermurksten »Star Wars«-Titel für diese Technik, der aber selbst Greedo bis heute Blau anlaufen lässt. Warum bisher kein Entwickler ein wirklich gutes Laserschwert-Spiel umgesetzt hat, will einfach nicht einleuchten. Dabei würde es schon beim Zubehör perfekte Möglichkeiten der Fan-Ausbeutung geben. Das Lichtschwert in der eigenen Lieblingsfarbe? Würde sicher nicht nur ich sofort als Custom-Toy bestellen.

Es braucht in der Regel nicht viel, um die Games-Community auf die digitalen Barrikaden gehen zu lassen. In der jüngeren Vergangenheit dürfte die Veröffentlichung von »Tony Hawk’s Pro Skater 5« ein sehr anschauliches Beispiel für die reißende Eigendynamik gewesen sein, die sich im Zuge eines solchen kollektiven Unmutes entfachen kann. Eine bodenlose Frechheit sei dieser lieblos und unfertig dahingerotzte Titel, so der weite Konsens. Dabei ist das Spiel tatsächlich weit davon entfernt, jene Katastrophe zu sein, zu der es in den vergangenen Woche gemacht wurde. »Tony Hawk’s Pro Skater 5« ist vielmehr gezeichnet von konstantem Mittelmaß: Leveldesign, Umfang, Technik, Präsentation – in keinem dieser Punkte wird irgendetwas besser gemacht als in den vorangegangen Teilen. Das eigentliche Gameplay hat sich seinen simplen Reiz dabei durchaus bewahren können. »Tony Hawk’s Pro Skater 5« dürfte vielmehr der große Name zum Verhängnis geworden sein, der nun mal hohe Erwartungen weckt – und das auch völlig zu Recht. Unter einem anderen Titel und zu einem angemesseneren Preis hätte vermutlich kaum jemand ein schlechtes Wort über dieses Spiel verloren. Philip Fassing — »Tony Hawk’s Pro Skater 5« für PS4, Xbox One (Activision / Robomodo)


#Kultur #Games

Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen Carsten Schumacher ist Chefredakteur des Festivalguide und damit eines ganz sicher nicht: ein Stubenhocker. Seine letzten Videospiel-Erfahrungen machte der Konsolen-Legastheniker in grauer Datasetten-Vorzeit. Beste Voraussetzungen also, um ein möglichst objektives Urteil zu fällen. Diesmal: »Disney Infinity 3.0: Star Wars«.

Illustration: Alexandra Ruppert

Huch?! Wie sieht das denn aus? Das soll »Star Wars« sein? Kannst du mir das gleich noch mal mit diesen Plastikfiguren erklären, die man dazu kaufen kann? Also, die Atmosphäre ist hier ganz klar im Eimer, die Darstellung der Charaktere wirkt wie bei der dämlichen »Clone Wars«-Cartoon-Serie. Was kommt als Nächstes? Die Bibel in einer Pokémon-Edition? Die Textfetzen, die Anakin von sich gibt, sind jedenfalls ganz klar auf dem Lebensenergie-Niveau seiner Betonfrisur. Oh! Einen Wookie mit Betonfrisur gibt’s auch! Und diese Betonfrisur-Figuren, die schon in Bewegung sehr unvital erscheinen, kann ich mir auch noch in

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zu Plastik erstarrter Form zum Verstauben im Regal versammeln??? Woher kommt denn das Konzept? Vom Planeten Sell-out? »Erweiterbare Inhalte«?!? Meint: So richtig macht das Spiel nur Spaß, wenn du uns noch billigen Nippes abkaufst? Trojaner im Kinderzimmer! Aus der Tasche sie das Geld dir ziehen wollen! Was ist nur aus der quasi-religiösen Welt des Asketen George Lucas geworden, der uns die Filme damals so uneigennützig geschenkt hat, damit wir daraus für unser Leben lernen?!? In Trauer und Scham abwenden ich mich muss. Da baue ich doch lieber meine »Star Wars«-Figuren von damals offline auf, trinke aus all meinen »Star Wars«-Kaffeetassen gleichzeitig und schmolle in meinem Jedi-Bettzeug, bis der Darth-VaderWecker klingelt! Protokoll: Philip Fassing — »Disney Infinity 3.0: Star Wars« für PS4/PS3, Xbox One/Xbox 360, Wii U, PC und mehr (Disney Interactive Studios / Avalanche Software)

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/VirginMountain

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#Kultur #Games

Uncharted: The Nathan Drake Collection

EIN MANN NAMENS ÄRGER Nintendo hat Super Mario, Microsoft den Master Chief (siehe unten), und Sony darf auf Nathan Drake setzen, wenn es mal wie­ der ein identifikationsstiftendes Maskott­ chen für die eigene Konsole braucht. »Un­ charted: The Nathan Drake Collection« lässt die drei Abenteuer des vorlauten Draufgän­ gers noch einmal in aufpolierter Fassung auf der Playstation 4 Revue passieren.

Häuser ziehen möchte man mit diesem kernigen Sprücheklopfer aber trotzdem nicht, dauert es doch in keinem Teil der »Uncharted«Reihe länger als fünf Minuten, bis die Fäuste fliegen, das Feuer eröffnet wird oder wir uns aus dem abstürzenden Wrack eines entgleisten Zuges retten müssen. Kurz: Der Typ bedeutet Ärger. Das ist im Grunde auch gut so, denn ohne all die opulent in Szene gesetzten Keine Frage: Nathan Drake ist ein Kum- Dauer-Turbulenzen wäre »Uncharted« verpeltyp. Jemand, der noch eine Runde bestellt, mutlich nie das ikonische Aushängeschild der wenn längst alle in den Seilen hängen. Um die dritten Playstation-Generation geworden, als

das es heute gehandelt wird. Charakteristische Qualitäten wie Figurenzeichnung, Erzählstärke und Präsentation haben ohnehin schon immer deutlich auf den Wiederspielwert der kurzweiligen Adventure-Reihe eingezahlt. Wer dennoch einen Grund sucht, noch einmal von vorne zu beginnen, der dürfte ihn spätestens hiermit vorliegen haben. Philip Fassing — »Uncharted: The Nathan Drake Collection« für PS4 (Sony / Naughty Dog)

Halo 5: Guardians

LUXUSPROBLEME Wenn einer Band gleich mit dem ersten Al­ bum der große Wurf gelingt, dann ist der Rest der Karriere oft ein ständiger Abgleich mit der Vergangenheit. Doch auch Video­ spiele können unter diesem Luxusproblem leiden, wie die »Halo«-Reihe beweist.

»Halo«-Serie ergangen, deren sprachkarger Protagonist Master Chief den üblichen Leidensweg des gemeinen Superhelden durchmachen musste: geschlagen, verwundet, gestorben, wiederauferstanden und neue Allianzen geschmiedet. In »Halo 5: Guardians« wird nun In einer Welt aus Nullen und Einsen kann gleich die Geschichte von acht Charakteren erder einmal erreichte Standard prinzipiell be- zählt, die die Saga in zwei Teams fortschreiben. liebig oft wiederholt werden. So ist es auch der Bereits am Anfang stellt sich trotz der neuen

Konstellation eine Vertrautheit ein, die bei anderen Titeln eher wie Stillstand anmuten würde. Der Master Chief selbst hat in seinem Anzug jetzt Düsen für schnelle Ausweichmanöver, die er sogleich für kräftige Stoßschläge nutzt, unter denen vor allem verrammelte Türen und verdutzte Gegner zu leiden haben. Der Speicher der Xbox-One-Konsole wird abseits der visuellen Darstellung vor allem für mehr Sprachabwechslung genutzt, was die Welt von »Halo 5« weitaus lebhafter als sonst wirken lässt. Auch der Multiplayer-Modus kann mit mehr Vielfalt auftrumpfen, etwa, wenn im neuen Spielmodus »Warzone« gesammelte Punkte noch während des Spiellaufs an REQ-Stationen für bessere Waffen oder sogar Fahrzeuge getauscht werden können. So riecht hier alles nach Feinpolitur und Maximierung einer Spielarchitektur, die seit 2001 immer noch nicht langweilig werden will. Gregor Wildermann — »Halo 5: Guardians« für Xbox One (Microsoft / 343 Industries)


#Life

#Life

3D Rendering: Nikolas Müller

Es würde uns nicht wundern, wenn man diesen deformierten Plastikbatzen in einem Müllcontainer in Berlin-Mahlsdorf gefunden hätte. Dort residieren nämlich die Part Time Scientists, die an einer privaten Mondmission arbeiten und dafür ein geeignetes Fahrzeug bauen. Außerdem besuchen wir einen fast echten Stormtrooper und schieben wieder First World Problems.

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#Life #Reportage #Part Time Scientists

Part Time Scientists

MISSION?

POSSIBLE.


#Life #Reportage #Part Time Scientists

Wie viele Wege führen eigentlich zum Mond? Muss man, um dorthin zu kommen zwangsläufig die NASA oder ESA sein? Nicht unbedingt. Ein kleines Team aus Berlin wagt den Wahnsinn und geht die Mission Mond an – mit einem Bruchteil des Geldes, das nationale Organisationen dafür benötigen. Kathrin Gemein (Text) und Tina Linster (Fotos) haben sich bei den Part Time Scientists umgesehen.

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#Life #Reportage #Part Time Scientists

»Wir wollen den Leuten zeigen: Das ­Weltall ist da – und es kann auch genutzt werden.«


#Life #Reportage #Part Time Scientists

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er Weg zum Mond führt über den Berliner SBahnhof Mahlsdorf. Von dort aus geht es mit einem Linienbus fast im Schritttempo durch eine Einfamilienhaus-Gegend, vorbei an Möbel- und Einrichtungsdiscountern mitten in einen Businesspark. Hier haben die Part Time Scientists ihren Sitz. Im Erdgeschoss eines unscheinbaren Gebäudekomplexes planen sie eine Aktion historischen Ausmaßes: Mitte 2017 möchten sie die Ersten sein, die eine private Mondmission durchführen. Bislang lagen solche Missionen zumeist in der Hand staatlicher Organisationen wie NASA, ESA & Co. Nun reihen sich die Part Time Scientists aus dem Osten Deutschlands ein. Den Anstoß zu dieser Mission hat Google gegeben. Zur Förderung privater Raumflugaktivitäten hat das Unternehmen 2007 den Google Lunar X-Prize ausgeschrieben: Welches Team es als Erstes schafft, eine Sonde sicher auf dem Mond zu landen, mit einem Rover mindestens 500 Meter auf der Mondoberfläche zurückzulegen und HDAufnahmen zur Erde zu schicken, erhält 30 Millionen USDollar. Ähnliche Ausschreibungen sind in der Geschichte schon des Öfteren vorgekommen und haben den Fortschritt vorangetrieben. Charles Lindbergh überquerte zum Beispiel 1927 wegen des Orteig-Preises erstmalig nonstop und allein mit einem Flugzeug den Atlantik. Nun möchte also der Internetriese Google in Sachen Mondmission mitmischen. Wie wahnwitzig diese Ausschreibung auf den ersten Blick selbst für Wissenschaftler und Forscher wirken mag, zeigt die Anzahl der Bewerbungen in den ersten sechs Monaten: keine einzige. Im darauffolgenden halben Jahr gab es schließlich zwölf Einreichungen – allesamt von US-amerikanischen Universitäten. Das wiederum entsprach nicht der Vorstellung Googles, die diese Idee privater ­Initiative im Orbit global denken wollte. Also gab es noch einen Aufruf. Die Pressemitteilung dazu landete im Maileingang des Berliners Robert Böhme: Ein alter Schulfreund hatte ihm die Ausschreibung weitergeleitet, weil er dachte, dass diese Mission perfekt zu Böhme passen könnte. Das klingt zunächst nicht allzu ungewöhnlich – hätte es sich bei Böhme zu diesem Zeitpunkt nicht um einen 22-jährigen Informatiker gehandelt, dessen ehester Berührungspunkt mit Raumfahrt ausschließlich die Science-FictionKultur war. Böhme war dennoch angefixt, hörte sich unter den Physikern und Ingenieuren in seinem Freundes- und Bekanntenkreis um, lud zum Grillen ein und überlegte: Wie kann man zum Mond kommen? Warum soll man das tun? Innerhalb einer Woche entwickelte er eine erste Idee und reichte seine Anmeldung zum Wettbewerb ein. Das war 2008. »Natürlich war das total naiv«, sagt der mittlerweile 29-jährige Robert Böhme heute gelassen. Er sitzt in einem Büro mit vielen Topfpflanzen und Blick auf den benachbarten Technikraum. »Aber ohne eine solche grundlegende Naivität würde man im Leben zu nichts kommen. Hätte ich damals gewusst, wie höllisch schwer sich das alles gestalten kann, hätte ich gar nicht erst angefangen. Aber dann wäre mir einiges im Leben entgangen.« Was zwischen der Anmeldung 2008 und Herbst 2015 passiert ist? Nun, fast die gesamte damalige Grillrunde

bildet den Kern der Part Time Scientists – mittlerweile gehören insgesamt 35 Personen dazu, davon sind neun festangestellt. Anfangs entwickelte das Team die Mondmission – neben notwendigen Geldjobs – in der Freizeit. Seit anderthalb Jahren kann Böhme fest anstellen und auch branchenübliche Gehälter zahlen. Die Mission: Die Part Time Scientists arbeiten an einem Rover, der über eine russische Trägerrakete in eine erdnahe Umlaufbahn befördert wird, dann in eine Mond-Umlaufbahn einschwingt und schließlich auf dem Mond landet – ­ unweit der Landestelle von Apollo 17. Das Gefährt wird mit einer Zeitverzögerung von drei Sekunden von der Erde aus ferngesteuert. Es ist 90 Zentimeter lang und 65 Zentimeter hoch, 70 Zentimeter breit, hat vier Räder und zwei Kameralinsen. »Je nach Generation erinnert es an ›WALL-E‹ oder ›Nummer 5 lebt‹«, erzählt der 33-jährige Karsten Becker, Chef der Technologie-Abteilung der Part Time Scientists. Er erklärt, dass diese menschliche Anmutung nicht von ungefähr kommt: »Um 3D-Daten zu sammeln, muss zwischen den Linsen derselbe Abstand wie zwischen Augen eingehalten werden.« Partner der Mission ist Audi: Mithilfe des Automobilherstellers wird der letzte von den Part Time Scientists entwickelte Prototyp R3C zum Audi lunar quattro umgebaut – dem Modell, das auf der Mondoberfläche aufsetzen wird. Die Audi-Ingenieure unterstützen das Team bei der Optimierung des Rovers. Bei der Konstruktion müssen aufgrund der besonderen Gegebenheiten auf dem Mond diverse Faktoren beachtet werden. Mondstaub zum Beispiel stellt das Fahrzeug vor eine große Herausforderung, da dieser so fein ist, dass die Räder des Rovers darin durchdrehen und sich einbuddeln können, anstatt sich fortzubewegen. Deshalb wird hier mit Audi unter anderem an einer sogenannten intelligenten Allradverteilung gearbeitet: Es drehen sich dann quasi nur die Räder, die den idealsten Untergrund haben. Wegen der im Weltall schwankenden UV-Strahlung, die sogar Programmierungen durcheinanderbringen kann, wird der Rover mit einem weißen, reflektierenden Speziallack überzogen. Durch das Vakuum, das auf dem Mond vorherrscht, steigt Wärme nicht wie auf der Erde nach oben – weshalb man zum Beispiel eine Erhitzung des Rovers nur über Infrarotstrahlung loswerden kann. Und das sind nur wenige Beispiele für die Bedingungen auf dem Mond. Wichtig ist außerdem eines: so viel Gewicht wie möglich zu sparen. Der R3C wiegt ungefähr 40 Kilogramm, der Audi lunar quattro soll zehn weniger auf die Waage bringen. »Ein Kilo Material von der Erde zum Mond zu bringen kostet am Ende des Tages Pi mal Daumen 1,2 Millionen Euro«, erklärt Robert. »Da lohnt es sich, abzuspecken.« Apropos Kosten: Die spielen bei dieser Mission eine große Rolle. Beziehungsweise eine vergleichsweise geringe. Insgesamt wird das Unterfangen Zum Mond kommen nämlich nicht die 30-Millionen-Euro-Grenze Die Entfernung von der überschreiten. Das mag aus privater Sicht Erde zum Mond beträgt 384.400 km. Für diese viel klingen. »Aber die billigste vergleichbare Strecke braucht eine Mission liegt bei 250 Millionen – und die ist Rakete etwa vier Tage. Laut nicht einmal auf dem Mond gelandet« , er- Audi braucht ein Mensch, der eine durchschnittliche klärt Böhme. Nur: Warum ist das so? Warum jährliche Fahrleistung von kostet eine private Mission fast ein Zehntel 15.000 Kilometern absolweniger als die einer nationalen Raumfahrt­ viert, dafür gut 25 Jahre. behörde? »Wir unterliegen keinem politischen Diktat«, erläutert Karsten Becker. »Das Problem bei staatlichen Organisationen ist die Rechtfertigungsschleife.« Weshalb kein Risiko

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#Life #Reportage #Part Time Scientists

Nationale Raumfahrtbehörden Es gibt insgesamt 26 nationale Organisationen, die sich damit befassen, den Weltraum zu erforschen und nutzbar zu machen – wie zum Beispiel die US-amerikanische NASA, das deutsche DLR oder die russische FSA. Dazu gibt es übergeordnete Zusammenschlüsse wie die europäische ESA sowie private Weltraumorganisationen.

»Raumfahrten sollten am Ende eigentlich sein wie Busfahren: stinklang­weilig, aber absolut nötig.«

eingegangen werden darf. »Man muss sich das so vorstellen: Wenn Angela Merkel oder Barack Obama sich vor die Bevölkerung stellen und sagen, dass sie jemanden zum Mars schicken wollen, dann kostet das mehrere Milliarden Dollar. Da dürfen keine Fehler passieren.« Zu schnell käme Unmut seitens der Steuerzahler auf. Doch Sicherheitsschleifen kosten Zeit und Geld. Viel Zeit und viel Geld. Außerdem lassen sie kaum Raum für Experimente. Hinzu kommt die schwerfällige Bürokratie solcher Organisationen, deren Papierberge so einiges verlangsamen und in die Knie zwingen. Aber welche Hürden stellen sich der privaten Raumfahrt? Gibt es zum Beispiel bestimmte Luftraumgesetze, die man einzuhalten hat? Karsten Becker lacht: »Es gibt keine Formulare, die man ausfüllen muss, wenn man eine Mondmission anmelden möchte.« Die Raumfahrt sei bei Weitem nicht so hoch reguliert wie beispielsweise die Medizinbranche. Man müsse halt eine Rakete kaufen oder bauen, alles dokumentieren und sich dann an eine Raumfahrtbehörde wenden. Alles gar nicht so unerreichbar – wenn man denn Geld im zweistelligen Millionenbereich lockermachen kann. Aber dann könnte theoretisch jeder sein Mobiltelefon ins Weltall schießen. »Die Organisationen sind mittlerweile totale Dienstleister«, so Böhme. Riesige Labore, viele Monitore, Menschen in weißen Kitteln – die meisten verbinden Raumfahrt mit ähnlichen Bildern. Die Räume der Part Time Scientists unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht großartig von denen eines durchschnittlichen deutschen Unternehmens. Mehrere Büros mit Schreibtischen, Computern und Whiteboards, eine Teeküche, ein Konferenz- und ein Serverraum, dazu grauer Teppichboden und weiße Raufasertapete. Ein paar Hinweise auf die Mission Mond gibt es allerdings doch: So steht im Flur eine lebensgroße Figur des Raumfahrers Buzz Aldrin, finden sich über die Räume verstreut die Rakete von Tim und Struppi, Romane von Douglas Adams und kleine Spielzeugdrohnen. Der Technikraum mit Prototypen des Rovers verrät endgültig, dass es sich hier nicht um ein Versicherungsunternehmen handelt. Robert Böhme und Karsten Becker, nicht in Kitteln, sondern im lockeren Jeans-und-Turnschuh-Look, wirken nicht unbedingt wie Wissenschaftler, sondern eher wie große Jungs, die begeistert an einer ziemlich verrückten Idee arbeiten. Das Kernteam der Part Time Scientists besteht eben nicht aus Raumfahrtspezialisten. Hier arbeiten Soft- und Hardwareentwickler, Konstrukteure, Physiker, Ingenieure. Natürlich ist bei den Beteiligten ein gewisses Verständnis von der Materie vorhanden, Raumfahrtexperte war zunächst jedoch keiner von ihnen. Stattdessen sind alle hochmotiviert, eine solche Idee umzusetzen. Das Tiefenwissen käme über die Kooperationspartner; im Team sei interdisziplinäres Verständnis

wichtig. »Und wenn wir es wirklich schaffen, auf den Mond zu kommen, haben wir nicht nur bewiesen, dass man die Kosten geringer halten und wie weit man technologisch gehen kann; eigentlich haben wir dann auch gezeigt, dass es für niemanden eine Ausrede dafür gibt, eine solche Mission nicht zu planen«, so Böhme. »Wir wollen den Leuten zeigen: Das Weltall ist da – und es kann auch genutzt werden.« Der wettbewerbsrelevante Teil der Mission ist für die Part Time Scientists zwar schon ein spannender Anreiz, doch geht es ihnen dabei um mehr: So wird zum Beispiel ein kleiner 3D-Drucker mit auf den Mond geschossen – dieser soll Mondstaub aufsammeln und daraus ein Zahnrad herstellen. »Dabei geht es uns um einen Technologiebeweis«, erklärt Böhme. »Wir würden zum ersten Mal ein Bauteil auf einem anderen Planeten erschaffen – und das nur mit den Materialien vor Ort und mit Sonnenenergie.« Einerseits finanziert sich über solch kleine Experimente, die von Unternehmen in Auftrag gegeben werden, die Mission. Andererseits wird so ein Potenzial aufgezeigt, das in Zukunft genutzt werden könnte. Für die Pharmaindustrie zum Beispiel ist die Forschung im Orbit hochspannend, da sich Erreger und Antibiotika dort ganz anders verhalten als in der Erdatmosphäre. Ein Haufen Typen, die allesamt technisch oder naturwissenschaftlich versiert sind und sich tagaus, tagein mit einem Mondfahrzeug beschäftigen – da liegt ein GeekVerdacht ja schon recht nahe. Karsten Becker grinst: »Mit ›The Big Bang Theory‹ wurden wir schon häufig verglichen. Irgendwie sehen Außenstehende viele Parallelen.« Und am Samstagabend würde man sich häufig doch für das Büro und gegen den Club entscheiden: »Wir sind halt Leute, die sich gerne mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen. Das ist jetzt nicht unbedingt der Mainstream – wenn man es so sieht, sind wir eben Nerds.« Insgesamt arbeiten 16 Teams im Rahmen des Google Lunar X-Prize mit Hochdruck auf die Mondlandung hin. In rund zwei Jahren werden Robert Böhme und seine Kollegen auf der Startrampe stehen, den roten Knopf drücken – und hoffen, dass alles gut geht. Es ist ein romantischer Gedanke, dass etwas selbstentwickeltes, tatsächlich auf dem Mond landen wird. Oder nicht? »Ich habe keine große emotionale Bindung zu dem Bild, wie der Rover über den Mond fährt«, erklärt Böhme. »Der Effekt auf der Erde in den Köpfen der Menschen ist mir wichtig.« Und noch eines liegt ihm sehr am Herzen: »Raumfahrten sollten am Ende eigentlich sein wie Busfahren: stinklangweilig, aber absolut nötig.« Denn das Wichtige an der Raumfahrt seien die Möglichkeiten, die sich vor Ort erschließen – nicht der Weg dorthin. — ptscientists.com


#Life #First World Problems

#First World Problems

Namensfindung

Illustration: Alexandra Ruppert

Einmal im Leben umgehört und schnell wird klar: Selbiges ist kein Zuckerschlecken! Es folgt eine neue Ausgabe viel diskutierter First World Problems. Irgendwas ist doch immer, findet auch Gastkolumnist Olaf Radow. Kaum wird ein Kind geboren, fangen die Probleme an. Das Grauen beginnt auf dem Standesamt. Da alle guten Namen mittlerweile out beziehungsweise vielfach vergeben sind, müssen neue Methoden zur Namensfindung her. Müde schließt der Mitarbeiter des örtlichen Standesamtes die Augen und murmelt: »Das Kind darf nicht nur Schwackmann heißen. Es braucht auch einen Vornamen. Sie haben zwei Wochen Zeit. Danach müsste ich das Familiengericht einschalten.« Tja, früher war die Aufgabe einfach und klar umrissen: Da mussten Oppa oder Omma herhalten und zack – fertig war der Vorname für den kleinen Wolfgang, Hermann, Horst oder die süße Mechthild oder Hedwig. Später entschied man sich spontan zwischen Nachtisch und Kaffee, ohne darauf zu achten, wer wie hieß (und vor allem wie viele davon): »Anni, was hältst du von Jörch?« – »Jörch ist ganz gut.« – »Dann Jörch. Und wennz ein Mädchen wird, nennen wir’s Bettina.« – »Gut, Klaus.« Wer sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen wollte und zaghaft aufgeklärt gab, erstellte am Samstagabend eine flotte Liste (Ansgar, Michael, Rüdiger und Bärbel, Monika, Rita, Ursula) und folgte dann doch der Eingebung, die beim Verlassen der Kirche durch das trübe Bleiglas der Kuppelfenster herabfiel. Der Erzengel Michael hatte Küsse verteilt. Und wennz doch ein Mädchen wird ... die heilige Ursula. (Was war noch mal mit der? Irgendwas mit dem Kölner Dom und ewiger Jungfräulichkeit ... fein ... dann sagen wir später eben Uschi zu der Kleinen.) Andere Inspirationsquellen bleiben die Helden unserer Zeit und deren Kinder. Auf dem Spielplatz, im Zoo und so weiter: Cheyenne, Zlatan, Cherokee, Ashley ... Alle irgendwie verbraucht und abgenutzt. Sebastian, Leon, Hannah, Hanna und HannahSophie kennen wir aus den Kitas der besseren Wohngegenden. Nur noch ganz selten haut’s uns kurz um: Kwentin, mach’ die Jacke zu! Rottnie, bleib steh’n! Vielleicht warten schon hinter der nächsten Straßenecke Kinder auf uns, die Knochen, Hobel oder Enkeltrick heißen, Produkte von Eltern am Abgrund, aufgerieben zwischen Chemtrails und French Nails. Uuh ... Was aber, wenn wir uns weder hyperindividualistisch aus dem endlosen Hintergrundrauschen bedienen noch hannaesk zwischen Paul, Anton und Marie verstecken wollen? Der Weg aus der Schockstarre der Entscheidungsunfähigkeit ist denkbar einfach. Kürzlich war den hiesigen Medien folgende Meldung zu entnehmen: Die ghanaische Asylbewerberin Ophelya Abé gab ihrem Kind aus Dankbarkeit den Vornamen Angela Merkel. Wow! Das Familiengericht blieb außen vor. Der Dank gelte der Mutter von Angela Merkel Abé. Problem gelöst: Ophelya Abé Schwackmann. Schön. Geht doch.

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#Life #Stormtrooper aus Leidenschaft

Die 501st German Garrison

STORMTROOPER AUS LEIDENSCHAFT Am Wochenende wird dem Imperium gedient. Bastian Küllenberg ließ sich vom Commanding Officer der 501st German Garrison erklären, welche Tücken das Dasein als TeilzeitStormtrooper mit sich bringt. »Ich fand das Imperium und seine Verbündeten schon immer cooler als die Jedi.« Für Markus Rau ist klar: Sein Platz ist auf der dunklen Seite der Macht. Der 41-Jährige ist Commanding Officer der German Garrison, der größten Truppe innerhalb der 501st Legion, dem weltgrößten Kostümclub im »Star Wars«-Universum. »Ich habe mich 1978 als Siebenjähriger ohne das Wissen meiner Eltern ins Kino gemogelt. Als dann der Sternzerstörer ins Bild schwebte, hatte es mich direkt gefangen. Diese Faszination hält bis heute an«, berichtet der Klubchef, dem deutschlandweit über 500 Stormtrooper, Offiziere und andere Verbündete des Imperiums unterstehen. Doch mit Kriegsspielen oder dem Nachstellen intergalaktischer Schlachten hat die 501st nichts zu tun. »Wir stehen Spalier, marschieren ein und geben durch unsere schiere Präsenz und Gruppengröße ein beeindruckendes Bild ab.

Wenn wir rumliefen und ›Peng, Peng‹ riefen, sähe das einfach albern aus. Es würde die Illusion töten«, weiß Rau aus eigener Erfahrung zu berichten. »Als Stormtrooper bewegt man sich ein bisschen wie der Storch im Salat. Zudem ist die Sicht unter den Helmen sehr eingeschränkt. Da könnte es schon gefährlich werden, wenn man zu viel Action versucht. Treppensteigen und das Stormtrooper-Kostüm passen zum Beispiel auch nicht wirklich gut zusammen.« Dafür weisen die von sogenannten PropBauern in Kleinstserien aus ABS-Kunststoff gefertigten Rüstungen der 501st-Trooper eine an Perfektion grenzende Detailgenauigkeit auf, was auch den Rechteinhabern nicht entgangen ist. »Die 501st ist von Lucasfilm und Disney offiziell anerkannt. Das verdanken wir nicht zuletzt unseren eigenen hohen Qualitätsansprüchen. Die Kostüme und Uniformen

müssen möglichst filmakkurat sein, wie es heißt. Das bedeutet, sie sollten zu 100 Prozent dem filmischen Vorbild entsprechen.« Ein Stormtrooper kostet so fix und fertig, inklusive Zubehör und Accessoires wie Schuhen und Blaster, ungefähr 1500 Euro. »Für einen guten Darth Vader kann man aber auch bis zu 4000 oder 5000 Euro ausgeben.« Dabei macht der Commanding Officer mit Nachdruck klar, dass kommerzielle Aspekte bei dieser Freizeitbeschäftigung allerhöchstens eine Nebenrolle spielen. »Die German Garrison ist auf über 300 Events im Jahr vertreten. Es ist uns dabei sehr wichtig, dass wir keine Gage bekommen, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung für unsere Unkosten. Es geht uns um die Ernsthaftigkeit bei der Sache und darum, eine Kommerzialisierung unseres Hobbys zu verhindern. Wir sind keine Event-Agentur.« — Mehr Infos, Kostümtipps und Termine der German Garrison: www.501st.de


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#Style

#Style 3D Rendering: Nikolas Müller

Wir haben für unsere Modestrecke zwar keinen Stormtrooper-Helm auseinandergeschraubt, wie dieses Bild vermuten ließe, aber die Bastelfreude der Fotografin Marina Weigl für unsere »Star Wars«-inspirierte Modestrecke hat uns schwer beeindruckt. Diese grellen Bilder würden sicher auch Vivienne Westwood gefallen, die wir vor einigen Wochen trafen.

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#Style #Star Wars

Fotos: Marina Weigl Produktion & Styling: Frederike Wetzels, Vanessa Weber, Jenny Weser

Schuhe: Vans, Uhr: G-Shock


#Star Wars #Style Schuhe: Palladium, Uhr: G-Shock, Koffer: American Tourister

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#Style #Star Wars

Schuhe: Dr. Martens, Uhr: Nixon


#Style #Star Wars Schuhe: Vagabond

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#Style #Star Wars

Schuhe: Nike


P R O M OT I O N

splash! Festival by Pascal Blot

Melt! Festival by Kilian Roth Lollapalooza Berlin by Maik Zehrfeld

splash! Festival by Pascal Blot

Highfield by Mareike Reuter

Eine Auswahl der schönsten SAMSUNG Festival-Bilder, die unsere Leser online gekürt haben.

DER FESTIVALSOMMER 2015 MIT SAMSUNG

DIE FESTIVALREPORTER UNTERWEGS

Der Festivalsommer ist vorbei – was bleibt sind viele unvergessliche Erinnerungen. Drei Blogger und eine Bloggerin waren für uns bei vier Festivals unterwegs, um mit dem neuen SAMSUNG Galaxy S6 edge die schönsten Momente festzuhalten. Die Auswahl an Festivals war auch 2015 in Deutschland wieder riesig. Wer Zeit, Lust und vor allem das nötige Kleingeld hatte, konnte sich jedes Wochenende auf einem Open Air- Festival die Seele aus dem Leib tanzen. Beim splash! Festival feierten mehr als 20.000 HipHop-Fans. Darunter auch unser Festivalreporter Pascal Blot von itsrap.de. Trotz eines verregneten Sonntags ließen sich die HipHop-Fans auf Ferropolis nicht vom Tanzen abhalten. Gelegenheit genug gab’s bei Auftritten von Audio88& Yassin, Die Orsons, Marsimoto und vielen mehr. Für Pascal Blot waren das zwei lange Tage mit viel Bier, viel Spaß und viel lauter Musik, bei denen der ausdauernde Akku des Galaxy S6 edge seine Festivaltauglichkeit unter Beweis stellte. Bereits eine Woche nach dem splash! öffnete Ferropolis erneut seine Tore für das Melt! Festival. Bei wolkenlosem Himmel schoss Kilian Roth von Dressed Like Machines (drlima.net) mit der hochauflösenden 16-Megapixel-Kamera des Galaxy S6 edge großartige Aufnahmen von der Stadt

aus Eisen. Auch die Bilder der Auftritte von Kylie Minogue, Wanda, Tocotronic haben Posterpotenzial. Beim Highfield freundete sich Festivalreporterin Mareike Reuter mit der Festivalguide-Crew an und war dabei, als unter anderem Against Me!, The Subways und The Wombats vorbei kamen, um den Fans am Festivalguide-Stand die Hände zu schütteln, Selfies zu machen und Autogramme zu geben. Hier erwies die 5-Megapixel-Frontkamera des Galaxy S6 edge beste Dienste. Zum Abschluss der Open-Air-Saison ging’s dann weiter nach Berlin zum ersten Lollapalooza in Europa. Maik Zehrfeld von langweiledich.net war auf dem Flughafen Tempelhof und hielt die schönsten Momente dank des optischen Bildstabilisators im Galaxy S6 edge sicher und scharf fest. Gemeinsam mit den anderen drei Festivalreportern hat er gezeigt, dass es nicht immer gleich die große Spiegelreflexkamera sein muss, sondern auch mit einem Smartphone super Festivalfotos entstehen können.


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#Style #Vivienne Westwood


#Vivienne Westwood #Style

Vivienne Westwood

AN DER SPITZE DES FASHION MOB

vom United Kingdom unabhängig machen solle. Und das als 1991 von der Queen geadelte »Dame Commander Vivienne of the British Empire«. Kontroversen hat Westwood noch nie gescheut. Nicht als Modedesignerin, denkt man an ihre Boutique namens »Sex«, wo sie Mitte der 1970er neben Mode auch Fetischwäsche und SM-Artikel verkaufte, oder an ihre sehr dekonstruktive und ex­ zentrische Interpretation von Haute Couture. Aber auch nicht als Frau: Sie ist zweimal geschieden, zum einen vom damaligen Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren, einer ihrer Söhne wurde unehelich geboren, und seit 1992 ist sie mit dem 25 Jahre jüngeren Tiroler Andreas Kronthaler verheiratet, über den sie liebevoll sagt: »Er ist Queen of Punk mag sie nicht mehr genannt werden, und ein Wunder.« Ihre unkonventionelle Art zu leben und doch bekennt sich die Ikone aus England ganz klar zu zu arbeiten ist es auch, die in der Öffentfolgendem Statement: »Ich bin Anti-Establishment.« lichkeit am stärksten wahrgenommen wird. Vivienne Westwood vor allem über ihre Profession zu Bei ihrem Besuch in Mönchengladbach indefinieren, wird ihr trotz der Augenhöhe zu Modeschöpfern teressiert sich das in fast schon kostümierte Schale geworfene Publikum vor wie Yves Saint Laurent und Karl Lagerfeld nicht gerecht. allem für die Mode, ihr Outfit, Eine Begegnung und Annäherung. Text: Jenny Weser / die Beziehung. Eine große DisIllustration: Julia Feller krepanz wird deutlich zwischen ihrer Außenwirkung und dem, wo sie selbst ihre Prioritäten setzt: »Eigentlich spreche ich nicht so gerne über Mode, das wird oft so anmaßend aufgebauscht.« Mit ls Vivienne Westwood im Rahmen der Veran- ihrer aktuellen Kampagne »Politicians are staltungsreihe »Pioniere der Welt in Mönchen- criminals« richtet sie ihren Unmut vor allem gladbach« den Niederrhein besuchte, kamen sie gegen solche, die Fracking und das Freihan- Fracking alle: lokale Schickeria, Modestudentinnen, der delsabkommen TTIP befürworten. »Politiker, Um beispielsweise Erdgas Bürgermeister, Medien, Fashionistas und solche, die sich für TTIP aussprechen, sind Pro-Profit oder -öl aus tiefen Gesteinsschichten zu fördern, die es nie sein werden. Etwas überrascht und enttäuscht und Anti-Mensch. Die Entscheidungsgewalt wird mittels Hydraulic waren viele dann, als die Modeikone lieber über Fracking liegt bei einigen wenigen, und dem gemeinen Fracturing (kurz: Fracking) als Fashion sprach, und manch ein Schlipsträger zuckte Volk wird systematisch eingetrichtert, es wisse erst gebohrt, dann eine meist mit chemischen Zunicht, was gut für es sei«, sagt sie energisch sätzen versetzte Flüssigkeit zusammen, als sie erklärte: »Politicians are criminals.« Ihre Arbeit ist nie unpolitisch. Selbst ein Kleid – von und fügt hinzu: »Ich habe meine Kindheit in die Schicht gepresst, oben bis unten geknöpft und mit gesitteter Knielänge, und Jugend in der Annahme verbracht, ich sei um ihre Durchlässigkeit zu steigern. Schädliche bravem Kragen, einem zarten Blumenprint auf weißen dumm und unkultiviert. Ich bin in einem Teil Risiken und Folgen für die Spitzenornamenten und einer feminin geschnürten Taille, Englands aufgewachsen, in dem viele Maschi- Umwelt sind dabei unter das für eine Einladung zum Tee beim englischen Premi- nen für die Textilindustrie hergestellt wurden. anderem Entweichen von Methan, Kontamination von erminister angemessen wäre – ist es nicht. Tatsächlich Meine Mutter war Weberin. Ich wusste noch Grundwasser und Erosion hatte die Designerin kurz vor der Londoner Fashion Week nicht einmal, was eine Kunstgalerie sein soll. der Gesteinsschichten. im September David Camerons Heim einen Besuch ab- Aber heute bin ich hier, um den Mund aufzugestattet: Im Panzer kam die 74-Jährige vorgefahren, um machen, mich zu engagieren und Menschen Dekontruktive einen Anti-Fracking-Protest anzuführen. Hineingebeten zu ermutigen, dasselbe zu tun. Denn leider ist und exzentrische es dringend, uns läuft die Zeit davon.« Interpretation wurde sie nicht. Eher aus Geldmangel Das Kleid, isoliert von seiner Inszenierung, bildet nur brachte sich Vivienne Westdie halbe Wahrheit ab: Zu Beginn und Ende der Spring / wood selbst bei, für sich Summer 2016 Show schickt Westwood einen lauthals gegen und die Söhne Kleidung Fracking protestierenden Fashion Mob über den Laufsteg, zu nähen. Dafür zerlegte sie Kleidungsstücke und die Gesichter der Models sind ölverschmiert, es finden sich studierte die Schnitte. bäuerliche und Working-Class-Elemente wie Schürzen Bis heute beeinflusst dies und strenge Blusen. Und auch bei der Präsentation ihrer ihre Designs, genauso wie die Liebe zu schottischen Frühjahrskollektion im letzten Jahr nutzte sie ihre Mode Karos. Bis Anfang der 90er als Projektionsfläche für Kritik, die sie in erster Linie an lebte sie von Sozialhilfe, der Politik übt: Models trugen große Buttons mit der und erst 2000 zog sie aus der bescheidenen SozialAufschrift »Yes!« – Westwoods Antwort auf die Frage des wohnung auf ein großes damals bevorstehenden Referendums, ob sich Schottland Anwesen.

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17.

22. November 2015

10.—15.11.2015

www.cinecologne.de

experi mental film

DEBÜT film

VIDEONALE.scope www.videonale.org

Start ab 14.11.

Exposed #8

Alte Feuerwache Animationsstudio der KHM Cinenova Filmclub 813 Filmforum NRW Filmhauskino Köln Filmpalette Metropolis Odeon

KINDER film

www.exposed-filmfestival.de

KURZ film

Cinepänz

Kurzfilmfestival Köln — Unlimited

www.cinepaenz.de

www.kurzfilmfestivalkoeln.de

31st international short film festival berlin

www.interfilm.de

Notwist Ariel Pink Billy Childish Adrian Sherwood The Pop Group Fatima Die Vögel Deradoorian Mustafa Özkent Numero Group Jack Name Move D* 20—21 Nov 2015 Stadthalle Köln Mülheim weekendfest.de Tickets € 29 (Day) / € 54 (Weekend): tixforgigs.com * Aftershow, 21 Nov at Gewölbe (€ 9 w/ Festival Ticket) PRÄSENTIERT VON

FÖRDERER

IN KOOPERATION MIT

MEDIENPARTNER


#Review

# Review Spalter

Unsere liebsten Platten

Deerhunter Fading Frontier

01 Joanna Newsom Divers

4AD / Beggars / Indigo

Wo soll man noch rauf, wenn der höchste Gipfel bereits erklommen wurde? Deerhunter haben vor fünf Jahren mit »Halcyon Digest« ein ganzes Genre neu definiert. Seitdem sind sie auf musikalischer Sinnsuche. Die Geister streiten sich darüber, ob der nächste Everest schon in Sicht ist. Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

02 Deerhunter Fading Frontier 03 Die Nerven Out 04 Ryan Adams 1989 05 Coma This Side Of Paradise 06 Little Simz A Curious Tale Of Trials And Persons

Wären da nicht auch ein paar Namen und Querverweise, man könnte glauben, es handle sich um das Notenspektrum eines gewagten DesignerDuftes: Ackerminze, altes Leinen, fabrikneue Pkw und eisgekühlter Earl Grey zählen – Bradford Cox’ Mind Map zufolge – zu den maßgeblichen sensorischen Impulsgebern für Deerhunters siebte Platte »Fading Frontier«. Doch was so sehr nach Reizüberflutung klingt, ist in Wirklichkeit das wohl harmloseste Album, das die Band jemals unter die Leute gebracht hat. Unter dem getrübten Blick von »Halcyon Digest«-Produzent Ben H. Allen III übt sich Songwriter Cox, mitgenommen von einem heiklen Autounfall Ende letzten Jahres, gar in zartem Optimismus: »Jack-knifed on the side street crossing, I’m still alive and that’s something.« Ein Fünkchen, das nicht so recht auf den Hörer überspringen will. Dem endlich heilsbringenden vorletzten Song »Ad Astra« geht ein langwieriOh, du lieber Valentin – das, was du schreibst, ges per aspera voran – eine Abfolge grenzt ja schon an üble Nachrede. Ich kann zwar für Deerhunter-Verhältnisse leidlich verstehen, dass es dir, wie so vielen anderen Fans blutleerer Songs, die den als Appeauch, nach einer zweiten Version des Deerhuntertizer vorab veröffentlichten FunkÜberalbums »Halcyon Digest« gelüstet – nur: Wäre das dann Song »Snakeskin« als fiese Finte aufnicht auch öde und zwangsläufig enttäuschend? Auf »Fading fliegen lassen. Und dann, ganz ohne Frontier« gehen Bradford Cox & Co. den mit dem letzten Vorwarnung, schlittert der Tuner in Album »Monomania« eingeschlagenen Weg des Ausbrechens die nächstgelegene Folk-Frequenz, weiter, nur in eine wieder völlig andere Richtung. Im Feld von wo sich Bascom Lamar Lunsford düster verschrobenem Shoegazer und Dream-Pop haben sie gerade wünscht, er wäre ein Maulmit »Halcyon Digest« alles gesagt, jetzt erkunden sie lieber wurf. Cox will auch und buddelt die Welt außerhalb: Electro-Elemente? Funk? Wer bitte hätte sich ein (»Carrion«). Wenn ein Aldas von dieser Band erwartet? Insgesamt klingt »Fading Frontier« deutlich poppiger und/oder freundlicher, und das bum den vorerst größten Nachhall solch einem Taschenspielertrick macht Deerhunter nur noch interessanter. Die großartige Single »Breaker« ist einer der Hits des Jahres und erinnert in zu verdanken hat, will das nichts Gutes heißen. Kann »Fading Fronihrer filigranen Zurückhaltung an Real Estate trifft Lou Reed; tier« ein Grower sein? Abwarten »Duplex Planet« macht vor, an welchem Punkt die Strokes in und Earl Grey on the rocks trinken. ihrem Größenwahn hätten innehalten sollen; und »Ad Astra« Valentin Erning ist ein melodischer Exkurs auf Kraut-Synthesizern. Und so geht es weiter. Zu guter Letzt ist »Fading Frontier« eine enorm facettenreiche Platte mit wieder tollem Songwriting, Experimenten und auch Fehlern, aber ohne jede Langeweile. Auf einem so hohen Niveau, dass man die Repeat-Taste vor Aufregung wieder und wieder klickt. Christian Steinbrink

07 Oneohtrix Point Never Garden Of Delete 08 Chvrches Every Open Eye 09 EL VY Return To The Moon 10 Here We Go Magic Be Small

Eure liebsten Platten 01 Wanda Bussi 02 Editors In Dream 03 Lana Del Rey Honeymoon 04 New Order Music Complete 05 Cro MTV Unplugged 06 Fettes Brot Teenager vom Mars 07 Hurts Surrender 08 Beatsteaks 23 Singles 09 Chvrches Every Open Eye 10 Beirut No No No

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

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#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via Facebook Juror werden!

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The Libertines Anthems For Doomed Youth EMI / Universal

2

Peaches Rub I U She / Indigo

3

Little Simz A Curious Tale Of Trials And Persons AGE 101 / Rough Trade

4

Wanda Bussi Vertigo Berlin / Universal

5

CocoRosie Heartache City Lost Girl / Indigo

5

Battles La Di Da Di

Lance Butters

Disclosure Caracal Island / Universal

8

Lana Del Rey Honeymoon Vertigo Berlin / Universal

9

New Order Music Complete Mute / GoodToGo

10

Chvrches Every Open Eye

Abby

Ø 5,4

Ø 5,6

Ø 5,7

Ø 6,6

8

8

7

6

6

9

1

6

7

9

7

7

7

5

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10

5

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4

1

5

4

4

6

4

Method Man & Redman Blackout!

Frank Ocean Channel Orange

Peter Gabriel So

Nick Drake Pink Moon

Wu-Tang Clan Wu-Tang Forever

Little Dragon Ritual Union

Jeff Buckley Grace

Bibio Fi

Lance Butters Sellfish

Chilly Gonzales Solo Piano

Elbow The Take Off And Landing Of Everything

Radiohead Kid A

Ich mag den Gesang. Ich mag den Klang der Platte, das Feeling. Hier ist es tatsächlich so, dass ich null Bezug habe, aber abgeholt werde. Die Platte würfelt mehrere Einflüsse zusammen. Da trifft Funk und Techno auf Rap und Electro. Die 1990er sind da und cool mit 2015.

Finde die Platte grundsolide. Gut bis sehr gut in den Rap-lastigeren Tracks. Langweilig in den »poppigeren« Nummern. Wirkt nicht wie aus einem Guss. Kein Bezug. Oft hab ich Probleme, einzelne Tracks auseinanderzuhalten, aber Stimme, »Groove«, Akzent und Klang sind einfach sehr stark auf dieser Platte. An sich mag ich dieses Gesinge sehr. Oft wirken die Lieder durch die ruhige Instrumentierung unnötig lang und wirr, weshalb mir das Album zu »schwer« vorkommt.

1

Nein … einfach nein!

Ein Album mit prominenten Gästen. Für mich dennoch nichts, weil mir dieser Garage-Sound nicht liegt.

Lana ist eine gute und wichtige Künstlerin. Auf Albumlänge werde ich aber depressiv, träge und traurig darüber, wie man mit um die 30 so sad sein kann. Es klingt nach einem älteren Jahrzehnt, bringt aber nicht genug Farbe für einen neuen Anstrich mit. Somit verbinde ich damit auch nichts. Ist halt da, nervt nicht. Klingt meistens nach 80er-Jahre-Gequieke und irgendwie alles ähnlich.

Vertigo Berlin / Universal

All Time Faves

Von Brücken Nicholas Müller, Tobias Schmitz

Warp / Rough Trade

7

Miss Platnum

Sind eigentlich alle von denen auf Hero? Das Album hat irgendwie einen guten Spirit. Mich berühren ihre Songs. Ich mag auch Petes Stimme ganz gern. Sie bringt mich mit ihren Texten immer wieder zum Schmunzeln. Sie ist eine Hardcore-Feministin, aber auf eine ziemlich coole Art. Dafür respektiere ich sie. Sie rappt einfach geil. Man spürt, dass es ihr Debüt ist. Das Album hat eine gute Energie. Es klingt unfassbar unbefangen — simpel und wirkungsvoll. Die Zerrissenheit in seiner Stimme ist schon geil, aber diese Schunkel-Beats ... Ich liebe den Wiener Schmäh, würde mich aber immer für Bilderbuch entscheiden. Erinnert mich an Feist. Ich bin kein Fan von so flötenden Stimmen und heulenden Mini-Hunden. Dafür muss ich in der richtigen Stimmung sein, vielleicht beim Yoga. Mir ist wichtig, dass ich etwas habe, worauf ich anspringe — einen Beat, eine Stimme oder eine gute Melodie. Das ist mir zu verkopft.

Das letzte Album habe ich so krass gefeiert. Damals war Sam Smith noch unbekannt. Ich finde ihren Klang und Stil einfach faszinierend und total englisch. Es gibt nur wenige Künstlerinnen, die sich diesen Diva-Moment nehmen. Sie sieht aus wie ein Filmstar. Die richtig dramatischen Songs finde ich am besten. So was passiert also mit einer Band wie New Order? Das ist nicht meins. So was hätte ich auch früher nicht gehört. Völlig nichtssagend. Das erinnert mich an Carly Rae Jepsen. Mir ist das alles ein bisschen zu glatt, was auf jeden Fall an ihrer Stimme liegt.

T: Altbewährtes. Erstaunlich gut, wenn halt auch sicher nicht die Neuerfindung des Rades.

N: Jaja, sie hat ‘ne Pussy und überall Geschlechtsteile und reibt die ständig, und Pimmel sind auch im Spiel. Das Pferd ist totgeritten. Nervt! Musikalisch auch. N: Wenn ich Rap mit britischem Akzent höre, dann geht das gut. Beats machen Bock, schön unberechenbar alles. Little Simz, wir könnten Freunde werden. N: Wiener Schmäh vernebelt die Sinne. Das kann keiner so richtig bescheuert finden. T: Ein wenig zu viel Schweinerock mit Schlagerschmelz. Seltsam gut. T: Schön schrottig, verschroben, wortmalerisch. Insgesamt aber auch etwas sperrig. Manchmal fehlt der Ausbruch.

N: Es wird genauso sein wie bei allen BattlesAlben. Erst sage ich: »Mach das aus, das nervt!« Um dann später zu sagen: »Geile Platte, lass mal laufen!« T: Superstarke warme und druckvolle Produktion. N: Wat? Ernsthaft? Nee!

N: Dieses Valium-auf-Beinen-Ding hat mich live nie erwischt. Auf Platte funktioniert das Ultraentschleunigte aber ganz gut.

N: Niemand kann erwarten, dass ich New Order bewerte! Natürlich ist das super. Das sind New Order! Keine Wertung, aber mit Hofknicks. N: Ich mag den Breitwand-Kaugummi, auch wenn er oft zu arg klebt.

Irgendwie schön zu sehen, dass Pete Doherty immer noch Musik macht.

Schwer. Wir sind alle nicht so große Fans von Trash — beschreibend, nicht wertend. »Free Drink Ticket« hat uns aber sehr gut gefallen.

Wir mögen Little Simz. Musikalisch hier leider oft etwas zu normal, aber alles in allem sehr nice. Tut unserem Rap-Herz gut.

Auch wir konnten uns gegen Wanda nicht wehren. Wir sind große »Bologna«Fans, nach wie vor.

Sehr sympathisch. Süß wie verspult. Schöne Platte. Der Titelsong hat’s uns angetan, schöne Chords.

Sicher nicht die leichteste Kost. Daher aber auch gut. Bisschen wie Can. Bestimmt ‘ne geile Live-Band. Hoffentlich!

Das erste Album hat uns besser gefallen, war nicht ganz so glatt. Nichtsdestotrotz immer bombenfett produziertes Zeug.

Keiner von uns würde sich die Platte ein zweites Mal anhören, aber dass sie uns gar nicht gefällt, können wir nicht behaupten.

Würden wir uns privat nicht anhören, weil uns das Album leider nicht viel sagt. Aber New Order sind zweifelsohne immer ‘ne gute Band gewesen. Ich krieg den CollegeFilm nicht aus dem Kopf. Schwer, was dazu zu sagen, weil’s so gar nicht unsere Mucke ist. Vielleicht sind wir auch einfach zu alt dafür.


#Review #Platten vor Gericht

Coma

Frank Witzel

Chewbacca

Marius Bubat, Georg Conrad

Gewinner Deutscher Buchpreis

Wookie

2015

Alexander Mann

Kai Wichelmann

Leser

Intro

Ø 6,4

Ø 6,5

Ø

Ø 5,0

Ø 4,5

Ø 10,0

5

8

10

WOOUAH ARHHH-RH.

6

8

7,3

7

10

10

AHHOWWWAHOW AWRGHH!

7

7

7,0

6

5

10

AHHH-ARGH WHA?

3

7

6,7

6

0

10

ARRRGHH RHAWK-ARRGH.

8

9

6,5

7

4

10

5

8

6, 2

7

8

10

RWAAH-OH-OH AHHHGH.

9

4

6, 2

4

2

10

AHHH ARGH. ARRRGHH!

5

5

5,8

1

1

10

AARGH-ARGHOO WOOUAH!

6

8

5,7

4

7

10

ARGHR RUGH-RUGH!

6

5

5, 2

3

0

10

WOH ARG-OH-OH?

9

4

4,8

Radiohead OK Computer

The National Gallery … Paintings Of Paul Klee

Wilco Star Wars

System Of A Down Toxicity

Bright Eyes I’m Wide Awake It’s Morning

Fleetwood Mac Tusk

The Free Spirits Out Of Sight And Sound

Missile Chewbacca Landing Clash

Maxïmo Park Our Earthly Pleasures

The Beatles Abbey Road

Hot Chip The Warning

Hampton Hawes Northern Windows

Wookie Wookie

KoRn Issues

Wanda Amore

M: Habe mich schon immer mehr für Pete Dohertys Eskapaden interessiert als für die Musik der Libertines.

M: Ein Comeback, auf das ich nicht gewartet habe, aber durchaus okay finde. G: Nach wie vor geil, Queen Queer! It’s in the teaches of Peaches. G: Die haben den Swag ja ordentlich aufgedreht. M: Ich steh einfach total auf britisches Englisch. Aber von der Musik habe ich komplett keine Ahnung. M: Ich würde mir das jetzt nicht unbedingt zu Hause anhören. G: Also, wenn mich jemand fragt, wofür ich stehe: Natürlich für Amore ...

G: Niedlich. Ist das Dillon? M: Toll, dass die Instrumente alle so klingen, als wären die auf dem Flohmarkt gekauft worden.

G: John Stanier ist und bleibt ein Tier an den Drums. Ob er sein CrashBecken wohl immer noch steilwinklig zwei Meter über sich hängen hat? M: Klingt ziemlich abgecheckt, und ich find es gar nicht so schlecht. G: Da verliert man ja total die Orientierung bei den ganzen Features.

G: Ihre gefakete Laszivität in der Stimme macht mich aggressiv. M: Habe ich schon immer gehasst. Am besten gefällt mir das Cover von Die Nerven. G: Man sollte manchen alternden einstigen PopIkonen mal Einhalt gebieten, damit man nicht komplett desillusioniert wird.

M: Haben die eine oder andere Schüppe (zu viel) draufgelegt. G: Sollten die Kirche lieber mal im Dorf lassen.

The Libertines are all right!

Eine LP, die so düster ist, dass es schmerzt. Peaches Christ Superstar stirbt erneut für meine Sünden. Wie kann ich es wagen, dafür Punkte zu geben? Kann ich nicht beurteilen. Scheint aber ganz gut zu sein.

Man nennt dieses Phänomen »Vorzeitige Reinkarnation«. Rainhard Fendrich ist nämlich noch gar nicht tot. (Hab ich gegoogelt.) Wer sagt’s den Burschen? Wenn nach zehn Jahren ein Album genauso klingt wie das erste, dann muss man sich entweder in Status quo umbenennen oder Spieluhr und Toy Piano beiseitelegen. Hart und federnd legt Stanier die Basis für Bass und Gitarre, die ihre FredFrith-Improvisationen durch einen New-Order-Shredder in immer neue Höhen jagen. Ich weiß schon, was gemeint ist. Aber es ist eben nur gemeint.

Mann, ist das öde, öde. Nein, das war keine Wiederholung, sondern nur der viele Hall auf Lana Del Reys Platte.

Sumner hält mit seiner Stimme die Hymnik der Stücke in Grenzen. Warum nicht 20 Jahre zurückreisen, wenn man dafür »Restless« oder »The Game« bekommt?

Frei nach Lautréamont: Die mehr oder minder zufällige Begegnung von mangelnder Musikalität mit kompletter Einfallslosigkeit auf einem DX7.

WAH SHRF SHRF SHRF RRROOAARRGGHH.

Klingt, als könnte es schon 20 Jahre alt sein, aber nicht schlecht, unvergleichlich britisch. Trotzdem fehlt mir hier irgendwas, um es öfter hören zu können. Was soll das eigentlich sein? Verrückt. Aber hat was.

Ihre Texte und die musikalische Unterstützung geben mir absolut nichts. Nach einer Weile wird es echt langweilig.

Fantastischer Nachfolger, der Hype bleibt berechtigt: Wanda sind das Beste, das deutschsprachiger Musik in den letzten Jahren passiert ist. Schlicht sympathisch. Sehr ungewöhnlich. Dauerhaft könnte ich es mir nicht geben, reinhören sollte man allerdings schon einmal.

Geht echt gut ins Ohr, erinnert mal an Ratatat, dann aber verändert sich die Melodie wieder komplett, und man hat was ganz anderes.

Leider eine Enttäuschung. Zu viele Features, aber keine Hits. Trotzdem: gut nebenbei zu hören.

Wunderbares Album zum Abschalten und Zurücklehnen.

Immer noch interessant, immer noch gut. Zwar keinerlei Innovationen, dafür klingen New Order aber immer noch aktuell.

Das neue Material erreicht zwar leider nicht ganz die Qualität des Vorgängers, ist aber immer noch 100% IndiePop à la Chvrches.

Zumindest die erste Albumhälfte kann es mit den alten Klassikern aufnehmen.

Peaches ist als gesellschaftliche Instanz natürlich nach wie vor wichtig. Die textlichen Dauerprovokationen machen auf Dauer aber etwas müde. In superschicken Arrangements rappt die Dame schnell und gekonnt über ihr Innenleben. Da ist noch Größeres zu erwarten.

Es ist alles ist wieder da: Die Straßenromantik, der kaputte Kunst-Schick, Bologna, augenzwinkernde Machismen und der aus Sturzbächen fließende Schnaps. Als würde Björk in Sandalen über eine vom Morgentau bedeckte Frühlingswiese schweben. Fast immer eine Offenbarung.

Für die Generation ADHS gibt es Nachschub. Vertrackte Pop-Puzzles, die an die frühen Foals erinnern — nur ohne Gesang. Anstrengend. »Music for the masses«, das ist es, was das PopDuo nach dem KnallerDurchbruch anzubieten hat. Der eigenständige Charakter geht flöten. Niemand säuselt so schön. Noch dunkler und abgründiger, in sich geschlossener als je zuvor. Als würde Hollywood nach einem letzten Kater einfach verschwinden. Auch ohne Peter Hook solide, wenn auch überlang. Vor allem die raren »Movement«-Momente sind gelungen. Trotzdem: insgesamt zu satt und behäbig. Infantile und hedonistische Pop-Musik, die tief in den 80er-Jahren steckt. Allerdings reichen die Songideen nicht aus, um das ganze Album spannend zu halten.

97


98

#Review

Ryan Adams 1989 Sony / VÖ 30.10.15

Spektakel der Ausgabe

Joanna Newsom Divers Drag City / Rough Trade

Joanna Newsom wurde bereits mit Joni Mitchell und Kate Bush verglichen. Mit ihrem vierten Album muss sie endgültig in einem Atemzug mit diesen Legenden genannt werden. »Divers« ist ein Meisterwerk.

Als Musikrezensent versuche ich zwei Dinge zu vermeiden: in der ersten Person zu schreiben und Alben über die Maßen hochzujubeln. Objektivität und Ausgeglichenheit sind schließlich wichtige journalistische Tugenden. Im Falle von Joanna Newsoms »Divers« muss ich allerdings eine Ausnahme machen, denn das neue Album der medienscheuen US-Amerikanerin ist, nach eh schon fantastischen Vorgängeralben, objektiv wie subjektiv ein Meisterwerk geworden, und ich kann beim besten Willen nichts daran finden, was Zurückhaltung begründen könnte. Joanna Newsoms Stimme hat mit ihrer Mischung aus Kindlichkeit und Hochfrequenz immer die Geschmäcker gespalten, und das wird wohl auch so bleiben. Doch die Intensität und Ausdrucksstärke, die sie mit ihr entwickelt, sucht ihresgleichen. Höchstens Bush und Mitchell kommen da heran. Und während die gelernte Harfenistin früher mit zehnminütigen Balladen, zweistündigen Alben oder arg exzentrischer Instrumentierung einige Hörer überfordert haben mag, findet sie auf »Divers« die perfekte Mischung aus Eingängigkeit und Komplexität. Wem Newsom bisher zu verschroben war, findet hier einen neuen Einstieg in ihre Musik, und wer sie eh schon mochte, wird ihr erneut verfallen. Ich liebe dieses Album. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies nicht allen anderen Menschen auf der Erde genauso gehen wird.

Ein Album, zwei Versionen. Ryan Adams covert sich durch die dunkle Seite des letztjährigen Erfolgsalbums der Popsän­ gerin Taylor Swift. Wie klingt das meistverkaufte Pop-Album des Vorjahres in den Händen eines gefeierten Singer/Songwriters, der allein schon aufgrund seines Alters und Geschlechts sowie seiner turbulenten Drogenvergangenheit nicht gerade zur Kernzielgruppe der kreuzbraven Popsängerin gehört? Antwort: Immer noch erstaunlich gut! Denn dass Texte über Herzschmerz und Beziehungen aus dem Munde eines frisch geschiedenen 40-jährigen Musikers nicht hochgradig albern wirken, ist vor allem Swifts starkem Songwriting zu verdanken, das von Pop-Snobs immer noch zu Unrecht als minderwertig und seicht belächelt wird. Doch es gibt einen Grund, warum die Mittzwanzigerin der derzeit erfolgreichste Popstar im Geschäft ist, und den kann man sich jetzt auf Adams’ komplett neu aufgenommenem »1989« in der Adult-RockVersion anhören. Das überwiegend akustisch instrumentierte Album tauscht den fröhlichen Synthie-Pop des Vorgängers gegen sanfte Folkrock-Melancholie ein. Anders als Swift, die vergangenen Liebeskummer in selbstermächtigende Pop-Hymnen für die Gegenwart umdeutet, lässt Leidensmann Adams seinem gebrochenen Herzen unverdrossen freien Lauf. Mit brüchiger Bruce-Springsteen-Stimme singt er sich durch den gar nicht mehr so optimistisch klingenden Opener »Welcome To New York«, das von Piano untermalte »This Love« verwandelt sich in seinen Händen zu einem wahren Tränenzieher. Doch nicht jede Adaption reicht an die Klasse des Originals heran. »Blank Space« klingt trotz eleganter Streicher ohne die Killer-Bridge eben nur halb so gut. Insgesamt wird Adams der Vorlage aber gerecht, ohne alteingesessenen Swifties vor den Kopf zu stoßen. Für alle anderen gilt weiterhin: Hater’s gonna hate! Katja Peglow

Henje Richter

Asbjørn Pseudo Visions Sinnbus / Rough Trade / VÖ 06.11.15

!!! As If Warp / Rough Trade

Viel ist nicht von Chk Chk Chks coolem Indie-Disco-Funk übrig geblieben. Besof­ fen um fünf Uhr morgens kann man »As If« aber sicherlich gut vertragen – findet auch der Affe. Viel zu lachen gibt es auf »As If« nicht. Die Band um Nic Offer hat sich bewusst dafür entschieden, eine LP aufzunehmen, die sich an ihren Live-Performances orientiert.

Entstanden ist dabei ein Album voller schleppender Beats, leiernder Spannungsbögen und überproduzierter »Hits«, die sich in ihrer Unaufgeregtheit nicht mal entscheiden können, für was sie eigentlich stehen. Der Song »Bam City« etwa ist ein gutes Beispiel für diese Misere: Die ersten 40 Sekunden gehen sofort in die Beine und versprechen lässige Coolness, bis anstrengende, übereinandergelagerte Effekte zum Einsatz kommen und den Song erdrücken und lächerlich machen. Am liebsten würde man sich aus diesem Berg wieder rauskämpfen. Gerade wenn man »Even When The Water’s Cold« im Ohr hat, scheint die Sensibilität für Melodie und Text dieses Mal wie weggeblasen. Wo sind die entspannten Vibes und lässigen Disco-Moves hin? »As If« ist leider mehr Rausschmeißer-Diskomucke geworden als kreativer, guter Dance-Funk. Die 2000er sind eben vorbei. Da hilft auch der kleine Affe auf dem Bananenberg nicht. Isabelle Friedrich

Acht bereits veröffentlichte und vier neue Songs zum Thema Adoleszenz verbindet der in Berlin lebende Däne auf »Pseudo Visions«. Das klingt, wie man sich eine Pubertät in Dänemark vorstellt: fancy und schön und groß, aber auch ein wenig kühl. 2014 veröffentlichte Asbjørn acht Videos mit jeweils neuen Songs, die er »Pseudo Visions« nannte. Die Definition dieses Begriffs lieferte er im fünften Clip »The Love You Have In You«, in dem es heißt: »Pseudo visions, disillusions of a young heart.« Bis dahin hatte man schon gemerkt, dass der mittlerweile in Berlin lebende Däne sich den Irrungen und Wirrungen der Pubertät annäherte – den genannten zerschmetterten Illusionen, den Gefühlstsunamis, den Selbstzweifeln, den Verwirrungen der Liebe und des eigenen Geschlechts. Die Clips dazu waren Übungen in cooler Schönheit, zeigten oft den androgynen, schönen, jungen Mann Asbjørn in kühlen Bildern, die er mit seiner großen Stimme

anzuwärmen suchte. Auch ohne die visuelle Komponente funktioniert das alles nun auf der Songsammlung »Pseudo Visions«. Sein nach eigener Aussage an den großen Frauen der Popmusik – er nennt Beyoncé und Madonna – ausgerichteter synthetischer Pop ist pathetisch im besten Sinn, inszeniert die Sorgen und Freuden der Jugend übergroß, was ja der Realität dieser Lebensphase fast näher kommt als gebrochene Folk-Songs. Das schon beim Video-Zyklus überzeugendste »The Love You Have In You« bleibt das Highlight, auch wenn das neu geschriebene »Scandinavian Love« dicht darauf folgt. Einziger Vorwurf, den man aufbringen könnte, ist die Tatsache, dass wie so oft beim skandinavischen Pop alles ein wenig zu poliert und nicht immer im geglückten Sinn kühl wirkt. Aber bevor man ihm das vorwerfen will, zieht Asbjørn wieder seine Stimme in höchste Höhen – und man kann ihm einfach nicht böse sein. Daniel Koch

Car Seat Headrest Teens Of Style Matador / Beggars / Indigo / VÖ 30.10.15

Indie-Songs, die ihren Vorbildern gerecht werden, und ein Bandname, der auf Feder­ mäppchen gekritzelt gehört: Die gute alte Zeit gibt es jetzt auch in neu. Dass man über Sex nur auf Englisch singen kann, davon kündeten bereits Tocotronic. Dasselbe gilt offenbar für Kfz-Zubehör: »Autositzkopfstütze« klingt nach der Aussortiert-Kiste beim Bandwettbewerb der Lokalzeitung, Car Seat Headrest hingegen ist ein außerordentlich schnittiges Alias. Es gehört Will Toledo, Anfang 20, der seit fünf Jahren versucht, SoundCloud vollzuspielen. Respekt abtrotzende elf Alben hat er unter dem Namen dort veröffentlicht: eine Ein-Mann-Indie-Rock-Fabrik mit preisverdächtiger Kreativabteilung. Der Vergleich mit anderen vom Teufel getriebenen IdeenDokumentaristen wie Robert Pollard oder Lou Barlow liegt nahe – und muss auch nicht entkräftet werden: »Teens Of Style« ist ein – erstmals mit Band eingespielter – Querschnitt aus Toledos jüngeren Songs, aber auch ein Déjà-vu von allem, was man an Gitarren-Indie liebt: Guided By Voices und Sebadoh, die frühen Of Montreal, auch Superchunk und Wolf Parade kann man mit zusammengekniffenen Augen erkennen. Selbstverständlich erscheint das Album bei Matador Records: Dort wäre es 1996 so gut aufgehoben gewesen wie heute. Michael Weiland

The Chap The Show Must Go On Lo / Indigo

Der Wahnsinn greift um sich: Drei Jahre nach ihrem letzten Album »We Are Nobody« reiten The Chap erneut und in gewohnter Unordnung auf dem fehlge­ führten Konstrukt Europa herum. Die gepfiffene Deutschland-Hymne in einen Song einzubauen ist wirklich harter Tobak. Kann man nur bringen, wenn man bei The Chap spielt, die Bandkollegen aus allen


#Review möglichen Teilen Europas stammen – und man mindestens mit Richard von Weizsäcker verwandt ist. Kein Problem für Johannes von W. Mit seiner Eurogroup haut er schon wieder ein Album voller kritischer, politischer Texte raus, auf dem feinster Nonsens-Humor eine ähnlich große Rolle spielt wie die Musik. Die funktioniert fernab jeder Logik und klingt auf wundersame Weise unordentlich und nicht selten falsch, wie beispielsweise der Song »Jammer«, bei dem zu hektischen Takten tatsächlich gejammert statt gesungen wird. Laut Pressetext ist »The Show Must Go On« ein »Pamphlet in Musikform über die absolute Gewissheit, dass Rockmusik die Welt niemals geändert hat und sie niemals ändern wird. Es ist der Sound der Verzweiflung angesichts gigantischen Stumpfsinns, inmitten von Ereignissen, die sich nicht nur auf Hunderttausende von Flüchtlingen, sondern auch auf Familien und Freunde der Band auswirken.« Fazit: Auch harter Tobak ist guter Tobak. Senta Best

Hype hin oder her, bei Claptone ging das Gekreische spätestens mit dem Remix von »Liquid Spirit« des Jazzsängers Gregory Porter los. Anschließend sammelte er zwischen den Clubs in Asien, Europa und den USA fleißig Flugmeilen. Nebenbei hat er dieses Debütalbum zusammengestellt: freundliche, massenkompatible Deep-HouseNummern mit ausuferndem Namedropping. Jay-Jay Johanson, Jimi Tenor und Peter Bjorn And John stehen auf der Feature-Liste, ohne dass sie eine erkennbare Duftmarke hinterlassen haben. Viel eher rührt Claptone eine leicht verdauliche Tanzmusik an, die sich stromlinienförmig auf den Dancefloor schleicht, ohne musikalisch tiefschürfenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn morgendliche Ekstase, verschwitzte Körper und ein ausgelaugtes Glücksgefühl die Clubnacht besiegeln, passt Claptones Soundtrack allerdings gut ins Setting. Wer will sich da schon mit überhöhtem Anspruchsdenken aufhalten? Klaas Tigchelaar

Cheatahs Mythologies

Steven A. Clark The Lonely Roller

Wichita / Coop / PIAS / Rough Trade / VÖ 30.10.15

Cheatahs schreien ihren Shoegazer-Noise regelrecht aus sich heraus. Sie gehen mit Leidenschaft zu Werke und lassen ihre Fans schwindlig vor Glück zurück. Cheatahs haben ihre Basis zwar im multikulturellen London, doch die Gruppe selbst setzt sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammen: England, Kanada, Deutschland und Amerika. Nach demselben Prinzip schichten sie ihre Songs auf- und ineinander und verweben flirrende Gitarren mit rhythmischem Noise-Rock. Ihre Interpretation des Shoegaze orientiert sich dabei weniger an ätherischen Vorbildern, sondern rückt zu Unrecht vergessene 1990er-Bands wie Drop Nineteens und die raue Schönheit der Anfangsjahre My Bloody Valentines in den Fokus. In Ermangelung einer Schublade werden sie als »Dreamgazepunk-Band« bezeichnet, und dieser sperrige Begriff trifft es ganz gut. Neben den kraftvollen und rotzigen Teilen des Albums spielt die Band mit Variationen: Songs wie »Murasaki« funkeln hell, in »Colorado« erheben sich sphärische Lärmgewitter, und das einpeitschende »Su-pra« spielt den Hörer schlicht schwindelig. Das zweite Album dieser nach Freiheit drängenden Band wurde nach Roland Barthes’ kultursemiotischem Werk »Mythologies« benannt, und man wird das Gefühl nicht los, dass die Cheatahs darauf die Mythen des Shoegaze ausloten. Spielerische Freiheit sprengt jedes musikalische Korsett! Kerstin Kratochwill

Claptone Charmer Different / PIAS / Rough Trade

Die Schnabelmaske des anonymen deut­ schen Beat-Tüftlers Claptone hat gute Chancen, das Pandagesicht von Cro ab­ zulösen. Musikalisch geht es auf Weltreise, auf die angesagten Club-Tanzflächen zwischen Ibiza und Kuala Lumpur. Natürlich hilft so eine schicke goldene Gesichtsverhüllung, den Zuhörer auf das Wesentliche, nämlich die Musik, hinzuweisen.

Secretly Canadian / Cargo / VÖ 06.11.15

Auf seinem Debüt streift Steven A. Clark durch tieftragische R’n’B-Landschaften, schielt aber immer auch mit einem Auge Richtung Dancefloor. Den Massenge­ schmack trifft er damit sogar auch. »The Lonely Roller« in Kurzfassung: In zehn Songs einmal entspannt quer durch das gesamte Spektrum der Herzschmerz-Theatralik – zum Glück mit erfrischend klischeebefreiten Texten und überwiegend ohne die ganz dicke Drake- oder KanYe-West-Produktion. Zugegeben, Stücke wie der Titeltrack mit seinem schmachtenden Background-Gesang oder der energetisch pulsierende Tanzbodenfüller »Can’t Have« schmeicheln schon sehr rotationsfreundlichem Electro-Pop. Aber so what? Hauptsache, der verdammte Groove kickt. Trotz aller offensichtlichen MainstreamAvancen des Albums bleibt Steven A. Clark im Herzen doch stets Storyteller, zwar ohne Akustik-Klampfe, dafür aber getragen von pluckernden Synthies und gefälligen Beats. Nur folgerichtig, dass die zurückgenommene, empathische Trennungsaufarbeitung »Not You« vielleicht der Höhepunkt der Platte ist. Im Endergebnis reicht »The Lonely Roller« sicher nicht an ein stilprägendes Masterpiece wie Frank Oceans »Channel Orange« heran, aber was nicht ist ... Einfach weitermachen! Thorsten Streck

CocoRosie Heartache City Lost Girl / Indigo

Bevor CocoRosie auf ihrem nächsten Al­ bum endlich erwachsen werden, werfen sie mit »Heartache City« noch einen nos­ talgischen Blick auf ihre Anfänge. Vielleicht liegt es an den zuletzt immer zahlreicher werdenden Ausflügen der CocoRosies in Theater-, Tanz- und PerformanceSzenen, warum es Sierra und Bianca Casady auf ihrem jüngsten musikalischen Lebenszeichen etwas ruhiger angehen lassen.

Theatralische Pfade werden auf »Heartache City« jedenfalls nicht mehr mit der Vehemenz vergangener Veröffentlichungen ausgelotet. Stattdessen legen die Schwestern mit ihrem sechsten Album ihre bis dato stringenteste und poppigste Song-Sammlung vor, deren brüchige Schönheit mit ein bisschen Glück auch endlich außerhalb des Fan-Universums wahrgenommen werden könnte. Nach den elektronischen Ausschweifungen des heterogenen Vorgängers »Tales Of A Grass Widow« klingen die zehn Songs auf »Heartache City« wieder reduzierter und strukturierter, ohne jedoch an Raffinesse einzubüßen. Musikalisch soll ein Bogen zu den unschuldigeren Anfängen des gefeierten Debüts »La Maison De Mon Rêve« voller nostalgischer Poesie geschlagen werden – und das ist den Schwestern auch größtenteils gelungen. Deren lieb gewonnener Klangkosmos hält nach über zehn Jahren zwar keine allzu großen Überraschungen mehr bereit, dafür aber umso stärkere Songs, die in der heutigen Poplandschaft noch immer ihresgleichen suchen. Katja Peglow

Vokalisten Mike IX Williams (Eyehategod) und Scott Kelly (Neurosis) an den Abgesang auf die Spezies Homo sapiens machen, berührt etwas Tierisches, Atavistisches tief drinnen. Etwas Unangenehmes wird besungen und erweckt. Und keine einzige Sekunde dieses Kopfschmerz-Core-Albums zwischen harscher Elektronik und würgendem Sludge atmet auch nur einen Hauch von Kontemplation. Sperrfeuer: Hier ist der Gedanke der niemals ruhende Hammer, mit dem es die Welt einzureißen gilt. Hier ist die Drastik das Instrument, die Mauern sämtlicher Gefängnisse zum Einsturz zu bringen. Doch die Welt bleibt bestehen, die Mechanik läuft weiter, das System verschlingt sich stoisch selbst, unermüdlich, ewig hungrig, so wie immer. Da kann man noch so verächtliche Verse kreischfauchen und verzerrten Höllenklang auf apokalyptisches Sample schichten, als hätte es die Industrial-Giganten Godflesh nie gegeben – da brennt sich nichts zugrunde. Und doch mag aus diesem flackernden Lodern, diesem rohen, schweren Schrittes voranschreitenden Epos der Zerstörung etwas Neues erwachsen. So die Hoffnung, wenn man noch daran glaubt, dass Musik etwas verändern kann, zumindest im kleinen Kreis. Und sei es nur, dass sie den Wandel von Sattheit in nagende zweifelnde Wut vorantreibt. Sei es nur, dass sie stört, wo sie schon nicht zerstört. Ulf Imwiehe

Martin Courtney Many Moons Domino / GoodToGo / VÖ 30.10.15

Quiet is the new loud! Was für die bezau­ bernden Kings Of Convenience galt, gilt schon lange für Martin Courtney, norma­ lerweise am Mikro von Real Estate. Was so ein Kind doch alles ändern kann! Plötzlich ist man Papa, muss Verantwortung übernehmen und Kohle ranholen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Die Wenigsten finden da Zeit, um Songs zu schreiben. Martin Courtney hat genau das geschafft und zeigt sich auf »Many Moons« von seiner introvertierten Seite. Er entfernt sich damit vom psychedelisch angehauchten Sound seiner Hauptband Real Estate. Courtneys Kompositionen sind weitaus weniger abstrakt, sondern offen, organisch und klar. Das klingt ein wenig wie Tom Petty oder der sanft entrückte Lo-Fi-Folk von Woods. Zusammen ergibt das keine üble Mischung: Was bei Real Estate unter Delay und Echoschleifen begraben wurde, tritt auf »Many Moons« nun offen zutage: ein ausgesprochen feines Gespür für Songwriting. Ausgeholfen haben Woods’ Jarvis Taveniere und Real Estates Matt Kallman, außerdem Courtneys bester Freund Julian Lynch. Holger Wendt

Corrections House Know How To Carry A Whip Neurot / Cargo

Was erwartet man von einem Projekt aus dem Dunstkreis solcher Noise-Ungetüme wie Neurosis, Yakuza und Eyehategod, wenn nicht mindestens den Musik gewordenen Weltuntergang? Zerstören. Verbrennen. Zermalmen. Die Prämisse dieser Supergroup of hellfire and destruction ist eine denkbar verwüstende. Die kreatürliche Wucht, mit der sich vor allem die

Diverse Kein Mensch ist illegal Unter Schafen / Al!ve

Wenn sich K.I.Z, Turbostaat, Tocotronic und Grönemeyer auf einer Platte versam­ meln, deren Erlös zu 100 Prozent geflüch­ teten Menschen zugutekommt, kann man nur eine Kaufempfehlung aussprechen. »Ehrlich gesagt gab es Tage, da habe ich Deutschland aufgegeben«, erklärte Timo Löwenstein, Betreiber des Kölner Labels Unter Schafen Records, letzten Monat im Interview mit Intro. Aus diesem Unmut entstand die Idee, einen Sampler mit Songs deutscher Künstler zusammenzustellen und die Macht der hiesigen Popkulturlandschaft in Hilfe und Solidarität für Asylsuchende zu verwandeln. Entstanden ist eine Compilation, die »genauso fantastisch und wichtig wie traurig ist«, schreibt Ingo Donot im Vorwort. Aus der geplanten einen CD ist aufgrund der überwältigenden Resonanz der angefragten Musiker gleich eine Doppel-CD mit umfangreichem, informativem Booklet geworden. »Kein Mensch ist illegal« umfasst 36 Songs zwischen Pop, Indie- und Punkrock und deren Vertreter der alten (Herbert Grönemeyer, Die Goldenen Zitronen, Ton Steine Scherben) und neuen (Isolation Berlin, Trümmer, AnnenMayKantereit) Schule. Die Titel stammen vor allem aus dem Band-Fundus der letzten drei Jahre, einzig »Durch die Wüste« der Scherben hat schon vier Dekaden auf dem Buckel. Die Erlöse des Verkaufs gehen zu 100 Prozent und zu gleichen Anteilen an die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und das Netzwerk Kein Mensch ist illegal. Unzählige Vorbestellungen zeigen, dass Löwensteins Plan aufgeht. Einziger Kritikpunkt: Auf »Kein Mensch ist illegal« hört man nahezu nur weißen Männern beim Musikmachen zu. Sicherlich ist das ein Zufall. Es zeigt jedoch, dass selbst diese wahrlich gut gemeinte Compilation noch eine Schippe an Diversität drauflegen könnte – und wie dringlich es ist, dass in naher Zukunft alle gesellschaftlichen Gruppen Gehör finden. Paula Irmschler

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100

#Review zum Abschluss mit einem Kanon aus den Worten »Goodbye, goodbye« sanft zuzieht. »Cold Moon« ist kein einfacher Pleaser. Dieses düstere Wintermärchen belohnt nur die aufmerksamen Hörer, steckt dafür aber voller Hintertüren und wundervoller Geheimräume. Sebastian Jegorow

Lana Del Rey Honeymoon Vertigo Berlin / Universal

Flitterwochen mit Lana Del Rey mögen ihre Vorzüge haben; fürs echte Glück allerdings sind sie ungeeignet. Auf »Honeymoon« verläuft das Make-up leinwandtauglich und stirbt der Schwan mehr Tode, als die Katze Leben hat. Seit ihrem Reboot als Lana Del Rey läuft es rund bei Elizabeth Grant. Kalifornische Melodramen, Trailerpark-Romantik, harter Stoff und weiche Tränen sind ihre Steckenpferde. Cover-Artworks dafür eher nicht so. Doch wen kümmert’s, wenn die PopstarFormel von Mal zu Mal glorreicher aufgeht? Wenn sich plötzlich die »limousine« auf »soft ice cream« reimt und triviale Lautmalereien mit ein paar Brocken aufgeschnapptem Italienisch zu Momenten schier überwältigender Grandezza zusammengehen? Ja, die Del Rey hat uns genau dort, wo sie uns haben will. »Honeymoon« legt das kühle, entrückte Signature-Säuseln der mittlerweile 30-Jährigen empfindlich bloß. Die instrumentalen Ingredienzien verkleistern dabei über weite Strecken den Hintergrund: Hier ein dumpfes Pochen, da eine verirrte Schliere, dort ein Knistern, ein Grillenzirpen wie in »God Knows I Tried«, und hoch über allem thront das valiumdurchsickerte, schmollmündige Selbst in seinem Tränenpalast. Umspielt von schweren Schwaden verhängnisvoller Begierde, rezitiert Del Rey T.S. Eliot, kokettiert mit Bowies Major Tom oder haucht tonnenschwere Plattitüden daher, als wäre nichts dabei: »Got my blue nail polish on. It’s my favorite color and my favorite tone of song.« Am Ende glückt Lana Del Rey mit »Don’t Let Me Be Misunderstood« dann auch noch das nächste Nina-Simone-Cover. Abgewrackt, verheult und wunderschön. Valentin Erning

Alela Diane & Ryan Francesconi Cold Moon Believe / Soulfood

Benjamin Clementine voc, p

Donnerstag 10.12.2015 20:00

koelner-philharmonie.de 0221 280 280

Nach ihrem Trennungsalbum »About Farewell« holt die Songwriterin Alela Diane mit dem Gitarristen Ryan Francesconi einen neuen Freund ins Boot, der ihr aktuelles Album massiv prägt. Da können die beiden Musiker auf dem Cover in noch so warme Farben getaucht werden: »Cold Moon« ist eine Winterplatte und hat einen höheren Melancholie-Faktor als Dürers »Melencolia I«-Kupferstich. Ryan Francesconi, der vor einigen Jahren für seine Mitarbeit an Joanna Newsoms »Have One On Me« Lob erntete, ist mit seinen nimmermüden Gitarrenläufen mehr als nur ein Begleiter. Er schafft den Rahmen, in dem Alela Dianes Stimme ihre Kunststücke vollführt, und weckt damit Erinnerungen an das perfekte Zusammenspiel von Kath Bloom und Loren Connors. Zum Beispiel, wenn der Track »Quiet Corner« langsam Fahrt aufnimmt und mittendrin nach den Worten »dark coming in« für einen Moment zum Stehen kommt. Den Höhepunkt hebt sich das Duo aber fürs Ende auf, wenn Alela Diane in »Ryan« über die Vergänglichkeit singt und den Vorhang

Drake & Future What A Time To Be Alive Cash Money / Universal

Wenig Kunst, stattdessen viel Künstliches – und das alles ohne Aussicht auf einen Hit: Weshalb mit diesem Album mein PflichtOptimismus gegenüber Neo-Romantiker Drake endet. Diamanten im Stil des neuen Covers zieren den Hintergrund, während Drake und Future mit Produzent Metro Boomin als spielbare Charaktere eines kostenlosen Browser-Games herhalten. Währenddessen läuft ihr Song »Jumpman« auf Repeat: Die Neuaufmachung des Game-Klassikers »Doodle Jump« ist wohl das Spannendste im Kontext des gemeinsamen Releases. Vor einigen Wochen sah es noch so aus, als würde die Veröffentlichung von Rapper Future und Sänger Drake »Put It All In A Plastic Bag« heißen. Dann, an einem Nachmittag im September, präsentierte der Kanadier in seiner OVO-Sound-Radioshow unerwartet den finalen Titel in voller Länge: »What A Time To Be Alive« lautet der aufgeplusterte Name der Kollaboration. Das mit der Plastiktüte wäre so viel cooler gewesen. Für den 29-jährigen Drake ist es bereits das zweite Nummereins-Album für das Musikjahr 2015: Erst vor wenigen Monaten veröffentlichte er sein Album »If You’re Reading This It’s Too Late«. Eine kurze Schaffenspause, um sich von der Muse oder On-Off-Geliebten Rihanna küssen zu lassen, war wohl nicht drin. Wenn man seine Alben als Mixtape tarnt und sie über Nacht ohne Promo-Brimborium veröffentlicht, funktioniert das auch. Drake gemeinsam mit Future auf einem Song konnte man zuletzt auf dem Track »Where Ya At« hören. Jeder weiß um die Freundschaft, aber auch um die ausgeprägten Egos der beiden. Zwei der erfolgreichsten Rapper dieser Tage gleichzeitig auf einer Platte strahlen zu lassen ist keine leichte Aufgabe, weder für die Künstler selbst noch für das Produzenten-Team. Und das hört man auch. Wenig zitierfähige Punchlines, ein mittelschweres Auto-Tune-Massaker und in jedem Song die spürbare Zurückhaltung. Ein Debüt, das glücklicherweise nicht überladen, aber auch nicht sonderlich interessant klingt. Zu wenig Spielraum für Innovation, von großen Emotionen ganz zu schweigen. Sermin Usta

EL VY Return To The Moon 4AD / Beggars / Indigo / VÖ 30.10.15

»Return To The Moon« begann, lange bevor klar war, dass die Herrschaften Berninger und Knopf jemals als EL VY auftreten würden. Sicherlich mit ein Grund für die Ausgebufftheit dieses überraschenden Indie-Rock-Highlights der Pilzsaison.


ZIEGENBLUT & MÖTÖRÖL MIT CARSTEN SCHUMACHER

Sludgen, crusten und okkulten Sie mit mir durch die Szenen Indiens, Frankreichs, Hol­ lands sowie aller Länder, in denen wir den Gehörnten ohnehin vermutet hätten ...

Oh du mein Seattle, Quell der Lebensfreude. Hier hat man früher die Nadeln aus den Flanell-Hemden gezuzelt, hier erscheinen heute noch Alben mit hoffnungsfrohen Titeln wie »Slaves Beyond Death« (Southern Lord). Dale Carnegie? Nein, Black Breath crusten sich hier in die heiter dahingaloppierende Kunst des Elchtodes hinein. Mal geknüppelt, mal im Halbtempo, zum Schluss sogar instrumental und nah am Metallica-Thrash der 1980er. Erinnerungen an Klassiker werden wach, auch wenn die Hommage nie zu deutlich oder zu süßlich ausfällt. Hach! Wenn wir schon so weit sind, zünden wir doch auch eine Kerze für den Jazz an. Die norwegische Band Shining hat ja vor fünf Jahren bereits ihren Blackjazz definiert und kommt nun mit »Blackjazz International Society« (Spinefarm) darauf zurück. Und tatsächlich trötet einem wieder fröhlich das Saxofon entgegen. Doch die John-Zorn-Vergleiche kann man diesmal stecken lassen, es überwiegen vergleichsweise harmlose Strukturen, die in ihrer gemäßigten Form auch mal peinlich werden können, denn 20 Jahre später können übergestülpte Trent-Reznor-Sounds und -Attitüden schon mal provinziell wirken.

Gehen wir dorthin, wo wir uns Innovation versprechen: Indien! Okay, hier kann Innovation auch mal klingen, als würde ein überdimensionierter Pressluft-Zahnarztbohrer durch einen Laden für Messing-Geschirr toben. Tetragrammacide haben sich bei »Typhonian Wormholes: Indecipherable Anti-Structural Formulæ« (Iron Bonehead) jedenfalls viel Mühe gegeben, jeden Ansatz von Melodie im Keim zu ersticken. Was für eine Gewaltorgie! Ist das noch Black Metal? Die Apologeten streiten. Die Klänge scheinen jedenfalls im Krieg miteinander, und irgendeine barmherzige Gestalt hat am Ende eine wärmende Decke aus antibiotischer Verzerrung darübergelegt. Wer unter zu viel Konzentration leidet, sollte das hier auflegen.

Alles, was danach erklingt, wirkt natürlich konventionell, aber Indian Handcrafts lagen trotzdem irgendwie nahe. »Creeps« (Sargent House) soll die »1980er-Platte« des kanadischen Duos sein. Das kann man sogar nachvollziehen, allerdings betrachtet man die 1980er dann durch die Sludge/Stoner-Brille einer Band, die natürlich trotz allem in den 1970ern erdacht wurde. Und das führt zu manch süffigem Kiss-, Priest- oder Maiden-Moment, der – in seiner Ästhetik gebrochen – wie eine interessante Coverversion eines Songs wirkt, auf dessen Titel man partout nicht kommen will. Dann können wir auch gleich mal gucken, was die echten 1980er-Bands so treiben. Queensryche hatten sich ja vor drei Jahren in einem klassischen Rosenkrieg von Sänger Geoff Tate getrennt. Statt seiner singt nun Todd

La Torre und gibt sich ganz ordentlich Mühe, wie Tate zu klingen, so wie sich der Rest der Band Mühe gibt, so klassisch wie möglich zu klingen, wodurch »Condition Hüman« (Century Media) bei den Fans wirklich gut ankommt. Na, dann sind ja wieder alle happy, bis auf den Autor, der sich wieder mal fragt: Wie bekomme ich noch mal den Metal-Umlaut über das verfluchte »y«?!

13 coole Songs für Kinder und Erwachsene von den besten deutschen Singer & Songwritern.

Großes

Album-Release Konzert

29.11.2015

Fabrik Hamburg

Jetzt aber Schluss mit dem ganzen Hall & Chorus (bitte nicht zu verwechseln mit Hall & Oates!), den Queensryche immer über ihren Sound kippen. Wälzen wir uns im Dreck! Pigs, die Band um Unsane-Bassist Dave Curran, hat ihr zweites Album »Wronger« (Solar Flare) draußen, und auch hier könnte man sich in Nostalgie suhlen, wenn man denn wollte. Allerdings sind ja auch die Originale des Sounds per definitionem eher abrissorientiert, sodass die Sentimentalität in geordneten Bahnen verläuft. Dischord lässt manchmal grüßen, ein Banjo taucht auf, Julie Christmas von Made Out Of Babies kommt vorbei, und der Rest ist schönes Rumgebolze.

s von Song Neue CHULZ OLLI S ANN POHLM EN PHAUS ZU KNY T R E B GIS LICHT PETER EWKA JAN PL u.v.a.

Tja, Wiedergänger, man fragt sich immer so: Wohin With The Dead? Lee Dorrian ist beispielsweise auch immer noch da, hat Napalm Death und Cathedral hinter sich und veröffentlicht gemeinsam mit der Rhythmussektion von Electric Wizard auf dem eigenen Label das Debüt »With The Dead« (Rise Above). Wuchtig, brachial-doomig und bassig-nussig wie zu erwarten ist es geworden, und wieder einmal klingt der mittlerweile ja schon fast auf die 50 zugehende Dorrian wie ein junger Schreihals. Im Ansatz eine kleine Supergroup wie damals Teeth Of Lions Rule The Divine. Na ja, warum auch nicht?

Doch richten wir unseren Blick endlich mal wieder nach Frankreich. Véhémence versprechen auf »Assiégé« (De Tenebrarum Principio) einen Mix aus mittelalterlichen Klängen, Black-MetalGebläse und Gesang in Landessprache. Und genauso komisch klingt das auch. Die BlastParts erinnern durch die dünne Produktion an eine Nähmaschine, der Gesang sticht viel zu arg hervor. Aber dem düsteren Drama in französischer Sprache beiwohnen zu dürfen hatte seinen Unterhaltungswert. Schließen wir nun entsprechend mit Necromantic Worship, einem Okkult-Duo aus Holland und dessen Demo-Tape »Spirit Of The Entrance Unto Death« (Nuclear War Now!), mit dem es sich an den alten Griechen orientiert (gemeint: der frühe griechische Black Metal). Das Cover führt dabei schon auf die richtige Fährte: Ritual-Keyboards, SpokenWord-Horror und eine Art prähistorischer Black Metal im Wechsel über drei Tracks. Ein Kleinod für den gepflegten Sonntagnachmittag bei Kerzen und Gebäck!

Ab 4 Jahren / 1 CD UVP: 16,99 € (D) / 17,20 € (A) Erscheint: 19. Oktober 2015 Zeitgleich als Vinylausgabe

www.oetinger-audio.de


102

#Review

FROM ALL THE EUROPEAN SCHOWCASE FESTIVALS, I THINK IT’S BY FAR THE BEST!

FOLKERT KOOPMANS, FKP SCORPIO

Didi und Michael müssen einiges über sich ergehen lassen. Sie können von Glück sagen, nicht real zu sein: The-National-Frontmann Matt Berninger erdachte die beiden als Avatare für persönlich eingefärbte Kurzgeschichten, die in Zusammenarbeit mit Menomenas Brent Knopf über die Jahre zu elf glänzenden Gassenhauern avancierten. »Return To The Moon«, so der Titel des Pakets, besticht als das, was es ist: ein Album zweier alter Freunde, die Pferde stehlen gehen. Zu glauben, Parallelen zum Schaffen von The National hätten umgangen werden können, ist zwar allein schon wegen Berningers charmantmarkanter Stimmfarbe illusorisch; seine Extraportion Nonchalance, fortwährende Moves aus der Hüfte und eine lyrische Doppelbödigkeit, die ihresgleichen sucht, verhelfen dem Projekt aber zur unumschränkten Daseinsberechtigung. EL VYs Debüt ist ein kongenialer Indie-Rock-Prototyp auf der Schwelle zur Blödelei und erweckt den Eindruck eines Füllhorns künstlerischer Lust: Alles ist erlaubt, das meiste davon sogar sexy – grüne »Fuck Me!«-Shirts mit Kragen zum Beispiel –, Verschwörungsopfer Paul McCartney darf wieder leben (»Paul Is Alive«) und Konstantin Gropper ruhig schon mal feucht träumen, denn das hier wird ihm zweifellos gefallen. Kleiner Gruß aus der Küche: »I’m peaceful cause my dick’s in sunlight, held up by kites.« Kinder, wird das ein steiler Herbst. Valentin Erning

REGISTER NOW: EUROSONIC-NOORDERSLAG.NL Eurosonic Noorderslag is the key exchange and networking platform for European music, with a proven track record for helping to break new acts on the international live music scene. Selling out each year, the event attracts close to 4,000 professional delegates, including representatives of over 400 international festivals. Eurosonic Noorderslag presents showcases by more than 300 acts alongside a conference programme covering the latest developments in international music media, production and interactive industries. Eurosonic Noorderslag has been responsible for kick-starting the careers of European acts like Ásgeir, AURORA, Bastille, Dotan, Ibeyi, James Blake, Jett Rebel, Hozier, Milky Chance, Royal Blood, Seinabo Sey and Vök. Each year a different country is highlighted in order to showcase the diversity of musical talent across Europe. Eurosonic Noorderslag 2016 will focus on the central eastern European (CEE) region.

AGENDA WED JAN 13

FRI JAN 15

•European Border Breakers Awards •Conference & Eurosonic festival •European Festival Awards •European Production Innovation •Eurosonic Festival Conference (EPIC) •Buma Music Meets Tech

THU JAN 14 •Conference & Eurosonic festival •European Production Innovation Conference (EPIC) •Buma Music Meets Tech

Das neuseeländische Reggae-Kollektiv hat seine ganz spezielle Sportart perfek­ tioniert. Und spielt so mit »Bays« auch endgültig in einer eigenen Liga. Konventionelle Zutaten, ja, aber in dieser Zusammensetzung sensationell funktionierend: Das vierte Studioalbum der Männer aus windy Wellington definiert deren Spezial-Soul nur noch in den Feinheiten etwas aus. Der Trademark-Sound mit den zu gleichen Teilen zugesetzten Reggae-, Jazzund Techno-Partikeln und den charakteristischen Bläsersätzen sowie der einzigartig sanften und merkwürdig zurückhaltenden Stimme von Joe Dukie aber bleibt nach wie vor unverkennbar. Gereift ist allerdings das Songwriting, die Stücke wirken noch kompakter, auskomponierter und durcharrangierter, ohne jedoch den Raum für Freak-outs komplett dichtzumachen. »Bays« ist dem Vernehmen nach diesmal auch in gemeinsamer Kompositionsarbeit im Studio entstanden (nicht wie die bisherigen Alben, deren Songs sich überwiegend aus Jams auf Bühnen rund um den Globus entwickelten). Nach wie vor bleibt zu konstatieren, dass diese Musik lauter scheinbare Gegensätze in sich vereint: dass sie Kopf, Bauch und Beine gleichermaßen triggert und hochsensibel, tiefenentspannt und lustbetont zugleich ist. (Wer sonst kann so überzeugend Songs über Essen machen?) Und dass es ihr definitiv gelingt, gleichzeitig mitreißend und arschcool zu sein. Wenn es jemand schafft, die Welt mit einem Sound zu retten, dann sind das Fat Freddy’s Drop! Claudius Grigat

Esmerine Lost Voices Constellation / Cargo

Mit ihrem fünften Album beschreiten Esmerine aus Montreal wieder ruhigere Wege. Die Istanbul-Romantik des Vorgän­ gers bleibt dafür auf der Strecke. Seit jeher legen Bruce Cawdron (Godspeed You! Black Emperor) und Rebecca Foon (Silver Mt. Zion) bei Esmerine mit Stabspiel und Cello die Basis für Experimente in absurdeste Richtungen. Auf ihrem neuen Instrumental-Album »Lost Voices« werden sie von weiteren Musikern unterstützt; momentan ist die Gruppe ein Quintett. Dazu kommen noch Gäste, etwa von Arcade Fire oder eben GY!BE sowie Sophie Trudeau, die »Lost Voices« um ihre eigenwillig-berückende Violine bereichert. Durch kryptische Songtitel wie »The Neighbourhoods Rise« und unterschwellige dynamische Spannungen formen Esmerine Stimmungen, die absolut einnehmend und faszinierend wirken. Leider hat die Band im Vergleich zu ihrem hochgelobten Vorgänger »Dalmak« den Anteil türkischer Folklore-Instrumente deutlich zurückgenommen. Überbleibsel davon sind nur noch in dem grandiosen »A River Runs Through This City« hörbar. Ruhig dahinfließende Stücke wie »My Mamma Pinned A Rose On Me« klingen dagegen zeitweise wie eine verdichtete Mischung aus Soundtracks von Clint Mansell, Morricone oder Badalamenti und wirken dem sonst eher ungemütlichen Unterton der Platte auf wundersame Weise entgegen. Elisabeth Haefs

SAT JAN 16 •Conference & Eurosonic festival •European Production Innovation Conference (EPIC) •Buma Music Meets Tech

Fat Freddy’s Drop Bays The Drop / Indigo

Electric Six Bitch, Don’t Let Me Die! Metropolis / Soulfood

Das elfte Album der Blödelmacker Electric Six könnte ihr letztes sein, sollte sich keine »Bitch« finden, die lebenserhaltende Maß­ nahmen einleitet. Ach, ich mach den Job. Die Detroiter Band Electric Six feiert im nächsten Jahr tatsächlich schon 20-jähriges Jubiläum. Irgendwo zwischen Garage-, Punk-, Glam- und Hard-Rock, obendrauf noch Disco, Pop und Metal, wird seit jeher die 1980erAttitude großer Männerbands imitiert und persifliert. Na gut, insgesamt sind E6 vielleicht noch ein bisschen sexueller. Bekannt dürften zumindest die Singles »Danger! High Voltage« und »Gay Bar« aus dem Jahre 2003 sein, für den richtigen Durchbruch à la The Darkness hat das Konzept jedoch nicht ganz gereicht. Das mag auch nicht der Anspruch von Dick Valentine und seinem ständig wechselnden Ensemble sein. Die Bandphilosophie läge irgendwo im Bereich von Party, Drogen und Frauen, erklärte er in einem Interview, das nun auch schon zehn Jahre alt ist. Das elfte Album »Bitch, Don’t Let Me Die!« beweist, dass das grundsätzlich noch immer der Fall ist. Genaueres Hinhören jedoch zeigt: Auf diesem Album geht es die ganze Zeit ums Sterben. Ein feines Thema, gerade auch jetzt im Herbst. Tod macht im E6-Kosmos allerdings richtig Spaß. Mit gewohnt treibenden Hymnen werden ironisch absurde Szenarien besungen. So handelt »Big Red Arthur« vom Tod eines betrunkenen Weihnachtsmannes, hinter »Dime Dime Penny Dime« verbirgt sich eine wunderbare Hommage an Elvis Presley. Luftgitarren-Trigger wie »Two Dollar Two« oder der Popsong »Kids Are Evil« machen deutlich, mit was für einer geilen Band man es hier zu tun hat. Nur: Wie man ihren Tod verhindert, habe ich leider nicht erfahren. Man kann nur hoffen und beten. Paula Irmschler


WWW.KK T.BERLIN

Miniaturen. Besonders spannend sind die vielen improvisierten Sessions. Es ist und bleibt Musik, die man am besten im Liegen konsumiert, während man sich und sein Universum vergisst. Konstantin Maier

06.11. DRESDEN ALTER SCHLACHTHOF · 07.11. AT - LINZ POSTHOF · 08.11. A T- GRAZ ORPHEUM 09.11. ERLANGEN E-WERK · 11.11. KÖLN E-WERK · 12.11. WIESBADEN SCHLACHTHOF 13.11. STUTTGART LKA LONGHORN · 14.11. MÜNCHEN ZENITH TICKETS UNTER WWW.TOCOTRONIC.DE

Flanger Lollopy Dripper

PRÄSENTIERT VON FUZE MAGAZIN · VISIONS · KEIN BOCK AUF NAZIS · PUTPAT · PETA2 · LIVEGIGS.DE

Columbia / Sony

Erased Tapes / Indigo / VÖ 30.10.15

Die Freigeister und Best Buddies Nils Frahm und Ólafur Arnalds führen ihre Zusammenarbeit in Grenzbereiche, irgendwo zwischen Neo-Klassik, Elektro­ nik, Jazz und Avantgarde. Sie sind Label-Buddies und beide dafür bekannt, sensible Musik an den Bruchstellen zwischen Ambient und Avantgarde, Electro und Pop zu machen. Der gebürtige Hamburger Nils Frahm und der Isländer Ólafur Arnalds arbeiten schon seit Jahren zusammen, neben Pizza-Essen und Wandern treibt es die beiden auch immer wieder gemeinsam ins Studio. Die Sammlung »Collaborative Works« zeigt die musikalische Bruderschaft der letzten Jahre und beinhaltet die Releases »Stare«, »Loon«, »Life Story And Glory« und sieben neue Tracks aus dem Studiofilm »Trance Frendz«. Von einem gemeinsamen Album kann also nicht die Rede sein, eher von einer Art Collage der Studioexperimente, als Service am Hörer, der dadurch nicht bei Online-Auktionen Höchstpreise für die teilweise sehr limitierten Auflagen zahlen muss. Alle fünf Releases hier nochmals zu rezensieren macht wenig Sinn, also suchen wir das große Gemeinsame: Stets zeigt das Duo Mut zum Experiment, wie etwa bei »Three«, wenn ein Akkord quasi das gesamte Stück durchgehalten wird. Ätherische Klavier-Improvisationen treffen auf verdubbte elektronische

PRÄSENTIERT VON JUICE · INTRO · SPLASH! MAG

antilopen gang aversion tour 05.11. AACHEN MUSIKBUNKER · 06.11. ESCHWEGE ALTES E-WERK · 17.11. FULDA KUZ KREUZ 19.11. STUTTGART CLUBCANN · 20.11. FREIBURG JAZZHAUS · 21.11. CH-WINTERTHUR SALZHAUS 03.12. REGENSBURG ALTE MÄLZEREI · 04.12. AT-SAALBACH BERGFESTIVAL 05.12. RAVENSBURG 47° FESTIVAL · 10.12. KASSEL CLUB A.R.M. · 11.12. DRESDEN BEATPOL 12.12. MAGDEBURG FACTORY · 13.12. HAMBURG UEBEL & GEFÄHRLICH · 15.12. BIELEFELD FORUM 16.12. ESSEN ZECHE CARL · 17.12. KÖLN GLORIA THEATER · 18.12. LEIPZIG CONNE ISLAND 19.12. BERLIN ASTRA KULTURHAUS

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Pompöser Hochglanz-Pop mit biblischer Wucht – Dave Gahan und die Soulsavers suchen auf »Angels & Ghosts« weiter nach Erlösung. Vor einer Weile durfte ich als protestantisch getaufter Atheist einer katholischen Bischofsweihe beiwohnen. Gold, Weihrauch, pompöse Rituale zu Orgel-Bombast und Chorgesang – es war schwer, sich der Faszination dieser befremdlichen Veranstaltung in all ihrer ergreifenden Theatralik zu entziehen. Ähnlich geht es mir beim Soulsavers-Album mit Dave Gahan. Mit demselben großen Gestus, mit dem der Sänger bei Depeche Mode als gemarterte Seele nach Erlösung sucht und damit Fußballstadien in seinen Bann zieht, zelebriert er seinen Seelenschmerz auch auf »Angels & Ghosts«. Das britische Produzenten-Duo Soulsavers untermauert dies mit einer Grundlage aus mächtigen Beats, himmlischen Chören und gelegentlichen Gitarrenriffs über gefälligen SoundTeppichen. Klingt, als könnte das die perfekte Ergänzung sein, ist aber in der Summe zu viel des Guten. Bei Depeche Mode machten die kühlen, düsteren Sounds insbesondere des Spätwerks Gahans quasireligiöse Selbstinszenierung genießbar. Bei den Soulsavers hingegen fehlt dieses Gegengewicht – und die eigentlich gelungenen Songs kippen in schwülstigen Kitsch. Mit dem trockenen, unprätentiösen Gesang eines Mark Lanegan funktionierte dieser Breitwand-Pop zwischen TripHop, Gospel und Alternative Rock deutlich besser. Till Stoppenhagen

PRÄSENTIERT VON MELODIE & RHYTHMUS

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Girl Band Holding Hands With Jamie

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Girl Band aus Dublin sind natürlich eine Boyband. Die Iren spielten ihr lärmiges, furztrocken produziertes Debüt in nur drei Tagen ein und erfinden im Rausch ihres Dada-Humors gar das wundervolle englische Verb »to klinsmann someone«. »What did you mutter while caught fucking butter?« Das ist nur eine der vielen tiefschürfenden Fragen, die »Holding Hands With Jamie« uns aufzwingt. Weitere Fragen wären: Warum wird auf diesem Album eigentlich ständig gegessen? Kann man tatsächlich eine Wespe sniffen? Wer ist eigentlich dieser Jamie? Und vor allem: Wie erkläre ich meinen Freunden, dass ich einen Song wie »Baloo« mag, der eigentlich nur aus nervtötendem Gitarren-Schreddern, im Keller oder im Bunker aufgenommenen Drums und nach Arbeitsverweigerung klingendem Geschrei

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Dave Gahan & Soulsavers Angels & Ghosts

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Back to the future: Nach zehn Jahren setzt das Nerd-Projekt Flanger aber­ mals den aktuellen Standard in Sachen Electronic-House-Jazz. Irgendwer hat mal den Begriff »horizontale Tanzmusik« in Zusammenhang mit Flanger fallen lassen. Besser könnte man das nicht beschreiben, was die beiden deutschen Elektronik-Veteranen da schon seit 16 Jahren in schöner Unregelmäßigkeit fabrizieren. Atom™ alias Uwe Schmidt, unter anderem auch bekannt als Señor Coconut, und Burnt Friedman alias Bernd Friedmann machen kühl konstruierte Kopfmusik, wie sie tanzbarer und körperlicher kaum sein könnte. Waren die letzten Alben noch ein morphender Hybrid aus dekonstruierten und gesampleten realen Jazzinstrumenten und –musikern, entstand »Lollopy Dripper« mit Ausnahme von Hayden Chisholms Altsaxofon wieder ausschließlich mit digitalem Instrumentarium. Schmidts Frankfurter Techno-Vergangenheit ist dabei aber kaum noch zu entdecken, eher schon die eine oder andere rhythmische LatinoSchrulle. Friedmans Vergangenheit steuert eine austarierte Dub-Weisheit bei. De facto regieren aber Clicks und Cuts in JazzTexturen unter angefangenen Melodien und atemberaubenden Sound-Schleifen. Aktuell die Definition von Intelligent Cool. Claudius Grigat

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Nonplace / Groove Attack

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#Review besteht und mit folgender Anschuldigung beginnt: »You just shit in my neighbour’s garden«? Tja, Antworten liefert weder dieser Text noch das Album, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Girl Band ebenso nerven wie begeistern, indem sie bissige Poesie (ja, das nenn ich so – eine Zeile wie »lick you roll-on deodorant, football-cocking around« schreibt halt auch nicht jeder) mit spontan anmutenden, spannenden Geräuschen zusammenführen. Oder Melodien, Noise-Sessions und einem abgefuckten Dada-Humor, der sehr erfrischend wirkt in einem Genre, das oft ja eher auf die Wut im Bauch und den Stock im Arsch setzt. Den Preis für den besten Neologismus des Jahres bekommen sie dabei noch on top für das oben genannte Verb, das so wundervoll in diesen Satz passt: »Felt a bit turquoise tho so I klinsmanned the taxi driver«. Was für eine lyrische Großtat! Daniel Koch

Ellie Goulding Delirium Polydor / Universal / VÖ 06.11.15

Hymnischer Electro-Pop mit ganz viel Ge­ fühl: Mit ihrem neuen Album »Delirium« will Ellie Goulding endgültig in den PopOlymp aufsteigen. Neulich in der Klatschpresse: Ellie Goulding hat einen Herzfehler und muss deswegen in Zukunft ihr hartes Work-out runterschrauben. Vorbei die Zeiten, in denen die 28-jährige Britin ihren gestählten Körper – aktuell auf dem Cover ihres dritten Albums »Delirium«, nur von einer Zottelfelljacke umhüllt, zu bewundern – präsentieren wird. Nicht dass es daran irgendetwas auszusetzen gäbe. Wenn die dazugehörigen Songs nur nicht genauso vorhersehbar overworked klingen und mehr durch Qualität statt Quantität auftrumpfen würden (allein die Standard-Edition von »Delirium« sprengt mit 16 Songs bereits jeden regulären Albumrahmen). Seit der Veröffentlichung ihres Debüts »Lights« 2010 hat sich Ellie Goulding im Zeitraffer von einer sympathischen Pop-Newcomerin mit FolkEinflüssen in einen veritablen Popstar mit achtbaren Chartserfolgen verwandelt, der auf Hochzeitsempfängen von britischen Royals

eine genauso gute Figur macht wie im letzten Taylor-Swift-Video (ohnehin der wahre Ritterschlag für eine angehende Pop-Prinzessin). Auf ihrem dritten Album gehen Goulding und ihre Hit-Produzenten dementsprechend auf Nummer sicher und reichern den ohnehin schon recht poppigen Electro-Sound mit jeder Menge Zuckerguss und Schleifchen an. Sogar »Love Me Like You Do« ist noch mal vertreten. Weniger wäre hier durchaus mehr gewesen. Katja Peglow

Downtempo-Beats und tanzbare Synthies wabern an den falschen Stellen (»Warm Regards«), fragile Gitarrenriffs wirken oft suboptimal platziert. Hätten sich doch nur ein paar mehr Perlen wie die wundervolle PianoNummer »Throes« dazwischengedrängelt! Sie würden dem Album seine unbestimmte Sterilität nehmen und Half Moon Run in altem Glanz erstrahlen lassen. Nadja Neqqache

handelt »Save The World With This Melody«. Und immer wieder Hoffnung. Und so heißt es in den letzten Zeilen des Albums: »Wir können es nur nicht sehen, denn es ist viel zu schnell, aber alles wird immer besser.« Genug der Aufmerksamkeit, weitermachen. Paula Irmschler

Janet Jackson Unbreakable Half Moon Run Sun Leads Me On

Bernadette La Hengst Save The World With This Melody

Glasnote / Caroline / Universal

Trikont / Indigo

Mit ihrem Debüt »Dark Eyes« spielten sich Half Moon Run vor zwei Jahren in viele Her­ zen. »Sun Leads Me On« tritt nun in diese riesigen Fußstapfen, die es womöglich nicht ausfüllen kann. Ich kann mich noch ganz genau erinnern: Als ich »Dark Eyes« im Oktober 2013 das erste Mal hörte, saß ich mit brechendem Herzen auf dem Sofa meiner besten Freundin. So ungestüm und jäh mir die Welt damals eine Ohrfeige mitgegeben hatte, so berauschend wirkten die ersten Takte des Openers »Full Circle« auf mich. So frisch wie ein Stück Zitronenkuchen, so warm wie aufgebrühter Kaffee, perlend, unaufhaltsam, durchdringend. Das Debüt von Half Moon Run war so stimmig wie lange kein Album vorher und wurde trotzdem von der Kritik unterschätzt. Ohne wirbelnden medialen Rückenwind drang es nur langsam und bis zuletzt zurückhaltend in die Szene vor. The Guardian schrieb damals, das Quartett aus Montreal würde zu einem Drittel Fleet Foxes und zu zwei Dritteln Arcade Fire vereinen. Das stimmte. »Sun Leads Me On«, geschrieben und aufgenommen in der kalifornischen Sonne, erreicht keinesfalls die vielschichtige Klasse des Vorgängers. Zwar präsentieren sich Tracks wie das malerische »I Can’t Figure Out What’s Going On« und das an Foals erinnernde »Trust« in gewohnter Half-Moon-Run-Manier; dass sich das Quartett mit diesem Album neu definieren wollte, hört man ihm dennoch an.

Bernadette La Hengsts fünftes Album ist »kein Versuch, journalistische Aufmerk­ samkeit zu erhaschen«. Vergiss es! Weg­ hören geht nun wirklich nicht. Wer sich die Protagonisten der glorreichen Zeiten der Hamburger Schule in Erinnerung ruft, wird vermutlich als Erstes an all die Männer- und Jungsbands denken, die durchaus feministisch eingestellt waren, jedoch eher unter sich blieben. Aber es gab auch Bands wie Die Braut Haut Ins Auge, aus deren Mitte Bernadette La Hengst stammt. Seit 2002 ist sie solo unterwegs und kreiert nicht weniger als perfekten, politischen Pop, ganz nach dem alten, berühmten Anarchisten-Credo »If I can’t dance to it, it’s not my revolution«. Das durch Crowdfunding finanzierte Album »Save The World With This Melody« ist eine Sammlung von Songs, die einerseits für Theaterprojekte geschrieben wurden und andererseits für die Platte selbst entstanden sind. An ihrer Seite hat La Hengst eine Menge UnterstützerInnen versammelt, wie ihre Die-BrautHaut-Ins-Auge-Weggefährtin Peta Devlin, Ruth May, Wanja Saatkamp, Finn und andere. Was sie antreibt, ist vor allem die Sehnsucht. Ein Wort, das immer wieder fällt – in ihren Texten und in Interviews. »Ich schreibe Lieder, um – nicht mehr und nicht weniger – die Welt zu retten mit einer Melodie«, sagt sie und geht mit diesem Willen gegen alles an, was es abzuschaffen gilt. Kapitalismuskritik, Arbeitsunmut, Liebesschmerz, von all dem

Rhythm Nation / BMG / Warner

Mit der Single »No Sleeep« hat Janet Jackson uns Hoffnung auf ein Album mit astreinem Retro-R’n’B gemacht. Aber: Is’ leider nicht. Das mit dem R’n’B der 1990er und seinen Helden ist ja so eine Sache: Einerseits gibt es da Künstler wie Boys II Men oder Keith Sweat, die alle Jahre wieder mit bemühten Retro-Revueen durch die Lande ziehen und von ihrem bald zwei Dekaden zurückliegenden Hype zehren, andererseits konnte man jemandem wie Usher in den letzten Jahren dabei zusehen, wie er sämtliche Prinzipien aus »8701«-Tagen für uninspiriert klebrige Dance-Kompositionen über den Haufen warf. Den konventionellen Klängen der ersten »Unbreakable«-Single »No Sleeep« mit Feature-Gast J. Cole nach zu urteilen, hätte man von der ersten Janet-Jackson-Platte seit sieben Jahren wieder mal richtig guten, alten und unprätentiösen R’n’B erwarten können. Aber: Is’ nicht. Die 17 Tracks klingen entweder nach schamloser Resteverwertung oder noch schamloserer Ranschmeiße an das, wozu zurzeit in der Großraumdisko abgehottet wird. »Shoulda Know Better« ist pures Gutfühlgeplänkel; »Night« will nach Ibiza, kommt aber nur bis ins Internisten-Wartezimmer; »Burnitup!« mit Missy Elliott klingt nach einem uninspirierten Überbleibsel aus Timbalands »Shock Value«-Sessions; und »Damn Baby« erinnert mit pumpenden Bässen und bearbeiteten Gesangsfetzen an den schwülstigen Future-Garage-Sound von Disclosure. Spaß machen lediglich der Titeltrack, »2 B Loved« sowie »Dream Maker / Euphoria«. Hier trällert Jackson über eine Produktion, die an den dumpf-drogigen Schlafzimmer-Pop

Inspiration by Day Discovery by Night

Next Registration Deadline: November 20

Learn more and save your spot: sxsw.com/discovermusic

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Brought to you by:


HEIMSPIEL MIT BENJAMIN WALTER

Indie, Artverwandtes und ein alles zer­ berstendes Rapalbum aus Rostock diesen Monat im »Heimspiel«, der vermutlich beliebtesten Rubrik im Intro Magazin.

Gute Nachrichten für die ganz jungen und die etwas älteren Leser: Mit »Unter meinem Bett« (Oetinger Audio) erscheint nun eine Compilation von Kinderliedern, die auch Erwachsene feiern können. Bernd Begemann, Gisbert zu Knyphausen oder der verstorbene, unsterbliche Nils Koppruch singen lustige und liebevolle, manchmal schräge und manchmal auch düstere Lieder für die ganze Familie. Musik zu einem Film, der wirklich gedreht wurde: Die Band Die Tentakel Von Delphi, dem einen oder anderen vielleicht als Käptn PengBegleitband bekannt, liefert den Soundtrack zu dem tragisch-komischen Sauf-Film »Alki Alki« (Kreismusik) von Axel Radisch. Mit der lakonischen Lässigkeit einer schmierigen Barband begleiten sie die Handlung um eine alkoholbefeuerte Männerfreundschaft mit rumpelndem Bass Nova, Swing und Blues. Macht richtig Bock auf den Film, funktioniert aber auch so. Als Liebhaber eher einfach strukturierter Musik hatte ich mit der »Tides EP« (Asmara) der Kölner Band Xul Zolar, die nun auf dem bandeigenen Label erscheint, so ein bisschen meine Probleme. Was für eine Masse an Melodien, Tönen, Rhythmen! Doch die EP enthält nicht nur soundverliebte Spielerei mit allem, was die Welt der Klangerzeugung hergibt; da sind auch große, weltentrückte Popsongs. Mit dem an Yacht-Pop erinnernden Stück »Ilajaly« haben sie sogar einen echten Hit für die Massen. Sommer 2016 garantiert auf jedem Festival zu sehen. Außer vielleicht beim Wacken. Suralin sind vier Jungs aus Chemnitz in klassischer Bandbesetzung. Ihr Album heißt »No Star« (Atomino), zehn Songs haben sie in kürzester Zeit aufgenommen. Das klingt jetzt erst mal alles nicht so wahnsinnig aufregend – die Art und Weise, wie hier großartiger Indie-Rock geschrieben und mit hängenden Schultern runtergespielt wird, ohne sich auch nur eine Sekunde den Anstrich eines beschissenen Rockstars zu geben, ist aber schon bemerkenswert. Erscheint auf dem Label Atomino, verschwestert mit dem super Live-Club gleichen Namens, der seit so vielen Jahren in Chemnitz die Stellung hält.

Die Zielgruppe der Band Man Behind Trees ist recht durchschaubar: Typen, die so ein bisschen in der musikalischen Vergangenheit von Indie- und Power-Pop der späten 1980er und frühen 1990er hängen geblieben sind, aber auch mal was Neues und nicht immer nur ihre alten Big-Star- und Pavement-Scheiben hören wollen. Für diese häufig etwas verschobenen und meist grundsympathischen Kerlchen ist »Snoqualmie« (Solaris Empire) nicht weniger als eine Sensation. Unverschämt harmonische Hits, mehrstimmiger Gesang, ein bisschen Krach, ein bisschen Melancholie und keine weiteren Fragen.

Nachdem die Band Frittenbude ja neulich aus Versehen die gleiche Platte wie 2012 noch mal herausgebracht hat, zeigt ihr Label Audiolith nun mit der Veröffentlichung des Albums »Totschlagargumente« (Audiolith) der Rostocker Rap-Crew Waving The Guns, dass sie doch immer noch die stabilste Plattenfirma im Game ist. Die nicht nur aus Style, sondern auch aus Selbstschutz mit Sturmhauben maskierte Truppe ist aggressiv, schlau und politisch, dabei aber auch als Antithese zum immer etwas sozialpädagogischen Zeckenrap zu verstehen. Auf 16 Tracks mit tightesten Oldschool-Beats wird hier mit viel Herz, Witz und Dringlichkeit gegen Bullen, Nazis, Mehrheitsgesellschaft und eben auch Wack-MCs gefrontet und vom Leben in einer Welt erzählt, in der auch mal die Fäuste fliegen. Da kann ich als bebrillter Wimp nur staunen und meine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.

Wenn ich von einer Musikrichtung nun wirklich überhaupt keine Ahnung habe, dann ist es Dub. Da man aber angeblich mit seinen Aufgaben wächst, bespreche ich nun das Album »Snapshot« (moonbike.de) der Gruppe Moonbike, denn es gefällt mir sehr gut. Beats und Sounds ziehen sich wie Kaugummi, die Raps, oder wie man das bei Dub nennt, sind nicht peinlich hippiemäßig, sondern cool und spacig, und die Bässe massieren schön den Bauch durch. Zum ersten Mal im Leben erlebe ich das Gefühl, »gechillt« zu sein. Das ist ja gar nicht übel! »Random Hurray« (From Lo-Fi To Disco!) von The Spaghetti Wings ist zwar schon vor ein paar Monaten erschienen, doch nachdem mir King Kalk, der Pate des Kölner GitarrenUndergrounds, diese Hamburger Band empfohlen hat, möchte ich nun noch nachträglich mitteilen, dass dieses Album vieles vereint, das es abzufeiern gilt: einen schrägen, etwas kaputten, aber doch liebevollen Sound zwischen Lo-Fi-Beats, Psychedelic und Folk, schön naive Melodien, Retro-Charme und eine stille Größe, wie sie viele Alben haben, die aus reiner, privater Leidenschaft entstanden sind. Das Duo East Ends klingt auf seiner EP »Hat’s The Furthest Place From Here« (Homebound) wie eine komplette kleine Band zwischen Songwriter-Punk und Akustik-Emo. Eher melodisch als schrammelig und mit einem wunderbaren Gespür fürs leicht Unperfekte, spielt die Band um Songwriter Tim Becker aus Dortmund fünf melancholische Sommer-Hits runter, die wirklich jeder sofort kapiert. The Power of Einfachheit.

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#Review von Shlohmo erinnert: Wenn schon nicht wie damals, dann bitte wenigstens so auch auf Albumlänge. Von so unentschlossenen Alben wie »Unbreakable« gibt es nämlich schon genug. Jan Wehn

Here We Go Magic Be Small Secretly Canadian / Cargo

Die New Yorker zeigen auf ihrem neuen Al­ bum, dass sie von Bowie bis Folk sämtliche Spielarten beherrschen. Dass die Ergeb­ nisse manchmal unverbindlich bleiben, geht in Ordnung. Here We Go Magic – ein Bandname wie eine euphorisch gen Himmel gestreckte Faust. Die Musik dazu entsprach diesem Bild bisweilen, nach ihrem respektablen Durchbruch 2012 mit »A Different Ship« hatte man sie in der Schreibtischschublade schon selbstgefällig unter der Kategorie »vertrackter Indie-Pop« abgelegt. So kommt es etwas überraschend, dass die hippen New Yorker Burschen für »Be Small« weiter als bisher in die popkulturelle Historie zurückblicken und alles verwerten, was ihnen gerade in den Sinn kommt. »Everything is possible« könnte an ihrer Studiotüre als Motto gestanden haben. Und es funktioniert: Angefangen bei psychedelisch angehauchten Folk-Exkursen bis hin zu zurückgelehntem Pop. Glücklicherweise wirkt die Platte dabei niemals prätentiös. Echte Nähe stellen Here We Go Magic

allerdings nur an wenigen Stellen her, so etwa in »Ordinary People«, wo Sänger Luke Temple schüchtern mahnt: »I want to excuse me for my lazziness.« Eine betörende Folk-Ballade und der Höhepunkt des Albums. Kai Wichelmann

darunter der eine oder andere Gassenhauer. Und um nicht nur die Christenheit zu bedienen, ist sogar ein Chanukka-Song dabei – schließlich ist es ja eine Holiday-Party und eben nicht nur Christmas-Feierei. Wer bei diesem Programm noch mit dem Retro-Vorwurf kommt, sollte sich ohnehin besser anderen Themen zuwenden. Alle anderen dürfen sich den Schlips binden, ordentlich ihre Muskeln lockern und die Gliedmaßen schütteln. Und hoffen, dass Sharon Jones ihrem jüngst zurückgekehrten verdammten Krebs weiterhin erfolgreich die Stirn bieten kann. Claudius Grigat

Sharon Jones & The Dap-Kings It’s A Holiday Party

Kode9, der auch einen Ph.D. in Philosophie hat, widmet seine ganze Aufmerksamkeit dem verstorbenen Freund, der mit ihm noch am Vorgänger »Black Sun« gearbeitet hatte. Der Track »Third Ear Transmission«, einer der wenigen, die mit Vocals daherkommen, ist eine Art Statement zu digitaler Unsterblichkeit. Weitere Vocals sollten eigentlich auch bei »Void« einfließen. Mit dem Tod von The Spaceape entschied sich Kode9 aber, die dafür vorgesehenen Zwischenpassagen unangetastet zu lassen. Nach 13 Tracks endet die Platte mit »Nothing Lasts Forever«. Neun Minuten Stille. Neun Minuten einzig und allein für The Spaceape. Christian Schlodder

Daptone / Groove Attack / VÖ 30.10.15

What you see is what you get: eine HolidayParty in Soul und Deep Funk! »Holiday« meint in der Definition von Soul-Queen Sharon Jones nicht bloß Ferien, sondern speziell die Festsaison im Dezember, auch bekannt als Weihnachtszeit. Otis Redding hat es getan, die Drifters, Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, und auch die Supremes haben es gemacht, genauso Destiny’s Child, Dionne Warwick und auch CeeLo Green (und noch etwa 100 andere, weniger vom Soul geküsste Interpreten): »White Christmas« aufgenommen. Warum also sollte Sharon Jones das nicht ebenfalls tun? Es liegt eigentlich sogar ausgesprochen nahe, so konservativ, wie man im DaptoneUniversum drauf ist, sich auch dem klassischen Dezember-Liedgut zu widmen. Und die gospelgeschulte Ausnahmestimme macht ihre Sache gut und bringt ordentlich Schwung ins Schneegestöber. Das gelingt Mrs. Jones übrigens auch bei den zehn anderen Songs,

Kode9 Nothing Hyperdub / Cargo / VÖ 06.11.15

Musik kann manchmal so nebensächlich sein und doch so erklärend. »Nothing« ist eine Hommage an Kode9s langjährigen Begleiter The Spaceape, der 2014 seinen langen Kampf gegen den Krebs verlor. Eine musikalische Bewältigungstherapie, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Der Glasgower Dubstep-Pionier und HyperdubGründer Kode9 mischt Horror-Soundtracks, J-Pop, frühen Dubstep, Grime und klassischen Chicago House. All das baut er langsam auf, dennoch kommt die Platte mit deutlich mehr Upbeats daher, als man es von Kode9 bisher gewöhnt war. Schon der Eröffnungstrack zieht einen in einen düsteren Abwärtsstrudel voller Sub-Bässe und deutet an, dass es hier nicht mehr viel zu lachen geben wird.

Kodiak Deathbeds Kodiak Deathbeds Affairs Of The Heart / Indigo

Entspannt und ausgeglichen in den IndieFolk-Herbst: reduzierter Wohlklang von einer Mini-All-Star-Band. Hier gibt’s bei der Internetrecherche keine Verwechslungen: Die Kombination aus der Stadt in Alaska und dem Sterbebett im Namen haben Derek Fudesco und Amber Webber exklusiv. Und auch musikalisch dürfte ihr neues Projekt zumindest bei Fans ihrer anderen Bands (Pretty Girls Make Graves und The Cave Singers beziehungsweise Black Mountain und Lightning Dust) kaum zu Verwechslungen führen, denn die beiden kanadischen Indie-Haudegen haben sich

04. – 06.12.2015 SAALBACH – HINTERGLEMM

2 TAGE & NÄCHTE

ROCKEN & RODELN OPEN AIR & INDOOR

SPORTFREUNDE STILLER FETTES BROT THE SUBWAYS ROYAL REPUBLIC MOOP MAMA TURBOSTAAT JAYA THE CAT ANTILOPEN GANG EXCLUSIVE EVIL JARED DRUNKEN MASTERS DICHT & ERGREIFEND LIEDFETT TURBOBIER NIHILS LIAN THE HIRSCH EFFEKT TAKTATTACKERS HAPTIC INVADERS

www.berg-festival.com


#Review zusammengetan, um ganz neue Wege zu gehen und konsequent reduziert auf Fudescos gezupfte Gitarre und Webbers verhallte Stimme zu setzen. Die Art und Weise, wie sie ihre ganz eigene Klangfarbe in die folky sphärische Musik bringen, macht das Album aber doch zu etwas Besonderem. Fans von Damien Jurado, José González und vielleicht auch Jewel könnten hier andocken. Der ganz große melodische Wurf fehlt zwar noch, aber für die kleine Flucht aus dem Alltag taugt diese Musik auf jeden Fall. Wahrscheinlich wirklich wieder mal eine Herzensangelegenheit, die der umtriebige Hamburger Jan Schewe da für sein kleines, feines, eben auch so benanntes Label aufgetan hat. Claudius Grigat

Levantis Romantic Psychology 1 Technicolour / Ninja Tune / Rough Trade / VÖ 30.10.15

Als Actress hat sich der Engländer Darren Cunningham einen Namen für seine ex­ perimentelle Clubmusik gemacht. Nun entdeckt er unter neuem Pseudonym seine romantische Seite. Wie von Ninja Tune gewohnt, konzentriert sich auch das Sublabel Technicolour auf innovative Künstler, die Genre-Grenzen verschmelzen oder gar ganz ignorieren. Das trifft auch auf »Romantic Psychology 1« zu. Dessen kurze, oft beatfreie Stücke wirken wie versunkene Fragmente ursprünglicher Clubmusik, behutsam wieder ausgegraben, aber

noch immer von einer dicken Staubschicht bedeckt. Trotz ihrer Kürze und Rohheit erscheinen die vielseitigen Ideen als Beispiel eines kunstvoll ausgearbeiteten Sounddesigns, nicht bloß wie dahergejammte Ideenskizzen. Rauschen und Knistern sind omnipräsent und bilden den Rahmen für einen Sound, der sich anhört, als hätten sich ausrangierte Klangerzeuger auf dem Wertstoffhof noch mal selbstständig gemacht. Aus der Mitte dieser vielschichtigen Klanggebilde sind dann hin und wieder auch verträumte Melodiefitzel oder ein schleppender Beat zu vernehmen. Diese zeitgenössische Lo-Fi-Variante von Ambient entwickelt eine geradezu mystisch anmutende Ästhetik, die ihren geheimnisvollen Reiz auch bei wiederholtem Hören nicht einbüßt. Leopold Hutter

Jeffrey Lewis & Los Bolts Manhattan Rough Trade / Beggars / Indigo / VÖ 30.10.15

Das Antifolk-Aushängeschild Jeffrey Lewis wird zum Stadtneurotiker. Frank Sinatra, Woody Allen und Alicia Keys: Sie alle zollten dem Big Apple bereits Tribut. New York ist so dermaßen mythisch und popkulturell aufgeladen wie BerlinKreuzberg in spanischen Internet-Blogs. Die Stadt wird halt nicht müde, neue Geschichten und Gestalten auszuspucken. Jeffrey Lewis ist einer von ihnen und so etwas wie ein Chronist seiner Zeit: ein Beobachter, der den kruden

Randexistenzen gerne auf die Füße steigt und für den Alltag nicht etwa langweilig, sondern eine nie versiegende Quelle an Inspiration ist. Sozusagen ein Woody Allen seiner Generation, dessen Klampfe vermutlich mehr Geschichten erzählen kann, als Bastei-Lübbe Groschenromane raushaut. Seit seiner Zeit als Antifolk-Aushängeschild in den 2000ern hat er sich seine DIY-Attitüde immer bewahrt. Er zeichnet Comics, macht seine Plattencover selbst und schafft es darüber hinaus, beständig zu touren und Platten zu veröffentlichen. Sein Ding sind karge, teilweise fehlerhaft gespielte Folk-Schemata, die wie kleine Motten um seine ausufernden Monologe kreisen. Begleitet wird er von Heather Wagner (Schlagzeug) und Bassistin Caitlin Grey, die beide hin und wieder auch Wortbeiträge übernehmen (»Avenue A, Shanghai, Hollywood«). Let’s hear it for New York! Holger Wendt

Little Comets Hope Is Just A State Of Mind The Smallest Label / Soulfood / VÖ 30.10.15

Gepriesen sei der britische Indie! So schön er auch ist, so schwer ist es, sich darin abzuheben. Little Comets versuchen es mit mehr inhaltlicher Tiefe und Eigensinn. Frisch geduscht eröffnen Little Comets ihr drittes Album. Mit »Joanna« und »Jennifer« schufen sie schon 2012 die heimlichen Indie-Hymnen. Little Comets sind aber keine Teenie-Band mehr, präsentieren einen

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volleren Sound, haben ihren Happy-Pop noch mal überdacht und produzieren nun alles selbst. Das zeigt sich auch inhaltlich: Thematisiert wird das Versagen der Polizei bei häuslicher Gewalt in »Wherewithal«, die Bandentstehung in »Formula«, und »Effetism« ist ein Sinnbild für Lance Armstrongs Karriere. Nicht mehr viel übrig geblieben vom jugendlichen Leichtsinn. Wer sich auf die Themen und Melodien einlässt, darf sich auf Gänsehaut, ehrliche Kritik und lustigen Britpop freuen. Was auffällt: Auch am Songaufbau wurde gearbeitet sowie der Pointierung der Texte bis ins Unverständliche. Auf den Punkt bringt es »The Blur, The Line & The Thickest Of Onions«, eine Anspielung auf Robin Thickes Nackedei-Song: »You write about a non-existent blurred line, but not about abortion rights.« Little Comets sind über ihren Liebeskummer hinweg und stinken trotzdem noch nach Fish’n’Chips. Halleluja! Isabelle Friedrich

Little Simz A Curious Tale Of Trials + Persons Age 101 / Rough Trade / VÖ 30.10.15

Dieses Girl aus London-Islington gibt ei­ nen Fick drauf, als eine der derzeit besten weiblichen Rapperinnen zu gelten. Denn sie beansprucht für sich den Thron nicht als Queen, sondern als King. »Everybody should know that I’m king now. Women can be kings.« Vergleiche mit Nicki Minaj oder Lauryn Hill interessieren

PART 3 BERLIN ELEKTRO

DAS

HUBERTUS

FEST

AFTERSHOW:

a .k .a . jan .ehret + Oliver Rath | M ODUL ATE

BERLIN | 6.11.15 | SPREEWERKSTÄTTEN

TICKETS IM VORVERKAUF ÜBER EVENTIM 8 EURO + GEBÜHREN DAS HUBERTUSFEST | MEHR INFOS ÜBER HUBERTUSFEST.DE EINLASS 19:30 UHR | SPREEWERKSTÄTTEN, MOLKENMARKT 2, 10179 BERLIN Ich nicht, wir schon. WER, WENN NICHT WIR JÄGERMEISTER AB 18! FÜR VERANTWORTUNGSVOLLEN GENUSS.


Simbi Ajikawo nicht. Nicht als Frau und nicht als Künstlerin. Mit 21 Jahren und unter dem Künstlernamen Little Simz zählt sie RapSchwergewichte wie Kendrick Lamar und Jay-Z zu ihren Fans und lässt Major-Labels reihenweise abblitzen, um ihr Debütalbum »A Curious Tale Of Trials And Persons« in Eigenregie zu veröffentlichen. Selbstbewusstsein und Leidenschaft spiegeln nicht nur ihre Entscheidungen, sondern auch die LP konsequent wider: der von Alles-oder-nichtsAttitüde durchtränkte Opener »Persons«, das zartere, melodischere »Wings« oder auch »Graditude«, dem ein wildes Flirren aus flüsterndem Stimmengewirr und die Vocals des Duos The Hics etwas Mystisches und Mantraartiges verleihen. Little Simz klingt impulsiv, ungehalten, manchmal sogar fast etwas unüberlegt. Sie klingt bereit, Fehler zu machen, wenn es denn ihre eigenen sind. Ihre Selbstbestimmtheit gibt sie für Sicherheit jedenfalls nicht auf. Nicht als Frau und nicht als Künstlerin. Jenny Weser

Lusts Illuminations 1965 / Coop / PIAS / Rough Trade

02.11.15 Johannes oerding 13.11.15 Fettes Brot 21.11.15 Unheilig 24.11.15 santiano 27.11.15 sido 05.12.15 Mnozil Brass

Zwei britische Brüder mit dem Hang, alte Helden zu kopieren. Nein, das hier bedeu­ tet noch keine Oasis-Reunion: Das Debüt der Lusts ist vielleicht auch einfach nur die Platte, die Echo & The Bunnymen 1985 in der Schublade vergessen haben. Teenager da draußen, die ihr eine Band gründen wollt, merkt euch das: Stellt einen Filmprojektor in euer Kinderzimmer, spielt darauf Filme wie »Mulholland Drive«, »True Romance« und »Lost In Translation« ab und musiziert ein bisschen. So habt ihr noch vor dem Schulabschluss euer Debütalbum geschrieben und könnt dann gleich einen Plattenvertrag abgreifen. Na gut, vielleicht klappt das auch nur, wenn das Material so viel taugt wie bei Andy und James Stone aus dem britischen Leicester. Der Legende nach begann es bei den fanatischen DavidLynch-Fans nämlich genau so. Die Brüder bedienen sich für »Illuminations« ungerührt bei ihren Vorbildern: Den Titel ihres Debütalbums haben die beiden romantischen Schöngeister von Rimbaud geklaut, den Songtitel »Temptation« von New Order, ihren 1980erSound bei Echo & The Bunnymen. Lusts machen nichts Neues, sondern treiben sich auf bewährten Pfaden zwischen Synthie-Pop, Wave und Shoegaze herum. Insgesamt ist das nett anzuhören, in seiner Vergangenheitsverliebtheit höchstens eine Spur zu belanglos. Annette Walter

noch etwas Zeit. Dieses nächste GenreHighlight kommt aus der Schweiz: Lyvten heißt die Band, und »... sondern vom Mut, mit dem du lebst« ist ihre erste LP. Sie vereint die modernen Deutschpunk-Elemente mit schimpfendem Sprechgesang, ein paar sehr melodischen Postpunk-Gitarren und gerne auch mal einem poppigen Chor. Dazu kommt deutlich formulierte Kapitalismus-Kritik wie in dem Stück »Ventolin«. Der Song stellt schlichte Fragen wie: »Können wir überhaupt in Wirklichkeit leben? Schaffen wir das?« Dann sind da Songs über Einsamkeit trotz sozialer Netzwerke und Liebesbeziehungen, die nicht wahrhaftig sind, weil sich niemand dafür oder dagegen entscheiden kann. An Pessimismus mangelt es Lyvten nicht. Zur Beruhigung singen sie aber auch »And the flame still burns, in deiner Brust«. Wenn man vom unschönen Deutsch-Englisch-Mix mal absieht, ist das doch ein gutes Zeichen dafür, dass nicht alles verloren ist. Julia Brummert

Majical Cloudz Are You Alone? Matador / Beggars / Indigo

Wie simpel kann man werden, ohne platt zu wirken? Majical Clouds wollen es mit ihrem dritten Album herausfinden und schießen weit, weit übers Ziel hinaus. Ein Augenzwinkern bitte. Bitte, bitte, fleht man schon nach wenigen Minuten. Doch leider bleibt die Hoffnung auf irgendeine Brechung der Einfachheit und Ehrlichkeit, mit der die Kanadier Devon Welsh und Matthew Otto ihre Musik auch auf ihrem neuen Album präsentieren, unerfüllt. Die beiden sind für ihre intensiven, emotionalen Live-Auftritte bekannt, für die Atmosphäre, die sie mit ihrer Direktheit aus simplen Akkorden und amateurhaftem Gesang erzeugen können. Das ist Konzept, das ist Kunst, das ist ihr Markenzeichen, schon klar. Doch nimmt man einmal die ganze Attitüde weg, nimmt man das Ganze hier »at face value«, bleibt eine unglaubliche Unbedarftheit und Dümmlichkeit übrig, die auf Dauer nur schwer zu ertragen ist: textliche Plattitüden, die billigsten Reime, Allgemeinplätze und eine musikalische Unbeweglichkeit, die schon an Arbeitsverweigerung grenzt. Es gibt so eine bestimmte Gattung an niedlichen Indie-Filmen, die anders und ehrlicher über Liebe, Leben und Leiden reden wollen als Hollywood, doch nur Klischees reproduzieren und so alles nur noch schlimmer machen. Die Majical Cloudz würden wohl den besten Soundtrack dafür liefern. Henje Richter

13.12.15 KatzenJaMMer 23.01.16 KraFtKlUB 27.02.16 Joe BonaMassa 12.03.16 revolverheld 19.03.16 K.i.z unter tickets an allen bekannten vorverkaufsstellen, 144 der tickethotline 0591 912950 oder 0591 9144a.com daren mslan und auf www.e

weitere veranstaltungen unter:

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Lyvten ... sondern vom Mut, mit dem du lebst

Maritime Magnetic Bodies / Maps Of Bones

Twisted Chords / Broken Silence

Grand Hotel Van Cleef / Indigo

Lyvten schimpfen nicht einfach nur stumpf rum. Nein, sie haben manchmal auch erhebende Chöre. Und Melodien! Immer, wenn du denkst, jetzt sei es aber auch mal gut mit tollen deutschsprachigen Platten aus der Großfamilie Punk, kommt gleich noch eine daher. 2015 ist ein Traumjahr für dieses Genre, und es ist ja sogar

Maritime begreifen Stehenbleiben als Chance. Oder, um es sozialdemokratisch auszudrücken: Die US-Indie-Band macht nicht alles anders, aber vieles besser. Vielleicht kann man Bands durchspielen wie ein Computer-Game, bei dem irgendwann einfach keine Level mehr übrig sind. Demnach wäre The Promise Rings Album


IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK

Indie zieht weiter hochklassig seine Kreise: Folkrock, Lo-Fi, Postrock, Psych, Postcore. Um am Ende beim Film zu landen. Da gehört er auch hin!

Schon die LPs seiner Band Arbouretum haben wir uneingeschränkt gefeiert, Ähnliches ist auch im Fall von Dave Heumanns Soloalbum »Here In The Deep« (Thrill Jockey) angebracht. Denn die Würde und Grandezza, die er seinem Folkrock angedeihen lässt, schaffen wirklich nur ganz wenige. Die neue Platte ist dafür wieder ein sehr guter Beweis, auch wenn er sich darauf aus den Untiefen seiner E-GitarrenArrangements ein wenig herauslöst und etwas vielseitiger, verspielter und unverstärkter agiert. Freunde von Wye Oak und den Lower Dens haben ihm dabei geholfen, PJ Harveys John Parish hat produziert. Hört man, passt sehr gut.

Promised Land Sound sind dagegen deutlich jünger, klingen aber noch älter. »For Use And Delight« (Hardly Art) führt Folkrock tief in Psych und Delta-Blues der 1970er, der verstärkte Dylan scheint durch, aber auch die Byrds und das Geschichtsbewusstsein des in Nashville sicher nicht weit weg wohnenden Jack White. Vor allem aber klingt das enorm stimmungsvoll und überzeugend, nie rein altbacken, sondern immer mit beeindruckend frischen Arrangements. Dass diese Typen Anfang 20 sein sollen, ist kaum zu glauben. Mit Saintseneca und ihrem dritten Album »Such Things« (Anti-) geht es in deutlich poppigere und spielerischere Gefilde: Lo-Fi-Folk, der sich im Laufe der Platte immer mehr in Richtung Indie-Pop entwickelt. Besonders gut ist das, wenn die Band aus dem ländlichen Ohio entweder total euphorisch oder total zurückgenommen klingt – geradeheraus perlenden Indie-Pop können andere besser. Zum Glück wissen Saintseneca sich ihrer Stärken zu besinnen. In puncto Euphorie muss man sich um den Sun Club auf seinem Album »The Dongo Durango« (ATO) keine Sorgen machen – davon hat die Band mehr als genug. Teilweise klingt dieses Debüt wie eine rhythmisch über sich selbst stolpernde Version der sehr frühen Clap Your Hands Say Yeah mit einem rumpelnden Arcade-Fire-Einschlag. Teilweise ist das ein bisschen zu viel des instrumentalen Überschwangs. Wenn sich die Band aber etwas konzentriert und einen saubereren Sound angedeihen lässt, könnte daraus viel werden. Die Kreativität ist ja da. Joan Of Arc, American Football, Owen – die Chicagoer Gebrüder Kinsella sind es wert, ihren massiven, unübersichtlichen Output immer wieder hervorzuheben. Nun ist es an Bruder Nate, mit seinem Projekt Birthmark und dem Album »How You Look When You’re Falling Down« (Polyvinyl) wieder eine neue Spitze zu setzen. Wie schon auf den vorangegangenen Birthmark-Veröffentlichungen fällt der Postrock auch hier eine Spur elektronischer, vollmundiger und treibender aus – die für alle

Brüder typische filigrane Dynamik hört man ebenfalls raus. Stellenweise erinnert das auch gesanglich an Sam Prekop und seine späten The Sea And Cake. Auf jeden Fall wieder großartig, und ich werde sicher nicht müde, das weiter zu betonen.

Noch zurückhaltender und zarter ist nur »Friend« (Lost Map), das dritte Album der aus Bristol stammenden Songwriterin Rozi Plain. Ihre zehn Songs verharren nicht in alten Mustern, sondern sind facettenreich und farbenfroh instrumentiert, sowohl elektrisch als auch akustisch unverstärkt. Passend dazu lässt Plain den Stücken mit ihrer zurückhaltenden Stimme jeden Raum, um die schönsten Blüten zu werfen. Gerade im Folk-Pop-Genre weit über dem Durchschnitt. Selbst diejenigen, die Psychedelic-Rock für ein ziemlich eindimensionales und ausgelatschtes Genre halten, sollten bei »Horse Dance« (Rocket) von Josefin Öhrn + The Liberation genauer hinhören, denn die Schweden schaffen es auf diesem Debütalbum, filigrane Dichte, Extravaganzen und kosmische Rock’n’RollWelten zu verbinden und dem Stil somit lohnenswerte neue Facetten hinzuzufügen. Ganz so, als hätten Broadcast ihre Gitarrenverzerrer wiedergefunden und an den genau richtigen Stellen durchgetreten.

Cat Power

04.11.15 Berlin, Columbia Theater

Scott Matthews + Andy Brown

06.11.15 K, Wohngemeinschaft 07.11.15 HH, Nochtspeicher 08.11.15 Berlin, Grüner Salon

Ryan O´Reilly 09.11.15 10.11.15 11.11.15 12.11.15 14.11.15

Dresden, Ostpol Ulm, Roxy Freiburg, Schmitz Katze Frankfurt, Ponyhofclub Mainz, Schon Schön

Built To Spill 11.11.15 13.11.15 15.11.15 16.11.15

Heidelberg, Karlstorbhf. Köln, Gebäude 9 Berlin, Bi Nuu München, Ampere

Ariel Pink

13.11.15 Hamburg, Knust 20.11.15 Heidelberg, Karlstorbhf.

Editors

02.11.15 Köln 08.11.15 Hamburg 09.11.15 Berlin 10.11.15 Offenbach 12.11.15 München

The Thurston Moore Band 18.11.15 Berlin, Postbahnhof

Swervedriver

18.11.15 Hamburg, Knust 19.11.15 Köln, Gebäude 9

Ought

18.11.15 B, Kantine am Berghain 20.11.15 HH, Nochtspeicher 21.11.15 Offenbach, Hafen 2

Joanna Newsom 05.11.15 Berlin 06.11.15 Köln

The Wooden Sky + Monk Parker 20.11.15 22.11.15 23.11.15 24.11.15 25.11.15

Köln, Blue Shell Hamburg, Prinzenbar Berlin, Privatclub Leipzig, Täubchenthal Dresden, Beatpol

José González

21.11.15 Münster, Jovel

Alex Vargas

22.11.15 Köln, Artheater 23.11.15 B, Kantine am Berghain 24.11.15 Heidelberg, Karlstorbhf.

Birdpen

feat. Dave Pen from Archive

15.11.15 - 30.11.15 Köln / Hamburg Berlin / Wiesbaden Dresden / München Heidelberg

Kwabs

Zurück zu krachenden Gitarren: An Sleep Kits Debütalbum »II« (Big Scary Monsters) überrascht zunächst mal, dass die Band nicht in den Core-Hochburgen der USA, sondern in Maastricht und Köln zu Hause ist, denn die Postcore-Stücke des Albums sind nicht nur durchweg hochklassig geschrieben, sondern auch enorm vielseitig. Eingängige Songs wie von Samiam treffen auf vertrackten Indie-Rock à la Built To Spill und etwas härtere, konzentriert produzierte Verwüstungen, die sogar an die letzten Touché-Amoré-Veröffentlichungen erinnern. Der Gesang ist, egal ob sacht oder hart, äußerst melodisch und setzt das i-Tüpfelchen auf eine Platte, die auch interkontinentale Vergleiche nicht zu scheuen braucht.

23.11.15 Berlin, Huxleys

Abschließend noch etwas Kleines, Modernes: Das internationale Nordamerika-Duo Unalaska legt mit seiner selbstbetitelten EP (Light Organ) ein Dub-Pop-Debüt vor, das Großes erhoffen lässt. Crispy Rhythmen treffen auf sehr lautmalerische Synthie-Flächen und mal ausdrucksstarke, mal verhuschte Melodien. Das wirkt noch wenig stilsicher, das Potenzial tropft aber aus jeder Pore. Und auch die Gründungsgeschichte der Band kann was: Die beiden Musiker lernten sich als gecastete MusikerDarsteller für Szenen eines Vampir-Streifens kennen und erlebten ihr Live-Debüt quasi ohne eigene Songs, dafür aber vor laufender FilmKamera. Völlig klar: Das ist der Stoff, aus dem Mythen gestrickt werden.

Kate Boy + Liam X

Calexico

02.11.15 Frankfurt 10.11.15 Leipzig 18.11.15 Dortmund 19.11.15 Berlin

The Internet

30.11.15 Berlin, Musik & Frieden 01.12.15 München, Orangehouse

Honne

02.12.15 Köln, Gebäude 9 05.12.15 Offenbach, Hafen 2

Albert Hammond Jr.

Peaches

09.12.15 Berlin 10.12.15 Hamburg 12.12.15 München 13.12.15 Frankfurt

03.12.15 HH, Nochtspeicher 04.12.15 Berlin, Lido

Barbarossa

04.12.15 München, Milla 05.12.15 Köln, Yuca (CBE)

06.12.15 Köln, Artheater 07.12.15 B, Kantine am Berghain 08.12.15 Hamburg, Häkken

Deichkind

Benjamin Clementine

10.12.15 Köln 12.12.15 Hamburg 14.12.15 Frankfurt 15.12.15 Berlin

28.01.16 Essenm Grugahalle 12.02.16 Köln, Lanxess Arena

Tindersticks

13. & 14.02.16 Berlin, Volksbühne 11.03.16 München, Kammerspiele 12.03.16 Stuttgart, Im Wizemann 13.03.16 Köln, Gloria 14.03.16 HH, Kampnagel K6

The Tallest Man On Earth 16.02.16 München, Muffathalle

Caravan Palace 03.02.16 Köln 04.02.16 München 06.02.16 Hamburg 07.02.16 Berlin

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»Wood/Water« von 2002 der Endboss: Bravourös bestanden, Band am Ende. Mit dem Label Emo, das sowieso niemand mag, hatte das zum Schluss nichts mehr zu tun, vielmehr mit herzlichem, an Singer/Songwriter orientiertem Gitarren-Pop. Aus den innig geliebten Promise Ring wurden die eher wohlwollend aufgenommenen Maritime. Das soll kein Diss sein: Der Output von Maritime ist von verlässlicherer Qualität, als es die jeweiligen Diskografien der Ur-Bands waren. (Außer The Promise Ring stecken auch The Dismemberment Plan in ihrem Erbmaterial.) »Magnetic Bodies / Maps Of Bones« ist das mittlerweile fünfte Album in einer Reihe ohne Ausfälle. Der ganz große Ausreißer nach oben fehlt allerdings weiterhin, auch die aktuelle Platte verschiebt die Durchschnittswertung des Gesamtwerks nur irgendwo in den Nachkommastellen nach oben. Wieder gibt es: viel Midtempo, erinnernswerte Songs, Davey von Bohlens Gelispel. Natürlich muss es daneben auch die Unzufriedenen und Wütenden in der Rockmusik geben, aber Maritimes Musik für (meist) elektrische Gitarren, die komplett mit sich im Reinen scheint, stellt ein überzeugendes Plädoyer für Reife dar und steht ihnen immer besser. Michael Weiland

Maserati Rehumanizer Temporary Residence / Cargo / VÖ 30.10.15

Postrock und Gesang? Zumindest für Maserati eine Neue­ rung. Darüber hinaus liefern sie aber die bewährte Schnitt­ menge aus verschiedenen psychedelisch-experimentellen Rock-Verschnitten ab, die Genrefans wie Öl runtergeht. Oft ist der Verlust eines Mitglieds ein gravierender emotionaler Einschnitt im Bandgefüge. Nach dem Tod von Schlagzeuger Jerry Fuchs im Jahr 2009 und dem posthumen TributeAlbum »Pyramid Of The Sun« 2010 befindet sich die Band aus Georgia mit Schlagzeuger Mike Albanese mittlerweile wieder auf der Überholspur in der Postrock-Nische. Und es ist eine sehr breite Schnellstraße, die das Quartett mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und einer großen Menge an Effekten, Verzerrern und nicht zuletzt auch Synthesizern hinunterbrettert. Krautrock, Classic Rock und Synthie-Pop fliegen in gezielter Dosierung vorbei. Aus dem langsamen, in Dutzende Geräusche eingebetteten Opener »No Cave« wandelt sich ein Synthesizer-Experiment hin zum androgynen Rock-Brett (»Living Cell«), streift zwischendurch kühle Filmscores von Jan Hammer und bärtige Rockposen der Hipster-Neuzeit. Und dann schlagen zwei monotone Gesänge ein neues Kapitel auf: Innovation statt Rekonstruktion. Dieses Postrock-Ding bleibt ein musikalischer Sonderling, den Maserati bis hin zur Perfektion dressiert haben. Klaas Tigchelaar

Naytronix Mister Divine City Slang / Universal

Das tUnE-yArDs-Mitglied Nate Brenner geht nun seiner eigenen afrofuturischen Pop-Weirdo-Funk-Wege. Sein Debüt erweist sich als Ideen-Tsunami. Dass man von Naytronix keine Kaffeehausmusik erwarten darf, ist klar, schließlich steht Nate Brenner dem wahnwitzigen Projekt tUnE-yArDs mit Bass und Tat zur Seite. Auf seinem Soloalbum greift der Multiinstrumentalist auch zum Mikro und wird dabei von befreundeten Musikern unterstützt, wobei der Bass eine zentrale Rolle spielt: Er bildet ein Fundament für den afroesken und angepsychten 1970er-Funk, der immer wieder mit zeitgenössischen Elementen wie Drum’n’Bass-Intermezzi, flimmernden Hi-Hats oder Sci-Fi-Sounds aus dem Synthie angereichert wird. Lässige Grooves lassen das Hinterteil wackeln, während gepflegte Weirdness sich breitmacht. In seiner Heimat schon als »Bootsy Collins von Oakland« gefeiert, lässt sich Brenner nicht so einfach festlegen: Synthies schießen aus allen Rohren, chillwavig kommt schnell die Erholung. Gleichzeitig zeigt er sich als ausgefuchster Songwriter. Eine Platte wie ein Ideen-Tsunami. Irgendwie retro und doch futuristisch, auf jeden Fall ziemlich geil. Konstantin Maier

Neon Indian Vega Intl. Night School Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

Neon Indian klingt, als hätte sich die Shuffle-Funktion seines Laptops verselbständigt. Während aber auf früheren Alben häufig ein Konzept fehlte, erkennt man auf »Vega Intl. Night School« eine klare Linie. Ich packe meinen Koffer und nehme mit: Synthesizer und Sequenzer, den Laptop und den überaus musikalischen Bruder. So mag es gewesen sein, als sich Alan Palomo alias Neon Indian für die Reise auf die Bahamas rüstete. In einer Kabine des Kreuzfahrtschiffes, das die beiden Palomos auf die karibische Insel bringen sollte, richteten sie sich provisorisch ein Studio ein. Dort entstand in der ausgelassenen Atmosphäre von alberner Club-Animation und bunten Cocktails das neue Album. Schon dessen Tracklist liest sich wie das Unterhaltungsprogramm auf der AIDAdiva: »Hit Parade«, »The Glitzy Hive«, »Techno Clique«, »C’Est La Vie«. »Vega Intl. Night School« ist das bisher am präzisesten ausgearbeitete Album des Texaners. Es vereint den glitzernden DanceSound früherer Veröffentlichungen mit einer Lo-Fi-Attitüde, die dem Album ein wenig von dem Druck nimmt, der sich auf den bisherigen Platten zum Nachteil ausgewirkt hatte. Übereinandergelegte Spinett-Spuren, bewusst eingestreute Disharmonien und Palomos Falsett-Gesang schillern zwar noch immer in aufdringlichen Neon-Farben, klingen jedoch überlegter und deutlich gedämpfter. Nadja Neqqache

New Order Music Complete Mute / GoodToGo

Auch ohne Peter Hook gelingt es New Order, im alten Glanz zu erstrahlen. Neue Horizonte zu erschließen scheint hin­ gegen nicht mehr auf ihrer Agenda zu stehen. Jede Band hat ihre Zeit – und die von New Order ist natürlich schon lange vorbei. Wem es einst gelang, nach dem tragischen Ende Joy Divisions aus dieser dunkelsten und prägendsten Band der Musikgeschichte hervorzugehen und plötzlich mit einem auf Euphorie und Bewegung setzenden Stil ein noch größeres Publikum zu erreichen, wird danach nie wieder so hell scheinen, wie New Order es in ihren ersten Jahren taten. Doch obwohl sie seitdem aktiv ihr Erbe verwalten, waren sie immer für eine Überraschung gut – zum Beispiel 2001, als sie sich mit »Get Ready« mal eben als Gitarrenband neu erfanden. An ihrem ersten Studioalbum seit zehn Jahren überrascht zuerst einmal, dass es überhaupt existiert. Peter Hook verließ bekanntlich wutschnaubend die Band, dafür ist Gründungsmitglied Gillian Gilbert wieder dabei, plus Phil Cunningham am Keyboard und Tom Chapman am Bass. Der leistete bei der Single »Restless« gleich mal Erstaunliches: Man realisiert erst am Ende des Songs, dass Hooks wundervoller Bassklang fehlt, obwohl dieses Instrument in der sehr klassisch klingenden Nummer durchaus präsent ist. Hook wird vermutlich geschnaubt haben, als er das hörte. Es sind vor allem die Songs auf »Music Complete«, die eher auf die spätere Bandphase verweisen, die am Ende ein wohliges Gefühl zwischen Nostalgie und Euphorie auslösen. »Restless« eben, dazu »Academic«, das wieder einen dieser Breite-deine-Arme-aus-und-schau-ins-Licht-Refrains parat hat, oder »Nothing But A Fool«, in dem Sumners Stimme nach und nach mit einem wehmütigen Background-Chor verschmilzt. Allerdings ist der Band der Tanzfaktor leider wichtiger, man wollte wieder elektronischer werden. Tja, und dadurch ist das Ergebnis durchwachsen. Bei »Tutti Frutti« möchte man nach dem schlimmen Sample in den ersten Sekunden vor Scham im Erdboden versinken, »People On The Highline« ist zwar funky Gedengel, aber wie monoton Sumner hier die Strophen singt – das nagt schon am Nervenkostüm. Aber wir wollen nicht unfair sein: Im Rausschmeißer »Superheated« sind New Order dann wieder ganz groß und melancholisch und tanzbar und elektronisch und euphorisch


#Review und alles zugleich, in »Unlearn The Hatred« ebenso. So wird dieses Album am Ende wohl genau das schaffen, was es wollte: die alten Schäfchen einfangen und sie noch mal in Bewegung versetzen, während man sich gemeinsam auf die Strahlkraft der gemeinsamen frühen Jahre besinnt. Ob New Order jenseits davon noch neue Hörerschichten erschließen können, darf indes bezweifelt werden. Daniel Koch

President Bongo Serengeti Albumlabel / Morr / Indigo

John Newman Revolve Island / Universal

»Blame it on the night« oder Calvin Harris: John Newman ist im Olymp des überstrahlten Disco-Pop angekommen. Tür zu, Schlüssel wegschmeißen. Würde man sein Urteil stets der Masse anpassen, hätte John Newman angesichts seiner Streaming-Zahlen mehrere Gründe zu frohlocken: 270 Millionen Mal wurde »Blame« in winzige Bits zerhackt durchs Netz gejagt, die Hit-Single »Love Again« war bereits seine dritte Nummer-eins-Platzierung in den UK-Charts. Bemerkenswert, aber: Masse interessiert mich nun mal nicht, Newmans neues Album »Revolve« hingegen schon: Sein epischer Einstieg mit schmetternder Rede à la Namensvetter Kennedy verspricht früh großes Kino. Danach fetzt sich Newman Herz und Lunge raus, »All My Heart« ist wie ein Hochdruckreiniger ins Gesicht: zu viel, zu doll, nicht schön. »Can’t give you enough, can’t give you enough« – doch, kannst du schon. Aber Newman drückt weiter das Gaspedal durch. Auf »Revolve« knallt er alles auf den Tisch, was sich seit seinem letzten Album im Beats-Vorratsschrank angesammelt hat, und feiert eine rauschende Fressorgie. Damit klingt er so innovativ wie DJ Bobo. Nichts vom wohlig verzerrten Bass-Charme wie bei »Love Again«, der genialen Rudimental-Kollaboration. Wer sich in verschwitztem Netzhemd zu immer gleichen DiscoBeats und von Trompeten befeuerten Chören die Seele aus dem Leib krächzen will, findet hier sein Schlaraffenland. Alle anderen dürften es mit dem Sinnspruch zu Beginn des Albums halten: »It is human nature to rebuild, to replace, to try again.« Niemand hält dich auf, Junge. Carlotta Eisele

Oiro Meteoriten der großen Idee Flight 13 / Broken Silence / VÖ 30.10.15

Die Alleskönner aus Düsseldorf berufen sich auf ihren Kern-Sound und verkennen, dass jener längst vom Zeit­ geist zu Schanden geritten wurde. Oiro waren in den 2000ern paar Jahre lang die Allerkrassesten. Das lose Punk-Kollektiv aus Düsseldorf rund um die Kreativzelle des Magazins Blurr und die Tankstelle Brause hatte sich in langer Privatschule mit dem Werk von Jens Rachut (Oma Hans, Dackelblut, Alte Sau etc.) auseinandergesetzt. Die Big Styler erstaunten daraufhin die Subkulturfachwelt mit einer inspirierten Version jenes bellenden Gesangs und Texten zwischen superkunstvoll und »Fick dich!«. Erste Single: »Oi Spießer, gib mal Feuer, damit ich dich anzünden kann«. Knaller. Doch danach gelang ihnen der noch größere Coup: Aus diesem lässig hingeschmissenen Gag mit dem ultimativen Quatschnamen Oiro etablierten sie eine richtige Band. Mit Alben, Tourneen, Fans, Saufen und allem. 2015 aber hat die Zeit sie überholt, ihr kläffender Punksound wurde via Turbostaat auch in ungeile Proberäume getragen, Dutzende Bands wie Marathonmann oder Adam Angst haben ihn längst der Entfremdung beraubt und etwas Männerbündisches hinzugefügt. Oiro reagierten in ihrer Single-Reihe auch darauf und machten crazy Abwege auf, die 15 Stücke von »Meteoriten der großen Idee« sind aber fast durchweg eine Neuauflage ihres Trademark-Sounds, der mittlerweile eben nicht mehr nur für Geilness steht. Paar gute Songs und gute Momente sind auf jeden Fall drauf, aber in der Form kann es meiner bescheidenen Meinung nach nicht weitergehen – sonst ist hier bald Fade-out. Und das wäre allzu schade. Linus Volkmann

Echos, Verzerrungen, Delays: GusGus-Mitglied Stephan Stephenson alias President Bongo lädt auf seinem ersten Soloalbum zu einer Electro-experimentellen Odyssee ein. Vom Maschinenraum raus in den fiebrigen Sound-Dschungel: Stephan Stephenson, Mitglied des so innovativen isländischen Elektronik-Kollektivs GusGus, lässt es auf seinem ersten Soloalbum »Serengeti« gewaltig knirschen, quietschen und fiepen. Irre dahinwabernde Streicher treffen auf sentimentales Akkordeon und krächzendes Gitarrengrollen. Das allein wirkt schon ereignisreich, ist jedoch nur die Ouvertüre für die epochalen, undurchsichtigen 16- und 13-Minüter »Greco« und »Tramontana«, mit denen der selbst ernannte »emotional carpenter« seinen Hörern den Verstand raubt. Die wie mit einem Defibrillator unter Strom gesetzten Stücke wummern und zischeln in einer solch spannungsgeladenen ClubsoundGleichmäßigkeit dahin, dass jedes melodische Ausbrechen aus dieser klaustrophobisch brummenden, dunklen Klangwolke am Streicherhimmel Hoffnung auf einen explosiven Ausweg aus dieser Schallwildnis schürt. Und am Ende weiß man nicht einmal, ob diese Hoffnung berechtigt war. Daniel Voigt

Princess Century Progress Paper Bag / Rough Trade

Nach Alben mit Austra und Trust tanzt die kanadische Musikerin und Produzentin Maya Postepski mit ihrem neuen instrumentalen Synthie-Pop-Werk »Progress« als Princess Century auf Solopfaden. Einmal noch in Erinnerungen schwelgen: Würde man zu Princess Centurys neuem Soloalbum alte Familien-Super8-Filme aus dem Regal räumen, »Progress« wäre mit seinen sphärisch-wehmütigen Melodien der beste Soundtrack für die alten Zeiten. Ein seichtes Auf und Ab durchzieht die neun instrumentalen Tracks, bei denen die kanadische Musikerin mit Synthie-Beats Pingpong spielt. Ob schrill, verzerrt, dumpf, dramatisch oder metallisch – die Melodien verändern stetig ihre Klangfarbe und gleiten doch gleichmäßig wummernd durch die elegischen Sphären. Hier und da raschelt und zischt es, dort bellt ein Hund und heult eine Sirene. In »Tokyo Handy« und »Sheugnessy« scheinen kurzzeitig mal so etwas wie afrikanische Percussion-Rhythmen durch, doch schnell wickelt die sich am Horizont emporhebende, verträumt-vertrackte, schwelgerische Wehmut aus »Sunscream«, »Sunrise 101-Last Disco« und »Fata Morgana« den Hörer wieder um den Finger. Daniel Voigt

Pure Bathing Culture Pray For Rain Memphis Industries / Indigo

Pure Bathing Culture scheinen ein Faible für Wasser zu haben: Nach dem Wellness-Bandnamen kommt nun die biblische Regentaufe inklusive erfolgreicher stilistischer Erneuerungs-Kur. Dem Wolkenwasser wohnen ja sowohl in literarischer als auch religiöser Deutung diverse Funktionen inne: Zum einen wäscht der Regen den Schmutz und das Gestrige fort, zum anderen wird er als fruchtbarer Heils- und Nahrungsbringer herbeigesehnt. Dass Sarah Versprille und Daniel Hindman dafür schon zum Gebet greifen, ist erst mal unverständlich. Ihr Debüt »Moon Tides« wurde 2013 mit seinem Dream-Pop- und

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#Review

THE SHELTERING SKY OUT NOW! INDUSTRIAL DOOM BLUES AUS SCHWEDEN Ein Mix aus NICK CAVE, NINE INCH NAILS und JOHNNY CASH

Folk-Mischmasch zu Recht in den Himmel gelobt. Dass das Duo diesen Sound und damit sich selbst einer Reinwaschung unterzieht, ist deshalb ein wenig verwunderlich. Der Folk wurde fast restlos eliminiert, an dessen Stelle treten häufiger Referenzen an 1980er-Pop. Ganz so, als hätten Beach House für ihr letztes Album nicht den Shoegaze wiederentdeckt, sondern funky Basslinien (die Ohrwurm-Single »Palest Pearl«) und TweePop-Gitarren (»She Shakes«). Selbst kurze Eskapaden aus eher schnödem EuphoriePop stoßen bei den Badewannen-Fans nicht sauer auf, was vor allem Versprilles homogenisierendem Gesang zu verdanken ist. Schon Heraklit stellte anno dazumal fest, man könne niemals in denselben Fluss steigen. Glück für uns, dass dieser nach wie vor mitreißend ist. Marius Wurth

Radare Im Argen Golden Antenna / Broken Silence

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Indie-Rock. Das macht »All We Need« natürlich nicht ganz leicht zu konsumieren: Es fällt schwer, einen roten Faden oder auch nur inhaltliche Tendenzen zu finden. Negativ ins Gewicht fällt das aber nicht, »All We Need« ist ein Album, dessen Substanz mit einer gewissen Leichtigkeit einhergeht, das sehr viel anbietet, ohne dass sich der Hörer groß darum bemühen müsste. Man hört es am besten, indem man ihm offen gegenübertritt und sich faszinieren lässt. Es hilft auf jeden Fall, sich Raurys Verehrung für seinen Stadtmitbewohner André 3000 bewusst zu machen, in Sachen Stilempfinden, Talent und Offenheit steht er dem Ex-OutKast-Musiker nämlich in nichts nach. Wenn es Raury nun auch noch gelingt, Andrés Händchen für HitSongwriting nachzueifern, sind seine Karriereaussichten rosarot. Christian Steinbrink

RDGLDGRN LP2

Vergleiche zu Bohren und Badalamenti sind zwar gestattet, erfassen aber keines­ falls das gesamte Potenzial dieser Band und ihrer eigenständigen Musik. Radare sind ein Quartett aus Wiesbaden, dessen Musik gern in Zusammenhang mit der atmosphärischen Schwere und Langsamkeit von Bohren & Der Club Of Gore oder David Lynchs Hauskomponisten Angelo Badalamenti gebracht wird. Kritiker bezeichneten die Band in der Vergangenheit als unerträglich düster und todessehnsüchtig. Das mag auf ihre früheren Alben zutreffen, »Im Argen« besticht aber eher durch stilvolle jazzige Musik, die durch ihren Minimalismus und ihre Langsamkeit etwas sehr Eindringliches bekommt. Rhodes, Besen-Schlagzeug, Gitarren mit viel Tremolo und stoische (Synthie-) Bässe sorgen für ein melancholisches Grundgerüst, das zusammen mit elegischen, melodiösen Klarinetten- und Posaunen-Passagen eine sehr stimmungsvolle Musik ergibt, die aber immer wieder auch entspannt und warm wirken kann. Einflüsse von Psychedelic über 1990er-Postrock bis hin zu den ruhigen Momenten von Robert Wyatt lassen »Im Argen« endgültig zu einer Besonderheit im Genre des theatralischen Heavy Listenings werden. Andreas Brüning

Virgin / Universal

Raury All We Need

Rival Consoles Howl

Columbia / Sony

Erased Tapes / Indigo

Das »BBC Sound Of 2015«-Label lastete offenbar schwer auf ihm. Aber mit diesem verspätet erschienenen Debütalbum wird Raury allen hohen Erwartungen gerecht. Genre-Grenzen können nur jene Künstler überwinden, die ursprünglich in einem bestimmten Stil beheimatet waren. Dementsprechend entfällt für den jungen US-Musiker Raury diese Entwicklungsoption, denn er gehört zu der raren Spezies derer, denen man beim besten Willen kein ursprüngliches Label-Genre überstülpen kann. Der Beweis dafür ist sein Debütalbum »All We Need«, das jetzt, fast ein Jahr nach seiner Krönung als »Sound Of 2015«-Artist durch die BBC, erscheint. Und die 14 Tracks dieser Platte enthalten alles: HipHop und R’n’B, Pop und Folk, Soul und Electro, sogar Ansätze von

Organisch-technoide Düsternis und ein Schreien aus verzerrten Gitarren: Rival Consoles’ drittes Album ist eine bedrohlich pochende Mensch-Maschine. Dass Erased Tapes nicht nur die Heimat von Schönklanglern wie Ólafur Arnalds, Nils Frahm oder Peter Broderick ist, vergisst man leider viel zu leicht. Zur Not muss eben Ryan Lee West daran erinnern, schließlich war er als Aparatec das erste Signing des Labels. Seine neun neuen Stücke unter dem Alter Ego Rival Consoles sind zwar auch an Gitarre und Klavier entstanden, viel ist von der klassischen Instrumentierung aber nicht übrig geblieben. Das bedeutet nicht, dass »Howl« nicht organisch klänge: Man erahnt die Ursprünge, die West durch Verfremdung umcodiert hat. Der Songwriting-Prozess und der Mensch an der

13.10.15 12:41

RPRCKPP von RDGLDGRN: Die zweite LP der Band will gerne ganz viel sein, kann sich aber nicht so richtig entscheiden. Reston in Virginia ist ein Ort, der eher für spektakulären Hardcore bekannt ist als für Rap. Es passt aber zur Attitüde von RDGLDGRN (sprich: Red Gold Green), dass ihnen das egal ist. Immerhin brauchen sie auch keine Vokale für ihren Bandnamen und machen sich auch nichts aus der Tatsache, dass sie mit Pharrell gearbeitet haben und Dave Grohl für sie trommelte. Ist eben passiert, war eh bloß Zufall, Grohl saß halt im Studio ein paar Türen weiter und hatte Lust. Wichtig ist nur die Musik, nicht die Typen dahinter. Die tut niemandem weh und wird mit Sicherheit auf Partys und im Radio auf breites Interesse stoßen. Hörer mit Interesse an der Weiterentwicklung von Rap wird »LP2« hingegen kaum hinterm Ofen hervorlocken. Das Album ist tight produziert und zweifellos catchy, kann sich aber zwischen Rap, Pop und sogar auch Rock nicht so richtig entscheiden. Es ist kein faszinierender Hybrid dieser Stile, sondern schlicht keine der drei Genre-Optionen so richtig. Etwas mehr Richtung und Stringenz hätte hier helfen können. Kristof Beuthner


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MARSIMOTO

FENSTER ZUM HOF MIT BASTIAN KÜLLENBERG

Zusammen ist doch meistens besser als allein. Einige mehr oder weniger offen­ sichtliche Kollaborationen bilden daher den Kern der aktuellen Groove-Kolumne.

1991 mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland ausgewandert und seit rund zehn Jahren im Rapgame: Fard hat es bereits zweimal in die Top 5 der deutschen Albumcharts geschafft und visiert jetzt mit Anfang 30 endgültig die Spitze an. Über 800.000 FacebookFreunde legen die Vermutung nahe, dass es mit »Ego« (Code Rogue) und der eins klappen könnte. Warum so viele Zahlenspiele? Weil sich der Ruhrgebiets-Rapper mit seinem neuen Album in jener Szene bewegt, wo die Statistiken entscheidend für das Selbstbewusstsein sind. Thematisch und musikalisch bewegt sich Fard, der sich bereits im Opener einen »Mittelfinger auf dem Grabstein« wünscht, irgendwo im Grenzbereich zwischen Olexesh und MoTrip. Schon nachdenklich, aber mit Rücken, SynthieFlächen und Basswalze. Teilweise richtig gut, aber ob wirklich 24 Tracks nötig waren?

Auch »Yo, Picasso« (WSP) hätte sich ein paar Titel sparen können. »Kann nicht reden, ich esse« zum Beispiel fällt eindeutig in die Kategorie »Das Gegenteil von gut ist gut gemeint«. Über weite Strecken jedoch ist das gemeinsame Album von Fatoni und Dexter einer der interessantesten Beiträge in Sachen Deutschrap 2015. Dass Dexter fein produzieren kann, weiß man ja schon länger. Und so sind auch hier die Beats von Jazz-Piano und sanften Flöten durchzogen, ohne altmodisch zu klingen. Fatoni erhält damit das beste denkbare SoundBett für seine von klassischen Wortspielereien geprägten Texte über den Zustand der Szene, das Universum und den ganzen Rest. Wer sich bei Audio88 & Yassin schon immer smoothere Beats und bessere Raps, aber weniger Zynismus und Schimpferei gewünscht hat, ist bei »Yo, Picasso« an der richtigen Adresse.

Der Ursprung von »Neighborhood Wonderful« (Stones Throw) liegt im Jahr 2011. Hervorgegangen ist die Kollaboration von Strong-ArmSteady-MC Krondon und Sa-Ra-Produzent Shafiq Husayn aus langen und tiefgehenden Gesprächen über Rassenprobleme in den USA und Fragen nach einer schwarzen Identität in der weißen Mehrheitsgesellschaft. Als White Boiz kanalisieren sie diesen Dialog nun in Musikform. Erwartungsgemäß liefert das Album abstrakte Weltraum-Beats und JazzNoten statt rabiate Club-Banger. Und wenn es ernst wird, dann roh und bluesig wie in »Learn Tho«. Die Referenzpalette reicht von Chuck D und Gil Scott-Heron über Flying Lotus bis zu Quasimoto. Ein gesellschaftspolitisches Schaustück von ungeschönter Straßen-Poesie bis zu Gedanken über Spiritualität und beseelten Optimismus.

Die dritte Kollaboration kommt von OutKastMC Big Boi und dem Synthie-Duo Phantogram. 2012 arbeiteten diese zum ersten Mal zusammen. Offenbar so gut, dass nun eine EP des gemeinsamen Projekts Big Grams erscheint. Auf den sieben »Big Grams« (Sony) arbeitet

24.11. HAMBURG • 25.11. HAMBURG - DOCKS • 27.11. ROSTOCK - MOYA 28.11. FRANKFURT - BATSCHKAPP • 30.11. ZÜRICH - X-TRA • 01.12. WIEN - ARENA 02.12. ULM - ROXX • 06.12. LEIPZIG - HAUS AUENSEE • 07.12. MÜNCHEN - TONHALLE 09.12. WÜRZBURG - POSTHALLE • 10.12. MANNHEIM - MAIMARKTCLUB 12.12. SAARBRÜCKEN - E-WERK • 13.12. BIELEFELD - RINGLOKSCHUPPEN 15.12. KÖLN - PALLADIUM • 16.12. DORTMUND - WESTFALENHALLE 3A 17.12. BREMEN - PIER 2 • 19.12. BERLIN - COLUMBIAHALLE

08.11. BERLIN BI NUU 09.11. HAMBURG MOLOTOW CLUB 10.11. KÖLN YUCA 11.11. STUTTGART CLUB CANN 12.11. MÜNCHEN AMPERE 13.11. CH-AARAU KIFF

sich das Trio thematisch an den sieben Todsünden ab. Elektronische Beats mit DreamPop-Attitüde bilden den klanglichen Rahmen für das Wechselspiel aus Sarah Barthels sphärischen Gesängen und den gewohnt stilsicher fließenden Raps von Big Boi. Diese EP hört man besser über Kopfhörer beim Herbstspaziergang statt im Club.

Genau dort startete die Geschichte der nächsten Band. Angefangen haben The New Mastersounds als Tanzkapelle. Mittlerweile müssen sie jedoch nicht mehr jedes Wochenende ran. In ihrer gut 15-jährigen Geschichte haben die Engländer bereits mit einigen Spezialisten zusammengearbeitet, von Quantic über Kenny Dope bis hin zu Mr. Scruff. Doch auch ohne prominente Gäste können sich die Alben der Band aus Leeds hören lassen. Deep Funk, Jazz und Dub bilden die Grenzpfeiler der überwiegend instrumentalen Stücke auf »Made For Pleasure« (Legere). Wenn dann mal Gesang hinzukommt, etwa im luftigen Gospel »Joy« oder dem smart groovenden »Enough Is Enough«, fügt sich dieser stimmig ins Gesamtgefüge ein.

House-Legende Norman Jay MBE hat schon so manche Compilation zusammengestellt. Der neueste Mix hört auf den Namen »Good Times – Skank & Boogie« (Sunday Best) und zeigt die weniger elektronische Seite der musikalischen Vorlieben des britischen DJs von Dub und Rocksteady bis zu Soul und Funk. Entscheidend ist der Sound, nicht das Alter der jeweiligen Stücke. Während Laurel Aitkens »Kent People« bereits von 1969 ist, merkt man Michael McDonalds Stevie-Wonder-Cover »Living For The City« kaum an, dass es erst 2008 eingespielt worden ist. Dazu gibt es allerlei discophilen 1980er-Funk und andere Tanzbarkeiten. Ein abwechslungsreicher Sampler von einem, der weiß, wie es geht.

Ein weiterer Könner liefert das Re-Issue des Monats: Das wegweisende Album »Otis Blue« von Otis Redding, einem der unbestrittenen Könige des Soul, erhält eine Würdigung als Doppel-CD mit zahlreichen Liveaufnahmen und anderen Raritäten als Bonus. Neben eigenen Klassikern wie »Respect« und »I’ve Been Loving You Too Long« interpretiert Redding hier Sam Cooke (»Change Gonna Come«), Solomon Burke (»Down In The Valley«) und die Rolling Stones (»Satisfaction«). Das Ganze gibt es im Mono- und Stereo-Mix. Sollte man besitzen.

02.12. 03.12. 04.12. 05.12. 07.12. 08.12. 15.12.

STUTTGART FRANKFURT A. M. DRESDEN HAMBURG KÖLN MÜNCHEN BERLIN

06.02.16 KIEL • 07.02.16 MÜNSTER • 08.02.16 ERFURT 09.02.16 BREMEN • 10.02.16 HANNOVER • 12.02.16 DRESDEN 13.02.16 FULDA • 14.02.16 NÜRNBERG • 15.02.16 SALZBURG 17.02.16 KARLSRUHE • 18.02.16 WIESBADEN • 19.02.16 LAAX 20.02.16 BASEL • 21.02.16 SAARBRÜCKEN

24.11. LUXEMBOURG • 25.11. DORTMUND • 27.11. HEIDELBERG • 28.11. WIESBADEN 29.11. ERLANGEN • 01.12. HANNOVER • 02.12. BREMEN • 05.12. LEIPZIG • 06.12. STUTTGART 07.12. DÜSSELDORF • 09.12. MÜNCHEN • 10.12. ZÜRICH TOUR 2016

16.02.FREIBURG • 17.02. ZÜRICH • 20.02. ULM • 21.02. KARLSRUHE • 22.02. NÜRNBERG 24.02. ERFURT • 25.02. KREFELD • 26.02. KÖLN • 29.02. HAMBURG • 01.03. BERLIN 03.03. MÜNSTER • 04.03. WÜRZBURG • 21.07. MÜNCHEN


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#Review

u

p

d

a

t

e

Mo. 02.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

tHe dØ

Mi. 04.11.2015 | Kulturkirche, Köln

puRItY RING special guest: empress Of

Maschine sollten erkennbar sein, und »Howl« ist tatsächlich alles andere als ein steriles Gemisch aus Beats und Samples geworden. Stattdessen spielt das Album durch technoides Dröhnen und verzerrte Soundscapes mit den dunklen Facetten des menschlichen Innenlebens. Mehr als drei Ebenen legt West auf »Howl« nie übereinander. Dadurch gerät das Album zu einem minimalistisch-mechanischen Rausch, der gleichsam bedrückt wie begeistert. Kristof Beuthner

Mi. 11.11.2015 | Gloria, Köln

tHe CINeMatIC ORCHeStRa

Rookie / Cargo

Mi. 11.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

aNtI-FLaG Supports: trophy eyes, the Homeless Gospel Choir, Red City Radio do. 12.11.2015 | Live Music Hall, Köln

FRISKa VILJOR

do. 12.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

daRWIN deeZ

So. 15.11.2015 | Live Music Hall, Köln

RYaN SHeRIdaN Mo. 16.11.2015 | Live Music Hall, Köln

GHOSt special guest: dead Soul

di. 17.11.2015 | Live Music Hall, Köln

RudIMeNtaL

di. 17.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

We aRe SCIeNtIStS & aSH Mi. 18.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

SKINdRed

do. 19.11.2015 | Gloria, Köln

MS MR

Sa. 21.11.2015 | Live Music Hall, Köln

dONOtS special guest: pascow

Sa. 21.11.2015 | essigfabrik, Köln

peRIpHeRY Support: Veil Of Maya

Mo. 23.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

COuRtNeY BaRNett special guest: Big Scary di. 24.11.2015 | Live Music Hall, Köln

Roots Manuva Bleeds Big Dada / Ninja Tune / Rough Trade / VÖ 30.10.15

Roots Manuvas sechstes Album pendelt angenehm abwechslungsreich zwischen Stadion-Bombast und frischer südenglischer Bass-Musik. Für sein aktuelles Album verarbeitet Rodney Smith alias Roots Manuva neben ein wenig Reggae auch reichlich aktuelle Tanzmusik wie Trap und Footwork. Dazu kommen eine Menge orchestrale Elemente, etwas Pathos und eine wirklich opulente Produktion. Für die zeichnen diesmal Four Tet, Adrian Sherwood, Fred und Switchs neues Team With You verantwortlich. Fast 20 Jahre sind seit Smiths Debüt »Brand New Second Hand« vergangen, das damals auch schon durch seine spannende, zukunftsweisende Vermischung von Dub, Ragga, Funk und HipHop beeindruckte. All diese Elemente sind auch auf »Bleeds« wieder vertreten. Das Ergebnis ist wirklich vielschichtig geraten: Es gibt einen melodramatischen, von Streichern getragenen Track mit R’n’B-Background-Chor und eine von HipHop durchtränkte Piano-Ballade mit gospeliger Atmosphäre. Dazu Barry-WhiteSamples mit weinenden Säuglingen zu hakelnden, aber treibenden Beats und Warnsignal-Keyboards. Zudem beherrscht Smith nach wie vor straighte und knapp gestrickte Tracks, die kompromisslos nach vorn gehen und »Bleeds« zu einem wirklich spannenden Album machen. Andreas Brüning

BeLLe aNd SeBaStIaN special guest: Other Lives di. 24.11.2015 | Gloria, Köln

aNdReaS dORau & GeReON KLuG Ärger mit der unsterblichkeit di. 24.11.2015 | Bürgerhaus Stollwerck, Köln

JOHN GRaNt

Sa. 28.11.2015 | die Kantine, Köln

VINtaGe tROuBLe Mi. 02.12.2015 | Kulturkirche, Köln

Bill Ryder-Jones West Kirby County Primary

Fr. 04.12.2015 | die Kantine, Köln

Domino / GoodToGo / VÖ 06.11.15

K´S CHOICe

eL VY (feat. Matt Berninger von the National und Brent Knopf von Ramona Falls/Menomena) Mo. 07.12.2015 | Gloria, Köln di. 08.12.2015 | Zeche, Bochum

SaSHa

di. 08.12.2015 | Live Music Hall, Köln

Rae SReMMuRd Mi. 09.12.2015 | essigfabrik, Köln

MaXÏMO paRK

Mi. 09.12.2015 | Gloria, Köln (Zusatztermin) do. 10.12.2015 | Gloria, Köln

GuILdO HORN

& dIe ORtHOpÄdISCHeN StRüMpFe Sa. 12.12.2015 | die Kantine, Köln

IBeYI

do. 17.12.2015 | Gloria, Köln

aNtILOpeN GaNG do. 28.01.2016 | Live Music Hall, Köln

FRaKtuS

do. 28.01.2016 | die Kantine, Köln

tHe MaCCaBeeS prime entertainment www.prime-entertainment.de

Sedlmeir Melodien sind sein Leben

Mit seiner Ex-Band The Coral hat das hier wenig zu tun: Bill Ryder-Jones spielt feinsten Power-Pop mit einer sehr persönlichen Note. The Coral galten zu Beginn der 2000er mal als die fähigsten Typen des britischen Festlandes: Sie waren mit der seltenen Gabe ausgestattet, dem verhangenen Psychedelic der 1960er einen modernen und tanzbaren Stempel aufzudrücken. Nach zwei großartigen Alben wurde es aber still um die talentierten Musiker. Daher zeugt es durchaus von Spürsinn, dass Bill Ryder-Jones, der die Band gemeinsam mit Sänger Ian Skelly gründete, das langsam sinkende Schiff 2008 verließ. Man darf es konsequent und mutig finden, dass er auch auf seinem dritten Soloalbum nicht zum Ursprungsstil seiner ehemaligen Band zurückkehrt. Im Haus seiner Mutter zog sich Ryder-Jones immer mal gänzlich unters Kopfkissen zurück und spielte verschleppte kleine Lo-Fi-Stücke, die stark von ihrer Fehler zulassenden Ausrichtung profitieren. Vor allem in der zweiten Albumhälfte durchbricht der Mann diesen Ansatz aber immer wieder, beschleunigt hie und da das Tempo und hat Refrains und Harmonien im Gepäck, deren Güte momentan nicht mal der artverwandte Power-Popper Mikal Cronin erreicht. Bemerkenswert ist auch, dass bei Jones die Form nie wichtiger wird als der Inhalt. Man höre nur auf den todtraurigen und sehr persönlichen Text zu »Daniel«! Die Texte zählen eh zu den großen Stärken des 32-Jährigen. »The seabirds are circling, they seem to follow, too« ist nur eine exemplarische Zeile für ein schönes Liebesbekenntnis. Dass Ryder-Jones den Hörer nah an sich heranlassen will, illustriert bereits das Coverfoto, das ihn verschmitzt lächelnd in der Badewanne seines Elternhauses zeigt. Kai Wichelmann

Eigentlich egal, was hier oder anderswo über dieses Album steht, es wird wieder nichts ändern an der Tatsache, dass die Karriere des in Berlin lebenden Songwriters weiter unterm Radar abläuft. Schöner Mist! Lorem ipsum dolor sit amet ... Na ja, ganz so verfestigt ist die Wahrnehmung von Sedlmeir vielleicht doch nicht, dass man gleich Blindtext rauskramen muss. Aber dennoch schon ernüchternd, wenn so tolle Songs letztlich wieder bestenfalls als Geheimtipps verhallen. Aber man kann als Künstler wie Rezensent halt nicht immer auf der Welle mitschwimmen, daher hier einfach mal gute Nachrichten aus dem beseelten Niemandsland: Nicht bloß Stücke wie »Konrad Weiss Preis«, »Sedlmeir / Presley« oder »Senior 21 Volt« sind vielschichtige und eingängige Genre-Perlen, alles an dieser Platte ist gleichermaßen überschwänglich wie abgehangen. Wer Bernd Begemann schätzt (der streng genommen ja selbst schon zu wenig Aufmerksamkeit genießt), sollte unbedingt mal hier auftauchen. Da ist viel für einen drin. Linus Volkmann

Sex Jams Catch This Charming Man / Cargo

Sex Jams zeigen, dass die aktuelle Austropop-Welle kein Gesetz sein muss: Weirdness statt Österreichness. Wolfgang Möstl for president! Zwar weiß man nicht, ob sein leicht grenzdebiler bis wahnsinniger Blick Masche oder Ernst ist, aber bei Politikern ist das ja meist genauso unklar. Wichtig ist im Fall Möstl ja eh nur, was aus den Boxen kommt. Der Legende nach hat er um die 500 Songs geschrieben (der Mann ist um die 30!!). Egal, ob Noise-Rock à la Killed By 9V Batteries, die Lo-Fi-Variante mit Mile Me Deaf oder eben Sex Jams mit Frontfrau Katie Trenk – in Sachen Musik scheint Möstl einiges verdammt richtig zu machen. Fairerweise muss man zugeben, dass Sex Jams ohne Trenk am Mikro gar nicht funktionieren würden. Dass man sofort an Kim Gordon und Courtney Love erinnert wird, liegt nicht nur an ihren platinblonden Haaren, sondern auch am wilden Gesang und ihrem punkigen Habitus, beispielsweise im Video zum Song »Sweet Advice«. Auch wenn das Hauptaugen- und Ohrenmerk bei Sex Jams auf der Frontfrau liegt, fällt auf, dass Möstl schon wieder bei was mitmischt, das absolut unösterreichisch klingt: eine Mischung aus Garage-DIY-Riot-Grrrl beispielsweise im Opener »Catch!«, poppigen Blondie-Melodien (»Zehn Schilling«) und einem Hauch von Grunge. Wolfgang, mein Kreuzchen ist dir schon mal sicher! Senta Best

The Schwarzenbach Nicht sterben. Aufpassen. Staubgold / Indigo / VÖ 30.10.15

Dietmar Daths Stimme sticht nicht nur im Feuilleton heraus. Als Sänger von The Schwarzenbach lässt er sich voller Leidenschaft in das verschachtelte Labyrinth of Sound fallen, das die Band in seinem Rücken errichtet und einreißt, errichtet und einreißt ... Im Zentrum des zweiten Albums von The Schwarzenbach steht ein Song namens »Mänkmol mein I«. Im Kosmos des ganzen Werks aus dickem Bass und verschmitzter Elektronika,


#Review rumorender Krachgitarre und zeterndem Harmonium nimmt er eine Stellung ein, die an das »Abendlied« auf Blumfelds »Testament der Angst« erinnert. Während das Thema des Meisterwerks der Hamburger Schule damals Depression angesichts der Ausweglosigkeit aus der großen Scheiße war, berühren The Schwarzenbach mit der Vertonung eines Textes in alemannischem Dialekt, der vom Liedermacher Roland Hofmaier stammt. Auf vielen Songs von »Nicht sterben. Aufpassen.« liegen der kalte Tod und die hochfliegenden Gedanken und Emotionen, sprich: Möglichkeiten des Lebens miteinander im Clinch. In »Mänkmol mein I« hingegen verleihen The Schwarzenbach nach den Hass und Verachtung, Liebe und Ekel andeutenden Zeilen und Tönen davor ihrer kollektiven Parteilichkeit eine zum Heulen zärtliche, verdammt zerbrechliche Schönheit. Die Worte wollen für alles eine Lösung finden, die Musik alles durchdringen. Das muss einen zerreißen. Dietmar Dath ist nicht einfach ein großer Journalist und Schriftsteller, Heike Aumüller, Johannes Frisch und Thomas Weber alias Kammerflimmer Kollektief sind nicht einfach eine große Band. Zusammen sind sie The Schwarzenbach, aber man könnte auch sagen: ein so komplexer wie gewaltiger Aufstand gegen Resignation und Belanglosigkeit. Den Titel sollte sich jeder zu Herzen nehmen. Wolfgang Frömberg

Small Black Best Blues Jagjaguwar / Cargo

Der kurzfristig hippe Stempel »Chillwave« klebt nach wie vor an Small Black. Am schmalen Grat zwischen elektro­ nisch verziertem Indie-Rock und blassem Synthie-Pop bluten sie jedoch unverhofft in die Belanglosigkeit aus. Natürlich ist Josh Hayden Koleniks Gesangs-Schnappatmung weiterhin ein prägender Bestandteil des über die Jahre geformten Bandsounds Small Blacks. Aber seit ein amerikanischer Blogger kurz nach der Geburtsstunde der ersten EP der Band (»Small Black« von 2009) die wackelige Schublade »Chillwave« zusammenzimmerte, ist dieser Sammelbegriff für Retro-Synthesizer-Sounds, Wave-Rock und Electro-Pop nur noch ein ziemlich blutleerer Hype geblieben. Auf »Best Blues« kommen dann, bis auf ein paar gekonnt zitierte 1980erSounds, auch keine greifbaren Momente vor, die dem Album Nachhaltigkeit verleihen. Wabernde Synthetik über beliebigen Klangflächen, dem Schlagzeug und auch dem Gesang – das weckt im besten Fall Erinnerungen an Shoegaze-Heroen und die heimlich geliebten Synthie-Pop-Momente der 1980er, die mittlerweile nicht mehr peinlich sind, sondern beinah schon zum Checker-Wissen gehören. Trotzdem: Wer braucht dafür eine musikalische Eselsbrücke wie dieses Album? Klaas Tigchelaar

T.Raumschmiere T.Raumschmiere

wieder Dub-Spielereien oder auch Industrial-Elemente bieten. Darüber liegt immer der soulige, tiefe Gesang von Fee R. Kuerten, die den abstrakten Songgebilden Struktur verleiht und immer wieder von Selbstverwirklichung und künstlerischer Identität kündet. Wenn man nun von fragilen Melodien, Echos und Noises sowie halluzinatorischen Loops redet, mag mancher sich an Künstlerinnen wie FKA Twigs oder Grimes erinnert fühlen. Tellavision ist im Gegensatz zu diesen viel greifbarer. Fee R. Kuerten ist nicht der Geist in der Maschine, sie ist die Maschine: eben doch mehr Hard- als Software. Kerstin Kratochwill

Shitkatapult / Indigo / VÖ 30.10.15

Marco Haas alias T.Raumschmiere ließ sich musikalisch immer schwer einordnen und tat über die Jahre alles dafür, dass das so blieb. Auf seinem siebten Album ist er nun endgültig beim Ambient gelandet. Electropunk oder »Dreck-Electro«, wie arte einst seine Musik beschrieb – solch unpräzise Genre-Bezeichnung wurde T.Raumschmiere einst übergestülpt. Exakter konnte man auch nie umreißen, was er da fabrizierte. Eine wilde Mischung aus Punk, Industrial und Techno. Bei seinen Live-Sets lässt er regelmäßig die Kuh fliegen. Gefangene macht er nicht. Umso überraschender kommt sein siebtes Studioalbum daher, sein erstes seit 2008. Es ist Ambient in Reinkultur. Bei »Anker« leiern träge Synthies. »Zwischenstopp« erinnert an eine Fahrt in einem U-Boot. Allein »7« klingt ganz entfernt nach dem alten T.Raumschmiere. Die einzigen Vocals finden sich am Ende bei »Sleeping Pills And Habits« und befördern in eine andere, psychedelische Welt. Absolut nichts an dieser Platte erinnert noch an Tracks wie »E« oder »Monstertruckdriver«. Die selbstbetitelte Scheibe lässt ohne Zweifel Raum zum Träumen und entführt einen ins Sphärische. Dass das Album trotz des offensichtlichen Stilbruchs in der Summe etwas zu berechenbar bleibt, ist allerdings ein Wermutstropfen. Christian Schlodder

Maïa Vidal You’re The Waves Crammed Discs / Indigo

Maïa Vidal ist schlimm verliebt, und genau das ist es, was ihren Pop zu einem Kuriosum macht. Erst mit ihrem dritten Album erreicht Maïa Vidal nun so richtig die Oberfläche des Folk-Pop. Dem ersten Eindruck nach könnte man sie als Durchschnitts-Popmädchen abtun, aber schon ein erstes Hinhören bei den Texten zeigt, wie falsch man damit läge. Die Single »Bones« macht beispielsweise stutzig, weil Vidal darauf mit Zeilen wie »Skin so soft I could tear it off« oder »I’d like to make a home in your frontal lobe« so wunderbar Verliebtheit mit Kannibalismus vergleicht. Die spanisch- und französischstämmige Amerikanerin erfindet sich auf jedem Album neu, für die sehr vielseitigen, teilweise gar kauzigen Arrangements und die Produktion ist sie fast ausschließlich selbst verantwortlich. Ein Blick in ihre Vergangenheit bestätigt mit der Rancid-Coverband Your Kid Sister und überzeugenden Georges-Brassens-Interpretationen auf dem Akkordeon ihre DIY-Wurzeln. Wenn »You’re The Waves« jetzt nur nicht komplett und so überschwänglich einem bestimmten Kerl gewidmet wäre. Wenn ich mir was wünschen darf: mehr Verschrobenheit und drei rosa Herzen weniger, bitte. Elisabeth Haefs

Tellavision The Third Eye Karlrecords / Cargo

Tellavision setzt sich zwischen ganze Besucherreihen in Galerien und Ateliers: Für Künstler klingt die Hamburgerin zu punkig, für Punks zu artsy. Sie selbst sagt »Hardware Post-Pop« dazu. »The Third Eye« stellt ein Gerüst aus reduzierten Melodien, analogen Synthesizern und abgehackten Percussions auf; um jenes versammelt sich dann das Publikum, hebt eine Augenbraue und fragt: Ist das Kunst, oder kann das weg? Ein Kalauer dieser Art ist Tellavision jedoch nicht, zu drängend sind ihre infektiösen Tracks, die mal Kraut-Einflüsse, dann

Trust Fund Seems Unfair Turnstile / Caroline / Universal / VÖ 30.10.15

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#Review Trust Fund, bitte tut uns einen Gefallen und begeht nicht den Fehler, Berufsmusiker zu werden! Bleibt wie auf dem Cover von »Seems Unfair« weiter wie der kleine süße Teddybär neben der Mülltonne. Wer hat nur den auf diesem Cover abgebildeten süßen Teddybär neben einer Mülltonne liegen lassen? Wurde er heimlich entsorgt? Aber von wem? Von einer Mutter, der jedes Mittel recht ist, um aus ihrem Baby einen Mann zu machen? Die Antwort darauf weiß nur Ellis Jones, der Strippenzieher hinter der Indie-Pop-Combo Trust Fund. Apropos Mülltonnen und Teddybär: Diese Metaphorik zwischen Müll und Naivität drängt sich nicht nur durch das zweite Trust-Fund-Album »Seems Unfair« auf. In Interviews plappern die Bandmitglieder wie wild durcheinander, in Videoclips setzen sie auf den Cutie-Totschläger Hundewelpen. Außerdem tollen Trust Fund wie ein paar ausgebüxte Kindergartenkinder durch ihre LP. Die Songs sind kleine, unperfekte Oden an den Augenblick – getragen von einer glockenklaren Stimme, unbeschwert und energetisch. Das könnte man auch Power-Pop oder Twee-Pop nennen. Dieser unverstellte direkte Ansatz, Songs aufzunehmen, macht wirklich Spaß. Das Ganze besitzt genau die spielerische Leidenschaft, die so vielen anderen Bands längst verloren gegangen ist. Deshalb, Trust Fund: Bleibt bitte wie der Teddybär neben der Mülltonne. Holger Wendt

dem Bedauern über diesen Schritt erreichte den tätowierten Riesen mit dem freundlichen Kindergesicht natürlich auch ganz viel Trost. Dass er nun aber vor seinen ehemaligen Jupiter-Buddies eine neue CD rausbringt, ist zumindest erstaunlich. Geheilt von der Krankheit ... oder doch eher geheilt von Jupiter Jones, die in der von ihm selbst verfassten Platten-Info fast verstörend fern wirken. Passend dazu auch die Aussage in dem neuen Song »Lady Angst«, »nie mehr die alten Lieder singen« zu wollen. Dem Fan kann all diese Trennungs-Folklore letztlich egal sein. Man spürt, dass Nicholas befreiter wirkt als zuvor, Lieder und Texte scheinen ihm wieder mehr Spaß zu machen. Ein Umstand, der sich natürlich umgehend auf den Hörer übersetzt. »Lady Angst« nagelt dabei sein großes Thema der letzten Jahre und kommt an eins der sicher besten Jupiter-Jones-Stücke überhaupt dran, an »Hallo Angst, Du Arschloch«, das dereinst im selben Abgrund wühlte. Müllers starker Wille, sich gegen besorgte Bürger, den empathielosen Mob und Windmühlen zu stellen, setzt »Ist gut, Mensch« sehr schön in Szene. Das Ganze inklusive einer Rap-Einlage von Thomas D im Stil von dessen ultimativer Gutmenschen-Inkarnation: dem Reflektor Falken. Unter dem Strich ist das hier eine wahrlich befreit aufknödelnde DeutschrockPlatte, die unterhält und beruhigt. Nicholas Müller geht es scheinbar wieder viel besser. Linus Volkmann

ihm schien aber schon damals durch und hat sich mittlerweile vollends entfaltet. Auf »Making Time« folgt Woon D’Angelos Credo der Live-Aufnahme, und das ist wohl die einschneidendste Entwicklung: Elektronische Elemente rücken in den Hintergrund, die LiveBand dafür nach vorne. Anders als bei dem US-R’n’B-Star klingen die zehn neuen Songs des Briten nie vollmundig, sondern schlank und filigran arrangiert. Manchmal mag das etwas blutleer wirken, tatsächlich bekommt Woon aber genau mit diesen dezent eingesetzten Mitteln die Kurve. Er lässt seinem R’n’B Raum zu atmen und emanzipiert sich so von seinem Vorbild. Seine sehr schöne, seelenvolle, aber auch sanfte Stimme hätte auch kein anderes Sound-Korsett vertragen. Den Rest erledigen sein Riesentalent und das Gefühl für Soul, das er in vollem Umfang rüberzubringen vermag. Vielleicht ist »Making Time« zu zurückhaltend für die breite Masse, ansonsten ist das Album aber Soul erster Güte. Christian Steinbrink

Paper Bag / Rough Trade / VÖ 30.10.15

Jamie Woon Making Time

Four / Sony / VÖ 30.10.15

Polydor / Universal / VÖ 06.11.15

Geisterheilung oder Teufelsaustreibung? Der Ex-Jupiter-Jones-Sänger kommt seiner alten Band zuvor und veröffentlicht eine neue Platte für die Deutschrock-Quote. Von Brücken, das ist die neue Band von Nicholas Müller, die er gemeinsam mit Tobias Schmitz unterhält. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Müller letztes Jahr seine Sänger-Rolle bei der Band Jupiter Jones quittiert hatte. Müller machte seine Angststörungen öffentlich, Auftritte und der Rummel seien für ihn nicht mehr zu bewältigen. Mit

Dubstep war gestern: Jamie Woon hat sich auf seinem Zweitwerk von Electro verabschiedet und frönt jetzt mit LiveBand dem R’n’B. Wer hätte angesichts seines Debüts »Mirrorwriting« je gedacht, dass Jamie Woon nur vier Jahre später jemandem wie D’Angelo nacheifern würde? Nun, vollkommen abwegig war dieser Gedanke damals nicht. Schließlich war Dubstep populär, und Woon hatte sich für sein Debüt einiges an Sound-Design bei James Blake abgeschaut. Der Soul-Man in

Yppah Tiny Pause Counter / Ninja Tune / Rough Trade

Young Galaxy Falsework

Von Brücken Weit weg von fertig

vereinigenden House-Strukturen in sich. Ohne jene verlaufen die Songs jedoch auf eine eigenartige Weise an ihrem wahren Potenzial vorbei, ähnlich wie dies auch schon auf ihrem letzten Album der Fall war. Nicht dass es schlechte Popsongs wären. Es sind sogar tolle Popsongs. Aber erst die bestimmt noch kommenden Remix-EPs werden die Ideen hier voll verwirklichen, so ist zumindest zu hoffen. Denn noch einmal mit Nachdruck: Jeder einzelne Song auf »Falsework« könnte – und sollte – zu einem House-Banger ausgebaut werden. Henje Richter

Auf ihrem fünften Album verfeinern die Kanadier um Catherine McCandless ihren Sound weiter, bleiben aber konsequent im Raum zwischen Pop und House. Jeder einzelne Song auf »Falsework« könnte zu einem House-Banger ausgebaut werden. Das ist nichts Neues für Young Galaxy, die schon auf ihrem letzten Album »Ultramarine« mehrheitlich mit Beats gearbeitet haben und wunderbare Synthie-Lines drüberlegten. Doch nie war das so einfach wie mit dem Material auf »Falsework«, denn obwohl es durch Aufbau, Dominanz der Vocals und locker-leichte Stimmung eindeutig wieder zehn Popsongs geworden sind, so beruhen sie doch alle auf kurzen Beat-Loops – der Grundlage jeder Tanzmusik. In der Form, in der Young Galaxy sie hier zusammen mit dem Schweden Dan Lissvik aufgenommen haben, tragen sie allerdings nicht die sich langsam aufbauenden, verschiebenden oder

Durchflutet von der kalifornischen Sonne, vereinigen sich HipHop-Beats mit Prog­ rock-Gitarrenläufen zu wohlig-warmen Klangwelten. Mit »Tiny Pause« hat Joe Corrales Junior ein luzides Werk erschaffen, das nach Küste und Leichtigkeit klingt. Dabei stammt er ursprünglich aus Texas, einer Gegend, die nicht unbedingt als Surf-Mekka gilt. Vielmehr hat dieses Fleckchen Erde bisher nur Ungutes beschert. Man denke nur an George W. Bush, den Enron-Konzern oder den reichen, Cowboyhut tragenden Schießwüterich bei den Simpsons. Nur Texas Ranger Walker tanzt bei dieser Achse des Bösen aus der Reihe. Kein Wunder also, dass Corrales es nicht mehr in diesem Sündenpfuhl aushielt. Er suchte das Weite und fand es in Long Beach, Kalifornien. Hier reitet er nun auf den Wellen des Pazifiks. Und das hört man. »Owl Beach II« strotzt mit seinen verhallten Gitarren und seinem Drive vor Lebensfreude. Der Song ergießt sich wohlig warm aus den Lautsprechern wie eine Badewanne voller Klang. Die HipHoplastigen Beats, Loops und Samples erinnern an Bonobo oder Amon Tobin. Letztlich bleibt’s aber bei Entspannungsmusik mit Anspruch, die an manchen Stellen leider etwas beliebig an einem vorbeifließt. Doch gute Momente wie »Coastal Cities« zeigen, dass hier mehr gehen könnte. Konstantin Maier


WIZ ARD PROMOTIONS PRESENTS

MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

1 HOPEFUL ROAD - TOUR 2015

Mit dem Herbst nimmt auch die ClubSaison wieder Fahrt auf: Wir haben den richtigen Tee zum Vorglühen.

Die selbst auferlegte Klausur mag in Künstlerkreisen für das Promo-Klischee schlechthin stehen. Dumm nur, dass diese Form der sozialen Askese immer wieder zu fantastischen Alben führt – so auch im Falle von Mano Le Tough, der sich für sein zweites Album in die Schweizer Peripherie zurückgezogen hat. Weitaus wichtiger ist allerdings, in wie vielen Punkten »Trails« (Permanent Vacation) ausgereifter und facettenreicher als der ohnehin schon gelungene Vorgänger geraten ist. Torres Alonso alias Okraa schickt seine schmeichelnden Synthesizer-Flächen gleich zu Beginn von »Vultur« (HotGem) durch die modulare Kontamination, um sie am anderen Ende wieder leicht verstimmt und vor Vibrato strotzend hinauswanken zu lassen. Das sind klangästhetische Taschenspielertricks, die man kennt und die man schätzt. Viel mehr weiß der Kolumbianer allerdings nicht daraus zu machen: Arrangements und rhythmische Konzepte prasseln derart unsortiert auf den Hörer ein, dass ein kompletter Hördurchlauf ordentlich Stehvermögen abverlangt. Chaotisch geht es auch auf »Tong Po« (Tartelet) zu, der jüngsten EP des sampletrunkenen Quantisierungsgegners IMYRMIND. Einzig: Unordnung klang selten so aufregend. Wie der verwüstete Proberaum irgendeiner höchst neurotischen Jazz-Combo, in dem unter jedem der verstreut herumliegenden Notenblätter geheimnisvolle Dinge zu finden sind. Wem gehört eigentlich diese afghanische Haschpfeife? Und warum hängen hier überall antike Inka-Masken? Antworten liefert dieser idiosynkratische House-Entwurf nicht, dafür bleibt er trotz all seines Krempels verblüffend tanzbar. Stuart Li alias Basic Soul Unit strickt auch mit dem zweiten Album unbeirrt an seinen variationsreichen Techno-Visionen weiter, die mit »Under The Same Sky« (Dekmantel) noch einmal deutlich an Kohärenz zulegen. Wobei Techno hier zumindest in Anführungszeichen gesetzt werden sollte, denn wirklich geradlinig geben sich bei Weitem nicht alle Stücke. Dennoch: Mutete das 2012 erschienene Vorgängerwerk über gewisse Strecken recht unentschlossen an, gelingt es dem Kanadier hier, seine anthrazitfarbenen Bass-Collagen aus einem Guss auf Albumlänge zu bringen. Sitzt. Wer ohnehin schon mit der nahenden Winterdepression zu kämpfen hat, der greife besser zu Lord Of The Isles. Die vier Titel von »Clearness Of Love« (Permanent Vacation) mögen mit ihren funktionalen Intros zunächst nur bedingt tröstlich daherkommen, pusten dem Hörer aber danach eine derart wohltemperierte Brise um die Nase, dass die meisten vermutlich erstmals in ihrem Leben bedauern werden, keine mondäne Yacht am Hafen liegen zu haben. Zur Not tut es aber auch die getönte Aviator.

20.11. BERLIN 27.11. HAMBURG

Für das inzwischen recht umfangreiche Oeuvre von Deadbeat brauchte es dagegen immer schon eher ein Nachtsichtgerät als die Sonnenbrille, so düster dräuend, wie sich die facettenreichen Dub-(Techno-)Entwürfe des Wahlberliners in der Vergangenheit gaben. Umso auffälliger, wie ausdefiniert »Wall & Dimensions« (BLKRTZ) nun über weite Strecken anmutet, was teilweise auf die zahlreichen Gesangsbeiträge zurückzuführen ist. Steht ihm.

DIRECTIONS TOUR 2015 SPECIAL GUEST:

MARIAM THE BELIEVER

Warum Lake People plötzlich auch unter dem Alias Llewellyn aktiv ist, weiß niemand so genau. Spielt aber auch gar keine große Rolle, schließlich sind die leichtfüßigen BassdrumElegien im Grunde dieselben geblieben. So gelingt es dem Leipziger auch mit »A Bender Story« (Kann), schnörkellose Arrangements und verspielte Improvisationen so gegeneinander auszuspielen, dass sich der Widerspruch zwischen diesen beiden Polen nahezu komplett verflüchtigt. Manche nennen das auch einfach House.

14.11. HAMBURG 15.11. BERLIN 16.11. MÜNCHEN

Ein Fach, welches das walisische Duo Bodhi bekanntlich ebenfalls virtuos beherrscht, dabei aber noch ungleich eingängiger ausschmückt. So braucht auch »Brawd« (Black Butter) nicht mal eine ordentliche B-Seite, um große Begehrlichkeiten zu wecken. Dafür sorgen bereits die lieblichen Kalimba-Tupfer und das sanft pulsierende Keyboard. Einziger Wermutstropfen: Derart appetitliche Häppchen machen erst richtig Lust auf das große Buffet. Oder konkreter: Wo zur Hölle bleibt das Album, Bodhi? Über mangelnden Output muss man sich bei Cesar Urbin alias Cubenx dagegen überhaupt nicht beschweren, liefert der in Paris lebende Mexikaner doch konstant hochkarätige Klangstudien, die sich jeglicher Einordnung entziehen. So fühlt man sich auch im Falle von »Elegiac« (InFiné) an die ätherischen Exkurse verblichener Electronica-Pioniere erinnert, wird dann aber von der physikalischen Wucht moderner Club-Avantgardisten durchgeschüttelt. Irgendwo dazwischen findet tatsächlich auch noch so etwas wie Popmusik Platz.

28.11. KÖLN 30.11. MÜNCHEN

VAGABUND TOUR 2015 4.11. DRESDEN 5.11. MÜNCHEN 6.11. BERLIN 7.11. KÖLN 8.11. HAMBURG

SPECIAL ACOUSTIC PERFORMANCE LIVE 2015

10.11. DRESDEN 11.11. HAMBURG 12.11. BERLIN 14.11. ASCHAFFENBURG 15.11. ROSTOCK 16.11. KÖLN

Barrett Richards alias Kastle mag vor allem für eingängige Jungle- und UK-GarageInterpretationen bekannt sein, mit seiner EP »Polytopie« (Symbols) beweist der aus Los Angeles stammende Produzent, DJ und Labelbetreiber aber nun, dass er darüber hinaus auch höchst konzeptionell arbeiten kann. Das erinnert über weite Strecken an den artifiziellen Dekonstruktivismus von Labels wie Night Slugs, entwickelt bei aller Verkopftheit aber immer wieder groovende Ohrwurm-Momente.

SPECIAL GUEST: MARTIN KELLY

22.2. MÜNCHEN · 23.2. FRANKFURT 24.2. KÖLN · 26.2. HAMBURG 27.2. BERLIN Infos unter www.wizpro.com / 01806 - 777 111* oder ticketmaster.de / 01806 - 999 000 555* *20 Ct./Anruf - Mobilfunkpreise max. 60 Ct./Anruf Tickets bei


UNABHÄNGIGER FESTIVAL-AWARD 7

S O WA R DE R H ELG A ! ® 2 01 5 presented by: FOTOS : C H RI ST I AN H E DE L


PR O M OT I O N

9 Dies sind die GewinnerInnen des Helga!® 2015 in der Übersicht:

RÜHRIGSTE FESTIVAL-CREW A P PLETREE GARDEN ÜBERZEUGENDSTE FESTIVALPREMIERE A SUMMER’S TALE BRILLANTESTER SOUND S E RENGETI FESTI VAL LEIDENSCHAFTLICHSTE FESTIVAL-PERFORMANCE B EATST E A KS BE I DE N WI NTERTHURER MUSI KFESTWOCHEN GROSSARTIGSTER FESTIVALANSAGER K L AUS FI EHE AUF DER C/O PO P MEISTE VERANSTALTERPERSÖNLICHKEIT B I R G I T UND HORST LOHMEYER / JAMEL RO CKT DEN FÖRSTER BESTES FESTIVAL NATIONAL (PUBLIKUMSVOTING) PARO OKAVI LLE 9 Den roten Teppich war ausgerollt, im Abendkleid kam noch

Den schönsten und wichtigsten Moment gab es bei der

immer niemand. Gut so. Der Helga!® ging in die dritte Runde,

Laudatio der Tonbandgerät-Gitarristin Sophia Poppensieker

diesmal mit Künstler-Jury (rund 30 Bands) und neuen

zur Kategorie »Meiste Veranstalterpersönlichkeit«. Birgit

Kategorien. Bernd Begemann führte durch den wie immer

und Horst Lohmeyer veranstalten in Jamel, einem Ort mit

wuseligen, lustigen und feuchtfröhlichen Abend, verlieh die

einer starken rechtsextremistischen Szene, seit acht Jahren

Trophäen und verteilte Dosenbier.

ein Festival gegen Nazis, das »Jamel rockt den Förster«.

Laudatorin Poppensieker schilderte in anschaulicher

Mit piefigen Award-Verleihungen hat Der Helga!® nix zu tun.

Weise die Situation der ehemals aus St. Pauli nach Jamel

»Man sagt ja, die Leute gehen in erster Linie zum Helga weil

gezogenen Lohmeyers, die mit ihrem Festival den Neonazis

es hier die besten Goodie Bags gibt«, scherzte Begemann und

ungebrochen die Stirn bieten. Am Ende gab es Standing

klaubte direkt den »Digestif« heraus, um mit dem Publikum das

Ovations für diesen Mut und ein Engagement aus reiner

Glas zu erheben.

Überzeugung.


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#Intro präsentiert

Ane Brun

Best Coast

Bloc Party

Built To Spill

Der Spagat zwischen den 1990ern und dem Smartphone-Zeitalter ist Ane Brun gelungen: Ihre neuen Songs wurden nämlich nicht am Klavier, sondern ganz modern per Smartphone-App arrangiert. Ihre Band wird sie auf Tour aber dennoch begleiten.

Die Stimme der zierlichen Sängerin Bethany Cosentino erfüllt jeden Club, jede Halle, jedes Herz. Der Best-Coast-Sound ist sonnengereift an der Küste Kaliforniens, was nicht heißt, dass sie nur seichten Surf-Pop können. Im Gegenteil. Das Duo überzeugt live wie auf Platte mit krachenden Gitarren und süßen Melodien.

Ein »Silent Alarm« war der Durchbruch von Bloc Party 2005 nun wirklich nicht. Knapp zehn Jahre nach ihrem Sturm auf die Indie-Kids von damals kehren die Londoner um Kele Okereke mit ihrem fünften Album und neuer Besetzung zurück.

Das Besetzungskarussell um den Sänger und Gitarristen Dough Martsch hat sich von 1992 bis heute gefühlte 37 Mal gedreht. Und obwohl sie auch ihren Sound in all den Jahren immer wieder neu erfunden haben, klingen Built To Spill unverwechselbar: fein verspielt und wunderbar episch.

— 14.11. Hamburg — 15.11. Berlin — 16.11. München

— 08.11. Köln — 29.11. Berlin

— 11.11. Heidelberg — 13.11. Köln — 15.11. Berlin — 16.11. München

— 02.11. Köln — 03.11. Berlin

Kwabs

K.I.Z

INTRO PRÄSENTIERT Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und die Apokalypse ist immer noch nicht eingetreten. Das können K.I.Z so nicht auf sich sitzen lassen. Die Berliner machen ernst und laden zum Weltuntergang. — 13.11. Erfurt — 14.11. Münster — 15.11. Köln — 17.11. Mannheim — 18.11. Hannover — 20.+21.11. Hamburg — 22.11. Köln — 26.11. Bremen — 27.11. Leipzig — 28.11. Kempten — 30.11. Nürnberg — Geht weiter!

Für alle von uns präsentierten Touren verlosen wir jeweils 3×2 Tickets. Mail an tickets@intro.de Mehr Tour-Präsentationen unter intro.de/termine #intropräsentiert

Außergewöhnlich, emotional, erschütternd – so klingen die Lobgesänge der Journalisten, die versuchen, der Stimme des Briten Kwabs beizukommen. Aber wieso über sein Talent lesen, wenn man es live erleben kann? Kwabena Sarkodee Adjepong kommt auf Tour. — 23.11. Berlin — 24.11. Hamburg — 27.11. München

RDGLDGRN

Roosevelt

Sea + Air

Talib Kweli

RDGLDGRN wuchsen nordwestlich von Washington D.C. auf. Der Metropole, die neben einer bedeutenden Hardcore-Szene auch den Go-Go hervorbrachte. Eigenheiten, die Markus, Andrei und Pierre heute gekonnt in ihre Live-Shows einflechten.

Mit seinem Neo-Disco-Projekt Roosevelt ist es Marius Lauber gelungen, elektronische Tanzmusik mit eingängigem Pop zu verknüpfen. Ein guter Hybrid auf Platte, ein noch besserer in der Live-Performance.

Die gelungene Pärchen-Symbiose: Daniel und Eleni ergänzen sich nicht nur optisch, ihre Stimmen passen auch phantastisch zu ihrem hymnischen Folk-Pop.

Den New Yorker Talib Kweli muss man HipHop-Fans kaum mehr vorstellen. Er schrieb als Vertreter des Conscious Rap schon lange vor seiner letzten Platte »Gravitas« als Teil von Black Star Geschichte. Bald beweist er live, warum man ihn zu Recht als Helden feiert.

— 08.11. Berlin — 10.11. Köln — 11.11. Stuttgart — 12.11. München

— 26.11. Hamburg — 27.11. Köln — 28.11. Frankfurt a. M. — 29.11. Berlin

— 04.11. Stuttgart — 05.11. Freiburg — 07.11. Heidelberg — 08.11. Neunkirchen — 09.11. Frankfurt a. M. — 12.11. Augsburg — 13.11. Dresden — 14.11. Potsdam — 16.11. Leipzig — 17.11. Düsseldorf — 18.11. Osnabrück — 19.11. Bremen

— 04.11. Köln — 05.11. Hannover — 06.11. Berlin — 08.11. A-Wien


#Intro präsentiert

Darwin Deez

Giant Sand

Half Moon Run

Jack Garratt

Darwin Deez entdeckte Bart, Haarbänder und Nerd-Brille schon lange vor dem gewöhnlichen Hipster. Wer sich von echten Urhipstern aus Brooklyn in Sachen Stil und Musik inspirieren lassen will, sollte sich diese Konzerttermine rot im Kalender markieren.

Der große Howe Gelb ist wieder unterwegs. Sein frisch veröffentlichtes Album »Heartbreak Pass« zeigt ihn und seine ewigen Giant Sand erneut in Höchstform und führt mit verschlagenem TexMexFolk tief in die Indie-Wüste.

Klassische und moderne Inspirationen, ein dreistimmiger Gesang und lauter Multiinstrumentalisten als Bandmitglieder – das Konzept hinter dieser Band ist hochkomplex. Wer sich von den LiveQualitäten des Dreiergespanns aus Montreal verzaubern lassen will, sollte ihr Konzert aufsuchen.

Dass der Brite Jack Garratt zum neuen Star von dubbigem Songwriter-R’n’B wird, steht fest. Die Frage ist nur: Wann? Beziehungsweise: Wann schafft er es nach Singles und EPs endlich, sein Debütalbum fertigzustellen, wo er doch immer auf Tour ist?

— 02.11. München — 07.11. Frankfurt a. M. — 09.11. Hamburg — 10.11. Berlin — 12.11. Köln

— 22.11. Köln — 23.11. Hamburg — 24.11. Hannover — 25.11. Berlin — 26.11. Leipzig — 27.11. A-Wien — Geht weiter!

— 06.11. Köln — 10.11. Berlin

— 16.11. Köln — 17.11. Berlin — 18.11. Hamburg

Oh Wonder

Oneohtrix Point Never

Rudimental

Satellite Stories

Oh Wonder bestechen durch eine Mischung aus sanftem Gesang und poppigen Synthie-Beats. Im September gaben die Londoner in ihrer Heimatstadt erst ihr BühnenDebüt, nun geht es direkt auf große Hallen-Tournee.

Der New Yorker Eigenbrötler Daniel Lopatin hat mit mehr als einem Projekt zum modernen Verständnis experimenteller Synthesizer-Musik beigetragen. Sein Spiel mit der popkulturellen Semiotik ist dabei nicht nur auf Kopfhörern hochspannend, sondern auch live eine Pflichtveranstaltung.

Viel haben Rudimental an ihren Live-Shows nach diversen Hitsingles und Auszeichnungen nicht verändert. Warum auch? Dem Quartett aus Hackney ist es schließlich schon einmal gelungen, mit Leichtigkeit halsbrecherische Beats zu produzieren und auf die Bühne zu bringen.

Wenn die vier blonden Jungs aus Oulo, Finnland, ein Konzert geben, steigt eine fette Indie-Party, nur eben mit Livemusik. »Vagabonds« heißt das neue Album der Satellite Stories, die gerade passend zu ihrem Albumtitel durch Europas Lande streichen.

— 06.11. Berlin — 13.11. Köln

— 05.11. Hannover — 07.11. Münster — 13.11. Hamburg

— 10.11. Berlin

— 13.11. Berlin — 16.11. Hamburg — 17.11. Köln

The Dø

The Slow Show

The Wombats

Wolf Alice

Die Songs von ihrem letzten Album »Shake, Shook, Shaken« ummanteln einen mit ihrem satten Sound und einem experimentellen Geräusche-Mesh-up. Wenn The Dø aus Frankreich zu uns kommen, ist Bewegung in der Menge garantiert.

The Slow Show sind eine jener Bands, die zwar als Newcomer gehandelt werden, aber schon seit Jahren Musik machen. Ihre so epischen wie minimalistischen Lieder bringen jedes Publikum zum Schwelgen.

»I’m moving to New York‚ ‘cos I’ve got issues with my sleep«, heißt es in einem Song der Wombats. Bis an den Big Apple muss man zum Glück aber nicht reisen, um die Band live zu erleben. Die Liverpooler kommen mit dem neuen Album »Glitterbug« auch zu uns.

So blutjung sie auch sein mögen – unseren Respekt haben Wolf Alice bereits. Man schaue nur auf ihren Tour-Kalender: Sie spielten umjubelte Shows beim Benicàssim, SXSW, Heimspiele auf dem Glastonbury, Leeds und Reading Festival und Support für alt-J.

— 10.11. Köln — 16.11. Berlin — 18.11. Hamburg — 19.11. München — 20.11. Münster

— 19.11. Köln — 20.11. Berlin — 22.11. Leipzig — 23.11. Hamburg

— 02.11. Köln — 03.11. Darmstadt — 04.11. Freiburg — 05.11. München — 07.11. Berlin

— 17.11. Freiburg — 18.11. Stuttgart — 19.11. Heidelberg — 20.11. Wiesbaden — 21.11. Leipzig — 22.11. Berlin — 23.11. Hamburg — 24.11. Münster

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#Termine

TOURDATEN Algiers

29.10. München 30.10. Frankfurt a. M. 31.10. Berlin 01.11. Hamburg 02.11. Köln

Alt-J

20.11. Düsseldorf 21.11. Berlin 23.11. Mannheim 25.11. A-Wien

Antilopen Gang

05.11. Aachen 06.11. Eschwege 07.11. Dresden 08.11. Göttingen 09.11. Siegen 12.11. Düsseldorf 13.11. Lingen 14.11. Kiel 16.11. Mannheim 17.11. Fulda 18.11. Saarbrücken 19.11. Stuttgart 20.11. Freiburg

Archive

02.11. Dresden 04.11. Heidelberg 05.11. Wiesbaden

The Arcs

05.11. Köln 06.11. Berlin

Ariel Pink mit Jack Name 13.11. Hamburg 20.11. Heidelberg 21.11. Köln

Asbjørn

03.11. Hamburg 04.11. Flensburg 05.11. Berlin 06.11. Essen 07.11. Stuttgart 08.11. Köln 09.11. München 12.11. Nürnberg

Ash vs. We Are Scientists 17.11. Köln 23.11. Hamburg 24.11. Berlin 26.11. München

Präsentiert von Intro

Austra

14.11. Leipzig

A Place To Bury Strangers 19.11. Dresden

Balthazar

29.10. Düsseldorf 05.11. Oldenburg 06.11. Frankfurt a. M. 23.11. A-Wien 27.11. Nürnberg 28.11. Leipzig Geht weiter!

Präsentiert von Intro

Battles

31.10. Frankfurt a. M. 04.11. Berlin

Beach House mit Dustin Wong 04.11. Köln 14.11. Hamburg 16.11. Berlin 17.11. München

Belle & Sebastian mit Other Lives 24.11. Köln 27.11. Hamburg

Bernadette La Hengst 05.11. München 06.11. Mannheim 09.11. Gottsbüren 10.11. Frankfurt a. M. 12.11. Freiburg 14.11. Reutlingen 17.11. Regensburg 19.11. Nürnberg 24.11. Köln 25.11. Dortmund 26.11. Hamburg

Präsentiert von Intro

Bilderbuch 25.11. Erfurt 26.11. Karlsruhe Geht weiter!

Präsentiert von Intro

BOY

29.10. Bremen 30.10. Düsseldorf 31.10. Erlangen 02.11. A-Wien 05.11. Ulm 07.11. Frankfurt a. M. 08.11. Stuttgart 09.11. München 15.11. Heidelberg 17.11. Frankfurt a. M. 18.11. Dortmund 19.11. Köln 20.11. Osnabrück 22.11. Leipzig 23.11. Berlin 24.11. Hannover 25.11. Hamburg 30.11. Bremen Geht weiter!

Calexico

02.11. Frankfurt a. M. 04.11. A-Wien 10.11. Leipzig 18.11. Dortmund 19.11. Berlin

Präsentiert von Intro

Christian Steiffen 17.11. Berlin 18.11. Hamburg 20.11. Hannover 21.11. Dresden 25.11. Köln 26.11. Essen

Chvrches mit Mansionair 12.11. Hamburg

The Cinematic Orchestra 11.11. Köln 12.11. Berlin 13.11. Hamburg

Courtney Barnett mit Big Scary 20.11. München 21.11. Berlin 23.11. Köln

Dagobert

14.11. Halle 15.11. Göttingen

Dave Gahan & Soulsavers 30.10. Berlin

Death Cab For Cutie 09.11. Berlin 11.11. Köln 16.11. München

Deerhunter mit Atlas Sound 16.11. Heidelberg 18.11. Berlin

Destroyer mit Jennifer Castle 13.11. München 14.11. Köln 15.11. Berlin

Präsentiert von Intro

Die Aeronauten

04.11. Berlin

28.10. München 12.11. Hamburg 13.11. Wilhelmshaven 14.11. Lübeck 18.11. Berlin 19.11. Nürnberg 20.11. Stuttgart 21.11. Kassel

Präsentiert von Intro

Die Nerven

Cat Power

Chefket

27.10. A-Wien 28.10. München 29.10. Leipzig 30.10. Berlin 31.10. Münster 02.11. Köln 03.11. Stuttgart 04.11. Frankfurt a. M. 05.11. Nürnberg 06.11. Weinheim 08.11. Dresden 09.11. Hamburg 10.11. Bremen 11.11. Hannover 27.11. Ingolstadt

17.11. A-Wien 24.11. Weinheim 27.11. Erlangen 28.11. München 30.11. Chemnitz

Präsentiert von Intro

Disaster In The Universe 21.11. Stuttgart 22.11. Dortmund 23.11. Köln 24.11. Hannover 25.11. Hamburg 26.11. Berlin 28.11. Wiesbaden

Eagles Of Death Metal 17.11. Köln 19.11. München 22.11. Bremen 30.11. A-Wien

Editors

02.11. Köln 08.11. Hamburg 09.11. Berlin 10.11. Offenbach 12.11. München 29.11. A-Wien

Präsentiert von Intro

Egotronic 29.10. Kassel 30.10. Erlangen 31.10. Reutlingen 19.11. Jena 20.11. Osnabrück 21.11. Saarbrücken Geht weiter!

Enno Bunger

13.11. Bremen 14.11. Köln 16.11. Frankfurt a. M. 17.11. Stuttgart 19.11. Freiburg 20.11. München 23.11. Nürnberg 24.11. Berlin 25.11. Leipzig 26.11. Dresden 27.11. Hannover 28.11. Hamburg Geht weiter!

Präsentiert von Intro

Everything Everything 29.11. Hamburg 30.11. Berlin Geht weiter!

Father John Misty 02.11. München 03.11. Wiesbaden 13.11. Köln

Fat Freddy‘s Drop 17.11. Köln 18.11. München 20.11. Karlsruhe 21.11. Stuttgart 23.11. Berlin 24.11. Wiesbaden 25.11. Hamburg 26.11. Münster

Feine Sahne Fischfilet 19–20.11. Hamburg Geht weiter!

Fettes Brot mit Antilopen Gang* 06.11. Erlangen 07.11. Dresden* 08.11. Göttingen* 09.11. Siegen* 12.11. Düsseldorf* 13.11. Lingen* 14.11. Kiel* 16.11. Mannheim* 17.11. München 18.11. Saarbrücken* 20.11. Leipzig 21.11. Wiesbaden 22.11. Bremen 24.11. Berlin 25.11. Münster 26.11. Stuttgart 27.11. Braunschweig 28.11. Hamburg Geht weiter!

Fidlar

17.11. Berlin

Fink

Präsentiert von Intro

Foo Fighters

31.10. Hamburg 02.11. Frankfurt a. M. 03.11. München 04.11. Berlin 10.11. Köln

26.10. Hamburg 07.11. München 15.11. Freiburg 16.11. Köln

06.11. Köln 08.11. Berlin 11.11. A-Wien

Hiatus Kaiyote

Präsentiert von Intro

Friska Viljor

30.10. Kiel 31.10. Dresden 01.11. Osnabrück 02.11. München 10.11. Freiburg 11.11. Mannheim 12.11. Köln 13.11. Hamburg 14.11. Berlin

Präsentiert von Intro

Gerard

26.10. Dortmund 27.10. Köln 28.10. Frankfurt a. M. 29.10. Freiburg 30.10. Stuttgart 03.11. A-Wien

Guy Garvey 28.11. Berlin

Heinz Strunk

06.11. Oldenburg Geht weiter!

Präsentiert von Intro

Herren­ magazin

29.10. Hannover 30.10. Rostock 31.10. Bremen 01.11. Hamburg 03.11. Münster 04.11. Oberhausen 05.11. Berlin 06.11. Heidelberg 07.11. Köln 09.11. Leipzig 10.11. Nürnberg 11.11. A-Wien 12.11. München 13.11. Wiesbaden 14.11. Jena

I‘m Not A Band

29.10. Oberhausen 02.11. Koblenz 04.11. Stuttgart 05.11. Bielefeld 13.11. Hamburg 14.11. Fürstenwalde 20.11. Dresden 21.11. Chemnitz 28.11. Berlin

Jaakko Eino Kalevi 12.11. Hamburg 13.11. Köln

Jacco Gardner mit Michael Raut 26.11. Münster 27.11. Mainz 28.11. Konstanz 30.11. Nürnberg

Jaga Jazzist

31.10. Hamburg 01.11. Berlin

Jamie Woon 18.11. Berlin 19.11. Köln

Jan Delay & Disko No.1 05.11. Leverkusen 06.11. Ingolstadt

Präsentiert von Intro

John Bramwell 05.11. Münster 12.11. Leipzig 13.11. Berlin 14.11. Hamburg 19.11. Köln 21.11. Wiesbaden

Da gehen wir hin Tipps der Redaktion#236

Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

Kristina Engel New Fall Festival Nits Marianne Faithfull Built To Spill Jesper Munk

Wolfgang Frömberg Week-End-Fest Roosevelt Willie Nelson Autobiografie-Tour Built To Spill Wolf Alice

Eike Wohlgemuth Beach House Yacht Week-End-Fest Wire John Grant


#Termine Jesper Munk

30.10. Leipzig 03.11. Münster 04.11. Essen 05.11. Hamburg 06.11. Rostock 08.11. Potsdam 10.11. Saarbrücken 11.11. Aschaffenburg 12.11. Ulm 13.11. Würzburg 17.11. Erlangen 19.11. Augsburg 20.11. Pfarrkirchen

Joanna Newsom 05.11. Berlin 06.11. Köln

John Grant

24.11. Köln 25.11. Hamburg 26.11. Berlin

José González mit Jessica Pratt* 03.11. Berlin* 04.11. Dresden* 20.11. Heidelberg 21.11. Münster

Präsentiert von Intro

Joy Wellboy 30.10. Wuppertal 31.10. Darmstadt 11.11. Dresden 12.11. Jena

Julia Holter

28.10. München 29.10. Frankfurt a. M. 30.10. Hamburg 05.11. Berlin

Kettcar

14.11. Bremen

King Rocko Schamoni & L‘Orchestre Mirage 13.11. Geesthacht 19.11. Leipzig 20.11. Regensburg 21.11. München 28.11. Lutterbek

Kitty, Daisy & Lewis 31.10. Düsseldorf 02.11. Stuttgart 10.11. Leipzig 16.11. Hannover 17.11. Würzburg

Kodiak Deathbeds 20.11. Frankfurt a. M. 22.11. Rees-Haldern 23.11. Berlin 24.11. Hamburg 25.11. Düsseldorf 26.11. Heidelberg

Kraftwerk

20.–23.11. Essen 25.–26.11. Köln 27.11. Hamburg 29.–30.11. Stuttgart

Kurt Vile & The Violators mit Waxahatchee 03.11. Hamburg 09.11. Berlin 10.11. Köln

Lary

17.11. München 18.11. Stuttgart 23.11. Frankfurt a. M. 24.11. Köln 25.11. Hamburg 26.11. Berlin

Lianne La Havas

13.11. Köln 16.11. Berlin 19.11. München 22.11. Hamburg 23.11. Frankfurt a. M.

Präsentiert von Intro

Lingby

05.11. Bielefeld 20.11. Wuppertal

Lower Dens 10.11. Berlin

Lusts

22.11. Köln 23.11. Berlin

Präsentiert von Intro

Marianne Faithfull 31.10. Düsseldorf

Marsimoto

24.11. Hamburg 25.11. Hamburg 27.11. Rostock 28.11. Frankfurt a. M.

Präsentiert von Intro

Maserati 16.11. A-Wien 18.11. Leipzig 19.11. Berlin 20.11. Dresden 21.11. Münster 26.11. Würzburg

Mercury Rev mit Nicole Atkins

Oliver Polak

05.11. Mühlhausen 12.11. Hamburg 19.11. Frankfurt a. M. 20.11. Nürnberg 21.11. A-Wien 22.11. München

Olli Schulz

01.11. Düsseldorf 02.11. Wiesbaden 03.11. München 04.11. Dresden 06.11. Berlin 08.11. Bielefeld

Ought

18.11. Berlin 20.11. Hamburg 21.11. Offenbach

Patrick Watson mit Thus Owls 14.11. Köln 15.11. Hamburg 16.11. Berlin

Pop-Abo mit Calexico

18.11. Dortmund

The Prodigy

06.11. Oberhausen 07.11. Hamburg 09.11. München 10.11. Frankfurt a. M.

Protomartyr

10.11. Wiesbaden 11.11. Hamburg 14.11. Berlin 16.11. Köln

07.11. Wangels 09.11. Köln 11.11. Berlin 15.11. München

Purity Ring mit Empress Of

MS MR

Präsentiert von Intro

17.11. München 18.11. Frankfurt a. M. 19.11. Köln 21.11. Hamburg 22.11. Berlin

Mykki Blanco

30.10. Köln 31.10. Berlin 01.11. Darmstadt 02.11. Hamburg

Naked Lunch

20.11. München 21.11. Berlin 23.11. A-Wien

04.11. Köln 11.11. Berlin

Rangleklods 24.11. Berlin 25.11. Heidelberg 26.11. Wiesbaden 27.11. Osnabrück 28.11. Köln 29.11. Leipzig 30.11. München

Rhye

07.11. Berlin

Präsentiert von Intro

Róisín Murphy

Präsentiert von Intro

13.11. A-Wien 19.11. Berlin

03.11. München 04.11. Stuttgart 05.11. Frankfurt a. M. 06.11. Hamburg 07.11. Köln 09.11. Berlin

Ron Sexsmith

Namika

Naytronix

18.11. Hamburg 19.11. Berlin 20.11. Nürnberg 21.11. Leipzig

New Order 11.11. Berlin

Of Monsters And Men mit Mammút 02.11. Berlin 09.11. A-Wien 12.11. München 16.11. Köln

30.10. Freiburg 01.11. München 02.11. Erlangen 03.11. Frankfurt a. M. 04.11. Tübingen 05.11. Bochum

Präsentiert von Intro

Sales

mit Wyoming* 26.10. Köln 27.10. Dortmund 28.10. München* 29.10. Nürnberg* 30.10. Bielefeld*

Samantha Crain 16.11. Berlin 19.11. Köln 20.11. Schorndorf 22.11. München

Say Yes Dog

28.10. Leipzig 29.10. Mainz 30.10. Freiburg 08.11. Hamburg 09.11. Köln 10.11. Dortmund 11.11. München 16.11. Stuttgart 17.11. Nürnberg

Alle Farben

Schnipo Schranke 26.10. Bielefeld 27.10. Münster 28.10. Wiesbaden 29.10. Weinheim 30.10. Frankfurt a. M. 31.10. Lingen 04.11. Leipzig 05.11. Nürnberg 08.11. A-Wien 10.11. Augsburg 17.11. München 21.11. Memmingen 23.11. Würzburg

Eurosonic Noorderslag Wieso nicht schon mal den Januar planen? Das Eurosonic Noorderslag bietet einen ersten Eindruck von den Acts, die im Som­ mer für Furore sorgen könnten. Groningen ist erstens eine sehr schöne Stadt und zweitens Heimat des Eurosonic Noorderslag. Das Eurosonic sorgt für einen von der EU geförderten Austausch großartiger Bands aus ganz Europa, das Noorderslag befasst sich eher mit der niederländischen Szene. Hier suchen sich die Festival-Booker die Acts für den Sommer aus, und die Besucher bekommen Futter zum Angeben beim nächsten Festivalbesuch: »Ja, die hab ich schon beim Eurosonic gesehen«.

Präsentiert von Intro

Sex Jams 17.11. Köln 18.11. Münster 19.11. Solingen 20.11. Hamburg 21.11. Berlin 23.11. Leipzig 25.11. Nürnberg

— 13.-16.01. NL-Groningen — Alle Farben, Bastian Baker, Dolores Haze, Elias, HVOB, K-Ross, Kovacs, Ocho Macho, PAUW, Sacri Cuori, Scarred, The Academic, The Big Bluff, The Chikitas, Ti, Tom Fire, Violet Skies, VR / Nobody u. v. a.

Präsentiert von Intro

Sizarr

25.11. Köln 27.11. Erlangen 28.11. München Geht weiter!

Slayer mit Anthrax, Kvelertak 07.11. A-Wien 08.11. Leipzig 10.11. München 12.11. Berlin 13.11. Bochum 14.11. Ludwigsburg 16.11. Frankfurt a. M.

Sleaford Mods 04.11. Düsseldorf 05.11. Berlin

Sophie Hunger 30.10. Wiesbaden 05.11. Dresden 06.11. Hannover 08.11. Rostock 11.11. Münster 12.11. Leverkusen 13.11. Bremen 14.11. Erfurt 16.11. Stuttgart 20.11. München Geht weiter!

Thees Uhlmann (Lesung) 31.10. Düsseldorf 04.11. Rostock 05.11. Hannover 06.11. Wangels 14.11. Heidelberg 17.11. Dortmund 18.11. Erlangen 19.11. Reutlingen 20.11. Karlsruhe 22.11. Wiesbaden

Thurston Moore Band 18.11. Berlin 21.11. Münster

Turbostaat

13.-14.11. Flensburg

Two Gallants mit Demob Happy 27.10. Dresden 28.10. Osnabrück 31.10. Freiburg 01.11. Düsseldorf

Präsentiert von Intro

Vessels

06.11. Köln 07.11. Hamburg 08.11. Berlin

28.10. Hamburg 29.10. Leipzig 30.10. Berlin 31.10. Köln 01.11. München

Präsentiert von Intro

Wanda

Steven A. Clark

Swim Deep 31.10. Hamburg 06.11. Berlin 13.11. Köln

Tocotronic mit Sarah & Julian 06.11. Dresden 09.11. Erlangen 11.11. Köln 12.11. Wiesbaden 13.11. Stuttgart 14.11. München

25.11. Dortmund 27.11. Heidelberg 28.11. Wiesbaden 29.11. Erlangen

Wire

20.11. Köln 21.11. Osnabrück 22.11. Berlin 24.11. Schorndorf

Yo La Tengo 27.10. Berlin 28.10. Köln

The Wooden Sky mit Monk Parker 20.11. Köln 22.11. Hamburg 23.11. Berlin 24.11. Leipzig 25.11. Dresden

Zugezogen Maskulin 27.10. Dresden 28.10. Cottbus 29.10. Rostock 30.10. Berlin

Die kommen, die Touren Bilderbuch (25.11.–13.12.) Braids (05.12.) Cristobal And The Sea (12.–18.12.) Dralms (07.–12.12.) Elliot Moss (10.–12.12.) Everything Everything (29.11.–05.12.) Feine Sahne Fischfilet (08.–30.01.) Frittenbude (28.01.–13.02.) Herrenmagazin (08.01.–05.03.) Kate Boy (06.–08.12.) Maeckes (03.–22.12.) Marina And The Diamonds (14.12.) Miss Platnum (05.–07.12.) Sea+Air (09.–23.01.)

Die kommen, die Festivals 20 Jahre Karlstorbahnhof (08.–12.12.) 47 Grad Festival (05.12) Bergfestival (04.–06.12.) Eurosonic Noorderslag (13.–16.01.) Red Bull Soundclash (17.12.)

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#Live #Festival

Pop-Abo

Cardinal Sessions Festival

Das Pop-Abo im Konzert­ haus Dortmund startet mit lieb gewonnenen Bekannten in die neue Spielzeit: Calexico geben sich in der klassischen Spielstätte die Ehre.

In den zehn Jahren seiner Existenz ist das Pop-Abo im Dortmunder Konzerthaus zu einem Garanten für außergewöhnliche und in jeder Beziehung hochklassige Konzerterlebnisse geworden. An dieses hohe Niveau knüpfen die Kuratoren auch zu Beginn der neuen Spielzeit an: Mit Calexico konnten sie eine Band verpflichten, die das besondere akustische Potenzial der Spielstätte bestens auszufüllen und zu nutzen weiß. In der Vergangenheit ist die AlternativeCountry-Band um die beiden ehemaligen Giant-Sand-Musiker Joey Burns und John Convertino schon in ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen aufgetreten: mal mit Mariachi-Bläsern, mal konzentriert auf eine Kernbesetzung. Bestand hatte nur die herausragende instrumentale Klasse aller Beteiligten. Daher darf man sich sicher sein, dass Burns und Convertino auch für diesen Abend besondere Ideen und Klänge in petto haben werden. Besser könnte der Start in die neue Saison, die unter anderem mit Aurora und Get Well Soon fortgesetzt wird, gar nicht ausfallen. Henrik Hamelmann — 18.11. Dortmund — Calexico

WEEK-END FEST

Fink in einem Maisfeld, Chuck Ragan unter Baumkronen am Saume eines Parkplatzes, Two Gallants auf einem Stoppel­ feld. Die Sonne scheint, man wartet auf den nächsten Feld­ hasen. So sind die Musikvideos der Cardinal Sessions. Nach fünf Jahren versucht sich das Film-Team jetzt als Festival-Gastgeber.

The Notwist

Doppelter Grund zum Feiern rechts des Rheins: Zum fünfjährigen Jubiläum begrüßt das Köln-Mülheimer Week-End Fest in diesem Jahr alte Kämpen und junge Hüpfer mit ganz speziellen Plänen.

Es spricht ganz klar für das Week-End Fest, wenn jemand wie Billy Childish sich bequemt, nach sechs Jahren Bühnenabstinenz exakt dort live aufzutreten. Der versierte Alleskönner und DIY-Vordenker inspirierte über die Jahrzehnte zahllose Rock- und Popstars und wird in der altehrwürdigen Mülheimer Stadthalle zeigen, weshalb er nach wie vor zum Idol taugt. Eine Abstinenz ganz anderer Dimension haben die Postpunker The Pop Group in diesem Jahr beendet: »Citizen Zombie« ist ihr erstes Album seit sage und schreibe 35 Jahren. Auch der türkische Produzent Mustafa Özkent wird am zweiten Tag des Liebhaber-Festivals einen Blick über die Schulter zurück auf die fetten Jahre werfen und sein 1972er-Album »Gençlik Ile Elele« in Gänze aufführen. Weird-America-Avantgardist Ariel Pink soll sich derweil, so wird gemunkelt, etwas ganz Besonderes für das erste halbwegs runde Jubiläum des Week-End Fest ausgedacht haben. Das inländische Highlight an Tag eins verkörpern The Notwist, deren markiger und vor allem live grandioser Indietronic-Sound sich noch lange nicht genügend hat feiern lassen. Mit dem Hamburger Duo Die Vögel und den DJs von Numero Group geht es im Anschluss an die Konzerte geschmackvoll in den frühen Morgen. Für Freunde der Theorie bietet Dub-Spezialist Adrian Sherwood einen Studio-Workshop an. Phil Collins (nein, ein anderer), der als Professor für Videokunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln lehrt, lädt jeweils nachmittags zum Gespräch mit The Pop Group und Ariel Pink. Und wenn damit eines geklärt ist, dann doch sicherlich der place to be für das vorletzte November-Wochenende.

Zwei Studenten aus Köln und Essen hatten 2010 die Idee zu den Cardinal Sessions. Mit gefilmten Akustik-Sessions wollen sie in Konkurrenz treten zu den klassischen Musikvideos. Nur die Stimme und die Persönlichkeit der Künstler sollen im Fokus stehen. Kein Plot, keine abgemischten Studioaufnahmen, keine artifiziellen Videoeffekte – »only vocals and unplugged instruments«. Die Songs werden oft spontan gespielt und die Drehorte wählen die Künstler selbst aus. Im November erweitern die Sessions ihr Spektrum: Gleich in zwei Städten kann man die Erstausgabe des Cardinal Sessions Festivals besuchen. In Köln und Hamburg treten jeweils vier Bands bei kleinen Indoor-Events auf, deren Stimmung hoffentlich genauso kuschelig und unmittelbar wird wie die Video-Clips der Veranstalter. Lena Willems — 06.11. Köln + 07.11. Hamburg — The Graveltones, Torpus & The Art Directors (Köln), The Twilight Sad (Hamburg) u. v. a.

Valentin Erning

Calexico

— 20.-21.11. Köln — The Notwist, Ariel Pink, Billy Childish, Adrian Sherwood, The Pop Group, Fatima, Die Vögel, Deradoorian, Mustafa Özkent, Numero Group, Jack Name, Move D u. v. a.

Torpus & The Art Directors


#Live #Festival

TÜRKISCHE DELIKATESSEN Olympique

Hello Pop! Alles neu macht der November: Aus Pop.Notpop wird Hello Pop!, aus Clubhopping ein stationäres Bühnchen-wechsel-dich – nur die Qualität, die bleibt die gleiche.

Nanu, hat Stuttgart etwa ein neues Festival? Nicht ganz: Das Hello Pop! hat schon seit 2010 einen festen Platz im baden-württembergischen Eventkalender, firmierte bis zum Ausstieg von Mitbegründer Hannes Steim allerdings eine Nuance grimmiger unter dem Namen Pop.Notpop. Zudem ist auch der Veranstaltungsort ein anderer: Statt wie bisher in der Stuttgarter Innenstadt von Club zu Club zu pilgern, konzentrieren sich die Auftritte jetzt auf zwei frisch eröffnete Konzerthallen im Wizemann. Dass der ein Stück weit außerhalb gelegen ist, wird dank praktischer Vorkehrungen kaum stören. Damit es die Besucher reibungslos zur Afterparty in der Innenstadt schaffen, beginnt das Hello Pop! bereits um 18 Uhr und endet noch vor Mitternacht. In den tollen Stunden dazwischen liefern sich die interdisziplinären Le Very, TÜSN, Asbjørn, Chartbreaker Philipp Dittberner, Von Wegen Lisbeth und andere einen Schlagabtausch, für den man selbst die eine oder andere verpasste Bahn liebend gern in Kauf nehmen würde. Qualität und Relevanz gehen hier der stilistischen Verwandtschaft vor, und das macht das Hello Pop! zum Musikhighlight für Entdeckertypen nicht nur aus der Region.

Türkische Delikatessen für die Völkerverständigung? Wieso nicht. Wenn es nach dem Kölner Festivalveranstalter Burak Fahri Içer geht, soll der Name seines Festivals nicht nur Appetit auf türkische Beats und Kulinarisches machen, sondern Menschen unter­ schiedlicher Kulturen zusammenführen.

In einer Zeit des Umbruchs, in der die Politik auf höchster Ebene über deutsche »Willkommenskultur« diskutiert und andere aus Angst vor dem Fremden erstarren, gibt es auch Initiatoren, die die heikle Sache mit der Völkerverständigung tatsächlich angehen, statt darüber zu philosophieren. Das Türkische Delikatessen Festival möchte Stereotype von D wie Döner über R wie Raki bis hin zu T wie Tarkan überwinden und zeigen, dass sich in der türkischen Musiklandschaft und anderen Bereichen der Kultur mehr abspielt als das, was man im sechstägigen Mittelmeerurlaub aufschnappt. Das Kulturfestival trifft dabei den Nerv der Zeit ziemlich genau: Nachdem US-HipHop-Größen wie Mos Def, J Dilla oder Action Bronson schon lange die psychedelischen Vibes türkischer Musiker der 1970er in ihren Songs verarbeiten, schwappt das Interesse an anatolischer Musik nun auch in deutsche Clubs über. Içer versucht, dem gerecht zu werden, und spickt das Programm seines Festivals, das weitestgehend in Kölner Szene-Bars und -Clubs stattfindet, mit Konzerten hochkarätiger türkischer Musiker, elektronischer Live-Acts und DJs, sowie mit einem einzigartigen Design-Bazar. Wichtig ist dabei, den alternativen Blick auf die türkische Musik und Kultur zu schärfen. In der Türkei wird eben gerne groß aufgefahren. Eines der vielen Klischees, das sich gerne hartnäckig halten darf. Sermin Usta — 20.-29.11. Köln — Okay Temiz & La Fanfare Dubelgistan, DJ Seksi Pil, Mustafa Özkent, Belçika Orkestrasi, Barış Demirel, Barış K., Insanlar, Ayukka, Görkem Şen, Elektro Hafız, DJ NoFrost u. v. a.

Operation Ton Von der Musik leben? Einfach ist das bestimmt nicht, aber es geht schon irgendwie. Unter anderem soll bei der Operation Ton geklärt werden, wie genau. Abends gibt’s dann Konzerte.

Man kann es nicht oft genug sagen: Netzwerken ist wichtig, wenn man sein Leben der Musik widmen möchte. Ob nun aktiv als MusikerIn oder eher im Geschehen drum herum, ist dabei egal. Bei der Operation Ton in Hamburg gibt es dazu die Möglichkeit. Man könnte meinen: Och, noch so eine doofe Konferenz mit Häppchen? Die Operation Ton möchte genau das nicht sein und richtet sich gezielt auch an Querdenkende. Wenn man genug über die GEMA und das Geschäft geplaudert hat, darf man sich abends bei ein paar erlesenen Konzerten entspannen. — 13.-14.11. Hamburg — Judith Holofernes, Mine, Fatoni, Foxos, Friedrich Liechtenstein, Linus -Volkmann u. v. a.

Prêt À Écouter Manche Festivals sind wie älte­ re Geschwister: Man hat keine Ahnung, was sie anschleppen, aber hört genau hin, damit sich der Wissensvorsprung endlich mal verringert.

Valentin Erning

Das Prêt À Écouter bringt jedes Jahr spannende neue Acts in den Karlstorbahnhof Heidelberg. Natürlich ist es in dieser Jahreszeit kein Open Air mehr, sondern eine Konzertreihe mit KünstlerInnen und Bands, die man auch leicht übersehen könnte. Es ist also ein Tippgeber-Festival, und das bezieht Newcomer und ältere Vorreiter eines bestimmten Sounds gleichsam mit ein. In anderen Städten würde das womöglich untergehen, aber für Heidelberg funktioniert es bestens.

— 07.11. Stuttgart — Asbjørn, Le Very, Missincat, Olympique, Philipp Dittberner, Sara Hartman, Sea Moya, The Overdressed Monkeys, TÜSN, Von Wegen Lisbeth u. v. a.

— 16.-30.11. Heidelberg — Deerhunter, The Jon Spencer Blues Explosion, The Slow Show, Ariel Pink, Paper Aeroplanes, Rangleklods, Kodiak Deathbeds, Liam X, David Moore, BirdPen u. v. a.

Barış K

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#Live #Festival

HUBERTUSFEST Neues aus Wolfenbüttel! Die nächste Saison der nach dem Jägermeister-Städtchen benannten Fest­ spiele startet mit vier Party-Abenden in Berlin als Hubertusfest.

Ben Frost

Greatest Hits Irony is over? Denkste. Beim Greatest Hits geht es natürlich nicht um Popklassiker zum Mit­ singen, sondern um ein Kontrast­ programm der Gegenwart.

Classic meets Electronic. Auch Drones, Loops und schillernde Klangteppiche sind Teile des Konzepts, das das Festival in Reihen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gliedert. Ben Frost mischt beispielsweise Klassik mit Minimal, Drone und Postpunk. Liima, das Projekt der Efterklang-Musiker, macht Avantgarde-ElectronicaRock. Auch der Klassik-Part ist beim Greatest Hits nicht wirklich klassisch: »Pink Velvet’s Bad Trip« heißt das Konzert des Remix Ensemble Porto, für das es bei Pink Floyd, Velvet Underground und »der Vorstellung eines schlechten Trips« Inspiration fand.

Die neue Saison der Wolfenbütteler Festspiele steht ins Haus. Nachdem die Veranstaltungsreihe dieses Jahr bereits in Hamburg und Dresden haltgemacht hat, erreicht sie nun Berlin. Auch diesmal haben sich die Organisatoren wieder ein besonderes Party-Format ausgedacht: das Hubertusfest. Der Legende nach soll dem französischen Jäger Hubertus beim Jagen ein weißer Hirsch nebst leuchtendem Kreuz im Gehörn entgegengetreten sein. Hubertus hörte umgehend mit der Jagd auf und wurde heilig gesprochen (Kurzversion). Seit 80 Jahren ziert der Hubertus-Hirsch nun das Jägermeister-Logo. Aus diesem Grund startet das Hubertusfest am Sankt-Hubertus-Tag, dem 3. November, in den Berliner Spreewerkstätten mit einem Pre-Opening. Tags darauf stellen sich sorgfältig ausgewählte Newcomer-Bands dem Publikum vor. Danach gibt es am 05.11. mit Jennifer Rostock, Die Orsons und Romano ein stilistisch bunt durchmischtes Programm. Zu guter Letzt geht es rein elektronisch in die Vollen: Booka Shade, Kid Simius und Schluck Den Druck werden die Abschluss-Party in den Spreewerkstätten bis in die späten Morgenstunden treiben. Wer danach noch nicht genug hat, kann auf der Aftershowparty mit Ehret+Rath weiterfeiern. Louisa Zimmer — 03.-06.11. Berlin — Booka Shade, Kid Simius, Schluck Den Druck, Jennifer Rostock, Die Orsons, Romano, Jägermeister Blaskapelle, Fra Diavolo a.k.a. Totze & Teute u. v. a.

Antilopen Gang

Puls Festival Das PULS Festival in München war in den vergangenen Jahren so beliebt, dass es innerhalb von zwei Tagen keine Tickets mehr gab. Jetzt gibt’s einfach einen zweiten Termin in Erlangen.

Die MünchnerInnen, die keine Karte mehr für das PULS Festival bekommen haben, müssen nicht weinen: Nach Erlangen sind es etwa 190 Kilometer, das ist machbar. Der BR-Jugendkanal PULS lädt gemäß seinem Programm neue deutsche Bands und auch ein paar alte Indie-Hasen in die beiden Städte. Zwei der Bands – Sizarr und Die Orsons – werden übrigens vom BR-Rundfunkorchester begleitet. — 27.11. Erlangen + 28.11. München — Antilopen Gang, Die Nerven, Die Orsons, Ωracles, Pollyester, Sara Hartman, Schnipo Schranke, Sizarr, Wolf Alice, Zugezogen Maskulin u. v. a.

— 19.-22.11. Hamburg — Mei Yi Foo, NDR Sinfonieorchester, Ensemble Resonanz, Decoder Ensemble u. v. a.

Audio Invasion

Iceland Airwaves

Bei der neunten Audio Invasion in Leipzig trifft Hochkultur auf Popkultur.

Von B wie beheizbarer Bürger­ steig bis V wie Vulkan – Island und sein Iceland Airwaves sind schon besonders.

Einmal im Jahr wird das Gewandhaus in Leipzig zu einem Club mit vier Floors umfunktioniert. Bei der diesjährigen Audio Invasion übernehmen Künstler wie Austra und Roman Flügel nach einer Eröffnung des Gewandhausorchesters die heiligen Hallen. — 14.11. Leipzig — Atom™, Austra, Emika, Gewandhausorchester, Jennifer Touch, Omar Souleyman, Roman Flügel, Veronica Vasicka, OverDubClub u. v. a.

Da Reykjavík keine allzu große Stadt ist, wird bei diesem Festival seit 1999 jeder erdenkliche Ort genutzt, um Acts aus dem In- und Ausland vorzustellen: Kneipe, Konzertsaal, Friseur– egal. Viele Konzerte finden mehrmals statt, oft sogar kostenlos. Oh du seliges Island! Booka Shade

— 04.-08.11. IS-Reykjavík — Ariel Pink, Árstíðir, Björk, Låpsley, SOAK u. v. a.


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CLUB CULTURE KONZERTE / SLAMS WORT+ / U.V.M.

WASCHHAUS SCHIFFBAUERGASSE POTSDAM

u

JULIA HOLTER 05. Nov | BERLIN, Berghain

KURT VILE & THE VIOLATORS 03. Nov | HAMBURG, Uebel & Gefährlich

09. Nov | BERLIN, Postbahnhof 10. Nov | KÖLN, Gebäude 9

Sa. 14.11.2015 | Gebäude 9, Köln

Fr. 30.10.2015 | Luxor, Köln

tONBaNdGeRÄt special guest: phela So. 01.11.2015 | Luxor, Köln

WedNeSdaY 13 So. 01.11.2015 | artheater, Köln

tHeOdORe

Mo. 02.11.2015 | Luxor, Köln

BeSt COaSt special guest: pins Mo. 02.11.2015 | MtC, Köln

DESTROYER 13. Nov | MÜNCHEN,

aLGIeRS dMa´S

di. 03.11.2015 | YuCa, Köln

19. Nov | BERLIN, Monarch 20. Nov | KÖLN, Week-End Festival

INFOS: PUSCHEN.NET

eNNO BuNGeR Sa. 14.11.2015 | Blue Shell, Köln

NOtHING But tHIeVeS Mo. 16.11.2015 | Gebäude 9, Köln

eVeRLaSt Special acoustic performance

Mo. 16.11.2015 | underground, Köln

HO99O9 special guest: NaH

Mo. 16.11.2015 | MtC, Köln

pROtOMaRtYR special guest: Shake Shake Bolino di. 17.11.2015 | Luxor, Köln

tHe StRaNGLeRS di. 17.11.2015 | MtC, Köln

di. 17.11.2015 | Blue Shell, Köln

SteaMING SateLLIteS Mi. 04.11.2015 | MtC, Köln

BLaCK BOX ReVeLatION do. 05.11.2015 | Gebäude 9, Köln

do. 05.11.2015 | Luxor, Köln

18. Nov | HAMBURG, Hafenklang

deStROYeR special guest: Jennifer Castle

LONeLY tHe BRaVe special guest: Black peaks

14. Nov | KÖLN, Luxor

17. Nov | JENA, Glashaus

e

Mi. 04.11.2015 | Luxor, Köln

Kammerspiele

DERADOORIAN

t

KYteS

aLeXaNdeR HaCKe liest: Krach - Verzerrte erinnerungen

15. Nov | BERLIN, Lido

Tickets und Infos: www.waschhaus.de

special guest: the Blood arm

10. Nov | BERLIN, Bi Nuu

Kantine am Berghain

a

Sa. 14.11.2015 | Luxor, Köln

eZRa FuRMaN & tHe BOYFRIeNdS

LOWER DENS

11. Nov | BERLIN,

d

do. 29.10.2015 | Blue Shell, Köln

Mo. 02.11.2015 | Gebäude 9, Köln

GIRLS NAMES

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aRKeLLS special guest: pictures

SaLLIe FORd Mi. 18.11.2015 | Luxor, Köln

BaCKYaRd BaBIeS special guests: Heavy tiger, Junkstars Mi. 18.11.2015 | Blue Shell, Köln

JOe puG special guest: Frankie Lee do. 19.11.2015 | Luxor, Köln

do. 05.11.2015 | YuCa, Köln

WOLF aLICe

Sa. 07.11.2015 | Luxor, Köln

WIRe

Sa. 07.11.2015 | Studio 672, Köln

LuStS

SONGHOY BLueS CÄtHe

ZeLLa daY

So. 08.11.2015 | Luxor, Köln

ReeL BIG FISH special guest: Suburban Legends So. 08.11.2015 | Blue Shell, Köln

Fr. 20.11.2015 | Gebäude 9, Köln

So. 22.11.2015 | Blue Shell, Köln

So. 22.11.2015 | YuCa, Köln (Nachholtermin vom 18.11. / Studio 672)

OH LaNd

Mo. 23.11.2015 | Studio 672, Köln

JaMIe LaWSON

24.11.2015 | Blue Shell, Köln NeW deSeRt BLueS di. C duNCaN Mo. 09.11.2015 | YuCa, Köln

SaY YeS dOG special guest: Nosoyo

do. 26.11.2015 | Luxor, Köln

Mo. 09.11.2015 | Gebäude 9, Köln

do. 26.11.2015 | underground, Köln

tHIRd eYe BLINd Mo. 09.11.2015 | Blue Shell, Köln

tHe pHOeNIX FOuNdatION Mo. 09.11.2015 | MtC, Köln

LeVeLLeRS

JOHN COFFeY special guest: Rolo tomassi Fr. 27.11.2015 | Luxor, Köln (Nachholtermin vom 28.09.)

aNdReaS MOe

CIRCa WaVeS special guest: austinn

Fr. 27.11.2015 | YuCa, Köln

Mo. 09.11.2015 | Studio 672, Köln

Fr. 27.11.2015 | Studio 672, Köln

ROOSeVeLt

MeRCuRY ReV

CataStROpHe & CuRe

di. 10.11.2015 | Luxor, Köln

SuNFLOWeR BeaN

uNCLe aCId & tHe deadBeatS di. 10.11.2015 | Club Bahnhof ehrenfeld, Köln

HIatuS KaIYOte di. 10.11.2015 | YuCa, Köln

RdGLdGRN do. 12.11.2015 | Gebäude 9, Köln

Sa. 28.11.2015 | MtC, Köln

Mo. 30.11.2015 | Studio 672, Köln

FINdLaY

Mi. 02.12.2015 | Luxor, Köln

CHaRLeS paSI Fr. 04.12.2015 | Luxor, Köln

tHe uNdeRaCHIeVeRS

SLaVeS special guest: Spring King

Fr. 04.12.2015 | Gebäude 9, Köln

Fr. 13.11.2015 | Luxor, Köln

Sa. 05.12.2015 | Luxor, Köln

OHRBOOteN

FatHeR JOHN MIStY special guest: anna B Savage

CItIZeNS!

Fr. 13.11.2015 | underground, Köln

SCHMutZKI

SOILWORK special guest: Hatesphere, t.a.N.K.

Fr. 13.11.2015 | Club Bahnhof ehrenfeld, Köln

Mi. 09.12.2015 | Luxor, Köln

OH WONdeR special guest: Rukhsana Merrise Fr. 13.11.2015 | YuCa, Köln

SWIM deep

di. 08.12.2015 | Luxor, Köln

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SO 01 11 RAP

CelO & aBdI

MI 04 11 OI!

BIShOPS Green MI 04 11 GROSS! halle_02 hd arChIVe MI 04 11 INDIE halle_02 ClUB hd arKellS DO 05 11 DIE SCHOTTEN KOMMEN! SaOr PatrOl FR 06 11 RAP ChefKet FR 06 11 POP halle_02 hd herrenmaGaZIn KOmma SA 07 11 KNEIPENFESTIVAL/NIGHTGROOVE

SOUndItIOn rUSSKaJa SO 08 11 RAP halle_02 hd aStrOnaUtalIS DI 10 11 ACOUSTIC SET CaPItOl ma anathema MI 11 11 FOLK & ALTERNATIVE alte feUerWaChe ma frISKa VIlJOr FR 13 11 RAP! CredIBIl SA 14 11 METAL eISreGen deBaUCherY // SO 08 11 PEACE, LOVE & RUSSIAN ROLL

mIlKInG the GOatmaChIne

SO 15 11 HARDCORE KULT AUS N.Y.C.

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SO 15 11 AUSVERKAUFT.

BOY

martIn GallOP DI 17 11 HURRA, ... maImarKtClUB ma

K.I.Z. the COmPUterS

FR 20 11 TIPP DES JAHRES! GARAGE SOUL PUNK

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06.11.2015 / FR SWINGMANIA Special

Botticelli Baby live & Swingmania – Electro Swing-Party

LIVE SO 01 Serafyn FR 06 Brett Newski, David Blair FR 13 Hop Along SO 15 Louise Gold FR 20 Lilly Among Clouds SA 21 Ought SO 22 Lowry FR 27 Midas Fall, Raised By Swans SO 29 David Celia, Marla

ÜBER JA Z Z FES TIVA L

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DIE TER MEIER & OUT OF CH AOS 13.11. BE ACH HOUSE 1 4 .11. GR E ATES T HIT S U. A . MIT LIIM A [ TATU RÖNK KÖ & EF TER K L A NG ] , FENNESZ UND BEN FROS T 19.–2 2 .11.

HAFENKINO FR 06 Wochenenden in der Normandie (OmU) FR 13 Frank (OmU) SO 15 Mediterranea (OmU) FR 20 Victoria SO 22 Aus unerfindlichen Gründen (OmU) FR 27 Buenos días, Prinzessin (OmU) SA 28 Liebe mich !

M ARY OCHER 29.11. A NN A VON H AUSSWOLFF

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SM A LL BE AS T #18: X Y LOUR IS W HITE / INSEC T AR K / PAUL WA LLFISCH 0 4 .12 . SOPHIE HUNGER 13.12 . K AMPNAGEL HAMBURG TICKETS 040 270 949 49

FR 20 11 GROSS! halle_02 hd

JOSe GOnZaleZ StIff lIttle fInGerS MO 23 11 ALTERNATIVE POP maImarKthalle ma alt-J MI 25 11 GARAGE halle_02 ClUB hd fIndlaY MI 25 11 ROCK! radIO haVanna DO 26 11 BLUESLEGENDE SaVOY BrOWn SA 21 11 PUNKROCK KULT AUS BELFAST!

feat. KIm SImmOndS

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Bild: Sophie Hunger

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01.12.2015 / DI

Vetusta Morla "La Deriva"-Tour

13.12.2015 / SO

Dota & Band

"Keine Gefahr"-Pre-Release-Tour

07.01.2016 / DO

Götz Widmann "Solo"-Tour 2016

02.02.2016 / DI

Che Sudaka Cumbia, Ska & Punk

26.02.2016 / FR

Falk

"Smogsehnsucht"-Tour

Wallbaumweg 108 44894 Bochum Tel.: 0234 / 687 16 10 www.bahnhof-langendreer.de

SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

Do. 05.11. 20:00 Uhr

STEAMING SATELLITES RIVERSIDE

02.11. MO

OLLI SCHULZ & BAND

03.11. DI

FATHER JOHN MISTY

05.11. DO

ARCHIVE

08.11. DI

[DUNKELBUNT] LIVE / MELA

12.11. DO

TOCOTRONIC

13.11. FR

HERRENMAGAZIN

17.11. DI

ALEXA FESER

18.11. MI

DONOTS / THE BABOON SHOW

20.11. FR

THE SLOW SHOW

21.11. SA

JOHN BRAMWELL (I AM KLOOT)

Mo. 16.11. 19:00 Uhr

22.11. SO

THEES UHLMANN LIEST AUS: „SOHPIA, DER TOD UND ICH“

Mi. 18.11. 19:00 Uhr

23.11. MO

THE SECRET HANDSHAKE TOUR: LANGTUNES / RAMZAILECH

24.11. DI

FAT FREDDY‘S DROP

26.11. DO

RANGLEKLODS

28.11. SA

WANDA / DISASTER IN THE UNIVERSE

29.11. SO

GREGOR MEYLE

04.12. FR

SIZARR

07.12. MO

SCOTT MATTHEW

08.12. DI

M. WALKING ON THE WATER

09.12. MI

RHONDA

17.12. DO

GROSSSTADTGEFLÜSTER

19.12. SA

KATZENJAMMER (JAHRHUNDERTHALLE HÖCHST)

Fr. 06.11. 19:00 Uhr

Mit: LION SHEPHERD & THE SIXXIS

So. 08.11. 19:00 Uhr

MADSEN

Special guest: MONTREAL

Do. 12.11. 19:00 Uhr

STRATOVARIUS Mit: GLORYHAMMER, DIVINE ASCENSION

Fr. 13.11. 19:00 Uhr

DIARY OF DREAMS Support: THE BEAUTY OF GEMINA

ASD MONSTERS OF LIEDERMACHING DANKO JONES Do. 19.11. 19:00 Uhr

Special guests: Dead Lord & 77

Do. 26.11. 19:00 Uhr

BILDERBUCH THE LEVELLERS So. 29.11. 19:00 Uhr

Support: BAD CARDIGAN

Mi. 02.12. 19:00 Uhr

THE SUBWAYS Alter

Schlachthof

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Karlsruhe

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Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

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TERMINE AB NOVEMBER 2015

nov15

deerhunter

So 01.11.15

The Whiskey FoundaTion

di 03.11.15

CurTis harding

Fr 06.11.15

roger & sChu & keno

Sa 07.11.15

sea & air

Mo 09.11.15

Ferris MC

Mi 11.11.15

BuilT To spill

So 15.11.15

asd

Mo 23.11.15

TonBandgeräT

Prêt à écouter Mo 16.11. deerhunTer Mi 18.11. The Jon spenCer Blues explosion do 19.11. The sloW shoW Fr 20.11. ariel pink Sa 21.11. paper aeroplanes di 24.11. alex Vargas & Ciaran laVery Mi 25.11. rangleklods do 26.11. kodiak deaThBeds Fr 27.11. liaM x Sa 28.11. daVid Moore Mo 30.11. Birdpen

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Mo. 09.11.2015 | Live Music Hall, Köln

Mi. 11.11.2015 | Live Music Hall, Köln

03.11. BROTFABRIK 20:00 RON SEXSMITH

di. 10.11.2015 | Live Music Hall, Köln (Verlegt aus dem palladium)

do. 19.11.2015 | e-Werk, Köln

07.11. ZOOM 20:00 DARWIN DEEZ

10.11. STADTHALLE OF 20:00 EDITORS

03/11 STEAMING SATELLITES 05/11 DAME 06/11 ANTI-FLAG, RED CITY RADIO, TROPHY EYES, THE HOMELESS GOSPEL CHOIR 08/11 ITCHY POOPZKID 10/11 MARTIN JONDO 11/11 FZW POETRY SLAM 12/11 SDP *AUSVERKAUFT 15/11 EUROPEAN OUTDOOR FILM TOUR 18/11 BOY *AUSVERKAUFT 20/11 EMIL BULLS - AKUSTIKKONZERT 21/11 EMIL BULLS - ROCKSHOW 22/11 FZW INDIE NACHT: DISASTER IN THE UNIVERSE, PAUW, LEN SANDER 24/11 OM, CIRCUIT DES YEUX 25/11 WANDA - AUSVERKAUFT 27/11 LEAFMEAL FESTIVAL 29/11 TIMI HENDRIX 03/12 FZW INDIE NACHT: JONAS ALASKA, LEYYA 05/12 E SPORTS FOR EVERYONE 06/12 E SPORTS FOR EVERYONE 07/12 THE WAVE PICTIRES, FAI BABA, DRALMS 09/12 GHOST 11/12 DIETER THOMAS KUHN 12/12 MATTEO CAPREOLI 16/12 MARSIMOTO WESTFALENHALLE 3A 20/12 GUILDO HORN & DIE ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE 26/12 HONIGDIEB 27/12 WEEKEND 05/01 MIKE SINGER & ADO KOJO 09/01 PYOGENESIS 14/01 MAJOE 15/01 SEA + AIR 22/01 FEINE SAHNE FISCHFILET 23/01 CITIZEN 25/01 BUDDY BUXBAUM & DIE HAUDRUFF CATS LIVE 30/01 STEFANIE HEINZMANN 03/02 HARD ACTION 05/02 ERIK COHEN 10/02 JORIS 12/02 BLACK STONE CHERRY 13/02 BOLLMER - NACHHOLTERMIN 14/02 MOTRIP, JOKA 18/02 VON BRÜCKEN 24/02 HERRENMAGAZIN 29/02 NAMIKA 06/03 JURI SCHEWSTSCHUK 09/03 SARAH AND JULIAN

d

02.11. ZOOM 21:00 HIATUS KAIYOTE

09.11. BROTFABRIK 20:00 JOHN SOUTHWORTH

16.12. Marsimoto

p

16.11. MOUSONTURM 21:00 ENNO BUNGER 19.11. BROTFABRIK 20:00 OLIVER POLAK 20.11. STADTHALLE OF 20:00 YEARS & YEARS 23.11. GIBSON 20:00 LIANNE LA HAVAS

CaB FOR CutIe CuLCHa CaNdeLa deatH special guest: Chastity Belt special guest: Soundbar

tHe WOMBatS Mi. 11.11.2015 | e-Werk, Köln

tOCOtRONIC special guest: Sarah & Julian

special guest: antilopen Gang Mo. 16.11.2015 | palladium, Köln special guest: Mammut do. 19.11.2015 | palladium, Köln

Fr. 20.11.2015 | Mitsubishi electric Halle, düsseldorf

Mo. 07.12.2015 | palladium, Köln

08.12. MOUSONTURM 20:00 CHARLOTTE ROCHE 08.12. ZOOM 20:00 ERRDEKA

GRIMeS special guest: Hana

special guest: the twilight Sad

Fr. 20.11.2015 | palladium, Köln

07.12. BATSCHKAPP 19:00 RAE SREMMURD

So. 21.02.2016 | Live Music Hall, Köln

do. 12.11.2015 | Mitsubishi electric Halle, düsseldorf (Nachholtermin vom 31.01.)

03.12. ZOOM 21:00 MISS PLATNUM

06.12. GIBSON 20:00 BILDERBUCH

BOY

Mo. 02.11.2015 | palladium, Köln

28.11. ZOOM 20:00 ROOSEVELT

05.12. ZOOM 20:00 THE UNDERACHIEVERS

e

special guest: Vindata

special guest: Sivert Høyem di. 15.12.2015 | palladium, Köln Mi. 16.12.2015 | Westfalenhalle 3a, dortmund

do. 17.12.2015 | palladium, Köln (aus der Lanxess arena verlegt)

10 JaHRe SeLFMade ReCORdS

KOLLeGaH • 257eRS • GeNetIKK FaVORIte • KaRate aNdI Fr. 29.01.2016 | palladium, Köln

FRaNK tuRNeR & tHe SLeepING SOuLS do. 04.02.2016 | König-pilsener-arena, Oberhausen + Mi. 10.02.2016 | Lanxess arena, Köln

10.12. ZOOM 21:00 ELLIOT MOSS 13.12. MOUSONTURM 21:00 PEACHES 29.01. ZOOM 20:00 ANGEL HAZE 01.02. BATSCHKAPP 20:00 THE MACCABEES 07.02. ZOOM 20:00 MOTRIP

Mi. 10.02.2016 | palladium, Köln

do. 11.02.2016 | palladium, Köln

dISCLOSuRe Fr. 19.02.2016 | palladium, Köln

So. 21.02.2016 | palladium, Köln

11.02. FESTHALLE F 20:00 DEICHKIND

Fr. 26.02.2016 | Mitsubishi electric Halle, düsseldorf

14.02. ZOOM 20:00 WOLF ALICE

Mo. 07.03.2016 | palladium, Köln (Nachholtermin vom 18.10.)

05.03. ZOOM 20:00 NATHANIEL RATELIFF

Fr. 18.03.2016 | König-pilsener-arena, Oberhausen + Sa. 19.03.2016 | Lanxess arena, Köln

13.03. ZOOM 20:00 SSIO

MtV unplugged in drei akten

25.04. GIBSON 20:00 SCOTT BRADLEE’S POSTMODERN JUKEBOX TICKETS MOUSONTURM: TEL 069.405.895-20 WWW.MOUSONTURM.DE INFOS BROTFABRIK: WWW.BROTFABRIK.INFO

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Sa. 19.03.2016 | Mitsubishi electric Halle, düsseldorf

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#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro No. 238 — 30.11.2015

Charlotte Roche, Alessia Cara, Fraktus, Shearwater, Lea Porcelain, mit Jan Böhmermann durch das Jahr 2015



17.12.2015 GRUGAHALLE ESSEN

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