Die Inselzeitung 05-2013

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ROTER TEPPICH INTERVIEW

AUSGABE 00 | MAI 2013

Die sympathische Kaffeenase mit Taktgefühl

exquito.com

Jemand, der eigentlich nichts mit Werbung am Hut hatte, steht plötzlich im Rampenlicht und wird zum bis heute wohl bekanntesten Gesicht, das die deutsche Werbung je gesehen hat. Wir sprachen mit dem Wahl-Mallorquiner Egon Wellenbrink – Nein, nicht über Kaffee, sondern über die Höhen und Tiefen eines wahrhaft abwechslungsreichen, kreativen Lebens.

Egon Wellenbrink, ein Mann mit vielen Facetten. Ihrer Meinung nach: Kennt man eher Ihren Namen oder eher Ihr Gesicht? Wenn sie vom ‚Status quo‘ ausgehen, würde ich fast sagen beides. Ich möchte aber anmerken, dass meine große Tochter Susanna schon weit vor mir bekannt war. Ende der 80er spielte sie mit 12 Jahren die Hauptrolle in der Serie „Eine glückliche Familie“ an der Seite von Maria Schell, Siegfried Rauch und Maria Furtwängler. Und dann trat ich irgendwann mal mit diesem Namen als „Kaffeenase“ auf den Plan. Die „Bild“ hatte 1993 eine Umfrage veröffentlicht, nach der ich als so genannter „Melitta-Mann“ bekannter als der Bundeskanzler gewesen sein soll. Nun, die Zeit ist auch an mir nicht spurlos vorüber gegangen: Die Haare grau, ein paar Falten sind auch da, aber natürlich gibt es immer wieder und immer noch Leute, die sagen „Hallo, den kenne ich!“. Und das ist gar nicht schlimm. Allerdings freue ich mich, dass ich mittlerweile Mallorca als persönlichen Rückzugsort gefunden habe. Es ist schwierig, Sie beruflich zu beschreiben: Moderator, Produzent, Werbe-Ikone, Musiker. Was ist Ihnen selbst am Liebsten? Es kommt immer auf den Focus an. Für mich gab es drei Lebensabschnitte, die mich hinsichtlich meines Jobs geprägt haben. Zum einen natürlich die Zeit in München. Als Berufsmusiker war ich dreieinhalb Jahre mit Roy Black on tour. Das war nicht immer einfach, denn wir alle waren nicht wirklich dem Schlager zugetan, mein Herz beispielsweise hing vielmehr an Jazz, Funk und Rock. Aber es war gut bezahlt. Trotzdem war irgendwann für mich Schluss. Ich ging zu Radio Bremen, war dort als Ablauf-Regisseur tätig, später auch vor der Kamera als Wetterfrosch „Egon Wetterbring“. Auf jeden Fall war gerade die Arbeit hinter

der Kamera für mich ungeheuer wichtig und wertvoll. Ich lernte Leute, wie Hape Kerkeling, Jutta Speidel oder Margarete Schreinemakers kennen, Menschen, mit denen ich bis heute gut befreundet bin. Als ich dann einige Zeit das Wetter moderiert hatte, meldete sich eines Tages eine Werbeagentur von „Melitta“. Ich schickte einige der besten Wettermoderationen ein, ohne allerdings zu ahnen, was da auf mich zukommen würde. Tja, letztlich wurden daraus zehn Jahre Fernseh-Werbung für den Kaffeeund Filtertüten-Hersteller. Rückblickend betrachtet: War es das Beste, was Ihnen beruflich passieren konnte? Absolut! Die Zeit hat Spaß gemacht, aber sie ist vorbei. Der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger war als Autor der Spots tätig. Haben Sie noch Kontakt? Ja, zum letzten Mal trafen wir uns, als er den „Münchhausen-Preis“ erhalten hat. Ich durfte auch eine Laudatio halten und habe ihm zu Ehren ein Saxofon-Stück live gespielt. Vor zwei Jahren war mal Ihre Biographie im Gespräch. „Ohne Filter“ ist bislang nicht erschienen, dafür aber die Geschichte von “Bimmy dem roten Riesenkänguruh” – woran liegt es? Ist Egon Wellenbrink sprunghaft, wie ein Känguruh? (lacht) Ja, das ist er! Wobei man berücksichtigen muss, dass das rote Riesenkänguruh schon seit über 12 Jahren springt. Es gab Probleme mit dem Verlag, so dass es mit der Veröffentlichung länger gedauert hat. Ich stürze mich gern in Dinge und schaue dann, was daraus wird. Man kann mich in keine Schublade stecken. Neben dem Schreiben habe ich beispielsweise auch mal einen Mallorca-Film produziert. Oder aber

eine Art Entspannungs-cD, ebenfalls mit Aufnahmen und Eindrücken der Insel. Irgendwie fehlten für die Projekte ein anständiges Marketing. Aber was soll's? Ich sitze hier entspannt in meinem Studio und habe gelernt, mich keinem Druck mehr aussetzen zu müssen. Aber die Entscheidung, ob das Buch mit den vielen intimen Details veröffentlicht wird, muss ich bald fällen... Sie verbringen einen Großteil des Jahres auf Mallorca. Was fasziniert Sie an dieser Insel? Mallorca, das ist Licht, das tiefe Blau des Himmels, das Türkis-Blau des Wassers, das Grün der Pinien. All das bedeutet für mich Lebensqualität. Natürlich liege ich hier nicht ständig in der Sonne. Aber es ist ein angenehmeres Arbeiten, man kann sich hier länger und entspannter mit anstehenden Aufgaben beschäftigen, als man es im hektischen Betrieb einer Großstadt könnte oder tun würde. Was kritisieren Sie an Mallorca? Was ganz sicher fehlt, ist das Bewusstsein vieler Politiker und Unternehmer für Recht und Unrecht. Ein Politiker hat, verdammt nochmal, nicht in seine eigene Tasche zu wirtschaften. Er soll gutes Geld verdienen, aber er soll und muss das Volk vertreten und eben nicht korrumpierbar sein. Öffentliche Gelder sollten zudem sinnvoller eingesetzt werden. Und schließlich funktioniert das spanische Motto „no te preocupes“ - „mach’ Dir keine Sorgen“ im Sinne von „es wird schon“ - nicht immer. Ihre Tochter Susanna aus erster Ehe steht mittlerweile selbst vor der Kamera, sogar Ihre Enkelin war schon zu bewundern. Wie ist der Vorschlag damals von Ihnen aufgenommen worden? Ich hatte damals zunächst gar nichts von Sus-

annas Fernseh-Präsenz mitbekommen, da ich mich von meiner ersten Frau getrennt hatte und in Bremen lebte und arbeitete. Irgendwann kam eine Redaktionsassistentin zu mir und sagte, dass meine Tochter in der Serie „Eine glückliche Familie zu sehen sei. Meine Frau und ich hatten beide das Sorgerecht, und so flog ich nach München, um meiner Frau und Susanna die ganze Sache auszureden. Ich habe mir dann einen ganzen Tag lang die Aktionen am Set angesehen. Die Kleine hatte ihren eigenen Spielplatz, vor allem keinen Stress und war begeistert von der Zusammenarbeit mit den großen Stars, wie Maria Schell oder Siegfried Rauch. Das Textlernen machte ihr keine Probleme, sie hatte Spaß. Ganz kleinlaut bin ich wieder zurückgeflogen. Wie ich heute weiß, war es die richtige Entscheidung für Susanna. Wie haben Sie bei Ihrer Enkelin reagiert? Gleiche Geschichte. Obwohl hier die Situation eine andere war. Letztlich hat es ihr Spaß gemacht, aber leider hatte sie auch mit Mobbingattacken in der Schule zu kämpfen. Ich denke, Kinder sollten von sich aus sagen, was sie wollen – aber erst dann, wenn sie sich tatsächlich auch eine Meinung bilden können. Meine Kinder aus zweiter Ehe machen das ganz gut. clarissa, sie ist 17, interessiert sich sehr für Mode, vielleicht wird mal eine Beruf daraus. Und Nico bastelt mit 20 derzeit an seiner Musikerkarriere. Er ist ein wunderbarer Musiker und ein genialer Komponist und Texter. Sie sind in Wolfsburg geboren – was sagen Sie zum aktuellen Bundesliga-Geschehen? Ich muss zugeben, durch meine Zeit in München war ich lange Bayern-Fan und bin es heute wieder. Allerdings gleich im ersten Jahr in Bremen hat mich ein Redaktionskollege zu einem Spiel Werder gegen Bayern mitgenommen, und ich entdeckte meine Begeisterung für die Bremer. Aber so ganz kann ich mich dem Erfolg von Bayern München nicht entziehen. Dennoch fiebere ich auch mit, wenn meine Heimatstadt Wolfsburg aufläuft. Gut, Diego läuft auch nicht mehr so, wie früher, aber insgesamt ein toller Kader. Aber im Moment ist bei mir Bayern angesagt. Auf welche Projekte von Egon Wellenbrink darf man sich in absehbarer Zeit freuen? Mal ehrlich, in zwei Jahren steht eine „7“ vor meinem Alter, da wird man entspannter und ruhiger. Aber es geht weiter. Musik und Schreiben, „sowohl als auch“ – das beschreibt meine Pläne schon sehr gut. Marc Fischer, exquito.com

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