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Rudolf Günter
Rudolf Günter Beat Ettlin
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Zusammenfassung Die technischen und ingenieurbiologischen Massnahmen nach dem katastrophalen Unwetterereignis von 1930 zeigen sich als dauerhaft. Auf einem grossen Teil der ehemaligen Erosionsfläche stockt heute ein artenreicher Niederwald. Der restliche Teil ist bestockt durch einen Fichtenwald. Die Überwachung und Pflege der Fläche sowie die Sanierung von Anrissen ist eine Daueraufgabe damit die begrünte Fläche langfristig gesichert bleibt. Eine Herausforderung für die Zukunft ist die Überführung des Niederwalds in einen stufigen Wald mit Kernwüchsen und die Anpassung an den Klimawandel.
Keywords Hangsicherung, Ingenieurbiologie, Weiserfläche, Buochser Ribi
Buochser Ribi – 80 ans de mesures du génie biologique
Les mesures techniques et de génie biologique prises après les intempéries catastrophiques de 1930 s’avèrent durables. Sur une grande partie de l’ancienne surface d’érosion, on trouve aujourd’hui un taillis riche en espèces. La partie restante est peuplée d’une forêt d’épicéas. La surveillance et l’entretien de la surface ainsi que l’assainissement des fissures sont des tâches permanentes afin que la surface végétalisée soit assurée sur le long terme. Un défi pour l’avenir est la transformation du taillis en une forêt étagée avec des essences centrales et l’adaptation au changement climatique.
Motsclés Consolidation des versants, génie biologique, placettes témoins, Buochser Ribi
Buochser Ribi 80 anni di misure di ingegneria naturalistica
Riassunto Le misure tecniche e di ingegneria naturalistica adottate dopo la catastrofica tempesta del 1930 si stanno dimostrando durature. Gran parte dell'ex superficie di erosione è ora coperta da un bosco ceduo ricco di specie. La parte restante è coperta da una foresta di abeti rossi. Il monitoraggio e la manutenzione dell'area, così come il risanamento di fessure e distacchi incipienti, sono un compito permanente per garantire che l'area inverdita rimanga sicura a lungo termine. Una sfida per il futuro è la conver-
Abbildung 1: Original handgezeichnete Skizzen von Oberförster Max Kaiser. Links «Buochser Ribi» vor der Verbauung 1931 und rechts «Buochser Ribi» nach der Verbauung um ca. 1960 (Quelle: Oberforstamt NW, 1945). Figure 1 : Croquis originaux dessinés à la main par le garde forestier en chef Max Kaiser. A gauche, le « Buochser Ribi » avant son aménagement en 1931 et à droite, après son aménagement vers 1960 (source : Oberforstamt NW, 1945).
sione del bosco ceduo in un bosco climax con piante alto fusto e l'adattamento ai cambiamenti climatici.
Parole chiave Stabilizzazione di pendii, Ingegneria naturalistica, Superfici testimone, Buochser Ribi
Einleitung
Seit über 80 Jahren wird die "Buochser Ribi" am Buochserhorn im Kanton Nidwalden mit technischen und ingenieurbiologischen Massnahmen verbaut, aufgeforstet und gepflegt. Es war eine Pionierleistung verbunden mit viel schweisstreibender Arbeit. Der nachfolgende Bericht möchte die Arbeiten würdigen, die Entwicklung der Vegetationen zeigen und einen Blick in die Zukunft geben. Topographie und Geologie
Das Bouchserhorn mit einer Höhe von 1806m ü.M. besteht aus Kalksteinschichten über einem Flyschsockel. Der Nordwesthang oberhalb von Buochs im Bereich von 600–1700m ü.M. ist eine steile von Lawinenzügen und Gräben durchzogene Bergflanke. Bis ca. 1100m ü.M. findet man Moränenablagerungen des Reussgletschers, auf sandig-mergeliger Unterlage des Flyschs. Es gibt grosse Bodenunterschiede zwischen den mässig-steilen Moränenlagen und den schroffen Steilhängen der Kalkformationen (Böll 1988).
Massnahmen 1932 bis heute
Nach dem katastrophalen Unwetter vom 1. Juli 1930 startete man nach zwei Jahren Planungs- und Vorbereitungsarbeiten mit der Sicherung der Bachrunse und der Seiteneinhänge an der «Buochser Ribi». Für die Gerinne-


Abbildung 2 und 3: Links: Tief eingekerbte Runsen. (Foto: Oberforstamt NW), rechts: Sicherung der tief eingekerbten Runsen mit Holzkästen (Foto: Oberforstamt NW). Figure 2 et 3 : A gauche : ravins profondément creusés (photo : Oberforstamt NW), à droite : consolidation des ravins profondément creusés avec des caissons en bois (photo : Oberforstamt NW).
Abbildung 4: «Buochser Ribi» orographisch rechte Seite nach 12 Jahren Verbauarbeiten. Hangstabilisierung und systematische Wasserableitung. Das Trassee der Rollbahn ist teilweise bereits zurückgebaut (Foto: Oberforstamt NW, 1945). Figure 4 : « Buochser Ribi » côté droit orographique après 12 ans de travaux de consolidation. Stabilisation du versant et évacuation systématique de l’eau. Le tracé du chemin est déjà en partie démonté (photo : Oberforstamt NW, 1945).
und Runsensicherung wurden aus dem nahegelegenen «Alperose-Dessli» geeignete Kalksteine gewonnen. Auf einer 900 m langen Rollbahn wurden die Steine in die Ribi transportiert. Das grosse Problem für die Verbauarbeiten war die Steilheit des Geländes. Dies erforderte Arbeiten am Seil und mit Steigeisen. Auch Sprengungen waren für den kompaktesten Bereich zur Erstellung des Trassees nötig. Jede Nische wurde für Holz- oder Steinkästen zur Hang- sicherung ausgenutzt (s. Abb. 2). In den Einhängen der «Buochser Ribi» wurden Stützmauern aus Rundholz und Steinblöcken eingebaut und rund 1 m hoch überdeckt. Die Verbauung der Runsen inklusive Begrünung mit Stecklingen, Pflanzungen von Weiden (Salix viminalis) und Weiss- erlen (Alnus incana) sowie Heublumensaaten dauerten 30 Jahre. Bis 1977 waren weitere Ergänzungsprojekte im Hangverbau notwendig (Böll 1988).
Beim Unwetter vom 16.–17. August 1981 haben Erdrutsche Teile der alten Holzkasten- und Entwässerungsbauten zerstört. Mit Drahtschotterkörben sicherte man umgehend die abgerutschten Hangpartien. Auch einzelne Sperren in der Bachrunse wurden bei diesem Ereignis beschädigt. Mit einem durchgehenden Sperrenvollverbau (vorwiegend Stahlbeton) konnte die Rutscheinhänge stabilisiert und die Situation langfristig verbessert werden (Barmettler 2014).


Abbildung 5: 30 Jahre später. Junger Mischwald im Aufwuchs. Die Wasserableitungen sind nicht mehr zu erkennen (Foto: EAFV, 1975). Figure 5 : 30 ans plus tard. Jeune forêt mixte en phase de croissance. Les dérivations des eaux ne sont plus visibles (photo : EAFV, 1975).
Abbildung 5: 77 Jahre später. Die Fichten haben sich gut entwickelt, die Laubbaumarten wurden die letzten 16 Jahre zweimal auf den Stock gesetzt (Foto: AWE, 11.04.2022). Figure 5 : 77 ans plus tard. Les épicéas se sont bien développés, les essences feuillues ont été mises sur pied deux fois au cours des 16 dernières années (photo : AWE, 11.04.2022).

Aufforstungen und Pflegemassnahmen
Die ersten Aufforstungsmassnahmen der Ribieinhänge begannen wenige Jahre nach den technischen Massnahmen ab 1935. Bis 1963 wurden rund 4 ha aufgeforstet. Die ersten Pflegemassnahmen sind erst seit 1994 dokumentiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass man die Weidenstecklinge periodisch auf den Stock gesetzt hatte. Die Einhänge der «Buochser Ribi» sind auch für den heutigen Forstdienst eine grosse Herausforderung. Das Gelände ist steil, schwer zugänglich, Steinmauern und -körbe, die bis zur Oberfläche reichen erschweren die Pflegearbeiten. Deshalb wurde die letzten 25 Jahre für die steilsten Partien im direkten Gerinneeinhang auf Stockausschlag gesetzt, um möglichst viel Licht auf den Boden zu bringen, keine schweren Bäume (mögliche Gefahrenträger) aufkommen zu lassen und ein möglichst dichtes, unterirdisches Wurzelwerk zu erhalten. Die Bestockungen werden periodisch alle 8 Jahre auf Teilflächen (0.5 ha) zurückgeschnitten. Erfahrungsgemäss ist dies der letzte Zeitpunkt, in dem der Rückschnitt noch sicher im motormanuellen Verfahren ausgeführt werden kann. Der Aushieb wird jeweils quer zum Hang abgelegt und der natürlichen Zersetzung überlassen. Es hat sich gezeigt, dass mit dem 8 Jahre Turnus (Ausführungszeitpunkt Frühling) nach dem Eingriff die Stöcke ausgeschlagen haben und das liegengelassene Material sich bis zum nächsten Eingriff zersetzt hat.
Überwachung und aktueller Zustand
Im Jahr 2013 hat der Forstdienst für die «Buochser Ribi» eine Kontrollfläche (0.5 ha) nach NaiS eingerichtet. Beobachtungsschwerpunkte auf dieser Fläche sind Bodenverletzungen, das Verhalten von schweren Bäumen in Steilhängen und die Entwicklung der Vegetation. Die Dokumentation zeigt, dass keine neuen Bodenverletzungen aufgetreten sind, die Stockausschläge funktionieren und die Streu gut abgebaut wird. Die Feldbegehung im März 2022 hat ergeben, dass mit dem nächsten Eingriff weitere 2 Jahre zugewartet werden kann. Damit wird der Eingriffsturnus von 8 auf 10 Jahre erhöht. Zwischen den Stockausschlägen haben sich einige Fichten (Picea abies) und Weisstannen (Abies alba) vermehrt. Einzelne Weisstannen sind bereits dem Äser des Schalenwildes entwachsen. Die Stockausschläge der Eschen (Fraxinus excelsior) funktionieren. Besorgniserregend ist jedoch, dass 100% der Eschen vom Eschentrieb- sterben betroffen sind. Kernwüchse weiterer Baumarten konnten keine festgestellt werden. Blick in die Zukunft und offene Fragen
Wenn sich die Weisstanne zusammen mit der Fichte weiterhin so gut verjüngt, wird sich in Zukunft auf der aktuellen Niederwaldfläche ein Hochwald etablieren. Der Niederwald hätte somit als Übergangsphase gedient. Erwünscht wären auch Kernwüchse von Bergahornen (Acer pseudoplatanus), um eine stufige Struktur zu bekommen. Diese fehlen, da mit dem aktuell praktizierten Niederwaldsystem keine Kernwüchse aufkommen können. Ein Lösungsansatz könnte eine stützpunktartige Pflanzung sein. Die Beobachtung, dass das Wachstum der Stockausschläge sich eher verlangsamt hat, könnte ein Zeichen sein, dass die Vitalität der Stockausschläge abnimmt. Ein Verlust der Vitalität würde sich bestimmt auch auf das Wurzelwerk auswirken. Es stellt sich hier die Frage, ob für die Überführung in einen stufigen Hochwald noch genügend Zeit zur Verfügung steht. Auch dem Klimawandel ist Beachtung zu schenken. Neue Erkenntnisse aus der Forschung werden deshalb mit grossem Interesse verfolgt.
Fazit
Die Überwachung und Pflege der Fläche sowie die Sanierung von Anrissen ist eine Daueraufgabe, damit die begrünte Fläche langfristig gesichert bleibt. Eine Herausforderung für die Zukunft ist die Überführung des Niederwalds in einen stufigen Wald mit Kernwüchsen und die Anpassung an den Klimawandel.
Literaturverzeichnis Barmettler, R. (red.) 2014: Naturgewalten am Buochserhorn. Buochs: Genossenkorporation, 2014. Böll, A., 1988: Forstliche Arbeitsgruppe für Wildbach- und Hangverbau. Kurs Oktober 1988 Stans NW. Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswesen.
Kontaktadressen
Beat Ettlin Landwirtschafts- und Umweltdirektion Amt fur Wald und Energie Stansstaderstrasse 59 Postfach 1251 6371 Stans 041 618 40 52 beat.ettlin@nw.ch Rudolf Günter Landwirtschafts- und Umweltdirektion Amt fur Wald und Energie Stansstaderstrasse 59 Postfach 1251 6371 Stans 041 618 40 53 rudolf.guenter@nw.ch


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