INFORMER MAGAZINE JUN 2015

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INFORMER 2015 · JUNI

Der EBE-Skandal:

WIE EIN KARTENHAUS

ZUSAMMENFÄLLT

Immer mehr Vorwürfe gegenüber Ex-EBE-Chef Klaus Kunze geraten ins Wanken. Neue Beweise zeigen ein anderes Bild.

Sind entsetzt über das Vorgehen von Remondis: Nils Holtkamp (li.) und Klaus Kunze landet man bei 1.015.979,41 Euro – darunter rund 400.000 Euro für die „überhöhte Vergütung“ und die Beauftragung von Harald Hoppensack als IT-Berater. Dem gegenüber stehen nach Medienberichten rund 1,7 Millionen Euro, unter anderem für besagte Gutachten, um dem Ex-Geschäftsführer Versäumnisse nachzuweisen. Der private Minderheitsgesellschafter Remondis hatte diese mit Nachdruck verlangt. „Da fragt man sich doch, warum die EBE diese Gutachten in Auftrag gegeben hat. So etwas sollte man doch lieber den Ermittlungsbehörden überlassen, wenn sie Klärungsbedarf haben“, sagt Rechtsanwalt Nils Holtkamp, der Klaus Kunze vertritt. Ein guter Betriebswirt wird

nun denken: Da stimmt doch etwas nicht! Und in der Tat: Der wirkliche Skandal lässt sich wohl nicht an einer Handvoll Fußballkarten, Dienstwagen und einem Beratervertrag festmachen. Eher an Sachverhalten, die bislang noch nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Mittlerweile hat die Stadttochter ihre Forderung gegenüber Klaus Kunze bereits deutlich heruntergeschraubt.

Nahm ein Remondis-Vorstand Kunzes Ehefrau ins Visier?

„Es ist ein ganz blödes Gefühl. Ich bin darüber krank geworden. Denn so etwas bleibt nicht in den Kleidern hängen. Sie fühlen sich so hilflos, weil sie so viel zu sagen hätten und es scheinbar keiner hören möchte“, die Worte Kunzes, sie klingen ganz anders, wenn man Folgendes bedenkt: Thomas Conzendorf, Mitglied des Vorstands von Remondis und im EBE-Aufsichtsrat, soll in einer internen EBE-Besprechung Folgendes formuliert haben: Er setze darauf, dass Herr Kunze schon einknicken würde – spätestens dann, wenn seine Frau den öffentlichen Druck nicht mehr aushalte. Das würde am Ende beide zermürben. So wurde es der Redaktion von einem Informanten bestätigt, der beim Gespräch dabei war. Conzendorf äußerte sich auf Rückfrage nicht zur Thematik. Ebenfalls liegen uns Informationen über ein mehrseitiges Schreiben der EBE-Geschäftsführung vor, unterzeichnet vom Remondis-seitigen Geschäftsführer Georg Jungen. In ihm würden die Arbeit der Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei im sogenannten EBE-Skandal diskreditiert, um es freundlich auszudrücken. Was fehlt, ist die Unterschrift von Dirk Miklikowski, bis vor kurzem noch stadtseitiger Interims-Geschäftsführer der EBE. Sollte mit diesem Schreiben der Versuch unternommen werden, die Ermittlungsbehörden unter Druck zu setzen – womöglich soweit, dass andere Ermittler eingesetzt werden sollen? Schließlich wird ein Verfahren nach dem anderen im sogenannten EBE-Skandal eingestellt, zuletzt die gegen Oberbürgermeister Reinhard Paß und seinen frühen Büroleiter Uwe Gummersbach. Substanziell ist nicht mehr viel übrig vom Skandal. Fragt sich nur, was der Rest den Steuerzahler noch kosten mag.

Hunderte Beweismittel nach Jahren plötzlich aufgetaucht

Den INFORMER MAGAZINEN liegen darüber hinaus aktuelle Informationen vor, dass angeblich erst jetzt Hunderte von E-Mails zur Arbeit von Harald Hoppensack aufgetaucht sind, der als IT-Berater für die EBE tätig war. Seitens Remondis wurde ihm unterstellt, dass er nicht für sein Honorar gearbeitet habe, sondern lediglich

Alibi-Rechnungen an die EBE gestellt und kassiert habe. Besagte E-Mails seien der Staatsanwaltschaft Essen seinerzeit ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt worden. Und auch nicht dem Gutachter Trinavis, der die geleistete Arbeit von Harald Hoppensack bewertet. Ihm lagen lediglich 34 durch ihn versendete E-Mails zugrunde. „Doch das ist eben ein Bruchteil meiner E-Mails. Ich habe mehr als 1000 E-Mails geschrieben, bei denen ich zur Kenntnis fast immer auch den zuständigen Hauptabteilungsleiter B. in Kopie gesetzt habe“, betont der Ex-Berater. Hoppensack habe nach eigenen Angaben bis zu neun Projekte innerhalb der EBE betreut. Ob Trinavis Foto: Entsorgungsbetriebe Essen

Er war schnell gehoben, der moralische Zeigefinger, der auf Klaus Kunze, Harald Hoppensack und viele andere zeigte – im Rahmen der sogenannten Affäre um die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE). Am Ende nahm Geschäftsführer Kunze freiwillig seinen Hut, konnte und wollte den öffentlichen Druck nicht weiter ertragen. „Ich habe immer im Sinne der Gesellschaft gehandelt und mir nichts zuschulden kommen lassen“, betonte der geschasste EBEChef mehrfach im Gespräch mit den INFORMER MAGAZINEN. Nun, wo sich die Teile im großen EBE-Puzzle allmählich zusammenfügen, wird das Bild immer klarer. Das Kartenhaus, die Vorwürfe gegen ihn, geraten immer mehr ins Wanken. Mindestens drei Gutachten wurden in Auftrag gegeben, um Verfehlungen beim früheren EBE-Chef zu nachzuweisen. Doch die ersten beiden Gutachten, das von „Esecon“ und das von „Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner“ belasteten Kunze offenbar nicht ausreichend und erreichten somit nicht das avisierte Ziel. Erst ein drittes Gutachten, das von „Trinavis“, passte den Auftraggebern anscheinend besser. Alleine jenes letzte Gutachten, das die EBE in Auftrag gegeben hatte, schlägt mit 143.574,05 Euro brutto zu Buche. Summiert man alle Forderungen gegenüber Klaus Kunze, die das zu 51 Prozent städtische Unternehmen noch beziffert,

Scheint mit der Arbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei unzufrieden: EBE-Geschäftsführer Georg Jungen seitens der EBE absichtlich nur ein Teil der EMails vorgelegt wurde – und ebenso der Staatsanwaltschaft? Sind ihr die weiteren Gutachten

bekannt, die die EBE in Auftrag gegeben hatte? Dies muss nun zwingend rechtlich geklärt werden.Unter Berücksichtigung der bislang fehlenden umfangreichen E-Mail-Korrespondenz dürfte die Bewertung der Arbeit Hoppensacks jedenfalls in einem ganz neuen Licht stehen: Beweisen sie, dass Hoppensack – wie von ihm abgerechnet – für die EBE tätig war, dürfte die Forderung der Stadt-Tochter gegen ihn gegen null laufen. Und auch der größte Einzelposten an Forderungen von Klaus Kunze wegbrechen. „Es ist schon ein starkes Stück, dass die Gutachter von ihrem Auftraggeber nicht mit den notwenigen Unterlagen versorgt wurden“, betont Rechtsanwalt Holtkamp. Das Gutachten dann aber ungeprüft in ein Zivilverfahren einzuführen, „da muss man sich aber schon Gedanken über die rechtliche Würdigung machen. Gleiches gilt, wenn man über mehrere Gutachten verfügt, die den gleichen Themenkreis beschreiben und man nur das Gutachten vorlegt, das nach dem eigenen Gusto, was den vermeintlichen Schaden angeht, das bessere ist. Und man muss die Frage stellen: Was sollte damit bezweckt werden?“ Dass die EBE und Remondis „unfassbar viel Geld“ in die strafrechtliche und zivilrechtliche Verfolgung von Klaus Kunze und Co. investieren würden – als milliardenschweres Unternehmen – und dann auch noch versuchen, die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung ihrer Ziele vor ihren Karren zu spannen: „Das wäre schon perfide und zeigt von einer bemerkenswerten Rechtsauffassung“, so Holtkamp. Die Staatsanwaltschaft dürfte sich dafür interessieren, warum ihr nur ein Bruchteil der Daten seitens der EBE für ihre Ermittlungen bereitgestellt wurde. Es dürfte ebenso die Aufgabe des EBEAufsichtsrats und seines Vorsitzenden Roman Brüx sein, Ordnung ins Chaos zu bringen. Und dafür zu sorgen, dass auch wirklich alle Unterlagen auf den Tisch und in die Hände der Ermittlungsbehörden kommen. Ein Beitrag von Pascal Hesse.

Zur Person: Harald Hoppensack Schon lange bevor Harald Hoppensack für die SPD in den Rat der Stadt Essen einzog, war er als IT-Berater und Interims-Manager nicht nur für städtische Unternehmen tätig. Er blickt zurück auf 40 Jahre EDV- und Organisationserfahrung, zählt in seinem bisherigen Berufsleben namhafte Unternehmen wie die frühere Ruhrgas AG, Volkswagen, nach der Wende die TREUHAND, den VRR, die Stadtwerke Essen und die Messe Essen zu seinen Kunden. Bevor er beruflich kürzer trat und nur noch freiberuflich tätig war, führte er bis 2004 als Geschäftsführender Gesellschafter ein IT-Unternehmen mit bis zu 25 Mitarbeitern. Bei der EBE sollte er die IT „auf Vordermann bringen“, wie Hoppensack selbst sagt. Er habe einen großen Papierbetrieb auf digitale Abläufe umgestellt, z. B. im Winterdienst, beim Containerdienst, in der Rechnungslegung und in vielen anderen Bereichen, zu-

letzt noch bei der SEPA-Umstellung. Die Erhöhung seines Tagessatzes von 1008 Euro auf 1500 Euro habe mit der gestiegenen Verantwortung als Interims-Manager in der IT zu tun. „Die Honorarempfehlung des Berufsverbands der Deutschen Interims-Manager lag bei 3600 Euro pro Tag. Ich habe 50 Prozent dieser Summe als Grundlage für mein Angebot genommen. Klaus Kunze wollte aber nur 1500 akzeptieren“, so Hoppensack. Dass von seinen zuletzt angefangenen Projekten, in die viel Arbeit, Geld und Aufwand investiert wurde, nun offensichtlich keines mehr seitens der EBE weiter verfolgt wird, „ist sehr bedauerlich und sicher nicht im Sinne der Kosteneffizienz“, so der frühere Berater.

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