HILCONA Sonderdruck Verfahrenstechnik 2022

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April 2022 www.verfahrenstechnik.de

€ 12,50

HÖCHSTE QUALITÄTSSTANDARDS Hersteller von Convenience-Food setzt auf SAP MES zur Produktionssteuerung

SONDERDRUCK


T IT EL I DIGITALISIERUN G

Höchste Qualitätsstandards Hersteller von Convenience-Food setzt auf SAP MES zur Produktionssteuerung

Im Rahmen einer Digitalisierungs­initiative in der Produktion hat der Lebensmittelhersteller Hilcona ein zukunftsfähiges Manufacturing Execution System (MES) eingeführt. Verschiedene Insel­lösungen wurden abgelöst und die System­ landschaft vereinheitlicht. Dank Know-how-Transfer durch das beteiligte SAP-Projekthaus IGZ kann das System nun nahezu eigenständig weiter ausgerollt und angepasst werden.

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it der Einführung eines Manufacturing Execution System (MES) hat die Hilcona AG als Lebensmittelhersteller im Bereich Frische-Convenience unternehmensweit einen neuen Standard für alle Herstellungsprozesse und Standorte geschaffen. Ohne jeglichen Papiereinsatz ermöglicht die durchgängige Digitalisierung seither ein lückenloses Monitoring sowie die Online-Rückverfolgbarkeit und -Dokumentation der Produktentstehung aller Produktionsprozesse in Echtzeit. 1935 als Konservenfabrik gegründet, ist Hilcona mit seinen rund 2.000 Mitarbeitenden seit 2017 Teil der Bell Food Group. Das Produktspektrum umfasst unter anderem Pasta und Saucen, Tiefkühlkost, Fertiggerichte, vegane und vegetarische Alternativprodukte sowie Konserven und Sandwiches. Produziert wird am Hauptsitz in Schaan im Fürstentum Liechtenstein, in den Schweizer Orten Orbe und Landquart sowie im deutschen Bad Wünnenberg.

Gewachsene Strukturen haben zunehmend limitiert Angesichts steigender Nachfrage nach frischen Convenience-Waren unterlag die Produktion einem täglichen Stresstest. Das lag in erster Linie an einer Vielzahl unterschiedlicher Softwarelösungen und war langfristig nicht mehr abzufangen. Es existierte kein flächendeckendes, einheitliches erschienen in  VERFAHRENSTECHNIK 2022/04

MES für alle Bereiche, die papierbasierte Auftragsabwicklung war fehleranfällig und Rückmeldungen erfolgten stets zeitversetzt. Zudem mangelte es an Transparenz bei der Verwaltung der Bestände. Eine durchgängige Rückverfolgbarkeit war nur mit hohem manuellem Aufwand gewährleistet. Mit einem Alter von mehr als 15 Jahren hatten die proprietären Systeme zudem den gesetzten End-of-Life-Status erreicht. Ferner konnten notwendige Anpassungen und Erweiterungen der bestehenden Lösung nicht in Eigenregie durchgeführt werden. Zu groß war den Verantwortlichen die Abhängigkeit von externen Partnern.

Standardisiertes MES für alle Prozesse und Standorte Es bestand also großer Handlungsdruck. „Wir haben 2017 gemeinsam mit der IGZ, dem SAP-Projekthaus für Produktion, begonnen, die Implementierung von SAP MII vorzubereiten“, berichtet HilconaProjektleiter Martin Steiner. Bei der geplanten Einführung eines einheitlichen, standardisierten MES stand neben der Ablösung der veralteten Subsysteme der Umstieg von papiergeführter auf eine softwarebasierte, automatisierte Produktionssteuerung im Fokus. Angestrebt wurden eine harmonisierte Systemlandschaft, in Verbindung mit deutlichen Qualitäts- und

Effektivitätssteigerungen – unter anderem durch Online-Prozessverriegelung und -kontrolle. Das zu implementierende MES sollte ein bereichsübergreifendes Echtzeit-Monitoring und die Anbindung und Visualisierung von Maschinenzuständen ermöglichen, um einheitliche Kennzahlen (KPI und OEE) für alle Werke zu etablieren. Ziel war auch, bereichs- und standortübergreifend kontinuierlich Verbesserungspotenziale identifizieren und erschließen zu können.

MES-Pilot als Wegbereiter Auf Basis der durch IGZ durchgeführten Einsatzanalyse, die als Entscheidungsgrundlage dafür diente, das ambitionierte Projekt gemeinsam anzugehen, wurde die SAP-MES-Einführung in Schaan und Orbe konzeptioniert. Nach Abschluss des gemeinsam erarbeiteten Migrationskonzepts auf Basis eines Phasenmodells fiel im dritten Quartal 2018 der Startschuss zur Implementierung von SAP MII (Manufacturing Integration and Intelligence) für einen Piloten in der Füllungsherstellung in Schaan. Dort werden verschiedene Rohstoffe wie Spinat, Käse und Pesto für die weitere Verarbeitung bereitgestellt. Grundlage war ein MES-Basis-Template für die Batchfertigung. Einen Schwerpunkt bildete neben der Ablösung des bestehenden Verwiegungssystems die Waa-


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gen-Integration mittels der IGZ-BestPractice-Lösung „Weighing + Dispensing“ sowie eine umfassende ERP-Integration. Weiterhin kamen für die Online-SAPMES-Auftragsdurchführung und -Steuerung das IGZ-Best-Practice „Flow + Pack“ für eine bestmögliche Prozessintegration zum Einsatz. Dank der Integration produktionsrelevanter Dokumente wie Herstell-, Rüst- und Reinigungsanweisungen sind die papierlose Auftragsabwicklung und Dokumentation heute täglich gelebter Standard bei Hilcona. Das IGZ-BestPractice „Order Cockpit“ optimiert die Auftragsfeinsteuerung, inklusive Rüstund Reinigungssteuerung und ermöglicht kurzfristig auf unvorhergesehene Ereignisse während der Produktion zu reagieren. Mittels mobiler SAP-MES-Interfaces wurde darüber hinaus eine optimierte Nachschubapplikation und Bestandsführung realisiert. Dem SAP MES obliegen zudem das Monitoring und die Versorgung der Fertigung mit Rohmaterialen.

Roll-outs auf weitere Bereiche und zusätzliche Standorte Anfang 2020 startete dann der Roll-out des Piloten auf weitere Abteilungen in Schaan sowie auf den Produktionsstandort Orbe. Auf Grundlage des vorhandenen SAPMES-Basis-Templates wurden dediziert Funktionen erweitert, zum Beispiel wurde

die Usability des MES-Systems weiter ver01 Die MES-gestützte Überwachung von Verwiegetoleranzen und Chargen­ bessert – unter anderem für die Abteiluneigenschaften sichert die Produktqualität gen Präparation und Teigherstellung sowie für die Gewürzaufbereitung. 02 Dank SAP MES gelingen auch bei sehr Im nächsten Schritt wurde das Basiskleinen Losgrößen dynamische AuftragsTemplate für die Fließfertigungsprozesse wechsel mit kurzen Rüstzeiten für Frische-Pasta in Schaan erweitert. Der vorhandene Non-SAP-Leitstand konnte als eine der ersten Maßnahmen abgelöst werden. Durch den SAP-MII-Leitstand sind heute sämtliche Anlagen und Maschinen wie „Dank der skalierbaren Prozesswagen, PrimärAnlagenintegration und Sekundärauszeichner können die Bediener ihre sowie weitere Teilanlagen Maschinen heute eigeninnerhalb des Fließfertiständig konfigurieren. gungsprozesses vereinDer Einsatz mobiler heitlicht. Das IGZ-BestTechnologien ermöglicht Practice „Fill + Pack“ dienzudem zahlreiche neue te hier als Projektbeschleuniger. Über die Perspektiven für die hochdynamische MaschiZukunft.“ nenintegration wurde eine Martin Steiner, Visualisierung der AnlaProjektleiter, Hilcona AG genverfügbarkeit mittels Leitstand bis zum Zustand einer jeden einzelnen Maschine umge- Dank SAP MES werden in Schaan nun setzt. Derzeit betrifft das rund 120 Maschi- auch Prozessparameter wie Drehzahl, nen, darunter Checkweigher, Metalldetek- Temperatur und Programme bereitgetoren und Sterilisationseinheiten. stellt. Parallel dazu werden die Rückmeldungen zu Prozesswerten auf Basis durchPerspek­tivisch peilt Hilcona an, etwa 200 Maschinen einzubinden. Entsprechend geführter Aufträge online in Echtzeit ergroß ist die Anzahl an Arbeitsplätzen und zeugt. Das können Gutmengen, Ausschuss und/oder Ist-Zeiten sein. Dank Schaffung bereichsspezifischen Stammdaten. erschienen in  VERFAHRENSTECHNIK 2022/04


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SAP MES überträgt die aktuellen Einstellund Maschinenparameter auf die Produktionsanlagen

Effizienz und Ergonomie gesteigert Die Online-Benutzerführung garantiert Prozess­sicherheit, und durch die Automatisierung tendieren manuelle Dateneingaben gegen Null. Das SAP MES sorgt bei Hilcona zudem für einen bedarfsgerechten Produktionsnachschub und für Rückverfolgbarkeit bis auf die Ebene von Einzelgebinden. Die papierlose Produktion und herstellungsbegleitende Prüfungen sichern dabei die Qualität der hergestellten Lebensmittel. Die Abkehr von stationären Dialogen hin zu mobilen Anwendungen hat darüber hinaus die Arbeitsergonomie und -effizienz spürbar und messbar gesteigert. einer durchgängig bereinigten und komplettierten Datengrundlage ist Hilcona darüber hinaus bereits heute in der Lage, die KPI- und OEE-Ermittlung nach Weihenstephaner Standard inklusive Auswertung und Monitoring sowie Reporting via IGZBest-Practice „OEE 4.0“ zu nutzen – bereichs- und standortübergreifend. Der Weihenstephaner Standard wurde von einem Arbeitskreis, bestehend aus Maschinenbauern, Anlagenlieferanten, IT-Systemhäusern unter Führung der Technischen Universität München (TUM) am Lehrstuhl für Lebensmittelverpackungstechnik in Weihenstephan entwickelt.

Mannlos fertigen und begleitend prüfen Anfang 2021 erfolgte unter anderem der Roll-out der Fließfertigung in Orbe (Sandwich und Frisch-Pizza) sowie in weiteren Abteilungen am Standort Schaan. Zudem wurden die Basis-Templates für Batchund Fließfertigung erweitert. Insbeson­ dere standen produktionsbegleitende Qualitätsprüfungen mittels QM-Funktionen im SAP MES im Fokus der erfolgreichen Einführung. Da diese im Non-SAPERP-System nicht vorhanden waren beziehungsweise nicht genutzt wurden, übernimmt das SAP MES heute eigentliche ERP-Applikationen wie die Prüfplanung, -erfassung und -auswertung. Zudem wurde das Maschinenintegrationskonzept um eine mannlose Fertigung erweitert bezieerschienen in  VERFAHRENSTECHNIK 2022/04

hungsweise vorbereitet, das heißt, Maschinen und MES agieren interaktiv ohne Eingriffe von Mitarbeitenden. Darüber hinaus konnten spezifische Prozessanforderungen integriert werden, zum Beispiel Hygienisierung, Wellenbildung zur Produktionsversorgung, Dekantieren und vieles mehr. Im Rahmen der engen Zusammenarbeit fand ein stetiger Know-how-Transfer von IGZ in das SAP-MES-Kernteam von

Eigenständig in die Zukunft Durch die Implementierung von SAP MII in der Produktion profitiert Hilcona von einer offenen, skalierbaren Systemlandschaft. Ein hohes Maß an Unabhängigkeit ist dabei sichergestellt. Als Folge des Know-how-Transfers durch IGZ kann weitestgehend eigenständig agiert werden,

SAP MES sichert höchste Qualitätsstandards in der Lebensmittelindustrie ­ il­cona statt. Dank dieses Train-the-TraiH ner-Prinzips konnten die bereichsspezifischen Key-User sukzessiv eigenes Wissen aufbauen, um zukünftig weitere Anpassungen und Roll-outs auf Basis der verfügbaren Templates weitestgehend in Eigenregie vornehmen zu können. Das verschafft Hilcona ein hohes Maß an Flexibilität, um das System beispielsweise selbst anzupassen. Die Abhängigkeit von externen Partnern konnte so stark reduziert werden. Parallel erfolgte durch die ­Hilcona-Experten der Aufbau von ERPStammdaten in Anlehnung an die Rollout-G eschwindigkeit. Eventuelle Risiken bei der Einführung des SAP MES können damit weiter minimiert und der strategische Roll-out sicherer gestaltet werden.

zum Beispiel bei den anstehenden Rollouts in den Werken Landquart und Bad Wünnenberg. „Durch die Digitalisierung der Produktion mittels SAP MES können wir flexibel auf die sich ändernden Marktanforderungen reagieren. Wir sind sehr gut für die Zukunft gerüstet“, bilanziert ­Hilcona-Projektleiter Steiner. IGZ sei nicht nur ein erfahrener Partner für SAP MII, sondern auch ein zuverlässiger Logistik­ experte. Davon profitieren könne Hilcona bei der geplanten Zusammenführung der Produktionslogistik mit SAP EWM (SAP Extended Warehouse Management) und der SAP-MES-basierten Fertigungssteuerung. Fotos: IGZ

www.igz.com/sap-manufacturing


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