miju #21

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28 du liest miju #21 // Juni '17

Als Poysdorfer Weingut, das in dieser Stadt einen Heurigen hat, muss man diese heimische Traditionsmarke einfach anbieten können«, ist die Weinmanagerin überzeugt, und das entgegen aller Lehre. »Eigentlich hieß es auf der Hochschule, man soll das Sortiment reduzieren, wir haben aber mit dem Poysdorfer Saurüssel unser Sortiment sogar noch erweitert, er musste sein.« Für die Neustifters war es eine Gefühlssache: »Weil der Poysdorfer Saurüssel zu Poysdorf gehört, genauso wie wir, also machen wir mit.« Und manchmal unterscheidet sich die Theorie ja doch von der Praxis. Denn im Ausland ist es tatsächlich klug, nur wenige Sorten erklären zu müssen, aber der heimische Weintrinker kennt, erwartet und schätzt die österreichische Vielfalt.

Zeitlos

Noch so eine Erweiterung des ohnehin schon breiten Sortiments war die Stockkultur. »Das war eine Gegenidee zum Jungweintrend«, sagt Monika. »Der flaut eh wieder ab, aber damals war es extrem.« Nicht dass sie keinen Jungwein machen, den gibt es auch bei Neustifter, aber

dieses strikte Schwarz-weiß-Denken und Einfordern, dass der neue Jahrgang schon zu Silvester abgefüllt sein soll, dem wollte die Familie eine deutliche Antwort setzen. Deshalb hat Karl Neustifter damals gesagt, er wolle einen Wein ohne Ablaufdatum. »Der Grüne Veltliner Stockkultur liegt ein Jahr im Fass, deshalb kann der Jahrgang nie aktuell auf den Markt kommen und somit ist die Zahl auf dem Etikett irrelevant«, macht Monika klar. Die Idee, so einen Wein ohne Ablaufdatum aus einer Stockkultur zu ernten, kam erst als Nächstes. Ganz und gar zurück zum Ursprung, das Alte gegen den Jungwein. Stockkultur ist eine uralte Methode, Rebstöcke zu erziehen. Man findet solche Weingärten heute kaum mehr, auch Familie Neustifter musste erst eine Stockkultur anlegen, um ihre Idee zu verwirklichen. Wie der Begriff schon vermuten lässt, werden dabei die Reben auf Stöcken oder Pfählen bei einer sehr hohen Pflanzdichte erzogen. Da dabei die Trauben weit unten hängen und maschinelle Bearbeitung im Weingarten fast nicht möglich ist, revolutionierte Lenz Moser in den 1950er-Jahren mit Aufkommen von Traktoren den Wein-

bau und entwickelte die heute übliche Hochkultur. Diese Erziehungsmethode lässt den aufrechten Gang bei der Ernte zu, anstatt zu kriechen, sowie den Einsatz von Maschinen. Schließlich musste sich die Familie daranmachen, dem herausragendsten Veltliner ihres Sortiments eine würdige Verpackung zu geben. Die Kellerkatze als Symbol für das Alte, Traditionelle wurde kunstvoll in Szene auf die dickwandige Burgunderflasche gebracht. Mittlerweile gibt es von der Stockkultur fünf Jahrgänge. »Weinkenner verstehen, dass das eine ganz andere Welt von Veltliner ist«, sagt Monika. Und die verstehen ebenso, dass ein derartiger Wein, entstanden in einer Stockkultur und geworden nach einem Jahr im Holz, keine 10 Euro kosten kann. 90 Euro sind es vielmehr. Der teuerste Veltliner in Österreich. Eine befremdliche Preisklasse für den 5-Euro-Wein-verwöhnten Weinviertler. »Manche in Poysdorf haben den Kopf geschüttelt und meinen Vater für irre erklärt. Aber das haben sie schon, als wir den Keller hier oben gebaut haben, damals haben ernsthaft manche gedacht, mein Vater ginge bald ins Irrenhaus«, schmunzelt die junge Neustifter mit


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