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Zwischen gestern und morgen
from Journal 2021
Über Transparenz und Sichtweisen in Kunst und Entrepreneurship
Von Thomas Fuhlrott
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© STUDIO MAIX MAYER
Entrepreneurship als künstlerische Tätigkeit, der Entrepreneur als Künstler. Dieser Gedanke liegt allen Unternehmungen der Projektwerkstatt zugrunde. Auch wenn die Welten von Wirtschaft und Kunst kaum zusammenpassen – für die
Welten von Entrepreneurship und Kunst gilt das Gegenteil. „Unser wahres Analphabetentum ist das Unvermögen, kreativ schöpferisch tätig zu sein“, sagte der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser.
Unsere Vorstellungskraft, unsere Ideen, die Kombination von Gedanken sind unbegrenzt. Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass unserer Kreativität Grenzen gesetzt sind.
Der Publizist Bernd Guggenheimer war der Überzeugung, erst die Kunst ermögliche hinter der Welt des Faktischen die gewaltige Welt des Möglichen. Eine Welt mit unentdeckten Potenzialen und möglichen Irrtümern. Doch was sehen Künstler und Künstlerinnen, was andere nicht sehen? Im Gegensatz zu realen Prozessen, zu Bewertungen von Qualität, Preis oder Funktionalität wirkt Kunst emotional, virtuell oder transzendent. Als Mittel der Kommunikation offenbarte Kunst oft, was nicht gesagt oder gezeigt werden durfte. Kunst überwindet jedes Gefängnis, sie zeigt uns die Vergangenheit und weist in die Zukunft.
Eine spezifische Art gesellschaftliche Prozesse sichtbar, sprich transparent zu machen, entwickelte der durch nationale und internationale Ausstellungen bekannte Leipziger Künstler Maix Mayer. Während wir allgemein davon ausgehen, jede Gegenwart habe ihre Vergangenheit, schaut Maix Mayer genauer hin. Ihn interessiert, wie man sich in der Vergangenheit, als diese noch Gegenwart war, die Zukunft, also die heutige Gegenwart, vorstellte. Bevorzugter Gegenstand seiner Arbeiten ist die Architekturgeschichte der 1960er und 1970er Jahre, eines Zeitraums seiner eigenen Jugend und persönlichen Erfahrung. Mit Erstaunen stellen wir beim Betrachten der Arbeiten fest: Die Bilder von der Zukunft, im Hier und Jetzt angekommen, entsprechen oft nicht den damaligen in der Architektur manifestierten sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Visionen. Zwischen diesen Zeitpolen macht Maix Mayer Prozesse sichtbar, die an vielen Stellen völlig anders liefen als gedacht und eine gewisse Unplanbarkeit von Zukunft aufzeigen. Jeder, der schon einmal einen Businessplan gemacht hat, wird diese Erkenntnis bestätigen können. Zoom inzwischen vertraut. Für Besprechungen, Vorlesungen, Seminare, Verkostungen oder das Gespräch mit Freunden sind sie zu einem Teil unseres Lebens geworden. Oft gestatten uns die Bilder auf dem Bildschirm einen flüchtigen Blick in das private Umfeld der Teilnehmenden, eine Wand, ein Möbelstück, eine Zimmerdecke oder ein Fenster, oft mit ungünstigem Gegenlicht. Beliebt sind auch Hintergründe von Traumstränden oder der Blick in den Weltraum. In einem dieser Zoom-Treffen äußerte ein gemeinsamer Freund sein Bedauern darüber, dass seit vielen Monaten alle Schwimmbäder geschlossen seien. Sofort kam Maix Mayer eine Idee. Er verschickte an alle Freunde das Bild eines Schwimmbades und zwar eines besonderen: des wirklich beeindruckenden Pools des Cliff Hotels in Sellin auf Rügen. Kein Wunder, handelt es sich hier doch um das Werk des Ingenieurs und Architekten Ulrich Müther. Dessen Markenzeichen waren Schalenkonstruktionen aus Beton, mit denen Müther, für die DDR unüblich, seinen Gebäuden schon in den 1960er Jahren avantgardistische Formen verlieh. Vor diesem Hintergrund trafen wir uns alle mit Schwimmbrille, und so entstand mit den Screenshots des Zoom-Meetings die Dokumentation „zoom ein – zoom aus“ als Geschenk und Trost für den verhinderten Schwimmer, als Erinnerung an gemeinsame virtuelle Abende und als schönes Beispiel, wie Kunst unseren Alltag immer wieder verändern kann.
Maix Mayer geb. 1960 lebt und arbeitet in Leipzig, vertreten durch die Galerie eigen + art, Berlin, Leipzig http://artbook.studio
