Ausstellung: Arbeit und Leistung

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Kunst als politisches Statement

Teil 3: Arbeit & Leistung

Ein Projekt des Kurators Hubert Thurnhofer www.kunstsammler.at


Kunst als politisches Statement

Teil 3: Arbeit & Leistung

Waltraud Zechmeister "Leistung gleich null" Mischtechnik, 70 x 90 cm

„Wer im Bedingungslosen Grund-Einkommen nur Geld sieht, erkennt in einer Stradivari nur Brennholz“, sagt Helmo Pape, einer der Initiatoren des Volksbegehrens für ein BGE, das noch bis Jahresende läuft. Kurator Hubert Thurnhofer hat 20 KünstlerInnen um Statements zu dem Thema gebeten - online abrufbar auf www.kunstsammler.at

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Silvia Ehrenreich "Zukunftsaussicht" Collage, 50 x 60 cm Alfred Melchert "Coronita" Öl auf Leinwand, 150 x 50 cm

Roboter und Künstliche Intelligenz übernehmen immer mehr Aufgaben und deshalb befürchten viele Menschen, dass uns die Arbeit ausgeht. Manche Parteien fordern daher Arbeitszeitverkürzung, andere ein Recht auf Arbeit. Immer wieder wird auch das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als Lösung für dieses Problem genannt. Diese Idee hat viele Befürworter, aber auch viele Gegner. In den vergangenen zwei Jahrhunderten hat sich der Begriff der Arbeit massiv verändert: von der Bürde des Menschen, für deren Verringerung die Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts gekämpft haben, bis zu einem höheren Wert, den die heutigen Gewerkschaften für ein Recht, ja sogar ein Menschenrecht halten. Diese Haltung impliziert die Überzeugung, dass Lohnarbeit unsere unabdingbare Existenzgrundlage ist und dass jeder Mensch das Recht auf angemessen bezahlte Arbeit hat.

Heidrun Karlic "Arbeit" Acryl auf Leinwand, 60 x 50 cm

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Michael Bottig "Das Fehlen der Ordnung der Dinge" Öl auf Wandkarte, 180 x 250 cm

ANAIS ANAIS Anna Athitaki "Ypatia, the great Scientist and Author" Draht, Zement, Holz, Höhe 109 cm

Ein Arbeitsplatz, der die Existenz sichert, ist bis heute conditio sine qua non aller Gesellschaftssysteme. Doch im Unterschied zur Aufbaugeneration nach dem 2. Weltkrieg, die sich Jahr für Jahr ein besseres Leben erarbeiten konnte, werden die Chancen der „Generation Praktikum“ immer schlechter, sich durch Lohnarbeit eine eigene Existenz aufzubauen. Die Bürde des Arbeitsplatzes besteht heute nicht mehr darin, Schwerarbeit zu verrichten – das machen Roboter mittlerweile besser – sondern im Kampf um die bessere Position auf der Karriereleiter. Human Ressource Manager behaupten: wer die bessere Leistung erbringt, der bekommt die bessere Anstellung. Diese Einstellung ist idealistisch, aber unrealistisch. Tatsache ist, dass Herkunft und Protektion wesentlich größere Bedeutung für eine erfolgreiche Karriere spielen, als die erbrachten Leistungen. Dies gilt nicht nur für staatliche und staatsnahe Unternehmen und Organisationen. Die tief verankerte Einstellung, dass wichtige Arbeit hoch bezahlt wird, somit im Umkehrschluss niedrig bezahlte Jobs unwichtig sind – diese Logik des höheren Lohns für höhere Leistungen - ist nicht nur antiquiert, sie ist auch menschenverachtend.

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Eva Meloun “Turmbau zu Babel” Mischtechnik, 70 x 60 cm

CAVIART Stella Chaviaropoulou "Work with our Hands and Minds" Öl auf Leinwand, 100 x 50 cm


Regina Merta "Was passiert jetzt", Acryl auf Leinwand, 70 x 90 cm Reinhard Fuchs "Brettl vorm Kopf" Mischtechnik, 70 x 50 cm

Das klassische Beispiel der gering bezahlten Reinigungskräfte zeigt, wie unsinnig und unwürdig diese Einstellung ist, wenn man diese Menschen mit hoch bezahlten Finanzspekulanten vergleicht. Es wird keine Welt geben, in der man auf Reinigungskräfte verzichten kann, dagegen könnte man auf Finanzspekulationen sehr leicht verzichten. Leider ist diese Vorstellung für Politiker unserer Zeit „undenkbar“, da sie das bestehende System für „alternativlos“ halten. Doch das ist ein anderes

Thema. Hier geht es um die essenzielle Fragen: Was ist Arbeit? Was ist Leistung? Unser bestehendes Sozialsystem setzt Arbeit mit Lohnarbeit gleich. Lohn setzt Abhängigkeit voraus – entweder vom Arbeitgeber, oder nach einer Kündigung die Abhängigkeit vom staatlichen Sozial system, das beim Entfall geregelter ArbeitsLeistungen Sozial-Leistungen erbringt. Nicht selten werden Arbeitslose als Sozialschmarotzer mit mangelnder Leistungs-

Bereitschaft diffamiert. Das bestehende System bedingt diese Denkungsweise, unsere Denkungsweise bedingt das System. Arbeit neu gedacht bedeutet: Arbeit ist jede Form einer verantwortungsvollen Tätigkeit. Die Leistung der Kinder- und Altenbetreuung ist, wenn sie privat und mit Liebe erbracht wird, nach heutigem Verständnis keine Arbeit, während sie ausgeübt von einem Sozialarbeiter selbstverständlich zur Arbeit wird. Nataliya Elmer "Kolonie" Öl auf Leinwand, 70 x 160 cm

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Schar Rudolf "AMS", Aquarell, 37 x 55 cm

Christine Nyirady "I am still your Joker", Collage 10 x 6,5 cm

Maralo Alois Maringer "There is Light at the End of the Tunnel" Mischtechnik, 85 x 125 cm

Jagoda Lessel "Die Arbeitssuchenden" Acryl auf Leinwand, 80 x 60 cm

Ella Kleedorfer-Egger "Die Tänzerin" Acryl auf Leinwand, 80 x 60 cm


Rosa Parz "Inntöne Jazzfestival 2020" Rechtes Bühnenbild, 170 x 90 cm

Dies lässt sich auf hunderte Beispiele ausweiten. Der angestellte Kommentator einer Zeitschrift erbringt eine Arbeit, während ein unbekannter Blogger für Kommentare der gleichen Qualität, also für vergleichbare Leistungen, keinen Cent verdient und somit nicht als „Leistungsträger“ anerkannt wird. Neben der gesellschaftlichen Anerkennung geht es auch um die Anerkennung gleichwertiger Leistungen als Existenzgrundlage. Leistung neu gedacht bedeutet: Leistung ist jedes Ergebnis verantwortungsvoller Tätigkeiten, die der Gesellschaft dienen. Wer mit guten Ideen oder durch sein Wirken einen Beitrag für mehr Schönheit, Glück und Wohlbefinden anderer Menschen leistet, muss ebenso als Leistungsträger anerkannt werden wie traditionelle Arbeiter in Fabriken oder Ärzte, Lehrer und Manager. Die Begriffe Arbeit und Leistung müssen im 21. Jahrhundert neu gedacht werden. Die Vorstellung der "Arbeit im Schweiße deines Angesichtes" (Mose 3, 19) ist alttestamentarisch und entspricht nicht mehr den Wirklichkeiten und den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts. Wer den freien Menschen als Ideal einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft sieht, muss sich die Frage stellen: wie kann die Gesellschaft, wie kann ein Staat dieses Ideal der Freiheit gewährleisten? Das bedingungslose Grundeinkommen bietet darauf eine Antwort. Es soll nicht eingeführt werden, um bestehende Errungenschaften unseres Sozialsystems abzuschaffen, sondern um diese aufzuheben, im dialektischen Sinne: auf eine höhere Stufe zu heben.

Astrid Sodomka"Intarsie 2021", Videostill

Das BGE impliziert nicht nur die Anerkennung, sondern auch die Gewährleistung des Artikel 1 der Menschenrechtserklärung: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Raphael Reichert "On Labour and Caring", Videostill

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