TAZ- Unterstützte armenische Forschung

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16.08.12

Unterstützte armenische Forschung: Die türkischen Oskar Schindler - taz.de

12.03.2012 9
Kommentare UNTERSTÜTZTE
ARMENISCHE
FORSCHUNG

Die
türkischen
Oskar
Schindler Die
Hrant­Dink­Stiftung
in
Istanbul
sucht
„Gerechte“
aus
der Zeit
des
Völkermordes
an
den
Armeniern.
Ein
Gespräch
mit
dem Genozidforscher
Taner
Akcam. VON
JÜRGEN
GOTTSCHLICH

Auf
houshamadyan.org
wird
systematisch
alles
zusammengetragen,
was
über einzelne
frühere
armenische
Dörfer
oder
Gemeinden
aufzutreiben
ist.
 Bild:

screenshot
houshamadyan.org

Es
ist
keine
große,
aber
doch
eine
illustre
Runde,
die
sich
letzte Woche
in
einem
Kulturzentrum
in
Istanbul
zu
einer
ganz
besonderen Veranstaltung
versammelte.
Unter
der
Teilnahme
bekannter Publizisten
und
Akademiker
vergibt
die
Hrant
Dink
Foundation,
die Stiftung
des
vor
fünf
Jahren
ermordeten
armenisch­türkischen Journalisten
und
Menschenrechtler
Hrant
Dink,
an
diesem
Abend einen
Preis,
der
aus
politischen
Gründen
nicht
Preis
genannt
wird, sondern
etwas
umständlich
„Unterstützung
für
historische
Studien“. Es
geht
darum,
wie
Alper
Öktem,
einer
der
Hauptsponsoren
für
den Preis,
erklärt,
„Recherchen
zu
unterstützen,
bei
denen
nach Menschen
gesucht
wird,
die
während
des
Völkermords
an
den Armeniern
1915
Menschenleben
gerettet
haben.
Die
Suche
nach
den türkischen
Schindlers
quasi.“
Alper
Öktem,
der
in
Bielefeld
lebt
und dort
als
Arzt
tätig
ist,
verbindet
damit
die
Hoffnung,
„noch
andere Ebenen
zu
finden,
um
über
die
Tragödie
des
armenischen
Volkes
im Osmanischen
Reich
zu
reden,
als
nur
immer
über
den
Streit:
war
es ein
Völkermord,
ja
oder
nein“. Er
ging
mit
seiner
Idee
zur
Hrant­Dink­Stiftung
in
Istanbul,
die
sich generell
damit
befasst,
armenisches
Leben
im
Osmanischen
Reich wieder
im
Bewusstsein
der
heutigen
türkischen
Gesellschaft
zu verankern,
und
lief
dort
nur
offene
Türen
ein.
Alper
Öktem
gab
das Geld
für
die
Anschubfinanzierung
eines
Fonds,
und
erstmals
im letzten
Jahr
konnte
eine
von
der
Hrant­Dink­Stiftung
ausgesuchte Jury
einige
tausend
Euro
zur
Unterstützung
eines
Buchprojektes bereitstellen,
bei
dem
positive
Beispiele
aus
dem
damaligen militärischen
und
bürokratischen
Apparat
dargestellt
werden. Der
diesjährige
Preisträger
ist
Vahe
Tachjian,
ein
junger
armenischer Wissenschaftler
aus
dem
Libanon,
der
über
das
Alltagsleben
der Armenier
im
Osmanischen
Reich
vor
dem
Ersten
Weltkrieg
forscht. Er
hat
eine
Website
eingerichtethttp://www.houshamadyan.org,
auf der
systematisch
alles
zusammengetragen
wird,
was
über
einzelne frühere
armenische
Dörfer
oder
armenische
Gemeinden
in
größeren Städten
aufzutreiben
ist.
Dabei
befragen
er
und
seine
Mitarbeiter zunächst
Nachkommen
armenischer
Flüchtlinge,
die
damals überlebten,
aber
gleichzeitig
hofft
Tachjian
auf
Reaktionen
aus
der türkischen
Zivilgesellschaft,
die
ja
auch
seit
einigen
Jahren
begonnen hat,
sich
der
Armenier
und
mancher
versteckter
armenischer
Wurzeln wieder
zu
erinnern. Der
Türke,
das
Böse Die
Laudatio
für
Vahe
Tachjian
hielt
in
diesem
Jahr
Taner
Akcam.
Der ist
der
wohl
bekannteste
türkische
Genozidforscher,
der
wegen seiner
eindeutigen
„Pro
Völkermord“­Position“
auch
nicht
an
einer türkischen
Universität
arbeiten
kann,
sondern
mittlerweile
einen Lehrstuhl
an
einer
amerikanischen
Universität
in
der
Nähe
von Boston
innehat.
Akcam
freut
sich
über
die
Initiative
Alper
Öktems
und der
Hrant­Stiftung,
weil
es,
wie
er
sagt,
„bislang
keine
seriöse Forschung
zu
diesem
Gebiet
gibt“. Das
hat
zwei
Gründe:
Von
türkischer
Seite
muss
man
ja
erst
einmal anerkennen,
dass
es
einen
Völkermord
gegeben
hat,
bevor
man
auf

www.taz.de/Unterstuetzte-armenische-Forschung/!89459/

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