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Gut gekauft, ist halb gekocht
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Désirée Klarer
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zVg
Die Akzeptanz von Convenience-Produkten wächst konstant. Auch in der Gastronomie. Zeitgemässe Convenience-Produkte sind oftmals frischer, gesünder und auch qualitativ hochwertiger, als manch einer vermuten mag. Sich gesund zu ernähren, ist auch ohne gute Kochkünste möglich.
Essen aus der Verpackung nehmen, in die Mikrowelle schieben, Knopf drücken und fertig ist das Mittagessen, der Snack zwischendurch oder das Abendessen. Convenience Food – also «bequemes Essen», das mindestens einen Verarbeitungsschritt hinter sich hat – erfreut sich in der Schweiz grosser Beliebtheit. Laut dem Jahresbericht 2020 der Swiss Convenience Food Association (SCFA) ist im Berichtsjahr der Verkauf von Konserven in Dosen, Gläsern oder Beuteln um 7,8 Prozent auf knapp 88 000 Stück gewachsen.
Das ist noch nicht so viel, bedenkt man, dass die Schweiz mehr als sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohner hat. Was jedoch viele nicht wissen: Zu ConvenienceProdukten gehören nicht nur hoch verarbeitete Lebensmittel wie Konserven und Fertiggerichte, sondern zum Beispiel auch vorgeschnittene Kartoff eln, Teigwaren, gerüstetes, abgepacktes Gemüse oder Salate.
Das Schweizer Fernsehen SRF geht im Bericht «Convenience Food – Wie Fertiggerichte unserem Körper schaden» davon aus, dass 80 Prozent der Lebensmittel, die Schweizerinnen und Schweizer verzehren, derzeit aus der Industrie stammen. Ob diese dem Körper jedoch schaden, wie der Titel des besagten Beitrages suggeriert, hängt davon ab, wie stark die Lebensmittel verarbeitet wurden und welche Zusatzstoff e sich darin befi nden (siehe Seiten 18 bis 21).
Paradigmenwechsel beeinflusst das Angebot der Convenience-Produkte
Hersteller jedenfalls tun gut daran, möglichst auf Zusatzstoff e zu verzichten. Zumindest, wenn sie weiter wachsen wollen. Gerade die jüngere Generation achtet heute stärker auf die Ernährung, sagt Ernährungswissenschaftlerin und Herausgeberin des Foodreports 2021 Hanni Rützler. «Das alte Paradigma war – neben dem Geschmack – vor allem von pragmatischen Faktoren wie Preis, Quantität, Sicherheit und Convenience geprägt. Das Konsumverhalten orientierte sich also überwiegend an relativ simplen Kosten-NutzenRechnungen.» Konsumentinnen und Konsumenten griff en primär zu Produkten, die einfach, schnell und praktisch waren. Also beispielsweise zu Fertig- und Tiefk ühlgerichten. Beim neuen Paradigma wiederum sei der Preis zwar nach wie vor ein zentrales Kaufk riterium, doch auch weichere Faktoren spielten eine gewichtige Rolle.
«Die Qualität eines Lebensmittels wird ganzheitlicher defi niert. Es geht neben sensorischen und hygienischen auch um ökologische, tierethische und soziale Aspekte.» Neu müssen Convenience-Produkte laut Hanni Rützler vor allem inspirierend, unterstützend sowie an Lebensstile und individuelle Bedürfnisse angepasst sein. Sie nennt Beispiele: «Dem neuen ErnährungsParadigma im Convenience-Bereich entsprechen etwa Meal-Kits oder Kochboxen.»
Diese Entwicklung spielte fi ndigen Gastronominnen und Gastronomen in die Hände, die während der beiden Lockdowns nicht nur Take-away-Essen anboten, sondern auch besagte Meal-Kits, die es Gästen ermöglicht, ihr Lieblingsgericht aus dem Restaurant mit wenigen Handgriff en selbst zu Ende zu kochen. Der aus der Not her- →



Ein Meilenstein im Bereich der Convenience-Produkte war die Erfi ndung der Konservendose. Diese wurde am 25. August 1810 vom britischen Kaufmann Peter Durand patentiert. In Konservendosen sind Lebensmittel gut geschützt und sehr lange haltbar.

Fertig zubereiteter Kartoff elsalat für die Gastronomie, wie es ihn beispielsweise bei Kadi oder Pistor zu kaufen gibt, gehört zu den tisch- und verzehrfertigen Convenience-Produkten (siehe «Gut zu wissen»).
Menschen ernähren sich heute bewusster Christine Schäfer, was ist Convenience Food? Christine Schäfer: Was man sicher sagen kann, ist, dass der Convenience-Bereich heutzutage sehr breit ist. Das geht von gesund und frisch zu extrem stark verarbeitet, ungesund und lange haltbar. Je nach Konsument wird Convenience somit unterschiedlich wahrgenommen. Haben die Menschen während der Corona- Pandemie vermehrt auf Convenience-Produkte zurückgegriffen?
«Während den Diese Frage kann man so pau-
Lockdowns hatten einige Menschen schal nicht beantworten. Ich würde eher sagen, dass es, vor allem während der Lockdowns, fast gar keine Zeit grob gesagt zwei Gruppen gemehr fürs Kochen.» geben hat. Die eine hatte aufgrund der Kurzarbeit plötzlich
Christine Schäfer viel mehr Zeit zum Kochen. AnResearcher und Speaker gehörige dieser Gruppe haben
Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) sich stärker mit der Ernährung befasst. Selber Brot backen, fermentieren, einmachen – dafür war auf einmal Zeit. Und die andere Gruppe? Zur anderen Gruppe gehören beispielsweise Familien mit schulpflichtigen Kindern. Die Eltern haben sich im Homeoffice wiedergefunden und mussten zudem die Kinder im Homeschooling unterstützen. Auf einmal fehlte nun die Zeit dafür, richtig zu kochen. Diese Menschen waren sicher eher auf Take-away -Angebote und Convenience-Produkte angewiesen. Welche Möglichkeiten haben sich dadurch für die Gastronomie geboten? Ich glaube, in der Gastronomie gab es einen recht hohen Anteil an Erstbestellungen. Neue Kundengruppen konnten erschlossen werden, die man davor nicht erreicht hat. Darunter sind sicher auch solche, die Convenience und Take-away nun als Option sehen. Diese Optionen scheinen kontinuierlich zu wachsen. Worauf könnte dies zurückzuführen sein? Zum einen spielt hier sicher der Alltag eine Rolle, der hektischer geworden ist. Wir versuchen, Arbeit, Familie, Freunde und Sport unter einen Hut zu bringen und wollen gleichzeitig nichts verpassen. Wir nennen es auch das FOMO-Syndrom, «The Fear of Missing Out» – also die Angst, etwas zu verpassen. Und zum anderen? Das Angebot an Alternativen ist grösser und vor allem vielseitiger geworden. Man muss sich nicht mehr gegen gesundes Essen entscheiden, um Zeit zu
Der Convenience- sparen. Man kann somit ohne schlechtes Gewissen auf selbst
Bereich ist in den gekochtes Essen verzichten. letzten Jahren stark gewachsen. Befassen sich die Menschen insgesamt stärker mit dem Thema
Christine Schäfer Ernährung? vom Gottlieb DuttMan kann sicher sagen, dass das Bewusstsein dafür, welchen weiler Institut, Einfluss die Wahl der Lebensmittel auf das Tierwohl oder die weiss, was die eigene Gesundheit hat, gewach-
Gründe dafür sind. sen ist. Die Leute wollen wissen, was sie ihrem Körper zuführen.
«Bei Convenience müssen sich die Konsumierenden nicht mehr zwischen gesundem Essen und Zeitgewinn entscheiden.»
Christine Schäfer, Researcher und Speaker, GDI Einige Hersteller haben bereits auf das gesteigerte Bewusstsein reagiert und setzen auf Ampelsysteme, die ausweisen, wie «gesund» ein Lebensmittel ist. Ein Ampelsystem vom Hersteller klingt nicht gerade vertrauenswürdig. Das stimmt. Es ist natürlich fragwürdig, wie zuverlässig solche Ampeln sind. Besser ist, wenn sich Konsumenten aktiv mit dem Thema befassen. Das Know-how um Lebensmittel, wie diese hergestellt werden, wie man sie zubereitet, ist nicht mehr so selbstverständlich, wie es das vielleicht früher war. Wie transparent sollten Gastronomen auf der Speisekarte informieren? Es ist ein Abwägen. Wer zum Beispiel das Ketchup selbst herstellt, sollte dies sicher ausweisen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für das Lokal und es bietet zudem einen Zusatznutzen für den Gast. Anders verhält es sich, wenn man weiter in die Tiefe geht. Ausgewiesene E-Stoffe etwa würden den Gast ziemlich sicher überfordern.

aus gewachsene Geschäftszweig entspricht ganz und gar den Bedürfnissen der Konsumierenden. Hanni Rützler, Gründerin der Futurefoodstudios in Wien, sagt: «Während eine schnelle und bequeme Lösung bei der Essenszubereitung bisher im Fokus stand, rückt nun das sensorische Erlebnis eines auf die Minute pünktlich zubereiteten Gerichtes mit frischen Zutaten in den Vordergrund.»
Convenience Food hat auch in der Gastronomie an Bedeutung gewonnen
Einige Restaurants haben diese Meal-Kits und Convenience-Produkte auch nach den Lockdowns im Sortiment behalten. Inwieweit Convenience Food die vor Ort von Profis gekochten und im Restaurant verzehrten Gerichte beeinflusst, hängt von vielen Faktoren ab. Stark vorverarbeitete Produkte werden vor allem von Betrieben verwendet, die «mit stark schwankender Nachfrage, Fachkräftemangel und auch fehlender Infrastruktur zu kämpfen haben», sagt Christine Strahm, Corporate Communication Manager von Transgourmet/Prodega. Sie ergänzt: «Insgesamt stellen wir fest, dass die Bedeutung und der allgemeine Trend hin zu ConvenienceProdukten durch Covid-19 zugenommen hat.» So sei etwa die Akzeptanz, gewisse Menü-Komponenten durch vorverarbeitete Produkte zu ersetzen, gewachsen.
Im Bereich Früchte und Gemüse haben laut Strahm küchenfertige Produkte mit Verarbeitungsstufe eins an Beliebtheit gewonnen (siehe «Gut zu wissen»). Dazu gehören unter anderem geschälte Kartoffeln und geschnittenes Gemüse. «Im Bereich Fisch wiederum wächst die Nachfrage bei vorgebratenen Artikeln, ebenfalls werden oft kleinere Kalibrierungen gewünscht», sagt Strahm. Die wachsende Akzeptanz in der Gesellschaft und der Gastronomie gegenüber Convenience-Produkten könnte damit zu tun haben, dass diese heute durchaus auch gesund und qualitativ hochwertig sein können. Inwiefern dies die Werte der Konsumierenden widerspiegelt und wie die Gastronomie davon profitieren kann, erläutert Christine Schäfer vom Gottlieb Duttweiler Institut im Interview. •
Anzeige Gut zu wissen:
Convenience-Produkte werden in fünf Stufen unterteilt. Auf Stufe 1 (küchenfertig) müssen Lebensmittel vor dem Garen vorbereitet werden. Auf Stufe 2 (garfertig) können sie bereits ohne weitere Vorbereitung gekocht werden. Auf Stufe 3 (aufbereitfertig) werden die aufbereiteten Lebensmittel gemischt und so verzehrfertig. Auf Stufe 4 (regenerierfähig) müssen Lebensmittel noch erwärmt werden und auf Stufe 5 schliesslich (verzehrfertig) sind die Lebensmittel zum direkten Konsum geeignet.
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