FRIZZ Mittelhessen November 2010

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Jagd

 Text und Fotos: Ellen Bergmann

Waidmanns Heil! Samstagmorgen, Treffen um neun. Für die rund 60 olivgrün gekleideten Männer und Frauen, die an der Hütte am Waldrand eintreffen, ist es Routine; sie sammeln sich in der Saison nahezu an jedem Wochenende in immer wechselnden Revieren. Nur ihren Hunden ist die Aufregung des Tages anzumerken. Sie freuen sich anscheinend mächtig auf ihre bevorstehende Aufgabe. Für so manches Wildschwein aber wäre es angesichts dieses Auflaufes besser sich schleunigst zu verdrücken, möchte es noch ein bisschen was vom Leben haben.

Gejagt wird bei jedem Wetter

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s regnet in Strömen. „Eigentlich macht das Jagen mehr Spaß, wenn das Wetter schön ist“, stellt Jäger Ralf Hartmann mit einem Lächeln fest und zieht sein olivgrünes Regencape noch ein wenig enger um sich. Eine Feststellung, bei der vermutlich so mancher Zeitgenosse die Stirn in Falten legen würde. Kann einem das Töten von Tieren wirklich Spaß machen, egal bei welchem Wetter? Eigentlich hatte ich an diesem Tag vor, Joachim Wierlemann zu

begleiten. Er ist, wie Ralf Hartmann, ebenfalls passionierter Jäger, heute aber nicht als Schütze, sondern als Hundeführer im Einsatz. Doch für die Treibjagd im dichten Dickicht des Waldes am Aartalsee ist mein Outfit angesichts des nicht enden wollenden Regens einfach nicht geeignet. Bereits nach wenigen Minuten bin ich gezwungen, auf den geschotterten Weg zurückzukehren, an dem Ralf Hartmann mit seinem Jagdgewehr Position bezogen hat.

Kaum dass ich mich auf den Rückweg begeben und gerade einen Zweikampf mit einem Brombeerbusch erfolgreich gemeistert habe, höre ich die ersten peitschenden Schüsse – und in weniger als drei Meter Entfernung rast eine Bache an mir vorbei. Sie rennt um ihr Leben. Keine Ahnung, ob sie es letztlich geschafft hat. Zunächst einmal bin ich nur dankbar für meine orangefarbene Jacke. Im nahezu undurchdringlichen Dickicht hätte es sonst schnell zu Ver-

Ist die Jagd Naturschutz ? „Ganz klar“, sagt dazu der passionierte Jäger Joachim Wierlemann und fügt hinzu: „Eben weil ich Jäger bin, bin ich auch Naturschützer.“ So sei es zum Beispiel notwendig, Bäume durch die kontrollierte Regulierung des Wildbestandes vor übermäßigem Verbiss zu schützen. Auch die Einrichtung von Ruhezonen oder die Schaffung von Äsungs- und Deckungsflächen für das Wild sei angewandter Naturschutz, da in Wildäckern oder Hecken auch seltene Reptilien, Vögel oder Insekten einen neuen Lebensraum fänden. Darüber hinaus gehörten die Pflege von Streuobstwiesen oder die Anlage von Laichgewässern am Waldrand zu den typischen

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Naturschutzmaßnahmen der Jäger. Tatsächlich sind die meisten Jagdverbände laut Bundesnaturschutzgesetz heute als Naturschutzverbände anerkannt – zu Unrecht, wie beispielsweise der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) reklamiert. Denn nach Meinung des NABU lassen gerade Jagdpraxis und Jagdrecht eine Orientierung an Nachhaltigkeitsprinzipien vermissen. So habe Deutschland heute durch die gezielte Fütterung des Wildbestandes und eine selektiv auf Trophäen ausgerichtete Bejagung die höchsten jemals registrierten Schalenwilddichten (Rothirsch, Reh und Wildschwein). Diese künstlichen Wilddichten aber führten

zur Beeinträchtigung von Ökosystemen und Schäden in der Land- und Forstwirtschaft. Und auch die Tatsache, dass vermeintlich konkurrierende Nutzer wie Wiesel oder Iltis von den Jägern verfolgt würden, um den eigenen Jagderfolg sicherzustellen, widerspreche dem Naturschutzgedanken. Die Organisation Tierrechte Aktiv e. V.

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ist der Ansicht, dass die Population der Wildtiere eben durch das Bejagen zunehme. So erhöhe der Jagddruck die Reproduktionsraten der betroffenen Tiere, was ausschließlich den an der Maximierung ihrer Abschusszahlen interessierten Jägern diene. Die Bestandsdichten von Wildtieren regelten sich aufgrund von Nahrungsangebot, Territorialität sowie sozialen und physiologischen Faktoren aber auch in der Kulturlandschaft ohne menschliches Zutun. Wobei trotzdem die Frage bleibt, ob das Ergebnis dieser natürlichen Regelung immer mit den Lebensinteressen der menschlichen Population vereinbar wäre.


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