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Thema des Monats
September 2017 | Ausgabe 7
Tipps und Termine rund um den Viehscheid n Viehscheid-Termine in den Hörnerdörfern: • 15. September 2017, ab 10 Uhr Balderschwang • 16. September 2017, ab 8.30 Uhr Gunzesried• Ofterschwang in Gunzesried • 19. September 2017, ab 9 Uhr Bolsterlang • 23. September 2017, ab 9 Uhr Obermaiselstein n Weitere Viehscheid-Termine in der Region: • 11. September 2017, ab 8.30 Uhr Bad Hindelang • 12. September 2017, ab 8.30 Uhr Schöllang • 13. September 2017, ab 8.30 Uhr Oberstdorf • 22. September 2017, ab 8 Uhr Thalkirchdorf n Viehscheid-Infowanderung in Obermaiselstein am 22. September 2017, um 8.45 Uhr
Alpe Bolgen, Bolsterlang.
Melken, Käsen, mehrere Stunden Viehgang, Zäune richten, Unkraut mähen, Krankheiten behandeln, Holz machen, Brunnen und Wasserleitungen instandhalten, nochmal nach den Tieren sehen, und, und, und. Dazu kommen allerhand Reparaturen, die Bewirtung der wandernden und radfahrenden Besucher auf der Alpe und, für Mütter schulpflichtiger Kinder, auch noch der Taxidienst bergab und bergauf von und zur nächstgelegenen Bushalte station, die naturgemäß nicht gerade ums Eck liegt. Zudem muss man auf manches verzichten, etwa Haushaltsgeräte die einem „unten“ die Arbeit erleichtern. „Die Spülmaschine!“, rufen Lisa und Lucia unisono, die vermissen sie fast noch mehr als den Fernseher. Tausche Kino gegen Ruhe Freibad, Eisdiele, mit Freunden ins Kino? Auf der Alpe Fehlanzeige! Das hört sich hart an und die „messbaren“ Vorteile halten sich in Grenzen. Kleinhirten etwa können Alpdispens bekommen, das sind zwei Ferienwochen zusätzlich am Schuljahresende. In denen wird natürlich gearbeitet, wie immer. Und Arbeit, die man im Sitzen erledigen kann, ist einem Älpler sowieso fremd. Es muss etwas anderes sein, das Junge wie Alte so zum Berg zieht. „Man wird nicht zugemüllt vom Handy und Internet und hat seine Ruhe“, sagt Cornel. „Man hat seine Ruh“, sagt Pirmin. „Ruhe“, sagt Bertl Wucherer. Das also! „Man ist frei in seiner Zeiteinteilung und selbstständiger im Arbeiten“, ergänzt Thomas Willwerth. Ruhe, Freiheit,
Foto: Willwerth
Eigenständigkeit – eine Trias, die bei vielen stressgeplagten Stadtmenschen neidvolles Seufzen hervorruft. „Das Leben ist einfacher“, stimmt Michaela Wucherer zu. Und doch: schlussendlich sei man eben vom Bergfieber infiziert, „wie von einer Krankheit“, bringt sie es auf den Punkt. „Aber eine gesunde!“, stellt ihr Mann gleich klar. Für Hirten gibt es keinen Stundenplan Hirte ist viele Berufe in einem: zuerst Viehhirt, aber auch Senn, vielleicht Vater, immer Sohn, oft auch Bedienung, Tierarzt, Landschaftspfleger, Baumeister und Notfallassistent für verletzte Tiere und verknackste Wanderknöchel. Wie lernt man das? Jedenfalls nicht nach Schema F. Kinder wie Lisa und Lucia Wucherer, die praktisch gleich nach ihrem ersten Atemzug vor 16, beziehungsweise 13 Jahren auf die Alpe gekommen sind, wachsen hinein. Irgendwie selbstverständlich und irgendwie auch nicht, denn das Leben hier, so nah beieinander, so nah am Vieh und am Wetter, funktio niere nur, wenn die Familie sich helfe, sagt Bertl Wucherer, „wenn alle zusammenschaffen.“ Bei ihnen passt es, sagt Wucherer, sie versorgen die Alpe meist zu viert, aber er betont, dass seine Töchter auch die gleiche Arbeit machen wie Kleinhirten es täten. Thomas Willwerth sagt: „Mit den Augen lernt man.“ Wenn einer das Interesse habe und das Gefühl für die Tiere, lerne er durchs Abschauen und durchs Selbermachen. Und wenn mal etwas
n Hinweis: Die Alpen gehen noch nicht gleich nach dem Viehscheid in die „Winterpause“. Die meisten haben bis Anfang oder Mitte Oktober (je nach Witterung) noch geöffnet und bewirten gerne Wanderer und Spaziergänger. „gherig hüret“, also so richtig danebengeht, „dann lernen sie am meisten“, ergänzt er mit lachendem Augenzwinkern auf seine beiden Kleinhirten Cornel und Pirmin. Die Kuh im Brunnen Und was passieren kann immer. Der Tag auf der Alpe sei nun mal nicht vorhersehbar. Einmal, erinnern sich Pirmin und Cornel, sei ein Rind in einen Betonbrunnen gestiegen, so ein kleiner, flacher. Da sei sie dann gesteckt, die Beine über Kreuz, völlig verklemmt. Gedrückt und geschoben haben sie, mit einer Stange versucht, das schwere Tier in einen anderen Winkel zu „hebeln“. Nichts ging, die Haxen blieben verknotet, das Rind blieb im Brunnen. Sie hatten schon nach Helfern telefoniert, der Tierarzt sollte kommen, da hat das Rind plötzlich „mitge-
tan“, erinnert sich Pirmin, und gemeinsam konnten sie es befreien. „Sie war ein bissel unterkühlt, aber es hat schnell wieder gepasst“, erzählt Cornel vom guten Ende der Geschichte. Recht hat er, der Vater Willwerth, wenn er daraufhin lakonisch zu bedenken gibt: „Für Rinder gibt es halt keine Gebrauchsanweisung!“ Heimkommen auf vier Hufen Dem Wetter kann man leider auch keine Anweisung geben. Nur beobachten und vernünftig reagieren, so wie anno 1996 im Lochbachtal. Eine Woche vor Viehscheid begann es zu schneien. Nicht nur ein wenig, sondern richtig heftig, wie im Winter. Drei Tage hatten sie auf Dinjörgen das Vieh im Stall gehalten, es getränkt, gefüttert und bewacht, damit sich die Tiere in der ungewohnten Enge
Kleinhirten auf der Alpe Bolgen (von links nach rechts): Anna-Lena, Franziska, Pirmin, Carolin, Lukas und Cornel.