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RECHT
Sandra Hotz und Christina Weber Khan
Ohne Partizipation keine Inklusion Zur Umsetzung des Partizipationsrechts nach Art. 2 UN-KRK von Kindern und Jugendlichen im Bildungsbereich Zusammenfassung Eine erste umfassende Studie zur Umsetzung des Partizipationsrechts des Kindes nach Art. 12 UN-KRK in der Schweiz zeigt, dass noch Handlungsbedarf besteht. Der Einbezug von Schülerinnen und Schülern bei individuellen Schulentscheiden und auf institutionellen Ebenen wie Klassen- oder Schulräten müsste gerade im Bildungsbereich noch selbstverständlicher werden und systematischer erfolgen. Ein besseres Verständnis von Partizipation im Bildungsbereich könnte etwa dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler früher informiert würden oder dass die Mitwirkungsrechte der Eltern nicht als Ersatz für die Mitwirkung von Schülerinnen und Schüler missverstanden werden. Résumé Une première étude exhaustive sur la mise en œuvre, en Suisse, du droit de participation de l’enfant, en vertu de l’Art. 12 CDE-ONU, indique qu’il y a toujours nécessité d’agir. L’implication des élèves dans les décisions scolaires individuelles et au niveau institutionnel – dans les conseils de classe ou conseils d’école – devrait être bien plus évidente et systématisée, surtout dans le domaine de la formation. Une meilleure compréhension de la participation dans ce domaine pourrait par exemple contribuer à ce que les élèves soient informés plus tôt ou à éviter que l’on n’interprète à tort le droit d’implication des parents comme remplaçant l’implication de l’élève. Permalink: www.szh-csps.ch/z2021-01-07
Einführung
Die Umsetzung des Partizipationsrechts der Kinder und Jugendlichen ist Voraussetzung für ihre Inklusion: Ohne eine Form der Partizi pation wie der Mitsprache, der Anhörung, der Teilnahme, der Information oder der blossen Anwesenheit können Kinder und Jugendliche ihre Sichtweise und Anliegen nicht einbrin gen. Das Partizipationsrecht nach Art. 12 UNKinderrechtskonvention (UN-KRK)1 von 1989 setzt dort an: Kinder und Jugendliche sollen 1
in allen Angelegenheiten, die ihre Persönlich keit und ihr Leben betreffen, ein Recht haben, an Verfahren und Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Das Partizipationsrecht sorgt dafür, dass die (heute unbestrittene) Subjekt stellung des Kindes in unserer Rechtsord nung umgesetzt wird und dass die Kindesin teressen, das heisst das Kindeswohl, nach Art. 3 UN-KRK von den Entscheidungsträge rinnen und -trägern überhaupt richtig wahr genommen und berücksichtigt werden kön
Art. 12 UN-KRK:«(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. (2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.»
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 27, 1–2 / 2021