Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik
Ausgabe 8 — Frühjahr 2013
heilpädagogik aktuell Magazin der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik
Unterricht im Kinderspital Zürich: Die Schulische Heilpädagogin und Spitallehrerin Christine Walser lernt mit einer Schülerin.
Thomas Burla (Foto)
Spitalschule – Schule im Ausnahmezustand? Der Weg vom ersten Lernangebot in einem orthopädischen Institut zur heutigen Spitalschule. Die moderne Spitalpädagogik hat umfassende Aufgaben zu bewältigen, denn jedes Kind hat Anspruch auf Unterricht.
Thema: Lernen im Spital
Prof. Dr. Susanne Schriber
Lehre An den Schnittstellen von Medizin und Logopädie
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Von Sabine Hüttche Chronisch kranke Kinder
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Von Christine Walser Reportage Im Spital ist die Schule ein Dürfen, kein Müssen
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Von Christine Loriol Masterarbeit Beim Coping half vor allem die Familie
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Von Lars Mohr Im Interview Regierungsrätin Heidi Hanselmann (SG)
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Von Sabine Hüttche Aktuelles Weiterbildung und Agenda
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Drei historische Wurzeln belegen die Vielfalt der gegenwärtigen Spitalpädagogik. Die ersten Ansätze zeigten sich in Orbe (VD) im Jahr 1780. Vom Orthopädischen Institut zur Schule in der Rehabilitationsklinik: Mit Stolz dürfen wir auf den Schweizer Arzt Jean-André Venel (1740–1791) verweisen, der als erster Begründer eines «Hospitals für Orthopädie» gilt. Im Spital waren zwei Lehrer für den Unterricht zuständig. Die langen Liegezeiten sollten für Bildung genutzt werden und von den Leiden «ablenken». Venel gilt damit als Pionier eines auch die (Heil-)pädagogik umfassenden ganzheitlichen Rehabilitationskonzeptes. Dieses Konzept erkennen wir aktuell im Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche in Affoltern am Albis wieder. Von der Beobachtungsstation zur Klinik schule: Bereits 1917 wurde durch Pro Juventute eine Beobachtungsstation in der Nähe der psychiatrischen Klinik Burghölzli Zürich eröffnet als Antwort auf die zunehmende Zahl hilfsbedürftiger Kinder und Jugend licher während der Zeit des ersten Weltkrieges ( Jugendfürsorge). Gleichzeitig wies die Klinik darauf hin, dass es unangemessen sei, psychisch beeinträchtigte Kinder und Jugendliche zusammen mit Erwachsenen zu
behandeln. So wurde 1921 die «Kantonale Kinderbeobachtungsstation Stephansburg» in Zürich eröffnet. Leiter war der mit dem damaligen Heilpädagogischen Seminar Zürich durch Lehre eng verbundene Kinderpsychiater Jakob Lutz (1903–1998). Unterdessen gibt es im Kanton Zürich mehrere Klinikschulen für Kinder und Jugendliche, die eine schwere psychische bzw. psychosomatische Krisensituation erleben. Von der Erzieherischen Unterhaltung zur Spitalschule: 1874 nahm in Zürich das Kinderspital (Eleonorenstiftung) seinen Betrieb auf. Von Beginn an veranlasste das «Damenkomitee», dass die Kinder wenigstens einmal pro Woche «erzieherische Unterhaltung» erhielten. Handarbeiten, Singen und Geschichten sollten den Kindern in entbehrungsreichen Zeiten Abwechslung bringen. Ab 1889 erteilten Lehrpersonen den Kindern auch Unterricht. Erziehungsrat Heinrich Näf (1830–1888) persönlich fand sich dazu im Spital ein. 1959 wird die erste Lehrstelle geschaffen, weitere folgten. 1978 wird eine Schulleitung bestellt. Dies kann als Geburtsstunde der eigentlichen Spitalschule des Kinderspitals Zürich verstanden werden. Schultypen und Aufgaben Für alle drei Schultypen, die als Sonderschulen anerkannt sind, gilt: Spitalschulen decken
sehr wichtige Aufgaben ab. Erstens die Sicherung des Anschlusses im Schulstoff während der Hospitalisierungszeiten, zweitens die Unterstützung bei der Re-Integration in die Herkunfts-Schulsysteme bzw. die Vermittlung neuer Schullösungen, drittens die Aufklärungs- und Beratungsarbeit in den Schulen und Familien und schliesslich viertens die Unterstützung im äusseren und inneren Umgang mit dem Krank-Sein und dem Er leben der Spitalzeit. Das sind anspruchsvolle Aufgaben, deren professionelle Einlösung wir Kindern mit schweren körperlichen und psychischen Krankheiten schuldig sind. Es braucht dafür qualifizierte, auch heilpädagogisch ausgebildete Lehrpersonen. Ausbildungen für Heilpädagogik sind dazu aufgerufen, Spitalschulen in Lehre und Forschung wahrzunehmen. Die vorliegende Ausgabe «heilpädagogik aktuell» verdeutlicht: Kinder im Spital sind im «Ausnahmezustand»; Schule im Spital jedoch ist Regelfall und dabei auch Gegenstand der Heilpädagogik. Prof. Dr. Susanne Schriber leitet an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik den Bereich Pädagogik bei Körper- und Mehrfachbehinderungen im Masterstudiengang Sonderpädagogik, Vertiefungsrichtung Schulische Heilpädagogik.