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4.3 Interview mit Katharina Gfeller-Vogt

KATHARINA GFELLER-VOGT, HEILPÄDAGOGIN, LEHRERIN AN DER SONDERSCHULE KRISENINTERVENTIONSGRUPPE (KIG) FÜR KINDER UND JUGENDLICHE

Kinder und Jugendliche mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung in einer komplexen Krisensituation erhalten, bis eine Anschlusslösung gefunden ist, befristet während 8-12 Wochen einen Platz in einer Kriseninterventionsgruppe. Das Angebot umfasst Wohnen, Schule und Therapie.

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Die Sonderschule ist nicht vergleichbar mit einer Heilpädagogische Sonderschule. Das schulische Lernen hat nicht erste Priorität. Vielmehr geht es darum, die lebensnahe und lebenspraktische Bildung zu fördern. Die individuelle Förderung steht im Zentrum, da jedes Kind unterschiedliche Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse mitbringt. Ein wichtiger Bestandteil ist auch das Üben von Übergängen. Beispielsweise der Übergang zwischen Wohngruppe und Schule. Es wird im Einzelunterricht unterrichtet, pro Tag geht jedes Kind ca. 1 Stunde in die Schule.

Seit 2016 ist Katharina Gfeller-Vogt in der Institution angestellt. Begonnen hat sie auf der Wohngruppe der Kriseninterventionsgruppe als Heilpädagogische Mitarbeiterin. Vor knapp zwei Jahren wechselte sie in den Schulbereich und wurde Lehrerin an der Sonderschule der Kriseninterventionsgruppe. Zuvor hat sie in verschiedensten Institutionen als Heilpädagogin gearbeitet, unter anderem auch als stellvertretende Sonderschullehrerin. Eine längere Pause von ca. 12 Jahren nutzte sie für eigene Projekte.

WAS INTERESSIERT DICH AN UNTERSTÜTZTER KOMMUNIKATION?

Spannend ist, herauszufinden, wie das Gegenüber seine Bedürfnisse und Gefühle ausdrücken und kommunizieren kann. Kommunikation ist ein Grundbedürfnis. Es kann zu Ausbrüchen in Form von Gewalt oder zu Depressionen führen, wenn das Kind keine Möglichkeit hat zu kommunizieren und es nicht verstanden wird.

WIE KANN ICH MIR DEN INFORMATIONSAUSTAUSCH ZWISCHEN VERANTWORTLICHEN ODER FACHPERSONEN IN UNTERSTÜTZTER KOMMUNIKATION UND DEM TEAM VORSTELLEN?

Der Austausch über Unterstütze Kommunikation findet im Rahmen von Teamsitzungen oder direkt im Alltag statt. Anhand von Beobachtungsblättern versuchen wir herauszufinden, wie gut ein Hilfsmittel funktioniert.

Die interne Logopädin ist Ansprechpartnerin für Fragen im Bereich der Unterstützen Kommunikation. Zudem finden Weiterbildungen statt und es gibt Arbeitsgruppen zur Unterstützen Kommunikation.

WIE KANN ICH MIR DEN INFORMATIONSAUSTAUSCH ÜBER UNTERSTÜTZTER KOMMUNIKATION ZWISCHEN FACHPERSONEN UND DEM UMFELD EINES KINDES VORSTELLEN?

Die Eltern werden im Rahmen des Standortbestimmungsgesprächs oder über Berichte informiert. Die Eltern können aber jederzeit nachfragen. Erfahrungsgemäss erhalten wir aber eher wenige Fragen.

WIE WEIT VERBREITET SIND KOMMUNIKATIONSHILFSMITTEL IN DER SCHULE? HAT JEDES KIND EIN KOMMUNIKATIONSHILFSMITTEL?

Zur Zeit findet in der ganzen Institution eine Umstellung von der «PCS» Symbolsammlung zu der

«Metacome» Symbolsammlung statt. Zu den Symbolen gibt es unterschiedlichste Kommunikationstafeln wie zum Beispiel der Menüplan. So kommt jedes Kind in Berührung mit unterschiedlichen Kommunikationstafeln. Die meisten Kindern haben dazu noch individuell angepasste Kommunikationshilfsmittel.

WELCHE HILFSMITTEL WERDEN AM HÄUFIGSTEN IN DER KIG-SCHULE VERWENDET?

Kommunikationstafeln werden täglich eingesetzt. Darauf ersichtlich sind das Datum, der Tag, die Jahreszeit und das Wetter aber auch, wer wann arbeitet. Im Morgenkreis wird bei jedem Kind diese Kommunikationstafel beigezogen, auch wenn das Kind lesen und sprechen kann.

Piktogramm-Streifen zeigen den Ablauf einer Tätigkeit oder die Abfolge der Aufgaben in der Schulstunde und sind mit Fotos, Symbolen oder Schrift visualisiert. Die Piktogramm-Streifen geben Struktur, was gerade bei vielen Kinder sehr wichtig ist und werden individuell an jedes Kind angepasst. So besteht die Beschreibung des Ablaufs einer Tätigkeit nur aus Piktogrammen, wenn ein Kind nicht lesen kann. Andernfalls ist der Ablauf schriftlich festgehalten. Im Allgemeinen, werden Hilfsmittel wie Piktogramme, Schrift oder auch der Time Timer oft eingesetzt.

WELCHE HILFSMITTEL HABEN SICH IN DER PRAXIS/SCHULE BEWÄHRT?

Die Piktogramm-Streifen, das iPad mit den Kommunikations-Applikationen, die Gebärdensprache und Hilfsmittel, welche ermöglichen, Gefühle mitzuteilen oder zu erkennen. Gerade zum Thema «Gefühle» existiert viel unterschiedliches Material.

WELCHE HILFSMITTEL HABEN SICH IN DER PRAXIS/SCHULE WENIGER BEWÄHRT?

Gefühls-Karten können den Nachteil haben, dass sie antrainiert sind. Sie werden sehr oft eingesetzt. Wenn Kinder immer wieder das Gleiche mit den Karten kommunizieren, z.B. wenn ein Kind am Morgen immer auf die Karte «müde» zeigt, können sie das Interesse oder den Bezug zu konkreten Situationen verlieren.

Abb 35 Der Ablauf der Tätigkeiten wird mit Metacom-Piktogrammen, Fotos und Schrift visualisiert. Abb 36 Hilfsmittel, um Gefühle mitzuteilen oder zu erkennen. «Zum Thema «Gefühle» existiert viel unterschiedliches Material» sagt Katharina Gfeller. Abb 37 Bücher zum Thema «Gefühle».

Dadurch ist es wichtig, Gefühls-Karten in konkreten Alltagssituationen einzusetzen, um so einen Bezug zu den eigenen Gefühlen zu schaffen. Wenn ein Kind zum Beispiel trockene Haut hat, bereitet die Betreuungsperson die Gefühls-Karten vor und fragt: «Es sieht so aus, als würde es jucken. Kannst Du mir mit den Gefühls-Karten zeigen, wie Du Dich fühlst?» Diese Situation ist dann viel konkreter und mit einer Erfahrung verbunden.

Der Umgang mit dem iPad kann bei manchen Kindern schwierig sein. Es gibt viele Ablenkungsmöglichkeiten, wenn das Kind noch andere Applikation wie zum Beispiel YouTube oder Spiele auf dem iPad hat.

WAS IST WICHTIG, DAMIT EIN KOMMUNIKATIONSHILFSMITTEL IN DER PRAXIS GEBRAUCHT WIRD UND EINEN NUTZEN HAT?

Ganz wichtig ist, sich Zeit zu lassen bei der Kommunikation. Manche Kinder brauchen länger, bis sie die Fragen verarbeitet können. Verbale Kommunikation ist für einige Kinder nicht immer der einzige Weg. Auch wenn ein Kind sprechen kann, können zur Unterstützung Piktogramme eingesetzt werden. Es gibt ja auch Situationen, in denen das Kind nicht kommunizieren will oder nicht verbal kommunizieren kann. Es gelingt dem Kind dann besser, auf ein Piktogramm zu zeigen. Piktogramme können in solchen Situationen eine grosse Unterstützung sein. Das Kind kann sich so auf die Kommunikation einlassen. Ohne diese Unterstützung könnte es beim Kind zu Frustrationen und Aggressionen kommen.

WAS SIND FÜR DICH WICHTIGE KRITERIEN FÜR EIN GUTES KOMMUNIKATIONSHILFSMITTEL? ÄSTHETIK, HANDHABUNG, EINFACHHEIT ODER VERSTÄNDLICHKEIT?

Ich finde, Schönheit ist ein Wert an sich. Die Ästhetik hat einen wichtigen Einfluss. So erachte ich zum Beispiel farbige Piktogramme als ansprechender als schwarz-weisse. Es muss jedoch immer dem jeweiligen Kind entsprechen und angepasst werden. Die Gestaltung der Piktogramme soll klar und einfach sein. Bei zu vielen Informationen kommt es häufig zu einer Überforderung und es kann für das Kind zu kompliziert werden. Das gilt auch für die Piktogramm-Streifen. Beispielsweise ist es für ein Kind besser nur ein Piktogramm nach dem anderen auf den Streifen bereit zu legen. Hingeben für ein anderes Kind ist es wichtig den Ablauf der Tätigkeit der ganzen Schulstunde zu sehen.

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