Theoriearbeit, Hannah Boldt

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Kann ich der Zeit entgehen?

(Eine essayistische

Annäherung

an das Messen, Vergehen und Andersdenken von Zeit)

Kann ich der Zeit entgehen?

essayistische Annäherung an das Messen, Vergehen und Andersdenken von Zeit)

(Eine

Eigentlich wollte ich doch die Zeit vergessen. Tabula Rasa machen und endlich frei sein. Wie in jenen kostbaren Momenten des Lebens, die so schön sind, dass sie für immer dauern könnten. In denen ich nie mehr auf die Uhr schauen möchte, am liebsten sogar hätte, es gäbe sie überhaupt nicht.

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Zeit ist für mich ein omnipräsentes Ticken im Hinterkopf, ein Wegträufeln von kostbaren Stunden, ein Jonglieren von zu vielen Terminen und vor allem, ein Blick auf die Uhr.

Kann ich mein Bild der Zeit neu denken? Um das zu erforschen, habe ich versucht, der Uhrzeit zu entfliehen. Vom 20. bis zum 23. Adar 5783 habe ich deswegen in einem kleinen Haus im Bergdorf Zeneggen im Wallis eine Zeit lang ohne Uhr verbracht. Die letzte uhrzeitliche Markierung war der Abfahrtszeitpunkt des Postautos am Bahnhof Visp. Sobald ich in «Zeneggen Kirche» aussteigen bin, habe ich alle Uhrenanzeigen auf meinen mitgebrachten Geräten abgeklebt. Ein Wecker hat mir am 23. Adar gesagt, wann es Zeit für das Postauto zurück nach Bern ist. Alles dazwischen sollte nicht unter der Kontrolle der Uhr liegen. Aber ob ich es will oder nicht, die Zeit ist ständig um mich herumgeschlichen. Es fiel mir ungeheuer schwer, sie loszulassen. Ich habe gemerkt, wie stark die Vorstellung und Macht der einen, korrekten Zeit ist und wie schwierig es ist, überhaupt einen anderen Zugang zur Zeit zu finden.

Während meines Experiments bin ich auch auf neue Arten gestossen, wie sich mir die Zeit vergegenwärtigt. Und ich habe mich auf die Suche gemacht nach Praktiken zur Zeitmessung, die es neben der Uhr gegeben hat oder immer noch gibt. Dabei ist aber immer mehr die Frage in den Vordergrund getreten, wieso diese Alternativen unsichtbar geworden sind und es immer schwierig geworden ist, individuelle Formen der Zeitkultur zu leben. Es sind Bruchstücke, die sich losgelöst haben, als ich angefangen habe, in dem riesigen Steinbruch der Zeit zu graben. Manches, das ich hervorgeholt habe, bringt mich in einen Konflikt.

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Ich erwähne Praktiken aus anderen Kulturen, um sie als Beispiele für alternative Methoden im Messen oder Begreifen von Zeit zu nennen und muss dabei mit dem Unbehagen leben, sie aus meiner zentraleuropäisch sozialisierten Sichtweise zu beschreiben. Oftmals mit Quellen, die nicht von Angehörigen dieser Kulturen verfasst wurden. Gerade deswegen möchte ich sie aber heranziehen. Sie helfen mir, der Frage näherzukommen, wie unser Leben nach der Uhr von ideologischen und kolonialistischen Vorstellungen durchdrungen ist.

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Ich komme um Punkt 12:00 Mittags in Zeneggen Kirche mit dem Postauto an. Das Dörfchen empfängt mich mit lautstarkem Glockengebimmel.

Mein Smartphone ist so uhrfrei wie es geht, mit abgeklebten Stellen. Meine meisten Chats sind stumm gestellt, damit ich möglichst wenig Nachrichten mit Zeitvermerk bekomme. Den Laptop habe ich auf eine asiatische Zeitzone gestellt, bei der ich nicht weiss, wie viele Stunden wir verschoben sind. Für die Mails habe ich ebenfalls eine Klebevorrichtung gemacht.

Ich stelle die Kalenderrechnung in meinem Laptop auf einen anderen Kalender. Eher willkürlich wähle ich dafür den israelischen, hebräischen Kalender, weil ich während meiner Recherche einmal darauf gestossen bin. Montag, 13. März 2023 wird zu Montag, 20. Adar 5783

Die Abfahrt am Donnerstag stresst mich jetzt schon. Was ist, wenn ich komplett das Zeitgefühl verliere und zu spät zur Arbeit komme?

Die Kirchenglocke läutet ziemlich laut. Mist.

Ich google, ob man bei einzelnen Apps die Zeitanzeige ausstellen könnte, zum Beispiel bei WhatsApp. Es scheint irgendwie nicht möglich zu sein.

Ich glaube, ich habe die Kirchenglocke schon durchschaut. Sie läutet einmal um Halb. Und dann zur vollen Stunde läutet sie die Anzahl Stunden. Ich versuche wegzuhören.

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Ich schätze, dass ich immer noch ein ziemlich genaues Zeitgefühl habe.

Sobald ich die Glocke läuten höre, halte ich mir die Ohren zu und summe laut. So höre ich meistens nur den ersten Schlag. Ich bin froh, sieht mich niemand so.

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Clock leitet sich aus dem lateinischen clocca, also Glocke, ab.1 Die Ressourcen, um sich mit der mechanisierten Zeitmessung auseinander zu setzen, hatten früher vor allem Kirchen. Die Klosterbrüder entwickelten immer mehr ein Bedürfnis nach einer klaren Einteilung fürs Gebet und die Arbeit, die sonst so im Kloster anfiel. Inspiriert von der Passionsgeschichte setzten sie auf ein System aus sieben Perioden des Betens, die horae canonoicae. Dazu nutzen sie akustische signa, um die Stunden zu verkünden und sich dabei ganz aufs Beten zu konzentrieren. Die Autorität lag bei der Glocke. Sobald sie läutete, liessen die Brüder alles stehen und liegen. Die kollektive Pünktlichkeit und zeitliche Disziplin wurde zu einem zentralen Anliegen, das mit einer moralischen Vorstellung verknüpft wurde. Faulheit galt als Laster und Sünde und konnte sogar bestraft wurde. Die Zeitkultur an den Klöstern war eines der ersten Beispiele dafür, dass synchronisierte menschliche Aktivität etwas Lohnenswertes sei.2

1 Vgl. https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/ definition/english/clock_1

2 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 37–38

9 Lesezeit: Sieben Wimpernschläge

Ich habe vergessen, Kaffee mitzubringen. Schwerer Fehler. Auf dem Weg zum Dorflädeli komme ich an der Kirche vorbei. Wie von selbst wandert mein Blick hoch zur grossen Uhr am Kirchturm. Ich schrecke sofort zurück, aber ich hab trotzdem irgendwie die Uhrzeit mitbekommen. Es ist 15 Uhr irgendwas. :(

Ich spaziere und komme wieder an der Kirche vorbei. Ich merke, wie ich bereits jetzt eine starke Abneigung diesem Gebäude gegenüber entwickelt habe. Ich fühle, dass es mich kontrollieren, mir mein Experiment nicht gelingen lassen will. Ich kapsle mich ab alleine in einem Haus in den Bergen und diese blöde Kirchenglocke lässt mich einfach nicht in Ruhe.

Ich bekomme Lust, eine kleine eigene Sonnenuhr zu bauen und klemme einen Stock in eine Ritze des Holzbodens auf dem Balkon. Ich habe sie nicht korrekt angelegt, ich weiss, ich hätte den richtigen Winkel nehmen sollen und so. Aber mir egal. Sie ist ungenau. Es stört mich nicht. Es soll eher genau so sein. Es geht darum, dass ich auf andere Art sehen kann, dass Zeit vergeht.

Uh, ich höre die Kirchenglocke wieder exzessiv schlagen. Ich mache meine Musik lauter.

Nun ist es ganz dunkel.

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Wann beginnt ein Tag? Wenn wir aufstehen? Klar, um Mitternacht beginnt das Stunden zählen. Aber man könnte ja irgendwo beginnen. Warum nicht bei Sonnenhöchststand («deutsche Zeit»)? Oder eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, wie es lange in Italien und im Tessin der Fall war. Dann war es bei Sonnenaufgang bereits 10 Uhr und um Mittag schon 17 Uhr.3 Diese Aussage, «eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang» macht mich neugierig. Das klingt so halb genau. Im osmanischen Reich gab es ein Zeitsystem, das genau bei Sonnenuntergang begann. In der so genannten Alaturka-Uhrzeit wird die Zeit bis zum Sonnenaufgang immer in zwölf Stunden eingeteilt, die so je nach Jahreszeit unterschiedlich lang sind.4

Ein System, das ähnlich funktioniert, waren die Temporalstunden. Sie waren in der Antike eine gängige Methode der Zeiteinteilung. Temporale Stunden sind ungleich lang und teilen den hellen und dunklen Teil des Tages in je zwölf Einheiten. Die Stunden für den Tag waren so auch nicht gleich lang wie jene in der Nacht. Wäre aber vielleicht auch noch praktisch. Dann könnte man im Winter nachts viel länger ausgehen. Als die ersten mechanisch betriebenen Turmuhren aufkamen, wurden die Temporalstunden irgendwann von Äquinoktialstunden, also gleich langen Stunden, abgelöst, weil es

3 Vgl. Messerli, Jakob: Kantönlizeit, in Transhelvetica, 22–27

4 Vgl. Jacir, Emily: Time standardization, clock towers & colonialism in Ireland and Palestine, https:// thefunambulist.net/magazine/they-have-clocks-we-have-time/ time-standardization-clock-towers-colonialism-in-irelandand-palestine

An

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Lesezeit: einer roten Ampel warten

technisch nur damit realisierbar war. 5 Tschüss, lange Ravernächte der Antike!

Aber nochmal zurück zur AlaturkaUhrzeit. Sie wurde in gewissen Teilen der Welt noch ziemlich lange verwendet. Zum Beispiel in Palästina bis Anfang 20. Jahrhundert, simultan mit der europäischen Zeit, jedoch mit je unterschiedlichen Verwendungszwecken. Die europäische Uhrzeit, oder Alafranga-Uhrzeit, wurde vor allem in der Aussenpolitik, in militärischen Belangen oder im Transportwesen benutzt. Es gab einen berühmten Uhrenturm, der 1907 am Jaffa Tor in Jerusalem erbaut wurde und der je zwei Uhren mit den beiden Modi der Zeitrechnung zeigte. Er verkörperte ein gleichwertiges Nebeneinander der beiden Zeitdarstellungen, im selben Raum präsent. Der Turm wurde nur 15 Jahre später, im Zuge der Modernisierungsbestrebungen der britischen Kolonialmacht, wieder entfernt. Mit der Begründung, das Stadtbild wieder herzustellen.6 Aber eine Repräsentation oder eben Nicht-Repräsentation von Uhrzeiten und Zeitrechnungen im öffentlichen Raum bedeutet auch eine Akzeptanz oder Verneinung deren Berechtigung, worin natürlich auch eine politische Komponente mitschwingt.

5 Vgl. Messerli, Jakob: Den Tag einteilen, in Transhelvetica, 27

6 Vgl. Jacir, Emily: Time standardization, clock towers & colonialism in Ireland and Palestine, https:// thefunambulist.net/magazine/they-have-clocks-we-have-time/ time-standardization-clock-towers-colonialism-in-irelandand-palestine

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Inzwischen fühle ich mich ein bisschen ängstlich. Ich würde gerne Feierabend machen, entspannen und dann schlafen gehen. Aber ich habe langsam wirklich keine Ahnung mehr, wie spät es ist. Und irgendwie hab ich das Gefühl, heute noch nicht genug gemacht zu haben. Wer weiss, wie lange ich morgen schlafe? Vielleicht ist es noch viel zu früh, um jetzt schon zu schlafen und dann erwache ich irgendwann Mitten in der Nacht.

Ich fühle mich ein bisschen alleine.

Ich wünsche mir Kontrolle zurück. Ich wünsche mir Sicherheit. Ich möchte wissen, wie spät es ist. Ich freue mich ziemlich auf morgen, weil ich dann wenigstens weiss, dass ein neuer Tag angebrochen ist.

Ich merke, wie oft ich das Bedürfnis habe, die Zeit zu wissen. Nach jeder «abgeschlossenen» Tätigkeit, nach dem Essen, nach dem Abwaschen. Wo stehe ich im Tag? Wie lange habe ich dafür gebraucht? Wie lange bleibt mir noch?

Ich habe nicht mal einen Tag keine Uhr und schon fühlt sich alles ganz unsicher und unwohl an. Die Unsicherheit schwappt auch über auf mein Projekt, ich fange an, mein Vorgehen zu hinterfragen und für lächerlich zu halten.

Ich habe mir draussen einen kleinen Kalender aus Steinen gebaut. Die weissen Steine stehen für die Tage, die ich hier bin, die schwarzen für die Nächte.

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Für den Fall, dass ich völlig durchdrehe und nicht mehr weiss, wie lange ich schon hier bin.

Ich merke, dass ich Lust bekomme, zu schummeln. Es wäre einfach. Ich könnte meinen Handyscreen mit dem Finger so bewegen, dass sich das Bild neben den abgeklebten Teilen hervor schiebt. Oder ich könnte einfach ganz genau hinschauen, weil die Uhrzeit auch durch zwei Lagen Klebeband noch hindurchschimmert. Aber es wäre schade.

Wenigstens höre ich die Glocke nicht mehr.

Ich habe von einem Experiment gelesen, bei dem eine Gruppe Menschen 40 Tage in einer lichtdichten Höhle verbracht haben, um ihr Zeitempfinden zu untersuchen. Ich glaube, ich wäre am ersten Tag durchgedreht. Das ist aber wahrscheinlich auch alles ein wenig entspannter in einer Gruppe.

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Ich bin erwacht und hatte ein überwältigendes Bedürfnis, die Zeit zu wissen. Ich war komplett verwirrt, es hätte Neun, Zehn, Elf oder schon Zwölf sein können. Der Himmel hilft mir auch nicht gerade, es ist sehr neblig, grau und regnet.

Mein erster wirklicher Tiefpunkt. Ich schaue ein bisschen die Zeit nach. Nicht ganz genau, aber ich sehe, dass auf meinem Handy noch keine 1 an erster Stelle steht. Also ist es noch vor 10:00. So genau weiss ich es also nicht, aber ich bin trotzdem masslos enttäuscht von mir. Als Reaktion klebe ich noch mehr Klebeband um die Uhrenanzeige herum.

Mein Laptop, der immer noch in der asiatischen Zeitzone weilt, hat wieder mal den Night Shift Modus am Bildschirm eingestellt.

Ich frühstücke und bemerke einen leichten Stress. So ein Experiment wäre einfacher, wenn man einfach in den Tag hineinleben könnte, nichts erreichen müsste. Aber ich habe das Gefühl, hier mega viel leisten zu müssen.

Das Zeitgefühl ist nun schon wieder weg, ich habe auch durch die Sonne keine Anhaltspunkte.

Ich habe gerade eine Sanduhr im Schrank entdeckt! Ich freue mich irgendwie sehr über diesen Fund. Ich bin mir unsicher, ob ich sie gebrauchen darf, weil eigentlich war das Kredo klar: Keine Uhren. Aber ich habe ja auch meine eigene, komische Sonnenuhr draussen und den Steinkalender, also denke ich, ist sicher okay. Plus ich weiss ja nicht, wie lange sie läuft.

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Ich schaue dem Sand beim Verrieseln zu.

Die letzten Momente der Uhr sind besonders schön. In der Mitte vom Sand gibt es so einen Trichter. Wie ein Schlund, der nach und nach meine Zeit verschlingt. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich langsam im Treibsand versinken. Wenn ich den Strahl aus Sand beobachte, der da unten raus rieselt, ist das eher stressig.

Langsam nervt es mich.

Nun sehe ich die Vorteile einer voll automatisierten Zeitmessung.

Gibt es eine Möglichkeit, Zeit ungenau aber automatisiert zu messen?

Was bringt es mir, die Zeit ungenau zu messen, wenn ich ja genau weiss, sie ist ungenau? Bringt es mir nur dann etwas, wenn ich sage, die Zeit ist jetzt Adé, auf Nimmerwiedersehen? Ansonsten muss ich mich irgendwann wieder auf die genaue Zeit einlassen.

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Lesezeit: Vier Atemzüge

Die Menschen aus Kelantan, auf der Malaiischen Halbinsel, verwenden eine ausgehöhlte Kokosnuss mit einem Loch in der Mitte, die sie in ein mit Wasser gefülltes Gefäss legen. Irgendwann füllt sich die Schale und sinkt an den Grund. Es ist ihr Timer für sportliche Wettbewerbe. Diese Art der Zeitmessung ist ungenau, wird für diese Anlässe aber den genauen modernen Messmethoden vorgezogen.7

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7 Vgl. Levine, Robert: Eine Landkarte der Zeit: Wie Kulturen mit Zeit umgehen, 136

Ich höre die Glocke wieder exzessiv läuten. Okay, jetzt ist 12:00. Schade, nicht mal Musik kann sie übertönen, sie ist so laut. Und sie hört einfach nicht auf.

Ich habe das Gefühl, dass mein Zeitgefühl sich verlangsamt. Ich versinke irgendwie mehr in meinen Aufgaben, verliere mich aber auch und plätschere ein bisschen vor mich hin. Ich glaube, ich habe für alles etwas länger als sonst.

Ich bin irgendwie sehr froh, dass ich weiss, dass es schon Mittag ist. Irgendein Anhaltspunkt hilft mir, dass ich mich nicht komplett verloren fühle.

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[B] Herzlich Willkommen zu unserem Interview mit Herrn Uhr!

Guten Tag, Herr Uhr.

[U] Guten Tag, Frau Boldt.

[B] Herr Uhr, sie haben die Uhr erfunden.

[U] So ist es.

[B] Wie fühlt es sich an, dass Milliarden von Menschen tagtäglich ihre Erfindung benutzen, um ihrem Leben eine Struktur zu geben?

[U] Nun, ich muss sagen, das fühlt sich schon ziemlich seltsam an. Vielleicht könnte man sagen, das Ganze ist auch ein wenig aus dem Ruder gelaufen.

[B] Ach, nicht so bescheiden, Herr Uhr! Welches ist ihre Lieblingsuhr?

[U] Hmm. Darauf weiss ich gar nicht, wie ich antworten soll. Ich muss gestehen, ich mache eigentlich selbst einen Bogen um Uhren, die meiste Zeit benutze ich keine Uhr.

[B] Im Ernst jetzt?

[U] Ja, ich weiss, es klingt vielleicht seltsam. Der Erfinder der Uhr nutzt keine Uhr. Aber denken sie denn, Jeff Bezos shoppt auf Amazon?

Da ich die Uhr erfunden habe, kenne ich natürlich auch ihre Schwachstellen.

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Lesezeit: Einmal Zähne putzen

[B] Die wären?

[U] Sie ist zu genau.

[B] Ist das nicht genau die Stärke der Uhr?

[U] Natürlich, es ist deren grösste Errungenschaft! Und gleichzeitig ihre grösste Lüge, verstehen Sie?

[B] Nein.

[U] Lassen Sie es mich anders ausdrücken. Natürlich ist die Uhr genau. Die WasserstoffAtomuhr am US Naval Research Laboratory in Washington DC ist dermassen genau, dass sie erst in 1,7 Millionen Jahren um ca. eine Sekunde verschoben sein wird.8 Das übersteigt jegliches menschliches Kontrollvermögen. Ich habe die Uhr so konzipiert, dass sie stets vorwärtsgeht, dass sie verlässlich ist. Ab und zu geht vielleicht mal die eine oder andere Batterie zu Ende. Aber auch wenn eine Million Uhren gleichzeitig stehen bleiben, irgendwo auf der Welt findet sich immer ein Ührchen, das noch weiterläuft. Die Zeit endet nie. Ich habe dafür gesorgt, dass wir nie den Überblick über die Zeit verlieren müssen.

Die Lüge, von der ich spreche, haben wir uns selbst ausgedacht, ohne zu merken, dass es sich um eine handelt. Wir nehmen an, die Uhr und die Zeit, die sie zeigt, sei objektiv. Universal. Eine unparteiische Instanz.

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8 Vgl. https://www.exactlywhatistime.com/measurement-of-time/clocks/

Wir hinterfragen sie nicht. Irgendjemand hat die Uhr gemacht, hat sie aufgezogen und angemalt, hat sie zu einem Kreis geformt oder definiert, wie viele Zahlen sie zeigt. Und hat vor allem definiert: so lange dauert eine Umdrehung, so viele Umdrehungen macht sie pro Tag und so weiter. Und dieser jemand war ich. Ich habe das nicht verheimlicht, der Konflikt darüber, wie Zeit gemessen und dargestellt wird, ist ganz einfach in den Hintergrund geraten.

[B] Welchen Konflikt meinen Sie?

[U] Die Sonne und ihr Licht waren lange Zeit das wichtigste zeitliche Indiz. Sonnenuhren ermöglichten den Menschen einigermassen genaue zeitliche Abmachungen zu treffen.9 Aber das Tageslicht ist ja nie gleich, weder an verschiedenen Orten der Welt, noch an verschiedenen Tagen im Jahr. Früher waren die lokalen Bedingungen entscheidend.

Im Jahr 1884 fand die International Prime Meridian Conference, oder kurz IPMC, in Washington DC statt. Es war ein Treffen von (reichen, privilegierten) Männern aus den 25 mächtigsten Staaten der Welt (also jene mit guten Beziehungen zu den USA). Beim IPMC wurde festgelegt, wo der Nullmeridian unseres Planeten liegen soll. Also der Längengrad mit der Ziffer 0. Die lokale Sonnenzeit gemessen an diesem Ort war der Richtwert für eine global gültige Einheitszeit. Anhand von ihr wurden Zeitzonen erschaffen, die der GMT (Greenwich

9 Vgl. Levine, Robert: Eine Landkarte der Zeit: Wie Kulturen mit Zeit umgehen, 90

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Mean Time) entweder Stunden hinzufügten oder abzogen. Dort wurde auch der Beschluss gefasst, die Tagesrechnung um Mitternacht zu beginnen.10

Die IPMC wird zwar als einzelner Event oft etwas überhöht. Erst nach etwa zehn Jahren begannen die ersten Staaten, die GMT und ihre Zeitzonen als einheitliche Zeit zu übernehmen. Aber sie spielte eine zentrale Rolle im Triumph der Uhr. Vor der Einführung der Greenwich Mean Time war die Welt voll von alternativen Lokalzeiten, die nebeneinander bestanden. Jeder Ort hatte seine eigene Zeit, die Eisenbahn folgten dann noch einer anderen Zeit und wenn man reisen wollte, musste man ständig auf irgendwelchen Tabellen nachrechnen, wie viel Uhr es denn jetzt ist.11 Die GMT hat einen Standard geschaffen, der nach und nach übernommen wurde. Und dieser Standard wurde aus eurozentrischer Perspektive definiert, mit der Festlegung des Nullmeridians im Greenwich Observatory in London. Die Kontinente Asien und Afrika waren an der Konferenz gerade mal mit je einem Staat vertreten. Die Beschlüsse fanden natürlich nicht alle gut. Es gab auch während der IPMC Diskussionen darüber, wo der Nullmeridian liegen soll, mit der Forderung, dass sie unabhängig eines Kontinents bestimmt werden soll.12 Ich glaube, dieses Nebeneinander der

10 Vgl. Phillips, Rasheedah: Counter clockwise: Unmapping black temporalities from Greenwich Mean Timelines, https://thefunambulist.net/magazine/they-have-clocks-wehave-time/counter-clockwise-unmapping-black-temporalitiesfrom-greenwich-mean-timelines

11 Vgl. Messerli, Jakob: Kantönlizeit, in Transhelvetica, 22–27

12 Vgl. Phillips, Rasheedah: Counter clockwise: Un-

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verschiedenen Zeiten hat den Menschen auch täglich vor Augen geführt, dass Uhrzeit relativ ist. Es gab immer wieder Kritik und Proteste an der Vereinheitlichung der Uhrzeit. Die Menschen befürchteten, ihre Sonne würde ersetzt durch die Sonne Londons.13

mapping black temporalities from Greenwich Mean Timelines, https://thefunambulist.net/magazine/they-have-clocks-wehave-time/counter-clockwise-unmapping-black-temporalitiesfrom-greenwich-mean-timelines

13 Vgl. Jacir, Emily: Time standardization, clock towers & colonialism in Ireland and Palestine, https:// thefunambulist.net/magazine/they-have-clocks-we-have-time/ time-standardization-clock-towers-colonialism-in-irelandand-palestine

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Ich arbeite ziemlich ineffizient. Ich nehme mir vor, von jetzt an nur noch abgeschlossene Tätigkeiten! Oder ist es nicht das, was ich eigentlich wollte? Effizienz bremsen und so?

Ich hab überhaupt keinen Überblick mehr über Notizen in meinem Kalender. Ich kann nicht entschlüsseln, was der 10.05.5783 für ein Tag gewesen ist. Aber eigentlich ja auch egal, oder?

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Edward Stone Parker erzählt 1854 als AssistantProtector of Aborigines (dieser Titel tönt leider besser als er vermutlich war) in einem Vortrag von einem System, das einige Aborigine Stämme für zeitliche Abmachungen verwendeten. Die Anzahl Tage bis zum nächsten Treffen wurden mit rotem Pigment direkt auf dem Körper einer der Männer aufgemalt, vom rechten Zeigefinger über den Kopf bis zur linken Hand. Jede Körperstelle bot die Möglichkeit, einen spezifischen Zeitpunkt zu markieren. Dabei spricht er von einem «lebenden Kalender». Dieser war nur von Bedeutung für die involvierten Personen und verschwand irgendwann von selbst.14

31 Lesezeit: Einen Moment geistesabwesend in die Leere starren
14 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 65

Ich muss nochmal hoch ins Dorflädeli, ich brauche Olivenöl. An der Kasse muss ich kurz warten, weil die Kassiererin auch gleichzeitig im Bistro nebenan kellnert. Einen Moment achte ich mich nicht und Zack, schon ist es passiert. Mein Blick wandert wie automatisch hoch an die Uhr an der Wand. Shit! Ich schrecke zurück, schau weg und blicke direkt in die Kassenanzeige, mit einer Zeitanzeige in Ziffern. Hilfe!

Ich werde ein bisschen wütend auf mich, weil ich mich nicht gut auf den Ladenbesuch vorbereitet habe, irgendeine Form von Scheuklappen gebastelt habe oder so.

Beim Zurückgehen fährt mein Blick zuverlässig wieder hoch zur Kirchenuhr – egal wie sehr ich mir vorher vorgenommen habe, das zu vermeiden. Die Uhrzeit scheint nicht aus mir rauszuwollen. Alle meine Gewohnheiten sind darauf getrimmt, wo immer möglich einen Blick auf eine Uhr zu werfen.

Die Kirchenglocke hat mich wirklich im Griff. Immer wenn sie erklingt, beginne ich lautstark irgendwelche Töne zu singen, um sie zu übertönen.

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Es wird langsam dunkel und ich mag nicht mehr arbeiten. Ich sehe gerade alle Aufgaben als Pflicht an, sogar das Kochen.

Ich habe mit meinem Freund telefoniert und bemerkt, dass ich ein grosses Mitteilungsbedürfnis entwickelt habe. Weil ich wegen der allgegenwärtigen Uhrzeit auf meinem Handy auch die Kommunikation stark eingeschränkt habe. Er fragt mich am Telefon, was ich denke, wie viel Uhr es ist. Ich sage, so halb 10.

Ich habe festgestellt, dass ich jedes Mal überrascht bin, wenn ich die Zeit irgendwie doch mitbekomme, weil ich eigentlich gedacht habe, es sei noch nicht so spät. Dann hab ich heute auch noch von einem Kolonialherren gelesen, der 30 Jahre bei Aborigines untergekommen ist und keine europäischen Zeitmesssysteme mehr hatte und somit sein europäisches genaues Zeitgefühl verloren hat. Im Nachhinein verschätze er sich um 12 (!!) ganze Jahre, die er länger da war als gedacht.15 Wenn wir die Zeit nicht genau messen, haben wir also das Gefühl, sie vergeht langsamer?

Die Kalenderanzeige verwirrt mich nun öfters. Ich bin mir nicht sicher, wie die hebräische Zeitrechnung genau funktioniert, das habe ich nicht nachgeschaut. Wo werden die Tage angezeigt und wo das Jahr?

Im Kalender auf meinem Laptop sehe ich die Monate, die Namen gefallen mir gut. Elul, Tischri, Aw. Das Jahr 5783 scheint mit Elul zu enden und mit Tischri in 5784 überzugehen, ich glaube an unserem 26. September.

15 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 66

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Die Woche könnte eigentlich anstatt sieben Tage auch nur fünf Tage haben (das hat Stalin mal versucht)16, oder sogar zehn Tage, wie es die französischen Menschen in ihrer Revolution versucht haben. Ihr Vorhaben, eine eigene Zeitrechnung einzuführen, war eine weitere Möglichkeit, um mit dem alten System zu brechen. 1793 des gregorianischen Kalenders setzen sie auf das Jahr 0 und begannen fortan ihre neue Zeitrechnung. Ihre zeitliche Autorität sollte sich auf Mathematik und Rationalität stützen. So erschufen sie die 10-Tage-Woche, jeder Tag bestehend aus 10 Stunden, die wiederum à 100 Minuten à 100 Sekunden. Dreizehn Jahre lang arbeiteten sie daran, dieses Zeitsystem zu etablieren, stellten sogar extra Uhren her und alles. Doch das Ganze wurde schliesslich wieder über den Haufen geworfen. Vor allem in Grossbritannien wurde diese Kalenderrevolution als Zweifel an den bestehenden Rhythmen der Kirche angesehen und immer wieder als Beispiel gebracht als Frevel an Gott selbst. Manche sahen sogar Napoleon als gottgesandte Bestrafung für den Versuch der Revolutionär*Innen, die 7-Tage-Woche und somit auch den Sonntag abzuschaffen.17

Auf jeden Fall, gab es nicht nur Männer, die eine Kalenderreform anstrebten. Die Amerikanerin Elisabeth Achelis war begeistert von zeitlicher Ordnung.

16 Vgl. Levine, Robert: Eine Landkarte der Zeit: Wie Kulturen mit Zeit umgehen, 119

17 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 35

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Lesezeit: Den Song «Time» von Sudan Archives auf Spotify hören

Sie tüftelte 1930 an einer Kalenderreform und gründete dafür die World Calendar Association. In ihrem neu konzipierten World Calendar teilt sie das Jahr in Viertel. Jedes Viertel hatte 13 Wochen oder 91 Tage. Sie hielt also an der sieben Tage Woche fest, und wollte unbedingt, dass jedes Jahr und Vierteljahr an einem Sonntag beginnt und mit einem Sonntag endet. (hmm, mir klingelt da ein Glöckchen). Dahinter steckt der Wunsch, die Jahre besser miteinander vergleichbar zu machen. Jedes Datum hat so in jedem Jahr immer denselben Wochentag.18 Tatsächlich ist der Kalender gar nicht so daneben. Heute Mittwoch, 13. Nisan wäre Dienstag, 3. April.

Also ich meinerseits hätte da noch ein paar Fragen.

Erstens einmal, Gratulation zum Kalender, als ich mir überlegt habe, wie man das Jahr sonst noch so einteilen könnte, hat es fast mein Gehirn gesprengt. Aber, wenn man jetzt diesen Kalender hat. Wo beginnt man? Wann ist der Starttag? Und wieso beginnt er jetzt? Da sollte man sich schon im Klaren sein. Sonst fangen die Menschen 2000 Jahre später auch wieder an, sich zu fragen wieso, man nach einer Zeitrechnung lebt, die sich nach einem Geburtstag richtet, an den man nicht mal

18 Vgl. https://www.newyorker.com/magazine/2021/11/22/how-the-week-organizes-and-tyrannizes-our-lives-david-m-henken-book?utm_campaign=likeshopme&client_service_id=31202&utm_social_type=owned&utm_brand=tny&service_user_id=1.78e+16&utm_content=instagram-bio-link&utm_source=instagram&utm_medium=social&client_service_name=the%20new%20

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37 Den Song «Time» von Sudan Archives auf Spotify hören

glaubt. Aber vermutlich muss man einfach mit genügend Selbstüberzeugung ans Werk, so wie Papst Gregor XIII, der alte Gauner, der wegen den Schludrigkeiten von Cäsars Kalender einfach einmal 10 Tage ausfallen liess und damit die jährliche Abweichung von 11 Minuten ausglich.19

Mir nichts, dir nichts

10 Tage weg.

19 Vgl. Bollmann, Jon: Im Takt der Ewigkeit, in Transhelvetica, 42

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Ich wünsche mir, meine Arbeit mit einer Anzahl Stunden quittieren zu können. So bin ich komplett verloren, nur meiner Empfindung überlassen, die sowieso immer denkt: da geht noch mehr, mehr, mehr!

Für morgen nehme ich mir vor, mehr zu chillen.

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Ich glaube, heute bin ich früher wach geworden als gestern. Die Sonne scheint mit voller Kraft durchs Fenster und mich hat das so gefreut, ich bin direkt auf und hab ein Foto gemacht. Damit ich später sehen kann, wie die Sonne gewandert ist.

Ich merke, dass ich die Kirchenglocke nun lange nicht gehört habe.

Ich verbringe den Morgen zeitlos.

Doch dann erreicht mich eine eher dringende Nachricht. Ich bin kurz unachtsam und mein sonstiger Trick, mit dem Daumen die Uhrzeit der Nachrichten zu verdecken, misslingt. Ich sehe: 10:37. So ein Mist. Aber ich dachte auch, es wäre bestimmt schon nach 11:00. Ich glaube, ich passe mein Gefühl jetzt auch immer etwas nach vorne an, damit ich nicht böse überrascht werde.

Als Reaktion klebe ich meinen Handybildschirm noch mehr ab. Jetzt ist aber wirklich fertig Zeit! Ich muss mir noch überlegen, wie ich das Kirchengebimmel um 12:00 vermeiden kann.

Ich hab jetzt angefangen, sehr laut Musik zu hören. Blas mir doch in die Schuhe, du blöde Kirchenglocke!

Es ist wirklich mega laut.

Ich bin sehr nervös, jedes Mal, wenn ein Lied zu Ende geht.

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Und ich traue mich grad gar nicht mehr nach draussen.

«Ich will keine Zukunft, ich will immer nur Gegenwart

Keine Zukunft, immer nur Gegenwart

Keine Zukunft, für immer nur Gegenwart»20

Ich glaube, ich hab die Glocke tatsächlich übertönt, Sieg!

Ich fühle mich undiszipliniert, obwohl ich ja nicht faul herumliege.

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20 Bonaparte - Keine Zukunft I

Vielleicht muss ich nun ein bisschen graben und wühlen und an der Kruste kratzen, bis ich am anderen Ende der Welt wieder rauskomme.

Lesezeit: Bis Teewasser im Wasserkocher kocht

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Die Zeitkulturen der Aborigines scheinen vielgliedrig, unterscheiden sich zwischen Regionen und Stämmen, genauso wie auch die natürlichen Begebenheiten auf dem ganzen Kontinent sehr unterschiedlich sind. Das Wissen der indigenen Bevölkerung über die Rhythmen der Natur dienten ihnen als eine Art zeitlicher Struktur. Ihre Bewegungen als Nomad*Innen basierten auf diesen Wissenssystemen, sie erlaubten ihnen genaue Einschätzungen über die Länge von Distanzen und über die zeitliche Verfügbarkeit von Ressourcen. Die genauen Rhythmen der Natur zu kennen bedeutete, zu wissen, wann welche Pflanzen essbar oder giftig waren oder wie sie die Gewohnheiten der Tiere für sich nutzen konnten.21

Die Kenntnis der feinen Unterschiede führte dazu, dass die Menschen nicht einfach bloss vier Jahreszeiten identifizierten, sondern je nach Volk auch fünf, sechs, sieben, dreizehn.22 Sie hörten die Grashüpfer auf den Feldern und schlossen daraus, dass das Yams gut zur Ernte war. Sahen Spuren des Possums im Schlamm, fühlten den westlichen Wind aufziehen, sahen die ersten Blüten der Orchideen. Benannten diese Zeit nach den Aalen, Wombats, Kaulquappen, die sie erspähten. Oder nach dem Feuer oder der Flut, die viel seltener erschienen und andere Zeiten überlagern konnten. Das Ausschwärmen der Bogong-Falter im Südosten Australiens markierten neben einer Nahrungsquelle auch

21 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 61–62

22 Vgl. https://theconversation.com/explainer-theseasonal-calendars-of-indigenous-australia-88471

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den Zeitpunkt für Zeremonien, um Handel zu treiben, zu heiraten, oder um Konflikte zu klären. Auch astronomische Beobachtungen waren ein wichtiges zeitliches Indiz. Der Stamm der Djargurd Wurrung wussten anhand der Position des Canopus, wann die Zeit der Emu Eier gekommen war. Oder nutzten das Erscheinen einer spezifischen Sternenkonstellation im Osten als Moment, um Besuche in benachbarten Stämmen abzuhalten.23

Ein Netz aus Jahrhunderte altem Wissen, das ich aus meinem Verständnis höchstens ansatzweise wiedergeben kann, mittels Informationen, die aus europäischer Feder zusammengetragen wurden. Und hier geht es nicht um eine romantische Verklärung einer anderen Zeitkultur. Sondern eigentlich um die Kruste, die ich erstmal abkratzen musste.

Die alternativen und regional diversen Kulturen der Zeit der indigenen Bevölkerung waren ein Dorn im Auge der kolonialen Vorstellungswelt. Sie wurde eher als Unverständnis und Beweis für mindere Intelligenz aufgefasst, statt als eine alternative Form der zeitlichen Orientierung. «terra sine tempore»24, zeitloses Land. Die Besetzer:innen betrachteten diese Praktiken als «primitiv» und waren unfähig, darin die Regularität und Rhythmen zu erkennen, die ihnen für die Definition einer legitimen Zeitkultur unabdingbar waren.25 Sie akzeptierten die Natur nicht als angebrachte zeitliche Autorität, sondern sahen darin ein

23 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 61–63

24 Ebd., 60

25 Vgl. ebd., 60

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Abhängigkeitsverhältnis, das es zu überwinden galt. Für wie «zivillisert» und «modern» ein Volk galt, resultierte aus dessen Fähigkeit, Ressourcen kultivieren zu können. Darunter zählten sie auch die Ressource Zeit. Dabei galt es als wichtiger Modernisierungsschritt, wenn sich die «menschliche Zeit» von der «natürlichen Zeit» abgekoppelt hatte, man also über ausgereifte Kalender- und Zeitberechnungssysteme verfügte, die ohne Referenzen zur Natur auskommen konnten. Die Uhr galt also damals schon als Statussymbol. Diese Glaubenssätze trugen ihren Teil dazu bei, in der kolonialen Vorstellung die «Andersartigkeit» von indigenen Völkern zu manifestieren und dadurch deren Unterdrückung und Ausbeutung zu legitimieren.26

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26 Vgl. ebd., 10–11

Ich bin langsam wirklich hungrig. Oder bilde ich es mir einfach ein? Habe ich vergessen, wie es sich genau anfühlt, Hunger zu haben? Worauf kann ich mich sonst noch beziehen? Wann ist die Sonne eigentlich im Zenit? Okay, jetzt hat gerade mein Magen geknurrt.

Vielleicht brauche ich auch einfach mal eine Pause.

In diesem Experimente-Tagebuch ging es bis jetzt vor allem darum, wie schwierig es ist, der zeitlichen Autorität der Uhr zu entkommen. Einerseits physisch, also keine visuellen und akustischen Indizien zu erhalten, aber auch mental. Also sich nicht synchronisieren wollen mit einem geregelten Tagesablauf, mit Rhythmen, wie sie uns beigebracht wurden. Das Vergehen der Zeit bemerke ich aber natürlich trotzdem. Ich beobachte die Sonne genau, wo sie am Himmel steht, sehe überall Schattenwürfe, die sich wahnsinnig schnell bewegen. Wenn ich länger hierbleiben würde, könnte ich irgendwann ganz genau sagen, wie die Sonne durch die Ritzen des Holzgeländers fällt, könnte das mit spezifischen Zeitpunkten verknüpfen, mich nur noch darauf verlassen. Und wenn es grau ist, bleibe ich einfach drin und mache nichts.

Ich beobachte den Schnee, wie er ebenfalls ziemlich schnell schmilzt. An einigen Stellen schneller als an anderen. Dann schneit es wieder über Nacht und alles ist weiss. Die Sonne verschwindet hinter den Bergen, es wird Nacht, dann wieder Tag. Ich verbrenne gefühlt eine Tonne Holz, weil mir so kalt ist. Wie kann es sein, dass das Feuer schon wieder aus ist? Hab ich nicht gerade erst ein Scheit hineingelegt? Ich merke die

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Zeit am trockenen Geschirrtuch, das ich heute Morgen nass über den Ofen gelegt habe. Ich merke sie am Käse, der am Montag noch ganz war und wovon heute nur ein paar Reste am leeren Käsepapier kleben. Am Kompost, der sich allmählich füllt. Ich merke die Zeit auch an der Temperatur, die langsam steigt, dann wieder sinkt.

Ständig kommt der Wind und verbläst meine inzwischen vier, ziemlich rudimentären Sonnenuhren auf dem Balkon. Die Stecken fallen um und es wird mir wohl kaum gelingen, sie wieder am genau gleichen Ort einzustecken.

Ich unterwerfe mich eigentlich der Autorität des Feuers. Wenn es ausgeht, stehe ich auf und lege Holz nach, auch wenn ich dazu gerade keine Lust habe. Ich bin abhängig vom Feuer. Ich habe eine Feueruhr.

Ich glaube, der Wind, der hier eisig bläst, macht, dass mein Feuer schneller runterbrennt. Und ich habe nur noch das schlechte Holz erwischt, das gute, das langsam abbrennt, ist schon aufgebraucht. Ist meine Feueruhr gezinkt?

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Ingeborg Beling ist eine weitere coole Frau, deren Porträt ich in meine Ruhmeshalle der alternativen Zeitpraktiken gehängt habe, obwohl sie eigentlich mit Zeitmessen gar nicht viel zu tun hatte. Sie war eine deutsche Biologin, die in den 1920er Jahren am Zeitsinn von Honigbienen forschte. In einem ihrer Experimente stellte sie ihren Testbienen über mehrere Tage zum gleichen Zeitpunkt Zuckerwasser bereit. An einem Testtag prüfte sie dann, ob und wann die Bienen trotzdem kommen, wenn das Zuckerwasser fehlte. Die meisten Bienen kamen tatsächlich zur vorher antrainierten «Fütterungszeit» angeflogen. Zudem fand sie heraus, dass die Bienen zu jeglicher Tageszeit konditioniert werden können, sogar zu mehreren Zeiten pro Tag.27

Aber was ich eigentlich sagen will ist, es gibt unzählige andere Möglichkeiten, uns Zeitpunkte zu vergegenwärtigen oder eine zeitliche Struktur zu schaffen, statt ständig auf die Uhr zu schauen. Mit trainierten Bienen zum Beispiel, die angeflogen kommen und uns so vielleicht einfach die Mittagszeit oder den Feierabend ankündigen. Ich würde lieber dreimal am Tag eine neue Biene anfliegen sehen, als jede Stunde diese Kirchenglocke zu hören.

27 Vgl. Renner, Max: The Contribution of the Honey Bee to the Study of Time-Sense and Astronomical Orientation, 361–362

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Lesezeit: Ein Flug einer Biene von Blüte zu Blüte

Ich merke, wie sich die Unsicherheit einschleicht. Ich hinterfrage mal wieder alles.

Ich bin wie in einem zeitlichen Loop gefangen. Ich fühle mich orientierungslos in allem, was ich mache.

Das exzessive Glockengebimmel ist wieder da. Gestern habe ich das als Zeichen genommen, für einen Feierabend. Heute denke ich mir, ich hab mal wieder zu wenig geschafft. Ich schreibe noch einen Text, erst dann ist Feierabend.

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[B] Herr Uhr, fahren wir doch weiter.

[U] Öhm ja oke. Wo war ich?

[B] Tic Tac, die Zeit läuft, Herr Uhr!

[U] Jaja. Tic Tac, genau.

Sie sind ja auf der Suche nach alternativen Praktiken des Zeiterfassens. Sie haben nun einiges recherchiert und gezeigt, die gab es. Aber wohin sind sie verschwunden?

[B] Also, eigentlich stelle ich ja hier die Fragen, aber gut. Hmm, ich denke mal, sie wurden einfach übertönt. Mit exzessiv lautem Glockengebimmel?

[U] Exakt, Frau Boldt, exakt.

Mit der Einführung der GMT hatten wir zwar einen Beschluss von ganz oben. Aber da ging es ja vor allem darum, verschiedene Zeiten, die durch eine gleiche Praxis gemessen werden, zu vereinheitlichen. Aber lokal wurden noch ganz andere Kämpfe geführt. Mit all den Missionar*Innen im 19. Jahrhundert hatten wir Verteidiger*Innen einer spezifischen Vorstellung von Recht und Ordnung, die in alle Teile dieser Welt ausströmten.

Der Sonntag war ihnen heilig, dazu muss man wissen, welcher Tag es ist. Zeit konstituiert sich durch Riten und Routinen, Wiederholungen und Kreisläufe. Für die Missionar*Innen war der Fall klar, dies soll nach

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Lesezeit: Einmal Kompost rausbringen

christlicher Manier geschehen. In den Zeremonien oder Festlichkeiten der indigenen Bevölkerung sahen sie oftmals keinen regulären festgesetzten Rhythmus, keine zeitliche Struktur. Und wenn sie in den Feierlichkeiten eine Regelmässigkeit erkannten, folgten diese nicht der «richtigen» zeitlichen Autorität und wurden als Aberglaube abgetan. Die Glocken, die Patrone aus Europa als Geschenke spendeten, ermöglichten ihnen eine zentralisierte zeitliche Kontrollinstanz. Unter dem Deckmantel einer kulturellen Reform ging es auch damals darum, die Menschen in disziplinierte Arbeiter*Innen und Konsument*Innen zu verwandeln.28

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28 Vgl. Nanni, Giordano: The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire, 17
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Päm. Schon wieder dunkel.
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Meine Texte werden immer schlechter. Ich werde immer unsicherer. Zeit, um ein wenig auf Abstand zu gehen.

Ich brauche nur einen einzigen Moment, in dem ich auf die Uhr schaue, um Stunden des nicht-auf-dieUhr-Schauens zunichte zu machen.

Inzwischen weiss ich wirklich gar nicht mehr, wie viel Uhr es ist. Ich habe einen Film geschaut, der kam mir ewig vor. Irgendwann hatte ich gar nicht mehr so Lust auf den Film, aber ich bin erst schlafen gegangen, als er fertig war. Der Film war eine weitere Uhr.

Es interessiert mich, ob ich eher spät oder früh dran bin. Ich versuche, bei den Häusern am Hügel gegenüber zu erkennen, ob noch bei vielen Licht in den Fenstern brennt.

Ich sehe zu schlecht.

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Im Bett denke ich, dass sich diese 3 Tage bis jetzt schon ewig lang anfühlen, und ich trotzdem das Gefühl habe, die Zeit zerrinnt mir zwischen den Fingern. Man sagt, auf dem Land vergehe die Zeit langsamer als in der Stadt, wegen weniger Impulsen. Aber hier fühlt es sich umgekehrt an. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich hier eine begrenzte Anzahl Tagen verbringen darf, es ist nicht open end. Dass etwas endlich ist, macht es doch auch immer attraktiver, oder?

In meinem Kopf verschmelzen die Tage miteinander, wie damals im Lockdown. Ich habe das Gefühl, sie nicht mehr so genau auseinanderhalten zu können.

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Aus Angst zu verschlafen, habe ich mir gestern einen Wecker auf 10:00 gestellt. Ich bin ohne Wecker aufgewacht. Also habe ich ihn wieder ausgemacht. Es hat mir genügend Sicherheit gegeben zu wissen, dass ich genug Zeit habe. Ganz genau muss ich es gar nicht wissen.

Morgens fühlt sich das Experiment immer besser an als Abends. Der Tag liegt noch so voller Möglichkeiten unverbraucht vor mir.

Ich stelle mir einen Wecker für 11:30. Um 12:16 fährt mein Postauto zurück nach Bern.

Ich putze das Haus und mache mich zum Aufbruch bereit. Die Angst, die ich wegen der Abreise hatte, ist wie verflogen. Ich weiss, der Wecker wird mich erinnern. Ich habe mich wieder unter die Autorität der Uhr begeben.

Tatsächlich klingelt er früher, als ich es erwartet hatte. Ich hatte gehofft, nach dem Putzen noch ein wenig in der Sonne sitzen zu können. Stattdessen geht alles gerade so auf. Um Zwölf ertönt zuverlässig die Kirchenglocke und ich breche auf.

An der Bushaltestelle möchte ich ein Ticket lösen, aber mein Handybildschirm ist noch immer zugeklebt. Ich klicke Tasten, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es die richtigen sind.

Ich nehme die Klebstreifen ab, es fühlt sich verboten an. Meine Hand schnellt noch automatisch hoch, um die Uhrenanzeige abzudecken.

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Am Bahnhof Visp habe ich Umsteigezeit. Währenddessen habe ich kein Bedürfnis, auf die Uhr zu schauen.

Im Zug entferne ich die restlichen Klebestreifen meines Laptops und stelle ihn zurück in die mitteleuropäische Zeitzone. Der Bildschirm wechselt aus dem Night Shift Modus. Sie war mir 11 Stunden voraus. Die Uhr lasse ich auch wieder in der Menüleiste erscheinen. Auch das fühlt sich irgendwie falsch an. Ich mochte es, als die Zeit keine Rolle spielte auf meinem Laptop, sie nicht mit einem schnellen Blick immer sofort erkennbar war. Ich nehme sie wieder raus.

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Die Zeit ist uns immer näher an den Körper gerückt.

Zunächst war sie noch draussen, an den Wänden von Bahnhöfen oder Fabriken. Irgendwann kam sie zu uns ins Haus, stand da. Schlüpfte in unsere Taschen, wand sich um unsere Handgelenke. Dann ist uns ein weiterer Körperteil gewachsen, ein viereckiges. Da war sie wie selbstverständlich schon drin.

Hat sich in uns eingenistet, lässt sich kaum noch rauskriegen.

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Bollmann, Jon. «Im Takt der Ewigkeit»

Transhelvetica: Die Kunst des Reisens. Zeit, Nr 73, 2022: 42–45.

Bonaparte - Keine Zukunft I - Keine Zukunft EP.

Jacir, Emily. «Time standardization, clock towers & colonialism in Ireland and Palestine»

The Funambulist. They have clocks, we have time, Nr 36, 21. Juni 2021, https://thefunambulist.net/ magazine/they-have-clocks-we-have-time/timestandardization-clock-towers-colonialism-inireland-and-palestine (Aufgerufen am 23. Nisan 5783).

Levine, Robert. «Eine Landkarte der Zeit: Wie Kulturen mit Zeit umgehen.» 8. Aufl. München: Piper Verlag, 2002.

Messerli, Jakob. «Kantönlizeit» Transhelvetica: Die Kunst des Reisens. Zeit, Nr 73, 2022: 22–27.

Messerli, Jakob. «Den Tag einteilen» Transhelvetica: Die Kunst des Reisens. Zeit, Nr 73, 2022: 27.

Nanni, Giordano. «The colonisation of time: Ritual, routine and resistance in the British Empire» Manchester u. New York: Manchester University Press, 2012.

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Literaturverzeichnis

Phillips, Rasheedah. «Counter clockwise: Unmapping black temporalities from Greenwich Mean Timelines» The Funambulist. They have clocks, we have time, Nr 36, 21. Juni 2021, https://thefunambulist.net/ magazine/they-have-clocks-we-have-time/counterclockwise-unmapping-black-temporalities-fromgreenwich-mean-timelines (Aufgerufen am 24. Nisan 5783).

Renner, Max. «The Contribution of the Honey Bee to the Study of Time-Sense and Astronomical Orientation» Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology 25,1960: 361–367 https:// symposium.cshlp.org/content/25/361.full.

pdf+html (Aufgerufen am 25. Nisan 5783).

https://www.exactlywhatistime.com/measurementof-time/clocks/ (Aufgerufen am 24. Nisan 5783).

https://www.newyorker.com/magazine/2021/11/22/ how-the-week-organizes-and-tyrannizes-our-lives-david-m-henken-book?utm_campaign=likeshopme&client_service_id=31202&utm_social_type=owned&utm_brand=tny&service_user_id=1.78e+16&utm_ content=instagram-bio-link&utm_source=instagram&utm_medium=social&client_service_name=the%20new%20

yorker&supported_service_name=instagram_publishing (Aufgerufen am 24. Nisan 5783).

https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/ definition/english/clock_1 (Aufgerufen am 23. Nisan 5783).

https://theconversation.com/explainer-the-seasonal-calendars-of-indigenous-australia-88471 (Aufgerufen am 25. Nisan 5783).

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Danke!

Von Herzen danke ich meiner Mentorin Regina Dürig, die mich ermutigt hat, in diesem riesigen Themenfeld frei umherzutauchen und immer wieder das Potenzial in all meinen verschiedenen Fundstücken gesehen hat.

Danke Manni, für das wunderbare Haus in den Bergen.

Danke an die Kirchenglocke von Zeneggen, die mich mit Schreibwut gefüttert hat.

Danke meinen lieben und engen Menschen, die mit mir unzählige Gespräche über die Zeit geführt haben.

Und merci an alle, die mir immer wieder Fotos und Videos von Uhren geschickt haben. Sie sind überall!

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Eigenständigkeitserklärung

Ich bestätige hiermit, dass ich die nachstehende theoretische Bachelorarbeit selbstständig angefertigt, fremde Quellen kenntlich gemacht, sowie wörtliche wie auch sinngemässe Textteile als solche angegeben habe. Diese Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form bisher weder einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt, noch veröffentlicht.

Bern, 6. Ijjar 5783

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Bachelorthesis 2023

Studiengang Visuelle Kommunikation

Hochschule der Künste Bern

Hannah Boldt

Mentorat

Regina Dürig

Schrift

ABC Favorit Mono

SangBleu Republic

Papier

Munken Polar

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Theoretische Thesis Hannah Boldt

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