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VON FLORIAN R E N N E B E R G

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ach dem gescheiterten Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin war allenthalben zu hören, die SPD brauche mehr Querdenker wie Sarrazin. Auch Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, Sarrazins Verteidiger vor der parteiinternen Schiedskommission, forderte seine Partei auf, nicht zu verschlossen gegenüber eigenwilligen Charakteren zu sein. Doch hat Sarrazin ein Manko, das er mit vielen sogenannten Querdenkern teilt: Er ist nicht in Amt und Würden. Für aktive Politiker ist es ungleich schwerer, sich kontrovers zu äußern und klar Stellung – auch entgegen der Parteilinie – zu beziehen. Karriere und Ideale sind in der Politik nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. Wer sich der Mehrheit in Partei und Fraktion entgegenstellt, bleibt bei der Vergabe prestigeträchtiger Posten in der Regel außen vor – nur wenige nehmen diese Nachteile bewusst in Kauf. In seinem 2010 erschienenen Buch „Wir Abnicker“ skizziert der SPD-Abgeordnete Marco Bülow die alltägliche Arbeit der Bundestagsabgeordneten. Diese kennzeichne vor allem der Fraktipol it ik & kommunikation | Juli/August 2011

onszwang – ausführliche Diskussionen seien selten. „Der klassische Bundestagskandidat hat in 20 bis 30 Jahren in der Partei einen solchen Schleifprozess durchlaufen, dass kaum Quer-, Vor- und Andersdenker übrig bleiben“, so Bülow.

Wunsch nach Geschlossenheit Einer derjenigen, die übrig geblieben sind, ist Josef Göppel, seit 2002 Bundestagsabgeordneter der CSU. Im vergangenen Herbst stimmte er gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und die Gesundheitsreform der Koalition. Zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung stimmte er als einziger Abgeordneter der Union für die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. In den Parteien und Fraktionen werde zu wenig um Positionen gerungen, findet er und nimmt seine Kollegen in die Pflicht: „Diejenigen, die im Mandat stehen, müssen Konturen zeigen.“ Für junge Abgeordnete sei das jedoch schwer, die wirtschaftliche Abhängigkeit vom politischen Mandat sei oft zu groß: „Wer direkt von der Uni in den Bundestag kommt, muss entweder 40 Jahre lang Abgeordneter bleiben oder sich mit Mitte 30 eine neue Aufgabe suchen.“ Der CSU-Politiker spricht ruhig und formuliert seine Aussagen mit Bedacht.

Er scheint in sich zu ruhen – und wenn es um nachhaltige Umweltpolitik und die Bewahrung der Schöpfung geht, leuchten seine Augen. Es gebe Entscheidungen, erklärt er, die man nur mit sich selbst ausmachen könne. „Natürlich ist der persönliche Weg schwerer, wenn man nicht konform ist“, räumt Göppel ein. Seiner ersten Kandidatur für den Bundestag beispielsweise ging eine Kamp�andidatur im Wahlkreis voraus, die Göppel denkbar knapp gewann. 61 von 120 Delegierten konnte er für sich gewinnen. Abgeordnete wie Josef Göppel, die – wie es das Grundgesetz vorsieht – ihrem Gewissen folgen, haben es schwer im parlamentarischen System der Bundesrepublik. In den Fraktionen herrscht der Wunsch nach Geschlossenheit, wer sich dem widersetzt, ist auf sich allein gestellt. „Abweichler werden von der Fraktionsspitze mit Liebesentzug bestraft“, sagt Frank Schäffler. Der FDP-Politiker ist seit 2005 Mitglied des Bundestags, sein Thema ist die Finanzpolitik. Dieses trockene Politikfeld stand im vergangen Jahr – Griechenland-Krise, Euro-Rettungsschirme, Bankenregulierung – plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit. Schäffler positionierte sich als liberales Gewissen einer nicht mehr ganz so liberalen Partei. Mit der Partei- und Fraktionsführung liegt er deshalb des Öfteren über 47


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