pressesprecher 06_17 Treue

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Quadriga Media Berlin GmbH

Ausgabe 6/17

www.pressesprecher.com

Magazin f체r Kommunikation

Mit Treue punkten

PR-Ausbildung: Wann ein Volont채rstausch f체r beide Seiten lohnenswert sein kann

Work-Life-Blending: Wenn die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Arbeitsort verschwimmen

Praxistipps: Wie Sie gezielt Fachjournalisten f체r Ihr Thema begeistern


Meet your peers from all over Europe at the ECS 2018 for the very first time in Berlin!

Save the d

ate

13 / 14 June 2018 Radialsystem, Berlin

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Aus der Redaktion

Treuen Sie sich ruhig!

„So, simmer bei achtfuffzich. Sammeln’se Treuepunkte?“ Wer an deutschen Supermarktkassen zahlt, kennt diese Frage – und wer tatsächlich sammelt, dieses Phänomen: Die Brieftasche wird immer praller vor lauter Bonuskarten. Denn oftmals lösen wir die Punkte

nicht ein, lassen die Belohnung für unsere Treue also sausen. Treue bereitet offenkundig Mühe. Für unsere letzte Ausgabe 2017 haben wir uns unter anderem auf die Suche nach besonders treuen Kommunikatoren gemacht und nach den besten Strategien zur Mitarbeiterbindung. Und wir haben Antworten auf die Frage gefunden: Sich selbst treu bleiben als jemand, der für andere sprechen muss – wie gelingt das? Ihre Treue, liebe Leser, belohnen wir mit einem Relaunch des pressesprecher. Punkten wir bei Ihnen mit unserem runderneuerten Heft? Haben Sie Anregungen, Kritik? Schreiben Sie uns an info@pressesprecher.com! Wir freuen uns, wenn Sie uns treu bleiben. Herzliche Grüße

Jens Hungermann Chefredakteur

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Agenda

Suche Volo, biete Volo Zu einem gelungenen PR-Volontariat gehört ein passgenauer Ausbildungsplan. Externe Stationen sind wertvoll. Warum es sich lohnen könnte, mehr Möglichkeiten für einen Volontärstausch zu schaffen. Von JENS HUNGERMANN

Der Satz stammt von Norbert Blüm, an seiner Gültigkeit hat er bis heute nichts eingebüßt. „Wenn der Zug auf dem falschen Gleis steht“, sagte der heute 82-Jährige einmal, „erübrigt sich jede Diskussion über den Fahrplan.“ Dass Blüm 16 Jahre lang Bundesminister ausgerechnet für Arbeit war, passt umso besser. 12

Umgemünzt auf PR-Volontariate könnte das Bonmot lauten: Ein Ausbildungsplan kann noch so gut sein – wenn er nicht zu Unternehmen, Agentur, vor allem aber zum Volontär selbst und zu dessen Fähigkeiten passt, dann wird das Ziel nicht erreicht werden. Oder allenfalls auf Umwegen. Eine Umfrage des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP) in diesem Jahr ergab, dass 60 Prozent der teilnehmenden Verbandsmitglieder zumindest gelegentlich ein Volontariat anbieten. 85 Prozent strukturieren die Volontärausbildung durch einen fes-


ten Ausbildungsplan – mit der Einschränkung, dass aktuelle Ereignisse regelmäßig zu einer Abweichung davon führen. „Es gibt bereits in erheblichem Maße Angebote von Unternehmen für Volontäre, und die letzte Umfrage des BdP hat ergeben, dass dieser Bereich noch ausgebaut wird“, sagt der Bildungsbeauftragte des Verbands, Ulrich Kirsch. „Das erfüllt mich mit großer Freude. Ein PR-Volontariat ist ein ganz zentrales Angebot, das Anfängern den Einstieg in den Beruf ermöglicht.“ Zwei Drittel der Anfänger haben in Deutschland schließlich nicht berufsorientiert studiert. Auch vor diesem Hintergrund sei – neben einer anständigen Bezahlung („Der Korridor liegt bei 1.500 bis 2.000 Euro brutto monatlich“) − ein „glasklarer Ausbildungsplan“ unbedingt empfehlenswert, meint Kirsch.

Formale und ­inhaltliche ­Standards schaffen Über die Qualität der Ausbildung hierzulande sagt Thomas Mickeleit, Director of Communications bei Microsoft Deutschland: „Es gibt weiterhin eine große Spannbreite, angefangen bei einer exzellenten systematischen Ausbildung bis hin zu kaum verkappter Ausbeutung. Ich finde es deshalb wichtig, für das PR-Volontariat bestimmte formale und inhaltliche Standards einzuziehen.“ Die Deutsche Akademie für Public Relations (DAPR) begleite dies neuerdings mit einer Zertifizierung. Microsoft erwarb sie problemlos. In seinem Unternehmen sei ein „schriftlich niedergelegtes Ausbildungsprogramm, das die Ausbildungsziele und den Weg dahin verbindlich beschreibt“, selbstverständlich, sagt Mickeleit. Eine Ausbildungsbeauftragte sorge für die Qualitätssicherung und stehe den Volontären zur Seite. An den verschiedenen Ausbildungsstationen gebe es darüber hinaus jeweils fachliche Betreuer. Jedoch: „Auch die Volontäre sind nicht frei von Verantwortung. Es nützt ja nichts, am Ende der Ausbildung zu beklagen, was man gerne gemacht hätte“, findet Mickeleit. Patrick Piecha, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim international agierenden E-Commerce-Unternehmen Onlineprinters aus Bayern, hat die Erfahrung gemacht: „Volontariat ist zwar kein geschützter Begriff. Aber vielfach hat es seinen Namen nicht verdient. Jedes Unternehmen, das einen Volo ausbildet, muss sich bewusst sein, dass es keine billige Arbeitskraft beschäftigt, sondern eine Ausbildungsverpflichtung hat“, appelliert er. Zu einer gelungenen Ausbildung, da sind sich Kommunikationschefs einig, gehören wertvolle Einblicke an externen Stationen. Zwei Volontärinnen profitier-

ten dazu diesen Sommer von einer ungewöhnlichen, hierzulande noch selten praktizierten Form der Know-how-Erweiterung. Dank persönlicher Kontakte auf der Führungsebene tauschten Erika Lehn von Onlineprinters und Marion Fischer von der auf Finanzkommunikation spezialisierten Agentur Ira Wülfing Kommunikation (IWK) für zwei Wochen Plätze und Rollen. Beide waren hinterher begeistert. „Bei IWK habe ich völlig andere Themen kennengelernt, als ich sie aus meinem Alltag kannte. Ich finde, je mehr man sich mit Dingen auseinandersetzt, mit denen man sonst keine Berührungspunkte hat, desto mehr kann man gewinnen“, meint Lehn (26). Bei Onlineprinters lerne sie klassisch Unternehmenskommunikation. „Auch deshalb fand ich es spannend, die Arbeit in einer Agentur mit all ihren Facetten kennenzulernen.“ Darunter bis dato unbekannte Strukturen und ein völlig anderes Klientel. Fischer wiederum sagt: „Für mich war der Tausch mit Erika Lehn die Möglichkeit, einmal direkt in ein Unternehmen zu schauen, mehr über Hierarchien und Abläufe zu erfahren und darüber, wie Entscheidungen in einem Unternehmen getroffen werden.“ Wie interne Abstimmungen mit diversen Fachbereichen zur Durchführung großer Projekte ablaufen, war der 28-Jährigen beispielsweise nicht bewusst gewesen. Empfehlen würde Fischer ebenso wie Lehn einen solchen Tausch grundsätzlich jedem PR-Volontär – „weil er einen Blick für andere Aspekte von 13


Agenda

„Firmen erhalten nach einem Tausch einen Mitarbeiter zurück, der viel mehr kann und weiß als vorher.“ Patrick Piecha, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Onlineprinters

Kommunikation schafft, den Horizont erweitert“. Zwei Wochen mindestens seien empfehlenswert, ein Monat ideal. Leistungsdruck habe sie im neuen Umfeld keinen verspürt, sagt Lehn. „Ich habe es wie ein Projekt empfunden.“ Fischer merkt an: „Damit es gut funktioniert, müssen beide Seiten einander vertrauen. Wenn ein Grundvertrauen vorhanden ist, kann fast nichts schiefgehen.“ Die beiden jungen Frauen tauschten während der zwei Wochen sogar die Wohnungen.

Und die ­PR-Studiumsabsolventen?

Grundsätzlich ist ein PR-Volontariat weniger interessant für solche Einsteiger, die bereits ein PR-bezogenes anstelle eines allgemeinen Studiums wie ­Medien- und Kommunikationswissenschaften absolviert haben. Mit Blick auf die Agenturlandschaft in Deutschland sagt Annika Schach, Professorin für Angewandte Public Relations an der Hochschule Hannover: „Ein Volontariat kann eine gute Ergänzung zum Studium sein, besonders bei Quereinsteigern. Einige Agenturen gehen das Thema aber viel zu unstruktuEin Tausch als Incentive für Volontäre riert an.“ Besonders die Möglichkeiten eines NetzFür Onlineprinters sei der Tausch nahezu kostenwerks, wie etwa Ausbildungsstationen im Ausland oder neutral gewesen, sagt Patrick Piecha. „Meiner Meinung bei Partner­agenturen, werden noch zu wenig genutzt. nach sollte ein Austausch von „Hier sollten sich die AgenturVolontären im Rahmen der volontariate eher an den AngeAusbildung viel mehr geförboten in Medienhäusern oder dert werden. Firmen müsden Traineeships in UnternehUmfrage unter BdP-Mitgliedern, März 2017: sen den Nutzen erkennen. Sie men orientieren.“ ­Bietet Ihre Organisation / Ihr Unternehmen selbst ein oder mehrere PR-Volontariate an? erhalten nach einem Tausch Schachs Meinung nach sollte ein PR-Volontariat einen Mitarbeiter zurück, der viel mehr kann und weiß als Aspekte enthalten, die im StuJa, turnusmäßig vorher.“ dium nicht erlernt werden Ja, gelegentlich Piecha sieht einen fest im können. Zum Beispiel längerNein Ausbildungsplan verankerfristiges Projektmanagement, 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % ten Volontärstausch durchaus Kundenkontakt und spezifiauch als Incentive für Volonsche Branchen- oder Fachextäre. Und für Pressesprecher, pertise. die ja allesamt bestens verThomas Mickeleit sagt, sein netzt seien, „sollte es in der Unternehmen suche Uni-AbRegel ein Leichtes sein, einen solchen Tausch zu orgasolventen nicht in der Erwartung, dass diese schon alles nisieren – auch wenn das mehr Arbeit macht, als eine können würden. Das Volontariat sei geradezu ideal, um Fortbildung für 2.000 Euro zu buchen, klar“. in einer „geschützten Zone“ Dinge auszuprobieren, BdP-Bildungsfachmann Ulrich Kirsch will zwar von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu lernen nicht ausschließen, „dass ein Tausch im Einzelfall für und dabei schnell eigene Verantwortung zu übernehbeide Seiten befruchtend sein kann“. Zum Beispiel men. Eine Volontärin entsandte Microsoft Deutschwenn in kleineren oder mittelgroßen Organisationen land kürzlich für drei Wochen nach Singapur. „Das fand nicht alle Ausbildungsfelder abgedeckt werden könsie klasse.“ nen. Doch bei beispielsweise zwölf Monaten AusbilKein Wunder. Wer würde da wohl nicht tauschen dung, in der man eine Person mit gutem Studienabwollen? schluss fit für das eigene Unternehmen machen wolle, sei eigentlich keine Zeit zu verschenken. Der Ausbildungsplan sei in dem Falle sehr eng getaktet. Also: Volontärstausch durchaus – aber nicht notwendigerweise ­institutionalisiert. 14


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Agenda

Das Einhorn ist tot. Die Ära des Fabelwesens geht langsam zu Ende, das nächste Trendtier steht schon bereit. Über das Entstehen tierischer Moden und deren Einsatz im Marketing. Von ANNE HÜNNINGHAUS „Ich versuch’s mal kurz zu machen: Ich möchte bekanntgeben, dass ich in meiner Funktion als Inter­ net­Hype zurücktrete.“ Diese Brea­ king News verkündete das Rit­ ter­Sport­Einhorn in einer fiktiven Pressekonferenz, ausgerechnet am 1. November, dem internationalen Tag des Einhorns. Der animierte Youtube­Clip ging viral und setzte der Erfolgsgeschichte um die limi­ tierte Einhorn­Schokolade des Her­ stellers ein würdiges Ende. „Irgend­ wann reicht’s halt auch mal“, ließ die Agentur Elbkind das sonnenbebrillte Fabelwesen sagen. Shampoo, Brat­ wurst und Klopapier mit Zuckerwat­ 18

teduft unter dem Label „Einhorn“ zu vermarkten, wird selbst dem Star mit Glitzermähne langsam zu viel: „Ich will einfach aufhören, wenn’s am schönsten ist.“ Das Einhorn­Motiv, Ende der neunziger Jahre fast verschwunden, schaffte es in den vergangenen Jah­ ren erneut aus den Kinderzimmern in die Bildsprache von Erwachse­ nen­Accessoires. Das Einhorn wurde weltweit als Markenbotschafter ein­ gesetzt, von der deutschen Schoko­ lade bis hin zum „Unicorn Frappuc­ cino“ der Café­Kette Starbucks. Nun wird es Zeit für etwas Neues, zumindest aus Marketingperspek­

tive. Das glaubt auch Peter Wippermann, Gründer des Thinktanks Trendbüro. Sein Urteil: „Einhörner sind in der Welt der Markenentwick­ ler totgeritten worden.“ Grundsätz­ lich habe das Fabelwesen aber nach wie vor eine Relevanz in der öffent­ lichen Sehnsucht. „Das Einhorn ist mythologisch aufgeladen und unterscheidet sich damit noch mal von Eule, Lama und Co. Wir verbin­ den es – ob rational oder unbewusst – mit Optimismus und einem Zau­ ber.“ Auch aus der Start­up­Szene kennen wir es durch den „Unicorn Club“ als Symbol für Business­Hoff­ nungsträger. „Ritter Sport hat es mit


der Sonderedition vollends ins medi­ ale Zentrum gerückt und ein perfekt abgerundetes Storytelling geliefert“, sagt Wippermann.

Etablierte Repräsentanten Aber wie entsteht ein solcher Trend überhaupt? „Marken können keine Trends setzen, sondern sie nur unterstützen“, erklärt der Trend­ forscher. Ein typischer Verlauf: Das Faultier taucht als Motiv in Szenelä­ den auf, beispielsweise im Hambur­ ger Schanzenviertel. Es wird dort von Markenverantwortlichen gese­ hen, die darin die Chance erkennen, einen Repräsentanten zu gewinnen, der bereits eingeführt ist. Daraufhin wird eine Faultier­Edition des Pro­ dukts angeregt. Influencer fungie­ ren zum Schluss dieses Prozesses als Verstärker. „Es wird stets etwas aus einer Nischenkultur herausge­ nommen und auf eine mediale Ebene geholt. Dann entsteht eine Kommu­ nikationskaskade: Die Massenme­ dien steigen ein und die Diskussion

wird in den Sozialen Medien befeu­ ert“, erklärt Wippermann. Wenke Heuts, Head of PR bei Dawanda, bekommt besonders früh einen Einblick in neue Moden. Die Hersteller produzieren ihre Ware meist in Handarbeit und verkaufen sie dann auf dem Online­Marktplatz. Sie sind unabhängig und müssen nicht erst einen Konzern überzeu­ gen. So setzen sich Trends schnel­ ler durch. Die Hersteller selbst wer­ den zu Trendsettern. „Mit ihrem Gespür sind die Anbieter den Kun­ den oft voraus“, sagt Heuts. Während diese noch nach Einhörnern suchen, geht die Zahl der Angebote schon langsam zurück. Hinzu komme der direkte Kontakt mit dem Kunden. Der fragt vielleicht: Das T­Shirt ist schön, aber könntest du das auch mit einem Faultier­Aufdruck gestalten? 2016 war laut Heuts die Eule in der Produktsuche bei Dawanda noch

das meistgesuchte Tier. Es folgten Katze, Fuchs, Panda, Einhorn, Fla­ mingo und Faultier. Dass die Anbie­ ter immer schon ein Stück voraus sind, lässt sich an der aktuellen Hit­ liste der Käufer und Verkäufer able­ sen: 201� wird zwar am meisten nach dem Einhorn gesucht, von den Her­ stellern werden jedoch bereits mehr Panda­Produkte geboten. Es gibt natürlich auch paral­ lel laufende und sogar gegenläufige Trends. Den Einhorn­Trend kann die Dawanda­Sprecherin nachvollzie­ hen, auch aufgrund der Vielseitigkeit des Motivs: „Einerseits steht es für die Flucht vor dem Alltag. Anderer­ seits wird es gern ironisch verwen­ det, zum Beispiel von der zielstre­ bigen, erwachsenen Frau, die dieses Girlie­Symbol mit einem feministi­ schen Spruch kombiniert.“ Ihre Anfangszeit bei Dawanda war für Heuts von der Eule geprägt. Zwischen 2008 und 2014 war der immer etwas altklug wirkende Wald­ bewohner das Trendtier schlecht­

Für diese Tiere gab es auf dem Online-Marktplatz Dawanda die meisten Angebote und Suchanfragen. 2008

2009

2010

2011

2012

2013

Eule, gefolgt von anderen Waldtieren (Fuchs, Igel, Reh)

2014

2015

2016

2017

2018

Faultier

Panda Zirkustiere Meerestiere Lama

Flamingo Einhorn

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Agenda

„Wenn die Vielfalt verloren geht, sind die Kunden ­schneller übersättigt und gelangweilt.“ Wenke Heuts, Head of PR bei Dawanda Motiv strahlt Ruhe und Freundlich­ keit aus und passt damit perfekt zum Zeitgeist, zu unserer Sehnsucht nach Entschleunigung. Es wirkt nachhal­ tiger als die Glitzerwolke, die das Einhorn umgibt“, sagt Heuts. Einen eher stillen und unaufdringlichen Triumph feiern in diesem Jahr auch Meerestiere wie Wale und Quallen.

Vorhang auf für das Lama hin. Später kamen noch Fuchs, Igel und Reh hinzu. Nachdem sich der Hype abkühlte, entwickelten sich ab 2014 verschiedene kleinere Trends parallel. Zum Beispiel die Pandabä­ ren, die den Niedlichkeitsfaktor bedienten, dabei aber auf den Kitsch­ effekt des Einhorns verzichteten.

Stille und laute Trends Der Panda gehört bei Dawanda nach wie vor zu den meistangebote­ nen Produkten. Rund 61.000 Treffer liefert die Suche auf der Plattform. Zum Vergleich: Das Einhorn liefert nur 41.000. Das könnte daran liegen, dass der Bär sich besonders für neu­ trale Kinderprodukte eignet, ähnlich wie Zirkustiere, zum Beispiel Ele­ fanten. Und dann gibt es noch Sai­ son-Trends. Einer davon war gerade in diesem Jahr omnipräsent: pinke Luftmatratzen in Flamingo-Form, auf denen sich Influencer wie Ins­ tagram-Star Leonie Hanne räkeln. Seit 2014 tauchen die rosaroten Vögel jeden Sommer auf, vorzugsweise in Kombination mit Palme und Ananas. Ganz seinem Naturell entspre­ chend ein langsamer, aber stetiger Trend ist das Faultier, das ebenfalls bereits seit 2014 präsent ist. „Das

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Markenverantwortliche sind inzwischen schneller darin, die Trendmotive zu adaptieren. „Man muss vom Markenkern aus überle­ gen, welches Motiv in die Welt der Marke passt“, sagt Wippermann. Wenn zu viele Unternehmen auf denselben Zug aufspringen, kann es aber auch schiefgehen, glaubt Wenke Heuts: „Wenn die Vielfalt verlo­ ren geht, sind die Kunden schneller übersättigt und gelangweilt.“ Aktuell steht das Lama in den Startlöchern, es wird als „Trendtier 2018“ gehan­ delt. Diesmal war der Süßigkeiten­ hersteller Haribo schnell und hat die Sonderedition „Drama-Lama“ herausgebracht. „Das Lama trifft den Zeitgeist, dieser Trend könnte sich ähnlich rasant wie das Einhorn durchsetzen, dann aber auch schnell wieder verschwinden“, glaubt Heuts. Das Tier wirke drollig und skurril, stolz und verkörpere eine „I don’t care“-Attitüde, die sich gut ironisie­ ren lasse und sich in den Ethnotrend einfüge. Außerdem stehe das Tier für die neue hippe Ökowelle, Nachhal­ tigkeit und Langlebigkeit.

Auch die Sektmarke Jules Mumm setzt seit Oktober auf das Trendtier aus den Anden als Markenbotschaf­ ter. Das rosa Lama Jules war eine Idee der Agentur Aimaq von Lobenstein/ Saint Elmo’s. Das Team sei sofort begeistert gewesen, sagt Cathrin Duppel, Marketingchefin der Rot­ käppchen-Mumm-Sektkellereien. Der neue Botschafter sei mutig, laut und einzigartig für den Markt. Dass das Lama generell im Kommen ist, habe für die Wahl keine entschei­ dende Rolle gespielt: „Es war tat­ sächlich nicht unser Ziel, ein Trend­ tier als neuen Markenbotschafter zu finden. Vielmehr war es uns wichtig, dass dieser langfristig den Charakter und die Werte der Marke transpor­ tiert. Wenn das Lama nun zum neuen Trendtier wird, hilft uns das natür­ lich in der Etablierung von ‚Jules‘.“

Die Wölfe müssen warten „Wenn eine Gesellschaft unru­ hig und unsicher ist, werden Sym­ bole gesucht, die Orientierung und Hoffnung geben“, erklärt Trend­ forscher Wippermann die Wahl der aktuellen In-Motive. Wenke Heuts von Dawanda freut sich auf Zeiten, in denen das Bedürfnis nach Nied­ lichkeit, nach rosaroter Zuckerwatte wieder schwindet. In denen wilde Tiere wie Wölfe oder Löwen oder der gute alte Dinosaurier in Mode kom­ men. Denn das, so hofft die Spreche­ rin, würde im Umkehrschluss doch bedeuten, dass sich die Menschen aus einem Gefühl der Sicherheit her­ aus wieder nach Abenteuer sehnten. Anhand unserer Weltlage werden wohl auch 2018 Tiere mit Kuschel­ faktor hoch im Kurs stehen ...


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Titel Treue Ihre Treue ist uns wichtig, liebe Leser. Herzlich willkommen im Bonusbereich! Die acht folgenden Texte beschäftigen sich mit unserem Titelthema aus ganz verschiedenen Perspektiven. Für die Lektüre belohnen wir Sie mit neuen Erkenntnissen über Loyalität, Markenbindung und Beziehungen.

O/ em CE D : e l l o Protok en treu S. 26 ernehm t n U m de

zu sein y: Treu a s s E ig S. 23 es wen bedarf

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1 leiben r: So b e b e g t r treu Ra S. 32 arbeite it M n Ihne

letter : News e c i v r e S den S. 28 eser bin L n e lf he

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3 treue, : Selbs r e y o d ltung Plä der Ha S. 36 e g a r F eine

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5 die : Sinkt g a r t i e Fachb rken? S. 40 t zu Ma ä t li a y Lo

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kten Fünf Fa : n e s s Wi S. 44 Treue über die

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Treu zu sein bedarf es wenig Kluge Kommunikation kann Kundenbindung schaffen und Mitarbeiterloyalität fördern. Doch ist Treue wirklich immer erstrebenswert? Oder ist sie womöglich bloß eine Tugend der Passiven?

Von JENS HUNGERMANN Treue ist ein großes Wort. Fünf Buchstaben, Dutzende Facetten, unendlich viel Interpretationsspielraum. Treue kann eine Willensentscheidung sein, ein Bedürfnis, ebenso wie ein diffuser Instinkt oder gar eine Bürde. Und manchmal widerfährt sie einem auch in gewisser Weise. Der britische Autor Nick Hornby hat es sehr eindrücklich beschrieben in „Fever Pitch“, einem famosen autobiografischen Roman über seine lebenslange Treue zu einem, nein: seinem Fußballklub, dem FC Arsenal in London. „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“ So schildert Hornby (60) den Beginn eines Bandes, das erstaun-

licherweise Zeit seines Lebens unzerschnitten geblieben ist – trotz über Jahre seltenen Siegen und umso mehr Misserfolgen und plumpem Gekicke. So ist das mit leidenschaftlichen Fußballfans. Sie halten ihrem Verein die Treue. Komme, was da wolle. Ihre Treue kann sie manchmal schmerzen. Und sie mag belächelt oder angefeindet werden. Ihr Sinn aber ist nicht infrage zu stellen. Die Treue ist einfach da, sie ist gewissermaßen ein Automatismus, sie lässt sich nicht ohne Weiteres brechen. Gäbe es die eine geheime Erfolgsformel für das Bewirken unverbrüchlicher Treue – wäre das aus PR-Sicht nicht herrlich? Doch so leicht ist es leider nicht. Treue ist eine merkwürdige Sache. Ihrem Wesen nach sei sie „widerspenstig, stur, renitent, unvernünftig, trotzig. Sie widersteht den Fliehkräften des Gefühls 23


Titel Treue

Total loyal Stefanie Hansen kommuniziert seit mehr als 18 Jahren für denselben Arbeitgeber, Jens Schreiber immer wieder für denselben CEO. Wieso, erklären beide hier. Protokolliert von JENS HUNGERMANN Wer mir Anfang 1999 prophezeit hätte, dass ich einmal so lange für ein und denselben Arbeitgeber kommunizieren würde, den hätte ich womöglich belächelt. Nicht dass das außerhalb meiner Vorstellungskraft gewesen wäre. Doch mit dieser Zielsetzung bin ich jedenfalls nicht bei Aral als Pressesprecherin Wirtschaftspresse gestartet. Seitdem sind tatsächlich mehr als achtzehneinhalb Jahre vergangen – und ich bin meinem Arbeitgeber und der Energiewirtschaft noch immer treu. Inzwischen leite ich die Presse und externe Kommunikation bei BP Europa, zu der der Tankstellen-Marktführer Aral gehört. Warum ich dem Unternehmen nie den Rücken gekehrt habe, hat unterschiedliche Gründe. Der hauptausschlaggebende mag für Außenstehende banal klingen, ist aber ein ganz wesentlicher: Es macht mir nach wie vor einfach großen Spaß. Mir stellen sich jeden Tag aufs Neue Herausforderungen, was ich als sehr motivierend empfinde. Gerade am Anfang einer Karriere kann man sich kaum ausmalen, wie viele Facetten ein einzelnes Unternehmen bieten kann. Schon die Kommunikation rund um Aral hatte stets wesentlich mehr beinhaltet als das reine Thema Tankstellen. Und als Aral dann 2002 von BP übernommen wurde, tat sich plötzlich ein riesiges internationales Feld für mich auf, das noch deutlicher hinausgeht über Kraftstoffe, Shopgeschäft und Schmierstoffe. In meiner täglichen Arbeit spielt der gesamte Bereich Mobilität eine Rolle. Über die Jahre und mit Wechsel meiner Kommunikationsfunktionen im Unternehmen traten zunehmend Fragen der internationalen Energiepolitik und weitere gesellschaftlich relevante Themen in den Vordergrund. Dazu gehört auch

das Thema E-Mobilität. Es ist für mich spannend, diese aktuellen Entwicklungen kommunikativ zu begleiten. Ein so großes Unternehmen wie BP mit seinen weltweit rund 80.000 Mitarbeitern bietet Arbeitnehmern enorm viele Möglichkeiten, sich zu verändern – sicherlich mehr als etwa eine mittelständische Firma. Ich weiß das ebenso zu schätzen wie die Gestaltungsmöglichkeiten, die ich genieße und die meiner Erfahrung nach nicht unbedingt selbstverständlich sind in einem internationalen Großkonzern. BP ist ein sehr moderner Arbeitgeber. Flexibles Arbeiten und Homeoffice sind kein Problem, sofern sie sich mit den jeweiligen Aufgaben vereinbaren lassen. Mir als Mutter hat das sehr geholfen, und offen gesagt hat es meine Loyalität zusätzlich gesteigert. Am Ende ist es aber sicherlich auch eine Typfrage, ob jemand seinem Arbeitgeber gern treu bleibt oder ob er mit Blick auf einen vermeintlich besonders abwechslungsreichen Lebenslauf lieber schnellere Job-Wechsel bevorzugt. Oder anders ausgedrückt: Monogamie ist halt auch nicht jedermanns Sache.

Dem ­Unter­nehmen treu

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Stefanie Hansen kam 1999 als Pressesprecherin zu Aral. Die AG wurde 2002 von BP übernommen. Nach Stationen u.a. als Leiterin Standortkommunikation bei BP Gelsenkirchen sowie stellvertretende Leiterin Unternehmenskommunikation bei BP Europa ist die 49-Jährige dort seit Juli 2015 Leiterin Presse & Externe Kommunikation.


„Die gute Nachricht für Jens Schreiber ist: Der CEO interessiert sich für Kommunikation. Die schlechte Nachricht für ihn ist: Der CEO interessiert sich für Kommunikation.“ Originalton Frank Mastiaux auf dem jüngsten Kommunikationskongress in Berlin. Damit ist eigentlich schon alles gesagt − über die Kommunikation bei EnBW, wie der CEO sie sieht und über die Freuden und Leiden des Kommunikationschefs. Ja, bei EnBW kümmert sich der CEO gerne und höchstpersönlich ums Kommunizieren. Weil Kommunikation bei einem tiefgreifenden Unternehmensumbau Chefsache ist. Und wenn CEO und Kommunikationschef genau diese Einsicht teilen, wenn Vertrauen, Sympathie und gesunder Humor dazukommen, dagegen persönliche Eitelkeiten und Profilierungsgelüste außen vor bleiben, dann kann die Zusammenarbeit nicht nur produktiv, sondern auch lustvoll sein. Frank Mastiaux und ich kennen uns beruflich seit mehr als 20 Jahren, allerdings mit langen Pausen zwischendurch. Aber gut genug, um bei EnBW ohne große Anlaufzeit schnell auf Touren zu kommen. Das war beim Beginn des Umbaus 201� extrem wichtig, denn wenn man beim Umbau eins nicht hat, dann ist das viel Zeit. Da ist es übrigens ein Glücksfall, wenn beide ein ähnliches kommunikatives Temperament haben, heißt: wenn keiner den anderen zum Jagen tragen muss. Führung und Kommunikation sind gerade bei Veränderungsprozessen zwei Seiten einer Medaille. Entsprechend sollten CEO und Kommunikationschef wie die linke und rechte Gehirnhälfte arbeiten, mit Standleitung dazwischen. Aufeinander hören, sich intensiv austauschen, miteinander und voneinander lernen, und das ohne große Eitelkeiten, Rechthaberei und zeitfressende „Ja, aber“- und „Man müsste mal“-Diskussionen − das zeichnet unsere Zusammenarbeit bis heute aus. Der CEO ist bei Umbauprozessen à la EnBW der wichtigste Botschafter und die wichtigste Botschaft zugleich. Diese kommunikative Hauptrolle muss er inhaltlich überzeugend und im persönlichen Auftritt glaubwürdig wahrnehmen. Das kostet viel Zeit und Kraft, davon kann Frank Mastiaux ein langes Lied singen.

Der Kommunikationschef sollte dabei mit gebotener Hartnäckigkeit motivieren, mit allen Kräften helfen, über die jeweils richtige Bühne nachdenken und eher hinter den Kulissen Regie führen – eine Regie, die man am besten nicht merkt. Keine aufgeblähten Drehbücher, keine künstlichen Rollen und leeren Sprechblasen. Da müssen sich CEO und Kommunikationschef einig sein. Kommunikation, die wirken will, braucht aber Wiederholung. Gegen die natürliche „Das haben wir doch hundertmal schon gesagt“-Ungeduld eines CEO muss der Kommunikationschef standhaft bleiben. Eine klare, einfache und ehrliche Kommunikation, „die auch ein elfjähriger Schäferhund verstehen kann“ (wieder Originalton Mastiaux), das ist „Philosophie“ bei EnBW. Und auch wenn es wie ein Widerspruch klingt, es ist keiner: Kommunikation wird bei EnBW gut vorbereitet. Nicht um abzulesen, sondern um zu wissen, worauf man sich eventuell einstellen muss. Vorbereitung dient der Beweglichkeit im Kopf. Auch deshalb interessiert sich bei EnBW der CEO mit großer Hilfsbereitschaft für Kommunikation. Davon kann wiederum der Kommunikationschef ein fröhliches Lied singen. Ein gutes Verhältnis zwischen CEO und Kommunikationschef ist kein bequemer Selbstzweck. Und es ist erst dann wirklich gut, wenn Sätze wie „Das sehe ich nicht so“, „Das sollten wir anders machen“ oder „Da habe ich einen Fehler gemacht“ ohne Herzrasen ausgesprochen werden können − und anschließend ein gutes Gespräch auslösen. Wenn bei allem gegenseitigen Verständnis die professionelle Sicht auf die Dinge nie verstellt ist und Wertschätzung für die Sicht, Meinung und Person des anderen nie fehlt. Das sage ich nicht, weil es gut klingt, sondern weil es bei EnBW so ist.

Dem CEO treu

Jens Schreiber ist seit Juli 2013 Leiter der Unternehmenskommunikation bei EnBW. Mit dem CEO des Energieunternehmens, Frank Mastiaux (53), arbeitete der 61-Jährige bereits Mitte der neunziger Jahre bei Veba Oel sowie Ende der 2000er-Jahre bei Eon jeweils über mehrere Jahre zusammen.

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Titel Treue

Eine Frage der Haltung olange die S Pressespr . n e h e t s n e m echer soll ihrem Unterneh Themen positiv beseetnztalslzinedituznud die Unternehmenszahlen glänzend, ist das einfach. Doch was, wenn eine Kommunikation notwendig wird, die der eigenen Überzeugung widerspricht? Wie bleibt man sich dennoch treu?

zu erwarten und wie würde ich mit diesen umgehen? Könnte ich unsere Positionen glaubwürdig vertreten oder eher nicht? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich als CEO Medien Rede und Antwort stehen müsste?

Der Sprecher hat eine ­exponierte Position Von DANIELA KALMBACH Das Dilemma eines Sprechers lautet: Er kann sich von Berufs wegen nicht verstecken. Er ist schließlich kein Presseschweiger, sondern das Sprachrohr, das Gesicht nach außen und innen – und damit im ständigen Spagat zwischen der Identifikation mit seinem Arbeitgeber und gesundem Abstand zu diesem; immer die Erwartungen der verschiedensten Interessengruppen ­bedienend. Wie wahrt man diese Balance? Zunächst gilt auch für Kommunikatoren: Augen auf bei der Berufswahl! Beziehungsweise der Wahl des Unternehmens, bei dem man sich bewirbt. Schonungslos sollte sich der angehende Sprecher fragen: Kann ich mich überhaupt mit der Marke, dem Management, den Werten und Produkten dieses Unternehmens identifizieren? Welche potenziellen Konflikte mit welchen Stakeholdern sind 36

Solche Überlegungen sollten im stillen Kämmerlein oder mit der Person seines Vertrauens durchgesprochen oder auch durchgespielt werden. Denn ein überzeugter Pazifist spricht sicherlich nicht für eine Waffenfirma, ein Nichtraucher selten für einen Tabakhersteller, ein AKW-Gegner kaum für ein Atomkraftwerk – auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen im Sinne von: Mache deine Feinde zu deinen Freunden beziehungsweise zu deinen Mitarbeitern. Wenn es wirklich zu einer Krise kommt, womöglich vom Unternehmen selbst verschuldet, dann muss der Sprecher in die Bütt, wie der Kölner sagen würde. Der Kommunikator ist stärker als seine „normalen“ Kollegen exponiert und muss diesen Zustand aushalten können. Da hilft es nichts, dem hartnäckigen Journalisten entnervt zu sagen: „Privat sehe ich das ganz anders,


eigentlich finde ich das selbst nicht richtig.“ Man kann sich sprachlich positionieren. Das heißt nicht nur Botschaften vom CEO oder der letzten Pressemeldung wortgetreu nachplappern. Kein Redakteur hakt in der Pressestelle nach, um mit einem Papageien zu sprechen. Der versierte Sprecher drückt der Corporate Identity seiner Firma im Idealfall stilistisch seinen Stempel auf, indem er Sachverhalte nachvollziehbar schildert, Zusammenhänge erklärt und seinen Zielgruppen wertvolle Zusatzinformationen gibt. Er ist zitierfähig auch in dem Sinne, dass er eigene

man sich trennen. Das ist Eigenverantwortung. Stakeholder registrieren interne Unstimmigkeiten oder ein Unwohlsein in der Sprecherriege übrigens genau und honorieren diese Art Konsequenz sogar. Und bitte nicht im Zorn scheiden, sondern möglichst in gegenseitigem Einverständnis! Man sieht sich wirklich immer zweimal. Sich selbst treu zu bleiben, bedeutet für Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht, sich einen fremden Stil zuzulegen. Man muss nicht jedem Hype hinterherrennen

Theodor Fontane ahnte zwar noch nichts von Pressesprechern, aber als Journalist und Schriftsteller wusste er: „Das flüchtige Lob, des Tages Ruhm magst du dem Eitlen gönnen. Das aber sei dein Heiligtum: vor dir bestehen können.“ Bilder oder Vergleiche findet für das, was sich nüchtern in der Presseinformation oder im Quartalsbericht liest. Journalisten freuen sich über diese Häppchen, wenn sie professionell geliefert werden. Solche Sprecher mögen ihren Job, sind zuverlässig erreichbar und verstecken sich nach Verbreitung einer Meldung nicht hinter Voicemails oder Out-of-Office-Replies.

Tugenden sollten wir nicht unterschätzen Diese Einstellung hat natürlich auch mit Haltung und Anstand zu tun. Was erst einmal nach preußisch-verstaubten Tugenden klingt, sollte nicht unterschätzt werden. Ein Pressesprecher, der integer bleibt und nicht selbst tief in Ränkespiele des Managements verstrickt ist, der die Spielregeln von Nähe und Distanz beherrscht und sich bei aller Loyalität auch mal elegant abzugrenzen vermag, hat gute Chancen, als eigenständige Person wahrgenommen und geschätzt zu werden . Natürlich ist dies eine Gratwanderung und nicht jedermanns Sache. Doch unter Journalisten und künftigen Arbeitgebern spricht sich so etwas herum. Und wenn man als Presseverantwortlicher irgendwann merken sollte, dass alles nur noch gegen die eigene Überzeugung läuft und man sich nur treu bleiben kann, wenn man seinem Arbeitgeber untreu wird, dann sollte

und Stilberatern Glauben schenken. Kommunikatoren bewegen sich ohnehin schon in einem hysterischen Umfeld: Der Vorstand zitiert ins Büro, der Journalist fragt nach, alles soll auf einmal passieren. Wohl dem, der dann noch der Fels in der Brandung sein kann. Liebe Sprecherinnen und Sprecher, wie wir wissen, geht es in unserer Profession nicht um die �� Minuten Ruhm. Es geht um etwas Langfristigeres und eher Uncooles: sich am Ende eines Tages vor dem Spiegel schlicht sagen zu können: Ja, ich bin mir heute treu geblieben, ich stehe immer noch zu meinen Aussagen. Klar, Treue ist nicht immer leicht. Vor allem Selbsttreue nicht. Aber sie kann unser Ziel sein. Wir können ab und zu innehalten und uns fragen: Was mache ich hier? Fühlt sich das noch richtig an und gut? Gut ist immer das, was wahr ist. Wir Kommunikatoren sollten diese Wahrhaftigkeit suchen, und mit Wahrhaftigkeit meine ich keine Hipster-Retro-Authentizität, sondern das, was unseren Kern ausmacht.

Daniela Kalmbach ist Pressesprecherin EMEA bei Siemens Gamesa Renewable Energy und ausgebildeter Coach. Sie ist unter anderem Autorin des Praxishandbuchs Presseund Öffentlichkeitsarbeit. Privat hat Daniela Kamlbach, geborene Puttenat, übrigens gerade Treue geschworen: Sie hat kürzlich geheiratet.

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Praxis

Gepflegtes ­Halbwissen Was tun als Pressesprecher, wenn man auf schlecht informierte Journalisten trifft? Von CAROLA HUG

Es ist ein häufiges Ärgernis in Pressestellen: Journalisten rufen an, stellen Fragen, haben aber − wenn überhaupt − nur eine vage Vorstellung von der Materie. Vorab-Recherche? Nun ja. Also fängt der Pressesprecher bei null an und erklärt zunächst einmal die Basics. Noch ärgerlicher ist, dass der Sprecher beinahe froh sein kann, wenn sich überhaupt jemand direkt informiert. Denn Recherche kommt in Redaktionen immer öfter zu kurz. Die Folge: Berichte stecken voller Fehler – und die Pressestelle muss auf diese nachträglich reagieren. Ein Beispiel aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Zur besten Sendezeit befasst sich ein Magazinformat mit deutschem Bier. Der Moderator verkündet vermeintlich Erschreckendes in die Kamera. Bis zu 60 Hilfsstoffe seien beim Bierbrauen erlaubt. Im Hintergrund des Studios illustriert eine Grafik, was angeblich alles verwendet werden darf. Sogar Asbest wird aufgeführt. Skandal! Skandal?

An Faulheit liegt es in der Regel nicht Als skandalös ist in Wahrheit eher die schlechte Recherche der Redaktion zu bezeichnen. Die Journalisten hatten sich allein auf dubiose Quellen verlassen, moniert Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund: „Die Aussage war grob irreführend und eindeutig falsch.“ Ein Anruf in seiner Pressestelle vorab hätte genügt, um die Behauptungen zu widerlegen, sagt der Sprecher. Doch diese Mühe habe sich niemand aus jener Redaktion gemacht. Dass Wahrheit und intensive Recherche so manche vermeintlich gute Geschichte ruinieren können, kennt 52

jeder Journalist. Es ist bedauerlich, aber Alltag. Sicherlich gibt es solche Berichterstatter, die sich einen Quotenknüller nicht „totrecherchieren“ mögen. Aber beim Gros der Journalisten steckt erfahrungsgemäß keine böse Absicht dahinter, wenn sie einseitig oder schlampig recherchieren. Es wäre also falsch, Journalisten als potenzielle Faulpelze zu diffamieren. Die Arbeitssituation vieler hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Redaktionen bauen massiv Stellen ab. Viele Journalisten schlagen sich als sogenannte Freie durch. Die Konkur-


nell und seriös aus. Nicht jeder Journalist forscht nach, welche Person mit welchen Interessen genau dahintersteckt. Dabei reicht oft ein Blick ins Impressum. Es bleibt Ihnen als Pressesprecher manchmal nichts anderes übrig: Machen Sie die Hausaufgaben der Journalisten! • Bereiten Sie ein „Fact Sheet“ vor. • Nennen Sie darin renommierte Experten zum Thema. • Bieten Sie Zugang und Links zu Untersuchungen und Studien. Wenn dann seine Zeit knapp wird, hat der Journalist auf einem Blick die wichtigsten Fakten vorliegen. Vermutlich wird er befürchten, dass Sie Informationen voreingenommen selektieren. Aber in dem Fall muss er sich eben Zeit nehmen – und recherchieren.

Am besten simpel und bildhaft erklären Bedenken Sie: Sie als Pressesprecher beschäftigen sich ständig mit einem Thema. Der Journalist hingegen im Zweifelsfall nur wenige Stunden. In dieser kurzen Zeit muss er Zusammenhänge verstehen und einordnen. Sie können ihm dabei helfen, indem Sie das Wichtigste so einfach wie möglich erklären. Auch wenn Sie den Eindruck haben, jedes Mal wieder bei Adam und Eva anfangen zu müssen. Scheuen Sie sich nicht vor bildhaften Vergleichen! Zu simpel gibt es nicht, nur zu kompliziert. Es geht darum, Wissen zu vermitteln. Gelingt es Ihnen, komplizierte Zusammenhänge griffig zu formulieren, wird das jeder Journalist dankbar aufgreifen und nutzen. Doch was tun, wenn niemand in der Pressestelle anruft? Wenn falsche Behauptungen aufgestellt werden? Dann hilft oft nur eines: Diese höflich, aber bestimmt widerlegen, Fehler korrigieren. So hat es der Deutsche Brauer-Bund gemacht. Am Ende musste die TV-Redaktion die Passagen über die vermeintlich erschreckenden Erkenntnisse über Hilfsstoffe in deutschem Bier neu filmen. Das war ganz sicher teurer als ein Anruf bei der Pressestelle. renz ist groß, die Berufsbezeichnung nicht geschützt. Jeder kann sich Journalist nennen. Redaktionen sparen zudem bei der Ausbildung. Von regelmäßigen Möglichkeiten der Mitarbeiter zu Weiterbildungen ganz zu schweigen. Ein Seminar in Recherche? Oftmals Luxus. Gleichzeitig ist der Zeitdruck in Redaktionen gestiegen. Alles muss blitzschnell online sein. Wer dennoch Zeit für Recherche findet, stößt im Internet oft unüberschaubar vielen Quellen. Eines der größten Übel sind selbsternannte Experten, die zweifelhafte Informationen verbreiten. Deren Websites sehen oft professio-

Carola Hug arbeitete als TV-Journalistin für verschiedenen Sender vor und hinter der Kamera. Heute leitet sie als Coach verschiedene Seminare und Medientrainings. Aus eigener Erfahrung und aus vielen Gesprächen mit Journalisten weiß sie: Der Zeitdruck in Redaktionen ist ein erheblicher Faktor – und der Trend zum Halbwissen nimmt zu.

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