Human Resources Manager "Grenzen"

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GRENZEN

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Grenzerfahrung

Auch in unserer Redaktion beginnt etwas Neues und endet etwas Schönes: Sven Lechtleitner wird künftig nicht mehr als Chefredakteur für unser Fachmagazin tätig sein. Er war knapp zwei Jahre lang das Gesicht des Human Resour ces Manager und hat ihn maßgeblich geprägt. Als freier Jour nalist bleibt er uns jedoch erhalten. Sie werden also wei terhin in den HRM-Ausgaben von ihm lesen. Ich bedanke mich herzlich für diese wertvolle gemeinsame Zeit. Zudem möchte ich zwei neue Volontärinnen in unseren Reihen begrüßen: Jasmin Nimmrich und Charleen Rethmeyer. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

I m Juli konnten wir tiefer ins All blicken als jemals zuvor. Die US-Raumfahrtbehörde NASA präsentierte spektakuläre Aufnahmen des James-Webb-Weltraum teleskops, das 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde positioniert worden war. Die grenzenlosen Weiten des Weltraums – plötzlich erscheinen sie nahbar. Dies zeigt einmal mehr, wie sehr uns Menschen der Wunsch inne wohnt, Grenzen zu überwinden. Zoomen wir einmal an die Erde heran und nehmen uns als Individuum wahr, hineingeworfen in diese Welt, begrenzt durch einen Körper, spüren wir unser Inneres, unsere Prinzipien, Werte und Bedürfnisse. All das will ande ren gegenüber vertreten werden. Gleichsam wollen wir in Beziehungen treten, uns verbinden und interagieren. Der Mensch in der (hybriden) Arbeitswelt befindet sich mitunter genau in diesem Dilemma und muss bestimmen, wie viel Lebenszeit er wofür aufbringt. Viele wollen über den Einsatz ihrer Arbeitskraft flexibler entscheiden können, das offen bart die Debatte um die Viertagewoche. Die Entdeckung des

Jeanne Wellnitz Leitende Redakteurin i. V. Human Resources Manager Phänomens Burn-on, einem hochtourigen Zustand vor dem Burn-out, zeigt, dass wiederum einige von uns dazu nei gen, innere Grenzen zu missachten. Der HR-Funktion wird in dieser Gemengelage viel Fingerspitzengefühl abverlangt.

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Die Grenze: Sie markiert, dass etwas aufhört und etwas anderes beginnt; eine Zäsur, wie ein Innehalten zwischen den Sphären. Sie zu wahren kann für Balance sorgen, sie zu hinterfragen an anderer Stelle für Innovation.

HR im Korsett Worin wird HR begrenzt, wann ist Freiheit wichtig? Unser Auftaktessay Seite 18 Im Burn-on Was geschieht, wenn wir innere Grenzen über schreiten? Seite 34 Wochenarbeitszeit Immer mehr Länder haben sie eingeführt: die Viertagewoche Seite 58 Das sollten Sie lesen:

EDITORIAL 3september 2022

Die weltArbeits-von ClodiusChristin

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Das gefällt mir sehr. Ein Dank per E-Mail Zu Beginn meines Berufslebens be dankte ich mich per E-Mail bei zwei Kolleginnen, die mir bei einer schwie rigen Aufgabe geholfen hatten. Es kam eine Nachricht zurück, in der sie sich ungläubig für meine Worte bedank ten. Sie hatten zuvor im Unterneh men noch nie erlebt, dass jemand ihr Tagesgeschäft nicht als selbstverständ lich erachtete. Damals schwor ich mir, dass ich, unabhängig von meiner Posi tion, immer versuchen würde, darauf zu achten, weiterhin nahbar und wert schätzend zu sein. An der frischen Luft Vor der Coronapandemie hätte ich es nicht für möglich gehalten, aber während der Lockdowns habe ich die Gartenarbeit für mich entdeckt.

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Ein Neuanfang Die ersten Wochen an meinem neuen Arbeitsplatz verbrachte ich in zahlrei chen Kennenlernterminen, hier war mir wichtig, mich weniger auf Fach liches zu fokussieren, sondern wirklich die Menschen kennenzulernen. Auch heute noch ist mein Tagesablauf stark geprägt von Austauschterminen. Ich gewöhne mir gerade an, mir bewusst Zeit zur Vor- und Nachbereitung die ser Meetings einzuräumen, ein manch mal schwieriger Spagat zwischen dem Alltagsgeschäft. Im Vergleich zu einem Konzern ist die Arbeit in einem mit telständischen Unternehmen weniger fragmentiert und man verantwortet nicht nur Teilprozesse, sondern kann Themen viel stärker selbst gestalten.

Christin Clodius leitet den Bereich Personal und Soziales bei Roland Rechtsschutz in Köln. Zuvor hat sie 17 Jahre für den Versicherer Axa gearbeitet. Während der Lockdowns hat sie die Gartenarbeit für sich entdeckt.

privatRechtsschutz,ROLANDFotos:

lieb gewonnenes Relikt für Geburts tage an der Wand. Mein Work Hack Ein Walk-and-Talk-Meeting eignet sich hervorragend, um sich mit Mit arbeitenden auszutauschen. Selbst Feedbackgespräche sind bei gegensei tigem Vertrauen und Offenheit so gut machbar. Am liebsten ist mir immer der direkte und persönliche Umgang, zu Pandemiezeiten hieß es dann aber auch mal: Spazieren gehen und dabei telefonieren. So bleiben Körper und Geist in Bewegung und man klickt sich nicht einfach nur von einem virtuel len Meeting ins nächste.

So bekomme ich den Kopf frei – vor allem, wenn ich dabei Podcasts höre und nach getaner Arbeit ein Glas Wein auf der Terrasse lockt. Das Chaos bändigen Früher herrschte ein kreatives Chaos auf meinem Schreibtisch, in dem ich mich jedoch gut zurechtfand. Doch seit mehreren Jahren habe ich kein eigenes Büro mehr. Durch unsere Clean-Desk-Policy gestalte ich mei nen Arbeitsplatz minimalistisch. Ich kann die Arbeit also abends ein fach zuklappen und einpacken. Das funktioniert physisch, indem ich den Laptop mitnehme. Aber auch mental kann ich so besser abschalten. Ganz anders sieht es allerdings bei mir im Homeoffice aus, zum Leidwesen mei

nes Mannes stapelt sich dort immer noch Papier. Zwei Welten verbinden Neben meiner Arbeit als Personal leiterin gibt es noch das Familien leben mit der üblichen Betriebsam keit eines Fünf-Personen-Haushal tes, der aus drei Kindern und zwei Erwachsenen besteht, die beide ihre Führungspositionen in Vollzeit ausüben. Wir müssen häufig alle zu unterschiedlichen Zeiten an ver schiedenen Orten sein. Daher ist die regelmäßige Aktualisierung und Syn chronisation meines beruflichen mit meinem privaten Kalender essen ziell, beide müssen für mich immer digital verfügbar sein. Der gute alte Küchenkalender hängt allerdings als 2022

HINTER DEN KULISSEN 7september

Christin Clodius ist seit Juli 2022 Leiterin Personal und Soziales bei Roland Rechtsschutz. Die Un ternehmensgruppe beschäftigt rund 1.400 Mitarbeitende. Zuvor war sie 17 Jahre in unternehmenressortFührungspositionenverschiedenenimPersonalbeidemVersicherungsAxatätig.

14 www.humanresourcesmanager.de IMPULS MEETINGKULTUR

JoursStreichteurefixesausdemKalender!

M eetings sind viel zu oft reine Zeitfresser. Weil sie nicht gut vorbereitet sind oder weil sie ohne klares Ziel einfach nur ein To-do in unserem Kalender sind, das wir abarbeiten wollen. Besonders gefährdet, zu genau dieser Art Meeting zu werden, sind Jours fixes. Wiederkehrende Termine, die am immer gleichen Wochentag zur immer gleichen Stunde auf uns warten. Der blanke Horror für all diejenigen, die am so genannten Neuen Arbeiten Flexibilität am meisten schätzen und fixe Termine gar als eine Art digitale Leine empfinden. Was also tun? Ganz einfach: Schmeißt eure Jours fixes aus dem Kalender – am besten heute noch! Keine Meetings, weniger Probleme

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist der Anteil von Formen der Zusammenarbeit um 50 Prozent angestiegen, wie ein Autorenkollektiv bereits 2016 in der Harvard Busi ness Review dargestellt hat. Dabei meint Zusammenarbeit das Zusammensein mit anderen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, das auf den Unternehmenserfolg einzahlen soll. Der vermehrte Austausch erscheint unter anderem deswegen notwendig, weil die Intensität und Komplexität unserer Arbeit insgesamt ansteigen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir dadurch effi zienter geworden sind. Klar, durch den parallelen Siegeszug digitaler Tools, mit deren Hilfe wir die Kollaboration auch unabhängig von der Präsenz an einem Ort – meist einem zentralen Büro – gestalten können, haben wir zumindest das Gefühl, dass wir mit Meetings etwas schaffen. Aber die ses Gefühl trügt uns allzu oft. Das dürfte unbestreitbar sein, gerade mit Blick auf die vergangenen zwei bis drei Jahre.

Sich diese grundlegenden Gedanken zu machen und sie festzuhalten, ist sinnvoll. Denn Meetings sind besonders fehleranfällig, wenn es keine klare Anleitung für die Kom munikation gibt. In vielen Meetings werden dann schnell die unterschiedlichsten Themen miteinander vermischt.

Mit New Work haben Jours fixes wenig zu tun, viel eher braucht es eine neue Nüchternheit und mehr Platz im Kalender. Warum wir auf wiederkehrende Termine verzichten können Ein Gastbeitrag von Christoph Magnussen Seit dem Beginn der Coronapandemie und der noch stär keren Verlagerung von Meetings ins Digitale hat sich die in Online-Räumen verbrachte Zeit um den Faktor 2,5 erhöht. Das hat Microsoft in seinem 2021 veröffentlichten Work Trend Index ausgemacht. Wer sich einmal die Mühe macht und den eigenen Arbeitsalltag reflektiert, merkt schnell, dass die unzähligen Videokonferenzen im Laufe eines Tages vor allem eines sind: nervenaufreibende Zeitverschwen dung.Dass wir diese Erfahrungen machen, liegt jedoch nicht am Format „Meeting“ an sich. Es ist vielmehr die falsche Herangehensweise an den Austausch mit anderen. Wir kommen gar nicht umhin, uns in unseren Teams oder mit Externen auf den aktuellen Stand zu bringen. Nur so können wir Probleme und Herausforderungen lösen und neue Ideen generieren. Wer alleine arbeitet, hat immer recht – liegt aber oft falsch. Denn die an uns herangetragenen Fragestellungen werden zunehmend komplexer. Gleichzeitig benötigen wir als Individuen aber auch einen besseren Umgang mit der knappen Ressource Zeit, um fokussiert arbeiten zu können und Ergebnisse zu erzielen. Was also tun? Stärkeres Bewusstsein für Kommunikation Zunächst müssen wir anerkennen, dass Kollaboration Kom munikation ist. Klingt trivial, ist es aber nicht. Kommuni kation kann auf unterschiedlichste Art und Weise stattfin den sowie für bestimmte Situationen optimiert werden. Dadurch wird die Grundlage für Kollaboration geschaffen.

Wichtig ist dabei vor allem die Unterscheidung zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation. Je emotionaler das Thema, desto synchroner sollte der Kanal sein. Emotio nen sind wunderbar, aber können gerade im Arbeitskontext schnell zu Missverständnissen führen. Während asynchrone Kommunikation sich eignet, wenn es nur um den Austausch reiner Fakten geht – etwa bei der Terminkoordination, Informationsweiterleitung oder bei anderen organisatori schen Dingen –, sollte man sich live und in Farbe oder am Bildschirm in die Augen schauen und direkt miteinander sprechen, wenn es um komplexere Sachverhalte geht. Die Nuancen sind für jede Organisation, sogar für jedes Team innerhalb einer Organisation ganz individuell und sollten deswegen vorab geklärt werden.

ImagesGetty/olegbackAbbildung: 15 MEINUNG september 2022

TITEL GRENZEN www.humanresourcesmanager.de18

Grenzen können einengen, den gestalterischen Fluss hemmen. Das Personalmanagement stößt immer wieder auf nationale, rechtliche oder auch technologische Schranken. Andererseits macht es nicht unbedingt frei, völlig entgrenzt zu sein – manche Einschränkungen können sogar wohltuend sein. Ein Essay von Anne Hünninghaus GrenzenvonHR ImagesGetty⁄NastcoFoto: TITEL september 2022 19

Deutsche Unternehmen wollen und müssen dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland einstellen. Doch viele wissen nicht wie. Auslandsrecruiting ist ein mühsamer Ritt durch administrative Prozesse. Ländergrenzen sind bürokratische Grenzen. Ein Beitrag von Petra Walther Am Limit TITEL GRENZEN www.humanresourcesmanager.de24

Fast zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge summierte sich die Zahl fehlender Arbeitskräfte hierzulande Ende 2021 bereits auf 1,7 Millionen. Laut der Bundesagentur für Arbeit braucht es 400.000 zugewanderte Arbeitskräfte pro

1,7 Millionen offene Stellen im Jahr 2021

Bilaterale Abkommen in Zusammenhang mit Arbeitskräf tenot gab es in der jüngeren Vergangenheit auch schon in anderen Branchen, etwa in der Pflege. Immer dann, wenn es besonders brenzlig wird, werden auf diese Weise Perso nallücken kurzfristig gestopft. Doch langfristig ist damit weder den Flughafenbetrieben noch dem Pflegebereich oder anderen Branchen geholfen.

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A uf dem Weg in die Sommerferien hat es viele erwischt. Nein, gemeint ist nicht Corona. Die Rede ist vom Personalmangel: Weil Fach- und Aushilfskräfte fehlen, herrschte auf den deut schen Flughäfen in diesem Sommer reinstes Chaos. Rei sende standen stundenlang für die Sicherheitskontrolle an, Berge von nicht transportiertem Gepäck türmten sich in den Hallen, viele Flüge wurden kurzfristig gestrichen. Um die drastische Lage rund um den Luftverkehr in den Griff zu bekommen, erließ die Bundesregierung schließlich eine dreimonatige Ausnahmeregelung für die Arbeitsaufnahme von Arbeitskräften aus Drittländern – und warb Tausen de Personen aus der Türkei für Tätigkeiten wie Check-in, Boarding und Gepäcktransport an. Im Laufe des Sommers sprangen manche Flughäfen wieder ab: „Mit Blick auf den befristeten Einsatz dieser Beschäftigten, stehen der Auf wand für umfangreiche Schulungen, Deutschkurse et cetera und Nutzen hier leider in keinem sinnvollen Verhältnis“, hieß es vonseiten des Arbeitgeberverbands der Bodenab fertigungsdienstleister im Luftverkehr.

HardtChristoph/PicturesPanama/alliancepictureFoto:

An einigen deut schen monateninPersonalmangelsherrschteFlughäfenwegendenSommerChaos.

Timo Schiele ist leitender psychosomatischen

Psychologe einer

Klinik im Kloster Dießen am Ammersee sowie Dozent im Bereich kognitive Verhaltens therapie. TITEL GRENZEN www.humanresourcesmanager.de34

Bei Burn-on hinge gen sprechen wir mehr von einer chro nischen Form der Erschöpfungsde pression: Die Menschen funktionie ren nach außen, fühlen sich jedoch innerlich leer – und das seit Jahren. Eine weitere Unterscheidung ist, dass Menschen im Burn-out ihrem Job, zumindest per Definition, sehr zynisch gegenüberstehen. Sie entwi ckeln eine Abneigung gegenüber ihrer Arbeit, betrachten sie als sinnlos. Men schen mit Burn-on indes sehen ihren Job nicht negativ. Häufig denken sie, Der Psychologe Timo Schiele ist dem Phänomen des Burn-ons auf der Spur: Immer mehr Menschen sind chronisch ausgebrannt, arbeiten jedoch einfach weiter. Im Interview erklärt er die Unterschiede zum Burn-out und welche Grenzen man dem Ausbrennen entgegensetzen kann.

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Ein Interview von Petra Walther

Herr Schiele, was unterscheidet den Burn-on vom Burn-out?

Timo Schiele: Burn-out kann als eine akute Erschöpfungsdepression ver standen werden. Die Betroffenen haben den Eindruck, dass nichts mehr geht; häufig erleiden sie eine Art Zusammenbruch.

On: Immer kurz vorm Burn Out. Das unerkannte Leiden und was dagegen hilft von Timo Schiele und dem Chef arzt der Psychosomatischen Klinik im Kloster Dießen Bert te Wildt.

dass es ihnen doch gut gehen müsste – eben weil sie einen guten Job haben. Aber sie fühlen das nicht mehr. Wie unterscheidet sich die ser Zustand vom klassischen Workaholic? Auch hier gibt es Überschneidungen. Sowohl Workaholics, also Menschen, die unter Arbeitssucht leiden, als auch Betroffene eines Burn-ons werden von Arbeit und Leistung beherrscht. Wäh rend aber Betroffene des Burn-ons Freizeitaktivitäten, denen sie sonst aus einem freudvollen Erleben her aus zum Ausgleich ihrer Arbeit nach gegangen sind, mit der gleichen Leis tungsmotivation und der gleichen Strukturiertheit wie ihre Arbeit ange hen, streicht ein Workaholic solche ausgleichenden Tätigkeiten schnell komplett aus seinem Leben.

VerlagDroemerCover:Jakobs;SabineFoto: 2021 erschien das Sachbuch Burn

Der Feuerlöscher

Ein sauberer Schnitt In der US-amerikanischen Science-Fiction-Serie Severance werden strikte Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben gezogen. Durch einen freiwilligen chirurgischen Eingriff an den Gehirnen der Ange stellten einer New Yorker Firma namens Lumon Industries werden die Erinnerungen an ihre Arbeit von den Erinnerungen an ihr Privatleben getrennt. Regie führten Ben Stiller und Aoife McArdle.

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Stellen Sie sich vor, Sie könnten dank eines gehirnchirurgischen Eingriffs Ihre Existenz in ein Arbeits-Ich und ein privates Sein aufteilen. Dieses Gedankenexperiment spielt die US-Serie Severance durch. Wir haben New-Work-Profis um ihre Meinung dazu gebeten.

Marcus Merheim, Gründer der Beratung Hooman MarketingEmployer

TillmannTillTV+;AppleFoto: Eines ist sicher: Ich selbst hätte solch einem Eingriff niemals zugestimmt. Denn inzwischen gefällt mir die Idee der WorkLife Harmony. Allerdings kann es herausfordernd sein, bei solchen schwammigen Konzepten individuelle Grenzen zu ziehen. Gerade für Menschen, die Wissensarbeit leis ten, hätte es dramatische Effekte, Berufs- und Privatleben komplett aufzusplitten. Denn wir brauchen den Wechsel von Arbeits- und Ruhephasen. Privates Auftanken, ob mit der Familie oder beim Hobby, ist wichtig, um Kreativität zu fördern. Deshalb rate ich Unternehmen dazu, ihren Beschäftigten auf Wunsch auch Weiterbildungen zu finanzie ren, die nichts mit der eigentlichen Tätigkeit zu tun haben, Sprachkurse zum Beispiel. Unsere Freizeit hat einen großen Einfluss auf die Qualität unserer Arbeit. Hinzu kommt: Ein Nine-to-Five-Tag wie in der Serie dargestellt, ist unüblich geworden, die Grenzen lassen sich in der Arbeitsrealität auch zeitlich nicht mehr klar umreißen. Meine Vermutung wäre: Wenn es eine Severance-Prozedur vor zehn Jahren gegeben hätte, hätten manche Unternehmen sie eingeführt – doch heute wären sie längst wieder davon abgerückt. Denn wer seine Angestellten wie Maschinen behandelt, die man ein- und ausknipsen kann, würde auf unserem Arbeitsmarkt niemanden finden. Es geht heute darum, Arbeitnehmern in ihren Bedürfnissen entgegenzu kommen. Im Gegenzug sind die Beschäftigten auch eher bereit, sich zu öffnen und sich in privat schwierigen Pha sen helfen zu lassen – das wäre in der Serie bei Hauptfigur Mark sinnvoller gewesen, als sein Leid während der Arbeit auszublenden.Ichwärejedenfalls traurig, wenn ich mein Berufsleben verpassen würde, weil es Spaß macht und mein Privatleben bereichert. Es kommt aber auch auf die Tätigkeit an: Wenn sich jemand mit Kriminalfällen auseinandersetzt oder damit, in sozialen Netzwerken Hassnachrichten zu löschen, dann könnte das Severance-Programm vielleicht heilsam sein, um sich in der Freizeit von diesen Eindrücken zu befreien.

Angestellte sind Maschinenkeine

A uf Mark Scouts Schreibtisch steht kein Foto seiner Familie, sondern eines von ihm und seinem dreiköp figen Team. Das liegt nicht an der Clean-Desk-Policy des Arbeitgebers Lumon Industries, in dessen ominösen Datenteam er arbeitet. Grund ist stattdessen, dass die vier –wie viele andere Beschäftigte in dem riesigen Bürokomplex – keinen Bezug zu ihrem Privat leben haben. Die Hauptfiguren der Serie, deren erste Staffel mit neun Folgen seit dem Frühjahr auf Apple TV gestreamt werden kann, haben sich einem chirurgischen Eingriff unterzogen, der sogenannten Severance. Beim Eintritt ins Un ternehmen willigten sie ein, ihre Privat- und Ar beitsrealitäten voneinander trennen zu lassen. Nach einem Schnitt am Oberkopf verfügen sie über zwei Daseinsformen, verniedlichend In nie und Outie genannt: Sie verlieren fortan mit morgendlichen Betreten des Firmengebäudes alle Erinnerungen an ihr Leben außerhalb des Konzerns. Sie kennen weder den eigenen Nach namen, noch wissen sie, ob sie verheiratet sind oder Kinder haben. Begeben sie sich am Abend zurück in den Fahrstuhl, schaltet sich wiederum das Bewusstsein ihrer Arbeitsexistenz aus. Regisseur Ben Stiller hat mit der Serie eine beklemmende Arbeitsdystopie geschaffen. Die in einem sektenartig organisierten Arbeitskosmos gefangenen Innies fügen sich teils in ihr Schick sal, andere rebellieren dagegen. Die Outies haben die Trennung indessen willentlich veranlasst. Dabei verfolgen sie unterschiedliche Motive. So hat sich Protagonist Mark nach dem Unfalltod seiner Frau dafür entschieden, sein Ich aufspal ten zu lassen – um seiner Depression zumindest acht Stunden am Tag zu entkommen. Schon klar, das ist Science-Fiction. Aber ange sichts der Dauerbrennerdebatte über Balance akte von Work und Life regt das Gedankenexpe riment dazu an, auszuloten, was eine drastische Grenzziehung bedeuten würde. Wir haben drei serienbegeisterte HR-Fachleute um ihre Ein schätzung dazu gebeten. Ein Beitrag von Anne Hünninghaus

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Ein Porträt von Sven Lechtleitner Raúl Aguayo-Krauthausen macht sich für eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft stark. Über seinen Weg zum Aktivismus, soziales Engagement und Grenzen, die gar keine sind Der Inklusionsaktivist 46 www.humanresourcesmanager.de TITEL GRENZEN

SpindelndreierAnnaFoto: mit Behinderung. Darüber und über persönliche Erlebnis se schreibt er in seiner Biografie Dachdecker wollte ich eh nicht werden. Das Leben aus der Rollstuhlperspektive. In dem Podcast und gleichnamigen Buch Wie kann ich was bewegen? Die Kraft des konstruktiven Aktivismus spricht er gemeinsam mit Politikwissenschaftler Benjamin Schwarz mit aktivistischen Persönlichkeiten. Für Medien und deren Zusammenspiel mit der Politik hat sich Aguayo-Krauthausen schon zu Schulzeiten in teressiert. Neben dem Abitur brachte er sich Webdesign bei, machte unterschiedliche Praktika und lernte so die Grundlagen von Werbearbeit kennen. Er absolvierte ein Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin. Später folgte noch ein Design-Thinking-Studium an der HPI School of De sign Thinking in Potsdam. Zum Berufseinstieg arbeitete er mehrere Jahre in Werbeagenturen – bis er zum Radio Berlin Brandenburg wechselte und dort als Programmmanager in der Onlineredaktion des Jugendradios It’s Fritz anfing. „Es war eine spannende Erfahrung, die Welt mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten“, sagt Aguayo-Kraut hausen. Seine Tätigkeit beim Rundfunk war ähnlich wie zuvor in der Werbung – nur, dass er jetzt auf Kundenseite saß und mit Agenturen zusammenarbeitete. In einer Wer beagentur gehe es oft darum, aus wenig Inhalt etwas Großes

A ls das virtuelle Gespräch mit Raúl Aguayo-Kraut hausen stattfindet, ist er gerade mitten in seiner Meet-Time – also in dem Zeitraum, in dem er sämtliche Meetings absolviert. Denn der Akti vist für Inklusion und Barrierefreiheit teilt seinen Arbeitstag in drei Abschnitte: Me-Time, Meet-Time und Make-Time. Zur Me-Time zählen aufwachen, frühstücken und Kaffee trinken. Dann checkt er seine E-Mails. Die Meet-Time mit Videocalls und Team-Besprechungen geht von 11:00 bis 14:00 Uhr. Danach folgt bis 18:00 Uhr die Make-Time – die Zeit, in der er Aufgaben abarbeitet, die meist aus den vor herigen Meetings resultieren. Während der Make-Time ist Aguayo-Krauthausen in der Regel für andere weder anzu treffen noch verfügbar. Wenn Medien über den 42-Jährigen und sein Team be richten, wollen sie oftmals vor Ort Bilder- oder Videoauf nahmen anfertigen, um die aktivistische Arbeit möglichst lebendig darzustellen. „Das Tragische ist“, setzt Raúl Agu ayo-Krauthausen an: „Am Ende sind wir auch nur Leute, die am Laptop sitzen.“ Sein Engagement und den Aktivismus in Bilder zu fassen, sei kaum möglich. Durch die sozialen Medien, Blogs, Podcasts, Newsletter und Bücher gewährt Aguayo-Krauthausen Einblick in sein Leben mit einer Be hinderung und setzt sich für eine inklusive Gesellschaft ein. Ein Anliegen ist der unverkrampfte Umgang mit Menschen

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kräften.“Führungs-zumacht„Jobsharingunsbesseren TITEL GRENZEN www.humanresourcesmanager.de52

Zwei in Teilzeit sollten,GrenzenfunktioniertWiewirdeineFührungskräftearbeitendeteilensichStelle–diesesPrinzipimmerbeliebter.JobsharingimAlltagundwelcheTandemsziehenerzählen Nadine McBroom und Astrid VettinWansart von Volkswagen EinConsulting.Interview von Anna Friedrich ConsultingVolkswagenFoto: TITEL september 2022 53

ImagesGetty/petrovvAbbildung:

58 www.humanresourcesmanager.de IM FOKUS WOCHENARBEITSZEIT

Wie lange sol

len

59 IM FOKUS september 2022

Ein

Weltweit testen Unternehmen, wie sie mit der Aussicht auf weniger Arbeitszeit mehr Mitarbeitende gewinnen können. Die Viertagewoche stößt eine Debatte an über Produktivität, Achtsamkeit und die große Frage, wie sich das alles finanziert. Beitrag von Mirjam Stegherr wir arbeiten?

Meetings im virtuellen Raum gehören für viele mittlerweile zum Arbeitsalltag. Warum sind sie oft so anstrengend und langweilig? Die fünf größten Fails und wie Sie diese vermeiden können Ein Gastbeitrag von Ariane Bertz Abschalten?EinladungOnline-Meetings:zum 76 www.humanresourcesmanager.de PRAXIS VIRTUELLE MEETINGS

ImagesGetty/PiironenJarmoAbbildung: O nline-Meetings sind fester Bestandteil unserer Arbeitswelt – und, wenn sie gut gemacht sind, auch eine absolute Bereicherung. So bieten Meetings in der virtuellen Welt schnellen Infor mationsaustausch, sparen Reisekosten und Zeitaufwand.

Fail zwei: Wer braucht schon Vorbereitung?

Das erste Meeting von 9:00 Uhr bis 10:00 Uhr, dann von 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr, 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr – und so geht es munter weiter, bis Sie abends erschöpft den Rechner herunterfahren. Online-Meetings im Stundentakt schei nen Standard zu sein, schließlich ist es einfach, sich schnell in den nächsten Termin einzuklicken. Kein Wunder also, dass die Vorbereitung im durchgetakteten Alltag oft auf der Strecke bleibt. Es wäre jedoch leichtsinnig zu glauben, dass ein Meeting ohne Vorbereitung gelingt – ganz gleich ob es offline oder online stattfindet. In der Vorbereitung von Online-Meetings steckt allerdings meist doppelt so viel Aufwand wie in Zusammenkünften in Präsenz, da Sie sich im Vorfeld Gedanken machen sollten über die Struktur, den Ablauf und über die Methoden, die im Meeting eingesetzt werden. Denn in der virtuellen Welt können Sie weniger flexibel reagieren, als Sie es im realen Besprechungsraum gewohnt sind. Dort zaubern Sie schnell ein paar Moderationskarten hervor, um die Teilnehmenden nach ihren Ideen zum Thema zu befragen. Haben Sie diese Möglichkeit im digitalen Raum nicht vorbereitet und bietet das Videokonferenzprogramm hierzu keine Funktion an, entfällt dieser vielleicht entscheidende Schritt. Erfolgrei che Online-Meetings sind also weder Glückssache noch Schicksal, sondern das Ergebnis einer guten Vorbereitung. Fünf Punkte der Meetingvorbereitung:

• Prüfen Sie, ob das Online-Meeting überhaupt notwen dig ist oder ob sich die Themen im direkten Gespräch am Telefon oder im Büro klären lassen. Falls ein Mee ting unabdingbar ist, stellen Sie sich die Frage, welches Zeitfenster es dafür bedarf. Häufig dauern Meetings eine Stunde, da dieses Zeitfenster standardmäßig von den Videokonferenzprogrammen vorgegeben wird. Wäre es aber nicht für die eigene Vorbereitung oder zum kurzen Luftholen hilfreicher, das Meeting für 45 Minuten anzu

Dramaturgie: kürzere Präsentationsformate (maximal 15 bis 20 Minuten), eine aktive und direkte Ansprache, mehr Beteiligung und interaktives Arbeiten.

Trotz der schlagkräftigen Argumente für Treffen im digita len Raum haben vermutlich viele Beschäftigte zahlreiche Negativbeispiele im Kopf oder erleben sie noch täglich in der beruflichen Praxis: stundenlange Meetings, bei denen die erste Pause zur Mittagszeit erfolgt, betreutes Vorlesen von Powerpoint-Folien im geteiltem Bildschirmmodus – die Abschlussfrage, ob alles verstanden wurde, ist dabei oft die spannendste Interaktion. Kein Wunder, dass bei vielen Teil nehmenden das Gefühl zurückbleibt, dass Online-Meetings anstrengend und nicht zielführend sind. Damit Ihr nächstes Meeting in der digitalen Welt nicht zur Frustfalle wird, soll ten Sie folgende Fails auf dem Schirm haben: Fail eins: Online funktioniert wie offline Es ist ein Trugschluss, dass bisherige Präsenzmeetings eins zu eins in die virtuelle Welt übertragen werden können. Und dennoch bleiben viele an den bekannten Strukturen haften, alles getreu dem Motto Stick to the winning team. Jedoch spielt dieses Winning Team digital nicht gut, und genau die ses Gefühl teilen viele, die in den vergangenen zwei Jahren in das Feld der Online-Meetings eingewechselt wurden. Das sture Abarbeiten von einzelnen Agendapunkten und stun denlange Präsentationen sind die perfekte Einladung zum Abschalten. Um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden aufrechtzuerhalten, brauchen Online-Meetings eine andere 77september 2022

PRAXIS

Der Podcast Aufsteiger*innen – Der Podcast über den Mut, Erste*r zu sein wurde von Tijen Onaran im März 2022 ins Leben gerufen. Sie nennt sich „Unternehmerin mit Migrationsvordergrund“ und möchte jenen Mut machen, die aus finanziell schwächeren Verhältnissen kommen und sich hochkämpfen wollen. Wöchentlich spricht die Beraterin mit Menschen, die den sozialen Aufstieg geschafft haben. Bislang sind knapp 30 Podcast-Episoden à 30 Minuten erschienen.

PRAXIS PODCAST 80 www.humanresourcesmanager.de

An dieser Stelle zeigen wir Ihnen wichtige Podcasts rund um HR, Arbeit und Menschen. Diesmal: Aufsteiger*innen – Der Podcast über den Mut, Erste*r zu sein von Tijen Onaran.

Hingehört

Tijen Onaran ist Gründerin der Global Digital Women und der Diversity-Beratung ACI. In 160 Folgen war sie Gastgeberin des Business-Punk-Podcasts How to Hack. Sie ist zudem Autorin von Nur wer sichtbar ist, findet statt Frau Onaran, warum haben Sie den Podcast ins Leben gerufen?

Tijen Onaran: Ich habe irgendwann darüber nachgedacht, dass es doch mehr Menschen da draußen geben muss, die – ähnlich wie ich – die Ersten in ihrer Familie gewesen sind, die stu diert und sich selbstständig gemacht haben. Mit solchen Menschen möchte ich sprechen. Denn immer, wenn ich meine Geschichte teile, schreiben mir junge Leute, wie inspirierend und motivierend sie sei. In Zeiten, in denen wir pausenlos mit schlechten Nach richten konfrontiert sind, möchte ich mit meinem Podcast von Lebenswe gen erzählen, die Mut machen.

Die Fragen stellte Jeanne Wellnitz

„In Zeiten, in denen wir pausenlos mit schlechten Nachrichten konfrontiert sind, möchte ich mit meinem Podcast von Lebenswegen erzählen, die Mut machen.“

HeinsohnAndrea/GmbHWomenDigitalGlobalFotos:

Auf meiner Liste steht definitiv Özlem Türeci, die Co-Gründerin von Biontech. Sie ist eine beeindruckende Frau mit beachtlichem Wirken. Ich arbeite flei ßig darauf hin, dass es klappt. Mit welcher berühmten Person würden Sie am liebsten einmal in Ihrem Podcast sprechen?

Ich mag den Begriff „Aufstieg“, weil er zeigt, dass man etwas geleistet hat und der Weg auch mit Hürden ver bunden war. So kam ich gemeinsam mit meinem Team schnell auf Aufstei ger*innen, wollte aber unbedingt noch den Zusatz Der Podcast über den Mut, Erste*r zu sein, da Mut beim Thema Aufstieg unabdingbar ist. Was wollen Sie mit dem Podcast erreichen? Ich möchte, dass Menschen, die den Podcast hören, mindestens eine posi tive Sache für sich mitnehmen. Ob es ein Lacher ist, ein Netzwerktipp oder eine Inspiration zum Job- oder Praktikumseinstieg. Wenn man das erste Familienmitglied ist, das Karri ere macht, gibt es zu Hause ja keine Vorbilder. Der Podcast soll diese Role Models liefern, mit allem, was dazu gehört: scheitern, unperfekt sein, die eigenen Schwächen zeigen und sie zelebrieren.

Welche Themen sind Ihnen beson ders wichtig und wie stoßen Sie darauf? Mittlerweile bekomme ich viele Vor schläge – ich suche aber auch selbst über Instagram und Co. nach Themen rund um sozialen Aufstieg und echten Tatendrang. Welche Podcasts hören Sie gern und warum? Ich höre gerne Zeit Verbrechen, am liebsten auf Reisen. Die Fälle sind extrem spannend und etwas kom plett anderes als das, womit ich mich sonst beschäftige. Ansonsten höre ich gern Das fragt man doch nicht von der Comedienne Julia Brandner. Sie räumt in dem Podcast mit Vorurteilen auf und fragt eine Trauerrednerin, einen Schönheitschirurgen oder einen Tier arzt genau das, was man sonst nicht zu fragen wagt.

PRAXIS 81september 2022

Worum drehte sich Ihre erste Folge? In meiner ersten Folge hatte ich die Beraterin Erica Burett zu Gast. Sie ist vor neun Jahren aus Kenia nach Deutschland gekommen und hat sich hier alles selbst erarbeitet. Sie konnte kaum ein Wort Deutsch, kannte nie manden und ist schrittweise ihren Weg gegangen. Das war ein unglaublich berührendes Gespräch. Wen wollen Sie demnächst einladen?

Mit Sara Blakely, der Gründerin von Spanx Shapewear. Sie soll anfangs Faxgeräte verkauft haben, ging von Tür zu Tür, und heute ist sie erfolgreiche Unternehmerin. Das beeindruckt mich sehr, wenn Menschen aus dem Nichts Unternehmen aufbauen und vor allem dranbleiben. Ich folge ihr unglaublich gern in den sozialen Netzwerken für die Extraportion Motivation.

Wie sind Sie auf den Namen gekommen?

ImagesGetty/Prostock-StudioGrafik:

Mit der Reform des Nachweisgesetzes wird der Abschluss von Arbeitsverträgen in digitaler Form mit Bußgeldern sanktioniert. Das passt ins Bild, leider.

Zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vor hersehbare Arbeitsbedingungen ergänzte die Gesetzgebung den Katalog der mitteilungspflichtigen Vertragsbedingungen im überschaubaren Umfang. Diese Neuerung hätte gewiss keine derart große Resonanz erzeugt. Deutlich gewichti ger ist die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form der Mitteilung. Es war zwar bereits im Nachweisgesetz von 1995 die Schriftform vorgesehen, seit 2001 kennt das Bürgerliche

Digitalisierung im Arbeitsrecht ist weiterhin Neuland für Gesetzgeberden

Festhalten an Schriftform und empfindliche Sanktionen

A rbeitgeber sind verpflichtet, ihren Beschäftig ten die wesentlichen Vertragsbedingungen zu Beginn ihrer Tätigkeit mitzuteilen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Nachweisgesetz in weitgehend unveränderter Form seit 1995. In der arbeitsrechtlichen Praxis fand das Gesetz bislang jedoch wenig Aufmerksamkeit. Die Übergabe eines verschriftlichten Arbeitsvertrags ist ohnehin in Deutschland recht üblich. Ob in dem Vertrag der gesamte Katalog von Informationen im Sinne des Nachweisgesetzes enthalten war, wurde bislang in den meisten Unternehmen nicht im Detail verifiziert, weil Verstöße in der Praxis keine Sanktionen nach sich zogen. Mit der Überarbeitung des Nachweisgesetzes, die zum 1. August 2022 wirksam wurde, ändert sich nun die Situation. Interessenverbände sparen nicht mit Kritik an der gesetzli chen Neuerung und Personalabteilungen schütteln den Kopf über die Auswirkungen des Gesetzes für ihre Prozesse. Für eine Weile beschäftigten sich Arbeitsrechtler und Inhouse-Ju ristinnen jedenfalls mit kaum einem Thema so häufig wie mit der Umsetzung dieser Gesetzesänderung. Besonders betrof fen sind Unternehmen, die ihre Arbeitsverträge in elektroni scher Form abschließen. Was ist also passiert?

90 www.humanresourcesmanager.de RECHT ESSAY

Ein Essay von Christoph Seidler

september 2022 Gesetzbuch allerdings in § 126a die elektronische Form. Diese ist hinsicht lich der qualifizierten elektronischen Signatur mit einer handschriftlichen Unterschrift gleichzusetzen. Viele Unternehmen schließen Arbeitsver träge darum mittlerweile elektronisch ab. Den Nachweis in elektronischer Form schließt das Nachweisgesetz jedoch ausdrücklich aus. Diese Vorgabe geht über jene der EU-Richt linie hinaus. Dort heißt es in Artikel 5 Absatz 1, dass der Nachweis „als Dokument“ erfolgen muss. Das schließt insbesondere eine elektronische Form ein. Im heutigen Zeitalter der Digitalisierung und des Vormar sches digitaler Prozesse in allen Bereichen ist unverständlich, warum der Gesetzgeber hierzulande an veralteten Vorschriften wie der Schrift form festhält, wenn doch die EU-Richtlinie Tür und Tor zu modernem Handeln offen gelassen hat. Andere Staaten sind weiter. In Belgien etwa besteht jedenfalls bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis keine Schriftformerfordernis hin sichtlich des Nachweises der Arbeitsbedingungen. Schweden geht einen Mittelweg und gibt eine schriftliche Mitteilung nur vor, wenn die künftige Arbeitskraft sie fordert. Durch den Ausschluss der elektronischen Form erzeugt das neue Nachweisgesetz einen unnötigen bürokratischen Auf wand. Eine Begründung für die Entscheidung, nur die Schriftform und nicht die elektronische Form gelten zu lassen, liefert der Gesetzgeber erstaunlicherweise nicht. Schnell kam in Unternehmen die Frage auf, ob nicht eine pragmati sche Anwendung unter Missachtung der Schriftform möglich sei. Doch dies ist riskant. Denn mit der Ausweitung der Nachweispflicht ergänzte der Gesetzgeber auch eine Sanktion bei Verstößen. Ein unterlassener oder nicht ausreichender Nachweis der Vertragsbedingungen stellt seit dem 1. August 2022 eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeldern von bis zu 2.000 Euro – je Verstoß – geahndet werden kann. Auf den ersten Blick erscheint es schwer vorstellbar, dass Ordnungsbehörden Strafen verhängen, weil Unternehmen zwar die inhaltlichen Anforderungen des Nachweisgesetzes beachten, jedoch ausschließlich in elektronischer Form informieren. Doch werden Unternehmen das verbliebene Risiko eingehen und sich einer Verfolgung der Ordnungsbehörden aussetzen? Eher nicht.

Rudolf Hetzel Torben Werner (V. i. S. d. P.) (Quadriga Media) Dr. Emmanuel Siregar (BPM)

Digitaler Arbeitsvertrag ist weiterhin möglich Entgegen einem derzeit weit verbreiteten Irrtum können Arbeitsverträge jedoch nach wie vor digital abgeschlossen werden. Um dem Nachweis gesetz zu genügen, müssen Arbeitgeber den Beschäftigten dann jedoch zumindest einen schriftlichen (also im Original unterschriebenen) Bei packzettel aushändigen, der die Informationen des Katalogs aus Para graph 2 Absatz 2 Nachweisgesetz enthält. Dieses Vorgehen erscheint auf den ersten Blick unnötig kompliziert. Es kann aber insbesondere sinnvoll sein, wenn zugleich die Arbeitsverträge kurz gehalten werden sollen.

Redaktion Jeanne Wellnitz (jew) Leitende Redakteurin i. V. jeanne.wellnitz@quadriga.eu Jasmin Nimmrich (jnm) Volontärin jasmin.nimmrich@quadriga.eu Charleen Rethmeyer (cr) Volontärin charleen.rethmeyer@quadriga.eu

IMPRESSUM

Herausgeber

Autorinnen und Autoren der Ausgabe Ariane Bertz, Anna Friedrich, Anna Fuchs, Hadija Haruna-Oelker, Teresa Hertwig, Anne Hünninghaus, Sabine Jena, Kathrin Justen, Christoph Magnussen, Lars-Thorben Niggehoff, Sven Lechtleitner, Christoph Seidler, Mirjam Stegherr, Pascal Verma, Petra Walther, Michael Witt Lektorat Christa www.literatur-und-film.deMelliGabyFlemnitz

Gestaltung Marcel Franke, Armen Vanetsyan, Damian Strohmaier Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@quadriga.eu Abonnement Stefanie Weimann aboservice@quadriga.eu Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Benzstraße 12 12277 Berlin Im Internet www.humanresourcesmanager.de/magazin Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 Fax: 030 / 84 85 92 00 redaktion@humanresourcesmanager.de 91

Dabei hat mir besonders Mut gemacht, dass … ich nicht die Erste bin, die diese Auf gabe bewältigt hat. Ich habe mir im mer gesagt: Wenn andere das schaffen, kann ich das auch.

GrenzDiegängerin

Ich habe mich beworben, weil … die Initiative zwei Dinge verbindet, die mir sehr wichtig sind: die Erfüllung meines Kindheitstraumes und zugleich ein Rollenmodell für Mädchen und Frauen zu sein; als erste deutsche Frau im Weltraum. Den meisten Spaß beim Astronau tinnen-Training hatte ich … beim Parabelflug. Dort befindet man sich in einem Flugzeug, das eine Pa rabelform fliegt und so die Schwere losigkeit erreicht. Der freie Fall ist das tollste Gefühl überhaupt.

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Die Astrophysikerin Suzanna Randall möchte als erste deutsche Frau ins Weltall – und mit ihrer Ausbildung zur Raumfahrerin in vielerlei Hinsicht Grenzen überwinden. Für den Weltraum interessiere ich mich, seitdem … ich denken kann. Besonders fasziniert mich an ihm … das Transzendente, Geheimnisvolle und dass der Weltraum von unserem Alltag losgelöst ist. Er lädt zum Träu men ein und dazu, das Ungreifbare verstehen zu wollen. Der Wunsch, ins Weltall zu fliegen, kam mir als … ich als Mädchen in meinen Sachbü chern ein Foto von Sally Ride sah. Sie war die erste Amerikanerin im Weltall. Diese Frau im Raumanzug hat damals in mir den Ehrgeiz geweckt, es ihr nachzutun. Sie ist ein großes Vorbild. Auf das Projekt Die Astronautin bin ich aufmerksam geworden durch … einen reinen Zufall. In einer Mittags pause bin auf den Beitrag Astronautin gesucht auf Spiegel Online gestoßen. Da wusste ich sofort, dass ich an der Initiative teilnehmen wollte.

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An meine Grenzen bin ich einmal gekommen, … beim Tauchtraining. Dieses Atmen un ter Wasser, eingeschlossen in einem Raumanzug, war eine herausfordernde Erfahrung. Genauso wie das Training in der Unterdruckkammer, aus der langsam Luft herausgepumpt wurde. In diesen Situationen geht es genau darum, Körper und Geist an die Gren zen zu bringen und sich selbst besser kennenzulernen.

Um gläserne Decken einzureißen, braucht es … mehr weibliche Vorbilder. Mir hat es in der Vergangenheit stets geholfen, mich an diesen orientieren zu können. Dar um ist es so gravierend, dass es gerade in Deutschland unter Frauen kaum Vorbilder in sehr hohen Positionen und im MINT-Bereich gibt. Die Fragen stellte Charleen Rethmeyer www.marekbeier.deFoto:

Suzanna Randall ist promovierte Astro physikerin und lässt sich im Rahmen einer privaten Initiative zur Astronautin ausbilden, um als erste deutsche Frau in den Weltraum zu fliegen. Sie ist Autorin des im November erscheinenden Buches Wellenreiten im Weltall

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