PRAXIS
Amtsdeutsch, Schachtelsätze, Null-Aussagen – Behörden, Verwaltungen und Unternehmen kommunizieren oft unverständlich und verspielen dadurch wertvolle Kommunikationschancen. Doch Textverständlichkeit lässt sich messen und damit auch einfach verbessern.
Die Macht der Worte TEXT JEANNE WELLNITZ
„Man spricht Deutsch“, verkündet die „Bild“ Ende August zu Angela Merkels WahlkampfAuftritt auf dem Bonner Marktplatz. Sie spricht von „Steuererhöhung“ statt „Kalter Progression“ und von „Wachstum“ statt „Konjunktur“. Kein Fachchinesisch, kein Politkauderwelsch. „Der einfachste Weg, mit unseren Themen so viele Menschen wie möglich zu erreichen, ist eine verständliche Sprache“, erklärt Axel Bäumer, stellvertretender Sprecher der CDU. Dass formale Verständlichkeit – also gängige Wörter, kurze Sätze – noch lange nicht für guten Inhalt sorgen muss, steht auf einem anderen Blatt. Fest steht jedoch: Was eine verständliche Wortwahl betrifft, geht die CDU mit gutem Beispiel voran.
Verpasste Chancen
Viele Parteien und Unternehmen verschenken nach wie vor Kommunikationschancen durch ellenlange Wahlprogramme (327 Seiten bei Bündnis 90/Die Grünen), aussagelose Pressemitteilungen oder spröde Geschäftsberichte. Statt gezielt zu vermitteln, wie Vorhaben realisiert werden, langweilen auch die Online-Auftritte einiger Unternehmen den
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Leser mit Selbstverständlichkeiten. BASF beispielsweise verspricht auf der Startseite: „Mit Forschung und Innovation helfen wir unseren Kunden, heute und in Zukunft die Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“ Gibt man dieses Leitbild spaßeshalber in den kostenlosen Floskel-Scanner „BlaBlaMe-
kationstheorie an der Universität Hohenheim. Das ist natürlich nur ein Richtwert, denn die ideale Wortanzahl hängt hauptsächlich vom Kontext ab. Man kann Satzlängen variieren, dominant sollte jedoch eine einfache Satzstruktur sein. Wie kommt es, dass so viele Parteien, Behörden und Un-
Ein verständlicher Satz hat im Schnitt zehn bis zwölf Wörter ter“ ein, lautet das Urteil: „Beim Eindruck schinden sollten Sie Ihre Aussage nicht vergessen.“ In den aktuellen Regierungsprogrammen wurden ähnliche Fehler gemacht. Sie verwirren den Wähler mit Satzlängen von über 40 Wörtern. Oder Wortmonstern wie „Bundes-Gemeindeverkehrs�nanzierungsgesetz“ (Grüne), „Jugendausbildungsvertretungen“ (CDU) und Insider-Begriffen wie „Fissile Material Cutoff Treaty“ (Piratenpartei). Noch Fragen? Ein verständlicher Satz hat im Schnitt zehn bis zwölf Wörter, erklärt Frank Brettschneider. Er leitet den Lehrstuhl Kommuni-
ternehmen unverständlich formulieren? Warum kleiden sie ihre Botschaften in bleischweres Amtsdeutsch? Und weshalb füllen zahlreiche inhaltsleere Pressemitteilungen die E-Mail-Konten der Redaktionen?
Ursachenforschung
Kommunikationswissenschaftler Brettschneider betont, dass gerade beim Verfassen von Pressemitteilungen oft Zeitnot herrsche. Klar, der Arbeitstag ist hektisch, der Auftrag muss schnell erledigt werden. Viele verfallen dann in ihre Schreibroutine, benutzen altbekannte Fachbegriffe und verlieren den Empfänger aus