Artikel 50 Q&A 1. Was ist der Artikel 50 und wie wird er ausgelöst? Der Artikel 50 des „Lissabon-Vertrags“ erlaubt einem EU-Mitgliedsland, die Staatengemeinschaft „konform mit seiner eigenen Verfassung“ zu verlassen. Artikel 50 wird am 29. März durch ein entsprechendes Schreiben der britischen Premierministerin Theresa May an den EU Ratspräsident Donald Tusk ausgelöst.
2. Welche Bedeutung hat die Frist März 2017? Großbritannien hat sich selbst eine Frist bis zum 31. März 2017 gesetzt. Würde sie nicht gehalten, ist mit politischen Auswirkungen zu rechen. Ziel der britischen Regierung ist es, das Ergebnis des Referendums vom Sommer 2016 zügig umzusetzen. Zudem will die Regierung den Wählerauftrag des EU-Austritts vor der für Mai 2020 geplanten Wahl in UK erfüllen, um Austrittsverhandlungen parallel zum Wahlkampf zu vermeiden.
3. Was geschieht unmittelbar nach dem Auslösen des Artikels 50? Der Europäische Rat muss dem Antrag einstimmig zustimmen und der EU-Kommission daraufhin Verhandlungsleitlinien übermitteln, bevor die formellen Verhandlungen beginnen können. Ratspräsident Donald Tusk hat bereits angekündigt, dass er seine vorläufige Verhandlungsleitlinien innerhalb von 48 Stunden nach Auslösen des Artikels 50 veröffentlichen wird. Diese würden aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Gipfeltreffen der 27 verbleibenden Staatsoberhäupter finalisiert.
4. Welche Meilensteine sind für die anschließende zweijährige Frist absehbar? Artikel 50 gibt nicht vor, welche Themen wann zu diskutieren sind. Dies entscheiden die Verhandlungsdelegationen. Es sind verschiedene politische Szenarien denkbar, die die Verhandlungen beeinflussen könnten, z.B. die Wahlen in Frankreich (April/Mai 2017) und in Deutschland (September 2017). Michel Barnier, der EU-Verhandlungsführer, bezifferte den Zeitraum für die formalen Verhandlungen auf 18 Monate, um noch sechs Monate Zeit für Ausarbeitung und Abstimmung einer abschließenden Vereinbarung zu haben, der alle EU-Institutionen zustimmen müssen.
5. Kann sich der UK-Austrittsprozess länger hinziehen bzw. früher beendet werden? Artikel 50 legt fest, dass EU-Verträge für einen Staat am Tag des Inkrafttretens der Austrittsvereinbarung ihre Gültigkeit verlieren, bzw., sollte eine solche nicht erzielt werden, mit Ablauf von zwei Jahren nach Verhandlungsbeginn. Theoretisch ist ein vorfristiger Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien möglich. Nach allgemeiner Auffassung jedoch kann, nach formellem Auslösen des Artikels 50, die Zweijahresfrist nicht unterbrochen werden. Eine Verlängerung, die die einstimmige Zustimmung aller Mitgliedsstaaten vorausgesetzt, wäre hingegen möglich.
7. Wer sind die wesentlichen Verhandlungsakteure auf britischer bzw. EU-Seite? Neben einer Vielzahl von Politikern und Beamten, die für die verschiedenen Verhandlungsaspekte zuständig sind, sind die Verhandlungsführer:: Europäische Union:
• Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission • Michel Barnier, Brexit-Verhandlungsführer der EU-Kommission • Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates • Didier Seeuws, Leiter Brexit-Taskforce des Rates der Europäischen Union • Guy Verhofstadt MEP, Brexit-Koordinator des EU-Parlaments UK
• Theresa May, britische Premierministerin • David Davis, britischer Brexit-Minister • Sir Tim Barrow, Ständiger Vertreter bei der EU • Olly Robbins, Staatssekretär des Brexit-Ministeriums Praktisch gibt es keine feste Besetzungsliste der Verhandlungen. Artikel 50 legt lediglich fest, dass der Europäische Rat sich auf „Leitlinien“ für den Prozess verständigen wird. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird, als Regierungschefin des größten EU-Landes, hierbei erwartbar eine wichtige Rolle spielen. Parallel zu den laufenden Hauptverhandlungen wird Großbritannien versuchen, bilaterale Gespräche mit einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu führen.
8. Mit welchen Themen werden die Verhandlungen beginnen? Es ist wahrscheinlich, dass sich Großbritannien und die EU zunächst darauf konzentrieren werden, die Höhe der sogenannten „Brexit-Rechnung“, also der noch ausstehenden britischen EU-Verpflichtungen, zu bestimmen. Gelingt keine entsprechende Einigung vorab, wird zudem der Druck steigen, die jeweiligen Rechte für in UK lebende EU-Bürger (und umgekehrt) festzuschreiben. Derzeit ist noch nicht klar, ob die EU ihre Zustimmung erteilt, die Konditionen der künftigen Beziehung Großbritanniens zur Union zeitgleich zu den britischen Austrittsverhandlungen zu verhandeln.
9. Welche ‚Roten Linien‘ gibt es? Theresa May hat zwei thematische Schwerpunkte gesetzt: die Beendigung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit und ein Herauslösen von Großbritannien aus der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Mehrere EU-Regierungschefs haben die Relevanz der sogenannten „vier Freiheiten“ der EU betont (Freizügigkeit innerhalb des EU-Binnenmarkts für Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen) – ein Verlassen der Europäischen Union soll keinesfalls vorteilhafter sein als der Verbleib eines Landes als Mitglied.
6. Kann Großbritannien das Auslösen des Artikels 50 rechtlich zurücknehmen?
10. Können die Gespräche über die Trennungskonditionen gleichzeitig mit Verhandlungen über eine neue Handelsbeziehung stattfinden?
Dies lässt sich nicht eindeutig beantworten, hier gibt es erkennbaren Interpretationsspielraum, und auch der Europäische Gerichtshof hat sich mit dieser Frage in der Vergangenheit nicht befasst. Theoretisch ist die „notification“ (so der im Artikel verwendete Begriff) keine rechtlich bindende Entscheidung und kann demnach zurückgenommen werden. Politisch könnte dies jedoch Konsequenzen haben und das Meinungsklima in der britischen Öffentlichkeit unter Umständen signifikant und nachhaltig verändern.
Das ist Sache der Verhandlungsteams, obwohl gelegentlich Auffassung geäußert wird, die EU sei durch den Rechtstext des Artikels 50 rechtlich verpflichtet, die künftige Beziehung zu Großbritannien während der durch den Artikel gesetzten Zweijahresfrist zu erörtern. An anderer Stelle wird argumentiert, dass die EU mit Großbritannien keine Gespräche über ein neues Handelsabkommen aufnehmen darf, solange die Mitgliedschaft in der EU besteht, sondern erst nach dem Austritt, wenn UK den Status eines „Drittstaates“ hat.