DER HANNOVERANER - Artikel aus der Ausgabe 5/2016

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DER HANNOVERANER Nr. 5/ 90. Jahrgang  |  Mai 2016  |  ISSN 1433-3457  |  3502

Medien Reitsport im TV

Zucht Grande-Preis: Comte

Sport „Crazy“ Erfolge im Parcours


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Foto: Imago

„Der Reitsport ist aus der Zeit gefallen!“ Warum hat der Reitsport TV-Zuschauer verloren? Die verstädterte Gesellschaft ist dem Pferdesport nicht mehr so verbunden wie in früheren Jahren. Vorurteile und mangelnde Nachvollziehbarkeit sowie die fehlende Lobby sind Gründe dafür. Von Hartmann von der Tann

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ans-Heinrich Isenbart hat mir einmal erzählt, dass er in den 50er Jahren zum Präsidenten des HSV gegangen sei, um ihm die Übertragung eines Fußballspiels im neugegründeten Fernsehen anzubieten. Daraufhin hat der gesagt: ,Gern, aber ich weiß nicht, ob wir uns das finanziell leisten können. Das ist doch sicher teuer!‘ Es kam anders. Die Premier League in England erwartete 2015 Fernseheinnahmen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro, die deutsche Fußballiga von immerhin 885 Millionen. Der Grund, warum TV-Anstalten diese Summen zahlen, ist einfach: Wer Fußballrechte kauft, kauft Zuschauer, relativ junge obendrein. Fußball garantiert Einschaltquoten, anders als Fernsehfilme oder Unterhaltungssendungen. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in den Zeiten des ARD-Monopols wurden Quoten nicht mal gemessen, warum auch? Das wurde mit der Gründung des ZDF und der Einführung des Privatfernsehens anders. Konkurrenz bestimmt seitdem das Geschäft, und Sport – sprich Fußball – spielt eine herausgehobene Rolle. Dem Fußball vergleichbar erfolgreich sind bestenfalls olympische Spiele. Das hat viele Konsequenzen. Zum einen die Konzentration von Sendezeit, Produktionskosten, Manpower und einen Verdrängungswettbewerb gegenüber anderen Sportarten. Zum anderen rückt der Sport aus der Abteilung Journalismus mindestens teilweise in die Abteilung Unterhaltung, wird zum ‚Event‘. Alle Fernsehsportarten müssen sich den gleichen Kriterien fügen, die Quote ist das Maß der Dinge.

Angesichts des Riesen Fußball, seiner Bedeutung, vor allem aber seiner Kosten kamen clevere Kollegen, allen voran Helmut Thoma von RTL, auf die Idee, eigene, neue Fernsehsport-,Events‘ zu schaffen, die erfolgreich, aber billiger waren. Drei Kriterien bestimmen über den Erfolg: Der Sport muss spektakuläre Bilder bieten. Die Regeln müssen leicht verständlich und nachvollziehbar sein. Und es muss mindestens einen deutschen Protagonisten geben, der vom Aschenputtel zum Star wird. Das war Tennis mit Boris Becker und Steffi Graf, bei der Formel eins Michael Schumacher, Skispringen mit Hannawald, um nur einige zu nennen. Helmut Thoma hat seinerzeit auch an Reiten gedacht. Aber er wollte nur Aachen, nichts sonst. Und er wurde bedenklich, als er sah, wie alt die Zuschauer waren. Eine Analyse Anfang der 90er Jahre ergab: Der durchschnittliche Pferdesportzuschauer war weiblich, deutlich über 60, ein bisschen finanzkräftiger und gebildeter als der Durchschnitt. Also wie waren die Kriterien? Spektakuläre Bilder: Gibt es beim Springreiten und erst recht in der Vielseitigkeit, und ebenfalls in der Dressur, spätestens

auf der Ehrenrunde. Einfache und nachvollziehbare Regeln? Einfacher als beim Springen geht’s nicht. Auch bei der Vielseitigkeit ist es nicht sehr kompliziert. Bei der Dressur? Sagen wir, sie haben durch das offene Richten getan, was sie konnten. Und jetzt die Protagonisten? Da gab es viele, darunter einen, der zu seiner Zeit populärer war als Vettel und Klitschko zusammen: Er war ein Aufsteiger und hatte eine gute, anrührende Geschichte: Hans Günter Winkler, seine erste überraschende Weltmeisterschaft und die Olympischen Sommerspiele 1956 in Stockholm. Das Springen in Stockholm wurde übrigens übertragen. Nicht live, aber immerhin. Die 50er Jahre waren die hohe Zeit der ländlichen Reiterei. Überall gab es noch Pferde, 2,3 Millionen insgesamt. Die Menschen hatten zu ihnen eine realistische, praktische Beziehung. Einerseits konnten sie deshalb bewundernd einschätzen, wie schwer es war, die Rösser über gewaltige Abmessungen zu bewegen. Andererseits waren sie nicht von übermäßig vielen tierschützerischen Skrupeln geplagt. Ich habe es als Junge gesehen: Die Barrgeräte, die auf dem Abreiteplatz unter den kundigen, unaufgeregten Blicken der Zuschauer freimütig gebraucht wurden. Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann waren Volkshelden, sicher auch weil in der Zeit nach dem verlorenen Krieg das Angebot an Helden knapp war. Winkler wurde 1955 und 1956 Sportler des Jahres, Thiedemann 1958. Dann war die Mannschaft der Springreiter noch einmal Sportler des Jahres 1969. Seither nichts mehr. Und das, obwohl wir in der Dressur Serienerfolge feierten, Wiltfang, Steenken, Sloothaak Weltmeister der Springreiter wurden, die Olympiamedaillen in allen Disziplinen mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms kamen.

Der Journalist Hartmann von der Tann war Chefredakteur der ARD und ist bekannt als Kommentator von Pferdesportveranstaltungen. Sein Beitrag stammt von den Liebenburger Pferdetagen. Foto: Frieler

Die verstädterte Gesellschaft Wahlberechtigt sind beim ,Sportler des Jahres‘ Sportjournalisten, die in ihrer Mehrheit offenbar keine Sympathien für den Pferdesport mehr haben. Dass nach 1969 trotz andauernder Erfolge kein Reiter mehr nach vorn kam, muss Gründe haben. Ebenso wie die Tatsache, dass kaum mehr einer außerhalb der Championate über Pferdesport schreibt. Reiten, vor allem Springreiten, hat alles was ein Fernsehsport braucht und wird trotzdem nicht oder besser nicht mehr ausreichend wahrgenommen. Ich behaupte, der Sport ist über die Jahre aus der Zeit gefallen. Wir sind zu einer verstädterten Gesellschaft geworden. Kürzlich war zu lesen, dass 49 Prozent aller Kinder zwischen vier und zwölf Jahren noch nie auf einem Baum gesessen haben. Ich lebe in Berlin und behaupte, dass 95 Prozent der dort wohnenden Kinder und viele ihrer Eltern noch nie eines der 440.000 Pferde, die

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es in Deutschland gibt, live gesehen, geschweige denn gestreichelt haben. Wo Erfahrungen fehlen, wachsen Vorurteile. Hier sind ein paar: Das Herrenreiter-Vorurteil: Reiter sind reich, arrogant und rücksichtslos, schon weil sie ein Stockwerk höher sitzen. Vielleicht hat da der Ausdruck ,von oben herab reden‘ seinen Ursprung. Dass zum Beispiel die Mehrzahl der internationalen Reiter klassische soziale Aufsteiger sind, sich weitgehend aus eigener Kraft und Fähigkeit nach vorn gearbeitet haben, wissen nur wenige, weil es kaum kommuniziert wird. Das ,Leistung ist käuflich‘-Vorurteil Ein paar Fälle gibt es, wo schwache Reiter mit viel Geld relativ viel Erfolg haben. Auskunft darüber geben könnte zum Beispiel die einstige Präsidentin der FEI. Was viele Sportjournalisten nicht einschätzen können, ist, wie entscheidend auf die Dauer der Einfluss des Reiters ist, auch wenn er schon ein paar Lenze gesehen hat. Sport lebt von Personen – Isabell Werth im Gespräch mit einer Fernsehjournalistin. Geschichten müssen erzählt, Dinge erklärt werden. Foto: Imago

Packende Bilder und Spannung liefert der Reitsport vor allem in den Disziplinen Springen und Vielseitigkeit. Foto: Frieler

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Das ,es geht nur noch um Geld-Vorurteil‘ Nicht ganz leicht zu entkräften, wenn Reiter aus finanziellen Gründen ihre Nationalitäten wechseln wie ihre Hemden, wenn ein Sportler seine möglichen Final-Chancen auf eine WM-Medaille nicht wahrnimmt, weil es anderswo um viel Geld geht. Da helfen auch Hinweise auf die Pferdepreise und die enormen Kosten des gesamten Spitzensports nicht viel. Das ,Tierquäler-Vorurteil‘ Vermutlich das schwerwiegendste, vor allem in Deutschland, wo der Tierschutz eine riesige Lobby und seit 2002 Verfassungsrang hat. Hier sind die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte am deutlichsten. Einschaltquoten und Zuschauerzahlen fallen deutlich, nicht nur im Reitsport, sondern auch bei Pferderennen, im Gegensatz zu Frankreich und England. Und auch das ist eine wichtige Zahl: 7,8 Millionen Vegetarier und 900.000 Veganer gibt es aktuell in Deutschland, Tendenz steigend. Dass Menschen, die aus Überzeugung keine Tiere essen, besonders empfindlich auf jeden angeblichen Missbrauch reagieren, versteht sich von selbst. Sogar unter FreizeitReitern sind nicht selten Einwände gegen den Spitzensport zu hören. Gegen diese emotional vorgetragenen Bedenken ist mit nüchternen Tatsachen schwer zu argumentieren. Pferde werden als Kreaturen aus eigenem Recht betrachtet, schon das Wort „Nutztier“ wird als Provokation empfunden. Dass der Sport die Zucht finanziert, dass es ohne Sport Pferde nur noch im Zoo gäbe, spielt keine Rolle. Tierschutz ist die zentrale Frage in Hin-

sicht auf die Zukunft des Pferdesports in Deutschland, auch im Fernsehen. Nun könnte man sagen: Sollen sie doch ihre Vorurteile, berechtigt oder nicht, behalten. Wir machen unser Ding. Meiner Ansicht nach ist das kein gewinnbringendes Konzept, führt letztlich zu einer Art Parallelgesellschaft. Zum einen lebt der Sport weitgehend von Sponsoren. Die zahlen für einen Imagetransfer. Wenn das Image nicht gut ist, will es keiner haben. Zum anderen, auf das Fernsehen bezogen: Wir haben über 700.000 organisierte Reiter. Wenn von denen die Hälfte eine Sportübertragung sieht, eine eher positive Annahme, dann sind das gut 350.000. Für eine erfolgreiche Übertragung an einem durchschnittlichen Sonntagnachmittag in einem der beiden öffentlich rechtlichen Hauptprogramme brauchen wir aber ungefähr 1,3 Millionen Zuschauer. Das sind um die zehn Prozent Marktanteil. Für die dritten Programme gelten proportional deutlich niedrigere Zahlen, aber das Problem bleibt das gleiche. TV muss Geschichten erzählen Wir müssen eine knappe Million Menschen, die ursprünglich nicht aus dem Pferdesport kommen, in einem gesellschaftlich schwierigen Klima für uns gewinnen. Die Übertragungen müssen sich an Fachleute und Zufallszuschauer gleichermaßen wenden, anders als die Übertragungen im Internet, bei denen man von einem deutlich kleineren Fachpublikum ausgehen kann. Ich finde, dass der NDR in dieser Hinsicht oft den besten Job macht, indem er Sendungen aufbricht, nicht nur springende Pferde zeigt, sondern Geschichten erzählt, Dinge erklärt. Aus begreiflichen Gründen möchte ich nicht über die Qualität von Kommentaren oder Kommentatoren sprechen. Aber zwei Sätze scheinen mir wichtig. Der Sport ist der Star, nicht der Kommentator. Darum sollte er sich eher als Vermittler, denn als Insider geben. Nicht nur Galoppsprünge zählen und von der Bar gestern Abend berichten, sondern auch für Lieschen Müller erläutern, warum ein Reiter sofort nach seinem Ritt aufgurtet. Und in der Dressur nicht nur vorher notierte Wortschöpfungen zum Besten geben, sondern erklären, so gut es eben geht. Das Fernsehen hat in der fast 40 Jahren, in denen ich als Kommentator gearbeitet habe, nicht immer einen guten Job gemacht. Viele der Übertragungen, vor allem in den dritten Programmen, waren sparsam ausgestattet. Ich erinnere mich an eine Übertragung des Geländeritts aus Luhmühlen, wo es aus Kostengründen keinen Übertragungswagen mit Live-Kameras gab, sondern nur mehrere Filmteams, die jeweils einen Teil der Strecke filmten.


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Das haben wir in Hamburg eine Nacht lang zusammengeschnitten. Für den Tonschnitt war keine Zeit, sodass während der ganzen Übertragung eine Tonschleife lief, in der akustisch ein Pferd durch Wasser tobte, als liefe im Hintergrund eine Waschmaschine. Das hat den Sport nicht attraktiver gemacht. Mit den Jahren hat sich das geändert. Die Qualität der Sendungen, vor allem auch die optische, wurde viel besser, ein positives Ergebnis des zunehmenden Konkurrenz- und Quotendrucks. Manchmal bleiben allerdings auch heute noch in Hinsicht auf Regie und Schnitt der Bilder Wünsche offen. Aber es war nicht nur das Fernsehen, das gelegentlich nicht lieferte. Auch die Veranstalter trugen ihren Teil bei. In Wiesbaden wurde das Stechen des Großen Preises zwei Jahre nicht übertragen, weil der Turnierleiter nicht vor hatte, sich zeitlich nach den Übertragungszeiten des Fernsehens zu richten.

wenn man nur das Ende des Umlaufs überträgt, wohin zufällig die großen Namen ausgelost wurden. Da helfen Qualifikationen. Springen mit zwei Umläufen und Stechen sind schlecht fürs Fernsehen, weil dann nur noch Teile des zweiten Umlaufes und das Stechen übertragen werden. Der erste Umlauf ist aber der interessante, weil immer länger und technischer. Natürlich kann man sich mit Aufzeichnungen helfen. Aber der Zuschauer will Live-Sport sehen, vom realen Geschehen mitgerissen werden, der mag keine konstruierten Abfolgen.

Und natürlich menschelt es auch im Fernsehen. Wer je bei den entscheidenden Sitzungen zugegen war, weiß, dass dabei auch persönliches Gewicht zählt. Als Hans-Heinrich Isenbart oder Arnim Basche noch mit am Tisch saßen, fielen andere Entscheidungen als heute. Mit anderen Worten: Dem Sport fehlt dringend eine Lobby in den Anstalten.

Insgesamt war die Riders Tour die beste Idee, die Pferdesport und Fernsehen seit Langem hatten. Nur die besten Reiter, in einem gut ausgedachten festen Format, mit stets gleichem Übertragungsteam auf den großen Plätzen, garantierte Sendezeiten in den Hauptprogrammen. Leider haben wir sie gemeinsam verspielt. Die Veranstalter konnten nicht zusammen finden; Aachen machte von Anfang an nicht mit. Die Sponsoren revoltierten gegen den Titelsponsor. Die TV-Anstalten nutzten jeden Vorwand, um sich von ihren vollmundigen Versprechungen zu distanzieren. Die konkurrierende, weltweite, besser dotierte Global Champions Tour zog mehr gute Reiter an, war schließlich erfolgreicher.

Fernsehtauglichkeit des Sports Immer wieder gibt es die Forderung, der Sport müsse sich ändern, müsse fernsehfreundlicher werden. In der Dressur wird heftig über Verbesserungen der Fernsehtauglichkeit diskutiert. Eine für mich manchmal unverständliche, manchmal ärgerliche Auseinandersetzung. Dressur wird nie ein Massenpublikum finden, weil die Beurteilung für den unkundigen Zuschauer nicht nachvollziehbar ist, manchmal auch für den kundigen. Jetzt kommen die selbsternannten Fernsehfachleute und wollen die Aufgaben verkürzen, um den Sport fernsehfreundlicher zu machen. Warum nicht gleich das Viereck rund machen und ein Zelt darüber bauen? Auch dann würde das Fernsehen nur in Ausnahmefällen live übertragen. Außerdem: Wenn der Sport seine Substanz verliert, nur um sich zu verkaufen, merken das die Zuschauer. Man kann darüber reden, was bei Übertragungen zu verbessern ist, vor allem um das weniger kenntnisreiche Publikum mitzunehmen. Da gibt es gute Ideen, bessere Grafiken vielleicht. Man kann, wenn es denn sein muss, auch maßvoll kürzen. Aber man kann keine „langweiligen“ Lektionen weglassen, auch nicht den Schritt, das Halten und Rückwärtsrichten, weil sie in der klassischen Dressur wichtig sind. Und die Springreiter? Die wissen inzwischen, dass zu große Starterfelder kontraproduktiv sind, selbst

Übertragungen vor allem in den Hauptprogrammen sind kaum länger als eine Stunde. Insofern war das Muster, das mit der Riders Tour 2001 eingeführt wurde, vermutlich fast ideal. Qualifikationen, ein Umlauf mit überschaubarer Starterzahl, Siegerrunde. Die ist besser als das Stechen, weil zeitlich berechenbar.

Der Zuschauer will Live-Sport sehen, vom realen Geschehen mitgerissen werden. Foto: Imago

Fehlende Lobby Fazit: Die Quotenverluste der Reiterei im deutschen Fernsehen hängen meiner Ansicht nach vor allem mit der Verstädterung der Bevölkerung, mit der zunehmenden Entfernung zu Pferd und Reiterei und den daraus erwachsenden Vorurteilen zusammen. Praktizierter Tierschutz ist von eminenter Bedeutung. Die Übermacht des Fußballs hat den Sport verändert. Auch wenn es nie mehr so werden wird wie im vergangenen Jahrhundert, die Ausgangslage des Pferdesports ist nicht schlechter als die vieler anderer Sportarten. Es fehlt eine starke Lobby in der Öffentlichkeit, in den Printmedien und vor allem im Fernsehen. Ausreichende Zuschauerzahlen sind nur denkbar, wenn auch Pferdesportlaien in großer Zahl zuschauen. Danach müssen sich Form und Inhalt der Sendungen richten. Einige Anpassungen in Ausschreibung und Regeln des Sports sind sinnvoll; sie dürfen aber nicht an die Substanz der Reiterei gehen. n

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Zukunft sichern durch Marketing Die Marke „Hannoveraner“ hat aktuell den höchsten weltweiten Bekanntheitsgrad. Neben der Wettbewerbsfähigkeit wird künftig auch die Positionierung des Pferdesports und der -zucht in der Gesellschaft zu einer wichtigen Marketing-Aufgabe. Von Dr. Werner Schade

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ür das Marketing und für die Kommunikation stehen Instrumente zur Verfügung, die im heutigen sogenannten Medien-Zeitalter wie in einem Orchester aufeinander abgestimmt werden müssen. Der Hannoveraner Verband hat sich bewusst dafür entschieden, eine Redaktion im Personalkonzept zu halten, von der sowohl Printmedien als auch das Internet bearbeitet werden, um Informationen und Inhalte an die Mitglieder, an Kunden und an Interessierte weiterzuleiten. Im Hannoveraner Verband werden alle Druckerzeugnisse von der Verbandszeitung DER HANNOVERANER mit zwölf Ausgaben pro Jahr über die Auktionskataloge, Broschüren, Flyer sowie das Jahrbuch Hengste im Haus von eigenen Mitarbeitern entwickelt und bis zur Druckstufe vorbereitet. Auch für das Medium Internet erfolgt die gesamte Bearbeitung der Homepage sowie der sozialen Medien Facebook, YouTube, Twitter, Pinterest, Instagram sowie der Hannoveraner App über das Redaktionsteam des Verbandes. Über die Redaktion erfolgen auch die Pressearbeit sowie die Erstellung des Werbekonzeptes.

Facebook 2015 Fans

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Hannoveraner Verband 36.674 50.037 Oldenburger Verband 8.670 11.726 Trakehner Verband 5.645 7.488 Holsteiner Verband 9.247 15.538 Süddeutsche Verbände 2.434 8.186 Westfalen 4.351 12.624 KWPN 21.575 26.858

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Die zahlreichen Veranstaltungen des Verbandes zählen ebenso zu den Marketing-Aktivitäten, weil der Hannoveraner Verband damit die Pferde seiner Mitglieder präsentiert und über das Niveau, die Atmosphäre und die Ausstrahlung der Veranstaltung sein Image bildet. Ein weiteres wichtiges Instrument der Kommunikation ist die Bildung von Netzwerken und Partnerschaften. Der Ausbau der Partnerschaft zwischen dem Pferdesportverband Hannover und dem Hannoveraner Verband dient der Vertiefung der Verbindung von Zucht und

Sport. Als Gesellschafter der Pferdeland-Niedersachsen-GmbH vertritt der Hannoveraner Verband gemeinsam mit anderen Verbänden in Niedersachsen die Interessen seiner Mitglieder im Sinne des Pferdesports und der Pferdezucht. Auch dieses Handlungsfeld wird immer bedeutsamer, da Organisationen auch bestrebt sein müssen, das Thema Pferd in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft positiv darzustellen. Das Thema Tierschutz nimmt in zum Teil unsachlichen Diskussion Formen an, die ein existenzielles Problem für den Pferdesport und damit auch für die Pferdezucht darstellen. Auch dort sind Marketingmaßnahmen und Kommunikation sehr gefordert. Es steht außer Frage, dass der Hannoveraner Verband parallel gedruckte Produkte und Internet anbieten muss. Beide Medienbereiche werden aufeinander abgestimmt eingesetzt. Diese sogenannte crossmediale Vorgehensweise ist im Marketing und im Informationswesen in Firmen und Medienunternehmen heute der übliche Weg. Besonders die junge Generation, aber auch das Ausland holt seine Informationen über das Internet. Bei der Nutzung des Internets gehörte der Hannoveraner Verband zu den ersten Organisationen, die sich seit den 1990er Jahren mit dem Medium Internet beschäftigten. Die Entwicklung des Internets vollzieht sich mit einer enormen Rasanz, was in den kurz aufeinander folgenden inhaltlichen und technischen Veränderungen der vergangenen Jahre zum Ausdruck kam. Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Im Jahr 2015 hatte die Homepage des Hannoveraner Verbandes über drei Millionen Besucher aus über 25 Ländern. Allein eine Homepage zu betreiben, reicht heute auch nicht mehr aus. Neben den Internetseiten bestimmen auch die sozialen Medien immer mehr den Informationsfluss. Allen voran ist hier Facebook zu nennen. Rasante Entwicklung Seit 2012 betreibt der Hannoveraner Verband eine Facebook-Seite. Innerhalb von drei Jahren vollzog sich eine sehr rasante Entwicklung, in der der Hannoveraner Verband gegenüber seinen Wettbewerbern einen deutlichen Vorsprung in der Zahl seiner Fans erreichen konnte. In diesem Jahr konnte erstmalig die Marke von 50.000 Fans „geknackt“ werden. Die Botschaft lautet ganz klar, dass der Hannoveraner Verband in der Lage ist, viele junge Menschen zu erreichen. Es ist aber nicht nur der Vergleich mit den anderen Verbänden, in dem der Hannoveraner Verband gut aussieht, auch der Vergleich mit Fachmagazinen vermittelt einen Eindruck, dass der Hannoveraner Verband sich an ein Niveau heranarbeitet, das mit überregionalen Fachmedien auf Augenhöhe sein wird.


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Wenn man bedenkt, wie viele Personen diese Medien erreichen, ist das sehr beachtlich und stellt auch eine gewisse zunehmende Unabhängigkeit des Hannoveraner Verbandes von anderen Medien heraus. Dazu tragen auch die anderen sozialen Medien wie YouTube bei, denn auch die Zahl der Videoaufrufe zeigte über die vergangenen Jahre eine sehr sprunghafte Entwicklung nach oben. Am Beispiel der Körung soll noch einmal verdeutlicht werden, wie wichtig Veranstaltungen sind, wie groß das Interesse an Veranstaltungen ist, welche Aufmerksamkeit sie auslösen und welche Reichweite sie erzielen. Am Beispiel der Körung wird die Besucherzahl auf der Homepage aus dem vergangenen Jahr angegeben. Der Zeitraum vom 1. September bis 31. Oktober ist eine sehr intensive Zeit, in der die Hengstvorauswahl, die Elite Auktion und die Körung stattfinden. Im Jahr 2015 konnten in diesen zwei Monaten 700.000 Besucher auf der Homepage des Hannoveraner Verbandes gezählt werden. Gegenüber 2014 ist das noch einmal eine Steigerung um 100.000 Besucher. Schaut man sich die Körveranstaltung selbst an und überprüft die einzelnen Tage Donnerstag, Freitag, Sonnabend, stößt man ebenfalls auf sehr beachtliche Zahlen. Nachdem sich der Besuch von Donnerstag auf Freitag deutlich steigert, können am Körsonnabend fast 40.000 Besucher gezählt werden. Summiert man die Körtage auf, so ergeben sich über 80.000 Besucher an allen drei Tagen. Hinter solchen außergewöhnlichen Ergebnissen stehen viele Aktivitäten, die Voraussetzung sind für solche Entwicklungen. Auch die Verbindung zur Facebook-Seite spielt eine Rolle, da viele Facebook-Nutzer den Sprung auf die Homepage machen. An diesem Beispiel kann man die Bedeutung von Veranstaltungen gut erkennen, und der Hannoveraner Verband wird auch auf anderen Gebieten diese Zusammenhänge weiter entwickeln und entsprechende Effekte nutzen. Eine der wichtigsten Aufgaben wird die Verzahnung von Zucht, Sport und Absatz sein. Aus diesem Grund wird der Hannoveraner Verband ab diesem Jahr neue Veranstaltungsformate in Verden etablieren, in denen alle drei Bereiche berücksichtigt werden. In den bisherigen Ausführungen wurde dargestellt, wie wichtig und wie komplex das Thema Marketing und Kommunikation ist – und dass eine hohe Effizienz im Einsatz der Instrumente über die Medien, über Veranstaltungen und über Netzwerke nur zu erreichen ist, wenn die vielen Einzelschritte in einen Zusammenhang gestellt und aufeinander abgestimmt werden. Natürlich handelt es sich dabei um fortlaufende, ständige Aufgaben, in denen

auch neue Herausforderungen für den Hannoveraner Verband liegen. Wir müssen uns für die Zukunft mit klaren Zielgruppendefinitionen auseinandersetzen, weil wir die Vielfalt der einzelnen Zielgruppen vom Dressurreiter, Springreiter, Vielseitigkeitsreiter, Freizeitreiter nicht mehr über einen einzigen Kommunikationsweg erreichen. Wir müssen also eine klare Ansprache für jede Zielgruppe finden, die die individuellen Ansprüche deutlich berücksichtigt. Wir müssen auch mehr als früher in der Lage sein, Emotionen um das Pferd zu vermitteln, denn gerade Emotionen bilden die Klammer für alle Menschen, die sich mit dem Pferd beschäftigen. Emotionen sind ein entscheidender Beweggrund, die Verbindung zum Pferd zu suchen, unabhängig davon, wie man ein Pferd nutzt oder was man damitmacht. Wir müssen unser Handeln in Zukunft viel mehr in der Öffentlichkeit vertreten, damit die Gesellschaft den Pferdesport und die Pferdezucht nicht in Frage stellt. Eine große Aufgabe, die für einzelne Personen unmöglich ist, aber aus der Gemeinschaft einer Organisation initiiert, strukturiert und umgesetzt werden kann – und muss. Gewaltige Aufgabe Diese gewaltige Aufgabe ist kosten- und personalintensiv. Auf diesen Entwicklungen basiert der Vorschlag des Vorstands einer Gebührenveränderung mit Erhebung einer Medien- und Kommunikationsgebühr. All das, was der Hannoveraner Verband zu diesem Thema vorangetrieben, entwickelt und auch umgesetzt hat, musste aus dem Mitgliederbeitrag finanziert werden. Oder wurde aus anderen Bereichen quer-subventioniert. Aufgrund der allgemeinen Beitragsentwicklung ist dies nicht mehr möglich, wenn dieses Handlungsfeld weiter auf diesem Niveau gehalten werden bzw. auch weiter vorangetrieben werden soll. Vor dem Hintergrund des bisher Erreichten und der erzielten Ergebnisse wird klar bestätigt, dass der Hannoveraner Verband auf dem richtigen Weg ist. Wenn also die Chancen genutzt werden sollen als weltweit erfolgreiche Zuchtorganisation, die Züchter beim Absatz ihrer Pferde zu unterstützen, sei es auf den Auktionen als auch bei den Verkäufen ab Stall, ist eine finanzielle Ausstattung dieses Bereiches notwendig, um die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen auch erfüllen zu können. Abschließend ist zu sagen, dass das Internet die Zukunft bestimmt und die Dimension der Entwicklungen nicht abzusehen ist. Das Risiko, nicht zukunftsfähig zu sein, ist allerdings sehr groß, wenn man diesen Weg nicht geht. Dabei ist es auch erforderlich, sich auf ein schnelles Tempo von Veränderungen einzustellen und sehr flexibel und vorwärts gerichtet zu denken. n

Der Hannoveraner Verband hat drei neue Image-Anzeigen entwickelt.

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Auf ein Wort

Gesellschaftliche Akzeptanz Es vollzieht sich ein mächtiger Wandel: Tiere und ihr Wohlergehen sind ein Thema in unserer Gesellschaft geworden, wie sie es noch nie in der abendländischen Geschichte waren. Dieser Wandel erfasst die Beziehungen zwischen Menschen und Tiere so tief, dass wir es nicht mit einer Mode zu tun haben. Jeder, der Tiere heute in irgendeiner Weise „nutzt“, sieht sich zunehmend verpflichtet, darüber auch moralisch Auskunft geben zu müssen – ganz nach dem Motto: Wie ist Dein Umgang mit dem Tier, wie sorgst Du für sein Wohlergehen? Für die Zukunft von Pferdezucht und Reiterei spielt der Tierschutz eine immer größere Rolle. Ansehen und Image der Pferdehalter werden zunehmend von moralischen Fragen bestimmt. Die veränderte Rolle von Tieren in der Gesellschaft ist deshalb auch ganz deutlich mit Aufgaben und Anforderungen an die Pferdehalter verbunden. Dabei spricht man vom „ethischen Tierschutz“, der nicht an erster Stelle auf Erhalt der Leistungsfähigkeit des Tieres abstellt, sondern zuerst auf dessen Wohlergehen. Jeder Pferdehalter ist gut beraten, sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Tierschutz setzt Tiernutzung voraus, betont aber auch die besondere Verantwortung des Menschen, Tiere um ihrer selbst willen zu schützen. „Tierwohl“ (engl.: animal welfare) heißt die heute gebräuchliche Formel dafür. Sie bezieht sich auf den Zustand des Tieres als entscheidender Maßstab. Tierwohl meint, Tiere als subjektive Lebewesen, ihr Empfinden, ihr Erleben und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und zu respektieren. Das drückt auch den kompletten Wahrnehmungswechsel aus: Pferde sind Lebewesen, ihre Rolle als Sportpartner, Prestigeobjekt, Zuchterfolg und Kapital wird von der Masse der Gesellschaft zunehmend kritisch gesehen.Wer also morgen noch züchten und reiten möchte, wird auf gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen sein. Darum heißt es auch in den „Ethischen Grundsätzen des Pferdefreundes“, die die FN sich gegeben hat: “Der physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes ist unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeutung einzuräumen.” Diese kleine Broschüre, vor allem ihre neun leitenden Kernsätze, sind eine gute Richtschnur für ein Handeln an Pferden, das sich ethisch rechtfertigen lässt – auch vor den strengeren Augen unserer Zeitgenossen.

Prof. Dr. Peter Kunzmann (Ethiker an der Tierärztlichen Hochschule Hannover)


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