Komplex 2018

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www.halter.ch

NR.  11 —  2018

K O M P L E X

NR. 11 — 201 8  DAS MAGAZIN DER HALTER AG

MALL OF SWITZERLAND — DIGITALES 3D-STADTMODELL LIMMATSTADT — 100 JAHRE HALTER DAS GESAMTLEISTERMODELL — MOBILITÄT UND STADTENTWICKLUNG — DIGITALER ARCHITEKTURWETTBEWERB

K O M P L E X



Balz Halter, Verwaltungsratspräsident der Halter AG

1 E DITO RIAL

Das Tempo der Veränderung ist atemberaubend 2018 dürfen wir das 100-jährige Bestehen der Firma Halter feiern. Anlass genug, unsere Geschichte aufzuarbeiten. Parallel zum vorliegenden «Komplex» wurde ein Jubiläumsbuch gestaltet, das die Vergangenheit in drei Zeitabschnitten entsprechend den drei Unternehmergenerationen erzählt. Die historische Betrachtung ergänzt ein wissenschaftlicher Aufsatz über die städtebauliche Geschichte Zürichs. Mit Stolz dürfen wir feststellen, dass wir in jeder Ära als Bau- und Immobilienunternehmen relevante Beiträge erbringen konnten, die noch heute das Stadtbild prägen. So spannend und erhellend der Blick zurück ist, umso klarer wird die Erkenntnis, dass wir aus der Betrachtung der Vergangenheit nur wenig für die Zukunft ableiten können. Auch wenn wir uns noch immer mit Städtebau und Architektur beschäftigen, auch wenn es noch immer um Wohn- und Arbeitsräume, um öffentliche Nutzungen und Infrastrukturen geht, es ist offensichtlich, dass sich die Anforderungen an Produkte und Prozesse mit den gesellschaftlichen, politischen und technischen Entwicklungen verändert haben. Insbesondere die Digitalisierung, die alle Lebensbereiche durchdringt, führt in unserer eher konservativen Industrie zu strukturellem Wandel und beeinflusst in grossem Mass Strategie, Organisation und Tätigkeit unseres Unternehmens. Das widerspiegelt sich in fast allen Beiträgen des vorliegenden Magazins: in den Betrachtungen zur Mobilität, einem neuartigen Gesamtleistermodell, Entwurfsautomaten, digitalen Architekturwettbewerben, Stadtmodellen oder Transaktions- und Finanzierungsplattformen. Das Tempo des Fortschritts und der Veränderung ist atemberaubend. Es eröffnen sich neuartige Chancen und Möglichkeiten, Antworten auf Herausforderungen in ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zu finden. Leider beschleunigt sich auch die Gesetzgebung und Regulierungsdichte, die naturgemäss rückwärtsgewandt und verzögert auf tatsächliche oder vermeintliche Fehlentwicklungen zu reagieren versucht. Mit dem Effekt, dass die Wirtschaft administrativ belastet und im Innovieren gehemmt ist. Auch davon wird hier in einigen lesenswerten Artikeln berichtet, im Bestreben, diesen Trend zur Wahrung einer freiheitlichen Gesellschafts- und kompetitiven Wirtschaftsordnung zu stoppen, sodass unsere Nachfolger von ähnlich prosperierenden Rahmenbedingungen profitieren können, wie sie meinen Vorgängern und mir in unserer 100-jährigen Unternehmensgeschichte vergönnt waren.


2 I N HALT

Weisser Riese

20

Vermitttler zwischen Alt und Neu

32

Zu dritt und doch allein

Prototyp fĂźr vertikale Verdichtung

42

Urban Design Room – die Zukunft entwickeln 96

Eleganter Ozeandampfer

48

Der totale Vergleich

106

Hundert Jahre Halter

124

36

Drei Epochen, drei Konzepte

84


Editorial: Das Tempo der Veränderung ist atemberaubend Inhalt Journal Kolumne: Mit Komplexität umgehen

1 2 9 19

Architektur Weisser Riese

20

Vermittler zwischen Alt und Neu

32

Zu dritt und doch allein

36

Prototyp für vertikale Verdichtung

42

Eleganter Ozean­dampfer

48

Stadtentwicklung Von der Fahrbahn zum Stadtraum

54

Mobilitätssysteme im Wandel

60

Unterwegs in der digitalen Stadt

64

«Der Kostentreiber sind die grösseren Flächen pro Kopf, pro Schulklasse, pro Pflegebett.»

68

Immobilien und Markt Aufbruch am Ufer der Aare

76

Der Entwickler als Genossenschaftsgründer

80

Mit der Mall of Switzerland wurde Ende 2017 das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz eröffnet.

Die Überbauung «Wohnen am Ebisquare» entstand neben der Mall of Switzerland in Ebikon bei Luzern.

Mobilitätssyteme im Wandel

60

Franca Pedrazzetti Nach Abschluss der Fotojournalistenschule MAZ arbeitete sie bei der Tageszeitung «La Prensa» in Nicaragua. Nun fotografiert sie für Firmen, Magazine oder eigene Projekte. Ihr Fokus liegt beim Menschen und den Geschichten dahinter. Eines ihrer Bücher ist «Andermatt im Umbruch».

In Frauenfeld überzeugt das Murgareal mit drei neuen Mehrfamilienhäusern in überraschender Farbigkeit.

Die Siedlung Nessleren in Wabern bei Bern zeigt, wie sich bauliche Verdichtung in der Agglomeration umsetzen lässt.

Nach drei Jahren Sanierung wurde in Opfikon das Bürogebäude Ambassador House wiedereröffnet.

Geschichte und Entwicklung der Schweizer Verkehrsnetze.

Mit der 10-Millionen-Schweiz zum autonomen Fahren.

Der totale Vergleich

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Monika Burri Monika Burri ist Historikerin sowie Publizistin und lebt in Zürich. Sie studierte Allgemeine Geschichte an der Universität Zürich und promovierte mit einer Studie über die Geschichte der schweizerischen Trikotindustrie. Seit 1998 ist sie regelmässig als freie Kulturjournalistin für den «Tages-Anzeiger» und die «NZZ am Sonntag» tätig.

Das 3D-Stadtmodell Limmatstadt wirbt für eine Region.

André Odermatt, Zürcher Stadtrat und Vorsteher des Hochbaudepartements, Hans Wicki, Ständerat aus Nidwalden sowie Präsident von bauenschweiz, und Markus Mettler, CEO der Halter AG, trafen sich in einem WhatsApp-Chat.

Auf einem ehemaligen Indusrie-Areal in Worblaufen bei Bern entsteht das Wohnbauprojekt Lungomaare.

Hundert Jahre Halter

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In Bern initiierte die Halter AG «Wir sind Stadtgarten».

3 I N HALT

Anja Wicki Anja Wicki studierte Illustration Fiction an den Hochschulen Luzern und Hamburg. Seit 2012 arbeitet sie als freischaffende Comic-Zeichnerin und Illustratorin in Luzern. Sie ist Mit­herausgeberin des «Ampel Magazins» und zeichnet wöchentlich für den «Tages-Anzeiger».


Drei Epochen, drei Konzepte

84

Durch die digitale Brille

88

Möbelentwürfe und die gesellschaftlichen Trends ihrer Zeit.

Augmented und Virtual Reality werden zum Standard in der Immobilienvermarktung.

Planen und Bauen Von Pferden, Autos und Architekten 92 Welchen Einfluss werden Digitalisierung und Entwurfsautomaten auf die Rolle von Entwicklern und Architekten haben?

Urban Design Room – die Zukunft entwickeln

Studierende der Zürcher Hochschule der Künste erforschen neue Instrumente für eine nachhaltige Raumentwicklung.

Der totale Vergleich

106

Den Blindflug stoppen

112

Kapital Mit Flexibilität gegen Bodenknappheit

116

Die Spielregeln ändern sich

118

Im Griff der Regulierung

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Halter AG Hundert Jahre Halter

124

Halter AG Halter AG, Business Development Halter AG, Gesamtleistungen Halter AG, Renovationen Halter AG, Entwicklungen Halter Immobilien AG Raumgleiter AG

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Impressum

156

Der erste digitale Architekturwettbewerb, den Raumgleiter für die Halter AG durchführte, verblüffte alle Teilnehmer.

4 I N HALT

96

Das Gesamtleistermodell verhilft Bauprojekten zu mehr Transparenz, Qualität und Rendite.

Kolumne: Verdichtung als Lösungsansatz der Raumplanung.

Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für den Handel und die Finanzierung von Immobilien.

Der Einfluss der Politik auf die Immobilienwirtschaft wächst.

Mit dem runden Jubiläum blickt die Firma Halter auf drei Generationen Unternehmertum zurück: Wilhelm Halter legte 1918 den Grundstein, Jost Halter übernahm in der Nachkriegszeit, Balz Halter leitet die Aktiengesellschaft seit 1987.


WO WERTVOLLES IM ZENTRUM STEHT

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© 2018 KPMG AG ist eine Schweizer Gesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. Name und Logo von KPMG sind rechtlich geschützt.


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Die BSH Gruppe ist eine Markenlizenznehmerin der Siemens AG.

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Formverliebt

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Im bernischen Worblaufen, direkt an der Aare, stehen die historischen Gebäude der Hammerwerke Müller. Der ehemalige Industriebetrieb ist schon lange ausgezogen, dafür haben sich auf dem Areal Künstler und Kreativbranche angesiedelt. Dazu ge­hört auch Linck. Der Keramik­­hersteller kann mit einer faszinierenden Geschichte aufwarten: In den 1930erJahren töpferte Margrit Linck Vasen, Schalen und Objekte, die von ihren Reisen, Aufenthalten in Berlin und Paris sowie Begegnungen mit Picasso, Braque und Giacometti inspiriert waren. Sie werden bis heute originalgetreu hergestellt und haben nichts von ihrem Charme verloren.

www.linck.ch www.hammerwerk.ch Halter Entwicklungen > Seite 146

Entscheidungshilfe

Steht einer Immobilie das Ende des Lebenszyklus bevor, stellt sich die Frage: Ersatzneubau oder Sanierung? Die Abwägung ist für viele Eigentümer eine grosse Herausforderung, nicht zuletzt aufgrund der Kalkulation der Baukosten. Halter Renovationen hat darum im Frühjahr 2018 den OnlineSanierungsrechner lanciert, mit dem Eigentümer die Renovationskosten ihrer Liegenschaft – abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse – ganz einfach selbst einschätzen können. www.halter.ch/sanierungsrechner Halter Renovationen > Seite 142

Stadt anschauen Zum 100-Jahre-Jubiläum beauftragte Halter den für seine grossformatigen Architekturaufnahmen bekannten Fotograf Tobias Madörin mit einer Serie von Stadtbildern aus Zürich und Umgebung. Diesen widmet ab Mitte November 2018 das Architekturforum Zürich eine Ausstellung. www.af-z.ch Halter AG > Seite 134


Wir gratulieren der Halter AG zum 100-jährigen Jubiläum. Richner – Ihr starker Partner für jedes Bauprojekt mit Gesamtlösungen für Roh- und Innenausbau. Die neusten Trends für Bäder, Platten und Parkett finden Sie in unseren Ausstellungen in der ganzen Deutschschweiz. www.baubedarf-richner-miauton.ch


Für eine nachhaltige Zukunft

Das Entwicklungsprojekt Fonderie in Fribourg erhielt jüngst vom Bundesamt für Energie (BFE) und dem Trägerverein Energiestadt das Zertifikat «2000-Watt-Areal». Dieses Siegel zeichnet Siedlungsgebiete aus, die einen nachhaltigen Umgang für die Erstellung der Gebäude, deren Betrieb und Erneuerung sowie die durch den Betrieb verursachte Mobilität nachweisen können. Im Jahr 2015 begannen die Planungen, Mitte 2016 bewilligten die Freiburger Behörden den vorgeschlagenen Gestaltungsplan. Inzwischen wurde mit dem etappen­ weisen Bau begonnen, in zwei Jahren soll der Erstbezug erfolgen.

Musik liegt in der Luft

In ihrem neusten Buch «Rock My Home» stellt Christine Marie HalterOppelt Musiker und ihre Häuser vor. Zusammen mit der Autorin besuchen die Leser unter anderem die kleine Kapelle, die sich Country-Star Sheryl Crow (Cover) in Nashville zu ihrem Rückzugsort ausgebaut hat, das New Yorker Apartment von Sänger und Songwriter John Legend, Stilikone Chers Penthouse in L. A. oder den Mid-Century-Bungalow von Ol’ Blue Eyes, Frank Sinatra, in Palm Springs. Der Bildband mit 192 Seiten und etwa 200 Farbabbildungen ist im DVA Verlag, München, erschienen.

www.randomhouse.de

Kreative Brutstätte Auf dem Attisholz-Areal, einem stillgelegten Industriestandort an der Aare bei Solothurn, tut sich was. Nach dem dreimonatigen Kunstprojekt «Kettenreaktion 2016» und der vorübergehenden Schliessung wurde nun eine Arena im Herzen der ehe­maligen Zellulosefabrik eröffnet. Am neuen Boulevard betreibt der Verein Beneath the Surface (BTS) die Kantine Attisholz. Die KettenreaktionInitiatoren unterhalten ein Lokal mit angrenzendem Salon für kleinere Events. Weiterhin geplant: eine Werkstatt für Kunstschaffende sowie ein Ausstellungs- und Galerieraum. www.attisholz-areal.ch www.bts.world Halter Entwicklungen > Seite 146

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Halter Entwicklungen > Seite 146


8 Standorte. 100 Mitarbeiter. Elektro-/Gebäudetechnik-Engineering.

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Am Ball bleiben

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Das jüngste Sponsoring von Halter reiht sich nahtlos in die bestehenden Sport-Engagements ein. Seit Saisonstart 2017 / 18 tritt der Immobilienentwickler als Goldsponsor des Hand­ ballklubs HC Kriens-Luzern auf. Damit unterstreicht die Firma ihre lokale Verbundenheit mit der Region Zentralschweiz. Das kommt nicht von ungefähr, war doch die Halter AG gemeinsam mit der Eberli General­ unternehmung AG das federführende Unternehmen bei der Realisierung der Sportarena Allmend in Luzern. Erstellt wurden ein Fussballstadion, zwei Wohnhochhäuser und ein Sportgebäude. Hier hat sich auch Halter mit einer Zweigstelle niedergelassen.

www.hckriens-luzern.ch Halter AG > Seite 134

Wo die Zukunft entsteht

Schon John F. Kennedy wusste, dass wichtige Entscheidungen nicht an irgendeinem Ort getroffen werden dürfen. Also liess er sich 1961 im Keller­geschoss unter dem Westflügel des Weissen Hauses ein persönliches Besprechungszimmer einrichten. Der John F. Kennedy Conference Room, wie er damals genannt wurde, heisst heute Situation Room und galt lange als State of the Art, was seine technische Ausstattung anbelangte. Der Decision Room von Halter und Raumgleiter an der Zürichs Pfingstweidstrasse eifert dem nach. Er ist zwar nicht so abhörsicher wie sein Vorbild, in puncto technischer Ausstattung hat er jedoch einiges zu bieten: Die hier installierten Anwendungen für Virtual und Augmented Reality sind nicht zu toppen. www.raumgleiter.com Raumgleiter AG > Seite 154

Im Stadtgefüge Das Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt hat an der Dufourstrasse 40 und 50 ein neues Zuhause gefunden. Ein enges zeitliches Korsett und die beschränkten Platzverhältnisse dieses Umbauprojekts forderten die Spezialisten von Halter Gesamtleistungen. Halter Gesamtleistungen > Seite 138


DIE OPTIMALE OBJEKTLÖSUNG IST EIN SPIEL MIT VIELEN VARIABLEN

Formpark Eiche, tief gebürstet, naturgeölt www.bauwerk-parkett.com


Die steigende Nachfrage nach Klein­wohnungen steht in der Schweiz schon seit Jahren einem mangelnden Angebot gegenüber. Mit dem neuen Wohnkonzept MOVEment, basierend auf der Idee des Architekten Angelo Roventa, trägt Halter diesem Ungleichgewicht Rechnung. Die flexiblen Grundrisse zeichnen sich durch industriell vorgefertigte, verschiebbare Raumelemente aus, die situationsbedingtes Wohnen erlauben. Dadurch wird für die Bereiche Schlafen, Kochen und Arbeiten trotz reduzierter Grundfläche mehr Raum geschaffen. MOVEment soll dieses Jahr für die Um­nutzung der Büroliegenschaft Uetlihus in Adliswil zum ersten Mal von Halter eingesetzt werden und ist bereits auch für weitere Projekte im Gespräch. Halter Business Development > Seite 136

Auf Kurs gebracht

Einen nicht ganz unerwarteten Erfolg landeten die Vermarkter der Halter Immobilien AG mit der Wohnüberbauung Gleis 1 in Suhr im Kanton Aargau. Ausschlaggebend waren mit Sicherheit die modernen und praktischen Grundrisse, die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und vor allem die tiefen Mietpreise. Die von fsp Architekten entworfene Überbauung mit kompakten 2-Zimmer-Wohnungen und Laubengängen bezieht ihre Referenz von historischen Schlaf­wagons – das gefiel. Trotz der aktuell hohen Anzahl leer stehender Wohnungen in der Umgebung konnten diejenigen von Gleis 1 beinahe gänzlich vor Bezugstermin vermietet werden.

www.gleis1-suhr.ch Halter Entwicklungen > Seite 146 Halter Immobilien AG > Seite 152

«Hie trifft sech Mundige» Mit dem Zentrum Bären entsteht in der Berner Vorortgemeinde Ostermundigen nicht nur eine neue Mitte, sondern auch ein Hochhaus an zentraler Stelle: der BäreTower. Bereits kann er seine beiden ersten Ankermieter begrüssen: die Sportgastro AG, die das Restaurant im neunten Stock mit grandiosem Panoramablick auf die Alpen und die Stadt Bern betreiben wird, und die internationale Hotelkette Harry’s Home mit einer neuen Art der hybriden Hotellerie. Bei diesem Konzept entscheidet der Gast selbst über die Services und bezahlt nur, was er gebucht hat. www.zentrumbären.ch www.harrys-home.com Halter Entwicklungen > Seite 146

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Klein, aber oho


Pionier der modernen Küche die Lust nach Leben – seit 125 Jahren 1023 Crissier Espace Wider SA · 1227 Les Acacias (Genève) Ébénisterie Luthi SA · 1227 Carouge (Genève) Poggenpohl Studio Genève · 1530 Payerne Cuisine & Habitat Waeber Sàrl · 1815 Clarens (Montreux) Dimension Cuisine Sàrl · 1920 Martigny Thomas Cuisines SA · 2017 Boudry Divine Cuisine Sàrl · 3097 Liebefeld/Köniz küchenakzente ag · 3250 Lyss ROOS Küchen AG · 3800 Unterseen/Interlaken grüneisen küchen ag · 3900 Brig-Glis A. Schwestermann SA · 4720 Oensingen Hans Eisenring AG · 6003 Luzern Poggenpohl Küchenstudio · 6343 Rotkreuz linear küchen ag · 6616 Losone/ Ascona PRISMA · 7260 Dorf Davos Küchen Studio Davos · 8048 Zürich Poggenpohl Küchenstudio · 8370 Sirnach Hans Eisenring AG · 8604 Volketswil Hans Eisenring AG 125years.poggenpohl.com


Das grosse Potenzial der Digitialisierung wird auch in der Baubranche immer greifbarer. Prozesse werden beschleunigt, Transparenz schafft Klarheit, und die Steigerung der Produk­ tivität führt zu einer schnelleren und besseren Planung. Durch Building Information Modeling (BIM) und die Standardisierung von Ausführungsdetails, Gewerken und deren Vorfabrikation kann in Zukunft effizienter gebaut werden. Für die gezielte Bewirtschaftung der Möglichkeiten in diesem Segment wurde Anfang 2018 der Bereich Engineering innerhalb von Halter Gesamtleistungen geschaffen. Dieser umfasst die Fachkompetenzen HLKKS, Elektro und Rohbau sowie digitales Planen und Bauen und wird vom Geschäftsleitungsmitglied Anna von Sydow-Blumberg geführt. Halter Gesamtleistungen > Seite 138

Brückenschlag nach Genf

Mit der erfolgreichen Akquisition des Totalunternehmerauftrags für eine Etappe des Prestigeprojekts Pont Rouge in Genf konnte die Westschweizer Halter-Geschäftsstelle einen wichtigen Anker in der Region werfen. Rund zwei Kilometer vom Genfer Stadtzentrum entfernt, entsteht ein neues urbanes Zentrum für Arbeiten, Wohnen und Freizeit. Das Gebiet umfasst insgesamt sechs Gebäudekomplexe, gruppiert um den neuen SBB-Bahnhof Lancy-Pont-Rouge. Esplanade 3 wird dereinst ein 4-Sterne-Hotel, Altersresidenzen sowie Geschäfts- und Büroflächen bieten. Der Baustart des Teilprojekts ist für 2020 vorgesehen.

www.pont-rouge.ch Halter Gesamtleistungen > Seite 138

Von Plätzen und Strassen Mit dem «Atlas zum Städtebau» legen Vittorio Magnago Lampugnani, Harald R. Stühlinger und Markus Tubbesing eine zweibändige Publi­ kation vor, die das Zeug zum Standardwerk für Architekten hat. Die ausserordentliche Sammlung von Europas städtebaulich wichtigsten Strassen, Plätzen, Höfen und Uferpromenaden soll aber nicht nur einem Fachpublikum dienen, sondern allen Interessierten einen bereichernden Stadtrundgang durch die Metropolen bieten. Die Bände wurden von Halter zum 100-Jahre-Firmen­jubiläum unterstützt. Sie erscheinen im Hirmer Verlag, München. www.hirmerverlag.de Halter AG > Seite 134

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Die digitale Baustelle


Dem Architekten Frei Otto gelang 1988 mit den Fabrikationspavillons in Bad Münder die perfekte Synthese von Form und Funktion. Diesem Anspruch folgt auch der Bürodrehstuhl IN. Mit patentierter Kinematik und wegweisender Optik setzt er in seiner Klasse neue Massstäbe.


Die Zeiten, in denen man die Bauzonen ausdehnen konnte, sind vorbei. Heute müssen wir bestehende Bauzonen besser nutzen. Das ist komplex. Warum? Zum einen gibt es mehr Nutzungskonflikte. Man hat es oft mit vielen Grundeigentümern zu tun, die unterschiedliche Interessen verfolgen. Zum andern will die Bevölkerung stärker mitreden. Grössere Planungsvorhaben gehen deshalb selten ohne Rechtsstreit über die Bühne. Die Verfahren dauern und kosten Geld. Kein Wunder, ertönt auf politischer Ebene der Ruf, verdichtungshemmende Vorschriften zu beseitigen. Als Hemmnisse gelten häufig Lärmschutz und Ortsbildschutz. Doch beide haben durchaus ihre Berechtigung. Die Bevölkerung braucht Orte, die Identität stiften, und sie wünscht Ruhe. Das zeigen Untersuchungen. Vorsicht bei Deregulierungen ist daher geboten; vor allem dann, wenn sie mit der Forderung nach grossflächiger Erhöhung der Ausnutzung einhergeht. Die Bevölkerung ist kaum mehr bereit, einer Verdichtung zuzustimmen, wenn die Qualität nicht stimmt. Gesetze sollten nur geändert werden, wenn sie gute Gesamtlösungen ermöglichen, die unter dem Strich zu höherer Siedlungsqualität führen. Beim Lärmschutz sucht das Bundesamt für Umwelt zurzeit – auf der Grundlage einer Motion von Nationalrat Flach – nach neuen Möglichkeiten, um in lärmbelasteten Gebieten den Wunsch nach Verdichtung und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung unter einen Hut zu bringen. Das ist der richtige Weg. Hochwertig zu verdichten, heisst auch: lernen, mit Komplexität umzugehen. Der knappe Boden, die Ansprüche von Wirtschaft und Bevölkerung als auch die neuen technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen wie Digitalisierung und Individualisierung erfordern Sachkompetenz und Offenheit für die Argumente der anderen. Wir – Behörden, Grundeigentümer und Investoren – müssen eine neue Planungskultur entwickeln. Eine Kultur, in der wir frühzeitig die Argumente und Interessen der Gegenseite abholen, fair und offen miteinander streiten und verhandeln, ohne dabei die Bedürfnisse der Bevölkerung aus den Augen zu verlieren.

Text: Lukas Bühlmann, Direktor Schweizerische Vereinigung für Landesplanung, VLP-ASPAN Illustration: C2F

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MIT KOMPLEXITÄT UMGEHEN


Weisser Riese 20 ARCH ITE KTU R

Text: Hubertus Adam Fotos: Oliver Stern

Die Mall of Switzerland, das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz, entstand in Ebikon, wenige Kilometer nordöstlich von Luzern. In der von Gewerbebauten geprägten Agglomerationssituation stehen jetzt drei markante Volumina: das mit dunklen Faserzementplatten verkleidete Freizeitgebäude, das metallummantelte Parkhaus und die mit weisser Folie umhüllte Mall. Diese bildet mit ihren auf vier Geschossen angeordneten Geschäften das Herz des Gesamt-Ensembles, das auch den neu angelegten Vorplatz Ebisquare umfasst. Von der ersten Idee eines Einkaufs- und Erlebniszentrums im Jahr 2001 bis zur Fertigstellung der Mall of Switzerland 2017 war es ein langer, mitunter schwieriger Weg.


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Oliver Stern, Jahrgang 1978, arbeitet seit 2009 als selbstständiger Fotograf in Luzern. Davor war er viele Jahre in der Entwicklungshilfe tätig. Reisen nach Osteuropa, Südostasien und in den Mittleren Osten schärften seinen Blick für das Wesentliche.

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Grossüberbauung aus drei Teilen 1 Die Mall of Switzerland liegt direkt an der Zugerstrasse, der wichtigsten Verkehrsmagistrale von Ebikon. Links das Kiosk­ gebäude Swiss Shops, rechts die Mall. 2 Mit der S-Bahn erreicht man die Mall von Luzern aus in wenigen Minuten. Eine Passerelle verbindet das Einkaufszentrum direkt mit der S-Bahn-Station Buchrain. 3 Zwei polygonale Atrien bilden die beiden Pole während des Rundgangs durch die Shopping-Mall. Sie laden zum Wechsel der Ebenen ein und bieten Durchblicke in verschiedene Richtungen. 4 Nachts leuchtet das mit weisser Folie bespannte Volumen der Mall of Switzer­land. Das Erdgeschoss ist verglast, damit der Baukörper nicht hermetisch wirkt. 5 Inmitten des Parkhauses, das den RontalAutobahnzubringer zur A14 überspannt, steht eine grosszügige Rampenspindel. 6 Das Freizeitgebäude umfasst neben anderen Nutzungen auch ein Multiplexkino mit zwölf Kinosälen und 1962 Sitzplätzen.


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Am 8. November 2017 war es so weit: In Ebikon bei Luzern eröffnete die Mall of Switzerland, die wie die jüngeren Einkaufszentren der Schweiz nach amerikanischem Vorbild Shopping, Entertainment, Sport und Freizeit vereint. Mit der Einweihungszeremonie fand eine gut 15-jährige, nicht immer geradlinig verlaufende Planungsgeschichte ihren Abschluss. Begonnen hatte alles im Jahr 2001, als die in Ebikon ansässige Schindler Aufzüge AG ihre Idee bekannt gab, auf nicht mehr benötigten Landreserven neben ihrem Firmengelände ein Erlebniszentrum zu errichten. Vier von Einsprachen geprägte Jahre später wurde der für dieses Ebisquare genannte Vorhaben erstellte Bebauungsplan von den Stimmbürgern angenommen, Ende 2008 erteilte der Regierungsrat des Kantons Luzern die Baubewilligung für das Projekt, bei dem Burckhardt + Partner für die Architektur und Holzer Kobler Architekturen für das Interior der Mall verantwortlich zeichneten. Schindler selbst wollte das Projekt finanziell nicht stemmen; die Suche nach Investoren erwies sich aber als schwierig. Mit La Société Générale Immobilière schien endlich der passende Geldgeber gefunden zu sein, doch zog sich dieser infolge der Finanzkrise 2009 aus den Verhandlungen zurück. NEUSTART FÜR DAS PROJEKT

In dieser schwierigen Situation übernahm die Halter AG; die Unterzeichnung des Aktien­kauf­ vertrags im Mai 2011 bedeutete den Neustart für das Projekt Ebisquare, das mit dem Label Mall of Switzerland ein verändertes Branding erhielt: Das Gesamtprojekt wurde in die Teilprojekte Einkaufszentrum mit Parkhaus, Freizeitzentrum, Wohnbebauung sowie Hotel- und Dienstleistungsgebäude unterteilt und etappiert weiterentwickelt. 2014 konnte schliesslich mit der in Luxemburg ansässigen Silver Moss C Retail S.à.r.l., einer Tochtergesellschaft der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), eine neue Investorin gefunden werden. Als Totalunternehmerin übernahm Halter Gesamtleistungen die Realisierung des Bauprojekts. Die Anlage fügt sich hinsichtlich ihrer Volumetrie in die von Industrie- und Gewerbebauten geprägte und daher nicht eben mit Aufenthaltsqualität gesegnete Umgebung der Zugerstrasse in Ebikon ein. Die Mall of Switzerland ist verkehrstechnisch gut angebunden: Eine Passerelle verbindet das erste Obergeschoss direkt mit dem halbstündlich bedienten S-Bahn-Haltepunkt Buchrain

an der Strecke Luzern – Baar; wer mit dem eigenen Auto anreist, nutzt den Rontal-Autobahnzubringer und findet Stellplätze im Parkhaus, das auf mehreren Ebenen Zugänge zur Mall bietet. Das Gesamtprojekt besteht aus drei Baukörpern. Den Schwerpunkt bildet das Einkaufszentrum mit seiner vereinheitlichenden und nachts beleuchteten Fassade aus ETFE-Folie. Die etwa 100 Geschäfte, Restaurants und Cafés sind auf vier Ebenen organisiert, wobei das vor- und zurückspringende Mieterfassadenkonzept (Jumping Facades) eine Neuheit darstellt. Die innere Organisation erfolgt entlang eines Rundwegs, auf dem zwei polygonale Atrien Zäsuren darstellen und gewissermassen zu den beiden Nachbarbauten vermitteln: dem mit einer Streckmetallfassade umgebenen Parkhaus im Nordosten und dem Freizeitgebäude im Südwesten. Insgesamt umfasst die Mall of Switzerland 46 000 Quadratmeter Retail-Fläche und 5000 Quadratmeter Gastronomienutzungen; damit gilt sie nach dem Shoppi Tivoli in Spreitenbach als das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz. DER EBISQUARE ALS HAUPTZUGANG

Das Freizeitgebäude steht vor der ebenfalls im Rahmen der Gesamtplanung realisierten Wohnsiedlung «Wohnen am Ebisquare» und umfasst ein PathéMulti­plexkino mit zwölf Sälen und Imax-Technologie. Dazu kommen ein Fitnesszentrum, ein Restaurant und ein Café. Verkleidet ist das Volumen mit strukturierten anthrazitfarbenen Faserzementplatten – die Materialisierung setzt auf den Gegensatz zur weichen und weissen Membran der Mall. Dabei ist das Erdgeschoss verglast, was auch für die Mall zutrifft. So wirken die Gebäude nicht hermetisch, sondern öffnen sich zur Stadt, insbesondere zum grossen Vorplatz zwischen beiden Baukörpern. Er trägt den Namen Ebisquare und fungiert als Hauptzugang zur Mall, wird aber auch für Open-Air-Veranstaltungen genutzt. Eine zusätzliche Platzkante soll in Zukunft durch das nordöstlich anschliessende Hotel entstehen. Dessen Bau hat allerdings noch nicht begonnen. www.mallofswitzerland.ch Halter Gesamtleistungen > Seite 138 Halter Entwicklungen > Seite 146


Längsschnitt: Das Einkaufszentrum verfügt über vier Verkaufsgeschosse.

Ebene 3: Von den Einkaufsebenen gelangt man direkt ins Parkhaus.

www.burckhardtpartner.com

Ebene 1: Zwei Atrien und ein Rundweg erschliessen die Mall.

Ebene 0: Besucher betreten die Mall über einen verglasten Eingang.

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Situation: Vor der Mall of Switzerland liegt der Ebisquare.

BURCKHARDT +   PARTNER Die Burckhardt + Partner AG ist ein Schweizer Architektur- und Generalplanungsbüro mit Hauptsitz in Basel, den Standorten Bern, Genf, Lausanne und Zürich sowie Niederlassungen in Berlin, Grenzach und Stuttgart. Das Unternehmen wurde 1951 in Basel gegründet und 1981 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; es beschäftigt derzeit rund 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist in allen bedeutenden Geschäftsfeldern des Hoch­baus tätig. Durch ein Partnermodell sind 62 leitende Mitarbeitende am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Bekannt geworden ist das Büro seit seiner Gründung durch den Architekten Martin Burckhardt vor allem mit seinen Bauten für die chemische Industrie, insbesondere für die Firma Sandoz, sowie die Bankenwirtschaft; als Ikone gilt insbesondere der Turm der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1972–1976) am Bahnhof Basel SBB. Zu den markanten Projekten der jüngeren Zeit zählen das Administrationsgebäude für Roche Diagnostics in Rotkreuz (2011) und der Grosspeter Tower in Basel (2017).


VERMITTLER ZWISCHEN ALT UND NEU

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Text: Hubertus Adam Fotos: Jan Bolomey

Direkt neben der Mall of Switzerland und angrenzend an das Firmengelände des Aufzugherstellers Schindler ist eine Siedlung mit knapp 200 Wohnungen entstanden. Sie besteht aus drei Baukörpern, die einen gemeinsamen Hofraum umfassen. Aufgrund der unmittelbar vor der Haustür gelegenen S-Bahn-Station Buchrain ist «Wohnen am Ebisquare» vor allem für Pendler gedacht, die von hier aus schnell nach Luzern oder Zug gelangen.

Schon zu Beginn der Planungen für die spätere Mall of Switzerland stand fest, dass auf dem vormals für die Erweiterung des Schindler-Firmengeländes freigehaltenen Landstreifen entlang der Zugerstrasse nicht nur kommerzielle Nutzungen Platz finden sollten, sondern auch Wohnungen. Dafür war ein Geviert vorgesehen, das direkt am S-Bahnhof Buchrain liegt und im Nordosten an das Einkaufszentrum anschliesst sowie im Südwesten an das Betriebsareal des Liftherstellers. Zunächst wurde an eine Altersresidenz gedacht, die aus drei parallelen Riegeln bestehen sollte. Im weiteren Projektverlauf verabschiedete man sich jedoch von der Idee, an dieser Stelle ausschliesslich für Seniorinnen und Senioren zu bauen. Zwar stellen diese weiterhin eine Zielgruppe dar, doch der direkte Anschluss an die Bahn macht den Standort insbesondere für Pendler attraktiv, vor allem für jene, die in den Städten Luzern und Zug arbeiten. Die Halter AG, welche das Gesamtprojekt zwischenzeitlich übernommen hatte, beauftragte 2014 TGS Architekten aus Luzern mit der Planung des Projekts «Wohnen am Ebisquare». Als Investor wurde die Migros-Pensionskasse gefunden, die Ausführung des Gebäudekomplexes erfolgte durch die Allreal Generalunternehmung. Ungefähr zeitgleich mit der Eröffnung der Mall of Switzerland Ende 2017 waren auch die Wohnungen bezugsbereit. DREI TEILE BILDEN EIN GANZES

Realisiert wurde das Projekt in Form einer aufgelösten Blockrandbebauung, die einen Hofraum umfasst. Die Grossfigur wirkt als Einheit, um im Kontext der das Areal prägenden grossmassstäblichen Volumina bestehen zu können. Sie vermittelt aber zugleich auch zu den kleinteiligen Wohnungsbauten in Buchrain jenseits der Bahnlinie. Der Komplex besteht aus insgesamt drei Baukörpern: einem lang gestreckten Gebäude längs der Gleise, einem kürzeren, das an das Firmengelände von Schindler angrenzt, und einem winkelförmigen Bauteil, welcher mit seiner Spitze zum zentralen Platz Ebisquare hin orientiert ist und daher die prominenteste Lage besitzt. Dies zeigt sich auch daran, dass nahe der Ecke ein zweigeschossiger Durchgang in den Hof führt. Mit bis zu acht Geschossen erreicht die Wohnanlage auf der Seite zur Mall of Switzerland ihre grösste Höhe. Gegen das niedriger bebaute


Schindler-Gelände reduziert sich die Höhe um zwei Geschosse. Dadurch vermittelt «Wohnen am Ebi­ square» zwischen den unterschiedlichen Nachbar­ bebauungen; die Baukörper gewinnen aber auch an Dynamik, und schliesslich ist hinter den Dachschrägen Platz für grosszügige Terrassen der angrenzenden Wohnungen. BLICKE ZUM PILATUS

Die Gesamtanlage umfasst 191 Wohnungen mit insgesamt 13 500 Quadratmetern Wohnfläche. Bei den meisten handelt es sich um 2,5- oder 3,5-Zimmer-Wohnungen; grössere Einheiten finden sich im Parterre und in den Dachgeschossen. Ins­ gesamt variieren die Wohnungsgrössen zwischen 44 Quadratmetern (1,5 Zimmer) und 122 Quadratmetern (4,5 Zimmer). Einige der Wohnungen sind durch die Baukörper hindurchgesteckt, andere öffnen sich einseitig Richtung Hof oder nach aussen, und schliesslich gibt es Eckwohnungen mit Orien­ tierung zu zwei benachbarten Seiten. Gemeinsam ist ihnen, dass alle Aussenräume in Form von Balkonen, Loggien oder Terrassen besitzen. Von manchen aus können die Bewohner bis zum Pilatus blicken. Gemäss Minergie-Standard wurde eine

kontrollierte Lüftung installiert, für Energie sorgt der Anschluss ans Fernwärmenetz. Die Wohnungen richten sich an Singles oder Paare unterschiedlichen Alters, für die der Standort in nächster Nähe zur Mall und ihren Unterhaltungsangeboten interessant ist. Der Innenhof fungiert als Begegnungszone für die Bewohner und weist auch einen kleinen Kinderspielplatz auf, ist aber nicht privatisiert, sondern öffentlich zugänglich. Unter ihm befindet sich eine zweigeschossige Tiefgarage, die von der Industriestrasse aus erschlossen wird. Die Lage unmittelbar an der S-Bahn-Station erlaubte es, die geforderte Anzahl von Parkplätzen auf 138 zu reduzieren. Ziegelsteinplatten mit Riemchen, deren Farbigkeit zwischen Rot, Orange und Grau changiert, binden die drei Gebäude optisch zusammen. Damit wird «Wohnen am Ebisquare» zum farbigen Akzent zwischen dem anthrazitfarbenen Volumen des Freizeitgebäudes und der mit weisser Folie umhüllten Mall. www.ebisquare.ch Halter Entwicklungen > Seite 146

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Zum Schindler-Gelände hin sind die Baukörper abgetreppt. Bei gutem Wetter blickt man von manchen Wohnungen bis zum Pilatus.


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Jede Wohnung besitzt einen eigenen Aussenbereich. Die grosszĂźgigsten Terrassen sind den Wohnungen im Dachgeschoss zugeordnet.

Der Hauptzugang zur Siedlung erfolgt Ăźber den zweigeschossigen Durchgang im zum Ebisquare hin orientierten Winkelbau.


6. Obergeschoss: Zur Mall hin ist der Wohnkomplex am höchsten. Wohnen am EbiSquare 6. Obergeschoss 1:300

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3. Obergeschoss: Hier liegen vor allem 2,5- und 3,5-Zimmer-Wohnungen. Wohnen am EbiSquare 3. Obergeschoss 1:300

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TGS ARCHITEKTEN Das heutige Architekturbüro TGS Architekten wurde 1975 als Tüfer + Grüter +  Schmid in Luzern gegründet, firmierte seit 1999 als TGS Partner Architekten und wurde 2004 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Heute besteht die Geschäftsleitung aus Andreas Moser, Stefan Grebler, Rafael Schnyder, Andreas Leu und Ruth Bachmann; das Team umfasst der­zeit insgesamt 23 Personen. 2009 wurde überdies die Tochterfirma TGS Bauökonomen als Anbieterin von Kostenplanung und Baumanagement für private, institutionelle und öffentliche Auftraggeber gegründet. TGS Architekten arbeitet an Projekten unterschiedlicher Dimen­ sionen – vom kleinen Umbau bis zum Grossprojekt. Schwerpunktmässig ist das Büro in Stadt und Kanton Luzern beziehungsweise in der Innerschweiz aktiv. Zu den bekannten Bauten der vergangenen Jahre zählen die Erweiterung des Einkaufszentrums Länderpark in Kriens (2010), die Abdankungshalle Ennetbürgen (2014) und der temporäre hölzerne Theaterbau Box in Luzern (2016); besondere Aufmerksamkeit hat darüber hinaus das Kulturzentrum Südpol in Kriens erhalten. www.tgsarchitekten.ch

Erdgeschoss: Die Wohnungen werden über den Innenhof erschlossen. Wohnen am EbiSquare Erdgeschoss

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Ansicht: Loggien und geschosshohe Fenster prägen die Fassade.


36 ARCH ITE KTU R Die Eingangsrampen in Ocker, Rot und Blau richten sich nach dem Farbkonzept von Le Corbusier. Die TÜne ziehen sich durchs ganze Gebäude.


Text: Manuel Joss Fotos: Heinz Unger

Nur einen Steinwurf vom Bahnhof Frauenfeld entfernt sind auf dem Murgareal drei neue Mehrfamilienhäuser mit 82 Mietwohnungen, Einstellhalle und Gewerbenutzung entstanden. Durch die sorgfältige Setzung und Gestaltung der Gebäudekörper steht hier jetzt ein einheitlich anmutendes Geviert, das Innenstadt und Bahnhof mit dem Ufer der Murg verbindet. Bauherrschaft ist die Profond Anlagestiftung, die Halter AG wirkte als Gesamtleisterin nach Plänen von Burkhalter Sumi Architekten.

Frauenfeld ist lange Jahre vor allem an den Rändern gewachsen, ins fruchtbare Kulturland der Thurebene hinein. Die Hauptstadt des Kantons Thurgau verlegte aber schon vor einiger Zeit den Schwerpunkt auf die innere Verdichtung und die Aufwertung und Schaffung städtischer Naherholungsgebiete. Auch dadurch konnte sie im alljährlich stattfindenden Schweizer Städte-Ranking der Zeitschrift «Bilanz» mehrmals einige Plätze nach vorne rücken. Die Überbauung Murgareal, früher Gewerbefläche, später SBB-Parkplatz, ist ein wichtiger Baustein auf der Agenda der Stadt. Das gut sichtbare, neue Geviert direkt beim Bahnhof stellt zugleich das Tor zum Naherholungsraum entlang der Murg, dem Lindenpark und dem flussabwärts gelegenen Murg-Auen-Park dar. Burkhalter Sumi Architekten gewannen den Wettbewerb im Jahr 2001 zusammen mit Vogt Landschaftsarchitektur und begleiteten das Projekt bis zur Fertigstellung. Die Gebäude sind klar gesetzt, sie bilden den Abschluss des Lindenparks und spannen zum Bahnhof hin einen Platz auf, an dem die Hauseingänge liegen. Belebt wird dieser durch Gewerbenutzungen im Erdgeschoss: Einige Praxen sind bereits eingezogen, ein Café wird folgen. Schon länger vor Ort ist das Programmkino Luna. Alles zusammen ergibt ein neues Quartierzentrum mit eigener Identität. DOPPELSPIEL DER HÄUSER

Eine Fortsetzung der Stadt zwischen Bahnhof und Murg zu bauen, ist nicht selbstverständlich. Die bestehenden Nachbargebäude sind in ihrer Form und Grösse sehr unterschiedlich: Gegenüber steht das historische Bahnhofsgebäude von Jakob Friedrich Wanner (auch bekannt als Erbauer der Hauptbahnhöfe Zürich und Winterthur), daneben das markante, lange «Haus am Bahnhof» aus dem Jahr 2000. Um sich städtebaulich behaupten zu können und gleichzeitig guten Wohnraum zu bieten, treiben die drei Neubauten von Burkhalter Sumi Architekten ein Doppelspiel: Sie können zusammen als Riegel oder als Einzelgebäude gelesen werden. Der umlaufende, silberfarbene Besenputz und die rückspringende Erdgeschosszone betonen die äussere Einheit, die ein Gegenüber zur Bahnhofsfront bildet; die weiss gestrichenen Zwischenräume versichern, dass es sich hier um drei einzelne Bauten handelt, die den kleinteiligen Bebauungsrhythmus der hiesigen Seite der Bahnlinie weiterführen.

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ZU DRITT UND DOCH ALLEIN


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GRUNDRISSE UND ZWISCHENRÄUME

Die gut organisierten Wohngeschosse bilden das Herzstück dieser Überbauung, die beiden Zwischenräume machen ihre Besonderheit aus. Auf den ersten Blick erscheinen sie mit zehn Metern etwas schmal und erinnern an Innenhöfe. «Anders als bei vergleichbaren Projekten mit sechs Kleinwohnungen pro Geschoss haben wir hier alle Wohnräume an den beiden Stirnseiten angeordnet, gegen den Bahnhof im Südosten und die Murg mit der Baumreihe im Nordwesten. Auf den Längsseiten dagegen liegen ausschliesslich Schlafräume ohne Balkone oder Loggien, dafür mit schmalen, hohen Fenstern. Diese bieten zwar keine Panorama-Aussicht, lassen aber reichlich Licht hinein», erklärt Yves Schihin, langjähriger Büropartner von Burkhalter Sumi Architekten, das ausgefeilte Zusammen­ wirken von Gebäuden, Grundriss und Materialisierung. Die Fenster sind zudem versetzt angeordnet, was Einblicke zum Nachbarhaus erschwert. Farbige Flächen auf Feinputz vergrössern sie optisch. Im Verlauf des Tages erzeugen Licht und Schatten eine starke eigene Atmosphäre, die an ein abstraktes Gemälde erinnert und unerwartet einen ruhigen Gegenpol zum umtriebigen Bahnhof bildet. «POLYCHROMIE ARCHITECTURALE»

Farbe und eine Reihe von Details verleihen den Gebäuden eine Sinnlichkeit, für die das Büro Burkhalter Sumi bekannt ist. Dazu Yves Schihin: «Eine farbige Wand oder Decke kostet wenig mehr als eine weisse, hat aber, richtig gesetzt, eine erstaunliche räumliche Wirkung.» Die Farbe – jedes Haus hat einen anderen Grundton – zieht sich von den Eingängen über die Treppenhäuser bis zu den Loggien. Die Töne sind aus dem Konzept von Le Corbusier (1887–1965) gewählt, der sogenannten «Polychromie Architecturale». Le Corbusier hatte in den Jahren 1932 und 1959 zwei Farbklaviaturen entwickelt, um Architekten und Gestaltern frei wählbare Kombinationsmöglichkeiten anzubieten. Jeder der 70 Töne hat seine eigene Relevanz und spezifische Stimmung. Sie sind aus natürlichen Pigmenten wie Stein, Jurakalk und Muscheln gemischt und noch heute in aktualisierter Form erhältlich. Auch wenn gerade der Modernismus mit strahlend weissen Fassaden in Verbindung gebracht wird, so sind die Gebäude aus dem Beginn dieser Architekturepoche innen wie aussen meist ausgesprochen farbig und nur selten monochrom. Dies,

weil das Wissen um die Wirkung der Farben in den vorangegangenen Architekturepochen gross war. Le Corbusier selbst erhielt als Jugendlicher in La-Chaux-de-Fonds eine Ausbildung im Geist des Jugendstils. Auch wenn er sich später von dieser Epoche und besonders von ihren Ornamenten distanzierte, führte er doch die Tradition der farbigen Wände weiter. Denn auf diese Weise lassen sich Innenräume gestalten, auflösen oder verdichten. Dazu sagte er einmal: «Die Farbe ist in der Architektur ein ebenso kräftiges Mittel wie Grundriss und Schnitt, oder besser ausgedrückt, die Polychromie ist ein Bestandteil von Grundriss und Schnitt.» DETAILLIERUNG UND MATERIALISIERUNG

In den Wohnungen auf dem Murgareal finden sich bewährte Details von Burkhalter Sumi Architekten, wie schwarze Sockelleisten, die mit schwarzen Türrahmen ein Kontinuum bilden, und aussen angeschlagene Wohnungstüren. Zum Einsatz kommen aber auch Neuentwicklungen, zum Beispiel im Bereich der Loggien: Die Speier sind für einmal keine Röhrchen, die scheu aus der Fassade ragen, sondern Teile von expressiver Grösse; die Flachstahlstaketen der Geländer werden gegen die Seiten hin zunehmend abgedreht, was Einblicke erschwert und die Bastmätteli überflüssig machen soll, die oft von der Mieterschaft vors Geländer gehängt werden. Weiter schützt ein farbiger Vorhang auf der Loggia die Bewohner vor Wind und Sonne. Ist er ganz zugezogen, fühlt man sich drinnen wie in einem Zelt. Dank dieses Vorhangs braucht die Fensterfront keine Rafflamellenstoren mit aufwendigen Anschlussdetails in der Decke und hervorstehenden Führungsschienen. VERSTECKTER HOLZBAU

Ein wichtiges, nachhaltiges Bauteil in diesem Projekt, das nicht gesondert in Erscheinung tritt, ist die Aussenwand. Diese besteht in allen Obergeschossen aus vorfabrizierten Holzbauelementen, die zwischen die betonierten Geschossdecken und Stützen montiert wurden. Sie sind zwar in der Anschaffung etwas teurer als eine gemauerte Massivwand, bieten dafür aber zwei entscheidende Vorteile: Die Montage ist blitzschnell, und es lässt sich Wohnfläche gewinnen, denn eine Holzwand ist inklusive Dämmung rund zehn Zentimeter dünner. Bei einem Projekt dieser Grössenordnung mit über achtzig Wohnungen kommen da rasch ein paar Dutzend


39 ARCH ITE KTU R Zwischen den Längsseiten der Gebäude liegen nur zehn Meter. Die schmalen französischen Fenster werden durch Farbflächen optisch vergrössert.


zusätzliche Quadratmeter Fläche zusammen. «Vorfabrizierte Holzelemente haben wir schon beim Projekt Pile Up Giesshübel mitten in Zürich erfolgreich benutzt und konnten diese Lösung deshalb auch hier empfehlen», sagt Yves Schihin.

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RAMPE ZUR UNTERFAHRUNG

Die rückspringenden Erdgeschosse betonen die äussere Einheit.

Der Ort hielt für die Planer aber noch eine weitere gestalterische Herausforderung bereit: Nur wenige Meter vom südlichsten Haus des Murg­areals liegt eine der drei Zufahrtsrampen zur Unterfahrung des Bahnhofsplatzes. Diese ist ein wichtiges Tiefbauvorhaben des Projekts Bahnhof 2000 von SBB, Kanton und Stadt zur Umgestaltung des Bahnhofs. Jeder kann es virtuell auf Google Street View befahren. Insgesamt drei Tunneläste treffen in einem unterirdischen Verkehrskreisel direkt unter dem Bahnhofsplatz zusammen, eine vierte Ausfahrt führt zum Parkhaus. Wer hier parkiert, ist rasch im Bahnhof oder in der Innenstadt von Frauenfeld, zudem wird der Verkehr rund um den Bahnhof entflochten: Unten fahren die Autos, an der Oberfläche bewegen sich der öffentliche Verkehr, Fussgänger, Taxis und Velos. Die Einfahrt beim Murgareal ist überdeckt und so gut geschützt vor Schnee und Eis, zudem wird der Lärm gedämpft. Durch ihre schiere Grösse und die fensterlosen Seitenwände ist sie aber ein Massstabssprung zu den Wohnhäusern. Yves Schihin erklärt die gestalterische Strategie zur Einbindung dieses Elements folgendermassen: «Um die Betonmauer der Einfahrt weniger massiv erscheinen zu lassen, haben wir die Böschung so hoch heraufgezogen wie möglich und Bäume davor gepflanzt. Kletterpflanzen werden mit der Zeit die Wand bewachsen.» Dass nicht nur die Hochbauten sorgfältig gestaltet und ausgeführt werden konnten, sondern alles bis hin zu eben diesen Übergängen in der Umgebung, schreibt Yves Schihin im Rückblick folgendem Umstand zu: «Wir haben das Projekt zusammen mit den Landschaftsarchitekten vom Entwurf über alle Phasen bis ganz zum Schluss begleiten dürfen. Dies war nicht selbstverständlich, besonders wenn man den langen Zeitraum bedenkt, der zwischen dem Wettbewerb im Jahr 2001 und dem Bezug im Herbst 2017 lag.» Halter Gesamtleistungen > Seite 138

Ein Vorhang auf der Loggia schützt die Bewohner vor Wind und Sonne.


Regelgeschoss: Die Wohnungen liegen gegen die Murg oder den Bahnhof.

Erdgeschoss: Gewerbenutzungen sollen den Platz mit Leben füllen.

Untergeschoss: Die Einstellhalle verfügt über 66 Plätze.

Situation: Links verläuft die Rampe zur Unterfahrung des Bahnhofsplatzes.

BURKHALTER SUMI ARCHITEKTEN Von Marianne Burkhalter und Christian Sumi 1984 gegründet, wird Burkhalter Sumi Architekten seit 2010 durch Yves Schihin und Urs Rinklef als Partner ergänzt und geführt. Das Büro beschäftigt im Durchschnitt 20 Architekten, Praktikanten und Zeichner und bildet auch Lehrlinge aus. Seit den Anfängen durch Wettbewerbserfolge auch international bekannt, setzt sich das Werk von Burkhalter Sumi mit der innovativen, umsichtigen und zukunfts­gerichteten Gestaltung unseres Lebensraums auseinander. In ihrer Arbeit bringen sie Architektur, Kultur, Ästhetik und Nachhaltigkeit unter einen Hut. Neben den Kernthemen Wohnen und Städtebau wird die Arbeit am Bestand im Denken von Burkhalter Sumi immer wichtiger. Die «Recherche patiente» im Bauen mit Holz begleitet sie dabei auf Schritt und Tritt. Dass Architektur auch einen kulturellen Aspekt hat, zeigt das Interesse an interdisziplinärer Forschung, Ausstellungsarchitektur und Lehre. Zu den vielen Wettbewerbserfolgen gesellen sich zahlreiche aktuelle Auszeichnungen und Preise. www.burkhalter-sumi.ch

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Die drei Gebäude sind durch eine Einstellhalle miteinander verbunden.


PROTOTYP FÜR VERTIKALE VERDICHTUNG

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Text: Hubertus Adam Fotos: Damian Poffet

Ein komplexes Verständnis von Nachhaltigkeit be­ stimmt die Neugestaltung der in die Jahre gekom­ menen Siedlung am Ness­ lerenweg im Süden von Wabern. Anstelle eines Ersatzneubaus entschied man sich für die Sanierung und Aufstockung des Baubestands. Das von Halter Gesamtleistungen ausgeführte Projekt ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich bauliche Ver­ dichtung in der Agglome­ ration umsetzen lässt.

Gerade einmal zehn Minuten benötigt man mit dem Tram Nummer 9 vom Bahnhof Bern nach Wa­ bern, dem der Bundeshauptstadt am nächsten ge­ legenen Ortsteil der Gemeinde Köniz. Die Nähe zur Stadt und der direkte Bezug zur Landschaft – dem noch agrarisch geprägten Aaretal im Osten und dem Berner Hausberg Gurten im Westen – sind hier die entscheidenden Standortfaktoren. Dass Wabern wächst, beweist unübersehbar der Garden Tower nahe der Tramschleife. Geht man entlang der Ausfallstrasse 500 Meter weiter Richtung Süden, so gelangt man zur Siedlung Ness­ leren, die nahe der Grenze zur Gemeinde Kehrsatz den südlichen Abschluss von Wabern markiert. In den vergangenen Jahren wurden die ursprüng­ lich dreigeschossigen Gebäude um zwei Geschosse aufgestockt; zu den 198 Wohnungen sind 127 hin­ zugekommen. Damit ist die Siedlung Nessleren ein prototypisches Beispiel dafür, dass Verdichtung in der Agglomeration nicht Flächenfrass bedeuten muss, sondern sich auch durch eine intelligente Sa­ nierung und vertikale Ausdehnung bestehender Vo­ lumina erzielen lässt. Die Siedlung stammt aus den Jahren 1983 bis 1985 und besteht aus 33 Häusern, die zu Zweierund Dreiergruppen zusammengefasst sind. Diese stehen quer zur Seftigenstrasse und im Abstand zueinander, sodass der Grünraum sich park­artig zwischen den Gebäuden hindurchziehen kann. Dreissig Jahre nach ihrem Entstehen war eine Re­ novation unvermeidlich. Den Ausschlag hierfür gab zunächst die Tatsache, dass die Energiebilanz nicht mehr heutigen Standards entsprach. Natürlich wäre eine rein energetische Sanierung möglich gewesen; doch die Eigentümer entschieden sich, diese als Anlass für eine viel grundsätzlichere Optimierung und Ergänzung der Bausubstanz zu nutzen. Die Voraussetzung hierfür bildete die Ortsplanungs­ revision, derzufolge die bisher gültige Ausnüt­ zungsziffer von 0,5 auf maximal 0,8 erhöht wurde. Die nötige Umzonung der Siedlung erreichte eine grosse Mehrheit in der Volksabstimmung. AUFSTOCKUNG ÜBER BESTEHENDEM SOCKEL

Bemerkenswert ist, dass die drei Eigentümer der Siedlung bei der Erarbeitung und Umsetzung des Erweiterungskonzepts zusammenspannten und an einem Strang zogen: die Previs Vorsorge, eine in Wabern ansässige Pensionskasse, die Helvetia Schweizerische Lebensversicherungsgesellschaft


43 ARCH ITE KTU R Der zweigeschossige Aufbau wurde als präfabrizierte Holzkonstruktion realisiert und ruht auf dem sanierten dreigeschossigen Sockel.


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Durch die vertikale Verdichtung konnten die siedlungsprägenden Freiräume erhalten werden.

AG, und die Vorsorgestiftung der Ärzte und Tier­ ärzte PATBVG. Im Rahmen von Vorstudien wurde zunächst untersucht, wie sich die bauliche Verdichtung – also die Steigerung der Wohnungsanzahl um sech­ zig Prozent – am besten umsetzen liesse. Möglich gewesen wäre ein kompletter Abriss der Siedlung und ein anschliessender Ersatzneubau. Das hätte jedoch eine Zerstörung noch nutzbarer Bausub­ stanz und der in ihr gebundenen grauen Energie bedeutet. Eine Alternative wäre die Nachverdich­ tung durch weitere Baukörper gewesen. Doch zum einen sprachen energetische Überlegungen dage­ gen: Viele Einzelvolumina schneiden hinsichtlich ihrer Energiebilanz deutlich schlechter ab als kom­ pakte Gebäude. Zum anderen hätte diese Strategie die Verbauung der Freiflächen zur Folge gehabt. So entschied man sich für die Aufstockung, also die vertikale Verdichtung. Sie stärkt die Kompakt­ heit der Volumina, bewahrt das Freiraumkonzept und erhält überdies das Bild der Siedlung mit ih­ rer Gruppierung aus Doppel- und Dreifachhäusern. Auf Basis eines Studienauftrags konnte sich das in Bern ansässige Büro asp Architekten Schwaar & Partner mit seinem Konzept durchsetzen; als

Totalunternehmung fungierte Halter Gesamtleis­ tungen mit ihrer Geschäftsstelle Bern. Die Bau­ massnahmen begannen im Frühling 2015 mit der Erweiterung der Einstellhalle. Dann erfolgten Um­ bau und Sanierung der Wohnbauten in zwei Etap­ pen. 2017 konnte das Projekt abgeschlossen werden. ERWEITERUNG DES WOHNUNGSMIXES

Der Grundgedanke der Architekten bestand darin, die bestehenden Gebäude um einen zweigeschossi­ gen Aufbau aus Holz aufzustocken. Für Holz sprach nicht nur die Tatsache, dass es sich um einen nach­ wachsenden Rohstoff handelt, sondern auch seine relative Leichtigkeit. So war es möglich, den Aufbau ohne massive Verstärkung der Tragstruktur des Be­ stands zu realisieren. Der repetitive Charakter der Siedlung mit den identischen Häusern machte die Realisierung der Aufstockung aus präfabrizierten Elementen zudem besonders wirtschaftlich. Ziel war es, die Interventionen im Bestand auf das Nötige zu limitieren. Daher wurden lediglich die bisherigen Satteldächer und die Südwände zu­ rückgebaut. Die Fassaden erhielten eine Wärme­ dämmung, auf der Südseite zeigen sich die Häu­ ser um eine Raumschicht erweitert: So wurde Platz


geschaffen für zusätzliche Bäder, grössere Aussen­ räume, Wohnräume sowie den Lift, der in den nun­ mehr fünfgeschossigen Bauten nötig ist. Im Übrigen blieb die Struktur der Wohnungen im dreigeschos­ sigen Sockel mit ihrer Anordnung von Zimmern unangetastet: Kammerartige Schlafräume orientie­ ren sich Richtung Norden, jenseits der Mittelzone mit den Nassbereichen sind Wohn- und Esszimmer nach Süden ausgerichtet. Demgegenüber erlaubt die Aufstockung eine grössere Nutzungsflexibilität; während sich im Sockel 3,5- und 4,5-Zimmer-Woh­ nungen finden, reicht die Spanne in der Aufsto­ ckung von 2,5 bis 5,5 Zimmern. Mit Balkonen, Log­ gien, Terrassen oder Aussensitzplätzen erhält jede Einheit einen direkten Bezug zum Aussenraum. In den Kellergeschossen entstanden flexibel nutzbare Räume, die dazugemietet werden können. Auch wenn die Fassaden des Bestands nun mit einer verputzten Aussenwärmedämmung verse­ hen sind, legten die Architekten grossen Wert da­ rauf, dass sich Alt und Neu optisch unterscheiden: Der steinerne Sockel gibt sich schlicht und klar; der Aufbau aus Holz mit einer hinterlüfteten Schalung aus vertikalen Latten als Fassade zeigt eine andere Materialität und deutlich expressivere Formenwelt.

NACHHALTIGKEIT IN VIELERLEI HINSICHT

Durch die Dämmung der Gebäudehüllen liegt der Energieverbrauch der Wohnanlage dreissig Prozent unter den Anforderungen der kantonalen Energie­ verordnung. Sonnenkollektoren werden für die Stromproduktion und das Erwärmen des Brauch­ wassers genutzt. Zukünftig soll auf fossile Brenn­ stoffe verzichtet werden, was ein langjähriger Ver­ trag mit einem Gasanbieter bisher noch verhindert. Die Überbauung Nessleren gilt als Pilotprojekt für den «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» (SNBS). So wurden schon in der Vorprojektphase Ziele und Massnahmen definiert, welche die Fel­ der Gesellschaft, Wirtschaftlichkeit und Umwelt betreffen. Zu den gesellschaftlichen Aspekten zählt beispielsweise der Mietermix, zu den wirt­ schaftlichen die Entscheidung für den Bau mit prä­ fabrizierten Holzelementen und die Nutzung der vorhandenen Bausubstanz. Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz sind in Nessleren kein Widerspruch. www.nessleren.ch Halter Gesamtleistungen > Seite 138

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Alle Wohnungen besitzen Aussenräume, die im Bereich der Aufstockungen besonders grosszügig ausfallen.


46 ARCH ITE KTU R Alt- und Neubau, Sockel und Aufstockung bleiben durch die gegensätzliche Materialisierung ablesbar.


2. Dachgeschoss: Balkone und Loggien schaffen Bezug zum Aussenraum.

1. Dachgeschoss: Die Spanne reicht von 2,5- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen.

ASP ARCHITEKTEN SCHWAAR & PARTNER Das in Bern ansässige Architekturbüro asp Architekten Schwaar & Partner wurde 1945 gegründet und ist seit 1990 in Rechtsform einer AG tätig. Geleitet wird das insgesamt 28-köpfige Team von den fünf Partnern Franz Sennhauser, Beat J. Fischer, Christian Reinmann, Marcos Villar und Lorenz Ackermann. Das Spektrum ihrer Bauten reicht von der Innenarchitektur und dem ShopDesign – etwa den Grieder Stores der Brunschwig Group in Zürich, ZürichFlughafen, Basel, Bern und Luzern – bis hin zu Grossprojekten wie dem Stade de Suisse Wankdorf Bern oder der PostFinance-Arena in Bern. Immer wieder beschäftigt sich das Büro mit dem Thema Umbau und Sanierung, so beispielsweise bei der kontrovers diskutierten Sanierung des Gymnasiums Strandboden in Bern, einer 1975 bis 1982 entstandenen Ikone des Bieler Architekten Max Schlup. Eine enge Zusammenarbeit verbindet asp Architekten mit dem in Spiez, Unterseen und Thun ansässigen Architekturbüro HMS. www.schwaar-ag.ch

Erdgeschoss: Die Wohnbereiche orientieren sich zu privaten Terrassen.

Situation: Die Siedlung besteht aus Doppel- und Dreifachhäusern.

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Schnitt: Die fünfstöckigen Gebäude werden nun durch Lifte erschlossen.


ELEGANTER OZEAN­ DAMPFER

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Text: Reto Westermann Fotos: Ralph Bensberg

Nach fast drei Jahren Sanierung präsentiert sich das in den 1980er-Jahren erbaute Ambassador House in Opfikon wie neu. Stücheli Architekten haben die Qualitäten des riesigen Gebäudes für den Umbau in ein reines Bürohaus herausgeschält und ihm eine zeitgemässe Optik verliehen. Dabei zeigt sich: Die von den ursprünglichen Planern verfolgte Idee einer multifunk­tionalen Nutzung hat bis heute Bestand.

Mitte der 1980er-Jahre grasten zwischen dem Fernsehstudio im Zürcher Leutschenbach und der Autobahn bei Glattbrugg Kühe. Das Oberhauserriet, wie das Gebiet in Opfikon damals hiess, war unbebaut. Zur gleichen Zeit entstand südwestlich der Äcker und Wiesen das Ambassador House. Bei seiner Einweihung 1989 wirkte der Neubau am Rande des heutigen Glattparks wie eine gestrandete Arche: 157 Meter lang, 65 Meter breit und 25 Meter hoch. Darüber thronten drei auffällige Hotelaufbauten. Zu den Architekten zählte auch der damals schweizweit bekannte und im November 2017 verstorbene Einkaufszentrumsplaner Felix Rebmann. Mit fünf Parkgeschossen war das Gebäude ganz auf die automobile Zukunft ausgerichtet. Wer zu Fuss kam, hatte Mühe, den Eingang zu finden. Gemäss den Vorstellungen der Erbauer sollte damals in den ersten zwei Geschossen eine Shopping-Mall entstehen, darüber waren Büros geplant. Doch da sich kein Mall-Betreiber fand, zog im Südteil des Gebäudes das Renaissance-Hotel ein, der Nordteil wurde durch die Zürich Versicherung belegt. Die Architektur war geprägt von den stilistischen Elementen der Postmoderne: halbrunde, mit verspiegeltem Glas verkleidete Kuppeln, beige Keramikplatten und kugelförmige Lampen auf den Balustraden der Terrassen. UNGEWOHNTE DIMENSIONEN

In den letzten drei Jahren wurde das Ambassador House grundlegend erneuert und durch Halter Gesamtleistungen zu einem Bürogebäude umgebaut. So mutierte die gestrandete Arche in einen schnittigen Ozeandampfer, der am Rand des neu entstandenen Stadtteils festgemacht hat und sich wie selbstverständlich einfügt. Die dunkel verkleideten Brüstungsbänder aus gerippten Keramikplatten unterstreichen in Kombination mit den hellen Aluminium-Fensterrahmen die Länge des Gebäudes. Die vier oberen Stockwerke, die auf dem breiteren, dreigeschossigen Sockelbau liegen, erinnern an die Deckaufbauten älterer Ozeanliner. Unterstützt wird dieser Eindruck durch den über dem Eingang auskragenden Baukörper – er sieht fast aus wie die Kommandobrücke des Kapitäns. Ganz neu gestaltet ist auch die Umgebung: Wer als Fussgänger von der Glattalbahn zum Ambassador House läuft, betritt es nun über eine klar hervorgehobene Eingangszone. Rund um das Gebäude haben die einstigen Teerflächen einer sorgfältig


49 ARCH ITE KTU R Die braunen, gerippten Keramikplatten im Brüstungsbereich verändern ihre Farbe je nach Licht. Dazwischen liegen Fensterbänder aus Aluminium.


50 ARCH ITE KTU R Die zentrale Erschliessungsachse wird durch zwei Lichthรถfe und drei Erschliessungskerne gegliedert. Die Signaletik stammt von Bivgrafik.


NEUE HÖFE SORGEN FÜR TAGESLICHT

Die Räume und die Optik des heutigen Ambassador House lassen vergessen, wie das Gebäude zuvor aussah. Doch unter der neuen Hülle steckt nach wie vor die Grundstruktur von 1989. Ein Ersatzneubau war nie ein Thema: «Eine derart hohe Ausnutzung des Grundstücks und die bestehende Zahl an Tiefgaragenplätzen wäre nicht mehr bewilligt worden», sagt Benjamin Nordmann, Projektleiter bei Stücheli Architekten. Die Planer mussten sich deshalb mit dem Bestand arrangieren, diesen aber an die Wünsche für ein zeitge­mässes Bürogebäude und die Vorgaben bezüglich Erdbebensicherheit sowie Brandschutz anpassen. Mit

33 Metern Höhe galt der Ursprungsbau als Hochhaus und hätte entsprechend schärfere Brandschutzanforderungen erfüllen müssen. Die Architekten entschieden sich deshalb, die einstigen Hoteltürme durch Technik­aufbauten zu ersetzen. In die Struktur eingegriffen wurde auch bei den vorhandenen Lichthöfen, die neu bis ins Erdgeschoss reichen und nicht mehr über dem zweiten Obergeschoss enden. Zwei zusätzliche Lichtschächte bringen mehr Tageslicht ins dritte bis sechste Obergeschoss. Die weggefallenen Flächen wurden durch eine beidseitige Verbreiterung der obersten vier Geschosse um je 2,2 Meter sowie deren Verlängerung über dem Eingangs­bereich am Südende kompensiert. Trotzdem ist die ursprüngliche Struktur noch ablesbar. Etwa bei der Gliederung des Gebäudes oder beim acht mal acht Meter grossen Stützenraster, das sich durch alle Stockwerke zieht. Daran orien­tieren sich auch viele neu hinzugekommene Elemente: Die Fenster im Erdgeschoss sind acht Meter breit, in den zwei Stockwerken darüber messen sie vier Meter und ab dem dritten Geschoss 2,66 Meter – alles Masse, die auf einem Achterraster basieren. Gleiches gilt für die Verglasung der Innenhöfe – hier beträgt die Scheibenbreite 1,33 Meter, was einem Sechstel von acht Metern entspricht. Durch die Eingriffe konnte nicht nur die nutzbare Fläche erhalten bleiben, sondern auch die räumliche Qualität der grossen Erschliessungsachse sowie der Büroflächen verbessert werden. Diese haben je nach Stockwerk unterschiedliche Vorzüge: Die Räume im ersten und zweiten Obergeschoss sind höher als in den übrigen Stockwerken, dafür aber bis zu 24 Meter tief. Die Nutzer der dritten Etage profitieren von einer geringeren Gebäudetiefe, zwei zusätzlichen Innenhöfen und vorgelagerten Terrassen auf beiden Gebäudeseiten. Gleiches gilt auch für die obersten drei Stockwerke, nur dass es hier keine Terrassen gibt. Einst als Mall mit Büros geplant, musste sich das Ambassador House bereits nach seiner Fertigstellung mit einer Nutzung als Hotel- und Bürogebäude zufrieden geben. Heute, fast dreissig Jahre später, wurde es zum reinen Bürohaus umgebaut – und scheint mit seinem Schicksal versöhnt. www.ambassadorhouse.ch Halter Gesamtleistungen > Seite 138

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gestalteten Gartenlandschaft nach den Plänen von Nipkow Landschaftsarchitektur Platz gemacht. «Die Klärung der städtebaulichen Situation und die Einbindung in die veränderte Umgebung waren uns sehr wichtig», betont Christof Glaus, Partner bei Stücheli Architekten. Er hat die Sanierung und den Umbau des Gebäudes von Beginn an begleitet. Für den erfahrenen Architekten eine Herausforderung: «Die schiere Grösse des Ambassador House überraschte uns immer wieder.» Schon der Empfangsbereich hat mit seiner Grundfläche von dreissig mal sechzehn Metern ungewohnte Dimensionen. Von dort gelangt man durch einen vergleichsweise schmalen Verbindungsgang in die zentrale Erschliessungsachse und kann die gesamte Länge des Gebäudes erfahren. Der Blick reicht 120 Meter weit bis ans andere Ende. Gegliedert wird die Achse durch zwei Lichthöfe und drei Erschliessungskerne. Das Erdgeschoss strahlt die gleiche schlichte Eleganz aus wie das Äussere des Gebäudes: Die Wände sind mit goldbraun eloxierten, gerippten Aluminiumpaneelen verkleidet, der Boden ist hell ausgelegt, in der weissen Decke liegen schwarz abgesetzte Lichtbänder. Links und rechts der zentralen Achse ist ein Co-Working-Bereich mit Restaurant, Café, Sitzungsräumen, Fitness­center und einem Kongresszentrum angeordnet. Letzteres belegt am Südende des Gebäudes zusätzlich einen Teil des ersten Obergeschosses und bietet freien Zugang zur Terrasse über dem Eingangs­bereich. Damit wird das Ambassador House als reines Bürogebäude vermarktet. Dank der Co-Working-Angebote brauchen die Mieter weniger eigene Flächen – beispielsweise für Sitzungszimmer oder einen Pausenbereich.


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Entlang der Erschliessungsachse liegt ein Co-Working-Bereich mit Restaurant, Café, Sitzungsräumen, Fitnesscenter und Kongresszentrum.

Die einstigen Hoteltürme auf dem Dach des Ambassador House wurden durch drei Technikaufbauten ersetzt. Gut isoliert: ein Lüftungsmonoblock.


Längsschnitt: Das Gebäude verfügt über fünf Untergeschosse.

Ambassador House Längsschnitt 20

40m

1. Obergeschoss: Die Büroflächen können individuell ausgebaut werden. Ambassador House 1. Obergeschoss 20

40m

Stele Mieterbeschriftung

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Erdgeschoss: Die Erschliessungsachse zieht sich durch das Gebäude. Ambassador House Erdgeschoss 0

20

40m

STÜCHELI ARCHITEKTEN Gegründet wurde das Büro 1946 von Werner Stücheli, dessen zahlreiche in den 1950er- bis 1980er-Jahren entworfenen Gebäude bis heute das Stadtbild von Zürich prägen. Dazu zählen etwa die Geschäftshäuser Zur Bastei und Zur Schanze – beide am Schanzengraben – sowie das Hochhaus bei der Schmiede Wiedikon. Insgesamt neun Werke Stüchelis erhielten die Auszeichnung für gute Bauten der Stadt Zürich. Heute wird das Unternehmen von fünf Partnern geführt und beschäftigt 87 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 17 Nationen. Zu den bekannten Bauten des Büros aus jüngerer Zeit zählen etwa die Erweiterung des Bürokomplexes Uetlihof der Credit Suisse, das UBS-Gebäude Grünenhof, die Wohnsiedlung für Studierende der ETH auf dem Hönggerberg, ein Bürogebäude auf dem Baufeld B der Europaallee (alle in Zürich) sowie das Schulhaus Sandgruben in Basel. www.stuecheli.ch

1. Untergeschoss: Lager, Technikräume und öffentliche Parkplätze.

Ambassador House 1. Untergeschoss 0

20

40m

Situation: Das Ambassador House liegt am Rand des Glattparks.

Ambassador House Situation 0

40

80m

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0


VON DER FAHRBAHN ZUM STADT­ RAUM

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Text: Jonas Bubenhofer

Die Geschichte der Siedlungsentwicklung muss immer im Zusammenhang mit der Entwicklung von Verkehrsnetzen gesehen werden. Seit dem Mittel­ alter hat das Aufkommen neuer Verkehrsmittel nicht nur Auswirkung auf das Mobilitätsverhalten der Menschen und deren wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Es prägte auch ganz entscheidend die Struktur und das Gesicht unserer Städte – wie das Beispiel Zürich eindrücklich belegt.

Die Mobilität ermöglicht es den Menschen, ihren Handlungsspielraum zu vergrössern. Dies führt zu Siedlungsstrukturen mit räumlich verteilten Nutzungen, die sich wiederum auf die Verfestigung von Verkehrsmustern auswirken. Siedlung und Verkehr sind darum eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Lange Zeit spielte sich der Alltag der Menschen auf sehr begrenztem Raum ab. Vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert hatte der Grossteil der Bevölkerung selten Anlass, den Wohnort zu verlassen. Gleichwohl kamen neuen Verkehrsmitteln und -netzen grosse, vorerst wirtschaftliche Bedeutung zu. Während im 18. Jahrhundert für die Reise von Zürich nach Bern noch gut drei Tage benötigt wurden, war diese Strecke im 19. Jahrhundert auf der Strasse an einem Tag zu bewältigen, später mit der Eisenbahn in wenigen Stunden. Die Eisenbahn förderte dabei die Entwicklung und die bauliche Verdichtung der Zentren. Hauptverkehrsmittel der Städte waren Tram und Fussverkehr. Das 20. Jahrhundert führte mit der Privilegierung des Automobils zu einer Entdichtung der Siedlungen und einer Entbündelung der Verkehrswege. Diese Transformation brachte die neue Siedlungsform der Agglomeration hervor, die von einer starken Abhängigkeit zum Zentrum mit entsprechenden Pendlerströmen geprägt ist. Erst mit der Erkenntnis, dass den Städten als Lebensraum Sorge zu tragen ist, rückten um die Jahrtausendwende wieder die Siedlungsqualität und die Effizienz des Verkehrs in den Fokus. Neun Beispiele aus der Stadt Zürich zeigen, dass neu aufkommende Verkehrsmittel ihre Epoche jeweils stark prägten und Auswirkungen nicht nur auf das unmittelbare Siedlungsbild, das Mobilitätsverhalten und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hatten, sondern auch auf die weitere Siedlungsentwicklung und ihre Planungsphilosophie. Mit Blick auf unsere aktuellen städtebaulichen He­ rausforderungen – die Umsetzung des demokratisch legitimierten Auftrags der Innenentwicklung – sind zwei aus der Geschichte bekannte interessante Ansätze und Planungsmethoden wieder sehr aktuell. MIT ÖFFENTLICHEM VERKEHR DIE SIEDLUNGS­ ENTWICKLUNG STEUERN

Um das rasante Wachstum, das die Städte Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts erlebten, aufzufangen und die Erreichbarkeit sicherzustellen,


DER STRASSENRAUM ALS STADTRAUM

Neben den Paradigmen der funktionalen Trennung und der Gartenstadt prägte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch der künstlerische Städtebau das Planungsverständnis in den Städten. Die Schaffung stadträumlicher Qualitäten von klar definierten Plätzen und Strassenräumen gewann an Bedeutung. Nach dem Willen des österreichischen Architekten und Stadtplaners Camillo Sitte sollte der Städtebau Technik und bildende Künste vereinen: «Der Städtebau regelt den Verkehr, hat die Grundlage zu beschaffen für ein gesundes und behagliches Wohnen (…); hat für günstigste Unterbringung von Industrie und Handel zu sorgen und die Versöhnung sozialer Gegensätze zu unterstützen.» Das bedeutete, Stadt- und Verkehrsplanung sollten aufeinander abgestimmt aus einer Hand durch den Stadtbaumeister erfolgen. Strassenraum war nicht nur Fahrbahn; Strassenraum wurde als öffentlicher Raum begriffen und geplant und hatte einen Ausgleich aller Bedürfnisse im öffentlichen Raum zu schaffen. Dieser Ansatz birgt in heutiger Zeit insbesondere für die Strassenräume der Hauptachsen im Siedlungsgebiet grosses Potenzial.

DIE FUSSLÄUFIGE STADT Flüsse werden zu prägenden Vernetzungselementen im Siedlungsraum. «Helvetiae descriptio» von Aegidio Tschudo, 1570. Die Siedlungsentwicklung in der Schweiz war vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert von einer zu­ nehmenden Urbanisierung geprägt: Bestehende Städte wuchsen, neue wurden gegründet. Die Städte waren klein und wenig vernetzt. Als Gründe dafür können die beschränkte Lebensmittelversorgung, die nur im nahen Umland der Stadt möglich war, als auch die schwierigen Transportbedingungen gesehen werden. Es entwickelten sich hoch konzentrierte Siedlungsstrukturen, der Hauptteil der Mobilität spielte sich auf kleinem Raum und zu Fuss ab. Arbeiten, Wohnen und Freizeit waren örtlich kaum getrennt. Karte: Universitätsbibliothek Basel

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setzten die Behörden auf einen Ausbau und die Verbilligung des öffentlichen Nahverkehrs sowie auf eine darauf abgestimmte Siedlungserweiterung. Die Planung von Tramlinien in Zürich zum Anschluss noch wenig bebauter Gebiete stellte eine aktive Steuerung der Siedlungsentwicklung dar. Die Bautätigkeit sollte sich entlang dieser Achsen und in hohen Dichten konzentrieren. Der öffentliche Verkehr sorgte für die notwendige Erschliessung. Mit der Massenmotorisierung ab den 1950erJahren erweiterte sich das Siedlungsgebiet nicht mehr wie zu Beginn des Jahrhunderts abgestimmt auf die Achsen des öffentlichen Verkehrs, sondern flächig in die Agglomeration. Hohe Infrastrukturund Erschliessungskosten, eine grosse Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr und steigende Defizite des öffentlichen Personenverkehrs waren die Folge. Heute werden die Ausbauten der Infrastruktur und des Angebots im öffentlichen Verkehr wieder aktiv zur Steuerung der Siedlungsentwicklung eingesetzt und die hohe Effizienz hinsichtlich Beförderungskapazität und Flächenverbrauch als kostenschonende Erschliessungsart genutzt.


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INDUSTRIELLE REVOLUTION UND TRANSPORT-REVOLUTION Erddamm, Steinbogen- und Eisen fachbrücke: Die Eisenbahn beginnt, die Landschaft zu prägen. Vor Zürich, gegen 1860. Ab 1850 bis zum Ersten Weltkrieg erfuhren die Städte einen enormen Wachstumsschub. Die grösser werdenden Freiräume im Wirtschaftsbereich schlugen sich in einer Zunahme der gewerblich-industriellen Produktion nieder. Immer besser ausgebaute Landstrassen und die Eisenbahn erleichterten den Transport. Die neuen Verkehrswege ermöglichten eine Vergrösserung der Absatzmärkte und verbilligten die Mobilität für Güter und Personen gleichermassen, was für den Grossteil der Bevölkerung jedoch noch kaum von Bedeutung war. Der innerstädtische Verkehr beschränkte sich im Wesentlichen auf den Fuss­ verkehr. Dies führte zu den hohen Dichten der zentrumsnahen Quartiere. Stich: Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv

DER ÖFFENTLICHE NAHVERKEHR ALS INSTRUMENT DER SIEDLUNGSENTWICKLUNG Elektrische Strassenbahn am Bellevue in Zürich, 1894. Mit dem starken Wachstum der Städte um die Jahrhundertwende nahmen auch die Distanzen innerhalb der Stadtgrenzen zu. Um 1918 war das Tram der wichtigste städtische Verkehrsträger. Schnelle und billige Verkehrsmittel wurden als wirksame Instrumente der Stadtplanung erkannt. Neben dem öffentlichen Verkehr stellte der Fuss­verkehr weiterhin das Rückgrat der Fortbewegung dar. Die Stadtplanung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dabei durch ein umfassendes Verständnis von Städtebau geprägt: Die Siedlungserweiterung, der Ausbau von Verkehrsnetzen und der Strassenraumentwurf wurden unter Berücksichtigung aller Bedürfnisse im öffentlichen Raum betrieben. Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich


Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

WIRTSCHAFTSBOOM UND GRUNDSTEINLEGUNG FÜR DIE MASSENMOTORISIERUNG Die Garage als neues Gesicht der Häuser: Das eingestellte Auto dient der Anbindung ans Zentrum. Haus in Affoltern, 1950er-Jahre. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte eine enorme Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung ein, die zu einer starken Neubautätigkeit führte. Die Massenmotorisierung, die durch einige verkehrspolitische Entscheide noch verstärkt wurde, ermöglichte eine völlig neue Raumstruktur: Im Unterschied zur Siedlungsentwicklung entlang der Eisenbahn- und Tramlinien zu Beginn des Jahrhunderts fand nun eine flächenhafte Ausbreitung des Siedlungsgebiets statt. Die Agglomerationen waren dabei meistens monozentrisch strukturiert und hierarchisch von einer starken Abhängigkeit zum Zentrum geprägt. Als Resultat entstanden grosse Pendlerströme. Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

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VOM STRASSENRAUM ZUR FAHRBAHN Fussgänger, Velos, Tram und Autos teilen sich den Strassenraum. Paradeplatz in Zürich, 1928. In der Zwischenkriegszeit wurde das Fahrrad zum Massenverkehrsmittel. Politik und planende Organe orientierten sich jedoch vor allem an den Bedürfnissen der vergleichsweise wenigen wohlhabenden Automobilisten. Bis dahin war die Strasse nicht Fahrbahn, sondern öffentlicher Raum gewesen, die Bereiche der verschiedenen Verkehrsmittel waren nicht voneinander getrennt. Fussgänger nutzten selbstverständlich und undiszipliniert die gesamte Fläche des Strassenraums, während sich der Rad- und Autoverkehr zwischen ihnen hindurchschlängelte. Mit der zunehmenden Geschwindigkeit des Autos wurde die Gestaltung des Strassenraums jedoch nicht mehr von städtebaulichen Aspekten, sondern von der Fahrdynamik bestimmt.


DIE ENTDECKUNG DER UMWELT Wie viel Autoverkehr verträgt sich mit einer lebenswerten Stadt? Rosengartenstrasse in Zürich, 1973. In den Jahren um 1970 prägte eine Zäsur die verkehrspolitische Sicht: Fast über Nacht führte die «Entdeckung der Umwelt» zu einer breiten Kritik an der «Automobilgesellschaft». Insbeson­dere auf kommunaler Ebene wurden deshalb Verkehrsinfrastrukturprojekte fast ausnahmslos an der Urne abgelehnt. Auf Gesetzesebene erarbeitete man Instrumente zur Luftreinhaltung, und eine neue Generation von Verkehrsexperten versuchte die Planung zu demokratisieren. Trotz dieser Sensibilisierung der Gesellschaft stellte faktisch niemand die grundsätzlich positive Wertung des Verkehrswachstums infrage. 58 STADTE NTWI CKLU N G

Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

DIE WIEDERBELEBUNG DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS Die S-Bahn hob den öffentlichen Verkehr in der Agglomeration von Zürich auf ein neues Niveau. Hauptbahnhof, 2005. Die Debatte um das Waldsterben in den 1980er-Jahren unterstützte die langsame Wiederentdeckung des öffentlichen Verkehrs. Der Fernverkehr sollte mit dem Ausbau der Bahninfrastruktur (Bahn 2000) und des Fahrplans attraktiver werden. Auch im Nahverkehr wurde vielerorts das Angebot verbessert, der öffentliche Verkehr im Verkehrsnetz priorisiert und mit den Umweltabonnementen preislich attraktiver gemacht. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung stellten diese Massnahmen eine Wende in der Verkehrspolitik dar. Doch die vorausgegangenen 30 bis 40 Jahre der ein­seitigen Förderung des motorisierten Individualverkehrs führten zu den langfristig einschneidenden Aus­ wirkungen einer flächenhaften Zersiedelung mit hohen Infrastruktur- und Erschliessungskosten. Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich


Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

RÜCKBESINNUNG AUF URBANE QUALITÄTEN Die Zurückeroberung des Stadtraums. Bullingerplatz in Zürich nach der Umgestaltung, 2014. Die Bevölkerung in den Städten forderte immer stärker den vom Autoverkehr dominierten Strassenraum zurück. Mit der Verkehrsberuhigung in den Quartieren, der Umwidmung von als Parkplatz genutzten Stadtplätzen bis hin zur Aufwertung von Hauptverkehrsachsen wurde der Erkenntnis um die Bedeutung der Lebensqualität im Stadtraum zögerlich Rechnung getragen. Die Jahre nach 2000 zeichneten sich durch eine Wiederent­ deckung der Städte als attraktive und starke Wohn- und Wirtschaftsräume aus. Die Trendwende führte zu einem neuen Bevölkerungswachstum. Durch die weiter zunehmende Mobilitätsnachfrage rückten zudem Überlegungen zur Effizienzsteigerung des Verkehrssystems in den Fokus. Der Wunsch nach hoher Personenkapazität bei geringem Flächenbedarf lenkte den Blick wieder auf den effizienten öffentlichen Verkehr und den Fussverkehr als Rückgrat der Mobilität im dichten Raum. Foto: Thomas Burla

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EINE STADT AM TIEFPUNKT Die Westtangente in Zürich führte für Jahrzehnte zu unwirtlichen Gegenden mitten im Stadtgebiet. Weststrasse, 2007. Suburbanisierung und Stadtflucht liessen die Verkehrsnachfrage weiter ansteigen, insbesondere die Pendlerströme in die Zentren. Verkehrsüberlastung, Umweltbelastung und unwirtliche Städte waren die Folge. Die Bevölkerung der Städte schrumpfte jährlich. Das nationale Forschungs­ programm «Stadt und Verkehr» (NFP25) sah Anfang der 1990er-Jahre die ökonomische Basis der Städte in Gefahr und forderte insbesondere auch Massnahmen zur Erhöhung der Lebensqualität. In der Folge verabschiedete der Bundesrat 2001 die konzeptio­ nellen Grundlagen für seine Agglomerationspolitik, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des urbanen Raums leisten sollte.


MOBILITÄTSSYSTEME IM WANDEL

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Text: Hubertus Adam Illustration: Anja Wicki

Vielleicht in dreissig Jahren, möglicherweise auch frü­ her, erreicht die Schweiz die Marke von 10 Millionen Einwohnern. Im gleichen Zeitraum wird sich autono­ mes Fahren durchgesetzt haben. Welche Auswirkun­ gen dies auf Planungs­praxis und Siedlungs­entwicklung hat, lässt sich schwer ab­ schätzen. Aber es ist höchste Zeit, Über­legungen dazu anzustellen, wie im Ge­ spräch mit Kay Axhausen, Professor für Verkehrs­ planung an der ETH Zürich, deutlich wird.

Vor fünfzig Jahren geriet das Fortschrittsdenken der Moderne grundsätzlich in die Krise. 1972 ver­ öffentlichte der Club of Rome seinen Bericht über die Grenzen des Wachstums, 1973 liess die Ölkrise das selbstsichere Dogma permanenter Progression gegenstandslos werden. «Bauen als Umweltzer­ störung. Alarmbilder einer Un-Architektur der Ge­ genwart» hiess eine auch im Ausland viel beach­ tete Schrift des Zürcher Architekten Rolf Keller. In seiner schonungslosen und polemischen Analyse geisselte Keller nicht nur die gesichtslosen Wohn­ siedlungen der Spätmoderne, sondern auch die Zersiedlung der Landschaft, die durch die indivi­ duelle Mobilität überhaupt erst möglich wurde. Ab­ gebildet wurden also nicht nur Satellitensiedlungen am Stadtrand und überformte Dorfzentren, son­ dern auch Schnellstrassenkreuze und Autobahnen. Kellers Weckruf verhallte nicht ungehört. Doch einem allgemeinen Bewusstseinswandel zum Trotz veränderte sich hinsichtlich der Phänomene, die der Autor anprangerte, nur partiell etwas zum Po­ sitiven. Zwar sind nicht alle düsteren Zukunftssze­ narien, die in den Siebzigern kursierten, auch ein­ getreten; aber die Zersiedlung in der Schweiz ist kontinuierlich vorangeschritten. Das hat natürlich mit dem relativen Reichtum und dem Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche zu tun, der in einem halben Jahrhundert um mehr als vierzig Prozent gestiegen ist und heute bei 44 Qua­ dratmetern liegt. Und ein zweiter Faktor kommt hinzu: die Bevölkerungsentwicklung. Lebten 1973 in der Schweiz etwa 6,3 Millionen Einwohner, so sind es derzeit um die 8,5 Millionen. Gemäss Sze­ narien, die das Bundesamt für Statistik (BFS) 2015 publizierte, wird das Bevölkerungswachstum an­ halten, sodass früher oder später die 10-Millio­ nen-Marke erreicht sein wird. Vielleicht ist das in dreissig Jahren der Fall, vermutlich aber schon früher. Prognosen des BFS nennen das Jahr 2035, aber Zuwanderung, die in erheblichem Mass für den Zuwachs verantwortlich ist, lässt sich schlecht prospektiv berechnen. Generell besteht die Not­ wendigkeit, sich auf eine 10-Millionen-Schweiz einzustellen. In einer Studie aus dem Jahr 2016 hat der Forschungs-Think-Tank Avenir Suisse auf einer Landkarte provokativ Zürich durch New York, Basel durch London, Bern durch Berlin, Genf durch Pa­ ris und Lugano durch Barcelona ersetzt – und kam zum Schluss, dass mit 24 Millionen Einwohnern in den metropolitanen Ballungsräumen für den Rest


61 STADTE NTWI CKLU N G Autonome Fahrzeuge werden neben Taxisystemen, öffentlichem Verkehr sowie Fuss- und Fahrradverkehr die Mobilität der Zukunft prägen.


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des Landes kein Dichtestress mehr bestehe. Genug Platz also für Agrarland, Naherholungsgebiete und dünn besiedelte Berglandschaften. Die Realität sieht natürlich anders aus. Po­ litisch gewollt ist Verdichtung als Einhalt ge­ gen Zersiedlung gewiss; das zeigt sich an der Kul­ turlandinitiative im Kanton Zürich, am Versuch, Zweitwohnungen einzudämmen oder am Innenver­ dichtungsvorrang des Raumplanungsgesetzes. Die Umsetzung erweist sich jedoch als schwierig. Im suburbanen und ländlichen Raum scheitern Strate­ gien zur Verdichtung an der Gemeinde-Autonomie, und in den Städten existieren diverse Faktoren, die eine radikale Umgestaltung und Verdichtung un­ möglich machen. Neue Baugebiete auszuweisen, fällt schwer, da postindustrielle Konver­sionsflächen und periphere Stadtrandlagen knapp werden. Ver­ einzelt greifen insbesondere in Zürich Bauge­ nossenschaften in den Siedlungsbestand ein und schaffen durch Ersatzneubauten eine höhere Aus­ nützung. Grundsätzlich aber steht eine radikale Überformung des Baubestands nicht zur Debatte. Sie ist aus Gründen des Denkmal- oder Ortsbild­ schutzes nicht zu verantworten, eigentumsrechtlich schwierig und letztlich gesellschaftlich nicht akzep­ tiert. Schliesslich ist damit das Problem des «än­ derungstempobedingten Vertrautheitsschwunds» verbunden, wie der Philosoph Hermann Lübbe es nennt: Verändert sich in einer gewissen Zeiteinheit zu viel, so führt das zu Ablehnung. Interessant im Zusammenhang mit den hier dis­ kutierten Fragen ist die Mobilität der Zukunft. Die Mobilitätssysteme sind im Wandel begriffen: Nach Paris ist die Strassenbahn zurückgekehrt, Mietvelo­ systeme erobern London oder München, Städte wie Kopenhagen und Amsterdam investieren mas­ siv in die Förderung des Fahrradverkehrs. Zudem sind Car-Sharing-Modelle auf dem Vormarsch. E-Mobility wird in Zukunft die mit Verbrennungs­ motoren ausgestatteten Fahrzeuge verdrängen, doch die eigentliche verkehrliche Revolution wer­ den autonome Fahrzeuge darstellen. Nach Kay Axhausen, Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich, sind sie in zehn bis fünfzehn Jahren technisch so ausgereift, dass sie auf den Strassen eingesetzt werden; in dreissig Jahren dürften sich autonome Fahrzeuge vollständig durchgesetzt ha­ ben. Die 10-Millionen-Schweiz und das autonome Fahren besitzen also ungefähr den gleichen Zeitho­ rizont. Wir trafen den Experten zum Gespräch:

Komplex: Was werden autonome Fahrzeuge im Strassenbereich bewirken? Kay Axhausen: Wir erwarten, dass die autono­ men Fahrzeuge spurtreuer sind als die menschli­ chen Fahrer und somit gewisse Kapazitätssteige­ rungen bringen. Das heisst, wo heute dreispurige Fahrbahnen sind, könnte man auf vier Fahrspuren erweitern. Die vierte Fahrspur wäre dann für Fuss­ gänger und Fahrradfahrer reserviert. Eine meiner Mitarbeiterinnen arbeitet in Singapur an einer Stu­ die, wie eine Stadt mit autonomen Fahrzeugen aus­ sehen könnte. Neben dem potenziellen Spurgewinn stellt sich dort die Frage, wie man die Passagiere absetzen und einsammeln kann. Benötigen wir die frei werdenden Parkplätze zum Aus- und Einstei­ gen? Der Ansatz des Projekts besteht darin, ver­ schiedene Szenarien durchzuspielen und mit den Leuten vor Ort zu diskutieren, was sinnvoll wäre. Wie müsste man auf planerischer Seite auf das Thema autonomer Fahrzeuge reagieren? Wenn man sagt, die autonomen Fahrzeuge sind der nächste grosse Zustand, in den das Verkehrssys­ tem übergeht, darf man jetzt nichts festschreiben, was dieses Zukunftsszenario erschwert und teuer macht. Wir müssen auch in europäischen Städten fragen: Wie sieht denn eine Stadt aus, in der die Menschen nur in autonomen Fahrzeugen herum­ fahren? Wie viel Platz benötigen wir wofür? Es gibt die Hoffnung, dass grosse Mengen an Parkplätzen frei werden. Aber werden wir diesen Platz auch ha­ ben, wenn die Menschen ein- und aussteigen müs­ sen? Ist die Hoffnung realistisch, dass die Men­ schen mit autonom fahrenden Taxis fahren, also deutlich weniger Privatwagen in der Stadt unter­ wegs sind? Wie verhält es sich mit dem Güterverkehr? Die LKW-Hersteller arbeiten intensiv an dieser Frage – unter dem Druck der Spediteure, die keine Fahrer mehr finden. Da ist es natürlich attraktiv für die Anbieter, zu sagen: «Okay, wir fahren autonom.» Und die Fahrer werden zu Lager­arbeitern, die die LKWs be- und entladen und am Zielort bürokra­ tische Aufgaben erledigen. Ein wichtiger Teil der Wertschöpfung liegt schon heute in der Lagerarbeit. Das Konzept Cargo Sous Terrain, das in den letzten Jahren stark in den Medien präsent war, könnte mehr Platz auf den Strassen schaffen. Wie schätzen Sie die Chancen dafür ein? Der Güter-Untergrundtunnel Cargo Sous Terrain ist im Grunde eine Logistiklösung. Bei relativ tiefen


Autonomes Fahren kann in der Tat dazu beitragen, periphere Gebiete attraktiver zu machen. Und na­ türlich bleibt die Tatsache, dass man sich in peri­ pheren Gebieten mehr Platz für dasselbe Einkom­ men leisten kann, weil der Bodenwert niedriger ist. Im Grunde ist es also eine politisch-gesellschaftli­ che Frage, ob man die Zersiedlung eindämmen will oder nicht. Wie wird sich das Verhältnis von öffentlich ein­ gesetzten und privaten PKWs entwickeln? Man kann zeigen, dass mit fünfzehn bis zwanzig Prozent der heutigen Flotte – wenn diese nach der Logik des Taxisystems zur Verfügung stünde – be­ reits alle aktuellen Fahrtwünsche befriedigt werden könnten. Zudem würden die autonomen Fahrzeuge den Preis der Auto- und Taxinutzung senken. Die Herausforderung bestünde darin, dass die Leute nicht mehr allein im Fahrzeug sitzen, sondern ge­ meinsam. Wir bezweifeln aber, dass das realis­ tisch ist. Wenn wir davon ausgehen, dass wir in der Schweiz weiterhin so wohlhabend sind, gibt es kei­ nen Grund dafür, dass sich die Menschen mit ande­ ren ins Auto setzen. Auch die gefahrenen Kilome­ ter werden sich nicht ändern. Wenn aber die Städte weiter wachsen, bleibt es dabei, dass der physika­ lische Strassenraum beschränkt ist. Dann geht es darum, Preis- oder Zeitsignale zu setzen, damit die Menschen sich Autos teilen oder Busse und Sam­ meltaxis benutzen. Der öffentliche strassengebundene Verkehr bleibt also? Aufgrund verschiedener Studien ist klar, dass es auch weiterhin der Fahrzeuge bedarf, in die fünf­ zig oder hundert Leute passen. In Einzelfahrzeu­ gen kann man die Nachfrage nicht abwickeln, sonst werden die Geschwindigkeiten unerträglich nied­ rig. Aber in Stadtrandgebieten, in denen heute noch keine für Linienbusse nötigen Dichten existieren, werden Taxisysteme die Lösung sein. Wird es neben den autonomen noch Fahrzeuge mit Fahrer geben? Wir gehen davon aus, dass es weiterhin in Privat­ besitz befindliche autonome Fahrzeuge gibt. Pri­ vat gesteuerte Fahrzeuge sind langfristig unwahr­ scheinlich. Aus Verkehrssicherheitsgründen wird die Gesellschaft sie verbieten und allenfalls in ei­ nem Reservat zulassen. Autopark MecklenburgVorpommern – warum nicht? Der Interviewte Prof. Dr. Kay Axhausen lehrt und forscht an der ETH Zürich. www.ivt.ethz.ch, www.fcl.ethz.ch

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Geschwindigkeiten von dreissig Stundenkilome­ tern werden Logistik- und Warenhausarbeiten mit übernommen. Die Versender speisen an verschie­ denen Punkten Paletten ein, und der Kunde erhält am Zielort die zusammengestellten Waren. Der Gewinn liegt in der Vorbereitung und Sortierarbeit. Gerade dadurch rechnet sich das System als Investi­ tionsobjekt. Da Cargo Sous Terrain in keiner Weise auf öffentliche Subventionen angewiesen sein will, könnte es funktionieren. Das schafft neue Kapazi­ täten für Logistiker, die einen substanziellen Teil des Strassenverkehrs ausmachen. Aber sie bemer­ ken auch, dass ihre Fahrten immer weniger priori­ siert werden. Bei der Eisenbahn haben Güterzüge klar nachrangige Priorität hinter dem Personen­ verkehr, auf den Autobahnen sieht es mit den tem­ porären Fahrverboten nicht besser aus. Doch die 10-Millionen-Schweiz will versorgt werden. Cargo Sous Terrain erlaubt den Logistikern, unabhängig vom Personenverkehr zu wirtschaften. Und es ent­ spannt die Probleme der Raumplaner, die sonst die Bewirtschaftung des Verkehrssystems vorantreiben müssten. Wenn die 10-Millionen-Schweiz und die autonomen Fahrzeuge kommen, dann ist es einfa­ cher, die Lastwagen verschwinden unter die Erde. Ein Konfliktpartner weniger. Auch Drohnen werden, insbesondere wenn es um die kapillare Verteilung von Gütern geht, in jüngster Zeit verstärkt diskutiert. Wo sehen Sie deren Potenziale? Ich kann mir Drohnen gut in den Bergen vorstellen, wenn die Post keine Lust mehr hat, den Briefträger 500 Höhenmeter hochfahren zu lassen, um eine Sendung auszuliefern. Und weil wir heute schon rücksichtslos mit der Natur umgehen, werden wir wohl auch akzeptieren, dass Drohnen im ländlichen Raum Rehe wecken oder den Vögeln in die Quere kommen. Drohnen könnten auch in Notsituationen nützlich sein, wenn man die Menschen anders nicht erreicht. Dass sie in den Städten im grossen Stil ein­ gesetzt werden, bezweifle ich. In den meisten städ­ tischen Situationen ist es schwierig, Waren sicher abzugeben. Aber vielleicht gibt es dafür zukünftig Lösungen. Ich glaube, es wird am Lärm und an der visuellen Störung scheitern. Noch einmal zurück zu den autonomen Fahr­ zeugen: Was bedeutet das für die Pendlerdistanzen? Ohne Fahrstress werden möglicherweise längere Strecken akzeptabel. Und das könnte zur weiteren Zersiedlung beitragen.


UNTERWEGS IN DER DIGITALEN STADT

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Text: Bettina Methner Visualisierungen: Raumgleiter

Wie sieht der Raum zwi­ schen Zürich und Baden in 10, 20 oder 30 Jahren aus? Mögliche Antworten gibt das digitale 3D-Stadt­modell Limmatstadt. Es stellt eine Region und deren Ent­ wicklung in virtueller Form dar und macht sie so für jedermann erlebbar. Als Kommunikationsinstrument, Planungstool und Kooperationsplattform unterstützt das Modell die Entwicklung des Limmattals zu einem attraktiven Stadtgefüge.

Wie in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen ver­ lagern sich auch in der Immobilienbranche immer mehr Vorgänge ins Internet. Digitale Planungs­ instrumente begleiten den gesamten Entstehungs­ prozess von Gebäuden, deren Verwaltung und Nutzung. Auch die Vermarktung von Wohn- und Geschäftsflächen wird digital. Auf Immobilien­ portalen werden zunehmend virtuelle 360-GradBesichtigungen angeboten, mit denen sich Inte­ ressierte von Raum zu Raum «klicken» können. Mittels Virtual-Reality-Brille wird die dreidimen­ sionale Wahrnehmung zur Vollendung gebracht. Die Technologie ermöglicht es, in die noch nicht ge­ baute Welt einzutauchen und sich in ihr zu bewegen. Die Raumgleiter AG hat sich auf die Erstel­ lung solcher digitalen Gebäude spezialisiert. Mit foto­realistischen Inszenierungen von Bauvorha­ ben vermittelt das Visualisierungsunternehmen einen Eindruck vom Lebensgefühl in einem Wohn­ objekt und seiner Umgebung. Der 3D-Spezialist geht aber noch weiter. Im Sommer 2018 schliesst er die erste technische Umsetzungsphase eines digi­ talen 3D-Stadtmodells ab. Das Modell führt durch eine «Stadt», die für das Zusammenwachsen einer ganzen Region steht – die Limmatstadt, von Baden bis Zürich. DEN DIALOG FÖRDERN

Der Lebens- und Wirtschaftsraum entlang der Lim­ mat erfährt ein bedeutendes Wachstum und befin­ det sich im Wandel von einer Agglomeration zur Stadt. Mit der Limmatstadt AG erhielt die Region 2014 eine von Unternehmen, Institutionen, Verbän­ den und Privatpersonen getragene Organisation zur Standortförderung des Gesamtlimmattals. Die Limmatstadt AG verfolgt das Ziel, die Region und deren Positionierung nach innen wie nach aussen zu stärken, und setzt sich für eine positive Entwick­ lung des kantonsübergreifenden Limmattals ein. Neben den vielfältigen Kommunikations­ instrumenten soll auch das 3D-Stadtmodell die Marke Limmatstadt stärken. Das Modell bildet nicht nur das Limmattal als funktionalen Raum ab, sondern kann dank der technologischen Möglich­ keiten auch die Veränderungen in den verschiede­ nen Entwicklungsstadien visualisieren. Die Basis bilden Satelliten- und Luftbilder von Google Earth, die mit den Szenarien der Regionsentwicklung ver­ dichtet werden. Das Modell kann sukzessive ausge­ baut und im Detaillierungsgrad verfeinert werden.


65 STADTE NTWI CKLU N G Das digitale 3D-Stadtmodell zeigt, was ist und was sein wird: hier die Projekte Stadtplatz mit Stadtsaal in Schlieren sowie die Limmattalbahn.


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Entwicklungsraum Nord in Urdorf: Bestand, Aufstockungsmöglichkeiten und geplante Neubauten auf einen Blick.

Dabei versteht sich die Limmatstadt AG als Dienstleister, der das Basismodell im Sinne einer Plattform erstellen lässt und betreibt, um die ak­ tuelle Situation des Siedlungsraums gesamtheit­ lich abzubilden. Interessierte wie Planungsbehör­ den, Immobilienentwickler, Gewerbe und Private können es mit Projekten, Applikationen und Infor­ mationen erweitern. So finden Themenbereiche der Stadtentwicklung, Energieversorgung, Mobi­ lität und sozialen Infrastruktur Eingang in die 3DDatenbank. Damit wird das Stadtmodell zu einem adäquaten Mittel für den Dialog zwischen der Be­ völkerung, Wirtschaft und Politik. Als Koopera­ tionsprojekt der Metropolitankonferenz Zürich wird es von Partnern der öffentlichen Hand, Pla­ nung, Standortförderung, Immobilienentwicklung und Mobilität unterstützt. NEUE PERSPEKTIVEN SCHAFFEN

Rasches Wachstum führt vor allem in den Agglo­ merationen zu bedeutenden Veränderungen. Das Limmattal soll mit einer qualitativen Verdichtung eine nachhaltige Aufwertung erfahren. Gegenwär­ tig mangelt es aber noch an einer gemeinsamen Vision für den kantonsübergreifenden Raum. Die

Skepsis hinsichtlich des rasanten Wandels ist gross. Um Transparenz schaffen und Ängste abbauen zu können, muss der Veränderungsprozess konkret, schlüssig und leicht verständlich dargelegt werden. Als Mittel zum Dialog mit der Bevölkerung er­ füllt das digitale 3D-Stadtmodell eine seiner zen­ tralen Auf­gaben. Es ist über eine App, am PC oder mittels Virtual-Reality-Installation zugänglich. Im Gegensatz zu einem physischen Stadtmodell, das einen Überblick über geplante Bauten im städte­ baulichen Kontext verschafft, kann die Bevölke­ rung in der digi­talen Ausgabe «durch die Strassen spazieren» – und muss dazu nicht einmal vor die Haustür. Entwicklungs­gebiete können aus unter­ schiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden, und Hinweise zu geplanten Projekten wie Kennzahlen oder weiterführende Links stehen in anwählbaren Info-Boxen zur Verfügung. Jasmina Ritz, Geschäftsführerin der Limmat­ stadt AG, sieht in der leicht zugänglichen Dar­ stellungsform grosses Potenzial: «In einer zuneh­ mend multimedialen Welt ist das Stadt­modell ein naheliegendes Kommunikationsmittel, um rasch und zielgruppenkonform zu informieren. Je mehr die Bevölkerung am Transformationsprozess


beteiligt wird, desto besser identifiziert sie sich mit DURCH RAUM UND ZEIT REISEN der Region. Und das fördert letztlich auch den ge­ «Die Integration von digitalen 3D-Gebäuden in eine auf Google-Earth-Daten basierende Umgebung ist sellschaftlichen Zusammenhalt.» für uns nicht neu», sagt Matthias Knuser, Leiter PARTIZIPIEREN UND KOOPERIEREN Research & Development bei der Raumgleiter AG. Das Datenmodell dient dem Erkenntnisgewinn un­ Der Visualisierungsspezialist schuf für einen Ar­ terschiedlicher Anspruchsgruppen. Am Beispiel der chitekturwettbewerb eine virtuelle, realitätsnahe Limmattalbahn, die als eines der ersten Projekte in Plattform, auf der die in Form digitaler 3D-Modelle das Modell Eingang fand, wird der Mehrwert für eingereichten Projekte den direkten Vergleich fin­ die Nutzergruppen deutlich. Durch die neue Tram­ den. «Nun begeben wir uns aber in eine ganz neue strecke werden wichtige Entwicklungsgebiete er­ Dimension», erklärt Knuser und versinnbildlicht schlossen und wirtschaftliche Impulse ausgelöst. damit das Erweiterungspotenzial des Modells. Ne­ Das Stadtmodell liefert Daten, die Gewerbetrei­ ben der Limmattalbahn sind bereits die Entwick­ benden und anderen Unternehmen helfen können, lungsräume Nord in Urdorf, Niderfeld in Dietikon die Chancen und Risiken von Investitionen in den und der Stadtplatz mit Stadtsaal in Schlieren ein­ neuen Hot Spots einzuschätzen. Bald sollen auch gebunden. Weitere Projektdaten von Städten, Ge­ Metadaten wie zum Beispiel von local.ch, Home­ meinden, Wirtschaft und Verbänden sollen folgen. gate oder anderen Webseiten in die Plattform ein­ Weil sie dank der digitalen Darstellungsform dann gebunden und zur Promotion von Produkten oder nicht nur räumlich, sondern auch in unterschiedli­ Dienstleistungen genutzt werden können. Ausser­ chen Planungsphasen abgebildet werden können, dem eignet sich das Modell als zeitgemässes Pla­ nehmen sie ihren Betrachter mit auf eine ganz neue nungsinstrument zur Stadtentwicklung und sichert Art der Zeitreise. als Diskussionsbasis für Fachleute, die öffentliche www.limmatstadt.ch, www.limmatstadt-digital.ch AG Hand und Privatwirtschaft die Zusammenarbeit zur >Raumgleiter Seite 154 aktiven Gestaltung der Region.

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Dank detaillierter Projektdaten lässt sich bereits die Fassade der noch nicht realisierten Kantonsschule Urdorf abbilden.


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«Der Kostentreiber sind die grösseren Flächen pro Kopf, pro Schulklasse, pro Pflegebett.» Text: Christine Marie Halter-Oppelt Fotos: André Odermatt, Hans Wicki, Markus Mettler

Wir luden André Odermatt, Zürcher Stadtrat und Vorsteher des Hochbaudepartements, Hans Wicki, Ständerat aus dem Kanton Nidwalden sowie Präsident von bauenschweiz, und Markus Mettler, CEO der Halter AG, zum WhatsApp-Chat ein. Die Themen: Erstellungskosten, Verdichtung, Denkmal- und Heimatschutz, günstiger Wohnungsbau, Mobilität.


André Odermatt, Zürcher Stadtrat und Vorsteher des Hochbaudepartements

Hans Wicki, Ständerat aus dem Kanton Nidwalden und Präsident von bauenschweiz, der Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft

Markus Mettler, CEO der Halter AG

Komplex Danke, dass Sie sich zu unserem Experiment, einen Chat anstelle eines Interviews zu führen, bereit erklärt haben. Aus­schlag für diese Runde gab die Kolumne «The Happy Few» von Markus Mettler in der «Komplex»-Ausgabe von 2017. Dort machte er die Aussage, die öffentliche Hand würde zwanzig bis vierzig Prozent teurer entwickeln, planen und bauen, als dies für die primär avisierte Funktion nötig wäre. Wie stehen Sie dazu? Hans Wicki Es ist halt wie so oft im Leben. Das Ganze ist nicht so einfach, wie von Markus Mettler beschrieben. Man muss schon etwas differenzierter argumentieren. Erstens: Es gibt durchaus Unterschiede. In kleinen, aber feinen Kantonen oder Gemeinden wird der Franken für gewöhnlich zweimal umgedreht, bevor er ausgegeben wird. Sie planen meist auch nur so viel wie nötig und lassen ab und zu den gesunden Menschenverstand walten. In den reichen und grossen Kantonen oder Gemeinden werden die Planungen oft nicht von der Exe­ kutive gemacht. Da kann die Aussage von Herrn Mettler zutreffen. Zweitens: Es kommt teurer, wenn das Parlament mitreden darf. Unser demokratisches System lebt davon, dass Mehrheiten gefunden werden müssen. Da werden halt auch Geschenke verteilt. So kann die Planung und Ausführung durchaus verteuert werden. Drittens: Bei Bauprojekten darf das Volk seine Meinung kundtun und fordert ab und zu auch unnötige Sachen. Wieso sollte ein Exekutivmitglied seine Wiederwahl gefährden, indem es weniger plant und baut, als das Volk will? Viertens: Planung heisst auch absichern vor Kostenüberschreitungen. Wer will schon Nachtragskredite beim Parlament oder Volk beantragen? So dürfte es verständlich sein, dass eher zu viel und dadurch auch zu teuer geplant wird. Ich kann nur für den Kanton Nidwalden sprechen. Dort wird auch bei der Planung gespart. Vielleicht fürchtet sich die Firma Halter, in diesen Kantonen tätig zu werden, weil dort eben weniger verdient werden kann. André Odermatt Mein Amt für Hochbauten verbaut in Zürich jedes Jahr deutlich über 300

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Millionen Franken. Herr Mettler meint, das Gleiche wäre auch für 180 bis 240 Millionen zu haben? Schön wärs. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe ein beschränktes Budget, darum muss jeder Franken umgedreht und richtig investiert werden. Das heisst: nicht nur auf die Erstellungs-, sondern auch auf die Lebenszykluskosten achten. Denn die muss – im Gegensatz zu den Total- und Generalunternehmern – auch die Stadt berappen. Markus Mettler Es gibt zwei wesentliche Gründe, wieso die öffentliche Hand dreissig bis vierzig Prozent zu teuer baut. Zum Ersten ist es eben nicht das Volk, das zu viel bestellt, sondern es sind die unzähligen Politiker, Amtsstellen und ihnen nahestehenden Organisationen und Personen, die an jedem öffentlichen Bauprojekt aus Partikularinteressen im Vorder- oder Hintergrund mitbestimmen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Ein Projektleiter bei der öffentlichen Hand muss deshalb schon aus Selbstschutz immer das grösste gemeinsame Vielfache planen, um dann selbstverständlich irgendwann im Prozess die obligate Sparrunde orchestrieren zu können, die dokumentieren soll, dass man mit den Steuergeldern sorgsam umgeht. Am Schluss dieses Prozesses kostet dieser sogenannte Kompromiss immer noch mindestens zwanzig Prozent mehr, als dies für die eigentliche Funktion notwendig wäre. Zum Zweiten haben die von der öffentlichen Hand beauftragten Planer absolut kein Interesse an «Lean Design and Construction». Je höher die Kosten, desto höher die Honorare: Das ist das unselige Prinzip in der Schweiz. Der Lohn für unternehmerisches, integriertes Planen ist weniger Honorar, dafür mehr Aufwand und Risiko. Kein Wunder, bestehen die meisten Projektplanungen aus isolierten, nicht auf­einander abgestimmten und in der Ausführung teuren Teil-Gewerkplanungen, bei welchen man mindestens weitere zwanzig Prozent sparen könnte ohne Einschränkungen der bestellten Funktion. Die Lebenszykluskosten stehen im Übrigen im direkten Zusammenhang mit den ursprünglichen Investi­tionskosten. Was könnte die Stadt Zürich mit geschätzten

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jährlich eingesparten 120 Millionen Franken und entsprechend reduzierten kumulierten Lebenszykluskosten alternativ bewegen? Was Zürich Nidwalden voraushat, ist, dass der Wettbewerb im Baumarkt spielt. In ländlichen Kantonen besteht hingegen eine klare Abschottungstendenz gegenüber Unternehmen «von aussen», beziehungsweise die lokalen Unternehmer schauen schon, dass die Preise «stimmen». Das kostet dann nochmals etwas mehr . . . Komplex Möchte noch jemand zu Markus Mettlers Ausführungen Stellungen nehmen? Hans Wicki Eigentlich ist zu diesem Thema alles gesagt worden. Regierungsverantwortung sowie Mitsprache des Volkes und des Parlaments bei Entscheidungen sind eben andere Voraussetzungen als in einem Unternehmen, in dem alle die gleichen Ziele verfolgen. Markus Mettler Genau weil das so ist, sollte man alternative Modelle entwickeln, die diese Klippen beziehungsweise diese Zielkonflikte umschiffen. Der gesellschaftliche Nutzen, den eine Produktivitätssteigerung der Bauindustrie bringen könnte, wäre enorm. André Odermatt Es stimmt, das Bauen bei der öffentlichen Hand ist komplexer: verschiedene Ansprüche, demokratische Entscheidungen. Für private Bauherrschaften ist das zu komplex. Wir bauen nicht teurer, aber es wird mehr bestellt. Darum habe ich kurz nach meinem Amtsantritt das Projekt «Kostenklarheit» auf Stadtebene gestartet. Mit dem Resultat, dass wir nun vor allem durch Flächenreduktion Millionen einsparen. Hans Wicki Herr Mettler, wie wollen Sie den Zielkonflikt umschiffen, ohne unser Demokratiesystem zu gefährden? André Odermatt Da muss ich mich einmischen: Die Welt ist mehr als die Bauindustrie. Die Zielkonflikte sind systemimmanent. Diese sind nicht zu umschiffen, sondern offenzulegen und auszuhandeln. Markus Mettler Das Problem ist nicht unser Demo­kratie­system, sondern dass die Besteller-Rolle


und versteckte Reserven. Sie sind der Nährboden für das von mir beschriebene System mit seinen Fehlanreizen und führen zu einer Kostenspirale. Verhindern lässt sich dies, indem die demokratisch legitimierten Bestellungen funktional ausgeschrieben werden. So spielt der Markt- und Innovationsdruck am Anfang und verhindert den Filz. Das müsste auch bauenschweiz im Inte­resse einer nachhaltigen Entwicklung der Branche so sehen. André Odermatt Der Stoff, aus dem die Träume von Kartellen sind, ist der Filz. Aber demokratisch ausgehandelte Bestellungen werden nicht nur funktional ausgeschrieben, jede grössere Vergabe muss – wie jedermann weiss – in die Submission. Wir vergeben fair, aber nicht zu teuer. Der Markt spielt bei uns sehr gut. Es sei denn, die Bauunternehmer sprechen sich untereinander ab . . . Hans Wicki Jetzt wirds aber spannend . . . Haben wir in Zürich denn ein Filz- und Kartellproblem? Und das nach zwanzig Jahren links-grünem Stadtrat? Komplex K Da die Antwort ausbleibt, hier eine neue Frage: Ist das Bauen in der Schweiz nicht generell viel zu teuer, und woher kommt das? Hans Wicki Die Frage kann ganz einfach beantwortet werden: Die Gründe sind der Wille zur Perfektion, der erreichte Wohlstand und das Verlangen nach Sicherheit. Darum entstehen auch immer mehr Regulierungen, die die gehorsamen Bauherren alle erfüllen. André Odermatt Der grösste Kostentreiber bei unseren Bauten sind die grösseren Flächen pro Kopf, pro Schulklasse, pro Pflegebett und so weiter – ja, Bauen in der Schweiz ist teurer, genauso wie Lebensmittel, wie Ferien, wie Medikamente eben. Die teuersten Regulierungen werden übrigens im Bundesparlament erfunden. Nicht gerade eine links-grüne Hochburg. Markus Mettler Eine Submission kann detailliert oder funktional erfolgen. Wer detailliert ausschreibt, ermöglicht die besagten

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in die Planungsphase delegiert wird. Ihre Initiative zur Kostenklarheit und Offenlegung der Zielkonflikte kann ich voll und ganz unterstützen, Herr Odermatt. Nur sollte das nicht nach dem Planungsprozess stattfinden, in welchem heute die Zielkonflikte verdeckt hineingetragen werden, sondern bereits beim Projektstart. Das wäre im Zeitalter der Digitalisierung problemlos möglich. André Odermatt Voll einverstanden. Die Bestellung muss vor der Planung abgeschlossen sein. So machen wir es in Zürich. Nachher gibt es keine Änderungen mehr, oder diese werden auf höherer Ebene qualifiziert bewilligt. Hans Wicki Habe ich das richtig verstanden, Herr Odermatt? Der Zürcher Stadtrat bestellt und macht danach die Planung? André Odermatt Die strategische Immobilienplanung (der Versicherungswert von städtischen Immobilien beträgt in der Stadt Zürich über 14 Milliarden Franken) läuft selbstverständlich vorher. Aber die Planung für ein konkretes Bauprojekt wird erst nach Eingang einer kritisch überprüften Bestellung gestartet. Und manchmal braucht es zuvor einen Einigungsprozess auf der exekutiven Ebene. Dabei stehen Kosten, Qualität und Termine im Zentrum. Hans Wicki Das heisst, auch in Zürich geht man mit einem Vorprojekt in die parlamentarische Debatte. Wo sieht Herr Mettler denn hier ein Einsparpotenzial von zwanzig bis vierzig Prozent? André Odermatt Ich präzisiere: Die Exekutive kann ungebundene Mittel bis 2 Millionen Franken bewilligen, bis 20 Millionen entscheidet das Parlament, dann die Stimmbevölkerung. Es ist allerdings klug, das Parlament bei Richtungsentscheidungen früh einzubinden und zu verpflichten – zum Beispiel mit einem Projektierungskredit, der die Gesamtbestellung schon abbildet. Markus Mettler Das tönt alles sehr gut. Doch das Pro­ blem ist die mangelnde Kostentransparenz beim Projektstart. Es gibt offene


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kostspieligen Planungsauswüchse und versteckt sich hinter der (korrekten) Aussage, dass diese kostenbestimmenden Auswüchse anschliessend ordentlich im Baumarkt submittiert werden. Wenn man das Falsche richtig ausschreibt, wird das Resultat nicht besser! Funktionale Ausschreibungen setzen nach der Bestellung, aber vor der Planung an und verhindern so die Auswüchse. Wieso werden sie nicht mehr durchgeführt? André Odermatt Nun drehen wir uns im Kreis. Die Politik als demokratische Ausmarchung ist mit der reinen funktionalen Ausschreibung nicht kompatibel. Aber ich bin für diese Diskussion durchaus offen. Leider lehrt die Erfahrung, dass General- und Totalunternehmer reine Zielausschreibungen nutzen, um die Qualität so zu drücken, dass die Mängelliste auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler riesig wird. Markus Mettler Es ist vollkommen klar, dass die Profiteure das heutige System mit allen Mitteln verteidigen wollen. Mit demokratischer Ausmarchung hat das allerdings nichts zu tun, insbesondere wenn die Bestellung vor der Planung klar ist. Und auch das immer wieder ins Spiel gebrachte Bild vom bösen Generalunternehmer genügt nicht. Funktionale Ausschreibungen sind Gesamtleistungswettbewerbe, die in der Mehrheit sehr erfreuliche, das heisst, qualitätsvolle, innovative und kostengünstige Resultate bringen. Die schlechten Erfahrungen, die Sie ansprechen, betreffen vor allem TU- oder sogar GU-Submissionen, in welchen Unternehmer einfach die vorgelagerte, inkonsistente Planung zum Rechnen vorgesetzt bekommen. Hier sind Konflikte im Bau vorprogrammiert. Der vermeintliche Gewinner setzt sich hier quasi freiwillig in die Nesseln. Die Halter AG verzichtet als Gesamtleister deshalb konsequent auf die Teilnahme an solchen Submissionen. André Odermatt Die «Profiteure des heutigen Systems» sind bei uns Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Betagte, Sporttreibende, Kranke, Wohnungssuchende

mit kleinem Portemonnaie, Quartierbewohnerinnen und -bewohner, Kulturkonsumenten, Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, Auftragsnehmer (vor allem aus dem Raum Zürich). Die Aufzählung ist nicht vollständig. Sie zahlen Steuern. Für sie und für diejenigen, die nach ihnen kommen, bauen wir. Markus Mettler Ja, das ist wohl so und lässt sich heute politisch offensichtlich gut verkaufen – auch wenn pro Bauprojekt jeweils immer nur ein paar wenige Auserwählte aus Ihrer nicht abschliessenden Liste profitieren: eben «The Happy Few». Wenn das Volk das so will, ist das ja auch vollkommen okay; so funktioniert Demokratie. Wichtig ist nur die Transparenz. Komplex K Es herrscht offenbar Konsens darüber, dass in der Schweiz das Bauen zu teuer ist. Weniger Übereinstimmung ist allerdings bezüglich der Ursachen und Rezepte spürbar. Deshalb möchte ich nun einen neuen Aspekt ins Spiel bringen: Könnte vielleicht die Verdichtung zu einer Reduktion der Wohnungskosten beitragen? André Odermatt Wir reden hier von einer Reduktion der Erstellungs-, nicht der Mietkosten. Antwort dazu: Für die «grüne Wiese» gilt das vielleicht, aber Bauen im Bestand ist teurer, weil komplexer. Und weil es in Zürich keine freien Flächen mehr gibt, muss vor allem im Bestand gebaut werden. Wie auch immer: In der Stadt Zürich lohnt sich das Investment in den Wohnungsbau – auch wenn er teurer ist. Die Rendite stimmt. Hans Wicki Verdichtung ist ein guter Ansatz, um die ungebremste Ausdehnung der Bauzonen einzudämmen. Das bedeutet, in die Höhe zu bauen und so zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Die Ansprüche an den Wohnraum pro Kopf sowie an die Qualität der Wohnung werden dadurch aber nicht reduziert, und folglich können auch die Kosten nicht reduziert werden. André Odermatt Neue Bauzonen gibt es in Zürich nicht mehr. Dafür haben wir noch enorme Reserven in der bestehenden Bau- und Zonenordnung. Die Stadt lässt sich also


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Markus Mettler Zuerst muss die Qualität des Projekts stimmen. Anschliessend gilt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das bedeutet, hier sind wir auf Volksvertreter angewiesen, die etwas bewegen und unterstützen wollen – im Prozess und in der Kommunikation. Fehlt dies, muss man es gar nicht erst versuchen. Instrumente sind nur Hilfsmittel, unabdingbar ist das persönliche Commitment der Opinion Leader. André Odermatt Einverstanden! Qualität ist zentral. Sozial und ökologisch. Und die Rechnung muss aufgehen – für alle. Hans Wicki Ich stimme zu. Aber Verdichtung heisst doch grundsätzlich, dass der Bedarf an Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf sinkt. Bei der aktuellen Erbengeneration ohne Kriegserlebnis wird es schwierig, diesen Trendwandel herbeizuführen. Man kann es sich ja leisten. Ökologie und Qualitätsansprüche haben bei uns halt ihren Preis. Und vermutlich lässt sich dies auch nur über die Kosten steuern. Den resultierenden Mehrgewinn jedoch nur den Bauherren zu überlassen, widerstrebt mir allerdings auch. Markus Mettler Preisgünstige Wohnungen sollten auch weniger kosten, das heisst, kompakter und einfacher gebaut sein. Deshalb sollte nicht die öffentliche Hand planen und bauen, denn die Anspruchshaltung ist gross. Übrigens: Hohe Dichten führen automatisch zu einer guten Durchmischung und einem Anteil bezahlbarer Wohnungen. Aber ja: Mehrwertabgaben bei Um- und Aufzonungen sind legitim. Sie sollten aber nicht in irgendwelchen kantonalen oder nationalen Töpfen landen. Die Hoheit darüber muss bei den Städten und Gemeinden bleiben, die diese wieder zweckgebunden in ihre Infrastrukturen investieren müssen. Hans Wicki Ich bin völlig bei Herrn Mettler und denke auch, dass preisgünstige Wohnungen nicht von der öffentlichen Hand gebaut werden müssen. Aber preisgünstig heisst weniger Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf und weniger Luxus.

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verdichten, und gleichzeitig wird sie an Qualität gewinnen. Das ist unser Anspruch mit dem kommunalen Richtplan, den wir aktuell erarbeiten. Damit die zusätzlichen 80 000 Einwohnerinnen und Einwohner, die in den nächsten zwanzig Jahren nach Zürich ziehen, gerne hier leben. Markus Mettler Verdichtung an integrierten Lagen, sofern sie relevant ist, löst fast alle Probleme: mehr Wohn- und Arbeitsraum und damit eine tendenzielle Entlastung der Mieten, geringere Baukosten pro Zusatzfläche und damit ein höherer Anreiz für Eigentümer zu investieren, ein besserer ökologischer Fussabdruck, höheres Potenzial für Erdgeschossnutzungen und damit eine höhere städtebauliche Qualität. Die generelle Bereitschaft der öffentlichen Hand und Politik ist deutlich spürbar. Demgegenüber sperren sich in vielen Fällen die sich urban wähnenden Anwohner und die mittlerweile unzähligen Heimatund Denkmalschutzorganisationen. Letztere haben den Entwicklungsdruck in der Schweiz als Geschäftsmodell entdeckt. Hans Wicki Heimat- und Denkmalschutz ist ein gutes Stichwort. Das ist übrigens Sache der Kantone und Gemeinden. Diese machen Schöngeistkonzepte, mit denen sie den Heimatschutz proklamieren und dann jammern, wenn Einsprachen kommen. André Odermatt Als Vorsteher des Hochbaudepartements darf ich nicht nur die Stadt weiterentwickeln, sondern bin auch der politische Vorgesetzte der städtischen Denkmalpflege. Entwickeln und Schutz sind keine Gegensätze. Es braucht solide Fakten und gesundes Ermessen. Was uns im Moment Bauchschmerzen macht, ist das ISOS (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder) vom Bund. Als Information taugt es, als direkte Rechtsanwendung nicht. Komplex Verdichtung ist offenbar angesagt, doch der Widerstand ist vielfältig. Welche Instrumente gibt es, um relevante Verdichtung trotz vielschichtiger Interessen im städtischen Kontext realisieren zu können?


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Besteht dafür eine Nachfrage? Wenn ja, nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch in den Agglomerationen? Markus Mettler Ja, sie besteht. Wir haben derzeit zahlreiche Projekte mit Kleinstwohnungen und im kostengünstigen Wohnungsbau. Nicht alle Menschen wollen gleich leben. Wie bei Ferien, Autos, Schmuck, Wein oder Essen sind sie bereit, individuell für das Produkt zu bezahlen. Aber die Frage ist berechtigt: Die Immobi­ lienbranche hat diesen Gedanken in den vergangenen Jahren vernachlässigt und zu viel vom Gleichen gebaut – einerseits weil Normen und Regulierungen es heute verunmöglichen, radikal einfach und günstig zu bauen, andererseits weil sie schlicht zu wenig innovativ war. André Odermatt Ein paar Fakten aus der Stadt Zürich: Pro Kopf konsumieren Bewohnerinnen und Bewohner in der eigenen Wohnung 53 Quadratmeter, in einer privaten Mietwohnung 40 Quadratmeter und im gemeinnützigen Wohnungsbau 33,8 Quadratmeter. Das Preis-LeistungsVerhältnis bei Genossenschaften und Stadt ist markant besser. Übrigens bauen diese wieder kleinere Wohnungen. Und im Gegensatz zum privaten Wohnungsmarkt sind sie der Spekulation entzogen. Markus Mettler Genossenschaften haben wirklich eine Berechtigung. Wir sind selber in diesem Segment tätig und haben letztes Jahr mit einer eigenen Wohnbaugenossenschaft einen Investorenwettbewerb der Stadt Bern für gemeinnützige Wohnungen gewonnen. «Spekulationsentzug» ist ein von der Politik gemachtes Schlagwort gegen das Feindbild Investor. Es wird in den meisten Fällen nicht spekuliert, sondern langfristig investiert, oft mit unseren Vorsorgegeldern. Richtig ist, dass dort, wo die öffentliche Hand vergünstigt Land abgibt, sie die langfristige gemeinnützige Zweckbindung sicherstellt und so verhindert, dass der Bauträger aus einem Verkauf einen Gewinn erzielen kann. Das ist auch richtig so. Aber auch dem bis heute geschützten Genossenschaftsmarkt tut Wettbewerb gut. Die Stadt Bern hat dies erkannt.

André Odermatt Ich begrüsse das Engagement privater Investoren und Bauherrschaften, die sich dem preisgünstigen Wohnbau annehmen. Gegen eine faire Rendite habe ich auch nichts einzuwenden. Doch weil Zürich so attraktiv ist, ist die Nachfrage nach Immobilien als sichere Anlage gross. Da wird dann eben leider auch spekuliert. Aber ich gebe Herrn Mettler Recht. Es gibt sehr engagierte private Investoren, die einen wichtigen Beitrag zur durchmischten Stadt leisten. Hans Wicki Ich befürchte, jetzt sind wir am Punkt der Einigkeit angelangt, und bevor wir uns umarmen, wäre vermutlich ein neues Thema gut. Komplex K Gerne. Die Mobilität bestimmt in einem hohen Mass die Siedlungsentwicklung und den Städtebau. Themen, die seit Jahren auf der Agenda stehen, sind: Lärm, Stau, Parkplätze, Verkehrsraum vs. Stadtraum, ÖV vs. Individualverkehr. Wie sollen wir damit umgehen, gerade auch im Hinblick auf neue Entwicklungen wie Elektromobilität, Sharing-Konzepte oder autonomes Fahren? André Odermatt Richtig – die Mobilität ist ein zentrales Thema der Stadt- und Raumplanung. Umso ärgerlicher sind daher die rückwärtsgerichteten Grabenkämpfe. Heute ist professionellen Planerinnen und Planern klar: Unsere Mobilität muss und wird schon bald eine andere sein. Jedem sein Auto, um damit ins Zentrum zu fahren, ist kein Rezept für die Zukunft. Sonst ist die Stadt nicht verdichtet, sondern verstopft. Markus Mettler Absolut einverstanden. Leider müssen die Planer Normen anwenden, die sehr unflexibel sind, und generelle Vorgaben machen, statt konkrete Ziele zu definieren. Sachlich kann man wegen der Mobilität an integrierten Lagen nicht nicht verdichten. Immer öfter kritisieren im gleichen Projekt die einen Parteien zu wenige und die anderen zu viele Parkplätze . . . Tatsächlich müssen wir als Entwickler heute eher zu viele erstellen. Hans Wicki Mobilität ist eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für einen attraktiven


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der Künste auf dem Toni-Areal empfängt Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt. Ende der Aufzählung, aber nicht das Ende der grossen Würfe. Hans Wicki Nun gut, unter grossen Würfen verstehe ich Gotthardtunnel, National­strassen­netz, Jungfraubahn, Zahnradbahn Pilatus etc. Alle diese Werke würden heute vermutlich nicht mehr gebaut. Vielleicht liegt es daran, dass wir unsere Systeme (Soziales, Mobilität) wie auch unsere Politik (Gesellschaft, Wirtschaft) sehr gut ausgebaut haben, von den Errungenschaften unserer Vorfahren profitieren können und in Sicherheit ein geruhsames Leben in einer wunderbaren und attraktiven Region geniessen. Das macht träge und mutlos. Wieso sollten wir ein Risiko eingehen, damit es die nachfolgenden Generationen gut haben, wenn es uns heute ohne dieses Wagnis viel besser geht? Was man gegen diese Wohlstandstendenzen machen kann? Nicht aufgeben, weiter für die guten Sachen kämpfen und sich über die kleinen Errungenschaften und Werke freuen. Markus Mettler Hier zeigen sich die grundlegenden Unterschiede: Die einen sind stolz auf das Erreichte, verwalten das Erbe unserer Vorfahren und führen dabei die allgemeine Wohlfahrt vor allem auf das eigene Wirken zurück. Die anderen sehen in der Bewirtschaftung des Erbes vor allem Investitionen in die Gegenwart, aber keine Investitionen in die Zukunft. Ich meine, wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, auch Letzteres zu tun!

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Standort und eine prosperierende Wirtschaft. Dies trifft sowohl für verdichtete Wohn- als auch Industrie- und Dienstleistungszonen zu. Die Logistik wird immer auf der Strasse sein. Darum braucht es gut ausgebaute ÖV- und MIV-Infrastrukturen, die ein funktionierendes System ermöglichen. Das sollten mittlerweile auch die Ökologie-Fokussierten erkannt haben. Aber solange wir über die Anzahl der Parkplätze streiten müssen, bin ich nicht sicher, ob sie überhaupt eine funktionierende und prosperierende Wirtschaft wollen. Markus Mettler Ja, das klassische Gewerbe ist noch auf Parkplätze angewiesen, und es ist vollkommen klar, dass dieses heute aus den Städten verdrängt wird. Fast zynisch ist, dass in Entwicklungen trotzdem teilweise Tausende von Quadratmetern Gewerbeflächen verlangt werden, weil man sich davon quirlige Quartiere erhofft. Diese funktionieren allerdings nur in wirklich grossen Dichten wie zum Beispiel in Paris oder mit Parkplätzen und exogenem Verkehr. Beides ist bei uns nicht gewollt. Da können sogenannte Sozialraumplaner noch so lange bezahlte Forschungsarbeiten schreiben und behaupten, die Mietpreise seien zu hoch oder die Nutzungskonzeption sei falsch, wenn die Flächen dann leer stehen . . . Komplex Warum schaffen wir es in der Schweiz, insbesondere in Zürich, nicht, die grossen Würfe zu realisieren. Und was wäre zu tun, um dies zu ändern? André Odermatt Zürich fällt nicht mit grossen Würfen auf, weil Zürich an sich und in seiner Gesamtheit ein grosser Wurf ist. Regelmässig wird Zürich zu den Städten mit der weltweit höchsten Lebensqualität gekürt. Und zur Erinnerung, hier unsere Bauten: tolle Erweiterung des Landesmuseums; markantes Kunsthaus von Chipperfield; die Europaallee – einmalig in der Schweiz. Besucherinnen und Besucher aus ganz Europa pilgern zu den Überbauungen Kalkbreite und «Mehr als Wohnen». Am See wird ein einzigartiges Kongresshaus mit der Tonhalle in neuem Glanz erstrahlen, und der eindrückliche Bau der Zürcher Hochschule


AUFBRUCH AM UFER DER AARE

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Text: Jürg Zulliger Foto: Eugen Thierstein, aus «100 Jahre Hammerwerke Müller» Visualisierung: Raumgleiter

Auf einem gut 11 000 Quadratmeter grossen Areal in Worblaufen, einem Ortsteil der Gemeinde Ittingen bei Bern, produzierten einst die Hammerwerke Müller. 2016 erwarb die Halter AG das ehemalige Industriequartier und veranstaltete einen Studienauftrag mit sechs renommierten Architekturbüros. Daraus ging das Wohnbauprojekt Lungomaare der Berner Architekten Büro B siegreich hervor.

Das Areal liegt direkt an der Aare, etwas unterhalb des Einflusses der Worble. Der Bahnhof Worblaufen ist nur ein paar Hundert Meter entfernt, und doch ist es hier sehr ruhig, geradezu idyllisch und grün. Der Blick schweift im vorderen Teil über den mit Bäumen gesäumten Uferweg. Auf der anderen Seite des Flusses erstreckt sich ein grösseres Waldgebiet. Im Westen blicken Besucher in die unverbaute Landwirtschaftszone, im Norden auf eine sanft ansteigende Wiese. Wie die künftige Bebauung am Hang dereinst aussehen wird, ist zurzeit noch offen, unten am Fluss ist die Planung in vollem Gang. Mit gut 11 000 Quadratmetern Fläche weist der Standort Hammerwerk grosses Potenzial für eine zukünftige Nutzung auf. KUNSTSCHMIED AM WERK

Obwohl die R. Müller AG im Jahr 2014 ihren Betrieb einstellte, sind die Öfen der alten Hammerschmiede nicht erloschen. Schon beim Betreten der früheren Fabrikhalle hört man, wie Metall geschlagen wird. Gerade stellt der Kunstschmied Christian Baumann eine Pfanne her. Dafür nimmt er ein glühend heisses, rundes Stück Eisen aus der Esse und hält es unter den Federhammer. Sogleich betätigt er den Fussbügel, und die über 100-jährige Maschine lässt ihr Hammerteil auf das Eisen knallen. Der erste Worblaufener Hammerschmied ist 1519 in Urkunden der bernischen Regierung vermerkt. Ab 1844 produzierte hier die R. Müller AG über mehrere Generationen Metalllegierungen und verschiedenste Teile aus Stahl. Der Betrieb erlebte manche Blütezeit. Im neuen, aufstrebenden Bundesstaat fanden sich gerade im 19. Jahrhundert viele namhafte Kunden. Darunter auch die eidgenössische Post, die praktisch alle Fuhrwerke und Postkutschen mit Wagenachsen aus der Hammerschmiede Worblaufen ausrüstete. Eine detaillierte Studie zur Industriegeschichte des Areals dokumentiert seine wechselvolle Geschichte. AM UFER VON AARE UND WORBLE LIESSEN SICH EINST INDUSTRIE UND GEWERBE NIEDER

Über Jahrhunderte hinweg waren in dieser Region vor allem entlang der Worble verschiedenste Industrie- und Gewerbebetriebe ansässig; sie wussten sich die Wasserkraft des kleinen Flusses zunutze zu machen. Eine historisch wertvolle Hammeranlage legt in Worblaufen bis heute Zeugnis davon ab: Die Maschine mit originalem, hölzernem Wellbaum


Nicht schützenswerte, ältere Fabrikationshallen weichen einem Wohnungsneubau: das Projekt Lungomaare der Berner Architekten Büro B.

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Die historischen Bauten der Hammerwerke an der Aare in Worblaufen: ehemaliger Firmensitz der 1844 gegründeten R. Müller AG.


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Das aus fünf Einzelgebäuden bestehende Geviert liegt direkt an der Aare. Der Bahnhof Worblaufen ist nur ein paar Hundert Meter entfernt.

und wassergetriebenen Schwanzhämmern stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie ist noch immer funktionstüchtig und wie das Gebäude industrie­ geschichtlich und kulturell dermassen von Bedeutung, dass beide unter Schutz gestellt sind. «Es war uns natürlich von Anfang an klar, dass bei einer Projektentwicklung auf dem Areal der Denkmalschutz einzubeziehen ist», erzählt Stefan Liechti, der zuständige Projektleiter bei Halter Entwicklungen. Er betrachtet dies aber nicht als Einschränkung der baulichen Möglichkeiten und denkbaren Varianten für eine Umgestaltung. Die aussergewöhnliche Lage und die Zeugnisse der Industriegeschichte sieht er auch als eine grosse Chance. Für die künftige Adresse und Identität eines Wohnungsneubaus schafft gerade dies ungewöhnliche und unverwechselbare Rahmenbedingungen. Schon unmittelbar nach der Stilllegung der R. Müller AG kehrte auf dem Areal neues Leben ein. Die ehemaligen Hallen dienen seitdem verschiedenen Handwerkern, Kleinfirmen, kreativen Dienstleistern und Künstlern als Arbeits-, Produktions- und Ausstellungsort. Auch die schweizweit bekannte Keramik-Firma Linck produziert und präsentiert hier ihre Vasen, Töpfe und Schalen.

Nebenan haben sich eine Fotografin, eine Textilgestalterin, der Künstler Gamelle und viele mehr niedergelassen. EIN STUDIENAUFTRAG MIT SECHS BÜROS

Die eindrücklichen Spuren der Industriegeschichte setzen zusammen mit den planungsrechtlichen Grundlagen die Rahmenbedingungen für die Projektentwicklung. Relevante Schritte sind inzwischen getan: Die notwendige Uferschutzplanung B Hammerwerke wurde 2017 von der Standort­ gemeinde Ittigen und vom Kanton bewilligt. Während das Areal früher als Industriezone definiert war, gilt es neu als gemischte Zone für Wohnen und Gewerbe. Bereits zuvor hatte Halter Entwicklungen unter sechs Büros einen Studienauftrag ausgeschrieben. Aus diesem ging das Projekt Lungomaare der Berner Architekten Büro B siegreich hervor. Geplant sind fünf neue Wohngebäude, die keinen Riegel gegen die Aare darstellen, sondern Durchlässigkeit und Offenheit zelebrieren. Auf 10 500 Quadratmetern Geschossfläche sollen 80 neue Eigentums- und Mietwohnungen entstehen. Dem Büro B gelang es durch seinen Entwurf


FÜR DIE HISTORISCHEN ANLAGEN WIRD EINE STIFTUNG GESUCHT

Die früheren Werkhallen mit den beschriebenen historischen Anlagen sowie ein Nebengebäude, in denen sich jetzt Gewerbe und Ausstellungsräume befinden, werden sanft renoviert. Die Charakteristik der Bauten muss im Wesentlichen erhalten bleiben. Grosse und helle Flächen sollen Raum für verschiedenste Nutzungen – Handwerk, Gewerbe, Büros oder Dienstleistungen – bieten. Diese Aufteilung des Areals bringt es mit sich, dass ein Bereich abparzelliert werden muss. Die ältesten Werkhallen und historischen Hammeranlagen könnten danach ins Eigentum einer Stiftung übergehen. «Wir führen gerade Verhandlungen mit Stiftungen, die für solche Liegenschaften aus der Industriegeschichte infrage kommen», erläutert Stefan Liechti. Für das Nebengebäude, das früher von der Industriellen­familie als Büro genutzt wurde, soll ein Drittinvestor gesucht werden. Der grössere Teil des

Areals, auf dem künftig die neuen Wohnbauten stehen werden, wird schliesslich ins Miteigentum der Bewohner übergehen. Der Projektleiter schätzt die gesamte Investitionssumme auf rund 66 Millionen Franken. Die Grundrisse der vom Büro B entworfenen Wohnungen sind nach einhelliger Ansicht der Jury von hoher Qualität. Die meisten Einheiten orientieren sich nach drei Seiten, bieten viel Licht und Ausblicke in den attraktiven Uferbereich oder hin zur grünen Auenlandschaft. Der Wohnungsmix legt sein Gewicht auf 4,5-Zimmer-Einheiten mit rund 105 bis 120 Quadratmetern Wohnfläche. Hinzu kommen noch etliche Studios, kleinere Apartments, aber auch grössere 5,5-Zimmer-Wohnungen. Die Entwickler streben ein Angebot im mittleren Preissegment an. Zum Zielpublikum könnten Paare gehören, die nach dem Auszug ihrer Kinder nach neuen Lebensformen suchen – die sogenannten «Empty Nesters» – und die Gefallen an der besonderen Lage in kürzester Entfernung zur Stadt Bern finden. Auch Angestellte der Swisscom in Worblaufen oder der Bundesverwaltung in Bern würden von den sehr kurzen Pendlerdistanzen profitieren. DIE BAUARBEITEN SOLLEN 2019 BEGINNEN

Alle Vorzeichen lassen darauf schliessen, dass an diesem geschichtsträchtigen Ort bald ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. Nach dem aktuellen Stand der Planungsverfahren könnten die Bau­ arbeiten bereits Anfang 2019 beginnen. Die künftigen Bewohner müssen also nicht mehr allzu lange darauf warten, bis sie sich an ihrem neuen Zuhause am Flusslauf und an der grünen Umgebung erfreuen können. Die Hammerwerke werden längerfristig in ein ansprechendes Wohnquartier und ein beliebtes Naherholungsgebiet eingebettet sein, das auch der Öffentlichkeit einen gepflegten Spazierweg bieten wird. Für die Künstler und Kunsthandwerker im Gewerbepark ist der Standort schon länger attraktiv und gut dafür geeignet, ihre Arbeiten ins rechte Licht zu setzen. Vielleicht wird der Worb­ laufener Kunstschmied Christian Baumann künftig sogar noch mehr Gelegenheit bekommen, das von ihm perfektionierte Handwerk Besuchern nahezubringen. www.hammerwerk.ch Halter Entwicklungen > Seite 146

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geschickt, den Neubau mit den verbleibenden historischen Teilen – die Hammerwerke im Osten und Süden des Areals – zu einem stimmigen Ensemble zusammenzuführen. Der Jurybericht hält fest: «Ausgehend von den grossen Linien der Fluss- und Hanglandschaft, stellt das Projekt mit wenigen, jedoch klar lesbaren Massnahmen eine neue Ordnung auf dem Areal her.» In seiner Mitte wird künftig ein öffentlicher Platz liegen, der die verschiedenen neuen und älteren Gebäude zueinander in Beziehung setzt. Überzeugend ist vor allem die südlich vorgesehene Erschliessung beziehungsweise Flusspromenade, die einen engen räumlichen und optischen Bezug zum Flussraum schafft. Ein weiterer Pluspunkt: Das Areal wird auch nach der Realisierung der Neubauten über grosse, grüne Freiflächen verfügen. Selbstverständlich bleibt der öffentliche Fussweg entlang der Aare bestehen, er wird sogar noch etwas verbreitert. Die uferbegleitende schöne Baumreihe soll zwar gelichtet werden, wird aber ebenfalls erhalten. Die Bauherrschaft und die beteiligten Planer haben noch keinen definitiven Entscheid zur künftigen Energieversorgung des Areals Hammerwerk gefällt. Im Vordergrund der Überlegungen stehen aber Varianten mit erneuerbarer Energie – entweder durch einen Anschluss an die lokale ARAFernwärme oder über die Realisierung von Wärmepumpen direkt auf dem Areal.


DER ENTWICKLER ALS GENOSSENSCHAFTSGRÜNDER

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Text: Herbert Zaugg Visualisierungen: Play-Time

Die Stadt Bern hat den politischen Willen für mehr bezahlbaren Wohnraum gesetzlich verankert. Nun sind private Wohnbauträger gefordert, auf dieses Marktbedürfnis einzugehen und entsprechende Lösungen anzubieten. Das Projekt Huebergass im Berner Quartier Holligen, für das die Halter AG die Wohnbaugenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» gegründet hat, zeigt exemplarisch, wie das möglich ist.

Wohnbaugenossenschaften haben eine lange Tradition. Bereits 1860, im Zuge der Industrialisierung, gab es die ersten Gründungen. Nach beiden Weltkriegen folgten wahre Boomwellen. In dieser Zeit wurden dreissig Prozent aller heutigen Genossenschaftswohnungen erstellt und ein Anteil von über zehn Prozent am gesamten Wohnungsbestand der Schweiz erreicht. Aktuell liegt der Marktanteil der gemeinnützigen Wohnungen bei knapp acht Prozent. Das Thema günstiger Wohnraum ist in den Medien und auf politischer Ebene ein Dauerbrenner. Eine erhöhte Nachfrage des Mittelstands nach bezahlbaren, städtischen Wohnungen sowie hohe Mietpreise verstärken den Druck und fordern politische Lösungen. FÜR BEZAHLBARE WOHNUNGEN

Um Einfluss zu nehmen, wurde in der Stadt Bern die Initiative für bezahlbare Wohnungen, auch Wohn-Initiative genannt, lanciert. Im Mai 2014 erhielt sie mit 71,56 Prozent den Zuspruch der Stimmberechtigten. Die Initiative umfasst eine Ergänzung der Bauordnung der Stadt Bern durch einen neuen Absatz sowie einen neuen Artikel zu preisgünstigem Wohnungsbau und gemeinnützigen Wohnbauträgern. Schon im Jahr 2004 beschloss der Berner Stadtrat, ein Pilotprojekt für erschwingliche Wohnungen mit Mieten von 200 Franken pro Zimmer und Monat umzusetzen. Dabei wurde ein Areal an der Mutachstrasse für eine Realisierung in Betracht gezogen. PRIVATE BLIEBEN BISLANG AUSSEN VOR

Bisher war der gemeinnützige und kostengünstige Mietwohnungsbau eine Sache von Wohnbaugenossenschaften oder Stadtliegenschaften – bis die Stadt Bern mit einem Investoren- und Projektwettbewerb für die Mutachstrasse den ersten Schritt in eine neue Richtung wagte. Gesucht wurde daraufhin ein Gesamtleister, der die Themen Kostenmiete, Gemeinnützigkeit, Architektur und Kosten sowie Investitionen in einer ganzheitlichen Lösung abbilden sollte. Bereits im Jahr 2013 erarbeitete die Halter AG zusammen mit der Pensimo Management AG und dem Bundesamt für Wohnungswesen eine Studie, in welcher die Erfolgsfaktoren von günstigem Wohnraum untersucht wurden. Diese zeigte auf, dass bezahlbare Lösungen immer über den Flächenverbrauch der Bewohner, das verbaute


Volumen, die Effizienz der Flächen sowie den ein- Stadtgarten». Ein Siedlungskonzept mit maximagesetzten Ausbaustandard steuerbar ist. len Mietkosten von 187 Franken pro Quadratmeter Hauptnutzfläche wurde anvisiert. WETTBEWERB HUEBERGASS Das Siegerprojekt Huebergass steht auf ganzer Zusammen mit dem Berner Architekturbüro GWJ, Linie für die Idee des gemeinnützigen Wohnungsden Zürcher ASP Landschafts­a rchitekten und baus. Das zeigt sich auch formal durch klare und dem Berner Sozialplaner Martin Beutler reichte einfache Baukörper, auf ein Minimum reduzierte die Halter AG den Wettbewerbsbeitrag Hueber- Zirkulationsflächen und Volumen, die nur dort gass ein. Er überzeugte die Jury des Investoren- zum Liegen kommen, wo sie wirklich gebraucht und Projektwettbewerbs für die Mutach­s trasse werden. Aktiv fördern möchte man auch die Komam meisten. Das Projekt soll nun die Grundlage munikation unter den Bewohnern sowie die Inteeiner zukunftsorientierten Entwicklung bilden und gration der Siedlung ins Quartier Holligen. Inzwiinnovativen, preisgünstigen Wohnraum auf dem schen zeigt sich, dass die Zielvorgabe der Mieten in Stadtgebiet ermöglichen. Dabei steht eine städte- gewissen Einheiten unterschritten wird und ein Teil baulich und architektonisch attraktive Überbau- der grösseren Familienwohnungen im Sinne der ung mit einer adäquaten Nutzerqualität im Zen­ Motion aus dem Jahr 2004 für 200 Franken pro trum, gleichzeitig sind die Realisierungskosten tief Zimmer und Monat angeboten werden kann. zu halten. Wettbewerbe wie dieser fördern Innovation «WIR SIND STADTGARTEN» und ermöglichen unkonventionelle Lösungen, Mit «Wir sind Stadtgarten» initiierte die Halter AG die das Zeug dazu haben, breite Akzeptanz zu er- auch die entsprechende Wohnbaugenossenschaft. langen. Darum engagierte sich Halter mit seiner Diese orientiert sich an den Vorgaben und Werten Entwicklerkompetenz für die Gründung der ge- des Dachverbands der Wohnbaugenossenschaften meinnützigen Wohnbaugenossenschaft «Wir sind Schweiz. Halter ist somit der erste professionelle

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Die Genossenschaftssiedlung Huebergass soll auch Begegnungszone sein. Über Holzanbauten mit Terrassen gelangt man in die Wohnungen.


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Die Küchen bilden das Herz der Genossenschaftswohnungen. Alle Grundrisse sind klar strukturiert, die Ausstattung verzichtet auf unnötige Details.

Die Familienwohnungen mit 3,5 und 4,5 Zimmern verfügen über einen durchgehenden, offenen Wohnbereich. Vor den Eingängen liegen die Terrassen.


NEUE WOHNFORMEN UND MOBILITÄTSKONZEPTE

Die familienfreundlichen Wohnungen zeichnen sich durch eine freie Nutzungszuordnung und Möblierbarkeit von gleich grossen Zimmern sowie dem Prinzip des Durchwohnens aus. Sie orientieren sich über den Eingang und grosszügig bemessene Terrassen auf die Gasse der Überbauung. Der Wohnungsmix ist mit mehrheitlich 4,5 und 5,5 Zimmern auf Familien ausgerichtet, bietet aber auch Wohn­ ateliers, 1,5-, 2,5- und 3,5-Zimmer-Wohnungen an. Das Herz jeder Einheit bildet die Küche. Sie ist, analog zur Gasse, als Treffpunkt gedacht. Sogenannte Cluster-Wohnungen im Erdgeschoss mit sechs bis acht Zimmern, einer Gemeinschaftsküche und einem langen Wohnzimmer bieten Raum für neue Lebensformen. Sie ermöglichen ein Nutzungsspektrum, das von Gross- und Alters-WGs über einzelne Gästezimmer bis hin zu «Abnabelungs»-Zimmern für Jugendliche reicht. Auch das Mobilitätskonzept überzeugt: Mit einem Einstellhallenparkplatz pro vier Wohnungen wird ein zurückhaltender Individualverkehr gefördert. Bietet ein Mieter sein Fahrzeug mindestens zu achtzig Prozent auf Sharing-Plattformen an, erhält er Parkplatz-Mietvergünstigungen. Inbegriffen in der Wohnungsmiete ist jeweils ein Mobility-Abo sowie ein Beitrag an Bernmobil. Der Mobility-Standort wird durch eine Elektrotankstelle ergänzt. Zudem plant der Fahrradverleiher PubliBike eine Station direkt im Quartier. Damit ist die Huebergass nicht nur bauwirtschaftlich ein Novum, sondern zeigt sich in allen Belangen am Puls der Zeit. www.wir-sind-stadtgarten.ch Halter Business Development > Seite 136 Halter Gesamtleistungen > Seite 138

HERBERT ZAUGG Herbert Zaugg ist Mitglied der Gruppenleitung der Halter AG. Als Mitarbeiter der ersten Stunde ist er massgeblich für die Entwicklung der Geschäftsstelle Bern verantwortlich. Er verfügt über eine langjährige Erfahrung im Bereich Projektentwicklung, Realisierung und Akquisition von Entwicklungsprojekten sowie Gesamtleisteraufträgen. In seiner Funktion als Leiter Business Development der Region Bern erarbeitet er neue Visionen und ist zusammen mit seinem Team auf konzeptioneller, strategischer und operativer Ebene für sämtliche Akquisitionen der Geschäftsstelle verantwortlich. Der gelernte Schreiner und Hochbauzeichner studierte an der SPA Aarau berufsbegleitend Bauplanung mit Vertiefungsrichtung Architektur. Durch die Abschlüsse DAS und EMBA sowie die Ausbildung zum Immobilientreuhänder rundete er sein Profil in den letzten Jahren ab. Herbert Zaugg wohnt in Herzogenbuchsee, ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

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Immobilienentwickler, der ein derart konsequentes Projekt umsetzt. Damit beweist das Unternehmen, dass mit einer klaren Haltung und Vorgehensweise halböffentliche Bauten zu wirtschaftlichen Konditionen und entlang den politischen Anforderungen realisiert werden können. Die enge Zusammenarbeit von Behörden, Gemeinde, Stadt und privatem Bauträger machte einen Wettbewerbsbeitrag möglich, der innovative wie überzeugende Lösungen liefert.


Drei Epochen, drei Konzepte Redaktion und Text: Christine Marie Halter-Oppelt

Was hat die Einrichtung in den letzten hundert Jahren bewegt? Welche gesellschaftlichen Trends haben das Design geprägt? Eine Zeitreise.

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1 Stuhl Sebastian Herkner entwarf «Mark» vor zwei Jahren für den niederländischen Möbelhersteller Linteloo. www.linteloo.com 2 Objekte Die Carwan Gallery in Beirut zeigte Ende 2017 Keramikarbeiten von MaryLynn Massoud und Rasha Nawam. www.carwangallery.com 3 Tisch Für Eisentisch «Brut» spannte Konstantin Grcic 2017 mit der italienischen Designmarke Magis zusammen. www.magisdesign.com

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Think Big Die Welt wird immer kleiner. Kulturen verschmelzen, Stile überlagern sich. Neue Technologien, industrielle Fertigung und Handwerklichkeit schliessen sich nicht länger aus.

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4 Teppich Auf der Neuheit «Kirman Robson Point Vendetta» verwischt Jan Kath die Elemente klassischer Orientteppiche. www.jan-kath.de 5 Bank Fünf Beine, schwarzer Lack, graues Leder: «Era» wurde im April am Salone del Mobile in Mailand präsentiert. www.livingdivani.it 6 Paravent Für «Minima Moralia» werden seit 2015 plissierte Faltstoren in ein filigranes Metallgestell eingepasst. www.dante.lu

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Pop Art Der Glaube an die Moderne hielt lange an, die Suche nach neuen Ausdrucksformen bewegte eine ganze Generation. Ihr Motto: Je ausgefallener, desto besser.

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7 Stuhl 1968 wurde Verner Pantons Entwurf erstmals vorgestellt. Nun gibt es eine limitierte glänzende Version. www.vitra.com 8 Dreisitzer Pierre Paulin designte «Pumpkin» 1971 für die Privaträume von Georges Pompidou im Élysée-Palast in Paris. www.ligne-roset.com 9 Sessel 1969 von Joe Colombo gestaltet, ist der «Tube Chair» heute Teil der Designsammlung des MoMA in New York. www.cappellini.it

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Bauhaus In Weimar sollten Kunst, Architektur und Design miteinander in Verbindung treten. Gesucht wurde eine neue handwerkliche Formensprache für industriell hergestellte Produkte.

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10 Hocker Im Geist des Bauhaus: Der robuste «Ulmer Hocker» wurde 1954 von Max Bill und Hans Gugelot entwickelt. www.wbform.com 11 Sessel Walter Gropius leitete das Bauhaus von 1919 bis 1926. In dieser Zeit entstand auch der mit «F51» bezeichnete Sessel. www.tecta.de 12 Sofa «Alpha Seating» liess Richard Neutra erstmals 1929 in das von ihm entworfene Lovell Health House einbauen. www.vs.de

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DURCH DIE DIGITALE BRILLE

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Text: David Strohm Fotos und Visualisierung: Raumgleiter

Augmented und Virtual Reality werden zum Standard in der Immobilienvermarktung. Leistungsfähige Programme machen die Materialauswahl, eine Möblierung in allen Varianten und virtuelle Rundgänge für Wohnungs­ inte­ressenten möglich. Beim Neubauprojekt Les Terrasses Volantes am Ufer des Neuenburgersees zwischen Saint-Blaise und Hauterive zog die Raumgleiter AG alle Register und entwarf ein erstaunlich realitätsnahes Bild.

Das Gerät vor den Augen wirkt klobig, die Bewegungen scheinen ungelenk. Mit einer überdimen­ sionierten, abgedunkelten Brille tastet sich die Testperson auf einem Teppich vorsichtig vor und zurück, geht zur Seite, dreht den Kopf. Was sie sieht, ist faszinierend – eine Scheinwelt, die so echt wirkt, als würde sie tatsächlich existieren: Die Gardinen vor den grossen Fenstern im Wohnzimmer lassen sich aufziehen, um die Aussicht zu geniessen. Auf der Terrasse kann man den Stand der Sonne verfolgen. Jedes Möbelstück darf versetzt, Lampen können an- und ausgeschaltet werden. Ein Flachbildschirm an der Wand zeigt das aktuelle Fernsehprogramm. Dabei ist die Musterwohnung der Überbauung Les Terrasses Volantes am Neuenburgersee, die zu einem Teil auf dem Gemeindegebiet von SaintBlaise und zum anderen auf dem von Hauterive liegt, erst im Bau, ein Besuch nur virtuell möglich. Noch stehe die Technologie am Anfang, in etwa vergleichbar mit den ersten Smartphones vor zehn Jahren, sagt Tom Böninger, Leiter Computer Generated Imagery & Graphics bei der Raumgleiter AG. Doch die Programme würden rasch Fortschritte machen, die für die Ansicht nötigen Brillen immer kleiner und leichter. Virtual Reality (VR), die täuschend echt erscheinende, aber in Wirklichkeit nicht vorhandene Realität, dringt laufend in neue Anwendungsfelder vor. Die Immobilienvermarktung, für die auch Tom Böninger Lösungen anbietet, ist eines davon. DIE VIRTUELLE MUSTERWOHNUNG

Für den Geschäftsführer des auf visuelle Kommunikation spezialisierten Unternehmens liegen die Vorteile solcher virtuellen Musterwohnungen auf der Hand: Sie stehen in der Regel deutlich früher zur Verfügung als ein Showroom, den man erst bauen und einrichten muss, zudem lassen sie sich ortsunabhängig und ohne zeitliche Einschränkungen nutzen. Bei Projektänderungen sind nötige Anpassungen, zum Beispiel bei den Grundrissen, innerhalb kürzester Zeit möglich. Praktisch ist das nicht nur, wenn Wohnungs­ interessenten sich ein erstes Bild verschaffen wollen, ohne gleich persönlich anzureisen. Die digitale Simulation bietet auch beliebig viele Ausstattungsmöglichkeiten. Ob Bodenbeläge, Wandfarben, Plättli, Armaturen oder Küchengeräte – in der Projektdokumentation lassen sich Dutzende Varianten und Materialien hinterlegen, die später an- und


ausgewählt werden können. Momentan funktioniert Virtual Reality nur in Bild und Ton, eine Erweiterung auf die Haptik, also das Fühlen von Materialien, ist Zukunftsmusik. «Bis wir alle Sinne ansprechen können, wird es noch eine Weile dauern», erklärt Tom Böninger. TRANSPARENZ, VERFÜGBARKEIT, SICHERHEIT

Schon früh erkannte Raumgleiter, der Spezialist für Architekturvisualisierungen, das Potenzial der Digitalisierung in der Immobilienvermarktung. Zusammen mit der Halter AG, die seit zwei Jahren eine Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen hält, stattete man den Decision Room aus, ein mit Grossbildschirmen und Virtual-Reality-Testbereich bestücktes Sitzungszimmer im Hard Turm Park in Zürich. Für Jacques Hamers, Geschäftsführer der Halter Immobilien AG, liegen die Vorteile der digitalen Immobilienvermarktung auf der Hand. Mit der Plattform liessen sich nicht nur viele Aufgaben effizienter gestalten, es gebe neben virtuellen Besichtigungen auch die Möglichkeit zu Terminvereinbarungen mit den Kunden. Für Les Terrasses Volantes entwickelte Halter diverse Kommunikationsmittel – Virtual Reality ist

ein Pfeiler davon und unterstützt das Bauvorhaben bis zu seiner Fertigstellung im Frühjahr 2019. Dann werden am Südhang des Chaumont vier Terrassenhäuser mit exklusiven 2,5- bis 5,5-Zimmer-Eigentumswohnungen stehen. Neben den individuellen Grundrissen mit offenem Wohn-, Koch- und Essbereich und nach Süden ausgerichteten, grosszügigen Privatterrassen wird noch ein weiteres Verkaufs­ argument zur Realität: der unverbaubare Blick über den See bis hin zu den Berner Alpen, den Freiburger Voralpen und den Savoyer Alpen. Bei der Ansprache von Interessenten gebe es weniger Streuverluste und dank moderner Kommunikationsmittel lasse sich vieles effektiver organisieren, sind die Verantwortlichen überzeugt. Im Vergleich zu herkömmlichen Werbemassnahmen wirke der detailgetreue Einblick in das Objekt viel überzeugender. «Damit können Interessenten heute schon erleben, was morgen gebaut wird», sagt Jacques Hamers. Schliesslich lasse sich die Präsentation mit einfachen Mitteln auf individuelle Kundenbedürfnisse, Herkunft, Alter, Interessen und Bonität der potenziellen Bewohner abstimmen. Transparenz, Verfügbarkeit und Sicherheit seien weitere Argumente für solche Lösungen.

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Die vier Terrassenhäuser des Projekts Les Terrasses Volantes am Neuenburgersee werden mithilfe von Virtual Reality vermarktet.


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NEUE DIGITALE WERKZEUGE

Wer die Virtual-Reality-Brille aufhat, der taucht in eine andere Welt ein.

Mithilfe von Drohnen, die über ein Grundstück oder eine Liegenschaft fliegen und dabei mehrere Tausend Aufnahmen machen, erzeugen die Programme von Raumgleiter anhand der Lagekoordinaten detailgetreue 3D-Aufnahmen. Dieses Verfahren nennt sich Photogrammetrie. Einzug hält es auch in die Planung und den Bau von Gebäuden durch das sogenannte Building Information Modeling (BIM), an dem derzeit in Architektur und Bauwirtschaft intensiv gearbeitet wird. Die neuen digitalen Werkzeuge sind aber nicht nur für Wohnungsinteressenten von Bedeutung, denen Optik, Ausstattung und eine emotionale Komponente besonders wichtig sind. Auch Geschäftskunden, beispielsweise externe Makler oder Bewirtschaftungsfirmen, erhalten damit Zugriff auf Daten und Fakten, Baubeschrieb sowie sämtliche technischen Details. Für beide Zielgruppen ist eine möglichst exakte Simulation des Objekts wichtig. «Künstliche Intelligenz wird schon bald in der Lage sein, bis zu neunzig Prozent aller rund um eine Liegenschaft auftauchenden Fragen zu beantworten», ist Jacques Hamers überzeugt. Ähnlich wie bei der Bestellung eines neuen Autos, für das sich Ausstattungsdetails und Zubehör individuell zusammenstellen lassen, werden Wohnungskäufer künftig mithilfe eines digitalen Konfigurators verfügbare Varianten für ein Objekt durchspielen können. Damit ist es möglich, die gleiche Wohneinheit fotorealistisch als Loft oder als 4,5-Zimmer-Wohnung darzustellen. DEN INNENAUSBAU SELBST GESTALTEN

Auf dem Tablet kann man den Blick über den Neuenburgersee geniessen.

Für den Innenausbau stehen unterschiedliche, auch preislich abgestufte Stile und Interieurs zur Auswahl. Küchen und Bäder können damit nach den eigenen Wünschen konfiguriert werden, eine Arbeit, die bisher von Innenarchitekten und Lichtplanern geleistet wurde. Gewählte Wohnungsvarianten lassen sich sodann exportieren und mit der Gebäudeplanung verknüpfen. Die digitalen Bildwelten entstehen in einem mehrstufigen Verfahren: Ausgangspunkt sind zurzeit noch zweidimensionale Pläne, zunehmend liefern die Architekten aber auch 3D-Modelle, aus denen eine erste virtuelle Ansicht entsteht. Nun können Elemente wie Möbel, Böden, Leuchten oder Pflanzen aus umfangreichen Bibliotheken eingefügt werden. Schliesslich lassen sich die


ERWEITERTER KOMMUNIKATIONSMIX

Noch funktioniert die Wohnungsvermarktung in aller Regel am besten mit einem Mix aus Online- und Offline-Massnahmen. Augmented und Virtual Reality können vor einer persönlichen Besichtigung stehen, ergänzen sie, ersetzen sie aber bislang nicht. Interessenten, die Materialien anfassen und befühlen möchten, tun dies erst im Showroom oder in der Musterwohnung. Schliesslich braucht es auch eine professionell gemachte Homepage mit guten Visualisierungen, Plänen und Fotos – sie dient der Vermittlung sämtlicher Informationen zu einem Objekt. Der Internetauftritt für die Terrassenhäuser am Neuenburgersee zeigt neben den virtuellen Rundgängen, Grundrissen und vielem mehr auch den mit einer Webcam eingefangenen Baufortschritt sowie die unmittelbare Umgebung der Baufelder. Die bekannten, klassischen Mittel wie gedruckte Broschüren, Anzeigen oder Plakatwerbung werden ebenfalls noch für eine Weile ihren Platz im Kommunikationsmix haben. Digitale Tools unterstützen die Wohnungsvermarktung aber bereits entscheidend. www.lesterrassesvolantes.ch Halter Entwicklungen > Seite 146 Halter Immobilien AG > Seite 152

ARCHVIEWER-APP Die für Tablets und grosse Handys entwickelte ArchViewer-App von Raumgleiter erlaubt es, Architektur mit den verschiedensten Mitteln zu erleben und zu beurteilen. Je nach Gerät kann der Benutzer Architekturmodelle mithilfe von Augmented Reality, Virtual Reality oder auf dem Bildschirm betrachten und in ihnen interagieren. Die Möglichkeiten reichen vom Städtebau inklusive eines Umgebungsscans über die Immobilienvermarktung und digitale Wettbewerbe bis hin zu Haustechnikmodellen, die direkt beurteilt werden können. Durch die Integration in Google-3D-Daten ist die Einbettung in den räumlichen Kontext darstellbar. Die App bietet so die Möglichkeit, jederzeit das digitale Portfolio zur Hand zu haben. Funktionen und Bedienbarkeit: Augmentierung mit oder ohne Bildmarker, 3D-Viewer auch ohne Augmented Reality, Standpunkte in beliebiger Höhe mit virtueller Begehung, Einbindung von Bildern und Panoramen, dynamischer Sonnenstand, mehrere Projekte offline verfügbar, einfaches Wechseln zwischen Modellen und Ebenen. Die Demo-Version ist für Windows, iOS und Android verfügbar. app.raumgleiter.com Raumgleiter AG > Seite 154

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Standpunkte des Betrachters und der Sonnenstand festlegen. Reale Foto- und Filmaufnahmen zu unterschiedlichen Tageszeiten ergänzen die digital generierten Bilder und Szenen. Am Schluss erfolgen Fotomontagen und Schnitt – eine Bildstimmung und realistische Atmosphäre entsteht. Makler, Berater und andere Branchenvertreter gehen davon aus, dass sich die Möglichkeit, eine Immobilie auf diese Weise vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen in der Woche von aussen wie von innen mit 360-Grad-Rundgängen und -Videos anzusehen, rasch durchsetzen wird. Viele Immobilienportale bieten dies bereits heute als Zusatzleistung an. Eine immer einfacher zu bedienende Aufnahmetechnik, zum Beispiel mit einer entsprechenden Mobile-App, macht sie auch für den Privatgebrauch nutzbar. An die Qualität einer High-End-Lösung, wie sie die Raumgleiter AG mit der ArchViewer-App entwickelt hat, kommen diese Anwendungen aber nicht heran.


VON PFERDEN, AUTOS UND ARCHITEKTEN

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Text: Matthias Standfest

Durch die Digitalisierung wird das Entwerfen immer weiter automatisiert. Ein Trend, der sich gut mit dem Siegeszug des Automobils im letzten Jahrhundert vergleichen lässt. Denn die Auto-Metapher eignet sich hervorragend dafür, die Einflüsse von Digitalisierung und Entwurfsautomaten auf die Rolle der Architekten und ihrer Auftraggeber darzulegen. Es stellt sich nun die Frage: Wurden in der Vergangenheit die falschen Adressaten angesprochen?

Die Automatisierung des architektonischen Entwurfsprozesses wird unter dem Label «Kyber­netik» bereits seit vielen Jahren an diversen europäischen Architekturschulen erforscht und gelehrt. Der Diskurs dreht sich um die immer wiederkehrende Fragestellung, wie sich der Architekt in einem Gefüge aus Algorithmen und Parametern den für ihn notwendigen Entscheidungsfreiraum schaffen kann. Soll er sich als Programmierer verstehen oder als Künstler? Als Ingenieur oder Theoretiker? Denn wenn ein Algorithmus ein Haus entwirft, wer ist dann der eigentliche Entwerfer? Genau diese Frage zur Urheberschaft hat einen äusserst trivialen Hintergrund: Der Urheber eines Entwurfs verdient mit seiner Leistung Geld. Wenn nun die Software eines Architekturbüros Hunderte von Gebäuden automatisch generiert, soll der Architekt dann auch Hunderte Male vollumfänglich (nach Honorarrechnung SIA) für diese Leistung entlohnt werden? Um die Forderung rechtfertigen zu können, haben sich in den letzten Jahren verschiedenste Stilblüten rund um das «generative Gestalten» entwickelt, die immer ausgefallenere Formen annehmen. Sie münden meist in einer Art digitalem Manierismus, der die Grenzen des physisch Machbaren auslotet. Ein Beispiel dafür sind die komplexen, individuell gefertigten Fassaden des aktuellen Architekturkanons, bei denen es sich eher um «generatives Dekorieren» als um zielgerichtetes Gestalten handelt. Natürlich ist die künstlerische Verwendung der inzwischen hochoptimierten digitalen Werkzeuge völlig opportun, sie schiesst aber an der initialen Frage der Kybernetik1 vorbei. Die Ursache liegt darin, dass mit der Digitalisierung bislang die falschen Adressaten angesprochen wurden. Architektur­ theoretiker, die sich mit Kunst und Kreativität auseinandersetzen, rücken natürlich das kreative Potenzial der neuen Technologien in den Vordergrund, während Literaturwissenschaftler ob ihrer Interessen eher Freude an ausgefallenen Wortkreationen2 als an technologischen Fragestellungen finden. Aus Furcht vor dem deterministischen Entwurfsautomaten, der Architektenjobs gefährden könnte, hat man an den Universitäten in vorauseilendem Gehorsam die nicht-künstlerischen Strömungen der Entwurfsautomatisierung über Jahre vernachlässigt – müssen sich die vereinzelten Theoretiker an den Architekturfakultäten doch primär in einem von Gestaltern dominierten Biotop durchsetzen


DER IMMOBILIENENTWICKLER AM STEUER

Das Automobil war ohne Frage eine der wichtigsten technologischen Entwicklungen der industriellen Revolution. Nicht weil es das Pferd als Antrieb für die Kutsche überflüssig machte, sondern weil es einen Geschwindigkeitsrekord nach dem anderen aufstellen konnte und damit die Qualität der Fortbewegung auf ein bis anhin ungeahntes Niveau zu heben vermochte. Analysiert man das Auto aus einer system­ theoretischen Perspektive, lässt es sich klar zur Black Box3 reduzieren: Der Fahrer trifft Richtungsund Geschwindigkeitsentscheidungen, um ein Ziel zu erreichen; das Fahrzeug als Black Box führt diese Befehle aus; als Resultat erreicht der Fahrer schliesslich sein Ziel. Dieser Prozess ist für Automobile wie für Pferdekutschen identisch. Genauso wie sich der Kutscher früher ein möglichst leistungsfähiges Pferd anschaffte4, wählt der Lenker eines Autos heute einen möglichst leistungsfähigen Motor. Ein Antrieb mag besser sein als ein anderer, die Aufgabe, effizient ein Ziel zu erreichen, bleibt aber gleich. Was sich innerhalb der Black Box Fahrzeug versteckt, spielt für den Fahrer also nur eine untergeordnete Rolle. Ob Pferd oder Motor, für ihn ist nur die Qualität der Umsetzung seiner Entscheidungen relevant. Wendet man dieses Bild nun auf das inzwischen vermehrte Auftreten von Entwurfsautomaten5 in der Architektur an, so sollten für eine Berufsgruppe die Alarmglocken laut zu läuten beginnen. Denn der grosse Irrtum der Architekten ist, dass sie sich bislang als Fahrer dieses Systems gesehen haben und von den meisten Theoretikern in ihrer Einschätzung unterstützt wurden. Mehr und mehr Forscher identifizieren derzeit aber die systematischen Zusammenhänge im Entwerfen umfassender6 und kommen damit zu einem ganz anderen Schluss: Die klassische Rolle des Architekten entspricht in der Auto-Metapher eher der des Pferdes. Nicht er lenkt oder hält die Zügel in der Hand, sondern der Auftraggeber entscheidet. So wie für den Autofahrer das schnelle und sichere Erreichen eines Ziels

relevant ist, hat eben auch der Bauherr klare Ziele vor Augen. Diese Neuausrichtung, weg von den Gestaltern, hin zu einer neuen Zielgruppe, hat auf die Entwicklung von Entwurfsautomaten massive Auswirkungen. Denn während sich Gestalter noch anhand von Publikationen in Hochglanzmagazinen messen und die Automaten dafür immer spektakulärere Bilder erzeugen lassen, kommt nun über Big Data und Evidence Based Design ein radikaler Neo-Positivismus auf. Das bedeutet: Computergestütztes Planen bewegt sich immer mehr weg vom künstlerischen Entwerfen und hin zur sachlichen KPI-orientierten Optimierung. Als Ultima Ratio lässt sich dadurch Architektur mit wissenschaftlicher Präzision über wirtschaftliche Kennzahlen wie Rendite oder Life Cycle Costs definieren. Genau wie Autos nicht entwickelt wurden, um Pferde zu ersetzen, ist das primäre Ziel hinter Entwurfsautomaten auch nicht jenes, Architekten zu ersetzen. Das Fahrzeug als Black Box wurde durch eine neue Variante ersetzt, welche die Aufgabe der Fortbewegung effizienter erfüllen konnte. Das Pendant zur Fortbewegung in der Metapher ist in der Architektur das Entwerfen. Hierzu ist bereits seit Jahren ein System in Kraft, mit dem in Architekturwettbewerben «bessere» von «schlechteren» Entwerfern unterschieden werden können. Der Entwickler mit seinen Zielvorgaben testet hierbei verschiedene Black Boxes, bis er zum gewünschten Ergebnis kommt. Auch hier nutzen immer mehr der teilnehmenden Entwerfer Algorithmen, um bessere Ergebnisse liefern zu können. Das beginnt bei einfachen Sonnenstudien und reicht bis zu komplexen Optimierungen im Krankenhausbau7. Das Verhältnis von menschlicher zu automatischer Arbeitsleistung verschiebt sich dabei zusehends zugunsten der Computer; bis die menschliche Leistung im Entwurfsprozess irgendwann ins Hintertreffen geraten wird und dann allmählich vollkommen verschwindet. Nicht nur, dass Computer viele Tausend Entwurfsvarianten auf Knopfdruck generieren und evaluieren, sie können innerhalb kürzester Zeit auch Zusammenhänge erkennen, an denen menschliche kognitive Fähigkeiten scheitern. Und so wie Autos zu einer neuen Qualität der Geschwindigkeit geführt haben, werden Entwurfsautomaten in der nahen Zukunft helfen, die Ziele der Immobilienentwickler schneller und besser zu erreichen und die Architekturqualität zu erhöhen.

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und begründen. Was aber, wenn man diese Werkzeuge nicht für Gestalter, sondern für Entscheider konzipieren würde? Wenn man mit den richtigen Stakeholdern als Zielgruppe arbeiten könnte? Hierzu lohnt es sich, hundert Jahre zurück auf die ersten Tage des Automobils zu blicken.


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EINE NEUE SCHLÜSSELTECHNOLOGIE

Das Entwerfen befindet sich durch die voranschreitende Digitalisierung klar im Umbruch. Die grosse Anzahl an Anspruchsgruppen in diesem gerade stattfindenden Prozess macht es schwierig, Schlüsseltechnologien auszumachen, deren Implementierung nicht Gefahr läuft, in wenigen Monaten wieder obsolet zu werden. Setzt man – bildlich gesprochen – noch auf schnelle Pferde oder schon auf langsame Autos? Und wenn, welche Automarke verspricht nachhaltigen Erfolg? Oder sollte man sogar nach einer Komplementär-Technologie Ausschau halten, die sich abseits des Rampenlichts etabliert? Um diese Fragen beantworten zu können, hilft es, noch einmal die Auto-Metapher zu strapazieren: Die wohl bekannteste Komplementär-Ressource, die durch den Aufstieg des Automobils an Wichtigkeit gewonnen hat, ist der Treibstoff. Erdöl und in den letzten Jahren vermehrt auch Lithium für Batterien verdanken ihren Wert grösstenteils dem gesellschaftlichen Mobilitätsbedürfnis. Im Vergleich hierzu ist bei den computergestützten Entwurfs­ automaten der Preis für Rechenzentren, Glasfaserverbindungen und Grafikkarten im Auge zu behalten. Es haben sich bereits Player angeschickt, auch in der Schweiz in diesen Markt vorzustossen. Daneben gibt es in neuerer Zeit eine zweite Schlüsseltechnologie, die dem Mobilitätsbedürfnis entsprungen ist und sogar noch enger mit der Technikgeschichte der Verkehrsmittel verwoben ist als die Frage nach dem Treibstoff: das Thema der Navigation. Denn egal ob man Porsche oder Trabant fährt, ist der eingeschlagene Weg einmal falsch, kann man sein Ziel nur noch verspätet oder im schlechtesten Fall gar nicht mehr erreichen. Beim architektonischen Entwerfen ist es nicht anders. Im Kern ist die Navigation ganz eng mit den Zielformulierungen des Lenkers verbunden. Für welche Richtungen und Geschwindigkeiten muss er sich wann und wo entscheiden? Wie kann er sein Ziel am effizientesten erreichen? Um den besten Weg zu finden, braucht ein Lenker vollständiges, aktuelles und genaues Kartenmaterial. Diese drei Punkte sind essenziell, denn lückenhaftes Kartenmaterial, ist nutzlos, weil man damit nicht den richtigen Weg ausmachen kann; veraltete Karten, helfen leider auch nicht, die Informationen könnten inzwischen falsch sein; auch Karten, die in einem zu grossen Massstab vorliegen, erschweren das Vorankommen, da aus ihnen

die notwendigen Informationen nicht im Detail ablesbar sind. Übertragen wir dieses Bild auf die Planung, so entsprechen die Strassenkarten, die dem Lenker helfen, sich für einen Weg zu entscheiden, den Simulationen und Prognosemodellen, anhand derer Immobilienentwickler Architekten anleiten können. Man weiss in frühen Phasen der Planung bereits Grundlegendes zu möglichen Mietern, Mietpreisen, Funktionen, Störfaktoren oder Mehrwerten und kann den Planungsspielraum präziser vorgeben. Man ist sich zum Beispiel von Anfang an darüber bewusst, dass man sich an die Normen der SIA oder die Bauzonenordnung halten wird und gleichzeitig bestimmte Qualitäten erreichen will. Ausserdem kennt man auch die finanztechnischen Überlegungen hinter den Projekten. So werden alle möglichen Themenbereiche mehr oder minder abgedeckt, ohne jedoch zu weit in die Tiefe zu gehen. Damit will man Simulationen oder Berechnungsmodelle schaffen, die in allen relevanten Dimensionen lückenlos, aktuell und gleichermassen detailliert informieren – und nicht nur einzelne Schwerpunkte setzen. Denn als Immobilienentwickler muss man sich umfassend zurechtfinden können, und umso mehr Daten und Simulationsresultate als Grundlage für Entscheidungen verwendet werden können, desto eher findet sich die beste und effizienteste Lösung, die später die höchstmögliche Rendite erwirtschaftet. Ob derartige Daten nun als Strassenatlas vorliegen, in dem sich jeder selbst den besten Weg suchen muss, oder ob diese Daten analog zu einem Navigationsgerät bereits verschiedene Wege vorschlagen, ist theoretisch nur eine Frage der Anwendung. Aber eben nur theoretisch, denn in der Realität ist das Datenmaterial und die Menge an möglichen Entscheidungen so umfangreich und komplex, dass man selbst mit Studium und Arbeitserfahrung unzählige Stunden für das Ausarbeiten und Evaluieren von Lösungen benötigt. Momentan ist die Situation vergleichbar mit einem Szenario, in dem man sich die Daten von vielen Strassenatlanten erst kombinieren müsste, um daraus einen optimalen Weg planen zu können. Dieser Painpoint ist nicht nur zeitaufwendig und kostet Geld, er war bislang technisch auch nicht lösbar. Erst seit dem vergangenen Jahr widmet sich ein junges ETH-Spin-off der Lösung dieses Problems. Als erstes Unternehmen bietet die Archilyse AG8 für


VON DER KUNST ZUR INGENIEURWISSENSCHAFT

Das Entwerfen wird unaufhaltsam weiter automatisiert werden, mit signifikanten Auswirkungen auf Architekten und deren Auftraggeber. Dieser Trend hat bereits vor Jahren begonnen, und diverse Unternehmen feiern mit algorithmenbasierten Entwürfen schon seit Längerem wirtschaftliche Erfolge. Parallel findet eine Entwicklung diverser Komplementär-Technologien statt, wodurch zusätzliche stabilisierende Nebeneffekte hervorgerufen werden. Betrachtet man das gesamte System in einem technikgeschichtlichen Kontext, so erleben wir gerade den Übergang der ältesten technischen Disziplin von der Kunst hin zur Ingenieurwissenschaft. Damit befindet sich auch das gesamte Feld der Immobilienwirtschaft und aller seiner Stakeholder im Umbruch. Was genau passieren wird, ist nicht prognostizierbar, aber aussitzen kann diesen Trend keiner. 1 Der amerikanische Architekt und Visionär Richard Buckminster Fuller hatte ursprünglich ökologische Zielsetzungen; siehe auch sein Buch «Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde». 2 Wie beispielsweise das nun neben Zürich auch in Wien propagierte «Pre-spezifische Entwerfen»; vgl. Prof. Vera F. Bühlmann und Prof. Ludger Hovestadt. 3 Eine Black Box ist ein Hilfskonstrukt, um nur das äussere Verhalten einer Komponente, nicht aber deren inneren Aufbau zu analysieren. 4 Die besten Pferde konnten mithilfe von Wettbewerben identifiziert werden. 5 Beispiele hierfür sind die Arbeiten von Archistarr an Wohnbauten in Australien, die Krankenhausplanungen von Aditazz, die Kooperationen des Urban Think Tanks der ETH Zürich und Reinhard Königs Beitrag zum Empower-Shack-Projekt in Cape Town. 6 Hervorzuheben wären hier die Forschungen von Albena Yaneva, Projekt MACOSPOL, oder Ingeborg Rocker, welche die Herkunft der Parametereingaben für die parametrischen Entwürfe infrage stellt. 7 Ein Beispiel ist die Arbeit des kalifornischen Bauunternehmens Aditazz. 8 Die Archilyse AG wurde von Matthias Standfest, dem Autor dieses Artikels, 2017 in Zürich gegründet. 9 Architektur ist viel einflussreicher, als viele wahrhaben wollen. Hier einige Beispiele: Schlechte Wohnungsgrundrisse können zu häus­licher Gewalt oder Suchtverhalten führen, gute wirken sich positiv auf das Lernverhalten von Kindern aus; eine intelligente Anordnung von Krankenhausbetten erhöht die Genesungsgeschwindigkeit der Patienten und reduziert so die Kosten; der Ausblick aus dem Fenster soll einen Effekt auf Migräne haben. 10 Etwa das Unternehmen Woods Bagot mit Superspace.

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verschiedene Stufen und Anwendungsgebiete der Immobilienwertschöpfungskette einen umfassenden und einfach zu nutzenden Simulationsservice an. Egal ob Wohn- oder Arbeitsplatzthemen, Retailoder Sicherheitsfragen – bislang subjektive Architekturqualitäten können neu quantifiziert werden. Und nach und nach lassen sich auch generelle Aspekte wie Normenchecks oder automatische Bauzonenordnungen integrieren, sodass man als Entwickler nur noch eine einzelne, einfach zu nutzende Informationsquelle benötigt. Und zwar eine, die darüber hinaus Funktionen bietet, die am ehesten mit denen eines Navigationsgeräts vergleichbar sind: Alle relevanten Informationen sind an einem Ort gesammelt, zudem helfen zusätzliche Analysen bei ihrer massgeschneiderten Auswertung. Die Mobilitätsfrage wurde mit dem Ersetzen von Schränken voller Kartenmaterial durch ein kleines GPS-Gerät revolutioniert. Jedem war es damit möglich, ohne grossen Aufwand die besten Wege und Richtungen für sich zu wählen. Inzwischen ist es sogar egal, ob man zu Fuss, mit dem Fahrrad, dem Auto, dem Schiff oder eben mit der Pferdekutsche unterwegs ist – Navigationsgeräte sind allgegenwärtig und helfen unabhängig von der Antriebsart. Gleiches wird sich für die Immobilienentwicklung einstellen: Unabhängig davon, mit welchem Architekten oder Entwurfsautomaten man zusammenarbeitet, die Frage, ob die vorgeschlagenen Lösungen in die richtige Richtung gehen, wird computergestützt verifiziert werden. In diesem neuen technologischen Ökosystem wird, auf die Baubranche bezogen, kein Stein auf dem anderen bleiben. Da plötzlich alle möglichen Architekturqualitäten einfach messbar sind, kann man Entwürfe in bislang unfinanzierbar geglaubtem Umfang miteinander vergleichen. Von Fragen zu Zielgruppen und damit verbundenen Mietpreisschätzungen über deterministische Verfahren zur Optimierung von Reinigungskosten bis hin zu funktionalen Einflüssen der Architektur auf die Nutzer9 – die Auswirkungen des Architekturentwurfs werden transparent abbildbar. Die Messbarkeit von Architekturqualität wird unweigerlich die weitere Ausbreitung von Entwurfsautomaten begünstigen und das Berufsbild des Architekten stark beeinflussen. Er wird sich wahrscheinlich immer weiter von einem künstlerischen Verständnis seiner Tätigkeit entfernen und beginnen, wie die grossen Planungskonzerne10 vermehrt Algorithmen einzusetzen.


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Urban Design Room – die Zukunft entwickeln Text und Visualisierungen: Cybu Richli und Studierende der Zürcher Hochschule der Künste

Studierende der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwarfen im Projektmodul Informationsdesign die digitale Umgebung «Utopie – Verkehr im Untergrund»: Besucherinnen und Besucher navigieren mit einfachen Handbewegungen und dem Einsatz von Augmented Reality durch einen virtuellen Lebensraum. Parallel dazu können Daten und Szenarien in einer multimedialen Installation visuell erlebt werden.


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Am Beispiel einer Modellstadt wurden Konzepte für einen multimedialen Urban Design Room entworfen. In diesem sollen in Zukunft Szenarien für eine nachhaltige Raumentwicklung diskutiert und vermittelt werden. Komplexe Fragestellungen zur Auseinandersetzung mit der Entwicklung unseres Lebensraums können mit dem Einsatz neuster datenbasierter Technologien visualisiert und kommuniziert werden. So lassen sich Problemstellungen mehrdimensional betrachten und nachhaltige Lösungen veranschaulichen. Cybu Richli, Jahrgang 1977, studierte Architektur und Visuelle Kommunikation an der Hochschule Luzern. Nach dem Diplom folgte er der Einladung von Morningstar nach Chicago und forschte in Darstellungen von Finanzdaten. 2006 gründete er mit Fabienne Burri das Grafikstudio C2F, das unter anderem für die Gestaltung von «Komplex» verantwortlich ist. Seit 2011 ist der Luzerner an der Zürcher Hochschule der Künste als Dozent im MA Design und in der Fachrichtung Visual Communication tätig. Das Projekt «Utopie – Verkehr im Untergrund» entstand im Rahmen des Moduls Informationsdesign unter seiner Leitung. Teilnehmende Studentinnen und Studenten: Youjin Beom, Anna Bierler, Michel Egger, Dagna Salwa und Samira Schneuwly. www.zhdk.ch, vvk.zhdk.ch, www.c2f.ch

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Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) erforscht im Rahmen eines Projekts unter der Leitung von Cybu Richli neue Kommunikationsinstrumente für eine nachhaltige Raumentwicklung. Der Fokus liegt dabei auf der Nutzung der Digitalisierung für die Entstehung von Stadträumen. Zur Inspiration besuchten die Studierenden den von den Schwesterfirmen Halter und Raumgleiter eingerichteten Decision Room, wo bereits neuste Technologien zur Entscheidungsfindung in der Bauindustrie eingesetzt werden.


DER TOTALE VERGLEICH

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Text: Caspar Schärer Fotos: Franca Pedrazzetti

An einem Tag im März 2018 betraten alle Beteiligten Neuland: Beim ersten durchgängig digitalen Studienauftrag der Schweiz mussten nicht nur die eingeladenen Architekturteams umdenken, sondern auch und vor allem die Jury. Pläne auf Papier und Gipsmodelle waren nicht mehr gefragt, dafür dreidimensionale Daten. Die virtuellen Modelle wurden von der ausrichtenden Raumgleiter AG aufbereitet und dann der Jury in einer AugmentedReality-Umgebung präsentiert.

Der Raum ist eigentlich ganz normal: rechteckig, durchgehender Boden, flache Decke, Fensterfront zum Innenhof. Wer etwas im Stil des legendären War Room aus Stanley Kubricks Film «Dr. Strange­ love» erwartet hat, wird vom Decision Room bei der Firma Raumgleiter an der Pfingstweid­strasse in Zürich enttäuscht sein. Ein paar Dinge fallen aber doch schon beim ersten Betreten auf. So ist der rund 80 Quadratmeter grosse Raum ganz in Schwarz gestrichen; eine Stirnseite wird komplett von einer LCD-Wand eingenommen; die gegenüberliegende Seite dominiert ein 84-Zoll-Touchscreen, an der längeren Wand hängen acht weitere hochformatige 60-Zoll-Touchscreens. Heute tagt im Decision Room die Jury des Studienauftrags vanBaerle-Areal. In dem zweistufigen Konkurrenzverfahren geht es um die Umnutzung eines ehemaligen Industrie-Areals an strategisch bedeutender Lage in der Nähe des Bahnhofs der Baselbieter Gemeinde Münchenstein. Acht Teams, bestehend aus Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros, wurden eingeladen. So weit, so normal. Ab hier beginnt das Neuland. Halter Entwicklungen, die Ausloberin des Studienauftrags, führte erstmalig in der Schweiz einen durchgehend digitalen Wettbewerb durch. Das klingt im ersten Moment nicht weiter spektakulär. Was heisst schon «digital»? Die landläufige Vorstellung davon ist, dass alles schneller und günstiger wird, und erst noch auf Knopfdruck. INFORMIERTE DATEN

Beim Studienauftrag vanBaerle-Areal hatte die komplette Digitalisierung des Verfahrens für alle Beteiligten erhebliche Folgen. Silvan Bohnet, Mitglied der Geschäftsleitung bei Halter Entwicklungen, spricht von «Shifting Baselines» und einer «Verschiebung und Veränderung von gewohnten Referenzpunkten». Konkret heisst das: Es werden keine Pläne ausgedruckt und keine Gipsmodelle gebaut; die Teilnehmer geben ausschliesslich digitale Daten ab, die der Jury auf den Bildschirmen im Decision Room präsentiert werden. Für die Jurymitglieder, die bis anhin immer nur Pläne an Stellwänden und Modelle beurteilt haben, ist eine solche Abgabe ebenfalls eine Umstellung. Im ersten Moment fehlt die Übersicht, die eine Papierpräsentation liefert. Architektinnen und Architekten verwenden viel Zeit für die Darstellung ihres Projekts. Sie nutzen den Spielraum, der ihnen


Silvan Bohnet, Leiter Entwicklungen bei der Halter AG, erkundet einen Wettbewerbsbeitrag auf einem der Touchscreens im Decision Room an ZĂźrichs Pfingstweidstrasse.


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Daniel Kapr navigiert mit der VR-Brille im digitalen Modell, während sich Silvan Bohnet, Naomi Hajnos und Anna Jessen (v. l. n. r.) austauschen.

eine Abgabe von vier bis sechs A0-Blättern bietet. Grundsätzlich anders ist das bei der digitalen Abgabe nicht. Die Pläne werden im PDF-Format eingereicht und auf den Screens gezeigt. Es sind zwar jeweils nicht alle Darstellungen eines Projekts gleichzeitig sichtbar, aber daran gewöhnt man sich schnell. Der Quantensprung, oder wie es heute so schön heisst, die Disruption, passiert woanders, nämlich beim 3D-Modell. Die Modelle konnten in die virtuelle Umgebung eingefügt werden, etwa in diejenige des vanBaerle-Areals, und so lässt sich sehr schnell der Ausdruck der Bauten begutachten; wie sie sich zum öffentlichen Raum verhalten und wie sie zusammenwirken. Gerade für komplexe städtebauliche Verfahren bringen solche 3D-Modelle (und damit verbunden die entsprechenden Visualisierungswerkzeuge – doch dazu später mehr) eine neue, bis anhin noch unbekannte Beurteilungsebene für die Jury. Bis es allerdings so weit ist, dass sich ein Jurymitglied die Virtual-Reality-Brille überziehen und durch den virtuellen Raum stapfen kann, braucht es einige Vorbereitungen. Die Daten, aus denen das 3D-Modell für den Studienauftrag vanBaerle-Areal aufgebaut ist, sind

NAOMI HAJNOS Architektin «Es war sehr spannend zu sehen, wie die verschiedenen technischen Möglichkeiten im Rahmen des digitalen Studienauftrags eingesetzt wurden und wie unterschiedlich die Beteiligten im Laufe des mehrtägigen Prozesses damit umgingen. Wenn auch punktuell die atmosphärische Dichte der Wettbewerbsbeiträge etwas in den Hintergrund rückte, war doch die vereinfachte Vergleichbarkeit der Entwürfe – insbesondere auf der städtebaulichen Ebene – ein zentraler Vorteil gegenüber einem klassischen Verfahren. Die Herausforderung wird allerdings sein, dass den Architekten ein Mass an Selbstbestimmung in Bezug auf den gestalterischen Ausdruck erhalten bleiben kann.»


ANNA JESSEN Architektin, Jessenvollenweider Architektur «Keine Papierpläne, keine Zeichnungen oder atmosphärischen Darstellungen, die eine persönliche Handschrift unterstreichen. Dafür der reine Raum im dreidimensionalen Weissmodell. Absolut und gnadenlos vergleichbar. Die Übersetzungsaufgabe der Jury rückte in den Hintergrund. Dafür konnten wir gemeinsam über die ‹reine› Architektur, Proportion und Sichtbezüge disku­ tieren, aber eben auch über genauso direkt sichtbare, nicht gelöste Situationen und Rest­räume. Das digitale Modell wird die Zukunft sein, und wir werden sehen müssen, dass die Projekte nicht im abstrakten Weissmodell stehen bleiben, sondern ihre Verfeinerung in der Übersetzung in die tatsächlich gebaute Realität erfahren – eigentlich wie immer.»

auch in ihrem Wesen digital; sie sind Trägerinnen von Informationen. In der Fachsprache sagt man, sie seien «informiert». Sie stellen nicht mehr nur die Abbildung von etwas dar, sondern sind vielseitiger. Eine Wand, eine Decke, ein Balkon, eine Treppe, ein Fenster sind Objekte und transportieren mehr Informationen als Striche, Punkte oder Schraffuren. Sie «wissen» im 3D-Modell, was sie sind. Von alleine haben ein Strich und eine Fläche diese Informationen jedoch nicht; jemand sollte sie ihnen verleihen. Die Architektinnen und Architekten müssen also ihr 3D-Modell so aufbauen, dass alle Elemente «informiert» sind. Die Anforderungen an das Modell sind laut Ausloberin bewusst niedrig gehalten; statt eines bildnerischen Meisterwerks ist ein «Rohling» gewünscht, den die IT- und Visualisierungsspezialisten bei Raumgleiter weiterbearbeiten. Sie sind sozusagen die «Dolmetscher», welche die heterogenen Daten der Architekturbüros in einheitliche Modelle übertragen. Die daraus resultierenden 3D-Modelle tragen, abgesehen von den architektonischen Merkmalen, keine plangrafischen Handschriften der Architekten mehr – sie sind auf ihre räumliche Substanz reduziert.

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Am Besprechungstisch im Descision Room beschreibt Anna Jessen mit grosser Geste ihren Standpunkt. Dahinter einer der 60-Zoll-Touchscreens.


IM VIRTUELLEN RAUM

Bevor die Modelle der Jury präsentiert wurden, führten die Spezialisten von Raumgleiter mit allen Architekturbüros eine technische Zwischenprüfung durch, eine Art «Gut zum Druck». In diesem Moment sahen die Architektinnen und Architekten zum ersten Mal, wie sich die 3D-Modelle in dem einem Gipsmodell ähnlichen, digitalen Um­ gebungsmodell eingliedern. «Das war für einige ein kritischer Punkt», erinnert sich Daniel Kapr, Architekt, Partner bei der Raumgleiter AG und IT-Leiter des Studienauftrags. «Aber wir konnten diese schwierige Hürde meistern.»

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DIE ZEIT IST REIF

Am Jurytag im März 2018 zeigt sich, dass die Vereinheitlichung und Neutralisierung der 3D-Modelle für deren Beurteilung auf der architektonisch-städtebaulichen Ebene eine richtige Entscheidung war. Mehr Informationen, etwa über die Materialien und die Farben der Fassaden, würden in dieser noch frühen Phase des Planungsprozesses nur ablenken. Ein Jurymitglied hat sich die grosse Brille aufgesetzt und taucht in die Virtual Reality des vanBaerle-Areals ein. Andere Juroren können das Geschehen an der raumhohen LCD-Wand live mitverfolgen. Sie «stehen» mitten im virtuell aufgebauten vanBaerle-Areal und überprüfen den architektonischen Ausdruck und die städtebaulichen Raumbildungen der eingereichten 3D-Modelle auf Augenhöhe im «Stadtraum». Der «Guide» mit der Brille «umrundet» das Gebäude, sieht sich die andere Fassade an, «springt» schliesslich auf einen Balkon im sechsten Obergeschoss und lässt dort den Blick schweifen. Daniel Kapr wechselt auf Knopfdruck den Projektbeitrag im 3D-Modell. Die Fassade weicht zurück und macht einer Vorgartenzone Platz, gleichzeitig schnellen Balkone nach vorne. Ein Raunen geht durch die Jury. Die Vergleichbarkeit ist total – und gnadenlos. Für viele mag diese digitale Unerbittlichkeit im Aufdecken von Stärken und Schwächen seelenlos wirken. Es muss aber festgehalten werden, dass durch diese Methode erstmals Städtebau und Architektur wirklich gemeinsam beurteilt werden können. Ein Schritt, der in der Schweiz längst fällig war. Halter Entwicklungen > Seite 146 Raumgleiter AG > Seite 154

SILVAN BOHNET Leiter Entwicklungen, Halter AG «Neuland zu betreten, heisst, Referenzpunkte zu verlassen. Das haben die an diesem neu entwickelten, digitalen Wettbewerbsverfahren Beteiligten definitiv gemacht. Die phasengerechte Konzentration auf das Wesentliche und der Einsatz massgeschneideter virtueller Realität waren nicht Selbstzweck, sie entfalteten maximalen Wirkungsgrad: Die Planung mit intelligenten und verwertbaren Daten fand schon im Entwurfsprozess statt, um eine hervorragende Vergleichbarkeit und ein Höchstmass an städtebaulicher und architektonischer Qualität zu erzielen. Das muss der Anspruch eines verantwortungsvollen Immobilien­ projektentwicklers sein.» DANIEL KAPR Leiter Virtual Design & Construction mit BIM, Raumgleiter AG «Die intensive Zeit der Vorbereitung und das gemeinsame Definieren der Ziele zwischen Halter und Raumgleiter waren entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Durchführung. Wir konnten die notwendige Bestellerkompetenz aufbauen und gegenüber den Teilnehmern sicher unsere Bedürfnisse formulieren. Wir haben immer sehr genau gewusst, was wir wann in welcher Qualität haben möchten. Wichtig ist, dass man jetzt getreu dem Motto ‹Lessons Learned› agiert und es in den folgenden Wettbewerben schafft, einen noch flüssigeren Prozess zu etablieren. Zusammenfassend war der digitale Studienauftrag vanBaerle-Areal aber für alle Beteiligten ein grosser Erfolg.»


Daniel Kapr, Leiter Virtual Design & Construction bei der Raumgleiter AG, steht vor der grossen LCD-Wand und bewegt sich im virtuell erstellten vanBaerle-Areal.


DEN BLINDFLUG STOPPEN

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Text: Maik Neuhaus Grafik: Halter Gesamtleistungen

Mit dem kooperativen, integrativen Gesamtleistermodell nimmt Halter eine Pionierrolle ein und setzt Bauprojekte bis zu vierzig Prozent günstiger und schneller um – bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung. Konventionelle, sequenzielle Phasenmodelle hingegen sind intransparent, nicht partnerschaftlich und ineffi­zient. Sie werden im Zeitalter der Digitalisierung zum Auslaufmodell.

Im Gegensatz zu anderen Branchen befindet sich die Schweizer Immobilien- und Bauwirtschaft, die rund zehn Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts ausmacht, seit einer Generation im Wachstum. Dieses ist nicht wie in anderen Bereichen der Innovationskraft oder Produktivitätssteigerung zu verdanken, sondern vielmehr externen Faktoren. Die Immobilien- und Baubranche selbst hat in den letzten Jahrzehnten kaum etwas zu ihrem eigenen Erfolg beitragen müssen. Was Segen ist, kann auch Fluch sein: Lange Zeit wurde die Produktivität vernachlässigt und der Fokus zu sehr auf stetig steigende Einnahmequellen gelegt. Niemand hinterfragte die geläufigen Arbeitsmodelle, keiner dachte über deren Weiterentwicklung nach. Schleppende Prozesse, Planungsleerläufe, Schwarzer-Peter-Spiele sowie am Markt vorbei entwickelte Projekte wurden zum Standard. Die Folgen waren Ineffizienz und Ressourcenverschwendung – mitunter auch öffentlicher Steuergelder –, die in den letzten Jahren einzig durch das nachfragebedingte Branchenwachstum kompensiert wurden. Fast alle Projekte waren dadurch, egal ob gut oder schlecht, finanzier- und realisierbar. IMMOBILIEN- UND BAUBRANCHE UNTER DRUCK

Im Hinblick darauf, dass die Zuwanderung und damit verbunden die Nachfrage nach Wohnraum weiter abnehmen werden, die Gelder zur Finanzierung öffentlicher Bauten nicht endlos erhöht werden können und Gesundheitsinfrastrukturbauten wie etwa das Triemli-Spital in Zürich nicht auf unbestimmte Zeit unwirtschaftlich sein dürfen, wird die Immobilien- und Baubranche verstärkt unter Druck geraten. Der Fokus verschiebt sich schon bald von der Einnahmen- auf die Ausgabenseite; eine relevante Produktivitätssteigerung ist nicht mehr nur wünschenswert, sondern dringend nötig. Das Potenzial wäre vorhanden, doch muss hinsichtlich seiner Umsetzung die Branchenträgheit, die insbesondere durch die eigenen Verbände über Usus und Normen gefördert wurde, überwunden werden. Es gilt, zementierte Muster und Prozesse aufzubrechen und durch innovative Modelle zu ersetzen. ZUSAMMENARBEITSMODELLE SIND GEFRAGT

Die Digitalisierung ist eines der gesellschaftlichen Hauptthemen und hat mit Verzögerung auch die Baubranche erreicht. Ihr Mehrwert sind


also nicht wie beim sequenziellen Modell eine kosten- und zeitaufwendige detaillierte TU-Ausschreibung, sondern ein Pflichtenheft zur Definition und Sicherstellung der vom Besteller erwarteten Funktionalität eines Bauwerks. Dabei steuert das ausführende Unternehmen die integrale Bauprojektplanung – das sogenannte Engineering – inhaltlich selber und stellt die gewünschte Funktion gegenüber dem Besteller von Beginn an und über alle Phasen hinweg sicher. Die funktionale Zieldefinition umfasst insbesondere: die Sicherstellung der erwarteten architektonischen Erscheinung, die anhand von Visualisierungen und 3D-Simulierungen vorgegeben werden kann; die Sicherstellung des definierten Nutzungsmixes sowie der zahlenmässig vorgegebenen Nutzflächen und der aufgezeigten und festgelegten Grundrissqualitäten; die Sicherstellung der erwarteten Materialisierungsqualitäten im Ausbau anhand von ausgeführten Projektreferenzen oder funktionalen Beschrieben; die Sicherstellung der nutzerbezogenen Ansprüche an die Wohnhygiene (Lärm- und Schallschutz) und den Komfort in Bezug auf die Gebäudetechnik (Heizung, Lüftung, Klima, Kälte, Sanitär, Elektro) anhand von Standards, Normen und Projektreferenzen; und schliesslich die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der funktionalen Lösungen aufgrund des bereits im TU-Werkvertrag definierten Gewährleistungssystems. KOMPETENZ UND VERANTWORTUNG LIEGEN IN EINER HAND

Die Definition und Beibringung der dazu notwendigen konzeptionellen, planungs- und ausführungstechnisch optimalen Lösungen werden nicht wie beim sequenziellen Modell durch ein reines Planerteam erarbeitet und anschliessend den ausführenden Unternehmen vorgegeben, sondern direkt durch diese erstellt. Somit liegen Kompetenz und Verantwortung nicht mehr bei unterschiedlichen Parteien, sondern allein bei den ausführenden Unternehmen. Hanspeter Berchtold, der in seiner Funktion als Director Acquisitions Real Estate beim Schweizer Vermögensverwalter Patrimonium gemeinsam mit der Halter AG das Projekt CityGate in Basel beFUNKTIONALE ZIELDEFINITION treut, schätzt vor allem die partnerschaftliche HeDas Gesamtleistermodell basiert auf dem Prinzip rangehensweise im Gesamtleistermodell. Er beder Definition von funktionalen Zielen. Die Aus- stätigt: «Wir konnten zu einem frühen Zeitpunkt gangslage für das ausführende Unternehmen ist ein hohes Mass an Sicherheit im Projekt erreichen,

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Transparenz, Informationskontinuität sowie frühere und bessere Entscheidungsgrundlagen. Dank Simulationen, Koordination, Optimierung und der Arbeit mit dem digitalen Gebäudezwilling, dem BIM-Modell, können Planungsleerläufe, späte und dadurch teure Entscheide sowie konzeptionelle und bauliche Mängel minimiert werden. Das Building Information Modeling (BIM) stellt einen kontinuierlichen Daten- und Informationstransfer in allen Projektphasen sicher: von der Entwicklung über die Realisierung bis hin zum Betrieb und zu einer möglichen Umnutzung oder Sanierung am Ende der Lebenszyklen. Damit bieten sich neue, ungeahnte und entscheidende Voraussetzungen hinsichtlich einer erforderlichen Produktivitätssteigerung. Richtungsweisend wird sein, dass die Branchenteilnehmer mit der Digitalisierung nicht Zusatzleistungen und -honorare generieren wollen, sondern ihr Potenzial für neuartige Zusammenarbeitsmodelle nutzen. Die Digitalisierung der Baubranche ohne eine fundamentale und konsequente Veränderung der Zusammenarbeits- und Vertragsmodelle ist eine Farce. Die wenigen und schwachen Argumente derjenigen, die krampfhaft für das Überleben des Phasenmodells und gegen das Gesamtleistermodell kämpfen, werden durch die verfügbaren digitalen Instrumente widerlegt, ja, führen sogar zu Widersprüchen. Das heute noch vielfach angewendete, sequenzielle Phasenmodell sieht vor, dass die ausführenden Unternehmen möglichst spät und damit zu spät involviert werden. Auftraggeber entwickeln Konzepte, ohne die ausführenden Unternehmen einzubeziehen, übertragen ihnen aber die Verantwortung für die einwandfreie Funktionstauglichkeit eines Bauwerks. Dies bewirkt, dass das Ausführungswissen der Generalunternehmer bei der Konzeption aussen vor bleibt und Kompetenz und Verantwortung nicht am gleichen Ort liegen. Die hieraus resultierenden Zielausrichtungen führen zu Fehlern, Schäden und Schuldzuweisungen. In der Folge entstehen zeitliche und finanzielle Mehraufwendungen, qualitativ mangelhafte Resultate sowie nicht partnerschaftliche und wenig nachhaltige Geschäftsbeziehungen zwischen allen Beteiligten.


DIE MODELLE IM VERGLEICH: GESAMTLEISTER, TOTALUNTERNEHMER UND EINZELVERGABE Design – Architektur – technische Konzepte – Materialisierung – Ausstattung

Engineering – Ausführungsplanung – Simulationen

Production – Herstellung – Logistik – Montage

Go to Market

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Sicherheit/Verbindlichkeit bezüglich Rentabilität

Development – Vision – Anforderung – Produkt – Rentabilität

Der Hauptvorteil des Gesamtleistermodells liegt darin, dass bereits in der ersten Projektphase, dem sogenannten Development, ein hohes Mass an Verbindlichkeit bezüglich Rentabilität für die Bauherrschaft erreicht werden kann – dies in einer Planungsphase, in der noch keine grossen Mittel investiert wurden. Sowohl im TU-Modell

als auch im Modus der Einzelvergabe tragen die Bauherren bis weit in die Planungs- und teilweise sogar in die Bauphase hinein die Hauptrisiken. Die vertragliche Übertragung der Risiken an den Totalunternehmer oder auch direkt an die Subunternehmer geschieht erst, wenn die Möglichkeiten, auf das Produkt, die Wirtschaftlichkeit

Gesamtleister Totalunternehmer Einzelvergabe Beeinflussbarkeit des Produkts, seiner Wirtschaftlichkeit und seiner Risiken

sowie die Risiken zu reagieren, bereits stark abgenommen haben. Das Gesamtleistermodell hingegen sichert ab, dass die zentralen Weichenstellungen ganz zu Beginn der Planung gemacht werden, alle Beteiligten ein einheitliches Ziel verfolgen und dem Vorhaben ein realistisches Rentabilitätsmodell zugrunde liegt.

ohne die nötige Flexibilität in der Planung zu verlieDie Erarbeitung und Vorgabe von konkreten ren. Zudem sorgt der pragmatische Ansatz des Ge- Ausführungsplanungen und Details, auf deren Basamtleistermodells für eine gemeinsame Interes- sis dann eine herkömmliche TU-Submission und sensausrichtung unter den Projektpartnern.» Vergabe stattfindet, bringen für den Besteller deshalb in der Regel Mehrkosten anstatt Mehrwerte. WENIGER KOSTEN UND RECHTLICHE VORTEILE Gleichzeitig machen sie den Besteller angreifbar, FÜR DEN BESTELLER da das Risiko von Lücken, Schnittstellenproblemen Das angestrebte Gesamtleistermodell steht im Ge- und Planungsfehlern, die auf ihn zurückfallen köngensatz zum veralteten Phasenmodell, bei dem die nen, deutlich grösser ist. Der Totalunternehmer Ausführungsverantwortung erst mit der detaillier- und seine Subunternehmer sind bei einem Phasenten TU-Submission, basierend auf einer tiefgrei- modell schliesslich nur Ausführer von möglicherfenden und auf den ersten Blick sämtliche Details weise fehlerhaften Vorgaben, deren Verfasser ein abbildenden Submissionsplanung, an den Unter- anderer ist. nehmer weitergegeben wird. Diese DetailprojektMit der Übertragung der Planungshaftung an planungen werden durch die beauftragten Planer den Totalunternehmer kann dieses Problem juin den wenigsten Fällen integriert und optimiert er- ristisch zwar entschärft werden, doch ist letztlich stellt. Zugrunde liegen diesen Arbeiten meist nur die rechtliche Situation für den Besteller beim Geallgemeine Honorarverträge. Weil das herkömm- samtleistermodell besser, da das ausführende Unliche Planungs- oder Generalplanungssystem die ternehmen für die Funktion haftet. Gleichzeitig beBeauftragten nicht für ein optimales Kosten-Nut- schränkt eine konventionelle TU-Submission den zen-Verhältnis belohnt, sondern eher dafür, in unternehmerischen Spielraum der Totalunternehmöglichst kurzer Bearbeitungszeit ein möglichst si- mer sowie seiner Subunternehmer und reduziert cheres und damit konventionelles Resultat abzu- deren Rolle zu Ausführern von Vorgaben. Stattdesgeben, können mögliche Optimierungen nicht be- sen sollte man sie zum Mitdenken animieren und rücksichtigt werden. zu innovativen Partnern machen.


KONSEQUENTER EINSATZ VON BIM

Der Gesamtleister arbeitet von Beginn an mit BIM auf der Basis eines digitalen 3D-Modells. Damit stellt er die digitale Kette von der Entwicklung über die Planung und Realisierung bis hin zur Inbetriebsetzung sicher. Der TU-Werkvertrag sieht im Grundsatz bei beiden Modellen gleich aus. Beim Gesamtleistermodell tritt jedoch die Sicherheit für den Bauherrn, die zu Beginn definierten Ziele termin- und kostengerecht zu erreichen, früher ein. Durch die gemeinsame, partnerschaftliche Planung und Umsetzung werden die Vorgaben in aller Regel nochmals deutlich übertroffen und die Rendite erheblich gesteigert. Gianfranco Basso, Head Construction bei der Swiss Prime Site Immobilien AG, die als Bauherrschaft das Gesamtleistermodell für die Neubauten des Stücki Parks in Basel gewählt hat, fasst die Vorzüge des Ansatzes so zusammen: «Die Kombination von modularer Planung mit Werkgruppen und der konsequente Einsatz von BIM-Instrumenten sorgt für eine effiziente Planung, eine kolli­ sionsfreie Ausführung und bietet die gewünschte Flexibilität in der Vermarktung. Eine rasche Übersicht des Raumangebots für die Nutzer bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Bewirtschaftung in

der Betriebsphase.» Gemäss Basso schafft das Gesamtleistermodell auch die Voraussetzungen für eine auf Vertrauen fussende Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Totalunternehmer: «Eine straffe Projektorganisation mit klaren Verantwortlichkeiten, kompetente Schlüsselpersonen sowie eine transparente und pragmatische Kommunikationskultur sind nicht nur vertrauensbildend, sondern auch die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Projektabwicklung.» BEIDE SEITEN PROFITIEREN

Konventionelle, sequenzielle Phasenmodelle haben in Zukunft nur noch dort ihre Berechtigung, wo die Produktivität und damit die Wirtschaftlichkeit kein Erfolgskriterium sind. Der Besteller muss dann aber damit umgehen können, wenn es im Verlauf des Prozesses zu signifikanten Kostenüberschreitungen oder Zeitverzögerungen kommt. Selbst bei öffentlichen Projektentwicklungen, beispielsweise von Opernhäusern, Flughäfen oder Tunnelbauten, sind die Verantwortlichen heute dazu aufgerufen, andere Wege zu gehen. Hier erscheinen die kooperativen, integrativen Modelle – sogenannte Gesamtleistermodelle – zielführender. Bei all dem sollte auch der Faktor Mensch nicht vergessen werden – gerade im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung der Branche. Personen und damit die Unternehmen reagieren nachweislich auf Anreizsysteme. Im Kontext eines Immobilien- und Bauprojekts bedeutet dies, dass bessere Resultate gerade dann erzielt werden können, wenn die Beteiligten am Erfolg oder Misserfolg partizipieren. Heute ist es genau umgekehrt. Basierend auf dem SIA-Phasen- und Vertragsmodell, profitieren die Beteiligten umso mehr, je teurer ein Projekt ist und je länger die Entwicklungs- und Realisierungsphase dauert – ausgenommen Besteller und Nutzer. Auch hier hat das Gesamtleistermodell eine Lösung parat: Es legt nicht nur Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zusammen und steigert die Effizienz, Sicherheit und Qualität der Ergebnisse, sondern schafft wirkungsvolle Anreize für alle Beteiligten. Halter Gesamtleistungen > Seite 138

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RISIKEN UND VORINVESTITIONEN MINIMIEREN

Die Entwicklungsphase eines Projekts bis zur Vergabe an den Totalunternehmer kommt im Phasenmodell für den Bauherrn meist einem Blindflug gleich: Ungenauigkeiten von bis zu zwanzig Prozent sind normal. Zudem übernehmen die durch Honorarverträge gebundenen Akteure keine Verantwortung, geschweige denn Risiken oder Vorfinanzierungen. Dabei können durch die frühe Einbindung des Gesamtleisters bauherrenseitige Unsicherheiten und Vorinvestitionen entscheidend minimiert werden. Denn ein Gesamtleister, der bei der Lösungsfindung eine Führungsposition einnimmt oder zumindest involviert ist, wird im Gegensatz zum klassischen Totalunternehmer zur Übernahme von mehr Verantwortung bereit sein. Die Vorleistungen des Bauherrn lassen sich damit im Vergleich zum Modell mit einer klassischen, detaillierten TU-Submission um rund achtzig Prozent und die Entwicklungszeit um rund die Hälfte reduzieren – dies bei gleichzeitiger Minimierung der Risiken und einer Erhöhung der Qualität (siehe Grafik Seite 114).


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MIT FLEXIBILITÄT GEGEN BODENKNAPPHEIT Die Verdichtung des Siedlungsgebiets gilt als sinnvollste Möglichkeit, den inhärenten Zielkonflikt der Raumplanung zu lösen. Dieser besagt, dass günstiges Wohnen, weniger Bodenverbrauch und wirtschaftliches Wachstum nicht gleichzeitig zu haben sind. Die physische Beschränktheit des Bodens gilt ökonomisch nicht, denn man kann Boden intensiver nutzen, indem man dichter baut. Dazu ist aber mehr Flexibilität auf allen Ebenen nötig: regulatorisch, unternehmerisch und mental. In der Schweiz gibt es zwar zahlreiche gelungene Beispiele für hochwertige Verdichtungsmassnahmen – attraktive Arealüberbauungen, umgenutzte Industriebrachen, moderne Ersatzneubauten mit höheren Ausnützungsziffern –, doch vergleichbare Zentrumsquartiere sind in Paris zwei- bis dreimal dichter gebaut als in der Stadt Zürich, wie die Studie «Städtische Dichte» von Avenir Suisse zeigte. Oder im grösseren Massstab gedacht: Man könnte alle 8,4 Millionen Einwohner der Schweiz auf der Fläche des Kantons Zürich unterbringen und hätte dann eine Einwohnerdichte wie in Greater London. Warum sind wir in der Schweiz insgesamt noch so weit weg von wahrer Dichte? Achtzig Prozent der Schweizerinnen und Schweizer leben in Städten und deren Agglomerationen. Doch unsere Seele tickt bis heute ländlich. Es ist die Sehnsucht nach dem bäuerlichen Idyll, die uns prägt, sogar in den Kernstädten. Deshalb mögen wir keine Dichte. Man kann aber letztlich nicht eine – wenn auch kleine – Weltstadt sein wollen und gleichzeitig dem Haus mit lauschigem Gärtli nachhängen. Nur ein Sinneswandel wird diesen mentalen Widerspruch auflösen. In der Schweiz ist Wohnraum seit Langem knapper als Büroraum. Die Wohnungsmieten steigen, während die Büromieten eher fallen. Umnutzungen von Büros oder Gewerbe in Wohnraum sind im starren kommunalen Zonenkorsett aber nicht vorgesehen. Die Idee der Zonenordnung stammt aus einer Zeit, in der Industrie und Gewerbe lärmig und geruchsintensiv waren. Darum hat man Wohnen und Arbeiten räumlich getrennt. Heute schadet dies mehr, als es nützt. Wir sind längst zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft geworden. An diesem Beispiel zeigen sich die Folgen fragwürdiger Regulierung: Arbeitsplätze dürfen zonenrechtlich nicht in Wohnquartieren entstehen, also pendeln die Leute – mit den bekannten Folgen auf der Strasse und beim öffentlichen Verkehr. Nun propagiert man HomeOffice, um die Verkehrsspitzen zu brechen. Damit verlegt man den Arbeitsplatz direkt in die eigene Wohnung. Wäre es nicht konsequenter, Büros in Wohnzonen zuzulassen? Im Übrigen erfordert die Pflege einer Firmenkultur auch die persönliche Interaktion der Mitarbeiter.


Text: Patrik Schellenbauer, Chefökonom, Leiter Programme und Forschung, stellvertretender Direktor Avenir Suisse Illustration: C2F

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Es gibt durchaus Ansätze, die den geänderten Verhältnissen Rechnung tragen. In Japan etwa basieren die zulässigen Nutzungen in einer bestimmten Zone auf Maximalwerten von Lärm- und Luftemissionen. Wer belegt, dass er diese nicht überschreitet, darf auch ein Gewerbeobjekt in einem Wohnquartier bauen oder umnutzen. Eine übergeordnete Raumplanung und Regeln beim Bauen sind auch aus einer liberalen Warte sinnvoll, denn es wimmelt in der Raumnutzung nur so von Externalitäten. Die Planung und Regulatorien sind aber oft zu starr, sie stehen der Verdichtung und flexibleren Nutzung im Weg. Es braucht mehr Freiheiten für Eigentümer und Bauherren, etwa über eine Lockerung der maximalen Ausnützung. Der Antrieb, dichter zu bauen, ergibt sich in der engen Schweiz automatisch aus den hohen Bodenpreisen. Um der Abneigung gegen Dichte zu begegnen, kann eine Mehrwertabgabe bei Aufzonungen sinnvoll erscheinen, wenn sie zur Quartieraufwertung eingesetzt wird. Allerdings muss sie massvoll sein, sodass der Anreiz zur Verdichtung erhalten bleibt. Wenn viele kleine Grundeigentümer involviert sind, muss eine substanzielle Gewinnaussicht verbleiben, damit sie Hand bieten für einen Verkauf oder einen Abbruch ihrer Liegenschaft. In der Agglomeration, wo die grössten Verdichtungspoten­ziale schlummern, sind solche Situationen nicht untypisch. Hier muss man schlüssige Strategien entwickeln, um die inneren Agglomera­ tionsgürtel zur Stadt umzubauen. Ein interessantes Labor dafür ist das Limmattal im Westen von Zürich. Statt den heute üblichen maximalen Ausnützungsziffern könnten die Gemeinden oder die Kantone in den Zentrumszonen (zum Beispiel rund um ÖV-Knotenpunkte) minimale Ausnützungsziffern vorschreiben. Flexibilität ist nicht die Stärke klassischer Immobilien – sie sind, wie der Name schon sagt, unbeweglich. Auch heute noch baut man in der Schweiz konventionell: solide, beständige Hardware eben. Doch ist das ein Konzept für die Zukunft? Die Millennials möchten flexi­bler und kreativer wohnen, als dies das Standardprodukt zulässt. Einmal brauchen sie Platz, dann wieder nur ein Bett zum Schlafen, dafür mieten sie noch eine Bleibe in einer anderen Stadt. Mit den neuen digitalen Arbeitsformen werden sich auch unsere Wohnbedürfnisse radikal ändern. Wer hier die Pionierrolle einnimmt, verschafft sich enorme Marktchancen.


DIE SPIELREGELN ÄNDERN SICH

118 KAPITAL

Text: Rino Borini

War die Immobilienbranche bisher eher träge, kündigt sich nun Bahnbrechendes an. Der technologische Wandel verändert bestehende Produkte und Dienst­leistungen. Im Grunde genommen be­ deutet Digitalisierung nichts anderes, als dass Wertschöpfungsketten aufgebrochen und neu definiert werden. Das gilt auch für den Handel und die Finanzierung von Objekten.

Vor unseren Augen entsteht ein neues Internet. Transaktionen erfolgen in Echtzeit, Kosten werden radikal gesenkt, und neuartige Plattformen ermöglichen immer stärker, dass sich Personen und Unternehmen direkt miteinander in Verbindung setzen. Die Beispiele Uber oder Airbnb zeigen schon heute, wie sich ihre jeweiligen Branchen drastisch verändern – und das ist erst der Anfang. Auch in der Immobilienwelt ist vermehrt zu beobachten, dass sich Anbieter und Nachfrager direkt vernetzen. Die neuen Plattformen können zu wesentlich günstigeren Konditionen auftreten als etablierte Akteure. «Gatekeeper» wie Vermarkter geraten künftig noch stärker unter Zugzwang. Dazu kommen revolutionäre Technologien wie die Blockchain, die den Eigentumserwerb bedeutend effizienter gestalten und die gesamte Finanzierung mithilfe von digitalen Verträgen (Smart Contracts) massgebend verändern. Das betrifft auch Banken und Versicherer, die heute für Immobilienfinanzierungen einstehen. Sie laufen Gefahr, unter Druck zu geraten, wenn es ihnen nicht gelingt, substanzielle Mehrwerte anzubieten. Ein erster möglicher Game Changer ist seit dem 13. Januar 2018 in der EU und in Grossbritannien in Kraft, der unter dem Begriff «Open Banking» zusammengefasst werden kann. Die Regulatoren verlangen von Finanzinstituten, die Kundenschnittstelle zu öffnen, und ermöglichen Fremdanbietern damit, Bankdienstleistungen anzubieten. Nicht-Banken drängen so an die Kundenschnittstelle, positionieren sich mit neuen, aus Kundensicht sinnvollen Dienstleistungen. Die Kunden der Zukunft werden sich dorthin bewegen, wo sie die beste Dienstleistung zum besten Preis erhalten. IN DER CROWD INVESTIEREN

Neue Möglichkeiten eröffnen sich zum Beispiel für Anleger, die in Renditeobjekte investieren möchten. Nicht jeder Investor verfügt über ein Investitionskapital in Millionenhöhe, welches für den Bau oder Kauf, beispielsweise eines Mehrfamilienhauses, nötig wird. Mit Schwarmfinanzierung, dem sogenannten Crowdinvesting (Peer to Peer), ist dies nun möglich. So können Privatanleger bereits mit geringeren Summen Miteigentümer einer Schweizer Rendite-Immobilie werden. Das grundlegende Konzept: Der Kaufpreis einer Liegenschaft wird durch Investitionen mehrerer Personen zusammengebracht und die entsprechenden Erträge in


DIE GÜNSTIGSTE HYPOTHEK DER SCHWEIZ

Immer mehr Banken bieten für Immobilienbesitzer, die keine Beratung benötigen, Online-Hypotheken an. Vom Sofa aus kann ein Hypothekarschuldner oder ein Neo-Eigentümer konkrete Offerten, sei es für eine Neufinanzierung oder Ablöse, einholen. Dieser Vorgang ist unkompliziert und schnell: Nach der Eingabe einiger Eckdaten bewertet die jeweilige Bank die Anfrage und gibt innert weniger Minuten eine verbindliche Kreditzusage. Diese effiziente Abwicklung ermöglicht es den Instituten, die Zinssätze zwanzig bis vierzig Prozent unter den Standardwerten anzubieten. Dabei spielt es auch keine Rolle, wo sich die Liegenschaft befindet. Eine Person aus dem Kanton Schwyz kann genauso gut bei der Glarner Kantonalbank eine Hypothek digital abschliessen, wie ein Glarner auf die Angebote der Freiburger Kantonalbank zugreifen kann. Der heutige Hypothekarnehmer wählt den Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. DIE ZUKUNFT . . .

. . . hat bereits begonnen. Schon lange sind Plattfor­ men wie Homegate oder Comparis im Immobi­ lienbereich tätig und verbinden Angebot und Nachfrage. Sie übermitteln auch Finanzierungsanfragen an Finanzinstitute. Doch mit dem Einsatz von Big Data und Machine-Learning-Algorithmen werden die zeitlichen und räumlichen Daten von Wohn­ eigentum sozusagen auf Knopfdruck ermittelt. Interessenten können per Smartphone eine Liegenschaft fotografieren und erhalten in Echtzeit eine erste Bewertungseinschätzung. Mithilfe von Algorithmen sind auch Wertprognosen für Immobilien in Sekundenschnelle möglich. Der nächste logische Schritt, die Finanzierung, wäre nur noch einen Klick entfernt. Bald werden sich Fremdanbieter, die über eine genügend grosse Community verfügen, an der Schnittstelle Immobilienfinanzierung platzieren.

Diverse Crowdlending-Plattformen sind in der Schweiz bereits im Bereich der Konsum- und KMUKredite aktiv und konkurrenzieren damit das Kreditgeschäft der Banken. Diese Plattformen wachsen derzeit im zweistelligen Prozentbereich. Künftig können sie als intelligenter digitaler Immobilienkreditvermittler fungieren. Sie prüfen die Kreditfähigkeit eines Antragstellers sowie das zu finanzierende Objekt und verbinden Kreditsucher mit Investoren. Durch eine schlanke Organisation, intelligente Algorithmen und moderne Technologien sind solche Anbieter bedeutend effizienter. Diesen Vorteil bekommen letztlich die Kunden zu spüren: Die Konditionen sind günstiger als bei etablierten Banken, und der ganze Prozess geht viel schneller. DEZENTRALE DATENBANKEN

Der nächste Game Changer steht bereits vor der Tür, die Blockchain. Diese Technologie mit Revolutionspotenzial ist nichts anderes als eine dezentrale Datenbank, auf welcher jede Transaktion von Geld, Gütern oder Informationen in einem Block gespeichert wird. Was einmal in der Blockchain gespeichert ist, ist fälschungssicher und bleibt für immer nachvollziehbar. Die Verkettung erfolgt auf Basis zahlreicher dezentraler Computer, womit eine Blockchain unabhängig von einer zentralen Vermittlungsinstanz ist. So könnte man einen Grundstückskauf innerhalb weniger Minuten ohne Notar und Grundbuch abwickeln. Das ist in Singapore übrigens keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität. Dort schliessen manche Immobilieneigentümer ohne Beteiligung eines Vermarkters oder Notars einen Kaufvertrag ab. Und der Folgeschritt, die Finanzierung eines Objekts, kann dank Blockchain und Peer-to-Peer-Finanzierungen die Banken zu reinen Abwicklungsdienstleistern verkommen lassen. Auch der Handel von Liegenschaften wird neu definiert. Ein Grundstückverkauf wäre innerhalb von Minuten ohne Mittelsmann abzuwickeln, und konkrete Finanzierungsofferten erhielte der Käufer zeitnah. Momentan gibt es zwar Ideen, doch ein Proof of Concepts für den Schweizer Immobilienmarkt steht noch aus. Neue Konzepte werden kommen, das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Der Autor Rino Borini ist Co-Founder der financialmedia AG und Finance 2.0 sowie Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins «Punkt». www.financialmedia.ch, www.finance20.ch, www.punktmagazin.ch

119 KAPITAL

der Folge anteilsmässig ausgeschüttet. Rechtlich betrachtet werden die Investoren nach einer erfolgreichen Objektfinanzierung als effektive Besitzer der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen und partizipieren direkt an deren Wertentwicklung. Dreh- und Angelpunkt dabei spielt eine OnlinePlattform, auf der Angebot und Nachfrage zusammenkommen. Diese übernimmt zudem die ganze Administration.


IM GRIFF DER REGULIERUNG

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Text: Donato Scognamiglio Grafik: IAZI

Gesetze, Verordnungen, Richtlinien – der Einfluss der Politik auf die Immobilienwirtschaft wächst stetig. Während Konjunkturund Zinsprognosen in der Branche akribisch überwacht werden, ist die Zahl pendenter Vorstösse im Politbetrieb kaum überschaubar. Diese können manchmal weit grössere Auswirkungen auf das Tagesgeschäft haben als die generelle Wirtschaftsentwicklung.

Ein kleines Wort kann manchmal grosse Wirkung entfalten. Im konkreten Fall heisst das Wort «oder» und kostet einen Immobilienbesitzer monatlich rund 1700 Franken Mietzins. So hoch war die Reduktion, welche die Mieter einer Wohnung in der Zürcher Innenstadt drei Wochen nach ihrem Einzug vom Vermieter forderten und schliesslich vom Bundesgericht auch zugesprochen bekamen. Die Kläger, beide Gutverdiener, stützten sich auf das Obligationenrecht. Laut diesem können Mieter den Anfangsmietzins unter anderem anfechten, wenn sie sich wegen einer persönlichen oder familiären Notlage zum Vertragsabschluss gezwungen sahen. Oder – und dies war im vorliegenden Fall entscheidend – wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, also bei Wohnungsnot. Während die Zürcher Justiz dieses «oder» als «und» auslegte und verlangte, dass eine persönliche Notlage sowie Wohnungsnot für eine Anfechtung gegeben sein müssen, begnügte sich das Bundesgericht buchstabengetreu mit nur einer Bedingung, nämlich der Wohnungsnot. Aus einer vertraglich vereinbarten Monatsmiete von 3900 Franken zuzüglich 300 Franken Nebenkosten wurden so 2500 Franken. Da man in der Regel bei einer Leerwohnungsziffer von unter 1,5 Prozent von Wohnungsnot spricht, herrscht in fast allen grösseren Schweizer Städten ununterbrochen Notstand. Weiteren Klagen stehen damit Tür und Tor offen, die Vertragstreue wird ausgehöhlt. ILLEGALE RENDITEN?

Der Fall zeigt exemplarisch, wie detailliert der Gesetzgeber die Spielregeln im Miet- und Wohnungsmarkt festlegt und damit auch die Geschäftsmodelle der Immobilienwirtschaft steuert. Ein einzelnes Wort, vermutlich unbedacht gesetzt, kann darüber entscheiden, ob man mit einer Immobilie überhaupt einen Gewinn erwirtschaften darf. Die Regulierung kommt nicht von ungefähr: Grund und Boden sind begrenzt, und jeder muss irgendwo wohnen. In der Schweiz, dem Land der Mieter, fallen entsprechende politische Anliegen sowieso auf fruchtbaren Boden und finden rasch Mehrheiten. Doch wo liegt die Grenze zum Eingriff in das Eigentum? Das Mietrecht birgt, besonders in Zeiten von tiefen und negativen Zinsen, weitgehende Einschränkungen der Immobilienwirtschaft. Bei Wohnungsnot, gemäss offizieller Definition Normalzustand in den Zentren, liegt die derzeit zulässige


Energie Raumplanung Steuern

Mieten / Wohnen andere 30 25 20 15 10 5 0

Basel

Bern

Genf

Waadt

Zürich

Nettorendite einer Immobilie bei gerade einmal 2 Prozent. Dies entspricht dem Referenzzinssatz von aktuell 1,5 Prozent zuzüglich eines Aufschlags von 0,5 Prozent. Alles, was darüber liegt, gilt als übersetzter Ertrag und kann angefochten werden. Nimmt man diese Grenzwerte für bare Münze, erwirtschaften zumindest in den Städten praktisch sämtliche Schweizer Immobiliengesellschaften illegale Renditen. Der politische Konflikt zwischen Eigentümern und Mietern ist nur einer von vielen, die die Interessen der Immobilienbranche direkt betreffen. Weiteres prominentes Beispiel sind die Siedlungsentwicklung und der Lärmschutz: Seit einigen Jahren ruft in den Städten alles nach Verdichtung, Hunderte Seiten an Konzeptpapieren und Testplanungen haben Politik und Verwaltung zum Thema erstellt. Liegen dann aber konkrete Projekte vor, scheitern diese oft an den Lärmgrenzwerten, genauer gesagt, an den Messmethoden. So muss eine Genossenschaft in Zürich-Friesenberg in einer gemeinnützigen Überbauung Büros statt preisgünstiger Wohnungen erstellen, obwohl es in der Stadt bereits ein Überangebot an Geschäftsräumen gibt. Zur unfreiwilligen Planänderung kam es, weil die Lärmwerte gemäss heutiger Praxis an sämtlichen Fenstern der Wohnräume einzuhalten sind – im geöffneten Zustand wohlgemerkt. Zahlreiche der Strasse zugewandten Wohnungen werden dadurch verhindert. Offenbar verzichtet man lieber auf zusätzliche Wohnungen in der Stadt, um dafür sämtliche Fenster rund um die Uhr ungestört offen stehen lassen zu können. Daran dürfte sich bis auf Weiteres wenig ändern: Die Motion eines grünliberalen Na­tionalrats zur Lockerung der Messpraxis wurde vom Ständerat stark abgeschwächt. HUNDERTE VORSTÖSSE IN DER PIPELINE

Die Liste an Themen lässt sich fast beliebig erweitern: Von Raumplanung und Mehrwertabgabe über Landschaftsschutz und Energie bis hin zu Bau- und Parkplatzordnungen. Über siebzig Vorstösse, die die Immobilienwirtschaft betreffen, sind derzeit allein auf Bundesebene pendent. Über hundert weitere politische Geschäfte kommen hinzu, wenn man die Kantone Basel-Stadt, Bern, Genf, Waadt und Zürich sowie deren Hauptorte berücksichtigt. Es droht eine kaum überschaubare Flut an neuen Regeln sowie Verschärfungen und Lockerungen bereits bestehender Vorgaben (siehe Grafik diese Seite).

1 21 KAPITAL

PENDENTE POLITISCHE VORSTÖSSE MIT EINFLUSS AUF DIE IMMOBILIENWIRTSCHAFT (KANTONE UND JEWEILIGER HAUPTORT)


1 22 KAPITAL

Während es für fast alle Unwägbarkeiten des Alltags Risikomodelle und Prognosen gibt, befinden sich zahlreiche Marktteilnehmer in Bezug auf die politischen Entwicklungen im Blindflug. Dabei können politische Geschäfte grossen Einfluss auf den Wert von Immobilien haben. Zwar gibt es immer wieder Vorstösse, deren Ziel es ist, den Griff der Regulierung ein wenig zu lockern. Es handelt sich dabei aber um eine Minderheit. Insgesamt wird das Korsett von Regeln, Vorgaben und Anweisungen stets enger und damit die Bewegungsfreiheit der Branche kleiner. Diese Entwicklung bleibt von der breiten Öffentlichkeit meist unbemerkt. Vereinzelt regt sich jedoch Widerstand in der Bevölkerung, wenn der Zugriff auf das Eigentum allzu direkt ist. So nahmen kürzlich einige Berner Gemeinden im Rahmen ihrer Ortsplanung Auf- und Umzonungen vor, wobei ein Teil des dadurch entstehenden Mehrwerts bei den betroffenen Grundbesitzern abgeschöpft werden sollte – so die gängige und bewährte Praxis. Nun forderten die Behörden diese Abgabe aber nicht erst, wenn die Parzelle tatsächlich besser genutzt wird, also bei einem Neu- oder Umbau. Die Besitzer sollten den theoretischen Mehrwert bereits bei einer Handänderung, etwa bei einer Ver­ erbung, entrichten. Nach massivem Widerstand und Hunderten Einsprachen müssen die betroffenen Gemeinden nun über die Bücher. Für Unmut dürfte das neue Raumplanungs­ gesetz auch in der Waadt sorgen. Der aktuelle kantonale Richtplan spricht jeder Gemeinde ein prä­ zises Bevölkerungswachstum bis 2040 zu und verteilt die Bauzonenreserven entsprechend. Dies könnte in den kommenden Jahren zum grössten Baulandbasar des Landes führen. WUNSCH UND WIRKLICHKEIT

Solche und viele weitere Beispiele zeigen: Die Politik täte oft gut daran, sich ein wenig zurückzuhalten. Umso klarer wird dies, wenn man Ziele und tatsächliche Resultate der Detailsteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten abgleicht. Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht; manchmal bewirkt es sogar das Gegenteil. Massnahmen zum Mieterschutz und zur Senkung von Mietpreisen sind letztlich oft die Ursache für eine Erhöhung des Mietpreisniveaus und zusätzliche Anspannung des Wohnungsmarkts. Die gleiche unbeabsichtigte Wirkung dürfte der Ausschluss ausländischer Investoren vom

Schweizer Immobilienmarkt haben, den eine vorgeschlagene Änderung der Lex Koller bezweckt. Werden die Konditionen für Investoren verschlechtert, schrumpft langfristig das Angebot und die Preise steigen. Bestes Beispiel für diesen Mechanismus ist die Stadt Genf, wo Wohnraum trotz oder eben gerade wegen der minutiösen gesetzlichen Vorgaben (Stichwort LDTR, das Gesetz über den Abriss, die Umwandlung und die Renovation von Wohnungen) äusserst knapp bleibt. Doch für die Immobilienbranche zeichnen sich vereinzelt auch Lichtblicke ab. Die fatale Wirkung des Wortes «oder» im zu Beginn dieses Textes erwähnten Gesetzesartikel wurde mittlerweile von bürgerlichen Politikern erkannt. Derzeit liegen gleich zwei parlamentarische Initiativen vor, die diese gesetzlich garantierte Carte blanche für Mietsenkungen entschärfen möchten. Der unerfüllte Wunsch nach einer günstigen Wohnung im Stadtzentrum dürfte beim Erfolg der Vorstösse nicht mehr Grund genug für eine gerichtlich verordnete Mietzinsreduktion sein. Auch dagegen ist aber bereits Widerstand aufgekommen. Ein SP-Nationalrat möchte mit einer weiteren parlamentarischen Ini­tiative auch das Kriterium der Wohnungsnot aus dem entsprechenden Gesetzesartikel tilgen. Dann könnten nicht nur die von Wohnungsnot geplagten Städter einen Mietvertrag unterschreiben, um diesen sofort vor dem Mietgericht anzufechten, sondern sämtliche Mieter. Das Hü und Hott liegt in der Natur der Politik. Die Immobilienbranche tut gut daran, diese auf dem Radar zu haben. Der Autor Prof. Dr. Donato Scognamiglio ist CEO und Mitinhaber der Immobilienberatungsfirma IAZI in Zürich sowie Dozent und Titularprofessor an der Universität Bern. Zudem ist er vom Bundesrat gewählter Verwaltungsrat bei der Pfandbriefbank. www.iazicifi.ch


W O D A S L E B E N S P I E LT d i e k ü c h e . m a d e i n l u z e r n . v e r i s et . c h


1 24 HALTE R AG

Hundert Jahre Halter Text: Monika Burri, Sabine von Fischer Fotos: Firmenarchiv Halter, Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich, Heinrich Wolf-Bender, Beat Bühler, Ariel Huber

Die Firma Halter, 1918 in Altstetten gegründet, kann dieses Jahr auf ihr hundertjähriges Bestehen zurückblicken: Mit grossem Einsatz und ausgeprägtem Geschäftssinn brachte der Firmengründer Wilhelm Halter das Familienunternehmen auf ein solides Fundament. Sein Sohn Jost Halter führte das Baugeschäft mit sicherer Hand durch die Boom- und Krisenjahre der Nachkriegszeit. Unter Balz Halter gelang in der dritten Generation die Neupositionierung: Aus dem traditionellen Bau- und Immobilien­ unternehmen wurde ein renommierter und schweizweit tätiger Spezialist für Arealentwicklungen.

1918–2018


Ab 1918 lag der Geschäftssitz der Baufirma Halter mit Werkstatt, Materiallager, Stallungen und Wohnhaus an der Herrligstrasse in Altstetten.


1 26 HALTE R AG

Am 29. August 1918, noch vor Ende des Ersten Weltkriegs, erwarb der aus dem Kanton Obwalden stammende Bautechniker Wilhelm Pius Halter (1891– 1944) das bereits bestehende Maurergeschäft von Jakob Müller an der Herrligstrasse in Altstetten. Der Bahnwärtersohn aus Giswil hatte 1913 am Technikum Burgdorf das Diplom als Tiefbautechniker erworben. Das Startkapital für die Firmengründung hatte er sich grösstenteils selber erarbeitet, zunächst als Gleisarbeiter, dann als Bauführer im Strassenbau. Mit der Geschäftsübernahme mitten in der wirtschaftlichen Krisenzeit zeigte Wilhelm Halter Mut zum unternehmerischen Risiko – und auch eine glückliche Hand. Der erste grosse Auftrag kam aus seiner Heimatgemeinde Giswil. Der junge Bauunternehmer wurde mit der Ausführung des Maschinenhauses der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) beauftragt. Kurz darauf folgte ein Auftrag für die Wasserversorgung Giswil im Kostenbetrag von 400 000 Franken. Wie die «Obwaldner Zeitung» posthum berichtete, war der Geschäftsstart geglückt: «Mit grosser Tatkraft und Umsicht widmete sich der junge Baumeister diesem für einen Anfänger ziemlich grossen Werke, er wollte sich des Zutrauens der

Wilhelm Halter (1891–1944)

Bauherren würdig zeigen. Beide Arbeiten wurden zur vollen Zufriedenheit ausgeführt.» WACHSTUMSGEBIET ALTSTETTEN

Mit unermüdlichem Einsatz und sicherem Geschäftssinn brachte Wilhelm Halter seine Firma schon bald auf ein solides Fundament. Bereits 1923 wies das Steuerregister den Innerschweizer Bau­ unternehmer als einen der wohlhabendsten Bürger der Gemeinde Altstetten aus. Zusammen mit seiner Frau Anna Halter-Ming (1893–1986), der jüngsten Tochter des Obwaldner Landarztes, Politikers und Schriftstellers Peter Anton Ming (1851–1924), baute er ein klassisches Familienunternehmen mit Leitungs- und Eigentumsstruktur in Privatbesitz auf. Den zentralen Wachstumsmarkt fand die Firma Halter in der Siedlungsentwicklung von Altstetten, damals ein ländlich strukturierter Zürcher Vorort mit sichtbarem Ausbaupotenzial. Insbesondere der gezielte Ankauf von Baugrundstücken und Land­ reserven erwies sich als langfristig erfolgreiche Geschäftsstrategie. Das Baumeistergeschäft realisierte schlüsselfertige Bauten von der Kalkulation bis hin zu den Schlosser-, Schreiner- und Malerarbeiten. Mit der geringen Arbeitsteilung konnte eine hohe Wertschöpfung erzielt werden. Von 1921 bis 1933 erwarb Wilhelm Halter in Altstetten Landreserven im Umfang von fast hundert Hektaren und erstellte zahlreiche Industrie-, Gewerbe- und Wohnbauten, zum Teil im Auftrag von privaten Bauherren oder Genossenschaften, vor allem aber im «Eigenbau», oder wie man heute sagen würde, für das eigene Immobilienport­ folio. Zu den Wohnbauten, die das Baugeschäft auf eigenem Bauland realisierte, gehörte unter anderem die Siedlung Hardhof von 1927, bestehend aus 36 Kleinhäusern mit Nutzgärten. Ein genossenschaftlicher Vorzeigebau in der Werbeschrift von 1932 war die Kolonie Seebahn in Zürich-Aussersihl, 1929/30 im Auftrag der Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP) erstellt. Mit der Eingemeindung von Altstetten in das Zürcher Stadtgebiet im Jahr 1934 veränderte sich der Aktionsradius und die Selbstdarstellung der Firma Halter. Das Unternehmen verlagerte seine Adresse in das herrschaftliche Wohn- und Geschäftshaus Auf der Mauer 1 über dem Zürcher Central. Der Werkhof und die Geschäftsräumlichkeiten blieben am Standort Herrligstrasse. 1937 erhielt die Familie das Stadtzürcher Bürgerrecht und


Das Maschinenhaus des Wasserkraftwerks am Lungernsee in Giswil, 1921 erรถffnet, war der erste grosse Bauauftrag des jungen Unternehmens.


besiegelte den sozialen Aufstieg vom Obwaldner Handwerkermilieu ins Zürcher Unternehmertum. Doch Wilhelm Halters beruflicher Erfolg wurde von gesundheitlichen Problemen überschattet. Am 15. Januar 1944, im Alter von erst 53 Jahren, starb der umtriebige Geschäftsmann an einem unheilbaren Hirntumor. Zahlreiche Nachrufe und Gedenkschriften hoben das unternehmerische Talent des Selfmademan hervor und würdigten seine christlich geprägte Wohltätigkeit. Nach dem frühen Tod des Firmengründers inmitten des Zweiten Weltkriegs übernahm die Witwe Anna Halter-Ming, unterstützt von langjährigen Mitarbeitern, die Führung des Baugeschäfts.

1 28 HALTE R AG

BOOMJAHRE UND WIRTSCHAFTSAUFSCHWUNG

Das Kriegsende und der unmittelbar einsetzende Wirtschaftsaufschwung brachten einen Bauboom bisher unbekannten Ausmasses. Wie die gesamte Schweizer Baubranche konnte die Firma Halter vom Nachholbedarf der Kriegs- und Krisenzeiten profitieren. Insbesondere in den «Stammlanden» der Firma, Altstetten und Albisrieden, wurden ab 1946 eine grosse Zahl genossenschaftlicher und privater Wohn-, Industrie- und Geschäftsbauten

Jost Halter (1929–1979)

sowie mehrere Aufträge der öffentlichen Hand ausgeführt. Es entstanden wegweisende Bauten des 20. Jahrhunderts, so etwa das Franz-Carl-WeberLagerhaus von 1955 aus der Feder des Architekten Rudolf Kuhn und die städtische Wohnkolonie Farbhof der Architekten Haefeli Moser Steiger von 1957. Grosse Wohnsiedlungen wurden am Letzigraben, In der Ey, im Wydäckerring oder an der Saumackerund Baslerstrasse realisiert. Die Auftragsvolumen der Hochkonjunktur konnten nur mit dem Beizug ausländischer Arbeitskräfte bewältigt werden. Zudem wurden betrieb­ liche Anpassungen notwendig, insbesondere eine umfassende Mechanisierung des Maschinenparks und eine effiziente Organisation der Arbeitsabläufe. An der Expansion und Modernisierung des Baugeschäfts Halter war Jost Halter (1929–1979), der zweitjüngste Sohn der Unternehmerfamilie, wesentlich beteiligt. Seit Beginn seines Studiums der Bauingenieurwissenschaften an der ETH Zürich war der designierte Geschäftsnachfolger im Unternehmen tätig und unterstützte seine Mutter bei den Führungsaufgaben. 1956 trat Jost Halter, von langjährigen Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Familienmitgliedern als visionäre und führungsstarke Persönlichkeit beschrieben, vollumfänglich ins Familienunternehmen ein. Der Oberst der Genietruppen der Schweizer Armee, aktive Altherr der Studentenverbindung Turicia und Rotarier brachte ein umfangreiches Beziehungsnetz mit. Nach der 1968 erfolgten Erbteilung übernahm Jost Halter als Firmenchef und unbeschränkt haftender Gesellschafter die Geschicke der Bau- und Immobilienfirma. Unter seiner Führung wurde die Abteilung Eigenbau in eine Generalunternehmung umgewandelt. Wie die Konkurrenten am Markt machte die Firma Halter Bauausführungen mit garantierten Preisen und Terminen zu einer umfassenden Dienstleistung. Im selben Jahr feierte das Unternehmen sein 50-Jahre-Jubiläum und konnte auf eine beachtliche Bautätigkeit zurückblicken: Rund 1800 Wohnungen, 200 Einfamilienhäuser, 8 grössere Geschäftshäuser, 3 Schulhäuser und 20 Gewerbebauten waren in einem halben Jahrhundert errichtet worden. Ein Zukauf von Grundstücken und ein weiterer Ausbau der Dienstleistungen erfolgte mit dem Erwerb der Firma Schärer Blitzgerüst AG. Bis 1981 führte die Firma Halter den stangenlosen Gerüstbau nach dem System von Emil Schärer als eigene Betriebssparte.


Das BĂźro- und Lagerhaus der Schweizerischen Aluminium Industrie AG wurde im Jahr 1948 unter dem Einsatz von Leichtmetall realisiert.


130 HALTE R AG

KONJUNKTURKRISE UND SCHICKSALSSCHLAG

Anfang der 1970er-Jahre nahm die Baufirma einige Projekte in Angriff, welche die Kapazitäten des KMU-Betriebs beinahe restlos absorbierten, unter anderem die Wohn- und Gewerbeüberbauung Im Struppen in Altstetten, wohin das Unternehmen 1974 seinen Firmensitz verlegte. Zudem beteiligten sich Firma und Familie Halter am Neubauquartier Grünau, einem von der Stadt Zürich orchestrierten, städtebaulichen Prestigeprojekt. Drei Fami­lienstämme waren als Grundeigentümer, Bauherren und Investoren in die Grossüberbauung involviert, Jost Halters Firma realisierte als Generalunternehmerin rund ein Drittel der insgesamt 455 projektierten Wohnungen. Die Aufträge und Investitionen fielen mitten in den Konjunktureinbruch der 1970er-Jahre. Der Ölpreisschock von 1973 und die nachfolgende Rezession trafen die auf Hochtouren laufende Wirtschaft unerwartet und hinterliessen nicht nur im Baugewerbe deutliche Spuren. Jost Halter begegnete den wirtschaftlichen Herausforderungen mit Weitblick und Engagement, doch die wachstumskritische Haltung in Politik und Gesellschaft machte ihm zunehmend zu schaffen. Mit dem Kauf einer

Balz Halter (*1961)

Baumwollplantage in Louisiana leistete er sich einen Freiraum für seine unternehmerischen Ambitionen. Die volle Umsetzung seiner Pläne konnte er aber nicht mehr miterleben. 1979 starb Jost Halter an den Folgen eines Autounfalls. Einmal mehr musste die Familie einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Mit grossem Pflichtgefühl übernahm seine Witwe Rita HalterBreitenmoser (1929–2013) das Verwaltungsratspräsidium der Halter AG und sicherte zusammen mit dem langjährigen Kadermitarbeiter Hans Tödtli den Fortbestand des Unternehmens und die Übergabe an die dritte Generation. NEUAUSRICHTUNG AM MARKT

1987 stand Balz Halter im Alter von 26 Jahren für die Geschäftsnachfolge bereit. Wie sein Vater hatte der Firmenleiter der dritten Generation an der ETH Zürich Bauingenieurwissenschaften studiert und eine militärische Kaderausbildung absolviert. Für den Jungunternehmer standen grössere strategische Herausforderungen an. In den 1980er-Jahren waren fast alle Landreserven im Firmenbesitz überbaut worden, gewichtige Aufträge waren nicht in Aussicht. In einer Entflechtung der Geschäftsfelder und einer Neuausrichtung auf die veränderten Marktbedingungen sah Balz Halter eine Vorwärtsstrategie, um das Familienunternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Die Einführung einer Profitcenter-Organisation und die Umwandlung der Abteilungen Bauunternehmung, Generalunternehmung und Liegenschaftenverwaltung in selbstständige Geschäftsbereiche sollten mehr Transparenz, Rentabilität und unternehmerisches Denken in die Betriebsabläufe bringen. Trotz erheblichem Marktdruck konnte das Unternehmen wachsen und betätigte sich zunehmend in der Agglomeration, so etwa in Birmensdorf, Aesch, Niederhasli, Tagelswangen oder Wettswil am Albis. In den 1990er-Jahren – mitten im Tiefflug des Immobilienmarkts – engagierte sich die Firma Halter für ein innovatives Projekt, das die strategische Ausrichtung des Unternehmens nachhaltig beeinflusste. Auf dem Areal der ehemaligen Textilfirma Schoeller und Co. im Zürcher Industriequartier entwickelte Halter zusammen mit der Grundeigentümerin, der Hardturm AG, zwischen 1995 und 2001 die Wohn- und Gewerbeüberbauung Limmatwest. Mit der städtebaulich gewagten


Die Quartierentwicklung Limmatfeld mit dem achtzig Meter hohen Limmat Tower wurde in den Jahren 2002 bis 2015 in Dietikon bei ZĂźrich erstellt.


132 HALTE R AG

Offensive einer Grosswohnüberbauung im postindustriellen Niemandsland gelang der Baufirma eine Neupositionierung als Spezialist für Arealentwicklungen und Immobilienmarketing. Die Überbauung Limmatwest wurde zum neuen Firmensitz und zum Referenzobjekt für die Erweiterung der Dienstleistungspalette. Anfang der 2000er-Jahre erholte sich der Schweizer Immobilienmarkt, für Investitionen zeichnete sich ein Aufwärtstrend ab. Die Firma Halter konnte sich mehrere Bau-, General- und Totalunternehmeraufträge mit namhaften Architekten und Bauträgern sichern. Ab 2007 operierte das Unternehmen wieder mit einer Dachmarkenstrategie und einer zentralen Gruppenleitung. Gleichzeitig markierte die Umstrukturierung einen Einschnitt in der DNA des Familienunternehmens: Die Bauunternehmung, das langjährige Kerngeschäft der Firma Halter, wurde im Frühjahr 2008 an die Anliker Bauunternehmung verkauft. Die neu gebildete Einheit Halter Entwicklungen avancierte zu einem eigenständigen Unternehmensbereich, der sich auf Immobilien- sowie auf grossräumig und längerfristig angelegte Areal- und Zentrumsentwicklungen spezialisierte. SCHWEIZWEITE EXPANSION

Grossräumige Nutzungskonzepte und Gebietsplanungen in kooperativen Verfahren entwickelte die Halter AG insbesondere im Limmattal, einer typischen Agglomerationslandschaft mit enormem Wachstumsdruck und dezentralen Planungs- und Steuerungsstrukturen. In enger Zusammenarbeit mit politischen und wirtschaftlichen Akteuren engagierte sich Halter in den Städten Schlieren und Dietikon als treibende Kraft von städtebaulichen Planungsprozessen. Auf ehemaligen Industriebrachen entstanden ambitioniert verdichtete Wohnquartiere und öffentliche Räume mit urbanen Zentrumsfunktionen und beruhigter Verkehrsführung. Mit der 2014 durch die Firma Halter lancierten Initiative Limmatstadt erhielt die Region eine eigene, professionelle und breit abgestützte Organisation für die Standortförderung. Infrastrukturausbau und Wirtschaftsförderung in allen Zentren der Schweiz eröffneten der Halter AG seit der Jahrtausendwende attraktive Wachstumschancen. Ab 2004 entwickelte sich das Unternehmen nicht mehr nur über die Stadt-, sondern auch über die Kantonsgrenzen Zürichs hinaus. Mit

prestigeträchtigen Projekten wie der neuen Sportarena auf der Allmend in Luzern, dem Zen­trum Europaplatz mit dem Haus der Religionen in Bern oder der Umnutzung des alten Transit­lagers auf dem Basler Dreispitz-Areal markierte Halter schweizweite Präsenz und richtete ab 2014 in Bern, Luzern, Basel und Lausanne Zweigstellen ein. Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft als gesellschaftlicher Megatrend des ausgehenden 20. Jahrhunderts spiegelte sich auch in den Geschäftstätigkeiten wider. Für die zukunftsfähige Profilierung ihrer Dienstleistungen schickte sich die Firma Halter immer wieder an, entsprechende Kompetenzen aufzubauen oder das erforderliche Know-how ins eigene Haus zu holen – so jüngst auch mit dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Raumgleiter AG, einem Gesamtdienstleister für den digitalen Bereich. EIN FUNDAMENT FÜR DIE ZUKUNFT

Unternehmerisches Denken, Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Engagement für Gesellschaft und Umwelt sowie Investitions- und Innovationsbereitschaft führen wie ein roter Faden durch die 100-jährige Firmengeschichte. Mit geschickten Landkäufen und dem Geschäftsmodell des Eigenbaus hatte der Firmengründer Wilhelm Halter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein solides Fundament für das Mehrgenerationen-Familienunternehmen gelegt. Mit Unternehmergeist und Einsatzbereitschaft steuerte Jost Halter seine Firma durch die Boomphasen und Rezessionen der Nachkriegszeit. Sein Sohn Balz Halter reagierte als Firmeninhaber der dritten Generation auf die veränderten Marktbedingungen und führte das ursprüngliche Baugeschäft mit Weitsicht und Risikobereitschaft ins prosperierende Schnittfeld von Entwicklung und Realisierung. Heute wird die Halter AG als bedeutendes Unternehmen in der Schweizer Immobilienindustrie und als Pionierin für Arealentwicklungen mit deklarierten Ambitionen im Bereich der Digitalisierung wahrgenommen. Zum hundertjährigen Bestehen der Halter AG erscheint eine Jubiläumsschrift, die in einem historischen Teil die Firmengeschichte aufarbeitet, während ein wissenschaftlicher Essay die städtebauliche Entwicklung von Zürich im gleichen Zeitraum beleuchtet.


Auch im Jubiläumsjahr richtet die Halter AG den Blick nach vorn und ergreift die Chancen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Dies führt nicht nur zu neu­ artigen Werkzeugen, Produkten und Prozessen, die Digitalisierung wirkt sich auch auf die Struktur und Kultur des Unternehmens aus. Kleine, flexible Einheiten und Verantwortungsbereiche fordern und fördern das Unternehmertum in den Geschäftsbereichen genauso wie draussen in den Regionen.

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ALTE WERTE, NEUE MITTEL


«WIR SIND IN UNTERNEHMERISCHEN ZELLEN ORGANISIERT.»

134 HALTE R AG

Markus Mettler, CEO

Komplex: Die Halter AG feiert am 29. August 2018 ihr 100-jähriges Bestehen. Welche Bedeutung hat das Datum für die Firma? Markus Mettler: Wir sind selbstverständlich stolz auf die von den drei Inhabergenerationen erbrachte Leistung. Der Blick ist aber auch im Jubiläumsjahr nach vorne gerichtet. Genauso wie die Vergangenheit bewegt uns das Engagement für die Zukunft unseres Unternehmens. Im letzten Jahr wurde der Dienstleistungsbereich der Halter-Gruppe neu organisiert. Was hat den Ausschlag gegeben? Unsere Einschätzung der Chancen und Opportunitäten, die sich mit der Digitalisierung bieten. Die Anfang 2018 neu gegründete Halter Immobilien AG umfasst die Leistungsbereiche Vermarktung und strategisches Facility-Management, die sich in den vergangenen Jahren sehr gut etabliert haben und zukünftig eine noch grössere Rolle spielen werden. Der Bereich Service Development wurde ins Business Development der Halter AG integriert. Die Raumgleiter AG spielt nach wie vor ganz vorne mit, wenn es um die digitale Bildgebung, 3D-Modelle und digitales Planen und Bauen geht. Die klare Positionierung unserer Dienstleistungsangebote bietet neue strategische Freiheiten für die zukünftige Entwicklung und grösseren Handlungsspielraum in der Ausgestaltung der Business-Modelle und Produkte für unsere Kunden. Mit der Halter Immobilien AG, der Raumgleiter AG und der Halter AG sind nun drei Firmen in enger Zusammenarbeit auf dem Schweizer Immobilienmarkt präsent, jede mit einem spezifischen Angebot und einer anderen Kernkompetenz.

Was bedeutet dieser Schritt für die Halter AG? Unsere Firma ist seit 2010 mit grosser strategischer Kontinuität tätig. Die Kernelemente dieser Strategie lauten: Wachstum mit Fokus auf Entwicklungsprojekte sowie Diversifikation in Bezug auf Nutzungen, Geschäftsmodelle und Regionen. Dem bleiben wir treu. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung spielt der Faktor Geschwindigkeit eine immer grössere Rolle. Die Antwort darauf ist unsere Organisation in agilen, unternehmerischen Zellen. So können wir eine enge Vernetzung mit unserem Umfeld gewährleisten; nicht nur mit der Halter Immobilien AG und der Raumgleiter AG, sondern auch mit Unternehmern, Planern, Partnern, Kunden und Investoren. Seit fast zwei Jahren hält Halter eine Mehrheitsbeteiligung an der Firma Raumgleiter. Was hat sich seither getan? Wir sind sowohl thematisch als auch personell sehr viel breiter aufgestellt. Raumgleiter hat sich seit der Gründung vor rund sechzehn Jahren mit Archi­ tekturvisualisierungen einen Namen gemacht. In den vergangenen zwei Jahren ist eine breite Palette an Produkten rund um die Bereiche Virtual und Augmented Reality sowie Virtual Design und Construction hinzugekommen. Daneben hat sich unser Decision Room – ein multimedial ausgestattetes Besprechungszimmer – als zentrale Schaltstelle zwischen Projektentwicklern, Investoren, Bauherren, Grundeigentümern und Planern etabliert. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Immobilienbranche? Die Art und Weise, wie wir künftig arbeiten, wird sich grundlegend ändern. Dies gilt im Speziellen auch für die Immobilienbranche. Im Kern bleibt unser Geschäft zwar das alte, da es weiterhin um Nutzungen, Lagen sowie Architektur und Städtebau im Kontext der ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeit geht; die Prozesse in der Entwicklung, Planung, Ausführung und im Betrieb werden jedoch komplett auf den Kopf gestellt. Im herkömmlichen Planungs- und Bauprozess nimmt die Informationsdichte im Laufe eines Projekts stetig zu. Die Herausforderung für Projektverantwortliche war bisher, Entscheide auf einer für die jeweilige Phase tendenziell zu dünnen Informationsgrundlage zu treffen. Mit der Digitalisierung kehrt sich dies um. Wir sind nun in der Lage, bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein Maximum an Daten und Informationen zu generieren


UNTERNEHMENSDATEN Personalbestand per 31. 12. 2017 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Umsatz 2017

500 – 600 Mio. CHF

ADRESSEN Hauptsitz Zürich

Halter AG, Hardturmstrasse 134, CH – 8005 Zürich, T +41 44 434 24 00

Geschäftsstelle Basel

Halter AG, Genuastrasse 15, CH – 4142 Münchenstein, T +41 61 404 46 40

Geschäftsstelle Bern

Halter AG, Europaplatz 1A, CH – 3008 Bern, T +41 31 925 91 91

Geschäftsstelle Luzern

Halter AG, Zihlmattweg 46, CH – 6005 Luzern, T +41 41 414 35 40

Geschäftsstelle Lausanne

Halter SA, Route de Berne 99, CH – 1010 Lausanne, T +41 21 310 13 00

VERWALTUNGSRAT Balz Halter

Präsident des Verwaltungsrats

Roger Dettwiler

Mitglied des Verwaltungsrats

Dr. Urs Ernst

Mitglied des Verwaltungsrats

Dr. Nicolas Iynedjian

Mitglied des Verwaltungsrats

GRUPPENLEITUNG Markus Mettler CEO

Thomas Bachmann CFO

Rolf Röthlisberger Leiter Rechtsdienst

Alex Valsecchi

Leiter Business Development der Regionen Zürich, Ostschweiz, Basel und Zentralschweiz

Herbert Zaugg

Leiter Business Development der Region Bern

Florian E. Revaz

Leiter Business Development der Region Westschweiz

Ede I. Andràskay

Geschäftsführer Entwicklungen

Felix Hegetschweiler

Geschäftsführer Gesamtleistungen und Renovationen

www.halter.ch

135 HALTE R AG

und als Grundlage für unsere Entscheide zu nutzen. Doch allzu oft landen diese noch auf dem Datenfriedhof. Die Krux ist, unternehmerische Modelle zu finden, die die Informationen strukturieren und über alle Phasen zielgerichtet nutzen. Daran arbeiten wir intensiv. Sie sind seit vier Jahren Vorstandsmitglied des Branchenverbands Entwicklung Schweiz. Welche Themen beschäftigen Sie in dieser Funktion? Unser Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Realisierung von Projekten mitzugestalten und zu verbessern. Die zentralen Themen sind auch hier die Raumplanung, die Energiepolitik, die Digitalisierung und die damit verbundene Prozesslandschaft. Ein überwiegender Teil der Marktteilnehmer betrachtet die Bauwirtschaft als grossen Kuchen, den man – überspitzt gesagt – mittels Normierung und Regulierung jedes Jahr noch etwas grösser backen kann. Darunter leidet die Produktivität der Industrie. Die heutige Regulierungsdichte etwa im Bereich Energie steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die Normen und Vorschriften betreffen fast ausschliesslich den Bereich Neubau. Dieser macht jedoch nur ein bis eineinhalb Prozent des Immobilienbestands der Schweiz aus. Hinzu kommt, dass die heutigen Vorschriften bereits um ein Vielfaches besser sind als noch vor dreissig oder vierzig Jahren. Kurz gesagt: Die Baukosten steigen, und der Effekt in Bezug auf die Energieeffizienz geht gegen null. Ein ähnliches Szenario zeigt sich im Bereich Denkmal-, Ortsbild- und Heimatschutz. Bei all den Objekten im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) fragt man sich schon, wie der Trend, das Alte auf Kosten von Neuentwicklungen und Innovation zu überhöhen, endlich gestoppt werden kann. Wie sehen Sie die Entwicklung im Immobilienmarkt in der näheren Zukunft? Es wird spannend. Einerseits beginnt sich die Digitalisierung langsam, aber sicher auf die Geschäftsmodelle auszuwirken, andererseits beobachten wir auf der Nachfrageseite eine generelle Abschwächung. Beide Entwicklungen werden zur Bereinigung des Marktes beitragen, sowohl produktions- als auch ertragsseitig. Darum müssen wir die Qualität in den Produkten und Prozessen nochmals signifikant steigern.


«WIR PFLEGEN EIN PERSÖNLICHES BEZIEHUNGSNETZ.»

136 HALTE R AG — B U S I N ESS D EVE LO PM E NT

Alex Valsecchi, Leiter Business Development der Regionen Zürich, Ostschweiz, Basel und Zentralschweiz

Komplex: Was können Kunden des Bereichs Business Development von Halter erwarten? Alex Valsecchi: Das Business Development ist vielfach erster Ansprechpartner. Dabei sind die Bedürfnisse sehr unterschiedlich gelagert: Manche Kunden möchten ihr Grundstück verkaufen, andere beabsichtigen, dieses partnerschaftlich zu entwickeln und bei einer Devestition in Kombination mit einem TU-Angebot von höheren Verkaufserfolgen zu profitieren; Dritte wiederum suchen einen verlässlichen Entwicklungspartner, der schon sehr früh die Risiken übernimmt und Kostensicherheiten bietet. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, Liegenschaften und Grundstücke mit Entwicklungspotenzialen zu evaluieren und entsprechende Visionen zu erarbeiten – stets in Kombination mit einem konkreten Business Case. Wirtschaftliche Parameter, wie zum Beispiel Kosten- und Ertragsziele, können wir ohne grossen Planungsaufwand feststellen. Damit schaffen wir die Grundlagen für die strategischen Investitionsentscheide unserer Kunden sowie für unsere eigenen Investitionen. Angenommen ich wende mich als Grundeigentümer an Halter, wie ist das Vorgehen? Im ersten Schritt analysieren wir den lokalen Markt und schätzen die zukünftige Angebotssituation ein. Wir identifizieren damit die ortsspezifischen Nachfragepotenziale und die Zahlungsbereitschaft der Mieter- und Käuferschaft. Die anschliessende Standortanalyse dient der Einschätzung, welche Zielgruppen sinnvoll bedient werden können und in welcher Form ein Projekt städtebaulich ansprechend und baurechtskonform umgesetzt

werden kann. Dabei kommen digitale Tools zur Erstellung von Visualisierungen und zur Ermittlung der Mengen zum Einsatz. Auf dieser Grundlage geben wir unsere Einschätzung der Investi­ tionskosten und Erträge ab. Folgt aus der Analyse, dass ein Mehrwert erzielt werden kann, schlagen wir unseren Kunden eine Zusammenarbeit mit Halter Entwicklungen oder Halter Gesamtleistungen beziehungsweise Halter Renovationen als Entwicklungs- und Realisierungspartner vor. Im Falle einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit legen wir grossen Wert darauf, dass beide Seiten transparent und fair am Mehrwert teilhaben können. Beschreiben Sie uns den weiteren Projektverlauf. Im Schnitt brauchen wir eine, bei komplexeren Vorhaben maximal vier Wochen für die Erarbeitung einer Vision und eines Business Case. Im Anschluss erarbeiten wir gemeinsam die Verträge: von Landsicherungsgeschäften über Entwicklungsvereinbarungen oder Totalunternehmerverträgen bis hin zu Firmenkäufen. Mit der Vertragsunterzeichnung übernimmt die jeweilige Geschäftseinheit von Halter die Umsetzung der Vision. Unsere Entscheidungswege sind kurz, und als schweizweit tätiges, inhabergeführtes Familienunternehmen haben wir im Gegensatz zu Mitbewerbern mit internationaler Besitzerstruktur die Möglichkeit, auch Wohngrundstücke direkt zu erwerben. Ein weiteres Angebot sind Immobilienentwicklungen im Mandat: Wie sieht hier die Zusammenarbeit aus? In einer ersten Phase ist eine Zusammenarbeit auch im Mandatsverhältnis möglich. Allerdings versteht sich Halter nicht als Berater, sondern als Partner mit unternehmerischem Ansatz. Im Auftragsverhältnis analysieren wir Kundenportfolios und erbringen Entwicklungsdienstleistungen. Gleichzeitig unterbreiten wir den Kunden ein verbindliches Kostenziel als Basis für die weitere Kooperation. Damit verdeutlichen wir, dass der im Business Case enthaltene Mehrwert auf einer realistischen Basis errechnet wurde. Die gängigen Kostenschätzungen in frühen Phasen mit einer Genauigkeit von um die fünfundzwanzig Prozent sind nutzlos. Der Schweizer Immobilienmarkt ist immer noch sehr regional. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung? Marktnähe und ein persönliches Beziehungsnetz lassen sich nur durch lokal verwurzelte Mitarbeiter


INVESTMENT & AKQUISITION Simon Schmid

Leiter Business Development der Regionen Zürich und Ostschweiz

Florian E. Revaz

Leiter Business Development der Region Westschweiz, Mitglied der Gruppenleitung

Raphael Strub

Leiter Business Development der Regionen Basel und Zentralschweiz

Olivier Thomas

Leiter Business Development der Region Arc lémanique

Alex Valsecchi

Leiter Business Development der Regionen Zürich, Ostschweiz, Basel und Zentralschweiz, Mitglied der Gruppenleitung

Herbert Zaugg

Leiter Business Development der Region Bern, Mitglied der Gruppenleitung

137 HALTE R AG — B U S I N ESS D EVE LO PM E NT

sicherstellen. Deshalb ist das Business Development regional und nicht zentral organisiert. Mit Herbert Zaugg in der Region Bern, Raphael Strub in den Regionen Basel und Zentralschweiz, Florian Revaz und Olivier Thomas in der Romandie sowie Simon Schmid in der Region Zürich und Ostschweiz sind wir lokal sehr gut vernetzt und bieten unseren Kunden in jedem Landesteil kompetente Ansprech- und Verhandlungspartner. Business Development im engeren Sinn bedeutet auch Geschäfts- beziehungsweise Unternehmensentwicklung. Welche Aufgaben übernehmen Sie in diesem Bereich? Wir initiieren und implementieren zusammen mit unserem CEO und den übrigen Geschäftsführern der Einheiten strategische, unternehmensübergreifende Projekte. Zurzeit arbeiten wir mit Hochdruck am Thema Digitalisierung. Die in diesem Zusammenhang neu definierten Prozesse setzen wir bereits in diversen Pilotprojekten um, was uns und unseren Kunden langfristig wirtschaftliche Erfolge sichern wird. Als weiteres Beispiel kann ich unser Programm «Halter-Köpfe» nennen. Dieses umfasst ein internes Know-how-Austauschprogramm für die Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unter demselben Etikett haben wir vor drei Jahren unser Trainee-Programm eingeführt, das talentierten Hochschulabgängern einen Einstieg in die Immobilienentwicklung bietet. Das Thema Innovation nimmt einen grossen Stellenwert bei der Halter AG ein. Wie zeigt sich dies in Ihrer Tätigkeit? Wir versuchen, Trends zu identifizieren und die damit verbundenen Veränderungen bei der Nachfrage zu antizipieren. Als Beispiel möchte ich das Produkt MOVEment nennen, das auf der Idee von Elastic Living des Architekten Angelo Roventa basiert und von uns weiterentwickelt wurde. Das flexible Wohnkonzept setzt die Bedürfnisse der «modernen Nomaden» und des urbanen Wohnens auf kleinster Fläche um. Zudem haben meine Kollegen aus Bern mit der Initiative «Wir sind Stadtgarten» bewiesen, dass unsere schon vor längerer Zeit entwickelten Ansätze bezüglich preisgünstigen Wohnungsbaus auch in der Praxis funktionieren.


«DAS GESAMTLEISTER­ MODELL WIRD IMMER BELIEBTER.»

138 HALTE R AG — GESAMTLE I STU N GE N

Maik Neuhaus, Leiter Entwicklung und Akquisition, ab Ende 2018 Geschäftsführer Gesamtleistungen

Komplex: Was hat sich seit der Einführung des Gesamtleistermodells vor rund fünf Jahren verändert? Maik Neuhaus: Das Gesamtleistermodell ist inte­ grativ, transparent und dadurch auch partner­ schaftlich geworden, was insgesamt zu besse­ ren Resultaten führt. Dies bedeutet im Vergleich zu den bisher geläufigen konventionellen und sequenziellen Zusammenarbeitsmodellen grund­ legende Veränderungen – auf strategischer, struktu­ reller und insbesondere auch auf kultureller Ebene. Wir stellen zudem fest, dass Akzeptanz und Nach­ frage in den letzten Monaten stark gestiegen sind. Einer der Gründe dafür ist sicher, dass wir in den vergangenen Jahren mehrere Projekte im Gesamt­ leistermodell sehr erfolgreich umsetzen konnten und die Bauherren von dessen Vorteilen überzeugt haben. Was sich seit der Einführung zudem posi­ tiv und beschleunigend auf die Etablierung unseres Modells ausgewirkt hat, ist ganz klar die Digitali­ sierung der Branche. Wie sieht der konkrete Mehrwert für den Kunden aus? Der entscheidende Mehrwert für den Kunden ist, dass die zu Beginn definierten Ziele effizient, effek­ tiv und mit absoluter Kosten-, Qualitäts- und Ter­ minsicherheit erreicht werden. Bei konventionellen Modellen ist es oft so, dass die Entwicklungsphase für den Besteller einem Blindflug gleichzuset­ zen ist. Unschärfen bei Ertragsflächen, Leistungs­ werten und Kosten von bis zu zwanzig Prozent sind Standard. Mit einer solchen Basis sind res­ sourcenaufwendige Zusatzschlaufen, frustrierte

Projektbeteiligte und schlechte Resultate vorpro­ grammiert. Heute erstellen wir bereits lange vor der Planung digitale Gebäudemodelle. Sie bilden eine Art virtuellen Business Case und schärfen die Pro­ duktdefinition. Darauf basierend lassen sich früh die strategisch richtigen Entscheide fällen. Was war Ihr Highlight bei Halter Gesamt­ leistungen im vergangenen Jahr? Wir konnten viele spannende Projekte – grössere und kleinere – erfolgreich fertigstellen. Herausra­ gend waren sicherlich die Übergaben der Mall of Switzerland in Ebikon und des Ambassador House in Opfikon. Dank dem professionellen und uner­ müdlichen Einsatz der jeweiligen Projektteams konnten die hohen Erwartungen erfüllt wer­ den. Doch auch die übrige Belegschaft betreute äusserst erfolgreich die anderen laufenden Pro­ jekte, was der Geschäftsleitung die Möglichkeit gab, sich auf die wirklich wichtigen Fragestellun­ gen zu konzentrieren. Im Weiteren bin ich sehr erfreut über die Entwicklung des jüngsten Stand­ orts in Lausanne. Hier konnten wir in den letzten Monaten ein hochkarätiges Gesamtleisterteam aufbauen und unsere Strategie effektiv transportie­ ren. Damit haben wir uns im Markt bereits sehr gut positioniert. Sie werden Ende 2018 die Geschäftsführung von Felix Hegetschweiler übernehmen. Wie blicken Sie der neuen Aufgabe entgegen? Ich engagiere mich seit meinem Start bei der Hal­ ter AG vor zehn Jahren für den nachhaltigen Er­ folg unserer Projekte, unserer Kunden und unseres Unternehmens – zu Beginn als Projektleiter, heute als Leiter Entwicklung und Akquisition sowie Stell­ vertreter von Felix Hegetschweiler. Dass ich dies zukünftig in der Rolle des Geschäftsführers tun kann, ehrt und freut mich sehr. Dank der sukzes­ siven Stabsübergabe wird sich – auch wenn sich die persönlichen Profile von Felix Hegetschweiler und mir unterscheiden – weder für die Mitarbeiterin­ nen und Mitarbeiter noch für unsere Kunden und Partner etwas ändern. Seit rund fünf Jahren fokus­ sieren wir uns aus Überzeugung auf das Gesamt­ leistermodell und werden diese Strategie konse­ quent weiterverfolgen.


UNTERNEHMENSDATEN Personalbestand per 31. 12. 2017 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Tätigkeit

Projektentwicklungen mit Investoren, Gesamtleistungswettbewerbe, Umbauten / Sanierungen, TU-Aufträge

Marktsegmente

Dienstleistungs-, Gewerbe-, Industrie- und Infrastrukturbauten, Wohnbauten, Schulen, Einkaufszentren

Marktregion

Städte und Agglomerationen in der Deutschund Westschweiz

AMRIETPARK, BRANDSTRASSE 21, SCHLIEREN Auftraggeber

Helvetia Schweizerische Lebensversicherungs­ gesellschaft, Basel

Architektur

Gmür & Geschwentner Architekten AG, Zürich

Nutzung

Wohnen, Gewerbe

Realisierung

AHORNPARK, BÄTTERKINDEN Auftraggeber

Senevita AG, Muri bei Bern / verschiedene Private

Architektur

Rykart Architekten AG, Liebefeld

Nutzung

Alterszentrum, Wohnen, Gewerbe

Realisierung

Mai 2019 bis Mai 2021

Januar 2018 bis März 2020

Projektinformationen www.amrietpark.ch

GESCHÄFTSLEITUNG Felix Hegetschweiler

Geschäftsführer Gesamtleistungen

Frédéric Boy

Andreas Dittli

Leiter Ausführung

Diego Frey

Leiter Ausführung

Theo Fahrni

Leiter Ausführung

Philip Kiefer

Leiter Ausführung

Maik Neuhaus

Leiter Entwicklung und Akquisition

Anna von Sydow-Blumberg Leiterin Engineering

Jakob N. B. Zophoniasson Leiter Ausführung

Die Überbauung an der Brandstrasse 21 auf dem Geistlich-Areal nördlich des Bahnhofs Schlieren bietet Platz für 202 Mietwohnungen und Gewerbeflächen auf etwa 2000 Quadratmetern. Der Gebäudekörper beinhaltet zwei Innenhöfe (Ruhehof und Spielhof ) sowie eine Poolanlage für die Mietpar­ teien auf dem Dach. Das neue Quartier amRietpark in Schlieren umfasst das bereits von der Halter AG entwickelte ehemalige Färbi-Areal sowie das östlich davon gelegene Geistlich-Areal. Hier entsteht in den kommenden Jahren auf insgesamt drei Baufeldern ein attraktives Wohn- und Gewerbeangebot. Die gesamte Bebauung erfolgt fast zeitgleich. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2020 vorgesehen.

An bestens erschlossener Lage unmittelbar gegenüber dem Bahnhof entstehen im Ahornpark Bätterkinden ein Alterszentrum und sieben Mehrfamilienhäuser. 40 Pflegeplätze, 49 Alterswohnungen, 43 Mietwohnun­ gen sowie eine kleine Gewerbefläche teilen sich einen offenen, durchgrünten Aussenraum und liegen in optimaler Pendlerdistanz zu Solothurn (10 Minuten) und Bern (30 Minuten). Das Projekt wurde von der Halter AG in Zusammenarbeit mit einer privaten Grundeigentümerschaft entwickelt. Die Erstellung der dreigeschossigen Gebäude ist für Frühling 2019 geplant und soll zwei Jahre dauern.

139 HALTE R AG — GESAMTLE I STU N GE N

Leiter Ausführung


FLUX EAWAG, DÜBENDORF

CITYGATE, BASEL

MOXY-HOTEL, LAUSANNE

Auftraggeber

Auftraggeber

Auftraggeber

Eawag (Empa Dübendorf)

Architektur

fsp Architekten AG, Spreitenbach

Nutzung

Patrimonium Asset Management, Baar (Baufeld A) / Patrimonium Swiss Real Estate Fund, Baar (Baufeld B)

Architektur

Büro- und Laborgebäude

Morger Partner Architekten, Basel (Baufeld A) /  SSA Architekten AG, Basel (Baufeld B)

Realisierung

Nutzung

voraussichtlich September 2018 bis Juli 2019

Wohnen, Gewerbe, Hotel

Realisierung

LO Immeubles SA, Lausanne / Mobimo Management SA, Lausanne

Architektur

Localarchitecture Sàrl, Lausanne

Nutzung Hotel

Realisierung

Juni 2018 bis Dezember 2019

140 HALTE R AG — GESAMTLE I STU N GE N

Mai 2011 bis Mai 2020

Auf dem Empa-Areal in Dübendorf entsteht das Büro- und Laborgebäude Flux, welches aus einem zweistufigen Gesamtleistungswettbewerb hervorgegangen ist. Das Gebäude besticht durch seine Kompaktheit und klar strukturierte Grundrisse, was tiefe Erstellungs- und Betriebskosten sowie effiziente Abläufe erlaubt. Das Projekt wurde konsequent mit BIM entwickelt, sodass bereits in der Konzeptionsphase ein digital aufgebautes Gebäude vorlag. Diese Methode ermöglicht frühere und bessere Entscheide, weniger Konflikte, eine deutliche Effizienzsteigerung sowie rund fünfzehn Prozent tiefere Kosten im Konkurrenzvergleich.

Östlich des Bahnhofs Basel SBB starteten im November 2011 die Planungsarbeiten zur Umwidmung eines bislang mit Gebäuden zur Milchverarbeitung belegten Industriegeländes. Verschie­ dene Nutzungsüberlegungen und eine Marktanalyse stellten eine Entwicklung des Areals für Dienstleistungen und Wohnen in den Vordergrund. Von den insgesamt vier Baufeldern des Projekts CityGate wurden die Baufelder C und D bereits realisiert. Auf dem Baufeld A entsteht nun ein zehngeschossiges Gebäude mit 117 Mietwohnungen inklusive Gewerbeflächen, auf dem Baufeld B wird ein zwölfgeschossiges Wohn- und Gewerbehaus mit 78 Wohnungen und ein Hotel mit 137 Zimmern realisiert.

Am Place du Flon plant die Bauherr­ schaft ein Moxy-Hotel mit 113 Zimmern auf vier Etagen. Das junge Format der Hotelkette Marriott umfasst im Erdgeschoss verschiedene öffentliche Bereiche sowie Lobby, Rezeption, Tagungsräume und eine Lounge inklusive Bar. Neben den technischen Räumlichkeiten und einem Lager bietet der Bau auf zwei Kellergeschossen auch ein Tonstudio, einen Fitnessbereich und einen Ruheraum für das Personal. Um die nötigen Fluchtwege und Notausgänge sicherzustellen, wird das Hotel baulich mit den Nachbargebäu­ den verbunden.


PFLEGEHOTEL, SUTZ-LATTRIGEN

HUEBERGASS, BERN

Auftraggeber

Auftraggeber

Architektur

Architektur

Luzerner Pensionskasse (LUPK), Luzern

Nutzung

Nutzung

KilgaPopp Architekten AG, Winterthur

Realisierung

Realisierung

Wohnen, Gewerbe

Projektinformationen

April 2018 bis September 2019

Impact Immobilien AG, Bern kpa architekten Bern AG, Bern Pflegehotel mit Gastronomie Februar 2018 bis Juni 2019

Wohnbaugenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» GWJ Architektur AG, Bern Wohnen

März 2019 bis Dezember 2020

TÖSSFELDSTRASSE, WINTERTHUR Auftraggeber Architektur Nutzung

Realisierung

Zwei ovale Gebäude mit einem Verbindungsbau bilden das neue Pflegeho­ tel in Sutz-Lattrigen am Bielersee. Die dreistöckigen Häuser mit AttikaAufbauten fügen sich harmonisch in die ländliche Umgebung ein. Die vorgegraute Holzfassade mit ringsum laufenden Balkonen gibt dem Projekt seinen Charakter. Das innovative Pflegekonzept mit Serviceleistungen umfasst temporäre sowie dauerhafte stationäre Angebote und ermöglicht ein auf individuelle Bedürfnisse angepasstes, selbstständiges und selbstbestimmtes Leben im Alter. Geplant sind 44 Pflegeheimplätze in drei Wohngruppen, 16 Pflegestudios für Akutund Übergangspflege oder Pflegeferien, 14 Pflegewohnungen mit interner Spitex sowie ein öffentliches Café und ein Restaurant.

Die Überbauung im Quartier Holligen in Bern ist das Ergebnis eines durch die Stadt Bern ausgelobten Investorenund Projektwettbewerbs. Der Mix der total 103 Wohnungen ist mehrheitlich auf Familien ausgerichtet, bietet aber mit Wohnateliers und Cluster-Wohnun­ gen auch anderen vielfältigen Lebens­ formen Platz. Alle Einheiten sind konsequent auf die neu entstehende Huebergass ausgerichtet, die das soziale Herzstück der Überbauung bilden soll. Das Projekt ist explizit gemeinnüt­ zig organisiert und richtet sich nach dem Prinzip der Kostenmiete gemäss den Grundsätzen des Bundesamtes für Wohnungswesen aus.

Auf der brachliegenden Parzelle zwischen der Tössfeldstrasse und den Bahngleisen in Winterthur-Töss entsteht ein Neubau mit 49 Kleinmiet­ wohnungen und rund 530 Quadratmetern Gewerbefläche. Das Gebäude verfügt über vier verschiedene charakteristische Seiten: Verglasungen nach Süden, Stufen und Gartenterrassen nach Norden, eine Zufahrtsstrasse im Osten und der Anschluss an den Bahnhofsplatz im Westen. Zwischen der Stirnseite des Bahnhofsgebäudes und dem Neubau entsteht ein öffentlicher Platz mit einer hohen Aufent­ haltsqualität. Der Bau liegt sehr zentral im aufstrebenden Stadtteil WinterthurTöss und ist bestens erschlossen. Die Kleinwohnungen in Bahnhofsnähe sind zudem eine willkommene Ergänzung zum bestehenden Angebot in der Region.

141 HALTE R AG — GESAMTLE I STU N GE N

www.wir-sind-stadtgarten.ch


«DIE ERWEITERUNG UNSERES ANGEBOTS STEHT IM FOKUS.»

142 HALTE R AG — R E N OVATI O N E N

Felix Hegetschweiler, Geschäftsführer Renovationen

Komplex: Womit hat sich die noch junge Geschäftseinheit Halter Renovationen in den vergangenen zwei Jahren gegenüber der Konkurrenz durchgesetzt? Felix Hegetschweiler: Die rund 20-jährige Erfahrung von Daniel Handschin, Leiter Renovationen, ist in diesem sehr spezifischen Bereich von grosser Bedeutung. Er führt ein schlagkräftiges Team, das sowohl bei privaten als auch institutionellen Bauherren volles Vertrauen geniesst. Das rührt nebst der Fachkompetenz auch daher, dass wir die Transparenz in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden hochhalten. Ein konkretes Beispiel: Wenn wir eine Umbauanfrage erhalten, erstellen wir zuerst einen verhandelbaren Kostenvoranschlag, statt direkt mit einer verbindlichen Offerte für das gesamte Projekt aufzuwarten. So können wir anschliessend gemeinsam mit dem Bauherrn entscheiden, wie sich die Ausführung gestalten soll und welches Vertragsmodell am sinnvollsten ist. Wo sehen Sie für Ihren Bereich das grösste Entwicklungspotenzial? Viel Potenzial liegt sicherlich in der Erweiterung der Dienstleistungspalette für unsere Kunden. Ein Beispiel dafür ist das Erstellen von Gebäude­grob­ diagnosen beziehungsweise -aufnahmen für Bauherren. Mit dem stetigen Ausbau unserer Dienstleistungen können wir die Marktdurchdringung der jungen Geschäftseinheit vorantreiben. Günstig wirkt auch das wachsende Portfolio mit namhaften Referenzprojekten, wie beispielsweise das Ambassador House in Opfikon. Wir werden mit Halter Renovationen aber nicht nur in Zürich, sondern in der gesamten Schweiz signifikant wachsen.

Mittelfristig wollen wir zu den schweizweit führenden Unternehmen dieser Sparte gehören. Was den Markt betrifft, erwarte ich trotz der prognostizierten Zinswende keine einschlägigen Veränderungen. Erfahrungsgemäss ist das Renovationsgeschäft konjunkturellen Schwankungen wenig ausgesetzt. Da Sanierungsprojekte in der Regel komplexer sind als Neubauten, bestehen auch mehr Ansatzpunkte, um für unsere Kunden in jeder Konjunktur eine passende Lösung zu finden. Inwiefern wird Ihr Geschäftsbereich von der Digitalisierung beeinflusst? Die Digitalisierung hat im Bereich Renovationen bereits an vielen Stellen Einzug gehalten. Schon heute pflegen wir eine effektive Kommunikation mit den Projektpartnern, welche auf Knopfdruck über Umbauabläufe und Planänderungen informiert werden können. Wenn wir von der Verbesserung der Dienstleistungen für unsere Kunden sprechen, birgt die Digitalisierung aber noch weit mehr Potenzial. So haben wir beispielsweise kürzlich den Online-Sanierungsrechner lanciert, der Eigentümern das selbstständige Kalkulieren von Renovationskosten erlaubt. Zukünftig ermöglichen uns digitale Einkaufsprozesse, Projekte zentral auszuschreiben und quasi über Nacht passende Auftragnehmer zu finden. Nicht zuletzt ist es unser Anspruch, mit unserem Geschäftsmodell die Möglichkeiten von Building Information Modeling voll auszuschöpfen. Es ist absehbar, dass wir aufgrund der neu verfügbaren Gebäudedaten durch BIM bald auch das Facility-Management in unsere Planung integrieren können. Sie werden Ihre Rolle als Geschäftsführer von Halter Gesamtleistungen per Ende 2018 an Maik Neuhaus abgeben. Wie gestaltet sich dieser Führungswechsel? Die Übergabe wird fliessend stattfinden. Ich bin überzeugt, dass der Führungswechsel die Dynamik in der Einheit Gesamtleistungen erhöht und wir somit allen Beteiligten einen Mehrwert bieten können. Maik Neuhaus bringt die besten Voraussetzungen für die neue Rolle mit und wird mit einem kompetenten und motivierten Team am Markt Akzente setzen. Ich darf mit Stolz und auch etwas Wehmut auf die Erfolge der vergangenen Jahre zurückblicken. Gleichzeitig freue ich mich darauf, meine Aufmerksamkeit künftig ganz auf die Einheit Renovationen zu richten.


UNTERNEHMENSDATEN

KANZLEISTRASSE, ZÜRICH

ELYPS, BASEL

Personalbestand per 31. 12. 2017

Tätigkeit

Tätigkeit

Tätigkeit

Auftraggeber

Auftraggeber

Nutzung

Nutzung

Realisierung

Realisierung

Mitten im Zürcher Kreis 4 liegt das Verwaltungs- und Betriebsgebäude der Behindertenstiftung St. Jakob. Um den über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein modernes Arbeitsumfeld zu ermöglichen, wird die Stiftung im Frühjahr 2018 ihr neues Betriebsgebäude in der Viaduktstrasse beziehen und den historischen Hauptsitz an der Kanzleistrasse einer Totalrenovierung unterziehen. Innerhalb von etwa dreizehn Monaten soll das Gebäude zu einer nachhaltigen Renditeliegenschaft mit rund 22 Wohnungen umgenutzt werden. Im Erdgeschoss entstehen neben geräumigen und flexibel ausbaubaren Gewerbeflächen auch Gastronomie und Verkauf. Die Bauherrschaft konnte durch die frühzeitige Einbindung der Halter AG ab Projektphase von verschiedenen Optimierungen profitieren.

Die Liegenschaft Elyps befindet sich im baslerischen Klybeck-Quartier, welches eines der grössten städtebaulichen Entwicklungsgebiete der Schweiz ist. Die Vorhaben in diesem Stadtteil werden mit dem Zusammenschluss der Eigentümer BASF und Novartis sowie den kantonalen Behörden gemeinsam vorangetrieben. Die Realisierung soll einige Jahre in Anspruch nehmen und startet mit der Umnutzung und Totalsanierung des ehemaligen, durch das Projekt Interim zwischen­genutzten Bürogebäudes an der Klybeck­ strasse 190. Durch die Neuwidmung der fünf bestehenden Etagen und die Aufstockung eines Attikageschosses werden in diesem Gebäude 80 Wohnungen und 280 Quadratmeter Gewerbefläche entstehen.

30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Umbauten, Renovationen, Gesamtsanierungen, Aufstockungen, Investitionen in Erneuerungsliegenschaften

Marktsegmente

Dienstleistungs-, Gewerbe- und Wohnbauten, Schulen, Einkaufszentren

Umbau und Sanierung Stiftung St. Jakob, Zürich Wohnen, Gewerbe, Verkauf April 2018 bis April 2019

Umnutzung/Totalsanierung Grossenbacher & Früh AG, Wallisellen Wohnen, Gewerbe Juni 2018 bis August 2019

Marktregion

Städte und Agglomerationen in der Deutschund Westschweiz

GESCHÄFTSLEITUNG Felix Hegetschweiler

Geschäftsführer Renovationen

Daniel Handschin Leiter Renovationen

Christian Ulrich Marcel Weber

Leiter Renovationen

Andreas Wüthrich Leiter Bauservice

Frédéric Boy

Leiter Renovationen

143 HALTE R AG — R E N OVATI O N E N

Leiter Renovationen


KARSTLERNSTRASSE, ZÜRICH Tätigkeit

Totalsanierung

SCHWENDISTUTZ / FREIBURGSTRASSE, NIEDERWANGEN Tätigkeit

Auftraggeber

Gesamtsanierung

Nutzung

Credit Suisse Anlagestiftung, Zürich, vertreten durch Wincasa AG, Zürich

Helvetia Anlagestiftung, Basel Wohnen

Realisierung

März 2018 bis Dezember 2018

Auftraggeber

Nutzung Wohnen

NOTSTROMANLAGE, ZÜRICH Tätigkeit

Umbau und Sanierung

Auftraggeber

Stadt Zürich, Wasserversorgung, Zürich

Nutzung

Betriebsgebäude Notstromversorgung

Realisierung

Januar 2017 bis September 2017

Realisierung

144 HALTE R AG — R E N OVATI O N E N

März 2018 bis November 2018

In der Nähe der Tramhaltestelle Farbhof in Zürich-Altstetten wird das reno­ vierungsbedürftige Doppelwohnhaus einer Aufstockung und Sanierung unterzogen. Die Arbeiten finden im bewohnten Zustand statt und werden wochenweise je für die Küchen und die Bäder in Angriff genommen. Aus ursprünglich 51 Wohnungen entstehen durch Grundrissänderungen neu 48 Einheiten mit entscheidend gesteigerter Wohnqualität. Zusätzlich werden durch eine Dachaufstockung acht Attikawohnungen samt Terrassen realisiert. Mit einer neuen Aufzuganlage kann die Er­schliessung der Liegenschaft künftig behindertengerecht erfolgen. Der Umbau umfasst auch eine energetische Sanierung der Gebäudehülle. Diese Massnahme erhöht die Energieeffizienz und senkt die Unterhaltskosten.

Für die zwei rund 60-jährigen Liegenschaften ist eine Gesamtsanierung geplant. Da die Grundrisse der Wohnungen nicht verändert werden, bleiben die bestehenden 44 Einheiten erhalten. Eine bauliche Aufwertung erfahren ausschliesslich Bäder und Küchen, zudem bekommen beide Gebäude eine wärmegedämmte Fassade, neue Fenster und eine zeitgemässe Haustechnik. Strom wird künftig durch eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt. Die Hälfte der Wohnungen bleibt während der Sanierungs- und Umbauphase weiterhin bewohnt, was eine besondere Logistik durch die Projektleitung und Hausverwaltung erfordert.

Die Versorgung der Stadt Zürich mit Trinkwasser ist für die Bevölkerung elementar. Zur Sicherstellung der Trinkwasserförderung mussten zwei Notstromanlagen aus den 1970er-Jahren durch vier effizientere und leistungsfähigere Anlagen ersetzt werden. Die Sanierung erforderte einen kompletten Umbau des Betriebsgebäudes von innen und aussen sowie den Ersatz der Notstrom-Dieselanlagen und deren Hilfsbetriebe. Parallel dazu wurden die gesamten Steuerungsanlagen abgelöst und eine redundante Stromeinführung verlegt. Dabei war es notwendig, die verschiedenen parallel laufenden Projekte optimal zu koordinieren und die Betriebsbereitschaft qualitativ sowie zeitlich zu gewährleisten. Am 20. September 2017 konnten die Anlagen ihre Arbeit aufnehmen.


TALACKER, ZÜRICH

ZWINGERSTRASSE, BASEL

TULPENWEG, KÖNIZ

Tätigkeit

Tätigkeit

Tätigkeit

Auftraggeber

Auftraggeber

Auftraggeber

Nutzung

Nutzung

Nutzung

Realisierung

Realisierung

Realisierung

Das im Zentrum von Zürich gelegene Geschäftshaus Talgarten wurde vom Architekten Roland Rohn entworfen und 1952 erbaut. Es ist im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte der Stadt Zürich eingetragen. Nun soll es erneuert werden. Das Bauvorhaben umfasst die Umnutzung des Bürogebäudes Talacker 42 in das erste citizenM-Hotel der Schweiz. Die Entwicklung und Realisierung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem niederländischen Betreiber unter Berücksichtigung der historischen Bedeutung der Liegenschaft. Die zukünftigen Hotelgäste erwartet ein hochwertiger und innovativer Innenausbau mit 160 attraktiven Hotelzimmern, grosszügigen Konferenz- und Sitzungsräumen sowie einer Lounge mit Bar.

Die zu sanierende Liegenschaft befindet sich im Wohnviertel Gundeldingen südlich des Bahnhofs Basel SBB. Das Gebäude ist grundsätzlich gut erhalten, bedarf jedoch eines Umbaus, da Erschliessung und Einbauten das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Die Sanierung umfasst eine Vielzahl von Massnahmen: Rückbau und fachgerechtes Entsorgen von schadstoffbelasteten Materialien, Erneuerung der Sanitäranlagen, Ersatz der Küchen, Bäder, Türen, Bodenbeläge und Briefkastenanlagen, Sanierung des Flachdachs, Austausch von Garagentor und -lüftung, Verkleiden und thermisches Einpacken der Deckenuntersicht im Untergeschoss.

Das ehemalige Altersheim und das Büro des Tilia-Pflegezentrums an sehr ruhiger Lage in Köniz erhalten eine Totalsanierung. Im Objekt sollen anstelle von Pflegezimmern 13 Wohnungen entstehen. Das Gebäude sowie die gesamte Haustechnik werden totalsaniert, dabei wird die Fassade gereinigt und bekommt einen neuen Anstrich. Durch den Einbau moderner Heizkörper in Verbindung mit energetisch wirksamen Fenstern werden die Unterhaltskosten gesenkt. Schliesslich soll das Erdgeschoss wieder für das Büro des Tilia-Pflegezentrums ausgestattet werden. Die sanierte und modernisierte Liegenschaft wird im September 2018 der Bauherrschaft übergeben.

Balintra AG, Basel, vertreten durch UBS Fund Management (Switzerland) AG, Basel Hotel

Februar 2018 bis Juli 2019

Sanierung

Valora Pensionskasse (VPK), Muttenz, vertreten durch VERIT Immobilien AG, Zürich Wohnen

Juni 2018 bis November 2018

Umbau und Sanierung Pensionskasse der Berner Kantonalbank (BEKB), Bern Wohnen, Büro Februar 2018 bis September 2018

145 HALTE R AG — R E N OVATI O N E N

Umnutzung


«UNSERE KUNST IST ES, DIE INTERESSEN AUSZUTARIEREN.»

146 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

Ede I. Andràskay, Geschäftsführer Entwicklungen

Komplex: Den Geschäftsbereich Halter Entwicklungen gibt es nun seit rund zehn Jahren. Wie richten Sie sich auf die Zukunft aus? Ede I. Andràskay: Was uns zu Beginn erfolgreich gemacht hat – nämlich Agilität und Schlagkraft –, gilt es zu erhalten. Als Einheit sind wir stark gewachsen, und es ist eine grosse Herausforderung, den Geist, der uns verbindet, auch in einer grösseren Organisation zu pflegen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen und sollen in den Projekten die bestmöglichen Ergebnisse erzielen und Verantwortung übernehmen. Dazu braucht es keine breit aufgestellte Geschäftsleitung, die dazu tendiert, die Prozesse zu verlangsamen. Geschäftsleitungsfunktionen wird künftig neben mir als Geschäftsführer auch Andreas Campi als mein Stellvertreter ausüben. Die schlanke Organisation dient nur einem Ziel: möglichst viel Wirkung in den Projekten zu erreichen. Unser Team steht bereit. Wie würden Sie das Geschäftsjahr 2017 resümieren? Es ist von vielen Highlights und Durchbrüchen geprägt. Dabei sticht besonders die Fertigstellung des Projekts Wohnen am Ebisquare hervor. Erfreulich präsentiert sich auch die Entwicklung unserer Westschweizer Vorhaben. So erlangte die Baubewilligung für das Projekt Fonderie in Fribourg nach einem zähen Verfahren nun endlich Rechtskraft. Mit den Projekten Cœur de Cité in Martigny und Les Terrasses Volantes in Saint-Blaise konnten in dieser Region zudem zwei wichtige Anker geworfen werden. Weiterhin nimmt das Projekt vanBaerle-Areal in Münchenstein bei Basel einen grossen Stellenwert ein – besonders auch, weil wir

hier zum ersten Mal einen digitalen Architekturwettbewerb durchführen konnten. Wie schätzen Sie als Entwickler die Lage auf dem Schweizer Immobilienmarkt ein? Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem nach wie vor hohen Anlagedruck seitens der institutionellen Investoren und einer tendenziell rückläufigen Nachfrage im Bereich Wohnen. Die Investitionen werden mit viel mehr Zurückhaltung getätigt – man geht gerne auf Nummer sicher. Dies kann bisweilen dazu führen, dass eine Bruttorendite von zweieinhalb Prozent in der Stadt Zürich attraktiver erscheint als eine Rendite von fünf Prozent in der Agglomeration. Sehen Sie Veränderungen bei den Bedürfnissen der Endkunden? Ja, jedoch sind diese nicht ganz neu: Wir beobachten, dass die Anzahl an Einzelhaushalten stetig wächst. Weiter nimmt auch der Anteil der nicht im herkömmlichen Sinn berufstätigen Bevölkerung zu. Dies wird ebenfalls langfristig Auswirkungen darauf haben, wie wir wohnen und arbeiten werden. Halter engagiert sich regelmässig bei grösseren Arealen, die eine langjährige industrielle Vergangenheit haben und entsprechend komplex in der Entwicklung sind. Welche Verfahren eignen sich hier besonders gut? In der Vergangenheit, etwa bei den Projekten Limmatfeld in Dietikon und amRietpark in Schlieren, sind wir jeweils nach einem ähnlichen Muster vorgegangen: In enger Zusammenarbeit mit Gemeinden und Behörden wurde mit namhaften Architekten ein städtebauliches und architektonisches Gesamtkonzept erarbeitet. Dieser Ansatz hat sich bewährt. Die Zukunft bringt aber neue Herausforderungen – gerade auch, wenn wir an die gestiegenen Erwartungen der Öffentlichkeit denken. Allerdings sind Mitspracheverfahren nicht alleinige Heilsbringer. Vielmehr ist es unsere Aufgabe als Entwicklerin, diese in die Planungsprozesse einzubinden. Wir sind der Überzeugung, dass nur das Austarieren der Interessen aller Beteiligten – Architekten, Planer, Behörden, Öffentlichkeit, Investoren und Halter als Träger des unternehmerischen Hauptrisikos – letztlich zu einem gelungenen Projekt führen kann.


UNTERNEHMENSDATEN

CŒUR DE CITÉ, MARTIGNY

INDUSTRIEPLATZ, NEUHAUSEN

Personalbestand per 31. 12. 2017

Investition

Investition

Tätigkeit

Architektur

Architektur

Nutzung

Nutzung

Realisierung

Realisierung

35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Entwicklung und Verdichtung von Stadtzentren und Quartieren sowie Umnutzung von Indus­ triebrachen und innerstädtischen Liegenschaften, Investorenwettbewerbe

Marktsegmente

Büro, Dienstleistung und Verwaltung, Gewerbe und Industrie, Wohnen, Hotels, Einkaufszentren, Fachmärkte

Marktregion

ca. 66 Mio. CHF GD Architectes, Neuenburg Stockwerkeigentum, 76 Wohneinheiten 2018 bis 2020

27 Mio. CHF

Blättler Dafflon Architekten AG, Zürich Wohnen, Gastronomie, Verkauf 2018 bis 2020

Projektinformationen

www.coeurdecite-martigny.ch

Städte und Ballungszentren in der Deutsch- und Westschweiz

GESCHÄFTSLEITUNG Ede I. Andràskay

Geschäftsführer Entwicklungen Leiter Entwicklung, Stellvertretender Geschäftsführer

Das Projekt Cœur de Cité entsteht im Gebiet Orsat – die Orsat-Kellereien gehören seit ihrer Gründung im Jahr 1874 zur Walliser Weinlandschaft – und grenzt unmittelbar an das historische Zentrum von Martigny. Der Immobi­lienkomplex fügt sich durch seine äussere Erscheinung harmonisch in das alte Stadtbild ein. Vorgesehen sind fünf Gebäude mit insgesamt 76 Wohneinheiten und eine Tiefgarage mit 250 Stellplätzen. Die Überbauung Cœur de Cité bietet eine grosse Vielfalt an Typologien mit einer hochwertigen Architektur.

Auf dem Areal am Industrieplatz in Neuhausen plant Halter Entwicklungen einen Wohnkomplex mit gewerblicher Sockelnutzung für Gastronomie und Verkauf. Neuhausen am Rheinfall ist nicht nur für Touristen aus aller Welt attraktiv. Auch als Wohn- und Wirtschaftsstandort hat die Gemeinde viel zu bieten. Die einmaligen Naherholungsgebiete Rhein und Randen liegen direkt vor der Haustür. Ein vielseitiges Gastronomie-Angebot, verschiedene Schulen und ein lebendiges Vereinsleben machen Neuhausen für ganz unterschiedliche Zielgruppen attraktiv.

147 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

Andreas Campi


WALDHAUS NEUGUET, WALLISELLEN

BUCHSIGUET, HERZOGENBUCHSEE

Architektur

Investition

Nutzung

Architektur

Ramser Schmid Architekten, Zürich Eigentumswohnungen, Hotel, Gewerbe, Gastronomie

Realisierung 2016 bis 2019

Projektinformationen

www.waldhaus-neuguet.ch

80 Mio. CHF

DORFZENTUM, HIRZEL Investition 63 Mio. CHF

Architektur

Aebi & Vincent Architekten AG, Bern

Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten AG, Zürich

Nutzung

Nutzung

Wohnen

Realisierung 2019 bis 2021

Projektinformationen

53 Eigentumswohnungen, 89 Parkplätze in der Tiefgarage, 8 Parkplätze im Carport

Realisierung 2020 bis 2022

148 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

www.buchsiguet.ch

Das Waldhaus NeuGuet liegt an prominenter und besterschlossener Lage unmittelbar an der GlattalbahnHaltestelle Neugut in Wallisellen. Das Bauprojekt umfasst insgesamt 14 Obergeschosse. Im Erdgeschoss befinden sich Laden- und Geschäftsflächen sowie der Empfangsbereich eines Hotels. Die Obergeschosse eins bis drei sind mit rund 120 Hotelzimmern belegt, in den übrigen Geschossen befinden sich 100 Eigentumswohnungen. Der Pavillon auf dem Seidenplatz beherbergt Gastronomie-, Dienstleistungs- und Verkaufsflächen.

Im Nordwesten von Herzogenbuchsee entsteht das Bauprojekt Buchsiguet. Es umfasst rund 150 preisgünstige Miet- und Eigentumswohnungen. Im Buchsiguet begegnen sich nicht nur Moderne und Tradition, sondern auch verschiedene Lebensformen. Das Wohnungsangebot bietet unterschiedliche Grundrissgrössen – von funktionalen 2,5- bis hin zu grosszügigen 5,5-Zimmer-Wohnungen – und richtet sich an Familien, Paare und Einzelpersonen, Junge und Junggebliebene. Die Bebauung befindet sich nur wenige Minuten von Dorfzentrum und Bahnhof entfernt. Die Gebäude gruppieren sich um mehrere Innenhöfe – Brunnen, Schatten spendende Bäume und ausreichend Platz sollen diese zu beliebten Treffpunkten machen.

Angrenzend an das Dorfzentrum im Hirzel entsteht eine architektonisch ansprechende Wohnsiedlung mit 53 Eigentumswohnungen. Die familienfreundlichen Einheiten profitieren von einer attraktiven Fernsicht und ihrer Lage über der Nebelgrenze. Die grosszügigen Aussenräume werden mit einheimischen Pflanzen und Materialien naturnah gestaltet, sodass sich die Überbauung harmonisch in den intakten, von mächtigen Linden gesäumten Landschaftsraum einfügt.


Investition

rund 200 Mio. CHF

ATTISHOLZ-AREAL, RIEDHOLZ Investition

900 Mio. CHF

Architektur

RHYTECH-QUARTIER, NEUHAUSEN Investition

185 Mio. CHF

noch nicht bestimmt

Burkhardt +Partner AG, Basel / BA & P Borer Architektur & Partner AG, Langendorf

Architektur

Nutzung

Nutzung

Mischnutzung mit einem hohen Anteil an Wohnungen, Büros und Verkaufsflächen für die Quartierversorgung

Wohnen, Büro und Gewerbe, Gastronomie und Events, Kunst und Galerien, Bildung und Forschung

Nutzung

Realisierung

Realisierung

Architektur

2021 bis 2026

2018 bis 2040

Projektinformationen www.attisholz-areal.ch

Für die Gemeinde Münchenstein ist das rund 22 000 Quadratmeter grosse vanBaerle-Areal ein wichtiger Baustein in der städtebaulichen Entwicklung und Umnutzung des Gebiets Gstad-Ost. Das südlich des Bahnhofs und östlich der Bahngleise gelegene, ursprünglich industriell genutzte Quartier erfährt in den nächsten Jahren massgebliche strukturelle Veränderungen. Auf dem Areal wird eine Mischnutzung mit hohem Wohnanteil angestrebt. Dabei soll sich das Raumangebot an ein breit gefächertes Zielpublikum richten. Ergänzend zur Primärnutzung Wohnen werden vor allem in den Erdgeschossen publikumsorientierte Sekundärnutzungen platziert.

Das Areal der ehemaligen Cellulosefabrik Attisholz wird über die nächsten 25 Jahre in einen lebendigen Ort für Wohnen, Arbeiten, Sport- und Kulturevents transformiert. Die Lage direkt an der Aare inmitten einer malerischen Landschaft sowie der eindrückliche industrielle Gebäudebestand geben dem Attisholz-Areal eine eigenständige Identität und vereinen vielfältige städtebauliche Typologien mit anspruchsvollen Nutzungen und hoher Dichte. Die schrittweise und kontinuierliche Entwicklung hat 2017 mit der Öffnung des Areals begonnen. Die Bevölkerung wird rund um einen grosszügigen Boulevard gastronomische Angebote nutzen und in der Attisholz-Arena Kulturveranstaltungen verfolgen können.

Peter Märkli, Zürich Miet- und Eigentumswohnungen, Verkauf und Gastronomie, Büro- und Laborflächen

Realisierung 2018 bis 2021

Projektinformationen www.rhytech-quartier.ch

Das ehemalige Industrie-Areal wird in den nächsten Jahren zu einem offenen, lebendigen Quartier mit vielfältigen Angeboten umgenutzt. Das Projekt von Peter Märkli sieht den Umbau der zentral gelegenen Produktionshalle in Verkaufs- und Gastronomieangebote vor. In zwei Hochhäusern und einem winkelförmigen Gebäude entstehen zudem Miet- und Eigentumswohnungen. Die neu gestalteten Aussenräume bieten attraktive Grünflächen und öffentliche Plätze. Das kürzlich eingereichte Baugesuch soll die Grundlagen dafür schaffen, dass die Umsetzung bis 2021 abgeschlossen werden kann.

149 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

VAN BAERLE-AREAL, MÜNCHENSTEIN


FELSENAU, BERN Investition 70 Mio. CHF

ZENTRUM BÄREN, OSTERMUNDIGEN Investition

Architektur

150 Mio. CHF

Nutzung

Burkard Meyer Architekten, Baden

Realisierung

2200 m2 Detailhandel / Gastronomie, 115-Zimmer-Hotel, 2000 m2 Büro- und Dienstleistungsflächen, 140 Wohnungen (ServiceApartments, Miete, Stockwerkeigentum), 220 Innenparkplätze

noch nicht bestimmt Wohnen, Eigentum und Miete 2022 bis 2025

Architektur Nutzung

HAMMERWERK, WORBLAUFEN Investition 66 Mio. CHF

Architektur

Büro B Architekten AG, Bern

Nutzung

Wohnen, Eigentum und Miete

Realisierung 2018 bis 2020

Projektinformationen www.hammerwerk.ch

Realisierung 2018 bis 2021

Projektinformationen

1 50 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

www.zentrumbären.ch

Auf den unbebauten Arealflächen der Brauerei Felsenau in Bern wird eine Wohnüberbauung entwickelt. Voraussetzung dafür ist die Umzonung des Grundstücks in eine Mischzone für Gewerbe und Wohnen. Die Brauerei Felsenau wird das Areal auch künftig als Produktionsstandort nutzen und mit ihrer historischen Produktionsanlage identitätstiftend wirken. Das Grundstück unmittelbar an der Aare ist mit Bus, S-Bahn, Velo und Auto bestens erreichbar. Berns Zentrum liegt etwa eine Viertelstunde entfernt. Als nächsten Schritt plant man die Durchführung eines Studienauftrags. Das Resultat soll die Grundlage für eine Überbauungsordnung bilden.

Dem Zentrum Bären kommt für die städtebauliche Entwicklung von Ostermundigen eine Schlüsselfunktion zu. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit den Behörden und der Grundeigentümerschaft ausgearbeitet und weist aufgrund seiner ausgezeichneten Erschliessung und der zentralen Lage sehr hohes Potenzial auf. Sein herausragendes Merkmal ist der BäreTower mit über 100 Metern Höhe, ergänzt durch einen Sockelbau und einen freistehenden Kubus. Zum öffentlich zugänglichen Bärenplatz hin orientieren sich Gastronomie-, Verkaufs-, Büro- und Dienstleistungsflächen. Im unteren Teil des Hochhauses ist ein Hotel vorgesehen, darüber befinden sich ein Panorama-Restaurant und Wohngeschosse mit grandioser Aussicht.

Die privilegierte Lage an der Aare und die industrielle Stimmung der denkmalgeschützten Industriebauten bilden den Rahmen der qualitativ hochstehenden Wohnsiedlung, für die 2015 ein Architekturwettbewerb durchgeführt wurde. 80 Eigentums- und Mietwohnungen in fünf regelmässig gestalteten Baukörpern überblicken die Auenlandschaft und ermöglichen ruhiges, aber stadtnahes Wohnen. Dagegen soll sich in den besonders atmosphärischen, historischen Bestandsbauten ein vielfältiges Raumangebot für kreatives Gewerbe, Dienstleistung und Kunst etablieren.


LES TERRASSES VOLANTES, SAINT-BLAISE Investition 27 Mio. CHF

Architektur

ipas architectes sa, Neuenburg

Nutzung

37 Stockwerkeigentumseinheiten mit 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen

Realisierung 2017 bis 2019

Projektinformationen

FONDERIE, FRIBOURG

FLEUR DE MORAT, MURTEN

Investition

Investition

Architektur

Architektur

Nutzung

Nutzung

rund 62 Mio. CHF kpa architekten, Bern / Fribourg Studentisches Wohnen: 413 Zimmer (38 Studios, 45 3-Zimmer-Einheiten, 60 4-Zimmer-Einheiten), Tankstelle mit Shop (Retail 100 m2) / Wohnen für junge Erwachsene: 28 Wohnungen (2,5 bis 4,5 Zimmer), ca. 27 Aussenparkplätze

rund 74 Mio. CHF Winkelmann Architekten AG, Murten 99 Eigentums- und Mietwohnungen, 102 Einstellhallenplätze

Realisierung 2019 bis 2021

Realisierung

Projektinformationen

2018 bis 2020

www.fleurdemorat.ch

Das Projekt Fonderie Fribourg liegt im Gebiet Butte de Pérolles an der Route de la Fonderie inmitten eines komplexen, städtischen Gefüges aus Restaurants, Cafés, Konzertlokalen, Geschäften und Schulen. Diese Mischung ist der ausschlaggebende Faktor für das gute Funktionieren des Viertels und somit auch für die Wohnqualität, die künftige Bewohnerinnen und Bewohner hier vorfinden werden. Kurze Entfernungen zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeitangeboten vereinfachen das tägliche Leben, stellen einen Beitrag zum Umweltschutz dar und erlauben ein lebendiges Miteinander. Die mehr als 400 geplanten Zimmer in unterschiedlich grossen Wohneinheiten sollen eine Antwort auf die Wohnungsknappheit in der Universitätsstadt Fribourg sein.

Angrenzend an das historische Zentrum von Murten am seeabgewandten Südhang entsteht die Überbauung Fleur de Morat. Dank ihrer attraktiven Lage mit kurzer Gehdistanz zu Altstadt, Bahnhof und Wasser eignet sie sich hervorragend für qualitativ hochwertiges Wohnen. Die Anlage wird einen grosszügigen, parkähnlichen Freiraum umfassen und städtische Elemente aufgreifen. Vielfältige Wohnungsgrundrisse erfüllen unterschiedlichste Ansprüche und erlauben generationenübergreifendes Wohnen, was der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt.

Die vier Terrassenhäuser befinden sich an verkehrstechnisch bestens erschlossener Panoramalage. Alle Wohnungen öffnen sich nach Süden auf grosse Privatterrassen, die einen hervorragenden Blick auf den Neuenburgersee, den Mont Vully und die Alpen bieten. Mit ihrer modernen Architektursprache fügen sich die Wohnbauten in die nahezu mediterrane Umgebung ein. Die 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen weisen individuelle Grundrisse auf und werden so unterschiedlichen Kundenbedürfnissen gerecht. Der SBB-Bahnhof Saint-Blaise ist schnell zu Fuss erreichbar, der Autobahnanschluss befindet sich nur ein paar Fahrminuten entfernt.

1 51 HALTE R AG — E NTWI CKLU N GE N

www.lesterrassesvolantes.ch


«HEUTE ERLEBEN, WAS MORGEN GEBAUT WIRD.»

1 52 HALTE R I M M O B I LI E N AG

Jacques Hamers, Geschäftsführer Halter Immobilien AG

Komplex: Die Halter Immobilien AG fungiert seit 2018 eigenständig am Markt. Was bedeutet das für Ihre Kunden? Jacques Hamers: Wir verfolgen auch weiterhin das Ziel, mit unserem Angebot der beste Player am Markt zu sein. Als eigenständiger Immobiliendienstleister können wir nun rascher auf sich verändernde Bedürfnisse reagieren. Durch die neu gewonnene Unabhängigkeit von der Halter AG haben wir die Geschwindigkeit und Flexibilität in unseren Beratungsmandaten erhöht und gehen noch zielgerichteter auf die Wünsche unserer Kunden ein. Welche Dienstleistungspalette bieten Sie an? Unser Angebot richtet sich nach dem Motto: Heute erleben, was morgen gebaut wird. Dies gilt einerseits für die betriebliche Seite von Immobilien mit 3D-basierten Nutzungs-, Betriebs-, Energie- und Notfallmodellen sowie den entsprechenden Simulationen als Voraussetzung für eine durchgängige, digitale Datenkette von der Entwicklungs- bis in die Betriebsphase. Andererseits schaffen wir im Bereich der Vermarktung mit dem Einsatz digitaler Werkzeuge wie Virtual und Augmented Reality eine überzeugende Erfahrung für den Endkunden. Von unserer Expertise profitieren private und institutionelle Investoren, die öffentliche Hand, Corporate Real Estate Owner und nicht zuletzt die Nutzer. Weiter bieten wir unseren Kunden lokales MarktKnow-how in den Regionen Zürich, Basel, Bern, Luzern, Lausanne und Lugano an. Wie sieht die Immobilienvermarktung der Zukunft aus? Der Einsatz digitaler Werkzeuge hat zu einer Effizienzsteigerung in vielerlei Hinsicht geführt. Die

Kommunikation über verschiedene digitale Kanäle ist bereits Realität. Die Digitalisierung wird ganz generell die Transparenz des Marktes erhöhen – für die Endkunden, aber auch für uns als Vermarkter. Virtuelle Besichtigungen von Wohn- und GewerbeImmobilien werden zum Standard. Ein entscheidender Faktor im Wettbewerb wird der Umgang mit den Daten sein. Die Herausforderung besteht darin, diese sinnvoll zu interpretieren und beispielsweise im Bereich der Vermarktung für die gezielte Kundenansprache mit massgeschneidertem Storytelling zu nutzen. Das strategische Facility-Management gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wie sehen Sie diese Entwicklung? In der Entwicklung und Realisierung ist es wichtig, mit projektbegleitendem Facility-Management den Betrieb vor Augen zu haben und das Objekt diesbezüglich zu optimieren. Neu sind die Prozessabläufe und Werkzeuge, welche signifikante Produktivitätssteigerungen schaffen. Umgangssprachlich hat sich bereits der Begriff BIM2FM etabliert. Im Regelbetrieb ermöglicht die Kombination von 3D-Scanning und 360-Grad-Aufnahmen eine neue Dimension an Qualität, Verfügbarkeit und vor allem Bedienerfreundlichkeit. Bei den operativen Facility-Services schafft der Service on Demand mehr Effizienz. Weiter stellen wir eine zunehmende Professionalisierung bei der Wahrnehmung der Betreiberverantwortung fest. Angesichts der Vielzahl an Gesetzen, Normen, Standards und anderen Vorgaben kommt man hier nicht an einem systematischen Vorgehen vorbei. Digitalisierte Tools und eine Vernetzung der Daten verhelfen zu einer lückenlosen und effizienten Umsetzung. Mit der Raumgleiter AG ist eine weitere Schwesterfirma von Halter als Dienstleistungsund Beratungsunternehmen am Markt präsent. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Wir profitieren vom fundierten Know-how im Bereich der digitalen Technologien; die Raumgleiter AG wiederum nutzt unsere umfassende Erfahrung im Immobilienmanagement. Daraus entstehen viele neue Ideen für eine kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen. Jedoch ist die Zusammenarbeit marktorientiert und beide Firmen positionieren sich eigenständig ohne gegenseitige Verpflichtungen.


UNTERNEHMENSDATEN

OERLI BIRD, ZÜRICH-OERLIKON

ON YOUR MARKS, CHAM

Personalbestand per 31. 12. 2017

Leistung

Leistung

Tätigkeit

Auftraggeber

26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Immobiliendienstleistungen in den Bereichen Energie- und Gebäudetechnik, Konzept- und Managementberatung, strategisches FacilityManagement, Transaktionsmanagement, Vermarktung (Verkauf und Vermietung)

Marktsegmente

Erstvermietung nach Kernsanierung Zürich Anlagestiftung, Zürich

Nutzung

Wohnungen, Gewerbe

Projektinformationen www.oerli-bird.ch

Wohnen, Büro, Detailhandel, Gewerbe und Industrie, Hotellerie, Spezialnutzungen

Projekt- und baubegleitendes Facility-Management, Betriebsvorbereitung

Auftraggeber

OYM AG – on your marks, Cham

Nutzung

Dienstleistungen, Büro

Projektinformationen www.oym.ch

Marktregion

Städte und Agglomerationen in den Regionen Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Lugano

GESCHÄFTSLEITUNG Jacques Hamers

Geschäftsführer Halter Immobilien AG

Andres Stierli

Mitglied der Geschäftsleitung

Hauptsitz Zürich

Halter Immobilien AG, Hardturmstrasse 134, CH – 8005 Zürich, T +41 44 434 24 24

Geschäftsstelle Basel

Halter Immobilien AG, Freilager-Platz 4, CH – 4142 Münchenstein, T +41 61 404 46 40

Geschäftsstelle Bern

Halter Immobilien AG, Europaplatz 1A, CH – 3008 Bern, T +41 31 925 91 91

Geschäftsstelle Lausanne

Halter Immobilier SA, Route de Berne 99, CH – 1010 Lausanne, T +41 21 310 13 00

Geschäftsstelle Chiasso

Halter Immobiliare SA, c/o Acofin, Via Luigi Pasteur 1, CH-6830 Chiasso, T +41 91 921 80 80

www.halter-immobilien.ch

Kompetent, kreativ und in kürzester Zeit konnten 88 Wohnungen und eine Gewerbefläche vom Vermarktungsteam der Halter Immobilien AG vermietet werden. Schneller im Büro und am Abend wieder zuhause sind die Mieterinnen und Mieter dieses Projekts mitten in Oerlikon seit August 2017. Wer sich nicht gleich anhand von Plänen und zielgruppengerechten Renderings auf der zweisprachigen Website entscheiden konnte, hatte Gelegenheit, sich in einer möblierten Musterwohnung von der hochwertigen Ausstattung des Projekts Oerli Bird zu überzeugen. Der Vermietungserfolg der Büroflächen ist dem Verhandlungsgeschick und hervorragenden Netzwerk von Halter Immobilien zu ver­danken. Im stets anspruchsvoller werdenden Marktumfeld für GewerbeImmo­bilien konnten die richtigen Interessenten für diese Fläche identifiziert werden.

2020 erhalten in Cham Spitzensportlerinnen und Spitzensportler aller Disziplinen mit OYM ein Kompetenzzentrum, das eine hoch spezialisierte Athletik-Infrastruktur und interdisziplinäre Forschung unter einem Dach vereint. Bereits in der Vorstudienphase realisierte die Bauherrschaft, dass die vielfältigen Nutzungen zu komplexen Betriebsabläufen führen. Entsprechend war die konsequente Optimierung der betrieblichen Aspekte eine Voraussetzung für den Projekterfolg. Die Halter Immobilien AG ist mit einem Beratungsauftrag für das gesamte planungs- und baubegleitende FacilityManagement inklusive der Betriebsvorbereitung, Pflichtenhefte und Service-Levels sowie der Energie- und Gebäudetechnik mandatiert.

1 53 HALTE R I M M O B I LI E N AG

ADRESSEN


«WIR SIND GESAMTDIENSTLEISTER IM DIGITALEN BEREICH.»

1 54 RAU M GLE ITE R AG

Tom Böninger, Leiter Computer Generated Imagery & Graphics

Komplex: Die Führungsstruktur von Raumgleiter besteht aus drei gleichberechtigten Mitgliedern. Weshalb wurde dieses Modell gewählt? Tom Böninger: Unsere Führungsstruktur hat sich mit unserem Angebot weiterentwickelt. Ursprünglich stand die Architekturvisualisierung im Zentrum der Dienstleistungen. Inzwischen sind wir aber als Gesamtdienstleister im digitalen Bereich mit drei inhaltlich fokussierten Geschäftsfeldern am Markt präsent. Dementsprechend teilen wir uns als gleichberechtigte Mitglieder der Geschäftsleitung die operative Führung. Neben mir als Leiter Computer Generated Imagery & Graphics fungieren Matthias Knuser, Leiter Research & Development, und Daniel Kapr, Leiter Virtual Design & Construction mit BIM. Die drei Abteilungen weisen jeweils einen hohen Spezialisierungsgrad auf. Unsere Aufgabe im Dreiergremium ist es, die Disziplinen in den Projekten mit unseren Kunden wieder zusammenzuführen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Stammeinheiten der Halter AG? Als Technologieträger und Digitalisierungspartner unterstützen wir die Geschäftseinheiten von Halter in allen Phasen des Planungs- und Bauprozesses, vom Development über das Design bis hin zur Vermarktung und zum Betrieb. Im konkreten Fall geht der Zusammenarbeit jeweils eine Bedarfsabklärung voraus, in der wir die Tools aus der Dienstleistungspalette der Raumgleiter AG hinsichtlich eines Mehrwerts evaluieren. Der Innovationsdruck im digitalen Planen und Bauen ist hoch. Wie gehen Sie damit um?

Unser Credo lautet: On the project, with the client. Dabei ist es entscheidend, dass wir die Kundenbedürfnisse in einem frühen Projektstadium möglichst genau kennen. Auf dieser Basis erfolgt bei Bedarf das Research & Development stets mit dem Blick auf den unternehmerischen Effekt. Zudem pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern und Entwicklern aus dem Bereich der Technologiezulieferer und dem Dienstleistungssegment. Eine Neuentwicklung von Raumgleiter ist der sogenannte ArchViewer. Wozu dient diese Applikation? Wir wollten eine Applikation entwickeln, die das klassische Architekturmodell ersetzt und die gesamte Palette der digitalen Möglichkeiten entlang der Development-, Design- und Betriebsprozesse nutzt. Die ArchViewer-App ist inzwischen zur zentralen Plattform für alle Produkte und Dienstleistungen aus dem Hause Raumgleiter geworden. Gleichzeitig dient sie beispielsweise dem Team der Halter Immobilien AG als Präsentationsapplikation für ihre Immobilienvermarktung. Wie setzt sich das Kundenportfolio der Raumgleiter AG zusammen? Neben der Halter AG zählt die gesamte Bandbreite an Unternehmen der hiesigen Immobilienbranche zu unserem Kundenstamm: Darunter sind Gesamtleister, Entwickler, Vermarktungsfirmen, Bewirtschafter sowie private und institutionelle Bauherren. In jüngster Zeit konnten wir auch Auftraggeber aus immobilienfremden Bereichen dazugewinnen, wie zum Beispiel die Sportbekleidungshersteller Mammut und On Shoes. Welche Technologien und Dienstleistungen sind derzeit besonders gefragt? Der Trend geht eindeutig in Richtung 3D-Modell und Building Information Modeling, kurz BIM. Das durchgehend digitale Modell wird künftig im Zentrum jeder Phase des Immobilienlebenszyklus stehen. Ein weiterer Aspekt ist die höhere Nachfrage nach Virtual und Augmented Reality, beispielsweise für virtuelle Wohnungsbesichtigungen. Entwicklungen in diesem Bereich sind eng mit der Technologie von Head-mounted Displays, also Videobrillen, verknüpft. In diesem Bereich werden wir in naher Zukunft grosse Entwicklungssprünge erleben.


UNTERNEHMENSDATEN

YOND, ZÜRICH

Personalbestand per 31. 12. 2017

Auftraggeber

Tätigkeit

Architektur

26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Integrales Digitalisierungsangebot im Immobilienbereich: Implementierung von BIM, Visualisierung, Konzeption Architekturentwurf und Interior Design, Film und Video, virtuelle Fotografie, Augmented Reality, Virtual Reality, digitale Gebäudeaufnahmen, Luftaufnahmen, 3D-Printing, Panoramatouren, Wohnungskonfigurationen

Marktsegmente

Dienstleistungs-, Gewerbe-, Industrie- und Infrastrukturbauten, Wohnungsbau, Schulen, Spitäler, Einkaufszentren und Gastronomiebetriebe auf allen Massstabsebenen (Städtebau, Architektur, Landschaftsarchitektur, Interior Design, Produktdesign)

Swiss Prime Site AG, Zürich SLIK Architekten GmbH, Zürich

Leistung

ArchViewer inklusive Umgebungsscan, 360-Grad-Panoramabilder, Animation

Realisierung

September 2017

Projektinformationen www.yond-zuerich.ch app.raumgleiter.com

EUROPAALLEE BAUFELD F, ZÜRICH Auftraggeber

SBB Immobilien, Zürich / VERIT Immobilien AG, Zürich

Architektur

Boltshauser Architekten AG, Zürich

Leistung

360-Grad-Luftperspektive, 360-GradInnenraumpanoramen, diverse Standbilder, Darstellung des Innenausbaus

Realisierung 2017 bis 2018

Marktregion

gesamte Schweiz

GESCHÄFTSLEITUNG Tom Böninger Daniel Kapr

Leiter Virtual Design & Construction mit BIM

Matthias Knuser

Leiter Research & Development

www.raumgleiter.com

Das Projekt Yond auf dem SiemensAreal in Zürich-Albisrieden demons­ triert, wie die ArchViewer-App von Raumgleiter vorhandene und neue Inhalte zu einem individuellen, digitalen Gesamtpaket vereint. Das BIM-Modell und bestehende Visualisierungen der Architekten wurden eingebunden, mit den von Raumgleiter gerenderten Panoramen und dem 3D-Scan kombiniert und in Google Earth eingebettet. Das Konzept des variablen Ausbaus ist dabei allgegenwärtig und kann Interessenten eindrucksvoll vermittelt werden. So veranschaulicht beispielsweise eine 360-Grad-Panoramatour das flexible Nutzungskonzept der Büroräumlichkeiten mit verschiedenen Ausbaustufen: vom rohen, leeren Raum über unterschiedlich grosse Holzeinbauten bis hin zu möblierten und belebten Büro- und Gewerbewelten.

Im vergangenen Jahr konnte die Raumgleiter AG diverse Bilder für das Baufeld F in der Europaallee erstellen. Der Gebäudeentwurf von Boltshauser Architekten zeichnet sich durch raffinierte Details aus. An diesem Detailgrad hat sich Raumgleiter auch bei der Umsetzung der Visualisierungen orientiert, wie das oben abgebildete Beispiel einer Wohnung in Turm F30 zeigt. Um den industriellen Charakter des Baus zu unterstreichen, wurden gezielt massive Möbel mit Patina und eine diffuse Lichtstimmung eingesetzt. Ein besonderes Augenmerk legten die Projektverantwortlichen zudem auf die Darstellung der Glasbausteine, welche Stück für Stück digital modelliert wurden.

1 55 RAU M GLE ITE R AG

Leiter Computer Generated Imagery & Graphics


IMPRESSUM KOMPLEX

Das Magazin der Halter AG NR. 11 / 2018

Herausgeber und Redaktions­anschrift Halter AG Hardturmstrasse 134 CH-8005 Zürich T + 41 44 434 24 00 www.halter.ch

Heftkonzept und Redaktions­leitung Christine Marie Halter-Oppelt

Gestaltungskonzept und Art Direction C2F · Communication Design, Luzern Cybu Richli, Fabienne Burri, Dani Klauser

Korrektorat

Bettina Methner

1 56 I M PR ESSU M

Mitarbeiter dieser Ausgabe

Hubertus Adam, Ralph Bensberg, Jan Bolomey, Rino Borini, Jonas Bubenhofer, Beat Bühler, Lukas Bühlmann, Thomas Burla, Monika Burri, Sabine von Fischer, Nik Grubenmann, Ariel Huber, Manuel Joss, Pierluigi Macor, Tobias Madörin, Bettina Methner, Markus Mettler, Giuseppe Micciché, Maik Neuhaus, André Odermatt, Jan Paulich, Franca Pedrazzetti, Damian Poffet, Cybu Richli, Patrik Schellenbauer, Caspar Schärer, Donato Scognamiglio, Matthias Standfest, Oliver Stern, David Strohm, Eugen Thierstein, Heinz Unger, Carole Villiger , Ruedi Walti, Reto Westermann, Anja Wicki, Hans Wicki, Heinrich Wolf-Bender, Herbert Zaugg, Jürg Zulliger

Titelbild

Mall of Switzerland, Ebikon, Oliver Stern

Auflage

13 000 Exemplare

Druck und Lithografie

Druckerei Odermatt AG, Dallenwil

Buchbinderei

An der Reuss AG, Luzern

Hinweis

Ein Nachdruck ist nur mit Genehmigung der Redaktion möglich. Die Nennung von Fotografen erfolgt nach bestem Wissen. www.halter.ch / publikationen

Das Magazin «Komplex» wurde im Projekt mit ClimatePartner CO2-kompensiert, also klima­neutral gedruckt. www.swissclimate.ch Kompensations-Nr.: SC2018041903 Printed in Switzerland



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NR.  11 —  2018

K O M P L E X

NR. 11 — 201 8  DAS MAGAZIN DER HALTER AG

MALL OF SWITZERLAND — DIGITALES 3D-STADTMODELL LIMMATSTADT — 100 JAHRE HALTER DAS GESAMTLEISTERMODELL — MOBILITÄT UND STADTENTWICKLUNG — DIGITALER ARCHITEKTURWETTBEWERB

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