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FERNWÄRME ROZZANO: DIE NEUE CONNECTION
DIE NEUE CONNECTION
ZUVERLÄSSIGE HEIZUNG UND IMMER WARMWASSER – DAS SOLLTE EIGENTLICH FÜR BEWOHNER VON GEMEINDEN UM DIE GLAMOURÖSE METROPOLE MAILAND SELBSTVERSTÄNDLICH SEIN. IN ROZZANO IST ES DAS ABER NICHT. VERALTETE INFRASTRUKTUR UND ÜBERLASTETE LEITUNGEN MACHEN DIE HEIZSAISON AB OKTOBER HÄUFIG ZU EINEM GLÜCKSSPIEL. GETEC WILL DAS MIT DEM GRÖSSTEN FERNWÄRMEPROJEKT IHRER GESCHICHTE ÄNDERN.
CHRISTIAN BOLOGNESI im Kraftwerk IOTTI, einem der drei Kraftwerke, die in Rozzano bald für verlässliche Fernwärme sorgen


DIE VERGANGENHEIT
DIE HERAUSFORDERUNG
Als GETEC 2021 die Verantwortung für die Versorgung des Quartiers der Wohnungsbaugesellschaft ALER übernahm, war die Wärmeversorgung im Winter nicht selbstverständlich: Die Energieinfrastruktur wurde um 1960 gebaut und war entsprechend veraltet. Von drei geplanten Kraftwerken lieferte nur eines Wärme, ein zweites pumpte sie nur weiter, ein drittes wurde nie fertiggestellt. Die Häuser im ALER-Quartier von Rozzano (Italien) entstanden vor 70 Jahren, manche ihrer Bewohner sind noch älter und im Sommer durchschnittlich 30 Grad Celsius gewohnt. Im Oktober sinken die Temperaturen in den Sozialbau-Vierteln aber auf elf Grad in der Nacht, im Dezember sogar auf zwei Grad. All das führte zu einer schlechten Versorgung. „Dass für einige Stunden oder einen Tag die Wärmeversorgung ausfiel, war keine Seltenheit“, so Andrea Zannetti, Bauprojektleiter. „Wenn es Schäden gab, konnten diese nur schwer gefunden werden. Es gab also keine gute Versorgung und dazu noch Baustellen – eine große Belastung für die Anwohner.“ Die einzige Lösung war die komplette Erneuerung der Infrastruktur und der Technik. Doch dazu fehlte das Geld. Gianni Ferretti, Bürgermeister von Rozzano: „Als ich vor drei Jahren mein Amt antrat, wurde die Fernwärme der Wohnungsbaugesellschaft ALER von der kommunalen Beteiligungsgesellschaft AMA verwaltet. Die wollte in die Modernisierung des Netzes investieren. Aber schnell wurde klar, dass AMA dazu nicht in der Lage war, da eine ihrer Beteiligungen zur gleichen Zeit in den Konkurs ging. ALER verklagte die AMA und die hob als Reaktion die Preise auf 22 Euro pro Quadratmeter/Jahr. Ich wollte aber einen Tarif von 16 Euro pro Quadratmeter/Jahr durchsetzen.“ Eine neue Lösung musste her. Um das Projekt attraktiv zu machen, änderte die Gemeinde ihre Strategie. Statt wie üblich die Energieversorgung über überschaubare Zeiträume anzubieten, schrieb sie die Konzession auf epische 48 Jahre aus. Wer das Projekt wollte, musste langfristig denken. Die GETEC Plattform Italien entwickelte in enger Zusammenarbeit mit den Industrie- und Quartiersexperten des GETEC-Kompetenzzentrums der Plattform Deutschland ein belastbares Konzept und bewarb sich. Im Gepäck hatten sie einen nachhaltigen Plan und das Commitment für eine Investition in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verbesserung der Energieinfrastruktur der Gemeinde Rozzano. GETEC bekam den Zuschlag und die energetische Zukunft von Rozzano konnte beginnen.
„DASS FÜR EINIGE STUNDEN ODER EINEN GANZEN TAG DIE WÄRMEVERSORGUNG IM ALER-QUARTIER AUSFIEL, WAR LEIDER KEINE SELTENHEIT.“
DIE GEGENWART
1. PLANUNG UND VERSORGUNG SICHERN
Das Ziel des Fernwärmeprojekts ist, umweltfreundlich Energie zu produzieren, den Verbrauch zu senken und die von den Bürgern erwarteten qualitativen und wirtschaftlichen Ergebnisse über Jahrzehnte hinweg zu gewährleisten. GETEC will dafür in den nächsten Jahren 50 Millionen Euro in Rozzano investieren. Da der Wärmepreis nicht angehoben werden soll, rechnet sich diese Investition nur durch langfristiges Engagement und effizientere Prozesse, die das GETEC-Team in Italien gemeinsam mit den GETEC-Kompetenzzentren entwickelt hatte. Diese Veränderungen werden nicht über Nacht geschehen. Bis die Planung umgesetzt werden kann, ist die große Aufgabe des GETEC-Teams, in den ersten Jahren mit der gegebenen Technik die Versorgung der Bewohner bestmöglich sicherzustellen.


3. NETZE AUSBAUEN
Das Wärmenetz in Rozzano war zu seiner Zeit gut durchdacht. Aber seit den 60er-Jahren haben die Energiemanager die Leitungen nicht modernisiert. Deswegen müssen die Röhren des verzweigten ALER-Netzes auf 12,2 Kilometern vollständig erneuert und technisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Arbeiten dazu sind bereits im vollen Gange. Doch die Pläne von GETEC gehen weiter. Durch zusätzliche Ausbauten verbindet GETEC das ALER-Netz mit dem Stadtnetzwerk. So können die Energiemanager auch die Versorgung öffentlicher und privater Gebäude übernehmen. Die Vision ist es, einen Ring um die Stadt zu schaffen, der weitere Expansionen und die Nutzung zusätzlicher Kapazitäten erlaubt. 2. TECHNIK ERNEUERN
Um die oben genannten Effizienzen zu nutzen, muss die Energieerzeugung von Grund auf neu gedacht werden. Im ersten Schritt wird das Heizkraftwerk IOTTI technisch modernisiert. Neben neuen, hocheffizienten Kesseln werden in den Kraftwerken auch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen installiert. In einem zweiten Schritt wird die Produktion von einem auf drei Heizwerke verteilt und so optimiert, dass der Kauf von Emissionszertifikaten nach Möglichkeit vermieden wird. Die Gesamtleistung soll so perspektivisch auf insgesamt 74,16 MWt steigen.

DIE ZUKUNFT
ZUVERLÄSSIGES NETZWERK ZU BEZAHLBAREM PREIS
In Zukunft soll die Versorgung der Bewohner besser werden, die Kosten dürfen aber nicht explodieren. Das kann nur langfristig funktionieren. Danilo Piermarini, GETEC Director Operation Industry und Contract Manager Rozzano: „Wir werden am Anfang massiv investieren: in effizientere Technik, effizientere Prozesse, effizientere Wartung und Überwachung. Das kostet erst einmal viel Geld, aber dieses Vorgehen wird sich in Zukunft auszahlen. Für die Bewohner von Rozzano, aber natürlich auch für uns.“ INTELLIGENZ IN DEN NETZWERKEN
Die Zukunft der Energie ist die intelligente Kontrolle der Netze. Fabrizio Buttaboni, GETEC-Kraftwerkmanager von Rozzano: „Wenn die Infrastruktur modernisiert ist, wird vieles besser: Wir haben ein Backup-Netz für Kontinuität, Glasfaserkabel für schnelle Datentransfers, Sensoren an kritischen Stellen und fernsteuerbare Ventile. Wir werden einen Kontrollraum mit sechs Experten haben, aber auch automatisierte Kontrolle im System, das offen für Innovation ist.“
„WIR WERDEN MASSIV INVESTIEREN: IN EFFIZIENTERE TECHNIK, EFFIZIENTERE PROZESSE, EFFIZIENTERE WARTUNG. DAS ZAHLT SICH SPÄTER AUS.“
UMWELTFREUNDLICHE WÄRMEPRODUKTION, OFFEN FÜR NEUE TECHNOLOGIEN
Die Optimierung der Energieproduktion geschieht anhand der Vorgaben der europäischen Ziele zur Energiewende. Andrea Zannetti, GETEC Construction Project Manager: „Wir nutzen die Energie effizienter, indem wir Technik auf dem neuesten Stand und nachhaltige Innovationen wie Wärmepumpen und Speichersysteme installieren. Wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten. Wir wollen immer bessere Lösungen finden, zum Beispiel Biomasse aus den Abfällen aus den öffentlichen Parks nutzen.“

DIE DREI KRAFTWERKE
SO WIRD DIE WÄRMEPRODUKTION IN ROZZANO AUSGEBAUT

QUARTIER ALER

KRAFTWERK IOTTI Maßnahme: Modernisierung der Technik Leistung: 25,34 MWt

„DIESES PROJEKT WIRD DAS LEBEN VIELER BÜRGER VERBESSERN“
WAS VERSPRICHT SICH DIE GEMEINDE ROZZANO VON DEM FERNWÄRMEPROJEKT? WIR SPRACHEN MIT DEM BÜRGERMEISTER GIANNI FERRETTI.

WIE MÜSSEN WIR UNS DAS LEBEN IN ROZZANO VORSTELLEN?
Rozzano hat viele Gesichter: Die Gemeinde ist durch ein öffentliches Verkehrsnetz mit dem Zentrum von Mailand verbunden. Man kommt von hier aus schnell in die Innenstadt. Jungen Menschen wird bei uns ein Ausbildungsweg vom Kindergarten bis zur Universität vor Ort geboten. Rozzano ist auch Industriegebiet, in dem viele Unternehmen interessante Arbeitsplätze bieten. Ein Beispiel dafür ist der exzellente Krankenhaus-Komplex „Humanitas“. Aber es gibt auch die andere Seite: Rozzano hat einen sehr hohen Anteil von Sozialwohnungen, insgesamt 6.000 Einheiten, in denen ungefähr 20.000 Menschen wohnen. Diese Mischung macht Rozzano besonders.
INWIEFERN WIRD DAS FERNWÄRMEPROJEKT VOR ALLEM DAS LEBEN DER BEWOHNER DIESES SOZIALEN WOHNUNGSBAUS VERBESSERN?
Das Fernwärmeprojekt entfaltet eine doppelte soziale Wirkung: Es macht das Wohnen in den 70 Jahre alten Häusern angenehmer und trägt dazu bei, die Umweltbelastung zu halbieren, was auch gut für die Menschen ist. Finanziell ist es auch sozial: Bei dem Projekt haben wir als Gemeinde eine finanzielle Obergrenze für die nächsten drei Jahre festgelegt – 16 Euro pro Quadratmeter/Jahr. Das war allerdings vor der Energiekrise. Da müssen wir vielleicht nacharbeiten.
JETZT HAT GETEC DIE AUSSCHREIBUNG IM LETZTEN JAHR GEWONNEN. SIND SIE GLÜCKLICH MIT DER LÖSUNG?
Ja, denn wir haben zwei Probleme gelöst: Erstens können wir bald auch sozial schwache Bürger verlässlich mit Wärme versorgen. Zweitens hat die Gemeinde Rozzano durch den Erwerb der Fernwärmenetze von GETEC die Möglichkeit erhalten, diese Mittel zur Lösung einiger relevanter Probleme von öffentlichem und sozialem Interesse einzusetzen, die von der vorherigen Gemeindeverwaltung übernommen wurden. Ich bin überzeugt: GETEC wird den Zeitplan halten, durch Effizienz wichtige Einsparungen erzielen und die Umwelt weniger belasten. WAS IST IHRE VISION FÜR DIE ZUKUNFT DES PROJEKTS?
Ich will, dass GETEC nicht nur den sozialen Wohnungsbau, sondern perspektivisch auch Neubauten und öffentliche Einrichtungen durch das moderne Netzwerk versorgt. Denn dadurch würden sich die bisherigen Kosten für die Beheizung einer Wohnung und die Umweltbelastung verbessern. Ich sehe GETEC als einen Partner für die ganze Region, mit dem wir im Dialog Lösungen finden können, um das Leben der Bürger zu verbessern und die Emissionen in der Zukunft zu verringern, zum Beispiel durch die Nutzung von Solaranlagen.
„ICH SEHE GETEC AUCH IN ZUKUNFT ALS EINEN PARTNER, MIT DEM WIR IM DIALOG LÖSUNGEN FINDEN KÖNNEN.“

Konstruktiver Dialog: BÜRGERMEISTER GIANNI FERRETTI und GETEC-Kraftwerkmanager Fabrizio Buttaboni im Rathaus von Rozzano