Kulturmagazin 2013

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Wien 1918 – 1938

Kunst und Wissenschaft

Malerei

Malerei in der Zwischenkriegszeit

Brigitte Lindinger

Nach den Leiden und Entbehrungen des Ersten Weltkrieges rief die Umwandlung Österreichs von einer Großmacht zu einem kleinen Staat in der Bevölkerung Unruhe und Spannungen hervor, die sich nicht zuletzt auch in der Kunst manifestierten. Der wirtschaftliche Zusammenbruch traf die Künstler schwer, da die ehemaligen Auftraggeber kaum über finanzielle Mittel verfügten. »Der Mäzen« wurde zu einem Relikt vergangener Tage. Müdigkeit, Resignation und nachlassende Vitalität waren kennzeichnend für das künstlerische Leben Österreichs.

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och vor dem Krieg war Wien das einzig maßgebende Zentrum, die Kunst in den Bundesländern zeigte sich nur von bescheidener Seite. Ende des Krieges schien Wien verwaist. Klimt, Schiele, Kolo Moser starben 1918, Kokoschka ging nach Dresden. Dieses künstlerische Vakuum bewirkte nun eine Veränderung in der Kunstlandschaft Österreichs, sodass spätestens ab 1920 jedes Bundesland über eine eigene Künstlervereinigung verfügte. In dieser extrem verunsicherten Zeit orientierte sich die Kunst am Fassbaren, d.h. am Gegenständlichen. Mensch und Natur wurden als die Einheit der Schöpfung begriffen und Kunst als deren Fortsetzung. Diese Problemstellung ließ einen weiten Bogen von Ausdrucksmöglichkeiten zu, der vom Expressionismus über die Neue Sachlichkeit bis hin zum Konstruktivismus reichte.

Österreichische Künstlervereinigungen in der Zwischenkriegszeit Der »Nötscherkreis« in Kärnten, dem die Künstler Gehard Frankl, Anton Kolig, Sebastian Isepp, Anton Mahringer und Josef Wiegele angehörten. Der »Wassermann« in Salzburg mit Felix Harta und Anton Faistauer. Die »Grazer Secession« mit Wilhelm Thöny und Alfred Wickenburg. »Maerz und Ring«, in Oberösterreich mit Alfred Kubin, Franz Sedlacek und Aloys Wach. Im Westen Österreichs die »Künstlervereinigung Heimat«, die »Gruppe Waage« und die »Secession Innsbruck«. Hier sind die Namen Alfons Walde, Albin Egger-Lienz und Leo Putz zu nennen.

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Der gemäßigte Expressionismus Unter den verschiedenen stilistischen Bestrebungen erhielt der expressive Kolorismus die größte Bedeutung. In bewusster Distanz zur Internationalen Moderne fanden die prägenden Künstlerpersönlichkeiten wie Herbert Boeckl und Anton Kolig zu einer künstlerischen Formensprache, die bei einem konstruktiven Bildaufbau der Farbe eine eindeutig dominante Rolle einräumte. Der Mensch in seinem Verhältnis zu Natur und Kultur und die Spannung zwischen diesen beiden Polen menschlicher Existenz waren das Ziel ihres künstlerischen Anliegens. So wie Schiele und Gerstl ist auch Oskar Kokoschka zu den Begründern des österreichischen Expressionismus zu zählen. Mit seinen Bildern beeinflusste er maßgeblich den Fortgang der österreichischen Kunst in den zwanziger Jahren und war vor allem für Herbert Boeckl von entscheidender Bedeutung. Das Leopold Museum verfügt über bedeutende Arbeiten dieses Künstlers, wie der »Liegender Akt«, »Die Gruppe am Waldrand« und die »Die große sizilianische Landschaft«. Mit Abstand war die Landschaft das meistgewählte Thema der Malerei der Zwischenkriegszeit. So auch in den Arbeiten von Josef Dobrowsky. Die Natur wurde bei ihm zum Sinnbild innerer Befindlichkeit. In den beiden Gemälden des Leopold Museums »Häuser in Karlsbad« und »Donaulände in Ybbs« erkennt man das eigenwillige Kolorit und die melancholische Grundstimmung seiner Motive. Anton Kolig gründete seinen Werkstattbetrieb »Nötscher Kreis« um 1920. Er wandte sich vor allem dem Menschenbild und da dem jungen männlichen Akt zu. Unter anderem besitzt das Leopold Museum zwei Selbstbildnisse von ihm. Sein talentiertester Schüler war Gerhard Frankl. Sein Werk ist von der Dominanz der Farbe geprägt, wobei dem Stillleben und der Landschaft wesentliche Bedeutung zukommt. Frankls »Dächer

Kulturmagazin der Wiener Fremdenführer 2013 25.01.13 12:36


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