E&G – Quaternary Science Journal - Das Quartär als chronostratigraphische Einheit

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Eiszeitalter und Gegenwart Quaternary Science Journal

3-6 1 Beilage

56/1-2

Hannover 2007

Das Quartär als chronostratigraphische Einheit )

THOMAS LITT*

Das Quartär als System – traditionell als Eiszeitalter aufgefasst – ist ein Intervall, das durch wechselnde klimatische Extreme (Kalt- und Warmzeiten) gekennzeichnet ist und chronostratigraphisch durch die Serien Pleistozän und Holozän untergliedert wird. Der Begriff wurde formal durch DESNOYERS (1829) eingeführt. Die Grundprinzipien für die Gliederung des Quartärs sind dieselben, die auch für andere chronostratigraphische Einheiten des Phanerozoikum gelten (SALVADOR 1994). Allerdings ist für die Gliederung des Quartärs – im Gegensatz zu anderen Systemen – der Klimawechsel, der in den Sedimentfolgen dokumentiert ist, von entscheidender Bedeutung. Die Klassifikation auf der Grundlage von klimatostratigraphischen Einheiten wie „Glaziale“ und „Interglaziale“ bzw. Warm- und Kaltzeiten besitzt eine lange Tradition und ist in verschiedenen Ländern bzw. Regionen in chronostratigraphischen Standards verankert (GIBBARD & WEST 2000, GIBBARD & VAN KOLFSCHOTEN 2004, LITT et al. 2005). Die klimatostratigraphischen Begriffe „Interglazial” und „Interstadial” wurden von JESSEN & MILTHERS (1928) aufgrund von paläobotanischen Kriterien definiert, die auch gegenwärtig in Europa allgemein akzeptiert werden. Als Interglazial wird danach ein temperater Abschnitt charakterisiert, dessen klimatisches Optimum mindestens das Klimaniveau des gegenwärtigen Interglazials (Holozän) in derselben Region erreicht hat. Als Interstadial wird ein wärmerer Abschnitt bezeichnet, das entweder zu kurz oder zu kalt war, um das Klimaniveau von einem Interglazial in derselben Region zu erreichen. Von der AMERICAN COMMISSION ON STRATIGRAPHIC NOMENCLATURE (1961) wurden für die Klassifikation quartärer Sequenzen folgende Definition eingeführt: “A glaciation is a climatic episode during which extensive glaciers developed, attained a maximum extent, and receded. A stadial is a climatic episode, representing a subdivision of a glaciation, during which a secondary advance of glaciers took place. An interstadial is a climatic episode within a glaciation during which a secondary recession or standstil of glaciers took place. An interglacial is an episode during which the climate was incompatible with the wide extent of glaciers that characterize a glaciation” (zitiert nach GIBBARD & KOLFSCHOTEN 2004). Die Anwendung dieser glazial geprägten Definitionen ist jedoch problematisch, wenn sie auf Gebiete übertragen werden soll, die nicht direkt von Inlandvereisungen betroffen waren. Überdies haben häufig eher kalte als wirklich glaziale Klimabedingungen die Intervalle zwischen voll entwickelten Interglazialen bestimmt. Deshalb ist mittlerweile der Begriff „Kaltzeit“ mehr gebräuchlich als „Glazial“ (GIBBARD & WEST 2000). Gelegentlich werden auch Begriffe wie Thermomer (relativ warme Perioden mit folgenden Abstufungen: Interglazial, Interstadial, Intervall, Subintervall) und Kryomer (relativ kalte Perioden mit folgenden Abstufungen: Glazial, Stadium, Phase, Staffel) verwendet (LÜTTIG 1965a). Die Grundeinheiten der chronostratigraphischen Gliederung (Stufe/Alter) sind im Quartär bislang nicht international verbindlich festgelegt und benannt worden. Hierin drückt sich offensichtlich die Schwierigkeit aus, bei der starken zeitlichen und räumlichen Variabilität des Klimas im Quartär Kriterien zu finden, die für die Definition der kleinsten chronostratigraphischen Einheiten auf globaler Ebene verwendet werden können. Die Entwicklung regionaler Stratigraphien mit entsprechenden Stratotypen ist deshalb für das Quartär insbesondere im kontinentalen Bereich unabdingbar. Teilweise werden in Nordwesteuropa Kalt- und Warmzeiten als chronostratigraphische Einheiten im Sinne von *

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. THOMAS LITT, Institut für Paläontologie, Universität Bonn, Nussallee 8, 53115 Bonn, Email: t.litt@uni-bonn.de


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