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Ein Spaziergang durch die Auenstraße

ewegung sei segensreich und ein bewährtes Mittel gegen Ermüdung, heißt es. Sie mache den Körper widerstandsfähig, lindere Schmer zen und lasse einen besser schlafen. All das bekomme ich auf meinen morgendlichen Spaziergängen durch die Gassen, Straßen und über Waldwege in unserem BöhlitzEhrenberg bestätigt.

Das Laufen macht mich aber bei Weitem nicht nur munter und aus geglichen. Es lässt mich darüber hinaus auch in ein vertrauliches »Zwie-

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gespräch« mit dem kommen, was mir dabei begegnet. Wenn ich von der Leipziger Straße in die Untere Mühlenstraße abbiege und bis zu deren Ende laufe, wo sie auf die Auenstraße trifft, stehe ich vor dem ältesten erhaltenen GeBVORSCHAU bäude Böhlitz-Ehrenbergs, genannt »Kapelle« oder »Zur guten Quelle«. Der rührige Ortsverein hat hier – wie an anderen historischen Gebäuden von Bedeutung auch – eine Tafel angebracht, die darüber aufklärt, wann es erbaut und umgebaut wurde, wer

die Besitzer waren und wie es heute noch genutzt wird. »Du altes Haus«, denke ich jedes Mal, »du bist im 17. Jahrhundert auf den Grundmauern einer ehemaligen Kapelle, vermutlich um 1000 erbaut, entstanden. In deinen Mauern gab es seit dem Dreißigjährigen Krieg ein Wirtshaus. Ältere Böhlitzer können sich noch daran erinnern, dass sie bis 1953 im Gasthaus »Zur guten Quelle« bei Hermann Kunzemann ihr Bierchen und ein großes Schnitzel genossen haben. Heute bist du neu eingekleidet, denn deine alte Robe war schäbig geworden. In deinem Bauch beherbergst du gegenwärtig eine Kanzlei und bietest Platz zum Wohnen. Wenn ich dich so anschaue, kommt mir der Gedanke, was sich wohl bei dir alles abgespielt hat. In meinem Kopf entstehen Bilder von Predigten, Trauungen, Taufen, Totenmessen. Vom Feierabendbier, Festen, Wirts haus schlägereien. Von Klienten, die sich zum Recht verhelfen lassen wollen und sich wundern, dass das eine Stange Geld kosten kann, schon bei einer Erstberatung. Oder, die erleichtert sind, wenn ihr Streitfall ein gutes Ende gefunden hat.«

Wenn ich vom ehemaligen Wirtshaus »Zur guten Quelle« auf die andere Seite der Auenstraße wechsele, befinde ich mich auf geschichts trächtigem Boden. Denn hier, wo jetzt Einfamilienhäuser stehen, befand sich im 19. und 20. Jahrhundert das Schlobachsche Säge- und Furnierwerk. Davor gab es auf dem Gelände eine Mühle, die bereits im 13. Jahr-

hundert erwähnt worden ist. Wenn meine Gedanken in diese Zeit zurückfliegen, sehe ich all die Müller vor mir, die alljährlich dem Merseburger Abt mehr oder weniger gelassen oder gar schlecht gelaunt Zins und Korn entrichten mussten. Denn sie waren dem Kloster Merseburg lehnspflichtig. Ich habe aber auch vor Augen, wie sich um 1500 der Müller von Behlitz, so hieß Böhlitz zu dieser Zeit, heftig zu rechtfertigen versuchte, weil er das Wasser zum Schaden des Müllers von Gundorf aufgehalten und somit gegen die Ordnung des Lehnsherren über die Stauung von Wasser verstoßen hat. Ich stelle mir aber auch vor, wie verzweifelt der Müller von Behlitz war, als sein Wohnhaus samt Scheune und Ställen im Dreißigjährigen Krieg mit allen Vorräten ausbrannte und es ihm nicht möglich war, die Gebäude wieder aufzubauen. Ich denke auch darüber nach, was wohl die Böhlitzer Bürger erörtert haben, als 1846 Franz Schlobach das Mühlengut einschließlich der Felder, Wiesen, Gärten und Holz von seinem Schwager Heinrich Wilhelm Kotrade pachtete. Als er zuerst die Müllerei betrieb, dann die Mühle Schritt für Schritt in ein Furnierschneidewerk umwandelte und dem Mühlenrad eine Dampfturbine an seine Seite gab. VORSCHAU Und als Franz Schlobach schließlich ganz auf Turbinenkraft setzte und er seinen Betrieb etwa ab 1860 zu einem der größten seiner Art in Deutschland entwi ckelte. Wenn ich meinen Spaziergang auf der Auenstraße, wo ich nicht gerade

Der Laubfrosch

in und wieder passiert es, dass ich in unserem Ort Leuten begegne, die mich auf meinen Mann hin ansprechen. Sie erzählen mir dann, dass sie oder ihre Kinder die Böhlitzer Schule besucht hätten (zu DDRZeiten hieß sie »Polytechnische Oberschule (POS) Arthur Feistkorn«, nach der Wende »Heinrich-Pestalozzi-Mittelschule« und gegenwärtig »Heinrich-Pestalozzi-Oberschule«).

Nicht selten erfahre ich dabei, dass der Biologie- und Astronomie-Unterricht bei meinem Mann Spaß gemacht habe und man viel lernen

konnte, auch mit Humor. Aber für einen guten Lehrer ist das eigentlich nichts Besonderes, das sollte einfach so sein. Was ihren Lehrer aber Mein »Linolschneider« (li.) mit Botanisiertrommel und SchmetterlingsnetzHVORSCHAU in hohem Maße ausgemacht habe, dass er den Unterricht mit vielen interessanten Geschichten über die beobachtete Natur lebendig gespickt hat. Dass er mit ihnen ornithologische Exkursionen in die Böhlitzer Lachen oder in die Rückmarsdorfer