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Flugmodelle

Stadt und Land

Als wir noch viel Zeit in unserer zweiten Heimat, dem Lobensteiner Oberland, verbracht haben, schätzten wir dort besonders die reizvolle Landschaft, die frische und würzige Luft der Wälder und Wiesen, die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt sowie auch die kulturellen Angebote in der Umgebung. Aber in den letzten Jahren schwang auch immer ein Hauch Bitterkeit mit. Wir hatten oft den Eindruck, der Landstrich fällt in die Vergessenheit. Die Lebensbedingungen in unserem Dorf hatten sich im Laufe der Zeit zunehmend verschlechtert. Die Nachbarn haben wir oft nur aus der Ferne gesehen, denn in unserem Dorf gab es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr – der Konsum und die Bäckerei waren geschlossen worden, ebenso auch die Post und der Gasthof. Wer kein Auto besaß, musste mit dem Bus, der verhältnismäßig selten verkehrte, in die fünf Kilometer entfernte Stadt fahren. Sonnabends fuhr überhaupt kein Bus.

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An bestimmten Tagen kommen immer zu festgelegten Zeiten Verkaufs-

wagen mit Bäckerei- und Fleischwaren sowie mit Lebensmitteln. Schon lange bevor diese Wagen eintreffen, versammeln sich einige Dorfbewohner am Feuerlöschteich, um sich über Neuigkeiten auszutauschen. Oft habe ich mich dazugesellt. Von Zeit zu Zeit fehlen mir in Böhlitz-Ehrenberg bestimmte Läden, in denen ich früher sehr gern eingekauft habe: Die Drogerie Wagner, das Haushaltwarengeschäft Fugman, das Textilhaus Rohr, das Schuhwarengeschäft Kempfer. Aber mir bleibt ja jetzt immer die Möglichkeit, mit der Straßenbahn in die Innenstadt zu fahren, und dazu brauche ich nur etwa zwanzig Minuten. Allerdings komme ich recht selten ins Zentrum. Erstens, ich kaufe nicht besonders gern ein, und zweitens ist es mir in der Stadt und in den Kaufhäusern und größeVORSCHAU ren Läden zu laut, zu voll und an warmen Tagen auch zu stickig. Da bin ich immer wieder froh, wenn ich mit der Linie 7 über die beiden Brücken von Leutzsch gefahren bin und in mein ruhigeres und ländlich anmutendes Böhlitz-Ehrenberg eintauche.

Und was die Dinge des täglichen Bedarfs angeht, so habe ich in unserem Stadtteil einen gut aufgestellten EDEKA-Markt »vor der Nase«, auch eine Apotheke, einen Zeitungs- und Schreibwarenladen mit einem Postschalter und ein Blumengeschäft. Darüber hinaus kann ich zu Fuß eine Reihe weiterer Lebensmittelmärkte, Bäckereien und anderer Läden erreichen.

Und auch hier wird nicht selten ein Schwätzchen gemacht. Ab und an bildet sich sogar ein »Schwatzklumpen«, an dem man sich vorbeidrängen muss. Ich habe es gut: Ich wohne fast wie auf dem Land und genieße die Annehmlichkeiten einer Stadt. Darum beneiden mich viele meiner »Thüringer Oberländer«, zu denen ich bis heute gute Verbindungen pflege. VORSCHAU