SME program for North Rhine-Westphalia 2012-2017

Page 1

Mittelstandsprogramm für Nordrhein-Westfalen

2012-2017

Positionen und Forderungen des BVMW – Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V. in NRW


Herausgeber Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) Unternehmerverband Deutschlands e.V. Landesgeschäftsstelle NRW Herbert Schulte Oststraße 41-43, 40211 Düsseldorf Kontakt BVMW NRW Tel.: 0211 / 385 461 50 Fax: 0211 / 385 461 51 E-Mail: herbert.schulte@bvmw.de Internet: www.nrw.bvmw.de Layout & Satz Frithjof Siebert Druckerei IBF Druckservice TönisVorst Teresaweg 9 47918 Tönisvorst Bildnachweise fotolia.com pixelio.de


Inhaltsverzeichnis

Priorität für den Mittelstand

4

Kapitel 1

Schulpolitik: Auf das Berufsleben vorbereiten

5

Kapitel 2

Arbeitsmarkt und Qualifikation

8

Kapitel 3

Hochschulpolitik: Wettbewerb steigern

10

Kapitel 4

Innovationspolitik: Wissenstransfer fördern

12

Kapitel 5

Unternehmens- und Gründungsklima verbessern

14

Kapitel 6

Nachhaltige Infrastruktur: Balance zwischen Ökologie, Energie- und Verkehrspolitik

16

Kapitel 7

Finanzplatz NRW

18

Kapitel 8

Bürokratieabbau

20

Kapitel 9

Ballungsraum Benelux – NRW: Kooperationen stärken

22

Kapitel 10 Bundesratsinitiativen

23

Dieses Programm ist unter Mitwirkung zahlreicher Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich im BVMW engagieren, entwickelt worden. Es ist das Ergebnis einer intensiven Netzwerkarbeit, die von Ideen und Fachkompetenz statt von Ideologien geprägt war. Allen Beteiligten gilt im Interesse des nordrhein-westfälischen Mittelstands unser herzlichster Dank. Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

3


Mittelstand fördern - Wachstumsbremsen lösen Nordrhein-Westfalen ist das logistische Drehkreuz Europas und das Herzstück der europäischen Volkswirtschaft. Isoliert betrachtet, steht die NRW-Wirtschaft mit ihren 700.000 Mittelständlern auf Platz 17 der größten Ökonomien der Welt. Der Landespolitik kommt damit die verantwortungsvolle Aufgabe zu, Rahmenbedingungen zu wählen, die den Mittelstand dabei unterstützen, die jahrzehntelange Wachstumslücke des größten Bundeslandes im deutschlandweiten Vergleich zu schließen und den Wohlstand zu fördern. NRW muss wieder zum Wachstumsmotor werden. Nur so wird es gelingen, den längst noch nicht abgeschlossenen Wandel in den strukturschwachen Regionen zu bewältigen. Der BVMW vernetzt seine Mitgliedsunternehmen regional in seinen landesweit 40 Geschäftsstellen. So gelingt es uns, Ihre Interessen wahrzunehmen, Unternehmerkooperationen zu fördern und mit den verantwortlichen Akteuren der Politik an der Umsetzung eines mittelstandsgerechten Fundaments in NordrheinWestfalen zu arbeiten. Lassen Sie uns die neue Legislaturperiode als Chance für Wachstum und Wohlstand nutzen. Fördern wir gemeinsam den nordrhein-westfälischen Mittelstand. Es grüßt Sie herzlich Ihr Herbert Schulte, Landesgeschäftsführung BVMW NRW

Der Mittelstand in NRW

99,6 Prozent der Unternehmen sind kleine und mittlere Betriebe

Im Mittelstand arbeiten 70,5 Prozent der Beschäftigten

82,8 Prozent der Auszubildenen fin­den im Mittelstand ihre Lehrstelle

4

Quelle: Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen


Kapitel 1 Schulpolitik: Auf das Berufsleben vorbereiten Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland hängt entscheidend vom Ausbildungsniveau ab. Jeder Einzelne muss entsprechend seiner Begabung optimal gefördert werden und gleichzeitig erlernen, wie selbständiges Lernen funktioniert. Die Potenziale in der Schule zu wecken, bedeutet Zukunftssicherung für den Standort. Denn nur mit Innovationen kann NRW im internationalen Wettbewerb dauerhaft bestehen. Fehlen aber qualifi+3,86 zierte Mitarbeiter, wird die Innovationsfähigkeit gefährdet. +3,59 Frühkindliche Förderung Fremdsprachenkenntnisse sowie naturwissenschaftliches und technisches Know-how der Mitarbeiter gewinnen eine immer größere Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Das Interesse an Fremdsprachen und Technik sollte Kindern möglichst frühzeitig spielerisch vermittelt werden, da sie bis zum achten Lebensjahr besonders aufnahmefähig sind. Oberstes Ziel für die Krippen und Kindergärten muss daher sein, die Potenziale der Kinder noch besser zu entwickeln. NRW sollte daher auch in die Weiterbildung des Erziehungspersonals in den Bereichen Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Technik investieren, so dass bereits in Kinderkrippen und Kindergärten dieses Wissen spielerisch vermittelt werden kann.

+0,06 Sachsen

-0,91

Mecklenburg-Vorpommern

-1,01

Niedersachsen

-1,04

Hamburg

Schleswig-Holstein Baden-Württemberg

-1,88

-2,54

Hessen

+7,52 +6,71

Saarland

Bayern Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz Brandenburg

Nordrhein-Westfalen

-0,17

Berlin

Thüringen

+9,18

-4,08

Laut Mittelstandsbarometer empfinden Unternehmer das Ausbildungsniveau von Nachwuchskräften als Problem. NRW liegt dabei im Bundesdurchschnitt.

-4,97

-5,68

Quelle: Deutsches Mittelstandsbarometer 2009

„Wirtschaft“ als eigenständiges Fach etablieren Die Werte der sozialen Marktwirtschaft und wirtschaftliches Grundwissen müssen bereits in der Schule vermittelt werden. Es reicht nicht aus, lediglich einzelne Aspekte der Wirtschaft isoliert in den Gesellschaftsfächern abzuhandeln. Das Fach Wirtschaft sollte an der Hauptschule, an der Realschule und am Gymnasium als Regelfach eingeführt werden. Dafür muss das Lehrpersonal entsprechend qualifiziert werden. Für diese Qualifikation sollte das Fach „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“ für Lehramtsstudenten an der Hochschule verpflichtend eingeführt werden. Bereits ausgebildete Lehrer sollten ein Weiterbildungsangebot in Form von Seminaren wahrnehmen.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

5


Lehrermangel bekämpfen – Berufskollegs fördern Gerade in technischen und gewerblichen Lehrfächern fehlen Lehrkräfte an nordrhein-westfälischen Berufskollegs. Die Fachrichtungen Maschinentechnik, Elektrotechnik und Fahrzeugtechnik sollten durch Ergänzung praxiserfahrener Seiteneinsteiger verstärkt werden. Das Land NRW muss sich gerade auf dem Feld der Berufsausbildung der demografischen Lücke bewusst sein. Der BVMW rät zu Kooperationslösungen, die eine Zusammenarbeit der Wirtschaft mit Berufskollegs vor Ort fördern. Die Bereitschaft unter den Unternehmerinnen und Unternehmern, Schulen in den Unterrichtsfächern der Wirtschaftswissenschaften zu unterstützen, ist definitiv gegeben und sollte gefördert werden.

Traditionelle Vorlieben bei den Azubis Bürokauffrau

9.319

Medizinische Fachangestellte

9.031

Industriekauffrau

8.661

Friseurin

8.369

Kauffrau im Einzelhandel

8.245

Zahnmedizinische Fachangestellte

7.312

Verkäuferin

6.626

Kauffrau für Bürokommunikation

5.682

Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk

5.022

Kauffrau im Großund Außenhandel

4.579

Kraftfahrzeugmechatroniker

13.104

Industriemechaniker

10.856

Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik

7.909

Elektroniker

7.561

Kaufmann im Einzelhandel

7.161

Industriekaufmann

6.529

Kaufmann im Großund Außenhandel

5.940

Fachinformatiker

5.816

Metallbauer

5.748

Elektroniker für Betriebstechnik

5.658

Quelle: Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW); Zahlen für 2008, veröffentlicht im September 2009

6

Berufsberatung besser an die Lage auf dem Arbeitsmarkt anpassen Die Berufsberatung für Schüler muss professioneller und individueller gestaltet sowie besser auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt werden. Die Bandbreite an möglichen Berufen wird Schülern häufig nicht näher erläutert, so dass viele Berufe keine Beachtung bei der Berufswahl finden – ein weiterer Faktor, der zu einem Fachkräftemangel in den Unternehmen führt. Wir schlagen daher vor, statt einer Vielzahl von Einzelberufen Berufsfelder zu definieren. Seminare zu aktuellen Arbeitsmarktentwicklungen und -qualifikationen sollten verpflichtend in der Lehrerausbildung eingeführt werden. An den Schulen muss die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und der Wirtschaft gestärkt und institutionalisiert werden: Schulen und Unternehmen aus ihrer Region Frauen sollten in der Berufsberatung konsequent zusammenarbeiten, damit jeder Lehrer realitätsnahe Hinweise von Unternehmen erhält und so in die Lage versetzt wird, Schüler bei ihrer Berufswahl besser zu beraten. Dies gilt auch für die Mitarbeiter der Berufsinformationszentren. Das kostenlose Angebot einer internetgestützten und anonymen Potenzialanalyse, die die Potenziale des Schulabgängers mit den Anforderungen eines Berufsfelds vergleicht, wäre eine sinnvolle Ergänzung. Sie könnte dazu beitragen, dass die Jugendlichen leichter ihre eigenen Stärken erkennen. Männer


Eignungsbestimmung für das Lehramt Die Eignung der Studenten für den Lehrerberuf sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt ermittelt werden, idealerweise noch vor Studienbeginn. Ein Selbsttest als Orientierungshilfe sollte in erster Linie die Studienanwärter bei der Selbsteinschätzung der persönlichen Befähigung zum Lehramt unterstützen. Motivation sowie soziale und pädagogische Kompetenz sollten neben schulischen Leistungen berücksichtigt werden. Maßnahmen gegen den Lehrermangel in den MINT-Fächern Seit Jahren herrscht Lehrermangel in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT), mit negativen Folgen für die Wirtschaft: Wegen eines Mangels an Ingenieuren müssen zahlreiche Unternehmen Aufträge ablehnen. Um die MINT-Fächer attraktiver zu gestalten, sollten Anreize für diese Studienfächer geschaffen werden. Universitäten könnten zum Beispiel vermehrt Tutoren zur Verfügung stellen, damit jeder Student einen persönlichen Ansprechpartner hat. Die Tutoren können bei der Bewältigung anspruchsvoller Lehrinhalte oder bei der Organisation des Studiums unterstützen. Um den Lehrermangel kurzfristig auszugleichen, sollte der Quereinstieg in den Lehrerberuf für die MINTFächer erleichtert werden. Weiterbildung des Lehrpersonals Die Qualität des Unterrichts muss stetig überprüft und die Lehrer kontinuierlich weitergebildet werden. Daher sollten Lehrer dazu verpflichtet werden, während der gesamten Berufszeit in jedem Jahr Fortbildungen zu besuchen, deren Teilnahme mit Leistungspunkten nachgewiesen wird. Neben fachspezifischen Lehrgängen, sollten auch Kurse zu aktuellen Arbeitsmarktentwicklungen besucht werden. Schulleiter müssen verstärkt für Management-Aufgaben geschult werden. Für alle Lehrer ist ein wirksameres Anreizsystem zu schaffen, das die Nachteile des heutigen Beamtenrechts überwindet. Ideologiefreie Weiterentwicklung der Schulformen Schulformen haben pragmatischen Erwägungen zu folgen. Die Diskussion über die Weiterentwicklung der Schulformen muss in jedem Fall ideologiefrei erfolgen: Kleine überschaubare Klassen, in denen engagierte Lehrer die Schüler individuell betreuen und fördern, üben einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Kinder aus, als der organisatorische Rahmen. Der BVMW unterstützt die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen zu einer gemeinsamen Schulform. Der Wandel des Schulwesens muss dabei der modernen Arbeitswelt entsprechen und Familien bei der Betreuung schulpflichtiger Kinder unterstützen. NRW sollte zum Vorreiter der Ganztagsbetreuung werden und mithilfe individueller Fördermaßnahmen sowie Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfegruppen modernen, bedarfsgerechten Unterricht zum Standard erheben.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

7


Kapitel 2 Arbeitsmarkt und Qualifikation Der Arbeitsmarkt hat sich im Jahr 2009 trotz Finanzmarktkrise relativ robust gezeigt. Zum Jahresende waren in NRW 780.000 Menschen als arbeitslos registriert. Gleichzeitig besteht in vielen Branchen ein Facharbeitermangel. Daher muss eine moderne Arbeitsmarktpolitik noch stärker auf eine zeitnahe und marktorientierte Qualifizierung von Arbeitslosen und Beschäftigten setzen. Kurzarbeit ist in Krisenzeiten ein sinnvolles Instrument, solange sie zeitlich befristet eingesetzt wird. Die Weiterbildung von Beschäftigten ist dagegen eine Aufgabe, die Mitarbeiter und Unternehmer selbst initiieren müssen. Das Land kann beraten, informieren und kleinere Unternehmen mit branchenübergreifenden Instrumenten wie dem Bildungsscheck fördern. Weiterbildung als Investition Kontinuierliche Weiterbildung ist unerlässlich. Viele, aber nicht alle mittelständischen Unternehmen sehen Weiterbildung als eine Investition in ihre Mitarbeiter an. Hier muss noch mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden. Eine Vielzahl branchenspezifischer Förderprogramme ist aber keine nachhaltige Lösung. Sinnvoller wäre es, die Beratungsprogramme für Unternehmen zu erweitern und diese bei der Suche nach effektiven Weiterbildungsangeboten stärker zu unterstützen.

Qualifizierung bleibt ein Dauerthema 60 50

52

40

35

30 20 10 0

13 ja, problemlos

manchmal ja, manchmal nein

Quelle: Konjunkturumfrage des BVMW NRW, September 2011

8

nein


Einjährige Ausbildung für Erwachsene Der schnelle technologische Wandel verkürzt die Halbwertzeit von berufsspezifischem Wissen. Fort- und Weiterbildung ist aber keine Frage des Alters, sondern eine Frage des Engagements. Wir fordern die Etablierung von einjährigen Ausbildungsgängen für Erwachsene, die bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Das Konzept soll Arbeitslose unterstützen und Kurzarbeitern eine Alternative bieten. Innerhalb von einem Jahr kann nach dem Prinzip des dualen Systems mit Ausbildungszeiten in den Unternehmen und Pflichtbesuchen an Berufsschulen oder Weiterbildungsinstitutionen ein vollwertiger Berufsabschluss erworben werden. Das ausbildende Unternehmen zahlt während der einjährigen Ausbildung den auch für Jugendliche üblichen Ausbildungslohn. Eine Aufstockung auf Höhe des Arbeitslosengeldes wird durch die Bundesagentur für Arbeit gewährt. Mit dieser Maßnahme werden der Facharbeitermangel und die Arbeitslosigkeit gleichermaßen bekämpft. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass eine Ausbildung nur in Berufen stattfindet, für die auch eine Nachfrage besteht. Fehlallokationen durch staatlich verordnete Umschulungen für vermeintliche Boom-Branchen werden so vermieden. Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern Der Mittelstand fördert in seinen Unternehmen ein kooperatives Miteinander und entwickelt stetig Konzepte einer modernen und humanen Arbeitswelt. Die Politik sollte diesen Prozess nicht durch Überregulierung hemmen, sondern erfolgreiche Konzepte fördern. Die Instrumente der Leih- und Kurzarbeit übernehmen in diesem Kontext eine zentrale Funktion zur Unterstützung eines dauerhaften Berufseinstiegs. Die Landesregierung sollte sich für einen flexiblen Arbeitsmarkt stark machen, der durch Lohnflexibilität und alternative Arbeitsverhältnisse auch Langzeitarbeitslosen und Menschen ohne Berufsausbildung eine Einstiegschance bietet. Mindestlohn vermeiden Im Rahmen des geplanten Tariftreuegesetzes plant die Landesregierung die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes von 8,62 Euro. Der BVMW lehnt dieses Instrument ab und verweist auf die bestehende Transfersystematik in Deutschland, die ein ausreichendes Einkommen sicherstellt. Die Umsetzung eines Mindestlohnes führt zu einem systematischen Abbau von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich und hindert Menschen ohne Berufsabschluss daran, einen einfacheren Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Einstellungsbarrieren in dieser Form verhindern, gesamtwirtschaftlich betrachtet, die notwendigen kurzfristigen Kapazitätsanpassungen und damit auch die Abfederung nachfragebedingter, konjunktureller Krisen.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

9


Foto: Ralph-Thomas Kühnle / PIXELIO

Kapitel 3 Hochschulpolitik: Wettbewerb steigern Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz hat die Landesregierung eine stärker leistungsbezogene Einstellung an den Hochschulen in NRW bewirkt: Die Hochschulen stehen nun – ebenso wie Unternehmen – in der wirtschaftlichen Eigenverantwortung und im direkten Wettbewerb zueinander. Der BVMW begrüßt diese gesetzgeberische Maßnahme, da nun in erster Linie die Qualität über den Erfolg und den Ruf einer Hochschule entscheidet. Um im internationalen Wettbewerb als Wirtschaftsstandort bestehen zu können, müssen jedoch weitere Maßnahmen ergriffen werden. Duale Ausbildungssysteme ausbauen Duale Ausbildungen, bei denen Auszubildende in Betrieben gleichzeitig ein Universitätsstudium absolvieren, müssen stärker unterstützt werden. Dazu gehört etwa die Entbindung von der Berufsschulpflicht, wenn entsprechende Fächer an der Universität abgedeckt werden. Duale Ausbildungssysteme sind ein Ansatz, um den Nachwuchsmangel in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen zu bekämpfen, das Studium mit frühzeitigen Praxisphasen zu verbinden, den Unternehmen einen Zugang zu aktuellem Forschungswissen zu ermöglichen und auch die Finanzierung eines Studiums zu erleichtern.

n hse sac der Nie

Hochschulstandorte in Nordrhein-Westfalen Rheine

NIEDERLANDE

Steinfurt

Minden

Herford Bethel Bielefeld Münster

Lemgo Detmold

Gütersloh Bochold Kleve

Nordkirchen

Paderborn

Höxter

Marl Recklinghausen

Gelsenkirchen Witten

Hagen

Krefeld Neuss

Dortmund

Bochum

Essen Mülheim

Duisburg

Hamm Soest

Bottrop

DÜSSELDORF

Iserlohn Meschede

Wuppertal

Mönchengladbach Gummersbach Brühl Jülich

Berg. Gladbach

Köln St. Augustin

Rheinbach Aachen

Bonn Bad Honnef

Bad Münstereifel

BELGIEN

10

Siegen

Alfter

Rheinland-Pfalz

Hessen


Foto: M.E. / PIXELIO

Mehr Wettbewerb und leistungsabhängige Bezahlung Für die Lehrkräfte der Hochschulen empfiehlt der BVMW befristete Verträge, die Abschaffung des Beamtenstatus und eine leistungsabhängige Bezahlung. Anstellungsverträge mit Professoren sollten nicht länger als zehn Jahre laufen, danach wäre eine Neuausschreibung der Position notwendig. So kann der Wettbewerb beim Lehrpersonal erhöht und eine schnellere Diffusion von Wissen zwischen den Universitäten erreicht werden. Regelmäßige Evaluationen Regelmäßige, von Externen erhobene Evaluationen sollten die Möglichkeit zu Sanktionen geben, wenn die erforderliche Qualität in Forschung und Lehre nicht eingehalten wird. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die nachträgliche Einschätzung der Universität durch Absolventen. Belegen die anhand objektiver Kriterien ermittelten Evaluationsergebnisse, dass die Qualitätsstandards nicht eingehalten wurden, sollten Studenten die Semestergebühren zurückfordern können. Förderung des unternehmerischen Denkens bei Studenten Akademiker mit entsprechendem Potenzial müssen besser auf eine Firmengründung vorbereitet werden. Dazu gehören auch die Vermittlung von Krisenmanagement und die richtige Einschätzung von Risiken in der Geschäftswelt. Studenten sollten verstärkt die Möglichkeit haben, in Seminaren praxisbezogene Fallbeispiele mit Unternehmern zu erörtern und von deren Erfahrungen zu profitieren. Mittelständische Unternehmen könnten sich noch stärker bei der Unterstützung von Bachelor- und Masterarbeiten engagieren. Aufwendungen dafür müssen steuerlich abzugsfähig sein. Potenzialanalyse für Studienanfänger Die hohe Studienabbruchquote verschärft den Fachkräftemangel in mittelständischen Unternehmen und verursacht finanzielle Verluste. Die Erkenntnis, das falsche Studienfach gewählt zu haben, ist ein häufiger Grund für den Studienabbruch. Daher sollten die Universitäten ihre Studienanwärter durch eine Online-Potenzialanalyse gezielt bei der Studienwahl unterstützen. In Form einer fachlichen und persönlichen Eignungsbestimmung sollten die Fähigkeiten und Begabungen ermittelt werden. Auf der Basis der Ergebnisse könnten dann Empfehlungen für das passende Studienfach gegeben werden. Hochschulen öffnen Universitäten und Fachhochschulen müssen perspektivisch zu Dienstleistungszentren auch für die Weiterbildung ausgebaut werden, ohne zur Konkurrenz für private Weiterbildungsanbieter zu werden. Dazu gehört die Öffnung für Nicht-Akademiker und die Ausgabe von Wissensgutscheinen, die zum Beispiel in Zusammenarbeit mit privaten Anbietern eingelöst werden könnten. Auch die Vergabe von Bildungskrediten nur an jüngere Studenten entspricht nicht dem Grundsatz vom lebenslangen Lernen und muss geändert werden. Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

11


Kapitel 4 Innovationspolitik: Wissenstransfer fördern Das Innovationspotenzial in NRW muss besser ausgeschöpft werden. Dafür müssen Wirtschaft und Wissenschaft enger und systematischer zusammenarbeiten. So kann gewährleistet werden, dass die Praxis- und Markttauglichkeit bei der Forschung innovativer Technologien erste Priorität hat und der Wissenstransfer im frühestmöglichen Stadium einer Entwicklung erfolgt. Heute bestehen einzelne erfolgreiche Kooperationen von Unternehmen mit Forschungseinrichtungen. Als starker Wirtschaftsstandort mit einer dichten Hochschullandschaft bietet NRW jedoch noch mehr Möglichkeiten zu einer systematischen Ausschöpfung der Potenziale. Zielgerichteter Wissenstransfer in Schlüsselbranchen Die Initiative „InnovationsAllianz“ der NRW-Hochschulen ist ein positives Beispiel für den Wissenstransfer zwischen Forschungseinrichtungen und mittelständischen Unternehmen. Um den Wissenstransfer in Schlüsselbranchen noch gezielter zu fördern, müssen weitere branchenspezifische Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen initiiert und unterstützt werden. Profile schärfen, Transparenz erhöhen Forschungseinrichtungen müssen ihre Profile schärfen und diese besser nach außen kommunizieren. Von der Grundlagenforschung bis zur anwendungsorientierten Forschung sollte ein durchgehendes Anreizsystem zur Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen motivieren. Innovationstransfer würde so in beide Richtungen möglich und verstärkt werden. Forscher müssen frühzeitiger erfahren, wo die Anwendungsprobleme im Mittelstand liegen, gleichzeitig muss die Kommunikation über aktuelle Forschungsprojekte an den Hochschulen verbessert werden.

Foto: Martin Gapa / PIXELIO

12


Machbarkeitsstudien finanziell unterstützen Vorgeschaltete Machbarkeitsstudien für gemeinsame Forschungsprojekte von Instituten und Mittelstand sind vielfach eine sinnvolle Investition, um effiziente Projekte auszuwählen. Diese sollten, auch außerhalb der Innovationsgutscheine, verstärkt vom Land finanziell unterstützt werden. Einspareffekte ergeben sich, wenn dadurch ineffiziente Projekte in Zukunft nicht durchgeführt werden. Zugang zu Fördermitteln vereinfachen Um die Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen zu erhöhen, muss der Mittelstand einen vereinfachten Zugang zu Programmen der Forschungsförderung erhalten, etwa durch eine praxisnahe und kostenlose Beratung für Förderprogramme. Staatliche Förderprogramme müssen flexibler, d.h. nicht auf spezifische Branchen festgelegt, und mit geringerem bürokratischen Aufwand für die Antragsteller gestaltet werden. Ziel muss die schnellere Verwertung von Forschungsergebnissen sein. Transferprofessur einführen Um den Forschungstransfer gezielter unterstützen zu können, empfiehlt der BVMW die Einführung von Transferprofessuren. Die Professoren arbeiten als vollständige Fakultätsmitglieder. Ihre Hauptaufgabe ist aber nicht die eigenständige Forschung. Vielmehr haben sie als Generalisten einen fundierten und aktuellen Überblick über ihren Fachbereich und stehen mittelständischen Unternehmern als Ansprechpartner und Scout für Wissenstransfer und Forschungskooperationen zur Verfügung. Die Arbeit der Forschungstransferstellen wird somit entlastet. Patentvermarktung durch PPP Die Patentvermarktung von Forschungsergebnissen muss verbessert werden, sinnvollerweise durch Public Private Partnership-Abkommen mit mittelständischen Unternehmen aus der Region. Das Innovationsministerium könnte hier zusammen mit Vertretern des Mittelstands ein Standardmodell entwickeln. Patente auf Halde zu legen, ist jedenfalls weder volkswirtschaftlich noch betriebswirtschaftlich für die beteiligten Universitäten eine sinnvolle Strategie.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

13


Foto: pauline / PIXELIO

Kapitel 5 Unternehmens- und Gründungsklima verbessern Die Selbständigenquote in Nordrhein-Westfalen liegt unter dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Auch die zahlreichen Gründungen aus Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren sind nicht auf eine wesentliche Verbesserung des Gründungsklimas zurückzuführen. Im Vordergrund stand hier vielfach die Abschöpfung von Mitteln der Agenturen für Arbeit im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung. Dennoch beurteilt der BVMW die Programme zur ‚Ich-AG‘ und zum ‚Existenzgründungszuschuss‘ aus einem Grund als positiv: Erstmals wurde die Selbständigkeit aktiv als Alternative zu einer abhängigen Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit beworben. Dennoch fühlen sich viele Gründer nicht willkommen. Demotivierend wirken auch die Beitragsbescheide von IHKn und GEZ, die Existenzgründer oft erreichen, bevor überhaupt der erste Umsatz zustande gekommen ist. Zeichen der Hoffnung: Unternehmer empfanden 2009 in NRW ein besseres Gründungsklima als in den meisten anderen Bundesländern.

+3,02 +2,85 +2,59 +2,40 +1,40

+0,75

Hessen

-0,86

Mecklenburg-Vorpommern Bayern Sachsen-Anhalt Sachsen Rheinland-Pfalz Saarland

-3,00

-4,99

-6,24

Quelle: Deutsches Mittelstandsbarometer 2009

14

-0,05

-1,55 -1,69

-2,00

Hamburg Nordrhein-Westfalen

Abschaffung der GEZ-Gebühren auf Computer PCs und Laptops gehören schon seit vielen Jahren zur Grundausstattung der meisten Unternehmen. Sie als neuartige Rundfunkgeräte zu klassifizieren ist absurd. Der BVMW fordert die sofortige Abschaffung dieser Gebühren.

Berlin

Baden-Württemberg

+1,06

Brandenburg

Niedersachsen

Thüringen Schleswig-Holstein

Freistellung von IHK-Beiträgen in den ersten fünf Jahren Die Beiträge für die IHK sind unternehmerfeindlich, da sie auch ohne Inanspruchnahme von Leistungen gezahlt werden müssen. Um junge mittelständische Unternehmer stärker zu unterstützen, sollten diese in den ersten fünf Jahren von den IHK-Zwangsbeiträgen befreit werden. Zudem müssen die IHKn verpflichtet werden, sich auf ihre Kernaufgaben zu beschränken.


Foto: Claudia Hautumm / PIXELIO

Persönliche Ansprechpartner in den Finanzämtern Gerade mittelständische Unternehmen erhöhen die Steuerbasis in ihren Finanzamtsbezirken – sowohl bei den Gewinnsteuern, als auch bei den unzähligen anderen direkten und indirekten Steuern. Wir empfehlen daher, dass sich dem Unternehmensgründer von Beginn an ein persönlicher Ansprechpartner aus dem Finanzamt vorstellt, der für alle steuerlichen Fragen zur Verfügung steht. Fortführung der Programme zur mittelstandsfreundlichen Verwaltung Alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen aufgefordert werden, Programme zum mittelstandsfreundlichen Umbau ihrer Verwaltungen voranzutreiben. Die Kriterien dazu sind längst entwickelt. Ein Evaluationsprozess durch Externe ist hier angemessen. Die Finanzierung der Evaluation wäre ein sinnvoller Einsatz für Mittel der EU. Gründungszuschuss Neben den Aufwendungen für den Aufbau des Geschäftsbetriebs sehen sich Existenzgründer einer zusätzlichen finanziellen Belastung durch zu leistende Sozialversicherungsbeiträge gegenüber. Gerade in der Startphase mit niedrigen Umsätzen ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor, der zum Beispiel Angestellte von einem Wechsel in die hauptberufliche Selbständigkeit abhält. Besser gestellt sind an diesem Punkt Arbeitslose. Um aber neben Arbeitslosen auch Berufstätige zur Existenzgründung zu motivieren, wäre es sinnvoll, den Gründungszuschuss auf alle Personengruppen auszudehnen. Über zwölf Monate würden die Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen übernommen und so der Mut zur Selbständigkeit belohnt werden. Verbindliche Auskünfte der Finanz- und Sozialbehörden innerhalb von 48 Stunden Lange Antwortfristen von Behörden erzeugen Planungsunsicherheit bei mittelständischen Unternehmen. Daher sollten Finanz- und Sozialbehörden dazu verpflichtet werden, eine verbindliche Auskunft über die steuerliche und sozialversicherungsmäßige Behandlung von Investitionen, Einstellungen, etc. innerhalb von 48 Stunden zu erteilen.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

15


Foto: Peter Kirchhoff / PIXELIO

Kapitel 6 Nachhaltige Infrastruktur: Balance zwischen Ökologie, Energie- und Verkehrspolitik Als europäisches Transitland mit der bundesweit höchsten Bevölkerungsdichte steht NRW vor einer besonderen Herausforderung: Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass NRW die wachsenden verkehrstechnischen Anforderungen und den hohen Energiekonsum unter Beachtung ökologischer Vorgaben bewältigen kann. Die Wirtschaft ist von einem leistungsstarken und effizienten Verkehrsnetz und einer zuverlässigen Energieversorgung abhängig. Um im Wettbewerb bestehen zu können, ist gerade für produzierende mittelständische Unternehmen eine bedarfsgerechte und zuverlässige Infrastruktur von entscheidender Bedeutung. Der BVMW setzt sich für nachhaltiges Wirtschaften und betrieblichen Umweltschutz ein. Vorgaben zum Umweltschutz dürfen jedoch nicht zu bürokratischen Hürden für die Unternehmen werden. Dezentrale Energieversorgung Die Zukunft liegt in einer Kombination aus dezentraler und zentraler Energieversorgung. Der Aufbau kleinerer Anlagen für Gewerbeparks und Unternehmen unter Ausnutzung aller Potenziale zur effizienten Nutzung von Energie (zum Beispiel durch Kraft-Wärme-Kopplung) trägt dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren und verringert die Abhängigkeit von Energieimporten. Dieser muss daher unterstützt werden.

Foto: Rolf van Melis / PIXELIO

16


Foto: Rainer Sturm / PIXELIO

Energieeffiziente Technologien finanzieren Ergänzend zu einem speziellen Kreditfonds der NRW.Bank könnte sich die Förderbank stärker im „Einspar-Contracting“ engagieren. Dabei werden neue Technologien aus zukünftigen Energieeinsparungen finanziert. Die Zwischenfinanzierung sollte von der NRW.Bank zu Vorzugskonditionen angeboten werden. CO2-Handel: Wettbewerbsgleichheit Sofern CO2-Zertifikate von mittelständischen Unternehmen erworben werden müssen, sollte ihnen ebenfalls ein Anfangsbestand kostenlos zugeteilt werden, damit sich keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den Konzernen ergeben. Aktivierung von Brachflächen fördern Das Land NRW befindet sich nach wie vor im Prozess regionalen Strukturwandels. Dabei kommt einer nachhaltigen Aktivierung von Brachflächen eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Erschließung ökonomischer Zukunftspotenziale zu. Landeseigene Anstalten wie der Grundstücksfonds NRW sollten verstärkt in den Dialog mit Investoren eintreten und in den Prozess der regionalen Clusterpolitik integriert werden.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

17


Foto: tommyS / PIXELIO

Kapitel 7 Finanzplatz NRW Im Kern haben Banken eine einfache Aufgabe: Sie sammeln Ersparnisse und geben diese als Kredite aus. Gerade in Deutschland hat die Kreditfinanzierung der Unternehmen eine lange Tradition. Umso negativer wirkte sich die Bankenkrise der Jahre 2008 und 2009 auf die Beziehung zwischen Bank und Kreditkunde aus: Es wurden höhere Sicherheiten verlangt, obwohl sich die Kreditsumme nicht geändert hat. Die Kreditzinsen wurden erhöht oder blieben konstant, obwohl die Zentralbank sehr preiswerte Refinanzierungsmöglichkeiten angeboten hat. Auf dem Rücken des Mittelstands werden Probleme gelöst, die sich die Banken mit Fehlspekulationen an anderer Stelle eingehandelt haben. Die Gefahr einer umfassenden Kreditklemme ist noch nicht gebannt. Wettbewerb und Transparenz im Finanzsektor sowie kurzfristige Hilfen für Unternehmen, denen trotz stabiler Gewinnaussichten der Kredithahn abgedreht wird, sind die Gebote der Stunde. Langfristig ist der Aufbau von alternativen, bankenunabhängigen Finanzierungswegen notwendig.

Banken fordern mehr Sicherheiten 80 70

60

60 50 40 30 20 10 0

Marktplatz für Unternehmensfinanzierung Ein offener, transparenter und regelmäßiger Marktplatz für bankenunabhängige Finanzierungen würde es Kredit- und Eigenkapitalgebern erleichtern, mit kapitalsuchenden Unternehmen in Kontakt zu kommen. Der Finanzplatz Düsseldorf würde durch einen solchen Marktplatz neues Profil gewinnen. Moderne Online-Angebote könnten integriert werden. Ein solcher „Marktplatz für Unternehmensfinanzierung“ sollte eigenständig und unabhängig von der Düsseldorfer Wertpapierbörse etabliert werden.

Steuerstundungskredite Ein Anspruch auf eine Kreditlinie des Finanzamts hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei denen unerwartet ein kurzfristiger Liquiditätsengpass auftritt. Die Höhe der Kreditlinie richtet sich nach den in der 30 Vergangenheit entrichteten Steuern. Sie gilt automatisch innerhalb von einer Woche nach Antragstellung 2 als bewilligt, es sei denn, sie wird aus wichtigem Grund abgelehnt. Der Zinssatz für die Steuerstunmehr gleich weniger dungskredite liegt anderthalb Prozentpunkte über dem aktuellen Durchschnittssatz für Betriebsmittelkredite Quelle: Konjunkturumfrage 2009 von Geschäftsbanken. Dieses Modell funktioniert des BVMW NRW, Werte im einfacher und schneller als andere Methoden, in Liquiditätsnot geratenen UnterVergleich zum Vorjahr nehmen staatliche Unterstützung zukommen zu lassen. Über die Steuerzahlungen der Vergangenheit wird die Höhe der Kreditlinie automatisch an die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Unternehmen geknüpft.

18


Forderungen an Kommunen: Bezahlen oder Ankaufen Im Rahmen des Gütesiegels „mittelstandsfreundliche Verwaltung“ verpflichten sich die Kommunen, offene Rechnungen innerhalb von fünfzehn Tagen zu begleichen. Diese Regelung sollte das Land verbindlich für alle Kommunen vorschreiben, denn Verzögerungen bei der Bezahlung können mittelständische Unternehmen in eine erhebliche Schieflage bringen. Ist eine solche 15-Tages-Frist nicht durchsetzbar, wäre ein Ankauf durch die NRW.Bank eine mögliche Alternative. Eine solche FactoringLösung würde für beide Seiten eine Liquiditätsverbesserung bedeuten, wobei die dadurch entstehenden Kosten die Kommunen tragen müssten. Zudem müssen die Kommunen verpflichtet werden, auch Teilrechnungsbeträge anzuerkennen. Kompetenztransfer zur Mittelstandsfinanzierung Die Einrichtung von zwei Lehrstühlen zur Mittelstandsfinanzierung in NordrheinWestfalen wäre ein Beitrag zu einem besseren Austausch von relevantem Knowhow bei der Unternehmensfinanzierung. Auch eine bessere Vernetzung bestehender Angebote sollte im Rahmen eines marktnahen Forschungsprojektes initiiert werden. Ein spezielles Augenmerk ist auch auf die Transformationsberatung zu richten, bei der es um die Neuausrichtung von Unternehmen geht. Wassersteuer abschaffen Die Wiedereinführung der Wassersteuer im Rahmen des Wasserentnahmentgeltgesetzes (WasEG) im Jahre 2011 stellt eine Benachteiligung der Betriebe in NRW dar. Der BVMW setzt sich im Sinne eines fairen Wettbewerbs der Standorte in Deutschland und im benachbarten Ausland für die ersatzlose Streichung dieser Abgabe ein, die auch ökologisch kaum Lenkungseffekte entfalten konnte. NRW.Bank / Bürgschaftsbank NRW.Bank und Bürgschaftsbank NRW unterstützen den Mittelstand mit zahlreichen Angeboten. Kommt es zu einer Verschärfung der Kreditklemme, müssen diese Angebote situationsbedingt weiter ausgebaut werden. Dazu gehört auch die Lockerung des Hausbankenprinzips bei Krediten der NRW.Bank und eine Ausweitung des Programms „Bürgschaft ohne Bank“.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

19


Kapitel 8 Bürokratieabbau Der hohe Bürokratieaufwand gehört nach wie vor zu den größten Belastungen für mittelständische Unternehmen. Der BVMW schlägt systematische Änderungen vor, um den Wildwuchs bürokratischer Anforderungen einzudämmen. Bürokratie und Überregulierung bilden die höchste Belastung für Unternehmer.

Unternehmerbefragung 2009 Unternehmerbefragung 2008 Unternehmerbefragung 2007

Quelle: Deutsches Mittelstandsbarometer 2007-2009

Einführung des Konnexitätsprinzips Das Konnexitätsprinzip (Verursacherprinzip) besagt, dass der Verursacher eines bürokratischen Akts auch für dessen Kosten aufkommen muss. Konkret bedeutet dies, dass die Unternehmer den Zeit- und Personalaufwand für bürokratische Tätigkeiten ihrem Finanzamt in Rechnung stellen können, das dann die verursachenden Institutionen entsprechend belastet. 75,80 Die Einführung des Verursacherprinzips für Bürokratiekosten entspricht den 75,25 Grundsätzen unseres Rechtsstaats und wäre eine wirksame Maßnahme, um 75,90 endlich einen spürbaren Bürokratieabbau zu erreichen. Genehmigungsfiktion Nach dem geltenden Recht werden für viele triviale Vorgänge langwierige Genehmigungsverfahren durchgeführt. Zusätzlich sollte eine Regelgenehmigungszeit festgesetzt und das System beschleunigter Verfahren ausgebaut werden. Tariftreuegesetz schadet dem Standort Der Mittelstand versteht sich traditionell als Wertegemeinschaft. Innovationen in der Arbeitswelt, verbesserte Erwerbsbedingungen und der boomende Arbeitsmarkt sind das Ergebnis einer konsequenten Kooperationshaltung zwischen Belegschaften und Unternehmensführungen. Mit einem Tariftreuegesetz und einem Katalog an neuen Arbeitsrechtsnormen wird die mittelständische Wirtschaft unter den Generalverdacht unkooperativer Arbeitgeberschaft gestellt. Die Regelung bringt zudem bürokratischen Mehraufwand im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren mit sich, was zu einem systematischen Verdrängungswettbewerb führt und kleinen Unternehmen den Zugang zu kommunalen Wirtschaftsleistungen versperrt. Die zusätzlichen Kosten dieses Gesetzesvorhabens tragen im Endeffekt die Nutzer kommunaler Dienstleistungen.

20


Tarifautonomie respektieren In Deutschland existieren über 70.000 einzelne Tarifabschlüsse, die ein regional differenziertes und branchenspezifisches Abbild der Produktivität und Leistungsfähigkeit spiegeln. Ergebnis dieser jahrzehntelang erprobten Lohn- und Gehaltsfindung ist eine konjunkturelle Stabilisierung der deutschen Wirtschaft in einem weltweit schwierigen Umfeld. Im Ergebnis stellt ein Tariftreuegesetz nicht nur einen Wettbewerbsnachteil für die NRW-Wirtschaft dar, sondern impliziert eine Aushöhlung tarifpolitischer Autonomie von Wirtschaft und Gewerkschaften. An dieser Stelle sollten Verhandlungsprozesse unbedingt unangetastet bleiben. Dies ist zur Förderung einer marktnahe Lohnfindung unabdingbar. Abschaffung der Gewerbesteuer Die Gewerbesteuer ist nicht nur eine Strafsteuer für wirtschaftliche Betätigung, sondern bedeutet auch eine unnötige bürokratische Zusatzbelastung. Der BVMW fordert daher, die Gewerbesteuer als prozentualen Zuschlag auf die Körperschaft- und/oder Umsatzsteuer zu berechnen und alle Einkommensteuerzahler wie zum Beispiel eingetragene Kaufleute, die heute die Gewerbesteuer auf ihre Einkommenssteuerschuld anrechnen können, von der Gewerbesteuer grundsätzlich freizustellen. Datenschutz statt Online-Durchsuchungen Geheimdienste und Verfassungsschutz bauen zurzeit Know-how für Online-Durchsuchungen etc. auf. Ein Problem für mittelständische Unternehmen ist dagegen, dass andere (ausländische) Unternehmen oder Staaten ebenfalls zu solchen Methoden greifen könnten, um Wirtschaftsspionage zu betreiben. Daher schlagen wir vor, dass das LKA sein Wissen um solche Methoden und probate Gegenmaßnahmen kostenlos an die technologie-intensiven Unternehmen in Nordrhein-Westfalen kommuniziert. Einheitlicher Ansprechpartner Vorgaben der EU sehen vor, dass die Kommunen für Unternehmen einen einheitlichen Ansprechpartner einführen sollen. Diesen sinnvollen Service müssen die Kommunen anbieten, ohne dafür zusätzliche Gebühren von den Unternehmen zu verlangen. Der Mittelstand ist Bürokratieopfer, nicht deren Urheber. Eine Erleichterung der bürokratischen Prozesse darf daher nicht kostenpflichtig sein.

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

21


Kapitel 9 Ballungsraum Benelux – NRW: Kooperationen stärken NRW und die Benelux-Staaten bilden ein Ballungszentrum im Herzen Europas, das traditionell von intensiven grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen geprägt wird. Gerade die mittelständische Wirtschaft profitiert von den vielfältigen unternehmerischen Kontakten und trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Region bei. Der BVMW unterstützt eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit mit den Benelux-Ländern. Derzeit bestehen vereinzelt bilaterale Abkommen und Erklärungen zwischen Benelux-Staaten und NRW. Eine systematische Zusammenarbeit in den Kernbereichen Wissenschaft, Schule/Weiterbildung und Verkehr mit allen Benelux-Staaten würde die wirtschaftlichen Beziehungen vertiefen und den Wissenstransfer in der NRW-Benelux-Region fördern. Eine strategische Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Wissenschaft Der BVMW fordert die unbürokratische gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen und beruflichen Qualifikationen innerhalb der NRW-Benelux-Region. Dies ermöglicht eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit, fördert die innovativen Potenziale der Region und begünstigt die Bildung von transnationalen Kompetenzzentren und Wissenschaftsclustern. Die vereinfachte Anerkennung von Bildungsabschlüssen jenseits der Grenzen fördert zudem den Austausch von qualifizierten Arbeitskräften und wirkt dem Mangel an Fachkräften im Mittelstand entgegen. Die europäischen Wachstumspotenziale können so besser ausgeschöpft werden. Bei einer Umsetzung im Zuge des nationalen Qualifikationsrahmens der EU ist darauf zu achten, dass dieser unbürokratisch und unkompliziert angewendet werden kann. Ausbau der Verkehrs- und Infrastrukturnetze Die mittelständische Wirtschaft in NRW unterhält zahlreiche wirtschaftliche Verbindungen mit den Benelux-Staaten und profitiert von den globalen Umschlagplätzen Rotterdam und Antwerpen. Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu optimieren, fordert der BVMW einen raschen und unbürokratischen Ausbau des „Eisernen Rheins“. Der Ausbau der Schienenverbindung würde die Straßen entlasten und den Handel zwischen NRW und seinen europäischen Nachbarn stärken. RuhrStadt verwirklichen Die Aktivitäten zur Kulturhauptstadt 2010 zeigen, dass das Ruhrgebiet als eigenständige Metropole eine Identität besitzt. Leider fehlt in vielen anderen Politikfeldern das gemeinsame Verständnis. Damit vergibt NRW Chancen. Daher befürworten wir die Ansätze der bürgerschaftlichen Initiative RuhrStadt, fordern die intensive Unterstützung von Existenzgründern und Jungunternehmern im Ruhrgebiet, eine wirksame Vermarktung des Wirtschaftsstandorts im Ausland und die Schaffung eines einheitlichen Ansprechpartners für den Mittelstand auf Ebene der RuhrStadt, der bei allen interkommunalen Problemen eingreifen kann.

22


Foto: siepmannH / PIXELIO

Kapitel 10 Bundesratsinitiativen Das Grundsatzprogramm des BVMW „Wachstumsmotor Mittelstand“ beschreibt die bundespolitischen Forderungen und Positionen des Mittelstands für die im Oktober 2009 begonnene Legislaturperiode. Wir fordern die neue Landesregierung NRW auf, mit entsprechenden Bundesratsinitiativen eine mittelstandsfreundliche Politik zu unterstützen. Das Programm „Wachstumsmotor Mittelstand“ behandelt die folgenden Themen: Markt- statt Staatswirtschaft – Interventionen zeitlich begrenzen Bürokratieabbau – Beseitigung von Überregulierung Gerechteres Steuersystem – Entlastung und Vereinfachung Finanzmarktreform – Mehr Stabilität und Transparenz im Finanzsektor Arbeit schaffen – Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung High-Tech Offensive – Innovationen fördern, Blockaden beseitigen Bildungsreform – Deutschlands wichtigsten Rohstoff nutzen Sozialstaat – Sozialsysteme zukunftsfähig und transparent gestalten Subventionsabbau – Zukunftsinvestitionen statt Zuschüsse Umwelt – Nachhaltig wirtschaften, natürliche Lebensgrundlagen schützen Energiemarkt – Mehr Wettbewerb und Transparenz Außenwirtschaft – Chancen der Globalisierung nutzen Markt Europa – Vorfahrt für den Mittelstand Gründungsklima verbessern – Neue Kultur der Selbständigkeit Standort sichern – Infrastruktur modernisieren Das Grundsatzprogramm steht unter der Internetadresse www.bvmw.de/derbvmw/aufgaben-und-ziele/grundsatzprogramm.html kostenlos zum Download zur Verfügung

Mittelstandsprogramm für NRW Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Nordrhein-Westfalen – Positionen und Forderungen

23


Der Mittelstand. Das Rückgrat der Wirtschaft. Mittelständische Unternehmen sind mehr als 99 % aller steuerpflichtigen Betriebe schaffen rund 70 % der Arbeitsplätze stellen 80 % der Ausbildungsplätze schaffen 57 % der Bruttowertschöpfung aller Unternehmen nehmen etwa 50 % der Bruttoinvestitionen vor Sie wollen bessere Rahmenbedingungen für den Mittelstand? Sie wollen von Netzwerken profitieren? Sie suchen eine starke Gemeinschaft? Dann sind Sie bei uns richtig. Willkommen beim BVMW.

Der BVMW. Die Stimme des Mittelstands. Bundesverband mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschlands e.V. Herbert Schulte Landesgeschäftsstelle NRW Oststraße 41-43 40211 Düsseldorf Telefon: 0211 385461-50 Telefax: 0211 385461-51 E-Mail: herbert.schulte@bvmw.de Internet: www.nrw.bvmw.de

24


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.