Bodenseecamp 2010: campus delicti VI

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„Erna, ich möchtE mit dir Tango tanzen“ Der erste Abend im BodenseeCamp beginnt mit Improtheater Autor Erica Zingher — Layoutor  Karoline Weber — Foto  Michael Dolensek / Kelvyn Ornette Sol Marte

Der Regisseur betritt die Bühne: mit seinem grünen Hemd, der schicken, dunklen Hose und dem österreichischen Dialekt. Er kommandiert seine Schauspieler herum, lobt die Darstellerin Jaqueline und ist mit dem männlichen Protagonisten Diego unzufrieden. „Diego, du bist gerade abserviert worden! Du bist verletzt! Jetzt muss ein Tanz kommen!“ Der Liebesschmerz ist ihm ins Gesicht geschrieben. Und schon liegt er am Boden. Seine Verflossene schlägt auf den leblosen Körper ein – in Zeitlupe wohlgemerkt. Schnitt! Aus! Der Regisseur ist zufrieden. Jetzt geht er mit Jaqueline einen Cocktail trinken. Diego muss aufräumen. Ohne einstudierte Szenen oder gelernten Text auf der Bühne spielen und Impulsen anderer Schauspieler nachgehen: das ist Improtheater. „Ich selbst spiele erst seit Januar. Doch um dem Publikum eine richtig gute Vorstellung zu liefern, habe ich viel und hart geprobt“, sagt Diego, den man abseits der Bühne als Darko Mirkovic kennt. Er ist einer der drei Darsteller der Improtheatergruppe TmbH aus Konstanz, was „Theater mit beschränkter Hoffnung“ heißt. Punktgenau das Richtige zu sagen und darzustellen - das ist das Besondere an Improtheater. Jens, einer von Darkos Bühnenkollegen, muss vielfältig sein. Er hat die Aufgabe, alle genannten Gegenstände von Pferdeflüsterer Darko und seiner Frau, gespielt vom dritten Schauspieler Stephan, darzustellen. Darko nennt die verrücktesten und abstrusesten Gegenstände, um sein wildes Pferd zu zähmen. Somit ist Jens einmal Bügeleisen, Karotte oder auch Schubkarre. Schnelle Reaktionen, Dynamik und Witz bestimmen diesen

Teil des Auftritts. An kreativem Potenzial und Ideen der Schauspieler fehlt es hier nicht. Wenn Darko mit Mimik und Gestik spielt und sein Gesicht Gymnastik zu machen scheint, dann nach dem Motto: Mut zur Hässlichkeit. „Beim Improtheater gibt es keine peinlichen Momente. Es ist wichtig, alle Hemmungen fallen zu lassen und einfach zu reagieren ohne darüber nachzudenken.“ Während einer Detektivszene ist er dann die wunderschöne Frau eines Bankiers, der verschollen ist. Darko sucht den Superdetektiv Marlot auf: „Mein Mann ist nicht mehr vom Joggen zurückgekehrt. Können sie ihn finden?“ Marlot kann alles schaffen, er hat bis jetzt jeden seiner Fälle gelöst. Auf der Bühne stehen zwei Zuschauer und dürfen sich als Puppenspieler versuchen. Jens, Stephan und Darko sind ihre lebenden Puppen und können sich nur mit Hilfe ihrer Fädenzieher bewegen. „Erna, ich möchte mit dir Tango tanzen“, krächzt Darko als böse Putzfrau des BodenseeCamps. Stephan hebt sein linkes Bein. Ob das noch höher geht? „Natürlich“, sagt er lachend. Stephan und sein Tanzpartner verbiegen ihre Körper und beweisen nicht nur schauspielerisches, sondern auch sportliches Talent. Im Durcheinander schaffen sie es nicht, einen Tango auf das Parkett zu legen. Als die Puppen Bewegung in ihren Tanz bringen möchten, kommen die auserwählten Zuschauer nicht mehr mit dem Fädenziehen nach. Die Tanzeinlage endet in völligem Chaos. Der Höhepunkt: Darko hat die Putzfrauen verwechselt und mit der Falschen getanzt. „Du bist überhaupt nicht Erna, ich wollte mit Erna tanzen!“


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