Digitaler Rückblick auf Einfach Leben – das gastrophilosophische Forum

Das Booklet zur ersten Ausgabe von „Einfach Leben – das gastro­p hiloso­p hische Forum“. Voll mit Thesen und Antwort­ möglich­keiten aus unseren Talks und Keynotes. Und mit Fotos von den Veranstal­t ungen und aus der Altstadt Salzburg. Für alle, die nicht dabei waren, oder für jene, die sich alles noch einmal in Erinnerung rufen wollen.

das gastrophilosophische

E I N FA C H L E B E N F O R U M . C O M

Gekommen, um zu bleiben 1

Nach der ersten Ausgabe von Einfach Leben –

das gastrophilosophische Forum haben wir die beiden Initialpartner Seppi Sigl (Trumer Privatbrauerei) und Benedikt Binder-Krieglstein (Reed Exhibitions) getroffen und sie nach ihrer Meinung zur Premiere des Forums, nach ihrem persönlichen Highlight und nach der Zukunft der Veranstaltung gefragt.

Das erste Einfach Leben Forum ist vorbei – wie fällt euer Resümee aus?

SEPPI SIGL:

Ich finde, das war ein sensationeller

Start. Ein Tag für den Geist und alle Sinne – mit viel Inspiration und Mut. Es ist genial, wie viele junge Menschen dabei waren, sich ausgetauscht haben und sich inspirieren ließen. Ich habe selten so eine positive Grundstimmung erlebt.

BENEDIKT BINDER-KRIEGLSTEIN:

Ich denke auch,

dass das eine mehr als gelungene Premiere war. Es waren viele Leitfiguren der österreichischen Gastronomie und des heimischen Tourismus hier. Das ist natürlich sehr wichtig, weil sie gute MultiplikatorInnen sind.

Welcher mutige Inhalt des Forums ist euch besonders in Erinnerung geblieben?

SEPPI SIGL:

In dem Talk, in dem ich auch mitdisku-

tieren durfte, ging es um das Thema Übergabe und dadurch natürlich sehr viel um persönliche Geschichten. Da hat es mich schon sehr beeindruckt, wie mutig junge Menschen immer wieder sind.

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INTERVIEW

BENEDIKT BINDER-KRIEGLSTEIN:

Mir hat die

Aussage von Winzerin und PR-Expertin Dorli Muhr imponiert, die ihr Team in Entscheidungen involviert und mutig genug ist, Aufträge auch einmal abzulehnen. Das erfordert richtig viel Mut und bedeutet für mich, sich selbst treu zu bleiben.

Wie seht ihr die Zukunft des Einfach Leben Forums?

SEPPI SIGL:

Ganz großartig. Wir haben einen super

Grundstein für dieses einzigartige Format gelegt und haben jetzt schon viele neue inhaltliche Ideen. Wir sind definitiv gekommen, um zu bleiben.

BENEDIKT BINDER-KRIEGLSTEIN:

Es wird ganz

wichtig sein, dass wir die passenden Themen finden und das wird uns sicher auch gelingen. Und auch in Zukunft müssen wir die richtigen Menschen mit an Bord holen.

Dann bleibt uns das Einfach Leben Forum sicher viele Jahre erhalten.

DIE ERÖFFNUNG Seppi Sigl & Benedikt Binder-Krieglstein mit Moderator Jürgen Pettinger

FÃœR VIDEO-

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IMPRESSIONEN

„Mut ist die Voraussetzung für ein ereignis­r eiches und erfülltes Leben.“ JOSEF WESTERMEIER P R I VAT B R A U E R E I ERDINGER WE ISS B R ÄU

„Happiness is outside the comfort zone — diesen ersten Schritt zu gehen. Das ist Mut.“ H E I K O S TA H L VITRA

„Mut bedeutet immer wieder das Verlassen der Komfort­z one, um mindestens einen nachhaltigen Schritt voraus zu sein: Das ist Zukunftsfähigkeit.“ BIRGIT AICHINGER VÖS L AU E R

„Mut bedeutet für mich, seinem eigenen Herzen zu folgen.“ „Mut bedeutet für mich, seinen Weg zu gehen und vor allem auch, diesem treu zu bleiben.“ MIRCO WOLF WIEGERT F R I T Z- KO L A

SEPPI SIGL TRUMER P R I VAT B R A U E R E I

BENEDIKT BINDERKRIEGLSTEIN REED EXHIBITIONS ÖSTERREICH

„ Mut ermöglicht

Freiheit und Freiheit ermöglicht, neue Wege zu gehen.“

„Mut ist das Einstehen für die eigene Wahrheit, auch wenn alles dagegenspricht.“

ANDREAS GFRERER A LT S TA D T V E R B A N D SALZBURG

Ein bisschen Mut hat noch niemandem geschadet.

THEMA DER DISKUSSION

MUT ist eine Tugend. Doch was bedeutet es eigentlich, mutig zu sein? Bei der Eröffnung wollen wir uns der Antwort zumindest annähern MIT DORLI MUHR, R O B E R T P FA L L E R , FLORIAN SCHEUBA

und das Thema MUT aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Dazu diskutieren

& CHRISTIAN SEILER

PR-Expertin und Winzerin Dorli Muhr, Philosoph

( M O D E R AT I O N )

Robert Pfaller und Kabarettist Florian Scheuba.

R O B E R T P FA L L E R : Uns fehlt dauernd der Mut – das sieht man bei Dingen die ein bisschen Mut erfordern wie Trinken, Rauchen, Witze machen, Sex. Und zwar deshalb, weil wir glauben, dass all den Sachen, zu denen man Mut braucht, Vernunft entgegensteht. Da steht dann eine Tugend gegen die andere: Dort, wo Mut ist, gibt es keine Vernunft und umgekehrt.

Das ist eine idealistische Fahr­rinne der Philosophie, aus der man sich befreien kann, wenn man sich anschaut, was passiert, wenn wir alles opfern. Das Ergebnis ist ernüchternd!

Denn wenn wir alles für

Man braucht Mut, um auf vernünftige Art und Weise vernünftig zu sein.

die Gesundheit opfern, dann opfern wir alles – ein­schließlich der Gesundheit. Und wenn wir alles der Vernunft opfern, dann opfern wir auch die Ver-

nunft selber und sind auf unvernünftige Art vernünftig. Wir könnten aber auch auf vernünftige Art und Weise vernünftig sein, und das erfordert wiederum Mut.

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TA L K ERÖFFNUNG

DORLI MUHR: Früher sind die Männer immer auf die Jagd gegangen, und wenn sie einem Bären gegenübergestanden sind, wussten sie: er oder ich. Frauen kannten diese Situation nicht und konnten das

Frauen sind es evolutions­ bedingt nicht gewöhnt, mutig zu sein.

nicht ‚üben’. Wenn Frauen heute im Geschäftsleben eine Konfrontation erleben, denken sie oft: Ich schaffe das nicht.

Manchmal fehlt also der

Mut, weil es evolutionär bedingt ist. Ich denke dann immer an die Worte eines klugen Arztes, bei dem ich mal war: ‚Gehen Sie durch und denken Sie jedes Mal, wenn der Bär wieder auftaucht: „Ich tu es für die nächste Frauengeneration.“ FLORIAN SCHEUBA: Ich fände es schön, „einfach leben“ in die Richtung zu denken, dass man sagt, man erlebt die Dinge ohne dabei nachzudenken wie man sie in den sozialen Netzwerken darstellt. Man kann den Moment doch gar nicht

Einfach leben heißt, im Hier und Jetzt zu sein.

mehr genießen, wenn man sofort das Handy darauf richtet und sich überlegt, was man darü-

ber schreiben kann. Man denkt sich selber wie ein eigener Regisseur auf einer zweiten Ebene mit und ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Moment noch genießen kann, wenn man diesen Modus immer eingeschalten hat. „Einfach leben“ wäre für mich zu sagen: Das ist der Moment, das ist das Hier und Jetzt, und das erlebe ich unabhängig davon ob ich das jemandem erzähle, medial verbreite oder im Foto festhalte.

Mut ist für die Mutigen.

Vor dem Mut kommt die Neugierde.

Seien Sie neugierig auf die Zukunft und wenden Sie sich ihr mit einem kritischen Zukunftsoptimismus zu.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass Zukunft nicht einfach passiert, sondern dass wir Zukunft machen, gestalten.

Unterwegssein wird zum Normalzustand.

Raum löst sich zunehmend auf. Das Ziel des Einzelnen wird immer irrelevanter. Die Raumwahrnehmung hat sich verändert – wir denken global, in größeren Netzwerken. Unterwegssein wird zum Normalzustand, darauf muss der Tourismus reagieren. GastgeberInnen müssen zu Transformations- und Resonanz-ManagerInnen werden und mit Resonanz ist das grundlegende neue gesellschaftliche Bedürfnis nach Beziehungserfahrungen gemeint, die ich in mir finde, in der Wir-Kultur oder in der äußeren Umwelt.

Lärm ist das neue Passivrauchen.

Die Komplexität der Gesellschaft nimmt zu und dadurch wächst das Bedürfnis nach Entschleunigung, Auszeit und Stille. Der Wunsch nach Rückzug wird immer lauter.

Bodengebundenes Reisen nimmt zu.

Fahrradreisen und Van-Reisen werden immer beliebter. Statt des schnellen Hinfliegens nimmt man in Kauf, dass das Reisen an sich als Prozess Zeit in Anspruch nehmen darf.

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KEYNOTE ERÖFFNUNG

THEMA DER DISKUSSION

Neue Wege erfordern Mut, Neugier und eine Portion kritischen Zukunftsoptimismus!

Als Trendforscherin beschäftigt sich Anja Kirig seit 15 Jahren mit den künftigen Entwicklungen der Branche und zeigt deren Möglichkeitsraum auf. In ihrer Keynote erklärt sie, in welche Richtung die Trends in der „Unterwegskultur“ gehen und wie man diese mutig und erfolgreich für sich und den eigenen Betrieb nutzen kann.

VON ANJA KIRIG

B eim Reisen geht es immer mehr um Lernerfahrun­ gen und persönliche Entwicklung.

Hier stellen sich die Fragen: Was wird mir als Reisender oder Reisende, der/die ich viel mehr unterwegs bin als früher, geboten? Welche Lernerfahrungen kann ich machen? Was kann ich mitnehmen, das mich in meiner eigenen Biografie bereichert, verändert, transformiert?

Statt Work-Life-Balance geht es um Work-Life-Blending.

Menschen machen immer weniger Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit. Die Herausforderung für den Tourismus besteht darin, Orte zu schaffen, an denen dem Gast die Möglichkeit gegeben wird, zu arbeiten und sich fortzubilden, wo aber auch eine Unterbrechung des Arbeitslebens stattfinden kann.

FÃœR VIDEO-

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IMPRESSIONEN

13 Schreiben über Essen ist wie Schreiben über Kunst.

Das Schreiben über Essen und Trinken hat eine große Verwandtschaft zum Schreiben über Musik und Kunst, weil du Dinge benennen musst, die der oder die LeserIn im Augenblick des Lesens nicht direkt selbst erlebt.

Essen ist eine Frage des Kontexts.

Wesentlich für das Erlebnis in einem Restaurant ist die Frage: Fühle ich mich aufgehoben? Wer führt mich hinein, wer bringt mich an meinen Platz, wer wünscht mir einen schönen Nachmittag? Das ist mindestens genauso wichtig wie das, was am Teller passiert. Essen und Trinken ist immer ein Gesamterlebnis.“

MIT CHRISTIAN SEILER UND DORLI MUHR ( M O D E R AT I O N ) THEMA DER DISKUSSION

Der Journalist, Autor und Kulinarik-Begeisterte Christian Seiler ist jahrelang um die Welt gereist, um die Küchen selbiger kennen und lieben zu lernen. Seine neueste Veröffentlichung ist eine Hommage an das Essen, aber auch an das Reisen. Es trägt den Titel „Alles Gute: Die Welt als Speisekarte“. Aus diesem liest Seiler, und natürlich weiß er auch die eine oder andere Geschichte zu erzählen.

Alles Gute… kommt von Seiler.

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LESUNG

Es gibt jede Menge Klischees, die oft auch nicht ganz falsch sind, nämlich dass Männer mehr Fleisch essen und Frauen sich mehr um Gemüse bemühen, dass Männer gedankenloser essen als

„Bei Frauen verbessert es nicht den Sozialstatus, wenn sie das schärfste Chili essen. Bei Männern schon.“

Frauen, dass Männer sich beim Essen auch immer wieder etwas beweisen müssen und Frauen nicht – das ist eine Erfahrung, die, wie ich glaube, zumindest in mehr als 50% der Fälle stimmt.

J O H N E . H AY E S , F O R S C H E R

Gute Wirtshäuser sind Zeit­schleusen.

Das Wirtshaus ist ein Ort an dem du nicht wohnst, aber doch zuhause bist. Ein Ort, an dem du in Gesellschaft für dich sein kannst oder eben in Gesellschaft. Es ist ein Ort, an dem Dinge im Zeitraffer passieren: Wenn du ein Wirtshaus hast, in dem du schon mit deinen Eltern warst, dann kannte der Wirt dich schon als Kind. Er hat dich gesehen, als du als Firmling bei der Tür reingekommen bist und jetzt kommst du mit deiner Tochter und demnächst feierst du die Taufe deines Enkels. So funktionieren gute Wirtshäuser. Sie sind Zeitschleusen.

Dein Essen selber zu töten macht etwas mit dir.

Es ist eine Art Tabubruch, eine Aufgabe, die du überantwortet bekommst und die etwas von dir fordert, wozu du normalerweise nicht bereit bist. Es ist eine Situation, an der du viel Verschiedenes festmachen kannst. Es führt zu einem außerordentlichen Genuss und auf dem Weg dorthin macht es etwas mit dir, was interessant ist – um es mal wertfrei zu sagen.

Nicht g’scheit reden, einfach machen.

THEMA DER DISKUSSION

Am Stammtisch sagen die Leute das, was sie wirklich denken. Sie erzählen ihre ganz persönlichen Geschichten. Sie kommen mit

anderen Menschen ins Gespräch. Dabei geht es um Niederlagen, Verlust, Neid, Missgunst, Erfolg und Glück. Und vor allem geht es darum, Dinge anzupacken. Bei unserem Stammtisch soll es auch darum gehen, wie man MUT findet, die Dinge anzupacken, sein eigenes Ding zu machen.

S E V E R I N C O R T I : Ich war zuerst Journalist, dann wurde ich Koch und jetzt bin ich Gastrojournalist.

Begonnen habe ich als ganz normaler Journalist, war unter anderem London-Korrespondent für den „Kurier“. Das war Mitte der 90er-Jahre, als die Restaurantszene dort gerade explodierte. Ich habe schon immer gerne gekocht und mir dann gedacht, entweder ich bleibe auf immer Journalist oder ich probiere noch einmal etwas Neues.

Ich habe mich für zweiteres entschieden und mit einem Freund ein Restaurant eröffnet. Das war eine wilde und stressreiche Zeit und für mich die Eintrittskarte in den kulinarischen Journalismus. Dachte ich zumindest. In Wirklichkeit war ich fast ein Jahr arbeitslos oder habe Konzepte für Gastroshows geschrieben, die niemals realisiert wurden.

Aber dann hat mich irgendwann „Der Standard“ angerufen und das war und ist noch immer super.

S A N D R A F O R S T E R : Ziehst du dein Ding durch, musst du auch mit Kritik leben können.

Ich habe vor rund 15 Jahren in München das erste vegane Restaurant Deutschlands eröffnet. Da sind die Leute durchgedreht. Alle wollten sie nur Schnitzel haben.

16 MIT SEVERIN

TA L K S TA M M T I S C H

Gerade als junge Frau mit veganen und vegetarischen

CORTI, SANDR A

Restaurants bietet man viel Platz für Kritik. Das trifft einen

F O R S T E R , YA O YA O

auch, das muss ich zugeben. Aber ich habe mich daran

H U, HAN S RE I S ETBAU E R U N D

gewöhnt und versuche das Persönliche nicht persönlich

PETER GNAIGER

zu nehmen. Wenn es inhaltliche Kritik zu unseren Lokalen

( M O D E R AT I O N )

gibt, dann setze ich mich damit auseinander. Weil das auch wichtig ist, um sich weiterzuentwickeln.

YA OYA O H U : Man sieht immer nur die Spitze des Eisbergs.

Ich bin mit meinen Eltern als Flüchtling nach Österreich gekommen und sie haben dann ein China-Restaurant eröffnet. Irgendwann habe ich dann meinen Vater gefragt „Warum muss ich immer ‚8 Schätze‘ und ‚Schweinefleisch süß-sauer‘ kochen?“ Er hat nur geantwortet: „Weil alle es machen und damit überleben. Und jetzt schleich‘ dich.“ Für mich war das die Motivation, etwas ganz anderes zu machen. Ohne finanzielle und soziale Sicherheit ist das natürlich nicht so einfach. Die ersten Jahre waren der Horror.

Wir mussten hart für unseren Erfolg arbeiten – sieben Jahre lang, sieben Tage die Woche. Das sehen die Menschen oft nicht, sondern nur den Erfolg, den wir jetzt haben.

H A N S R E I S E T B A U E R : Wenn man wirklich das macht, was man liebt, hat man auch Spaß an der Arbeit.

Als ich begonnen habe, habe ich mir vorgenommen, der beste Schnapsbrenner der Welt zu werden. Da ist natürlich immer der Weg das Ziel. Es geht einfach um eine konstante Weiterentwicklung. Als wir vor 25 Jahren mit 100 Flaschen gestartet sind, hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal zu einem Talk eingeladen werde, um unsere Geschichte zu erzählen. Auch an BIO haben damals nicht viele Menschen geglaubt. Jetzt sind wir noch immer da und machen noch immer das, was wir für richtig halten. Und das macht mir sehr viel Spaß. Auch die Zusammenarbeit mit meinem Sohn. Ich glaube, wir hatten gemeinsam noch nie so viel Spaß, wie derzeit bei unserer Arbeit.

Die Geister, die ich rief.

Barcelona, Hallstatt und Island – was haben die­ se Orte gemein? Viele Menschen, die dort hin­ wollen. Zu viele vielleicht? Doch was machen, wenn man sich jahrzehntelang als Region und Marke positioniert hat und dann doch alles ein bisschen viel wird? Zukunftsforscher Andreas Reiter erklärt in seiner Keynote, wie Tourismus­ regionen auf den Wandel in der Branche mutig

VON AN D RE AS

reagieren können.

REITER

Touristen wollen zukünftige Erinnerungen sammeln.

Das Problem: Overtourism zerstört das Produktversprechen.

Tourismus ist eine Gegenwelt zum Alltag und eine Suche nach „wiedergegebener Zeit“: Man will sich jene Zeit zurückholen, die man im Alltag nicht hat. Gäste erwarten sich in verschiedenen Bereichen ein intensives Empfinden, das sie im Alltag nicht haben. Sie wollen zukünftige Erinnerungen sammeln. Und dann kommen sie irgendwo hin und treffen dort möglicherweise auf 10.000 andere Menschen.

Da entstehen maximal negative Empfindungen und es gibt auch wenig von dieser „wiedergegebenen Zeit“. Eher denkt man sich: Möglichst schnell wieder weg. Und das ist im Hinblick auf Kundenbindung und Markenpositionierung natürlich sehr problematisch.

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KEYNOTE TO U R I S M U S WA N D E L

TouristikerInnen sind keine reinen Vermarkter mehr.

Klassisches Destinationsmarketing ist überholt.

Das bisherige Destinationsmarketing ist überholt, auch weil durch soziale Medien die Deutungshoheit nicht mehr bei den Marketingmenschen alleine liegt. Stattdessen brauchen wir ein ganzheitliches Management, das den Tourismus, die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft und alle Beteiligten einer Region mit einbezieht – denn wenn einer dieser Bereiche zu wichtig wird, fühlen sich die anderen Bereiche bedroht. Die Rolle der TouristikerInnen geht somit weg vom reinen Vermarkter hin zum Kurator, der vor Ort gemeinsam mit allen Beteiligten Projekte und Strategien entwickelt.

Limitieren, vorbeugen und lenken.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Overtourism umzugehen. Manche Destinationen setzen auf klassische Zugangslimitierung zu hochfrequentierten Orten.

Beispielsweise durch temporäre Schließungen, durch Begrenzung von Busreisen oder durch verpflichtende Online-Anmeldungen. Das sind defensive Maßnahmen. Als offensive Maßnahmen können Strategien entwickelt werden, um Gäste besser zu verteilen und die Besucherströme nicht nur auf die Hotspots zu lenken. Vielerorts wird auch versucht, Saisonen zu entzerren, also mit neuen Produkten die Gästeströme über das gesamte Jahr hinweg besser zu verteilen. Darüber hinaus gibt es mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, große Anstürme mittels Datenanalyse bereits im Vorfeld zu erkennen. Dann kann man Strategien entwickeln, damit diese nicht zum Problem werden.

19 ANDREAS GFRERER Beim Tourismus der Zukunft geht es ganz stark darum zu differenzieren. In Salzburg beträgt die durschnittliche Aufenthaltsdauer eines Busses 3,5h. Diese Gäste sind für mich nicht gleichzuset-

Tourist ist nicht gleich Tourist.

zen mit einem Gast, der sich eine Ausstellung im Museum der Moderne anschaut und sich wirklich für die Stadt interessiert.

Da wird es auch eine politische Frage sein, inwieweit sich die Stadt gewissen Erscheinungsformen ihrer touristischen Anziehungskraft verschließt. Die Überforderung im öffentlichen Raum entsteht nicht durch den Individualtourismus, sondern weil eine Busgruppe nach der anderen irgendeinem Fähnchen hinterherrennt. Natürlich kann ich keine Drehkreuze aufstellen, aber es geht darum, jene Gäste zu finden, die sich wirklich für die Stadt interessieren. Und die bereit sind ihre Zeit, und ja, auch ihr Geld zu investieren.

ANDREAS REITER Es braucht in Österreich unterschiedliche Angebote – und es braucht auch diese hochfrequentierten „Ballermann-Orte“. Das kann man nicht von oben herab steuern.

Aber jeder Ort kann es selbst steuern und muss für sich entscheiden, welche Art von Gästen er haben möchte. Das schafft man nicht über

Die Marke macht die Gäste.

den Preis alleine, hier geht es um das Mindset. Wenn

Wer oder was kommt dann?

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TA L K TO U R I S M U S WA N D E L

Berlin sich mit einem Slogan als „Stadt, die niemals schläft“ vermarktet, dann darf ich mich nicht wundern, wenn Leute kommen, die rund um die Uhr Party machen wollen. Und dann muss ich die Orte so gestalten, dass es für die Bewohner möglichst erträglich ist, wenn um 5 in der Früh die Menschen besoffen irgendwo raustorkeln. Die Marke und die Identität sind entscheidend – und dann kann ich Ideen entwickeln und Maßnahmen setzen.

I K E I K R AT H Wenn es um die Positionierung eines Ortes geht, breche ich eine Lanze für individuelle Hotels und Gastronomie. Für Menschen, die Spaß an dem haben, was sie machen. Und da sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebe wichtig, denn nur wenn ihnen ihre Aufgaben Spaß machen, identifizieren sie sich auch mit dem Haus und dem Ort. Im Gegensatz

Macht was Spaß macht!

zur Systemgastronomie oder –hotellerie haben diese Menschen eine

andere Intention, denn „System“ heißt im Grunde nur, dass ständig dahingehend optimiert wird, dass unterm Strich möglichst viel rauskommt. Da steckt wenig Herzblut drinnen und dementsprechend wir auch recht wenig Rücksicht auf andere Dinge genommen.

D I S KU S S I O N SG RU N D L AG E

Welcher Betrieb oder welche Region kann schon ohne Gäste existieren? Wohl keine/r.

Aber was machen, wenn plötzlich zu viele oder die Falschen kommen? Oder gibt es das gar MIT ANDREAS

nicht, weil die die da sind, immer die Richtigen

GFERER, IKE

sind?! Kann man sich als Destination oder

I K R AT H , A N D R E A S REITER UND

Unternehmen seine KundInnen einfach selbst

JÜRGEN PETTINGER

aussuchen? Und wie positioniert man die eigene

( M O D E R AT I O N )

Marke richtig beim richtigen Zielpublikum?

FÃœR VIDEO-

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IMPRESSIONEN

Wir lassen es nicht bleiben, weil etwas bleiben soll.

W

THEMA DER DISKUSSION

Nachhaltig ist heutzutage ja fast schon alles.

Zumindest lässt das die inflationäre Verwen­ dung des Begriffs glauben. Was „Nachhaltigkeit“ MIT BIRGIT

wirklich bedeutet, wissen aber viele nicht. Dass

AICHINGER, JOSEF

es dabei nicht nur um Ökologie, sondern auch

FLOH, ANJA

um Ökonomie und Soziales geht, noch wenigere.

K I R I G , K AT H A R I N A SCHINKINGER UND MIRIAM HIE

Genau um diese Unschärfe und Vielschichtigkeit des Begriffs geht es in dieser Diskussionsrunde.

( M O D E R AT I O N )

Nachhaltigkeit is the new normal.

ANJA K I RIG: Die technologischen Entwicklungen werden Nachhaltigkeit

zu einer Normalität werden lassen; auch die Kosten werden nicht mehr das ausschlaggebende Argument sein. Es gibt heute schon kleine Start-Ups, die ganz neue Dinge auf den Markt bringen wie zum Beispiel Whiskey aus CO2. Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich unsere Lebensmittel transformieren, sich unterschwellig im Markt etablieren und nachhaltig sein werden, ohne dass die Leute bewusst nachhaltig kaufen müssen.

JOSEF FLOH: Es ist ein Irrglaube, dass ein Produkt, das regional ist, von Haus aus gut ist – wie es viele Supermarktketten behaupten. Es werden auch ganz viele schlechte Produkte

24

TA L K N A C H H A LT I G K E I T

verkauft. Super ist es,

Nur weil etwas regional ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch gut ist.

wenn es aus der Region kommt, super ist es, wenn es biologisch ist, und am allerbesten ist es, wenn es dann noch saisonal ist – aber in

dieser ganzen Diskussion wird die Qualität vernachlässigt, und die ist immer noch das Allerwichtigste.

BIRGIT AICHINGER: Wir haben ein Tochterunternehmen, das Thermalbad Bad Vöslau, ein unglaublich schönes Jahrhundertwendebad, das wir mit sehr viel Liebe, Herzblut und Detailverliebtheit betreiben. Wir sehen uns in der Verantwortung, dass wir für den Ort und die Region und diese Quelle etwas tun, weil da entspringt buchstäblich

Ein weiterer Aspekt von Nachhaltigkeit: Verant­ wortung für die Region zu übernehmen.

Vöslauer. Sich für die Region verantwortlich zu zeigen ist ein Teil der sozialen Verantwortung – und die betrifft viele Unternehmen.

K AT H A R I N A S C H I N K I N G E R : Es geht tatsächlich um „purpose“, den Sinn, den ein Unter­nehmen braucht – nicht nur um die KonsumentInnen sondern auch um ArbeitnehmerInnen zu erreichen und langfristig zu behalten. Die Geschichte, das Versprechen muss gut sein und man muss aufpassen, dass man das Versprechen, das man gibt, auch erfüllt. Dazu ist es auch nötig, sich selber immer

Zur Nachhaltigkeit gehört auch „purpose“.

wieder zu hinterfragen.

25 E VA - M I R I A M G E R S T N E R : Als wir das Q! Hotel gegründet haben, bedeutete Kommunikation, dass man einen Journalisten zum Abendessen eingeladen hat oder mit ihm trinken ging. Damals gab es noch keine Han-

Wir haben die Herrschaft über die Kommunikation.

dys, mit denen man Fotos machen konnte.

Heute kann jeder im Restaurant ein Foto machen, es posten oder

verschicken. Ich glaube aber nicht, dass wir als ProduktinhaberInnen oder AnbieterInnen deshalb die Herrschaft über die Kommunikation verloren haben. Natürlich müssen wir uns ganz genau überlegen, wie wir auftreten, wie wir kommunizieren und welche Informationen wir verbreiten wollen. Aber die Herrschaft darüber haben immer noch wir. Wir sitzen am längeren Hebel, wir entscheiden, welche Informationen in unsere Community oder in die Öffentlichkeit getragen werden.

D I S KU S S I O N SG RU N D L AG E

Content is King, ohne Kommunikation geht gar nichts und das Auge isst natürlich mit. Für Gastronomie und Hotellerie bedeutet das, MIT ERWIN

dass nicht nur die angebotenen Produkte

K . BAU E R ,

stimmen müssen, sondern auch das Bild, das

E VA - M I R I A M

nach außen transportiert wird. Vom Namen

GERSTNER, MIRCO W O L F W I E G E R T,

über das Design bis zum Social-Media-Auftritt.

JÜRGEN PETTINGER

Bei uns sprechen die Profis darüber, wie man

( M O D E R AT I O N )

aus der Masse hervorsticht.

Man kann nicht nicht kommunizieren.

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TA L K K O M M U N I K AT I O N

E RWI N K . BAU E R: Die Kombination aus verschiedenen Kanälen ist heute besonders wichtig – analog und digital ergänzen sich und es kommt zu wechselseitigen Rückkopplungen. Das geht einher mit unserem

Anker setzen auf Kanälen!

Medienverhalten, wir switchen permanent zwischen verschiedenen

Kanälen. Wenn ich beispielsweise einen Designwettbewerb mache, dann habe ich einen Kanal über den Wettbewerb, einen über Design-Magazine, einen über die teilnehmenden Büros und all das sorgt für eine Rückkopplung zu meinem Kerngeschäft. Solche Anker muss man gerade am Anfang setzen. Daraus kann eine gewisse Dynamik entstehen und im Idealfall trägt es die Community dann von selbst weiter. Dann habe ich den Boost.

M I R C O W O L F W I E G E R T: Wenn sich eine negative Kommunikation entwickelt, ist es erstmal wichtig, diese aufzugreifen. Also auf keinen Fall einfach tot stellen. Und wenn man einen Fehler gemacht hat, ist es oft schnell erledigt, wenn man sich glaubwürdig entschuldigt. Grundsätzlich sind soziale Netzwerke und das Managen der Community mittlerweile einfach ein Teil der Aufgaben, die man zu erledigen hat.

Man kann es sich heute nicht mehr leisten, das zu ignorieren. Denn alles was nicht auch auf dem Smartphone stattfindet, existiert eigentlich nicht mehr. Das ist schade, aber es ist so. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass eine gute Community teilweise auch Dinge für einen erledigt. Wenn einer von der AfD ein Foto mit fritz-kola postet, weil das eine deutsche Cola ist,

Social Media-Management ist Pflicht – in guten wie in schlechten Zeiten.

dann müssen wir da gar nicht mehr eingreifen, das regeln die schon.

Jung sein ist schön, alt sein ist bequem.

P E T E R F E T Z : Das hätte mir mein Vater gleich sagen können, aber darum geht es nicht.

Viele Menschen verwechseln Tradition mit Wiener Schnitzel. Das stand bei uns jahrzehntelang als traditionelles Gericht auf der Karte, obwohl es mit dem Bregenzerwald nichts zu tun hat. Deswegen habe ich es gleich gestrichen, als ich das Hotel von meinem Vater übernommen habe. Auch weil wir das Fleisch dafür nicht regional beziehen können, weil, Breaking News: Das Rinderkalb hat nicht 48 Rücken. Darum habe ich das „Gebackene des Tages“ eingeführt. Das hat gar nicht funktioniert, und das hätte mir mein Vater sicher gleich sagen können, aber darum geht es nicht. Es geht um ein falsches Traditionsverständnis. Die einzige Tradition, die sich durch alle zehn Generationen unserer Hotelgeschichte zieht, und die es sich lohnt aufrechtzuerhalten, ist unsere Weltoffenheit.

S T E FA N I E R E N N E R : Weil ich halt kein Bub war.

Meine Schwester und ich haben den Betrieb von unseren Eltern übernommen, obwohl unser jüngster Bruder der einzige mit einer klassischen Winzer-Ausbildung ist. Für uns war es immer irgendwie klar, dass er die Nachfolge antreten wird. Davon sind auch die KundInnen ausgegangen, die oft gefragt haben „Wo ist denn der Juniorchef?“ Irgendwann habe ich mir dann halt auch gedacht, dass ich das vielleicht gar nicht kann, weil ich eben kein Bub bin. Wirklich interessiert hat es meine Schwester und mich ehrlich gesagt auch nicht. Wir sind dann erst einmal von zuhause weggegangen, um etwas anderes zu machen.

Und dann kam doch alles noch einmal anders, und seit 2014 machen wir bei uns daheim den Wein.

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THEMA DER DISKUSSION

TA L K ÜBERGABE

Jung und Alt können harmonieren, aber auch zu großen Herausforderungen führen. Denn bei Betriebsübergaben prallen oft zwei Welten aufeinander. Trotzdem haben wir schöne Beispiele dafür gefunden, wie generations­ übergreifende Betriebe funktionieren. Und dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern natürlich auch um die Weitergabe von Werten.

MIT PETER FETZ, S T E FA N I E R E N N E R , JOHANNES S C H WA N I N G E R , SEPPI SIGL UND SEVERIN CORTI ( M O D E R AT I O N )

J O H A N N E S S C H WA N I N G E R : Irgendwann werden wir alle neophob.

Menschen zwischen 15 und 35 Jahren sind ja in der glücklichen Situation, dass sie sich in der einzigen Lebensphase befinden, in der man nicht neophob ist. Man ist sogar auf der Suche nach Veränderungen und Innovationen.

Je älter man wird, desto konservativer wird man auch. Egal ob es um das eigene Unternehmen oder sonst etwas geht.

Darum sind Betriebe, in denen generationsübergreifend gearbeitet wird, sehr spannend. Denn einerseits gibt es die eine Generation, die gerne bewahren und sich auch ein bisschen auf dem wohlverdienten Erfolg ausruhen möchte.

Andererseits gibt es die Jungen, die die Notwendigkeit der Veränderung erkennen. Und das kann natürlich zu Konflikten führen.

S E P P I S I G L : Die Zweifel sind wichtig.

Natürlich hatte ich Zweifel, bevor ich das Unternehmen von meinem Vater übernommen habe. Rückblickend bin ich aber überzeugt, dass diese Phase der Unsicherheiten sehr wichtig und gut war. Weil dadurch die anschließende Entscheidung – die Brauerei selbst weiterzuführen – viel stärker war. So eine Übernahme bringt eine große Verantwortung mit sich, die auch etwas einschüchternd wirken kann. Allerdings gewöhnt man sich auch daran und plötzlich trifft man wichtige Entscheidungen – die nicht nur einen selbst, ondern auch viele Angestellte betreffen – als hätte man nie etwas anderes gemacht.

Der letzte Vorhang fällt.

THEMA DER DISKUSSION

Nicht nur für einen Neuanfang braucht es MUT, sondern auch um Dinge zu Ende zu bringen.

Zum Abschluss von Einfach Leben – das

MIT MARTIN KUŠEJ, SEPP SCHELLHORN UND CHRISTIAN SEILER ( M O D E R AT I O N )

gastrophilosophische Forum unterhalten sich Burgtheater-Intendant Martin Kušej und Gastronom und Unternehmer Sepp Schellhorn über die Parallelen der Inszenierung im Theater und in der Kulinarik, den Tisch als Bühne und KöchInnen als DarstellerInnen.

SEPP SCHELLHORN: In einem Wirtshaus schafft der Wirt an.

Unser Ziel ist es, dass der Gast in einen anderen Zustand gerät, in den Zustand des Nichts-Tuns verfällt und da ist ein Leitspruch von mir: ‚Das ist kein Gasthaus, das ist ein Wirtshaus und da schafft der Wirt an’. Primär muss einmal ich mich wohlfühlen, damit sich andere Menschen wohlfühlen können. Es geht um eine Interaktion mit dem Gast und da spielen auch die MitarbeiterInnen eine wichtige Rolle. Die müssen zuerst unsere Philosophie verstehen, bevor sie überhaupt versuchen den Gast zu verstehen. Da gehört vielleicht auch eine Portion Mut dazu, dem MitarbeiterInnen beizubringen, was in einem Wirtshaus nicht geht. Als Wirt kannst du’s nicht jedem Recht machen.

Gute Gastronomie regt zum Denken an.

Die Menschen gehen ins Theater um eine Sinnstiftung zu haben, eine Auseinandersetzung. Und es gehen auch viele ins Wirtshaus oder in die gehobene Gastronomie, um sich mit dem Ganzen auseinanderzusetzen und zu fragen: Was ist der Sinn hinter dem, was ich zu essen bekomme? Was will der Wirt oder die Wirtin, der Koch oder

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AUS K L ANG TA L K

die Köchin mir damit sagen? Wir haben früh mit der Regionalität angefangen, weil wir keinen Sinn darin gesehen haben, jeden Tag Thunfisch zu machen. Wir hatten Angst davor, wie die Gäste reagieren: Kündigen die uns jetzt das Abo? Aber nein, das Gegenteil war der Fall. Sie haben angefangen nachzudenken: Was bedeutet ein CO2-Fußabdruck? Was bedeutet Nachhaltigkeit? Die Reaktionen waren enorm positiv.

MARTIN KUŠEJ: Der Geschmack des Publikums ist irrelevant.

Als Regisseur verlasse ich mich auf meinen Instinkt und meine Erfahrung – der Geschmack oder die Zufriedenheit des Publikums sind für mich überhaupt keine Parameter. Das Wichtigste am Theater ist die Energie, die auf der Bühne hergestellt wird und die sich in einer Art Austausch mit dem Publikum befindet. Das ist auch das Tolle an diesem Live-Moment auf einer Bühne: Dass gerade etwas passiert, das nicht mehr wiederholbar ist. Fakt ist auch, entgegen der landläufigen Meinung, dass ich niemals versuchen würde, bewusst Leute zu provozieren oder Skandale hervorzurufen.

Ins Theater gehen muss man lernen.

Im Theater wird man mit etwas Neuem und Unbekannten konfrontiert, auf das man sich einlassen muss.

Genauso interessieren mich am meisten Restaurants, in denen ich auf eine Art Reise gehe mit meiner Sinnlichkeit.

Ich liebe es, wenn ich auf meinem Teller und in meinem Mund Dinge erlebe, die ich nicht kenne, die ich nicht einordnen kann und die mich total aufregen – im Positiven!

Und das muss man lernen, denn Theater schauen und gut essen ist nicht etwas, das man einfach kann. Dazu muss man erzogen werden, man muss Lust haben, sich damit auseinanderzusetzen. Dabei kann man dem Publikum nicht einfach etwas hinknallen und erwarten, dass die das jetzt alle verstehen, sondern man muss sie dabei begleiten.

Mut zum Mut Erfreulicherweise gibt es zahlreiche Gastro­

nomInnen, die mutige Konzepte entwickeln.

Wir haben die BesucherInnen des Einfach Leben Forum gefragt, welche

BERNHARD RIPPEL,

Ansätze und gastronomischen Konzepte sie

SALZBURGER

mutig finden.

TOURIS MUS FÖRDERUNGS FO N DS (TFF) Ein ganz besonderes fällt mir spontan nicht ein. Das soll aber nicht heißen, dass es den GastronomInnen an Mut fehlt. Ganz im Gegenteil – ich finde es schon mutig, einen Würstelstand aufzusperren.

S T E FA N , K O C H , M Ü H LTA L H O F Sehr regionale Zugänge finde ich mutig. Wie Der Floh, der alle seine Produkte aus einem Umkreis von 66 km bezieht. Dann kann man nicht einfach einkaufen, worauf man Lust hat. Man muss sich sehr viel überlegen, sich nach den Saisonen richten und Dinge einlegen, damit man das ganze Jahr auskommt.

S I LV I A P E T Z , A G E N T U R F Ü R ORGANISIERTEN GENUSS Ich weiß nicht ob es mutig ist oder einfach eine natürliche Entwicklung: Weg von der foie gras und dem Silberbesteck am Leinentischtuch, hin zum Natürlichen. Ich glaube, die Menschen wollen weg von dem Aufgesetzten und haben ein Bedürfnis nach Normalität. Nach einem Platz, an dem man sich zurücklehnen kann und ohne nachzudenken genießen kann.

E L L I S C H I N D L E R , A PA R T, B Ü R O F Ü R D E S I G N , K U LT U R U N D A R C H I T E K T U R Als Außenstehende habe ich das Gefühl, dass sich im Bereich Gastronomie wahnsinnig viel tut. Sowohl was die Qualität des Essens betrifft als auch die Experimentierfreudigkeit und das Mischen der Disziplinen. Die Branche wird immer aufgeschlossener, das finde ich spannend!

Was die Zukunft bringt MUT war das Überthema der ersten Ausgabe

von Einfach Leben – das gastrophilosophische Forum. Aber es gibt natürlich noch viele andere relevante Themen. Wir haben die BesucherInnen gefragt, welche das sein könnten.

K AT R I N S T E I N D L , D E R U N T E R W I R T / E B B S Wandel und Nachhaltigkeit sind schon in diesem Jahr Punkte auf dem Programm. Das könnte man aber noch stärker ausbauen, das sind Themen, auf die man nicht genug hinhören oder hinschauen kann.

ANNA RESCHREITER, PENSION GR ADENBURG / LECH Ich finde, Mut hat auch etwas mit Authentizität zu tun. Es ist eine alte Krankheit des Tourismus und der Hotellerie, dass man sich eine Maske aufsetzt und versucht etwas zu sein, das der Gast erwartet. Heute geht es schon viel mehr in die Richtung, dass man als GastgeberInnen echt bleibt. Das zieht dann auch ein dementsprechend anderes Publikum an. Ich glaube, dass Echtheit ein Riesenthema ist – wie man echt bleibt und trotzdem über sich hinauswachsen kann.

HUBERT PETER, BRUDER / WIEN Mitarbeiterkultur ist ein großes Thema. Damit eine Idee auch so umgesetzt werden kann, wie man sich das vorstellt, sind die Mitarbeiter unglaublich wichtig. Wie kann ich als GastronomInnen junge Menschen mitreißen bzw. die Menschen finden, die sich begeistern lassen? Ich persönlich will ihnen schon in der Ausbildung Ideale und Werte mitgeben und Ideen, wie Gastronomie sein kann.

IMPRESSUM Einfach Leben – das gastro­­p hilosophische Forum ist eine Veranstaltung von Trumer Privatbrauerei, Reed Exhibitions und friendship.is.

Konzept & Umsetzung: friendship.is Lektorat: Aurelia Windhager Fotograf: Ian Ehm Gestaltung Booklet: grafikum.com Weiterführende und laufend aktualisierte Inhalte zum Einfach Leben - das gastro­ philosophische Forum gibt es im Journal auf unserer Website: E I N FA C H L E B E N F O R U M . C O M / JOURNAL

I N I T I A L­P A R T N E R

P R E M I U M­P A R T N E R

M E D I E N­P A R T N E R

L O C AT I O N ­ PA RT N ER