Schlammpeitzger Misgurnus fossilis (Linnaeus, 1758)
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Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis). A: Porträt. B: Larve im Alter von 14 Tagen nach der Befruchtung; Länge 6,5 mm; 1, 2 – Barteln, K – Außenkiemen, OK – Haftorgan. C: Larve im Alter von 23 Tagen nach der Befruchtung; Länge 7,5 mm. Seitenansicht, 1, 2, 3 – Barteln. D: Larve im Alter von 23 Tagen nach der Befruchtung; Länge 7,5 mm (Draufsicht).
atmung. Die Darmatmung ermöglicht es dem Schlammpeitzger auch die temporäre Austrocknung seiner Wohngewässer im Schlamm zu überstehen. Bis zu einem Jahr soll der Schlammpeitzger so in einer Art Dauerstarre ausharren können. Auch den Winter verbringt der Schlammpeitzger bis zu 50 cm tief im Schlamm verborgen. Niemals ist der Schlammpeitzger im Brackwasser anzutreffen. Die Fische sind nachtaktiv und relativ scheu. Tagsüber halten sich die Fische meist in dichten Pflanzenbeständen oder im Schlamm auf. Sie ziehen sich selbst bei der kleinsten Beunruhigung in den Schlamm zurück. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Wasserinsekten und deren Larven sowie Würmern, Schnecken und anderen Wirbellosen. Im geringen Ausmaß wird auch Detritus aufgenommen. Außerhalb der Laichzeit leben die Fische in der Regel isoliert. Knaack (1961) berichtete, dass er manchmal bis zu 1.000 kg Schlamm mit einem Hamen (Rahmen von 60 × 30 cm Durchmesser mit einem Netz von 4 mm Maschenweite) ausheben musste, um einen Schlammpeitzger zu erbeuten. In der Laichzeit können die Schlammpeitzger jedoch an geeigneten Plätzen schon einmal in erhöhter Individuendichte auftreten. Luftdruckschwankungen werden von den Schlammpeitzgern sehr gut wahrgenommen. Die Tiere reagieren dabei auch am Tage mit einer gesteigerten Aktivität, weshalb die Art gelegentlich auch als „Wetterfisch“ bezeichnet wird. Der Schlammpeitzger verfügt über einen deutlichen Sexualdimorphismus, der ab einer Gesamtlänge von etwa 13 cm beobachtet werden kann. Die Männchen sind etwas kleiner als die Weibchen und besitzen eine vergrößerte Brustflosse, deren zweiter Flossenstrahl verlängert und verdickt ist. Hinzu kommt, dass die Brustflossen der Männchen stärker pigmentiert sind. Außerdem entwickeln die Männchen eine bis zu 3 cm breite, gelbliche Wulst unterhalb der Rückenflosse, die den Weibchen vollkommen fehlt. Die Brustflossen der Weibchen sind etwa ein Drittel kürzer als die der Männchen und abgerundet. Die Fische laichen in Abhängigkeit von der Wassertemperatur in den Monaten April bis Juni. Als Laichplätze
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werden flache und sich dadurch leicht erwärmende Gewässerzonen aufgesucht, in denen zahlreiche feingliedrige Wasserpflanzen wachsen. Um derartige Gewässerbereiche zu erreichen, werden von den Elterntieren auch kleinere Wanderungen von bis zu einigen Kilometern unternommen. Dabei werden auch Gewässerabschnitte, in denen Schlammpeitzger normalerweise nicht leben wie Fließgewässer mit grobkörnigem Bodengrund überwunden. Die Fortpflanzungsbiologie und das Ablaichverhalten des Schlammpeitzgers wurden von Knaack (1961) sehr genau untersucht. Die Eier sind klebrig und bleiben an feinfiedrigen Wasserpflanzen wie Wasserfeder oder aber auch Wasserpest kleben. Pro Paarung werden bis zu etwa 150 Eier abgegeben, im Durchschnitt bei größeren Tieren etwa 35 bis 80 Eier. Größere Weibchen legen kleinere, kleinere Weibchen größere Eier. Die Eier sind hellgelb bis glasklar. Die Jungfische schlüpfen, abhängig von der Temperatur, fünf bis neun Tage nach der Befruchtung. Sie sind vollkommen durchsichtig und etwa vier bis fünf Millimeter lang. Genau wie Cobitis taenia besitzt auch Misgurnus fos silis im Larvenstadium Außenkiemen. Goette (1878) wies zum ersten Mal auf die Existenz von Außenkiemen bei Schmerlen hin, wobei nicht mehr eindeutig zu klären ist, ob ihm Cobitis taenia oder Misgrunus fossilis vorlag. Bereits beim Schlüpfen sind die Ansätze für die Bildung der äußeren Kiemen beim Schlammpeitzger angelegt (Grieb, 1937). Sie bilden sich an den vorderen Anlagen der Kiemenbögen. Etwa 14 Tage nach der Befruchtung haben sich auf jeder Körperseite sieben bis acht Außenkiemen gebildet, die in diesem Stadium am längsten sind und sich nun wieder zurückbilden. Die Größe der Außenkiemen hängt offenbar vom Sauerstoffgehalt des Wassers ab. Außenkiemen kommen bei Fischen relativ selten vor, jedoch ohne jeden Bezug auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der betroffenen Arten. Dabei handelt es sich in der Regel um ursprüngliche Fische, die alle in stark verschlammten Gewässern mit einer geringen Sauerstoffsättigung beheimatet sind.
Atlas der Fische Sachsens | 2016