die Befreiung der Tiere Peter Singer

Vorwort zur ersten Ausgabe 7 Vorwort zur Ausgabe von 1996 15 Vorwort zur deutschen Ausgabe von 2015 23

1 Alle

Tiere sind gleich 27

oder warum das ethische Prinzip, auf dem die Gleichheit der Menschen beruht, von uns fordert, die gleiche Berücksichtigung auch auf Tiere auszudehnen

2

Werkzeuge für die Forschung 53 Wozu Ihre Steuergelder auch verwendet werden

3

In der Tierfabrik 125

oder wie es Ihrem Abendessen erging, als es noch ein Tier war

4

Die Entscheidung für eine vegetarische Lebensweise 191

oder wie wir weniger Leid und mehr Nahrung erzeugen und zugleich den Schaden für die Umwelt verringern können

5

Die Herrschaft des Menschen 219

Eine kurze Geschichte des Speziesismus

6

Speziesismus heute 249

Abwehr, Rationalisierungen und Einwände gegen die Befreiung der Tiere und die Fortschritte bei deren Uberwindung

Anhang 1 Zum Weiterlesen 289 Anhang 2 Leben ohne Grausamkeit 293 Anhang 3 Organisationen 295 Anmerkungen 303 Danksagung 327

Vorwort zur ersten Ausgabe Das Thema dieses Buches ist die Tyrannei der Menschen über nichtmenschliche Tiere. Das Ausmaß von Schmerzen und Leid, das diese Tyrannei in der Vergangenheit verursacht hat und noch heute verursacht, kann nur mit dem Leid verglichen werden, das die jahrhundertelange Tyrannei der Weißen über die Schwarzen bedeutet hat. Der Kampf gegen diese Tyrannei ist genauso wichtig wie jede moralische und soziale Frage, um die in der jüngeren Vergangenheit gestritten wurde.

Ich hatte gerade angefangen, an diesem Buch zu arbeiten - wir lebten zu der Zeit in England -, als meine Frau und ich von einer Dame zum Tee eingeladen wurden, die gehört hatte, dass ich plante, etwas über Tiere zu schreiben. Sie selbst interessierte sich, wie sie sagte, sehr für Tiere, und eine Freundin von ihr, die auch schon ein Buch über Tiere geschrieben hatte, wollte uns unbedingt kennenlernen.

Als wir ankamen, war die Freundin unserer Gastgeberin schon da, und tatsächlich war sie ganz erpicht darauf, über Tiere zu reden. »Ich liebe Tiere«, begann sie zu erzählen. »Ich habe einen Hund und zwei Katzen, und Sie können sich nicht vorstellen, wie wunderbar sie sich miteinander vertragen. Kennen Sie Mrs. Scott? Sie hat ein kleines Krankenhaus für kranke Haustiere ...«, und so ging es weiter. Als ein Imbiss serviert wurde, machte sie eine kleine Pause, nahm ein Schinkensandwich und fragte uns dann, welche Haustiere wir hätten.

Wir sagten ihr, dass wir keine Haustiere haben. Sie schaute etwas überrascht und biss in ihr Schinkensandwich. Unsere Gastgeberin war gerade fertig damit, die Sandwiches zu servieren, setzte sich zu uns und nahm die Unterhaltung auf: »Aber Sie interessieren sich doch für Tiere, Mr. Singer?« Wir versuchten ihr zu erklären, dass uns die Verhinderung von Leid und Elend interessierte, dass wir gegen willkürliche Diskriminierung waren, dass wir es für falsch hielten, einem anderen Lebewesen unnötiges Leiden aufzuerlegen, auch wenn es nicht zu unserer eigenen Spezies gehört, und dass wir glaubten, dass Tiere von den Menschen rücksichtslos und grausam ausgebeutet würden, und dass wir wollten, dass sich das ändert. Darüber hinaus, sagten wir, würden wir uns nicht sonderlich für Tiere »interessieren«. Wir hatten beide niemals eine besondere Vorliebe für Hunde, Katzen oder Pferde entwickelt, so wie das bei vielen Leuten der Fall ist. Wir »lieben « Tiere nicht. Wir wollten einfach, dass sie als die unabhängigen und empfindenden Lebewesen behandelt werden, die sie nun einmal sind, und nicht als Mittel zu menschlichen Zwecken - wie zum Beispiel das Schwein, dessen Fleisch nun auf den Sandwiches unserer Gastgeberin lag.

Dieses Buch handelt nicht von Haustieren. Es ist wahrscheinlich keine angenehme Lektüre für Leute, die glauben, dass Tierliebe nicht mehr bedeutet, als eine Katze zu streicheln oder die Vögel im Garten zu füttern. Dieses Buch richtet sich vielmehr an Leute, denen daran liegt, dass Unterdrückung und Ausbeutung beendet werden, wo immer sie vorkommen, und die einsehen, dass das grundlegende moralische Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Interessen nicht willkürlich auf die Mitglieder unserer eigenen Spezies beschränkt werden kann. Die Annahme, dass Menschen, die sich für diese Fragen interessieren, »Tierfreunde« sein müssen, ist selbst schon ein Hinweis darauf, dass viele nicht die leiseste Idee davon haben, dass die moralischen Regeln, die für den Umgang der Menschen miteinander gelten, sich auch auf andere Tiere erstrecken könnten. Wer, außer vielleicht einem Rassisten, der seine Gegner als »Niggerfreunde« beschimpft, würde wohl

unterstellen, dass man misshandelte Minderheiten lieben muss oder sie niedlich und knuddelig zu finden hat, um sich für ihr Recht auf Gleichheit einzusetzen. Warum sollten wir also so etwas bei Menschen annehmen, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Tiere einsetzen?

Menschen, die gegen Grausamkeit gegenüber Tieren protestieren, als sentimentale, gefühlsbetonte »Tierfreunde« darzustellen, hatte die Wirkung, dass die ganze Problematik unseres Umgangs mit nichtmenschlichen Lebewesen aus der ernsthaften politischen und moralischen Diskussion ausgeschlossen wurde. Und es ist leicht einzusehen, warum das geschieht. Denn wenn wir diese Fragen ernsthaft erwägen würden, wenn wir zum Beispiel einmal einen genaueren Blick auf die Bedingungen werfen würden, unter denen Tiere in der modernen Massentierhaltung leben, in der unser Fleisch produziert wird, wäre uns möglicherweise gar nicht mehr ganz wohl angesichts der Schinkensandwiches, des Roastbeefs, der Brathähnchen und all der anderen Bestandteile unserer Ernährung, die wir uns lieber nicht als tote Tiere vorstellen.

Dieses Buch appelliert nicht an Gefühle, es will keine Sympathie für »niedliche« Tiere wecken. Ich kann mich über das Schlachten von Pferden oder Hunden zur Fleischgewinnung nicht mehr aufregen als über das Schlachten von Schweinen. Und es besänftigt mich keineswegs, wenn das amerikanische Verteidigungsministerium als Reaktion auf Proteste gegen die Durchführung von Giftgasexperimenten an Beagles anbietet, anstelle der Beagles Ratten zu verwenden.

Dieses Buch ist der Versuch, die Frage, wie wir mit nichtmenschlichen Tieren umgehen sollten, sorgfältig und in sich widerspruchsfrei zu durchdenken. Nach und nach werden dabei die Vorurteile sichtbar, die hinter unseren gegenwärtigen Einstellungen und Verhaltensweisen stehen. In den Kapiteln, die beschreiben, was diese Einstellungen in der Praxis bedeuten - wie Tiere unter der Tyrannei des Menschen leiden -, wird es Abschnitte geben, die durchaus Gefühle wecken. Ich hoffe, dass dies Gefühle der Wut und Empörung sein werden, die zu dem Ent- schluss führen, etwas gegen die beschriebenen Praktiken zu unternehmen. Nirgends in diesem Buch werde ich aber an die Gefühle der Leser und Leserinnen appellieren, wo diese sich nicht auf Vernunft stützen können.

Wenn unangenehme Dinge beschrieben werden müssen, wäre es unaufrichtig, sie in einer möglichst neutralen Art und Weise zu beschreiben und damit ihre tatsächliche Unerfreulichkeit zu verbergen.

Wir können nicht objektiv über die Versuche berichten, die Nazi-Ärzte in den Konzentrationslagern mit Menschen machten, die sie als »Untermenschen« ansahen, ohne damit Gefühle aufzurütteln; und das Gleiche gilt für die Beschreibung mancher Versuche, die heute an nichtmenschlichen Lebewesen in Laboratorien in Amerika, England, Deutschland und anderswo durchgeführt werden.

Die eigentliche Rechtfertigung für den Widerstand gegen solche Experimente ist jedoch nicht an Gefühle gebunden. Sie beruft sich vielmehr auf grundlegende moralische Prinzipien, die wir alle akzeptieren, und es ist eine Forderung der Vernunft und nicht des Gefühls, diese Prinzipien auf die Opfer beider Arten von Experimenten anzuwenden.

Für den Titel dieses Buches gibt es einen ernsthaften Hintergrund. Eine Befreiungsbewegung ist eine Forderung danach, Vorurteile und Diskriminierungen aufzugeben, die auf willkürlichen Merkmalen wie Rasse oder Geschlecht beruhen. Das klassische Beispiel dafür ist die Befreiungsbewegung der Schwarzen. Die unmittelbare Wirkung dieser Bewegung und ihre ersten, wenn auch begrenzten Erfolge machten sie zu einem Modell für andere unterdrückte Gruppen. Schnell wurden wir vertraut mit der Befreiungsbewegung der Homosexuellen und Bewegungen, die sich für die amerikanischen Indianer und die spanischsprechenden Amerikaner einsetzten. Als schließlich eine Mehrheit, nämlich die Frauen, ihren Kampf begann, dachten einige, wir seien am Ende des Weges angekommen. Die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, so hieß es, sei die letzte Form einer allgemein akzeptierten und praktizierten offenen und unverhohlenen Diskriminierung, die sogar in jenen liberalen Kreisen üblich war, die sich lange schon damit rühmten, von Vorurteilen gegenüber rassischen Minderheiten frei zu sein.

Wir sollten grundsätzlich äußerst vorsichtig damit sein, von der »letzten noch verbliebenen Form der Diskriminierung« zu sprechen. Wenn wir irgendetwas aus den Befreiungsbewegungen gelernt haben, dann sollten wir heute wissen, wie schwer es ist, uns unterschwelliger Vorurteile in unseren

Einstellungen gegenüber bestimmten Gruppen bewusst zu werden, solange wir nicht mit allem Nachdruck auf diese Vorurteile hingewiesen werden.

Eine Befreiungsbewegung verlangt von uns die Erweiterung unseres Horizonts. Auf einmal sind Praktiken, die wir gestern noch für natürlich und unvermeidlich hielten, das Ergebnis nicht zu rechtfertigender Vorurteile. Wer kann schon von sich mit einiger Zuversicht behaupten, dass keine seiner oder ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen berechtigterweise hinterfragt werden könnte?

Wenn wir nicht zu den Unterdrückern gehören wollen, müssen wir bereit sein, unsere sämtlichen Einstellungen gegenüber anderen Gruppen zu überdenken, auch die grundlegendsten. Wir müssen unsere Einstellungen aus der Sicht jener betrachten, die unter ihnen und den Verhaltensweisen, die aus ihnen folgen, leiden. Wenn uns dieser ungewohnte geistige Perspektivenwechsel gelingt, könnte es sein, dass wir in unseren Einstellungen und Verhaltensweisen eine Struktur finden, die sich immer zugunsten derselben - normalerweise unserer eigenen — Gruppe auswirkt, und das auf Kosten einer anderen Gruppe. Daran sehen wir, dass es sich hier um einen Fall für eine neue Befreiungsbewegung handelt.

Das Ziel dieses Buches besteht darin, dass Sie diesen geistigen Perspektivenwechsel hinsichtlich Ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber einer sehr großen Gruppe von Lebewesen vollziehen: gegenüber den Mitgliedern anderer Spezies. Ich glaube, dass unsere gegenwärtige Haltung gegenüber diesen Lebewesen auf einer langen Geschichte von Vorurteilen und willkürlicher Diskriminierung beruht. Ich behaupte, dass es — abgesehen vom egoistischen Streben der ausbeutenden Gruppe, ihre Privilegien zu bewahren — keinen Grund geben kann, die Ausdehnung des Grundprinzips der gleichen Berücksichtigung auf Mitglieder anderer Spezies zu verweigern. Es geht mir darum, Ihnen deutlich zu machen, dass Ihre Einstellungen gegenüber Mitgliedern anderer Spezies eine Form von Vorurteilen sind, die nicht weniger abzulehnen sind als Vorurteile gegenüber der Rasse oder dem Geschlecht einer Person.

Verglichen mit anderen Befreiungsbewegungen ist die Tierbefreiungsbewegung in mancherlei Hinsicht benachteiligt. Zuallererst und ganz offensichtlich sind die Mitglieder der ausgebeuteten Gruppe nicht zu einem organisierten Protest gegen ihre Behandlung in der Lage (obwohl jedes einzelne von ihnen durchaus in der Lage ist, sich im Rahmen seiner Fähigkeiten gegen bestimmte Dinge zu wehren, und dies auch tut). Wir müssen also aufstehen und zugunsten derer sprechen, die selbst nicht für sich sprechen können. Wenn Sie sich vorstellen, wie lange die schwarze Bevölkerung der Welt auf ihre Gleichberechtigung hätte warten müssen, wenn diese Menschen nicht in der Lage gewesen wären, sie selbst zu fordern, dann können Sie einschätzen, wie schwerwiegend dieses Hindernis ist. Je weniger eine Gruppe in der Lage ist, sich organisiert gegen ihre Unterdrückung zu wehren, desto leichter wird sie unterdrückt.

Für die Aussichten der Tierbefreiungsbewegung ist aber noch bezeichnender, dass fast alle Mitglieder der unterdrückenden Gruppe in diese Unterdrückung direkt verstrickt sind und davon zu profitieren glauben. Nur wenige Menschen können die Unterdrückung von Tieren mit der Unparteilichkeit betrachten, die zum Beispiel die weißen Nordstaatler besaßen, als sie über die Sklaverei in den Südstaaten debattierten. Aber \Menschen, die tagtäglich Stücke von geschlachteten nichtmenschlichen Lebewesen essen, fällt es ziemlich schwer zu glauben, dass sie damit etwas Falsches tun, und sie können sich auch kaum vorstellen, was sie denn sonst essen könnten. In dieser Frage sind alle, die Fleisch essen, parteiisch. Sie profitieren - oder zumindest glauben sie es — von der gegenwärtigen Missachtung der Interessen nichtmenschlicher Tiere. Das macht es schwerer, sie zu überzeugen. Wie viele Sklavenhalter in den amerikanischen Südstaaten ließen sich denn von den Argumenten überzeugen, die ihnen die Befürworter der Sklavenbefreiung aus dem Norden entgegenhielten und die heute von fast allen von uns akzeptiert werden? Einige, aber nicht viele. Ich fordere Sie auf, von Ihrem Interesse am Fleischessen abzusehen, wenn Sie die Argumente dieses Buches prüfen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies auch bei noch so gutem Willen keine ganz einfache Sache ist. Denn viele Jahre, in denen wir uns ans Fleischessen gewöhnt haben, stehen hinter jedem momentanen Wunsch, in einer bestimmten Situation Fleisch zu essen, und haben unsere Einstellung zu den Tieren geprägt.

Gewohnheit. Das ist die entscheidende Schranke, der sich die Tierbefreiungsbewegung gegenübersieht. Und nicht nur Essensgewohnheiten, sondern auch Denk- und Sprachgewohnheiten müssen hinterfragt und geändert werden. Unsere Denkgewohnheiten machen es uns leicht, BeSchreibungen von Grausamkeit gegenüber Tieren als emotional und »nur für Tierfreunde« abzutun. Oder es wird darauf verwiesen, dass dieses Problem im Vergleich mit menschlichen Problemen doch viel zu banal sei, als dass ein vernünftiger Mensch ihm Zeit und Aufmerksamkeit widmen würde. Auch das ist ein Vorurteil. Denn wie können wir wissen, dass ein Problem banal ist, wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, uns damit auseinanderzusetzen und seine Ausmaße kennenzulernen? Um eine möglichst gründliche Auseinandersetzung zu ermöglichen, behandelt dieses Buch nur zwei Bereiche von vielen, in denen Menschen anderen Lebewesen Leid zufügen. Dennoch glaube ich nicht, dass irgendjemand, der dieses Buch ganz liest, jemals wieder denken wird, die einzigen Probleme, die Zeit und Energie verdienen, seien Probleme, die Menschen betreffen.

Wir können die Denkgewohnheiten in Frage stellen, die uns dazu bringen, die Interessen von Tieren zu missachten, und auf den folgenden Seiten wird genau das geschehen. Dazu muss irgendeine Sprache verwendet werden, und in diesem Fall ist es die deutsche Sprache. Und sie reflektiert wie alle anderen Sprachen die Vorurteile derer, die sie benutzen. Autoren und Autorinnen, die diese Vorurteile angreifen wollen, befinden sich also in einer wohlbekannten Zwickmühle: Entweder sie benutzen die Sprache, die genau die Vorurteile nährt, die sie hinterfragen wollen, oder sie können sich nicht mit ihrem Publikum verständigen. Dieses Buch hat sich gezwungenermaßen schon auf den ersten der beiden Wege begeben. Wir benutzen normalerweise das Wort »Tiere«, wenn es eigentlich heißen müsste »nichtmenschliche Tiere«. Dieser Wortgebrauch trennt die Menschen von den anderen Tieren und impliziert damit, dass wir selbst keine Tiere sind — doch alle von uns, die in der Schule einige Stunden Biologie hatten, wissen, dass diese Implikation falsch ist.

Im normalen Gebrauch wirft der Ausdruck »Tier« so unterschiedliche Lebewesen wie Austern und Schimpansen zusammen und gräbt gleichzeitig einen Graben zwischen Schimpansen und Menschen. Tatsächlich sind wir aber mit den Schimpansen viel näher verwandt, als es die Austern sind. Da es nun einmal keinen anderen kurzen Begriff für nichtmenschliche Tiere gibt, musste ich »Tier« im Titel dieses Buches und auch im Buch selbst so verwenden, als ob damit nicht auch das menschliche Tier gemeint sei. Das ist zwar eine bedauerliche Abweichung von einer reinen revolutionären Terminologie, aber um eine gut funktionierende Verständigung sicherzustellen, schien sie mir notwendig. Um Sie jedoch daran zu erinnern, dass dies nur um der leichteren Verständigung willen geschieht, werde ich hin und wieder längere und zutreffendere Bezeichnungen für die Lebewesen benutzen, die in früheren Zeiten die »niedere Kreatur« genannt wurden.

Grundsätzlich habe ich versucht, eine Sprache zu vermeiden, die Tiere abwertet oder die Herkunft der Nahrung, die wir essen, verschleiert.

Die Grundprinzipien, auf denen die Befreiung der Tiere basiert, sind einfach. Ich habe versucht, ein klares und leicht verständliches Buch zu schreiben, das keinerlei Vorkenntnisse voraussetzt.

Dennoch ist es notwendig, dass ich mit einer Darstellung der Prinzipien beginne, die meiner Position zugrunde liegen. Zwar ist auch daran nichts wirklich schwierig, aber trotzdem könnte es sein, dass Leser und Leserinnen, die mit dieser Art von Argumenten nicht vertraut sind, das erste Kapitel ziemlich abstrakt finden. Lassen Sie sich nicht abschrecken. In den darauffolgenden Kapiteln werden wir uns direkt mit den wenig bekannten Einzelheiten befassen, wie unsere eigene Spezies andere Spezies unter unserer Kontrolle unterdrückt, und weder an dieser Unterdrückung noch an den Kapiteln, die sie beschreiben, ist irgendetwas abstrakt.

Würden die Vorschläge berücksichtigt, die ich in den folgenden Kapiteln mache, könnten Millionen von Tieren beträchtliche Leiden erspart bleiben, und darüber hinaus würden Millionen von Menschen ebenfalls davon profitieren. Während ich das schreibe, verhungern Menschen in vielen Teilen der Welt, und viele Menschen sind unmittelbar vom Hungertod bedroht. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat klargestellt, dass sie aufgrund schlechter Ernten und abnehmender Getreidevorräte nur begrenzt - und unzureichend - zu helfen vermag. Aber in Kapitel 4 dieses Buches werden wir sehen, dass durch die Vorliebe der wohlhabenden Nationen für die Aufzucht von Tieren zur Fleischproduktion ein Vielfaches der Nahrungsmittel verschwendet wird,

die man schließlich erzeugt. Wenn wir aufhören würden, Tiere zu Nahrungszwecken zu züchten und zu töten, könnten wir so viel zusätzliche Nahrung für Menschen schaffen, dass - bei richtiger Verteilung dieser Nahrung — Hungertod und Unterernährung von unserem Planeten verschwinden würden. Die Befreiung der Tiere ist zugleich die Befreiung der Menschen.

Vorwort

zur Ausgabe von 1996

Ich lese das Vorwort zur ersten Ausgabe dieses Buches, und es ist mir, als kehrte ich in eine Welt zurück, die ich bereits fast vergessen hatte. Heute bieten mir Leute, die sich über das Wohl der Tiere Gedanken machen, keine Schinkensandwiches mehr an, und die aktiven Mitglieder der Tierbefreiungsbewegung leben alle vegetarisch. Selbst in der eher konservativen Tierschutzszene existiert inzwischen ein gewisses Bewusstsein hinsichtlich der Problematik, Tiere zu essen diejenigen, die es dennoch tun, sehen darin zumindest einen Anlass, sich zu entschuldigen und sind gerne bereit, Alternativen anzubieten, wenn sie für andere kochen. Es existiert ein neues Bewusstsein dafür, dass es notwendig ist, die Sympathien für Hunde und Katzen auf Schweine, Hühner und sogar Laborratten auszudehnen.

Ich weiß nicht, welchen Anteil an diesen Veränderungen sich Animal Liberation zuschreiben darf.

In populären Zeitschriften wurde das Buch als »die Bibel der Tierbefreiungsbewegung« gehandelt.

Natürlich schmeichelt mir das, aber zugleich wird mir bei dem Gedanken daran unbehaglich. Ich glaube nicht an Bibeln: kein Buch ist im alleinigen Besitz der Wahrheit. Und wie auch immer, kein Buch kann irgendetwas bewirken, wenn es die Menschen, die es lesen, nicht in ihrem Inneren berührt. Die Befreiungsbewegungen der 60er Jahre haben die Befreiung der Tiere als einen natürlichen nächsten Schritt erscheinen lassen. In diesem Buch habe ich die Argumente gesammelt und ihnen eine zusammenhängende Form gegeben. Alles andere haben einige außergewöhnliche Leute vollbracht, die sich über ethische Fragen Gedanken machen und hart arbeiten. Aus ihnen besteht die Tierbefreiungsbewegung — zuerst waren es Einzelne, dann Hunderte, aus denen langsam Tausende wurden, und inzwischen sind es möglicherweise Millionen. Ihnen widme ich diese überarbeitete Ausgabe meines Buches. Denn ohne sie wäre diesem Buch vielleicht das gleiche Schicksal widerfahren wie Henry Salts Buch Animals' Rights, das 1892 veröffentlicht wurde und in den Regalen der British Museum Library verstaubte, bis eine neue Generation achtzig Jahre später die Argumente neu formulierte, dabei über einige abgelegene Hinweise auf das Buch stolperte und schließlich entdeckte, dass alles schon einmal gesagt worden war, aber umsonst.

Dieses Mal wird es nicht vergeblich sein. Die Bewegung ist dafür inzwischen zu groß geworden.

Wichtige Erfolge sind bereits erzielt, und noch größere liegen vor uns. Die Tierbefreiungsbewegung erstreckt sich inzwischen über die ganze Welt, und auch in Zukunft wird man mit ihr rechnen müssen.

Es kommt häufig vor, dass mich Leute fragen, ob ich glücklich darüber bin, dass die Bewegung so gewachsen ist. Und schon an der Art und Weise, wie sie das fragen, ist ersichtlich, welche Antwort sie erwarten. Sie erwarten, dass ich sage, ich hätte nie auch nur zu träumen gewagt, dass das Buch eine solche Wirkung haben würde. Aber sie täuschen sich. Zumindest in meinen Träumen sagten alle, die das Buch lasen: »Aber ja, natürlich ...«, und fingen sofort an, vegetarisch zu leben und gegen das zu protestieren, was wir Tieren antun, damit noch mehr Leute das Anliegen der Tierbefreiungsbewegung hörten. Und in meinen Träumen konnten wenigstens die schlimmsten und unnötigsten Formen des Leidens von Tieren durch eine vehemente Welle öffentlichen Protests schnell beendet werden.

Gewiss, aus solchen Träumen holte mich mein Wissen um die Hindernisse schnell zurück: der Konservatismus fast aller von uns, wenn es darum geht, was wir unserem Magen einverleiben; der Kreis der finanziell Interessierten, die bis zur letzten Million kämpfen würden, um ihr Recht zu verteidigen, Tiere um der Gewinnmaximierung willen auszubeuten; und das schwere Gewicht von Geschichte und Tradition, auf denen unsere Einstellungen ruhen, die diese Ausbeutung rechtfertigen. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich Leute getroffen und Briefe von vielen, vielen Leuten bekommen habe, die das Buch gelesen hatten und sagten: »Ja, natürlich ...«, die aufhörten, Tiere zu essen und begannen, in der Tierbefreiungsbewegung mitzuarbeiten. Und noch mehr freue ich mich natürlich darüber, dass der jahrelange harte Kampf vieler Leute dazu geführt hat, dass die Tierbefreiungsbewegung heute eine politische und gesellschaftliche Realität ist. Aber auch das ist noch nicht genug, nicht annähernd genug. Wie diese Ausgabe des Buches nur allzu deutlich zeigt, hat die Bewegung bisher auf die wichtigsten Formen der Ausbeutung von Tieren nur sehr wenig Einfluss gehabt.

Animal Liberation wurde 1975 veröffentlicht, und in dieser ersten Ausgabe war das Buch seitdem im Handel. Jetzt müssen aber drei Aspekte überarbeitet werden. Erstens: als das Buch erschien, gab es noch keine Tierbefreiungsbewegung. Der Begriff selbst war damals noch unbekannt, und große Organisationen, die dafür arbeiteten, dass sich in den Denk- und Verhaltensweisen der Menschen gegenüber den Tieren ein radikaler Wandel vollzog, gab es nicht, selbst kleine waren schwer zu finden. Jetzt, 20 Jahre später, wäre es aber zweifellos merkwürdig, wenn in einem Buch mit dem Titel Befreiung der Tiere keine Notiz von der Existenz der modernen Tierbefreiungsbewegung genommen würde und somit auch nicht einige Worte zur Entwicklung dieser Bewegung gesagt würden.

Zweitens: die Entstehung der modernen Tierbefreiungsbewegung war von einer erstaunlichen Zunahme der Literatur zu diesem Thema begleitet — viele dieser Schriften nahmen Bezug auf die Position, die ich in der ersten Ausgabe des vorliegenden Buches vertreten habe. Auch habe ich mit Frauen und Männern, mit denen ich befreundet bin oder die ich aus der Arbeit in der Tierbefreiungsbewegung kenne, lange Abende damit verbracht, philosophische Fragen und die praktischen Schlüsse, die aus ihnen folgen, zu diskutieren. Es schien mir notwendig, auf all dies irgendwie zu reagieren, und sei es auch nur, damit ersichtlich ist, ob und in welchem Ausmaß ich meine früheren Auffassungen inzwischen geändert oder beibehalten habe.

Drittens: das zweite und dritte Kapitel des Buches beschreiben die Auswirkungen unserer gegenwärtigen Einstellungen gegenüber Tieren in zwei wichtigen Bereichen, nämlich bei Tierversuchen und in den Tierhaltungsbetrieben. Irgendwann fingen die Leute an zu sagen: »Ja, schon, aber seit das geschrieben wurde, ist alles viel besser geworden«, und seitdem weiß ich, dass ich dokumentieren muss, was heute in Labors und in den Agrarbetrieben geschieht. Ich weiß, dass ich meine Leser und Leserinnen mit Beschreibungen konfrontieren muss, die nicht einfach mit dem Hinweis abgetan werden können, dass sie aus einer dunklen, schon lange vergangenen Zeit stammten.

Die neuen Beschreibungen machen den größten Teil der Unterschiede zwischen den beiden Ausgaben aus. Allerdings bin ich Vorschlägen nicht gefolgt, auch noch andere Formen des Missbrauchs von Tieren darzustellen. Denn die Beschreibung der Fakten hat nicht das Ziel, einen umfassenden Bericht darüber zu liefern, wie wir Tiere behandeln. Sie soll vielmehr, und darauf weise ich am Ende des ersten Kapitels auch hin, dazu dienen, die Implikationen des dort behandelten, eher abstrakten philosophischen Begriffs des Speziesismus klar, konkret und mit aller Schärfe aufzuzeigen. Dass ich zu den Diskussionen über die Jagd, über das Fallenstellen, die Pelzindustrie, über die Missstände im Umgang mit Haustieren, über Rodeos, Zoos und Zirkusse hier nichts sage, bedeutet nicht, dass diese Fragen weniger wichtig sind. Es bedeutet nur, dass die beiden Hauptbereiche, die Tierversuche und die Tierhaltung zur Nahrungserzeugung, genügen, um das zu zeigen, worauf es mir ankommt.

Auf alle Kommentare einzugehen, die von Philosophen zu den ethischen Argumenten dieses Buches gemacht wurden, hätte bedeutet, die Art des Buches völlig zu verändern. Es wäre dadurch zu einem akade- misch-philosophischen Werk geworden, das vielleicht meine Kollegen in der Philosophie interessiert hätte, das aber für alle anderen Leser und Leserinnen ermüdend gewesen wäre. Ich habe mich deshalb dagegen entschieden, die Beantwortung all dieser Punkte zu versuchen. Stattdessen habe ich an geeigneten Stellen im Text auf einige andere Schriften hingewiesen, in denen ich auf bestimmte Einwände geantwortet habe. Außerdem habe ich einen Abschnitt des Schlusskapitels neu geschrieben, weil ich meine Meinung über die dort behandelte philosophische Frage geändert habe, die mit den ethischen Grundlagen der Argumentation dieses Buches nur am Rande verknüpft ist. Diese Grundlagen selbst habe ich in Vorlesungen behandelt, ich habe Vorträge bei Konferenzen und in Philosophieseminaren über sie gehalten und sie sowohl mündlich als auch schriftlich ausgiebig diskutiert. Aber ich bin dabei nicht auf unüberwindliche Einwände gestoßen, nichts wurde mir je entgegengehalten, das mich zu einer anderen Schlussfolgerung gebracht hätte als der, dass die einfachen ethischen Argumente, die diesem Buch zugrunde liegen, stimmig sind. Es hat mich ermutigt festzustellen, dass viele meiner angesehensten Kollegen aus der Philosophie mit diesen Argumenten übereinstimmen. Somit habe ich sie unverändert beibehalten.

Damit bleibt noch zum ersten der drei obengenannten aktualisierungsbedürftigen Aspekte etwas zu sagen: zur Tierbefreiungsbewegung und ihrer Entwicklung.

Einige der wichtigsten Kampagnen und Erfolge der Tierbefreiungsbewegung berücksichtige ich sowohl in meinen Ausführungen zu Tierversuchen und in der Beschreibung der Massentierhaltung, als auch im Schlusskapitel dieser überarbeiteten Ausgabe. Ich habe nicht versucht, diese Aktionen in allen Einzelheiten zu beschreiben, denn in einem Buch mit dem Titel Verteidigung der Tiere, das ich vor einiger Zeit herausgegeben habe, haben dies bereits einige der führenden Köpfe dieser Kampagnen selbst getan. Dennoch muss eine für die ganze Bewegung wichtige Frage an einer zentralen Stelle dieses Buches aufgegriffen werden, und ich will dies gleich hier tun. Es handelt sich um die Frage der Gewalt.

Aktive Mitglieder der Tierbefreiungsbewegung haben sich um eine ganze Reihe von Möglichkeiten bemüht, ihrem Ziel, der Befreiung der Tiere, näherzukommen. Einige versuchen, die Öffentlichkeit aufzuklären, indem sie Flugblätter verteilen und Briefe an Zeitungen schreiben.

Andere nehmen Einfluss auf Regierungsbeamte und die ins Parlament gewählten Abgeordneten.

Manche Organisationen veranstalten Demonstrationen und protestieren in der nächsten Umgebung von Orten, wo Tiere um trivialer menschlicher Zwecke willen gequält werden. Aber viele werden ungeduldig, denn durch solche Aktionen können nur langsam Fortschritte erzielt werden, und viele möchten etwas unternehmen, das direkte Wirkungen hat, um dem Leiden sofort ein Ende zu machen.

Wer um das Leiden der Tiere weiß, wird sich außerstande sehen, diese Ungeduld zu verurteilen.

Angesichts der anhaltenden Gräueltaten kann es wirklich nicht genug sein, sich hinzusetzen und Briefe zu schreiben. Es geht darum, den Tieren jetzt zu helfen. Aber wie? Die normalen legitimen Möglichkeiten für den politischen Protest wirken langsam und sind unsicher. Sollte man einbrechen und die Tiere befreien? Das ist zwar gesetzeswidrig, aber es gibt keine absolute Pflicht, Gesetze zu befolgen. So brachen, um nur einen ähnlich gelagerten Fall zu nennen, die Menschen völlig gerechtfertigt das Gesetz, die in den Südstaaten Amerikas geflohenen Sklaven halfen. Ein viel ernsteres Problem liegt darin, dass die buchstäbliche Befreiung von Tieren aus Laboratorien und Massentierhaltungsbetrieben nur eine Geste sein kann, um ein Zeichen zu setzen. Denn einerseits werden die Forscher einfach eine neue Lieferung Tiere bestellen, und andererseits ist es kaum möglich, für 1000 befreite Schweine oder 100000 Legehennen eine neue Unterbringung zu finden.

In mehreren Ländern haben sich Aktionen der Animal Liberation Front als viel erfolgreicher erwiesen, wenn es darum ging, Beweismaterial über Missstände sicherzustellen, die sonst niemals

ans Licht gekommen wären. Bei dem Überfall auf das Labor von Dr. Thomas Gennarelli an der University of Pennsylvania gelang es zum Beispiel, durch die Beweiskraft von gestohlenen Videobändern sogar den Ge- sundheits- und Sozialminister davon zu überzeugen, dass die Versuche beendet werden mussten. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dieses Ergebnis mit anderen Mitteln hätte erreicht werden können, und ich kann die Menschen, die diese spezielle Aktion so mutig, sorgfältig und umsichtig geplant und durchgeführt haben, nur beglückwünschen.

Aber es gibt andere illegale Aktionen, die sich von der eben beschriebenen grundsätzlich unterscheiden. Eine Gruppe namens »Animal Rights Militia« schickte 1982 Briefbomben an Margaret Thatcher, und 1988 wurde die militante Tierschützerin Fran Trutt verhaftet, als sie dabei war, in der Nähe der Büros der U.S. Surgical Corporation eine Bombe zu legen. Die Gesellschaft hatte lebende Hunde benutzt, um an ihnen die Funktionsweise ihrer chirurgischen Heftgeräte zu demonstrieren. Keine dieser beiden Aktionen war in irgendeinem Sinne charakteristisch für die Tierbefreiungsbewegung. Von der Animal Rights Militia hatte zuvor noch nie jemand gehört, und alle britischen Tierbefreiungsorganisationen verurteilten sofort ihr Handeln. Fran Trutt war eine Ein- zelkämpferin, und ihr Tun wurde von der amerikanischen Bewegung prompt öffentlich verurteilt. (Auch gab es Hinweise darauf, dass es sich um eine Falle gehandelt hatte, denn Fran Trutt wurde von einem verdeckt arbeitenden, bezahlten Informanten des Sicherheitsberaters der Firma zu den Büros gefahren.) Solche Aktionen müssen aber als Extremfälle des Spektrums von Drohungen und Belästigungen gegenüber Experimentatoren, Pelzhändlern und anderen, die Tiere ausbeuten, gesehen werden, und darum ist es wichtig, dass all jene innerhalb der Tierbefreiungsbewegung ihre Position gegenüber solchen Aktionen eindeutig klarstellen.

Auch wenn nur eine kleine Minderheit innerhalb der Tierbefreiungsbewegung versuchen würde, ihren Zielen näherzukommen, indem sie andere verletzt, wäre dies ein tragischer Fehler. Einige glauben zwar, dass Menschen, die Tieren Leid zufügen, verdienen, dass man ihnen selbst Leid zufügt. Aber ich halte nichts von Rache, und selbst wenn ich es täte, wäre der Rachegedanke doch nur eine schädliche Ablenkung von unserer Aufgabe, das Leiden zu beenden. Wir müssen, wenn wir diese Aufgabe erfüllen weilen, eine Veränderung im Denken der einsichtigen Mitglieder unserer Gesellschaft bewirken. Wir mögen davon überzeugt sein, dass eine Person, die Tiere missbraucht, völlig abgestumpft und gefühllos sein muss, aber wir stellen uns mit solchen Leuten auf eine Ebene, wenn wir sie körperlich verletzen oder ihnen damit drohen. Gewalt kann nur wiederum Gewalt erzeugen — ein Klischee, gewiss, aber seine tragische Wahrheit beweist sich beständig in vielen Konflikten auf der ganzen Welt. Die Stärke des Arguments für eine Befreiung der Tiere liegt in seinem hohen ethischen Anspruch; wir übernehmen damit eine große moralische Verpflichtung, und sie fallen zu lassen würde bedeuten, denen in die Hände zu spielen, gegen die wir kämpfen.

Es gibt eine Alternative zum Weg der ständig wachsenden Gewalt. Sie besteht darin, dem Vorbild der beiden größten - und nicht nur zufällig erfolgreichsten - Führer von Freiheitsbewegungen der jüngeren Vergangenheit zu folgen: Gandhi und Martin Luther King. Ungeachtet der Provokationen und oft gewalttätigen Angriffe ihrer Gegner haben sie mutig und mit großer Entschlossenheit am Prinzip der Gewaltlosigkeit festgehalten. Schließlich hatten sie Erfolg, denn die Gerechtigkeit ihres Anliegens war unleugbar, und ihr Verhalten hatte sogar ihre Gegner nachdenklich gestimmt. Das Unrecht, das wir anderen Spezies zufügen, ist - wenn es erst einmal in vollem Umfang wahrgenommen wird - genauso unleugbar; und deshalb liegen die Erfolgsaussichten unseres Anliegens nicht in der Angst vor unseren Bomben, sondern in der Richtigkeit unserer Sache.

Vorwort zur deutschen Ausgabe von 2015 Ich freue mich sehr, dass Animal Liberation erneut in einer deutschen Ausgabe verfügbar ist.

Zusammen mit den anderen europäischen Ländern haben Deutschland, Osterreich und die Schweiz

eine wichtige Rolle für den Fortschritt gespielt, der mit Blick auf die Tiere in den letzten 40 Jahren stattgefunden hat. Ich habe die Hoffnung, dass diese neue Ausgabe meines Buches eine neue Generation von Aktivistinnen und Aktivisten anspornen wird, sich der Sache der Tiere anzunehmen.

Und ich habe auch die Hoffnung, dass dieses Buch vielen zeigt, dass Philosophie wirklich wichtig ist. Philosophische Argumente müssen nicht undurchsichtig und weitab vom täglichen Leben sein.

Im Gegenteil, sie können sich auf etwas so Konkretes und Unmittelbares wie unser Essen beziehen, und sie können Leben verändern. Ich weiß das, weil bei meinen öffentlichen Vorträgen sehr oft Leute zu mir kommen und mir erzählen, dass dieses Buch ihr Leben verändert hat.

Im Jahr 1971, als ich Student in Oxford war, stand ich mit ein paar anderen Studierenden in einer belebten Oxforder Straße und verteilte Infoblätter, um gegen die Käfighaltung von Hühnern zu protestieren. Die meisten derer, die ein Infoblatt mitnahmen, wussten nicht, dass ihre Eier von Hühnern gelegt worden waren, die in so kleinen Käfigen lebten, dass sie ihre Flügel weder völlig ausstrecken noch mit ihnen schlagen konnten. Die Hühner konnten nicht frei herumlaufen oder ihre Eier in ein Nest legen.

Damals gab es von keiner der wichtigen Organisationen irgendwelche Aktionen gegen die Agrarindustrie. In Großbritannien hatte die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals, die Mutter aller Tierschutzorganisationen, ihre frühe Radikalität verloren. Sie konzentrierte sich auf einzelne Missbrauchsfälle und versäumte es, gängigen Formen des Missbrauchs von Tieren in der Agrarindustrie und in Laboratorien den Kampf anzusagen. Es brauchte die gemeinsame Anstrengung der neuen radikalen Aktivisten für Tiere in den 1970er Jahren, um die RSPCA aus ihrer Gleichgültigkeit gegen die Käfighaltung und andere Formen der Intensivhaltung von Tieren aufzurütteln.

In den 1980er Jahren begannen Kosmetikfirmen unter dem Druck der Tierbefreiungsbewegung, Geld in die Suche nach Alternativen zu Tierversuchen zu investieren. Die Entwicklung von Produkttestverfahren, die ohne Tiere auskommen, hat inzwischen eine gewisse Eigendynamik in der wissenschaftlichen Gemeinschaft gewonnen und ist zum Teil verantwortlich dafür, die Zahl der verwendeten Tiere niedrig zu halten.

Die überwältigende Mehrheit der von Menschen misshandelten Tiere sind jedoch Tiere in der Agrarwirtschaft - eine geschätzte Zahl von 60 Milliarden Säugetieren und Vögeln werden jedes Jahr weltweit für Ernährungszwecke getötet. Da die meisten dieser Tiere unter Bedingungen der Intensivhaltung aufgezogen werden, erstreckt sich ihr Leiden über ihr gesamtes Leben. Millionen von Konsumenten und Konsumentinnen waren sich einig, dass solche Formen, Tiere zu halten, nicht akzeptabel sind, als sie von ihnen erfuhren. Sie begannen, solche grausam erzeugten Produkte zu vermeiden, und einige Supermärkte hörten auf, Eier aus Legebatterien anzubieten. In vielen europäischen Ländern wurde der Tierschutz zum politisch relevanten Thema, und der Druck auf die Regierungen stieg.

In der Schweiz wurde die Käfighaltung von Legehennen Ende 1991 gesetzlich verboten. Statt ihre Hennen in kleine Drahtkäfige zu sperren, die zu klein waren, um ihnen zu erlauben, ihre Flügel auszustrecken, hielten die Schweizer Produzenten sie in Hallen, deren Boden mit Stroh j^der anderem Material bedeckt waren, in dem die Hühner scharren konnten, und wo sie ihre Eier in eine geschützte Legebox mit weichem Untergrund legen konnten. Nachdem die Schweiz einmal gezeigt hatte, dass Veränderung möglich ist, wuchs der Widerstand gegen die Legebatterien europaweit. Die Europäische Union richtete einen wissenschaftlichen Ausschuss ein, um Tierschutzbelange in der Agrarindustrie zu untersuchen, und der Aussschuss empfahl, die Käfighaltung zu verbieten — ebenso wie einige andere Formen der Einsperrung auf engem Raum bei Schweinen und Kälbern.

Wie auf den folgenden Seiten dargestellt wird, gehörten Milchkälber in der Intensivaufzucht, die absichtlich anämisch gemacht wurden, denen man Stroh und Einstreu vorenthielt, und die in Boxen gehalten wurden, sie so eng waren, dass sich die Kälber nicht einmal umdrehen konnten, zu den elendsten unter allen Tieren in der Agrarindustrie. Diese Form der Kälberhaltung war in Großbritannien schon verboten, als ich den Text dieses Buches für die Ausgabe von 1990

überarbeitete (dieser Text folgt auch auf dieses Vorwort). Heute ist die Boxenhaltung von Kälbern in ganz Europa verboten.

Die Haltung von Hühnern in Legebatterien wurde 2012 europaweit verboten. Unglücklicherweise erlaubt die Europäische Union aber weiterhin die Haltung in Käfigen, die mehr Platz bieten und über Legeabteile und einen Scharrbereich verfügen.

Die nächste Form der agrarindustriellen Tierhaltung, die abgeschafft wurde, war die Haltung von Säuen während der kompletten Schwangerschaft in Boxen, die so eng waren, dass sie sich nicht umdrehen, geschweige denn auch nur ein paar Schritte laufen konnten. Schwangere Säue in Einzelboxen einzusperren wurde 2013 in Europa verboten, allerdings mit Ausnahme der ersten vier Wochen der Schwangerschaft.

Das sind wichtige Zeichen des Fortschritts und der Rechtfertigung dessen, was Fürsprecher für die Tiere Jahrzehnte zuvor schon gesagt hatten. 1971 waren wir einige wenige junge Idealisten, die sich mit einer gigantischen Industrie anlegten, die genug Macht und Geld zu haben schien, um jeden Widerstand niederzuwalzen. Zum Glück haben sich die Ideen der Tierbefreiungsbewegung als mächtig genug erwiesen, um Systeme zu verändern, in denen Hunderte Millionen Tiere leben und sterben.

Dennoch akzeptiert die Bewegung für die Tiere die neuen europäischen Systeme zur Haltung von Hühnern oder Schweinen nur als vorübergehende Maßnahme, und das ist auch gut so. Das Ziel bleibt, die kommerzielle Ausnutzung von Tieren zu beenden. Solange Menschen Tiere oder deren Milch oder Eier essen wollen und es einen Wettbewerbsmarkt dafür gibt, Produkte von Tieren zum niedrigstmöglichen Preis anzubieten, wird das Produktionssystem diejenigen belohnen, die diese Forderung erfüllen. Oft wird das bedeuten, dass Tiere schlecht behandelt werden, und es wird immer bedeuten, die Vorstellung aufrechtzuerhalten, dass Tiere nichts als Produkte zu unserem Gebrauch seien. Es ist deshalb ermutigend, die wachsende Zahl von Menschen zu sehen, die vegetarisch oder vegan werden, und eine noch größere Zahl, die aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen ihren Fleischkonsum reduzieren. In den 1970er Jahren war man als Vegetarier ein Sonderling. Der Begriff »vegan« war komplett unbekannt, und man konnte ihn nur verwenden, wenn man gleich auch erklärte, was er bedeutet. Seitdem ist die Zahl der Vegetarier/innen und Veganer/innen kontinuierlich gestiegen und steigt weiterhin. Selbst in Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo praktisch jedes Hauptgericht der herkömmlichen Küche Fleisch, Eier oder Käse enthält, erscheint jetzt veganes Essen auf den Speisekarten und in den Supermärkten.

Nicht alle, die zu einer vegetarischen oder veganen Ernährung wechseln, tun dies, um das Leiden von Tieren zu vermindern. Größeres Be- wusstsein des enormen Anteils, den die Nutztierindustrie an den Treibhausgasemissionen hat — mehr als der komplette Transportsektor —, hat viele Umweltschützer und Umweltschützerinnen dazu gebracht, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren oder als »Flexitarier« Fleisch nur zu besonderen Anlässen zu essen. Die Nachfrage nach pflanzenbasierten Produkten, die Fleisch imitieren, wächst. Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass wir nicht unumstößlich unterwegs in eine Zukunft sind, in der mehr und mehr Tiere leiden, mehr und mehr Getreide und Sojabohnen verschwendet werden und mehr und mehr Treibhausgase aus der Tierproduktion die Erderwärmung beschleunigen. Alle, die — aus welchen Gründen auch immer — Tierprodukte vermeiden, reduzieren jedenfalls die Macht und den Einfluss der Industriezweige, die Tiere ausbeuten, steigern außerdem die Nachfrage nach pflanzenbasierten Produkten und machen es so für andere einfacher, ihnen auf diesem Weg zu folgen. Auf diese Art leisten sie alle einen Beitrag zur Befreiung der Tiere.

Peter Singer, Princeton 2015

1 Alle Tiere sind gleich oder warum das ethische Prinzip, auf dem die Gleichheit der Menschen beruht, von uns fordert, die gleiche Berücksichtigung auch auf Tiere auszudehnen »Befreiung der Tiere«, das klingt möglicherweise eher nach einer Parodie auf andere Befreiungsbewegungen als nach einem ernsthaft anzustrebenden Ziel. Tatsächlich diente die Vorstellung eines »Rechts der Tiere« einmal dazu, die Argumente für die Rechte der Frauen ins Lächerliche zu ziehen. Als Mary Wollstonecraft, eine frühe Feministin, 1792 ihr Buch A Vindication of the Rights of Woman [Eine Verteidigung der Rechte der Frauen] veröffentlichte, hielten viele ihre Ansichten für absurd, und es dauerte nicht lange, bis ein anonymes Werk erschien, das den Titel »Eine Verteidigung der Rechte der Tiere« trug. Der Verfasser dieser Satire (es ist mittlerweile bekannt, dass es Thomas Taylor war, ein angesehener Philosophieprofessor an der Universität Cambridge) versuchte Mary Wollstonecrafts Argumente zu widerlegen, indem er zeigte, dass sie sich noch einen Schritt weiter führen ließen. Denn wenn die Gleichheitsargumente für die Frauen gültig waren, warum sollte man sie dann nicht auch auf Hunde, Katzen und Pferde anwenden können? Die Begründung schien auch für diese »niederen Kreaturen« zu gelten, aber zu behaupten, dass Tiere Rechte hätten, war ohne jeden Zweifel absurd. Die Argumentation, die zu diesem Ergebnis geführt hatte, musste demnach fehlerhaft sein, und wenn sie hinsichtlich der Tiere fehlerhaft war, dann musste sie es auch hinsichtlich der Frauen sein, denn in beiden Fällen waren genau die gleichen Argumente verwendet worden. - Um die Grundlage der Argumentation für die Gleichheit der Tiere besser erklären zu können, dürfte es nützlich sein, mit der Untersuchung der Argumente für die Rechte der Frauen zu beginnen. Nehmen wir an, wir wollten die Rechte der Frauen gegen Thomas Taylors Angriff verteidigen. Was sollten wir ihm antworten?

Einmal könnten wir sagen, dass es unbegründet sei, die Frage der Gleichheit zwischen Männern und Frauen auf nichtmenschliche Tiere auszudehnen. Frauen haben zum Beispiel das Wahlrecht, weil sie wie Männer in der Lage sind, vernünftige zukunftsbezogene Entscheidungen zu treffen. Hunde können hingegen nicht verstehen, was es bedeutet zu wählen, und deshalb kann man ihnen auch kein Wahlrecht einräumen. Auch in vielen anderen Aspekten sind Frauen und Männer sich sehr ähnlich, während Menschen und Tiere sich hier stark unterschei-den. Wir könnten deshalb sagen, Männer und Frauen seien ähnliche Wesen und sollten deshalb ähnliche Rechte haben, während Menschen und nichtmenschliche Lebewesen verschieden seien und deshalb nicht die gleichen Rechte haben sollten.

Ein Stück weit ist der Gedankengang dieser Antwort auf Taylors Analogie richtig, aber er geht nicht weit genug. Zwischen Menschen und anderen Tieren gibt es ganz offensichtlich wichtige Unterschiede, und diese müssen sich in irgendwelchen Unterschieden in den Rechten niederschlagen, die beiden zustehen. Diese offensichtliche Tatsache ist aber kein Hinderungsgrund, das Grundprinzip der Gleichheit auf nichtmenschliche Tiere auszudehnen. Die Unterschiede, die zwischen Männern und Frauen bestehen, sind genauso unleugbar, und Feministinnen sind sich durchaus bewusst, dass sie sich auch in unterschiedlichen Rechten niederschlagen können. Viele von ihnen vertreten den Standpunkt, dass Frauen ein Recht auf Abtreibung haben. Aber daraus, dass diese Feministinnen sich zugleich für die Gleichheit der Geschlechter einsetzen, folgt nicht, dass sie auch für Männer das Recht auf Abtreibung fordern müssten. Männer können nicht schwanger werden, somit auch nicht abtreiben, und deshalb wäre es sinnlos, hier von einem Recht auf Abtreibung zu sprechen. Ebenso sinnlos ist es, von einem Wahlrecht für Hunde zu sprechen, denn Hunde können nicht wählen. Es gibt wirklich keinen Grund, warum sich entweder die Frauenbewegung oder die Tierbefreiungsbewegung mit einem solchen Unsinn befassen sollten. Die Ausdehnung des Grundprinzips der Gleichheit über eine Gruppe hinaus auf eine weitere bedeutet

nicht, dass wir beide Gruppen in genau der gleichen Weise behandeln oder beiden Gruppen genau die gleichen Rechte gewähren müssen. Ob wir das tun sollten, ist von der Beschaffenheit der Mitglieder dieser beiden Gruppen abhängig. Das Grundprinzip der Gleichheit fordert nämlich nicht gleiche oder identische Behandlung, sondern gleiche Berücksichtigung. Die gleiche Berücksichtigung unterschiedlicher Wesen kann aber auch zu unterschiedlicher Behandlung und zu unterschiedlichen Rechten führen.

Es gibt also noch eine andere Möglichkeit, auf Taylors Versuch zu antworten, die Frage der Gleichberechtigung der Frau lächerlich zu machen. Sie besteht darin, die offensichtlichen Unterschiede zwischen Menschen und nichtmenschlichen Lebewesen nicht zu leugnen, sondern das Problem der Gleichheit genauer zu untersuchen, und dabei werden wir sehen, dass die Vorstellung, das Grundprinzip der Gleichheit auch auf die sogenannte »niedere Kreatur« auszudehnen, ganz und gar nicht absurd ist. Im Augenblick mag diese Schlussfolgerung zwar etwas seltsam erscheinen, aber wenn wir uns die Basis genauer ansehen, auf der unsere Ablehnung der Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Rasse oder ihres Geschlechts letzten Endes beruht, müssen wir einsehen, dass wir uns auf unsicherem Boden bewegen, wenn wir Gleichheit für Schwarze, Frauen und andere Gruppen unterdrückter Menschen fordern und zugleich nichtmenschlichen Lebewesen die gleiche Berücksichtigung verweigern. Um das zu verdeutlichen, müssen wir uns zuerst ganz genau mit der Frage befassen, warum Rassismus und Sexismus falsch sind. Was behaupten wir eigentlich, wenn wir sagen, alle Menschen ungeachtet ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihres Geschlechts seien gleich? Befürworter hierarchischer, den Gleichheitsgedanken ablehnender Gesellschaften haben immer wieder darauf hingewiesen, dass - welches Kriterium wir auch immer zugrunde legen - es einfach nicht wahr ist, dass alle Menschen gleich sind. Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die Menschen in vielerlei Hinsicht verschieden sind: sie sind unterschiedlich groß und sehen unterschiedlich aus; sie haben unterschiedliche moralische und intellektuelle Fähigkeiten, sie unterscheiden sich im Ausmaß ihres Wohlwollens und ihrer Empfindsamkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer, sie verfügen über unterschiedliche Möglichkeiten, sich mit ihren Mitmenschen zu verständigen, und sie haben ein unterschiedliches Erleben von Freude und Schmerz. Kurz gesagt: Wenn die Forderung nach Gleichheit auf dem tatsächlichen Gleichsein aller Menschen beruhte, müssten wir sie aufgeben.

Wir könnten aber immer noch die Auffassung vertreten, dass die Forderung nach Gleichheit für alle Menschen sich auf die tatsächliche Gleichheit der verschiedenen Rassen und Geschlechter berufen kann. Wir könnten sagen, dass zwar die Menschen als einzelne verschieden sind, dass es aber zwischen den Rassen und Geschlechtern als solchen keine Unterschiede gibt. Aus der bloßen Tatsache, dass eine Person schwarz oder eine Frau sei, könnten wir nicht auf ihre intellektuellen oder moralischen Fähigkeiten schließen. Aus diesem Grund seien Rassismus und Sexismus falsch.

Der weiße Rassist behauptet, dass Weiße besser seien als Schwarze, aber das ist falsch, denn obwohl es in einzelnen Fällen so sein mag, sind einige Schwarze in allen erdenklichen relevanten Fähigkeiten und Eigenschaften manchen Weißen überlegen. Gegner und Gegnerinnen des Sexismus berufen sich auf das gleiche Argument: Das Geschlecht einer Person ist kein Indiz für ihre Fähigkeiten, und deshalb ist es ungerechtfertigt, jemanden aufgrund seines oder ihres Geschlechts zu diskriminieren.

Dass es individuelle Schwankungen gibt, die sich mit der Geschlechtsoder Rassenzugehörigkeit überschneiden, liefert uns aber noch keine Antwort auf ein etwas ausgefalleneres Argument gegen die Gleichheit. Jemand könnte sagen, die Interessen all der Menschen mit einem Intelligenzquotienten unter 100 sollten weniger berücksichtigt werden als die Interessen derer mit einem Wert von über 100. In einer solchen Gesellschaft würde man vielleicht jene mit einem Wert unter 100 zu Sklaven derer mit höheren Werten machen. Wäre eine solche hierarchische Gesellschaft wirklich besser als eine, deren Hierarchie sich auf Rasse oder Geschlecht gründet? Ich glaube nicht.

Aber wenn wir das moralische Gleichheitsprinzip mit der tatsächlichen Gleichheit der Rassen und Geschlechter als Ganzes verknüpfen, dann liefert uns unsere Ablehnung von Rassismus und Sexismus keine Grundlage, auf der wir gegen eine Position der Ungleichheit wie die zuletzt

beschriebene argumentieren könnten.

Es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund, warum wir unsere Ablehnung von Rassismus und Sexismus nicht auf irgendeine Art faktischer Gleichheit gründen sollten, selbst nicht auf die sehr eingeschränkte Annahme, dass die Unterschiede in den Fähigkeiten und Eigenschaften gleichmäßig auf alle verschiedenen Rassen und zwischen den Geschlechtern verteilt sind: Wir können nicht mit absoluter Sicherheit wissen, dass geistige Anlagen und Fähigkeiten wirldich gleichmäßig unter allen Menschen verteilt sind, ohne Rücksicht auf Rasse und Geschlecht. Hinsichtlich vorhandener Fähigkeiten scheint es gewisse messbare Unterschiede sowohl zwischen den Rassen als auch den Geschlechtern zu geben. Natürlich bestehen sie nicht in jedem einzelnen Fall, aber im statistischen Durchschnitt. Wichtiger ist aber, dass wir noch nicht genau wissen, wie viele dieser Unterschiede genetisch verankert sind und wie viele auf schlechte Schulen, schlechte Wohnverhältnisse und andere Bedingungen zurückzuführen sind, die sich aus der vergangenen und fortbestehenden Diskriminierung ergeben. Möglicherweise werden sich schließlich alle wichtigen Unterschiede als durch die Lebensverhältnisse bedingt herausstellen und nicht als genetisch festgelegt. Das ist bestimmt auch die Hoffnung all derer, die Rassismus und Sexismus ablehnen, denn dies würde die Aufgabe, der Diskriminierung ein Ende zu bereiten, um einiges erleichtern. Dennoch wäre es gefährlich, den Kampf gegen Rassismus und Sexismus allein auf den Glauben zu stützen, dass alle bedeutsamen Unterschiede auf die Lebensverhältnisse zurückgeführt werden können. Sollte sich zum Beispiel jemals heraussteilen, dass es zwischen unterschiedlichen Fähigkeiten und der Rassenzugehörigkeit einen genetischen Zusammenhang gibt, müsste ein Gegner des Rassismus, der diese Linie vertritt, zugeben, dass Rassismus in gewisser Weise vertretbar ist.

Glücklicherweise ist es aber nicht notwendig, dass wir das Argument für die Gleichheit von einem bestimmten Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung abhängig machen. Die angemessene Antwort auf jene, die behaupten, genetisch bedingte Unterschiede in den Fähigkeiten der einzelnen Rassen oder Geschlechter beweisen zu können, besteht nicht im Beharren darauf, dass diese genetische Erklärung falsch sein muss, welcher Gegenbeweis auch immer auftauchen mag, vielmehr sollten wir klar und deutlich sagen, dass die Gleichheitsforderung nicht abhängt von Intelligenz, moralischen Fähigkeiten, Körperkraft oder ähnlichen faktischen Gegebenheiten.

Gleichheit ist eine moralische Vorstellung und keine Tatsachenbehauptung. Es gibt keinen logisch zwingenden Grund anzunehmen, dass ein tatsächlich bestehender Unterschied in den Fähigkeiten zweier Menschen es rechtfertigt, auch deren Bedürfnisse und Interessen in unterschiedlichem Ausmaß zu berücksichtigen. Das Prinzip der Gleichheit aller Menschen ist nicht die Beschreibung einer angenommenen tatsächlichen Gleichheit der Menschen, sondern es ist eine Vorschrifi, die uns sagt, wie wir andere Menschen behandeln sollen.

Jeremy Bentham, der Begründer der reformerischen utilitaristischen Schule der Moralphilosophie, nahm die wesentliche Grundlage der moralischen Gleichheit in sein ethisches System auf durch die Formel: »Jeder zählt als einer und keiner mehr als einer.« Mit anderen Worten heißt das, dass die Interessen eines jeden Wesens, das durch eine Handlung betroffen ist, berücksichtigt und gleichermaßen gewichtet werden müssen wie die entsprechenden Interessen eines jeden anderen Wesens. Ein späterer Utilitarist, Henry Sidgwick, sagte das mit den Worten: »Vom Standpunkt des Universums aus (wenn ich einmal so sagen darf) ist das Wohl irgendeines Individuums nicht wichtiger als das Wohl eines jeden anderen.« Die bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Moralphilosophie zeigen eine weitgehende Übereinstimmung, indem sie als eine grundlegende Voraussetzung ihrer Moraltheorien eine ähnliche Forderung aufstellen, die gewährleisten soll, dass die Interessen jedes Einzelnen gleiche Berücksichtigung finden — wie die Forderung am besten zu formulieren ist, darüber können sich diese Autoren allerdings nicht einigen.1 Die Forderung, dass unsere Rücksichtnahme auf andere und unsere Bereitschaft, ihre Interessen zu erwägen, nicht davon abhängen sollte, wie diese anderen beschaffen sind oder welche Fähigkeiten sie besitzen, ist eine Implikation dieses Prinzips der Gleichheit. Was diese Rücksichtnahme und Interessenabwägung im Einzelnen von uns verlangt, hängt von der Eigenschaft derer ab, die von unserem Handeln betroffen sind: Rücksicht auf das Wohlergehen von Kindern, die in Amerika auf-

wachsen, würde verlangen, dass wir diese Kinder Lesen und Schreiben lehren; geht es um das Wohlergehen von Schweinen, so würde dies vermutlich nicht mehr erfordern, als sie zusammen mit anderen Schweinen leben zu lassen, mit genügend Futter und genug Platz, um sich frei zu bewegen.

Aber das grundlegende Element - die Berücksichtigung der Interessen des jeweiligen Lebewesens, was auch immer diese Interessen sein mögen — muss gemäß dem Prinzip der Gleichheit auf alle Lebewesen ausgedehnt werden, ganz gleich, ob sie schwarz oder weiß sind, männlich oder weiblich, menschlich oder nichtmenschlich.

Thomas Jefferson, dem zu verdanken ist, dass das Prinzip der Gleichheit in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aufgenommen wurde, hat das sehr wohl gesehen. Deshalb wandte er sich gegen die Sklaverei, obwohl er sich von seinem eigenen Hintergrund der Sklavenhaltung nicht ganz befreien konnte. In einem Brief an den Verfasser eines Buches, das die bemerkenswerten intellektuellen Leistungen der Schwarzen gegen die damals verbreitete Meinung hervorhob, dass Schwarze nur beschränkte intellektuelle Fähigkeiten besitzen, schrieb er: Seien Sie versichert, dass kein lebender Mensch aufrichtiger als ich die vollständige Widerlegung der Zweifel wünscht, die ich selbst über den Grad der Verständigkeit gehegt und zum Ausdruck gebracht habe, die ihnen die Natur zugemessen hat, und zu finden, dass sie uns ebenbürtig sind ... aber wie hoch auch immer der Grad ihrer Gaben sein mag, ist dies kein Maß für ihre Rechte. Nur weil Sir Isaac Newton andere geistig überragte, war er noch nicht Herr über deren Eigentum und Person.2 Das gleiche Argument, allerdings in einer etwas weniger gewählten Formulierung, benutzte die bemerkenswerte schwarze Feministin Sojourner Truth, als in den 1850er Jahren in den Vereinigten Staaten die Forderung nach der Gleichberechtigung der Frauen aufkam. In einer feministischen Versammlung sagte sie: Sie reden über dieses Ding im Kopf, wie nennen sie es? [»Intelligenz«, flüsterte jemand in der Nähe.] Ganz richtig. Was hat das zu tun mit den Rechten der Frauen oder den Rechten der Schwarzen? Wenn in meine Schale nur ein halber Liter reinpasst, in deine aber ein ganzer, wäre es dann nicht gemein von dir, wenn du mir nicht einmal diesen halben Liter randvoll gönnen würdest?3 Von genau dieser Basis muss die Argumentation gegen Rassismus und Sexismus letztlich ausgehen.

Und in Übereinstimmung mit diesem Prinzip muss auch die Haltung, die wir in Analogie zu »Rassismus« als »Speziesismus« bezeichnen, verurteilt werden. Speziesismus — das Wort ist nicht besonders schön, aber ich weiß kein besseres — ist ein Vorurteil oder eine Haltung der Voreingenommenheit zugunsten der Interessen der Mitglieder der eigenen Spezies und gegen die Interessen der Mitglieder anderer Spezies. Es sollte klar sein, dass die grundsätzlichen Einwände gegen Rassismus und Sexismus, die Thomas Jefferson und Sojourner Truth formuliert haben, auch auf den Speziesismus anwendbar sind. Wenn die höhere Intelligenz eines Menschen ihn nicht berechtigt, andere Menschen für seine oder ihre Zwecke zu benutzen, wie kann sie dann Menschen dazu berechtigen, nichtmenschliche Lebewesen für diese Zwecke auszubeuten?4 Viele Philosophen und andere Autoren haben behauptet, das Prinzip der gleichen Berücksichtigung der Interessen sei, in der einen oder anderen Form, ein grundlegendes moralisches Prinzip. Aber nicht viele von ihnen haben erkannt, dass dieses Prinzip auf Mitglieder anderer Spezies genauso anzuwenden ist wie auf die Mitglieder unserer eigenen Spezies. Jeremy Bentham war einer der wenigen, die das gesehen haben. In einer Zeit, als zwar die Franzosen die Sklavenhaltung schon abgeschafft hatten, Sklaven in den britischen Gebieten aber immer noch so behandelt wurden, wie wir heute Tiere behandeln, schrieb Bentham einige Sätze, in denen er über seine eigene Zeit hinausblickte: Der Tag wird kommen, an dem auch den übrigen lebenden Geschöpfen die Rechte gewährt werden, die man ihnen nur durch Tyrannei vorenthalten konnte. Die Franzosen haben bereits erkannt, dass die Schwärze der Haut kein Grund ist, einen Menschen schutzlos den Launen eines Peinigers auszuliefern. Eines Tages wird man erkennen, dass die Zahl der Beine, die Behaarung der Haut und

das Ende des os sacrum sämtlich unzureichende Gründe sind, ein empfindendes Lebewesen dem gleichen Schicksal zu überlassen. Aber welches andere Merkmal könnte die unüberwindliche Grenzlinie sein? Ist es die Fähigkeit zu denken oder vielleicht die Fähigkeit zu sprechen? Doch ein erwachsenes Pferd oder ein erwachsener Hund sind weitaus verständiger und mitteilsamer als ein Kind, das einen Tag, eine Woche oder sogar einen Monat alt ist. Doch selbst, wenn es nicht so wäre, was würde das ändern? Die Frage ist nicht: Können sie denken?, oder: Können sie sprechen?, sondern: Können sie leidend In diesem Abschnitt beschreibt Bentham die Fähigkeit zu leiden als die wesentliche Eigenschaft, die einem Lebewesen das Recht auf gleiche Berücksichtigung seiner Interessen verleiht. Die Fähigkeit zu leiden - oder genauer gesagt zu Leid oder Freude bzw. Glück - ist nicht eine unter vielen Eigenschaften wie die Fähigkeit zur Sprache oder zur höheren Mathematik. Bentham meint nicht, dass jene, die versuchen, die »unüber- windbare Grenze« festzulegen, die bestimmt, ob die Interessen eines Individuums berücksichtigt werden sollen oder nicht, zufällig die falsche Eigenschaft gewählt haben. Wenn er sagt, dass wir die Interessen aller Wesen berücksichtigen sollten, die die Fähigkeit zu Leiden und Freude besitzen, schließt Bentham nicht willkürlich irgendwelche Interessen aus seiner Betrachtung aus — was aber jene tun, die sich an Eigenschaften wie Vernunft oder Sprachfähigkeit orientieren. Die Fähigkeit zu Leiden und Freude ist eine Vorbedingung, um überhaupt Interessen haben zu können, eine Bedingung, die erfüllt sein muss, damit wir überhaupt sinnvoll von Interessen sprechen können. Es wäre Unsinn zu sagen, es verstoße gegen die Interessen eines Steins, wenn ihn ein Schuljunge die Straße entlang kickt. Ein Stein hat keine Interessen, denn er kann nicht leiden. Was wir auch immer mit ihm tun, nichts kann sich irgendwie auf sein Wohlergehen auswirken. Die Fähigkeit zu Leiden und Freude ist allerdings nicht nur notwendig, sondern zugleich auch hinreichend, um einem Wesen Interessen zuzuschreiben - und sei es auch nur das Interesse, nicht zu leiden. Eine Maus zum Beispiel hat durchaus ein Interesse daran, nicht die Straße entlang gekickt zu werden, denn es würde ihr Schmerzen bereiten.

In der zitierten Passage spricht Bentham zwar von »Rechten«, genaugenommen befasst sich das Argument aber eher mit »Gleichheit« als mit »Rechten«. Tatsächlich gibt es eine andere, berühmte Textstelle, wo Bentham »natürliche Rechte« als Unsinn bezeichnet und »natürliche und unveräußerliche Rechte« als »Unsinn auf Stelzen«. »Moralische Rechte« sind bei ihm eine Kurzformel für den Schutz, der Menschen und Tieren moralisch zusteht. Aber das eigentliche Gewicht des moralischen Arguments beruht nicht darauf, dass wir die Existenz eines Rechts behaupten, denn dies muss ja seinerseits auf der Grundlage der Möglichkeiten zur Leid- und Glücksempfindung begründet werden. Wir können so also für die Gleichheit der Tiere argumentieren, ohne uns in philosophische Kontroversen über das eigentliche Wesen von Rechten zu verstricken.

Einige Philosophen haben unter Verkennung des eigentlichen Problems große Mühen auf sich genommen, die Argumente dieses Buches zu widerlegen, in dem sie zu zeigen versuchten, dass Tiere keine Rechte haben.6 Sie behaupten, dass ein Wesen, um Rechte haben zu können, autonom sein oder Mitglied einer Gemeinschaft sein muss, dass es die Fähigkeit besitzen muss, die Rechte anderer zu achten, oder dass es über Gerechtigkeitssinn verfügen muss. Diese Forderungen sind für eine Argumentation für die Befreiung der Tiere irrelevant. Von Rechten zu sprechen heißt nichts anderes, als eine zweckdienliche politische Abkürzung zu verwenden. In einer Zeit, in der Fernsehnachrichten aus Kurzberichten von kaum mehr als dreißig Sekunden bestehen, ist eine solche abkürzende Redeweise sogar noch nützlicher als zu Benthams Zeit; in der Argumentation für eine radikale Änderung in unserer Einstellung gegenüber Tieren ist sie aber in keiner Weise notwendig.

Wenn ein Wesen leidet, kann es keine moralische Rechtfertigung dafür geben, dieses Leiden nicht zu berücksichtigen. Wie auch immer dieses Wesen beschaffen sein mag, das Prinzip der Gleichheit verlangt, dass - soweit ein grober Vergleich überhaupt möglich ist — sein Leiden genauso zählt wie ein entsprechendes Leiden irgendeines anderen Wesens. Ist ein Wesen nicht in der Lage zu leiden oder Freude bzw. Glück zu erfahren, dann gibt es auch nichts zu berücksichtigen. Die Grenze des

Empfindungsvermögens - ich benutze den Ausdruck Empfindungsvermögen als zweckdienliche, wenn auch nicht ganz genaue Abkürzung für die Fähigkeit zu leiden oder Freude zu erleben — ist die einzige vertretbare Grenze, die wir hinsichtlich der Berücksichtigung der Interessen anderer ziehen können. Diese Grenze an irgendetwas anderes zu knüpfen, etwa an Intelligenz oder Vernunft, wäre völlig willkürlich. Warum sollten wir dann nicht gleich irgendein anderes Merkmal wählen, zum Beispiel die Hautfarbe?

Die Rassisten verletzen das Prinzip der Gleichheit, indem sie in Interessenkonflikten zwischen Mitgliedern der eigenen und einer anderen Rasse die Interessen der Mitglieder ihrer eigenen Rasse stärker gewichten. Sexisten verletzen das Prinzip der Gleichheit, indem sie die Interessen des eigenen Geschlechts bevorzugen. Und genauso räumen Speziesisten den Interessen der eigenen Spezies Vorrang ein vor den stärkeren Interessen von Mitgliedern anderer Spezies. Das Muster ist in jedem dieser Fälle dasselbe.

Die meisten Menschen sind Speziesisten. Die folgenden Kapitel zeigen, dass ganz normale Menschen — nicht nur einige wenige, die besonders grausam oder herzlos sind, sondern die überwältigende Mehrheit der Menschen — an Praktiken Anteil haben, die die wichtigsten Interessen von Mitgliedern anderer Spezies opfern, um denkbar triviale Interessen unserer eigenen Spezies zu befriedigen. Sei es, dass sie selbst aktiv an solchen Praktiken teilnehmen, oder sei es, dass sie diese stillschweigend dulden und erlauben, dass ihre Steuergelder dafür ausgegeben werden.

Bevor wir uns nun aber in den nächsten beiden Kapiteln der Diskussion solcher Praktiken zuwenden, müssen wir noch einen ganz generellen Versuch zur Verteidigung dieser Praktiken aus dem Weg räumen. Wäre dieser Rechtfertigungsversuch haltbar, so dürften wir aus den geringsten Gründen oder auch ohne jeglichen Grund nichtmenschlichen Tieren alles Erdenkliche antun, ohne dass uns etwas vorgeworfen werden könnte. Diese Rechtfertigung besteht darin, dass wir uns niemals der Vernachlässigung der Interessen anderer Tiere schuldig machen können, und zwar aus dem atemberaubend einfachen Grund, dass sie keine Interessen haben. Gemäß dieser Sichtweise haben nichtmenschliche Tiere keine Interessen, weil sie nicht leiden können. Damit ist aber nicht nur gemeint, dass sie bestimmte Arten menschlichen Leidens nicht kennen — dass zum Beispiel ein Kalb nicht unter dem Wissen leiden kann, in sechs Monaten getötet zu werden. Diese bescheidene Behauptung ist zweifellos wahr, aber sie befreit uns nicht vom Vorwurf des Speziesismus, denn diese Tatsache lässt noch immer zu, dass Tiere dennoch leiden können — zum Beispiel, wenn man ihnen elektrische Stromschläge versetzt oder sie eng zusammengepfercht in kleinen Käfigen hält.

Der Rechtfertigungsversuch, den ich im Folgenden diskutiere, ist die viel umfassendere und damit auch entsprechend weniger einleuchtende Behauptung, dass Tiere überhaupt nicht leidensfähig seien, dass sie in Wirklichkeit Automaten ohne Bewusstsein seien, die weder denken noch fühlen noch ein wie auch immer geartetes psychisches Leben besitzen.

Wie wir in einem späteren Kapitel noch sehen werden, wurde die Vorstellung von den Tieren als Automaten von dem französischen Philosophen Rene Descartes, der im 17. Jahrhundert lebte, vertreten; doch es war und ist für die meisten Leute damals und heute ziemlich offensichtlich, dass zum Beispiel ein nicht betäubter Hund, dem man ein Messer in den Bauch stößt, Schmerzen fühlt.

Davon gehen auch die Gesetze aus, die in den meisten zivilisierten Ländern mutwillige Grausamkeit gegenüber Tieren verbieten. Leser und Leserinnen, denen der gesunde Menschenverstand sagt, dass Tiere leiden können, ziehen es möglicherweise vor, den Rest dieses Abschnitts zu überspringen und gleich auf Seite 42 weiterzulesen, denn auf den dazwischenliegenden Seiten bin ich lediglich damit beschäftigt, eine Ansicht zu widerlegen, die sie sowieso nicht teilen. Aber so unplausibel diese skeptische Position auch sein mag, aus Gründen der Vollständigkeit muss ich sie behandeln.

Fühlen irgendwelche Tiere außer den Menschen Schmerzen? Wie können wir das wissen? Wie können wir eigentlich wissen, ob überhaupt irgendjemand, Mensch oder Nichtmensch, Schmerzen

fühlt? Wir wissen, dass wir selbst in der Lage sind, Schmerzen zu fühlen. Wir wissen das aus der unmittelbaren Schmerzerfahrung, die wir zum Beispiel machen, wenn jemand eine brennende Zigarette auf unserem Handrücken ausdrückt. Aber wie wissen wir, dass irgendein anderer Schmerzen fühlt? Wir können eines anderen Schmerzen selbst nicht unmittelbar erfahren, und zwar ganz unabhängig davon, ob dieser »andere« unser bester Freund oder ein streunender Hund ist. Schmerz ist ein Bewusst- seinszustand, ein »psychisches Ereignis« und kann als solches niemals beobachtet werden. Ein Verhalten wie sich krümmen, schreien, die Hand vor der brennenden Zigarette wegziehen ist ebensowenig der Schmerz an sich wie die Aufzeichnung der Gehirnaktivität, die ein Neurologe anfertigen könnte. Schmerzen fühlen wir, und wir können nur aus verschiedenen äußeren Anzeichen darauf schließen, dass auch andere Schmerzen fühlen.

Theoretisch könnten wir uns immer täuschen, wenn wir annehmen, dass andere Menschen Schmerzen fühlen. Es wäre vorstellbar, dass einer unserer besten Freunde ein Roboter ist, den ein brillanter Wissenschaftler so konstruiert hat, dass er uns allen den Eindruck vermittelt, er fühle Schmerzen, dass er aber tatsächlich genausowenig zu Empfindungen fähig ist wie alle anderen Maschinen. Mit absoluter Sicherheit können wir niemals wissen, ob es sich nicht so verhält. Aber das ist ein Problem, das wir ruhig den Philosophen überlassen können, denn niemand von uns hat den geringsten echten Zweifel, dass unsere besten Freunde und Freundinnen, genau wir wir selbst, Schmerzen empfinden. Das ist zwar nur eine Schlussfolgerung, aber eine völlig vernünftige. Sie beruht auf dem Verhalten, das wir an unseren Freunden beobachten, wenn sie sich in einer Situation befinden, in der wir selbst Schmerzen empfinden würden, und darauf, dass wir guten Grund haben anzunehmen, dass unsere Freunde Lebewesen wie wir selbst sind: mit einem Nervensystem wie unserem eigenen, das wahrscheinlich ähnlich funktioniert wie unser eigenes, und das unter ähnlichen Bedingungen ähnliche Empfindungen produziert.

Wenn es aber gerechtfertigt ist anzunehmen, dass andere Menschen genau wie wir selbst Schmerzen fühlen, gibt es dann irgendeinen Grund, warum das für andere Tiere nicht gelten sollte?

Insbesondere bei den uns am nächsten stehenden Spezies, den Säugetieren und Vögeln, aber auch bei anderen Spezies können fast alle äußeren Anzeichen, die uns auch bei Menschen annehmen lassen, dass sie Schmerz empfinden, beobachtet werden. Dazu gehören: sich krümmen, das Gesicht verzerren, klagen, schreien oder andere Formen des Rufens, Versuche, sich der Quelle der Schmerzen zu entziehen, Anzeichen von Angst bei einer drohenden Wiederholung der schmerzverursachenden Situation und vieles andere. Auch wissen wir, dass die Nervensysteme dieser Tiere unserem eigenen sehr ähnlich sind, und dass das Nervensystem eines Tieres, das sich in einer Situation befindet, in der wir Schmerzen empfinden würden, physiologisch ganz ähnlich reagiert: zuerst steigender Blutdruck, erweiterte Pupillen, Schweißaustritt, beschleunigter Puls und, wenn der Reiz andauert, abfallender Blutdruck. Menschen haben zwar eine weiterentwickelte Hirnrinde als andere Tiere, aber dieser Teil des Gehirns ist vor allem für Denkfunktionen zuständig und weniger für Grundimpulse, Emotionen und Gefühle. Die Verarbeitung von Reizen, Emotionen und Gefühlen geschieht im Zwischenhirn, und das ist bei vielen anderen Spezies ebenfalls gut entwickelt, insbesondere bei Säugetieren und Vögeln.7 Wir wissen auch, dass das Nervensystem der anderen Tiere nicht künstlich konstruiert wurde - wie etwa ein Roboter -, um das Schmerzverhalten der Menschen nachzuahmen. Das Nervensystem der Tiere entwickelte sich genauso wie unser eigenes, und tatsächlich trennten sich in der Geschichte der Evolution die Entwicklungszweige von Menschen und anderen Tieren erst, nachdem das Nervensystem in seinen wesentlichen Merkmalen bereits fertig entwickelt war. Die Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden, vergrößert offensichtlich die Aussicht einer Spezies auf Überleben, denn sie veranlasst die Mitglieder dieser Spezies, Situationen zu vermeiden, die zu Verletzungen führen

könnten. Es wäre unvernünftig zu glauben, dass Nervensysteme, die physiologisch praktisch identisch sind, die einen gemeinsamen Ursprung und eine gemeinsame evolutionäre Funktion haben, die zudem unter ähnlichen Bedingungen zu ähnlichen Verhaltensweisen führen, dennoch auf der Ebene des subjektiven Empfindens völlig unterschiedlich arbeiten sollten.

In der Wissenschaft ist es ein seit langem anerkannter Grundsatz, bei allem, was wir erklären wollen, nach der einfachsten Erklärung zu suchen. Gelegentlich ist behauptet worden, aus diesem Grund sei es »unwissenschaftlich«, das Verhalten von Tieren mit Theorien zu erklären, die sich auf bewusste Gefühle, Wünsche etc. von Tieren beziehen. Hinter dieser Behauptung steht die Vorstellung, dass die Erklärung eines bestimmten Verhaltens ohne Bezugnahme auf Bewusstsein oder Gefühle die einfachere Theorie ist. Wir können jetzt aber feststellen, dass solche Erklärungsversuche dann, wenn wir sie auf das tatsächliche Verhalten von menschlichen und nichtmenschlichen Tieren beziehen, viel komplexer sind als andere Erklärungsversuche. Denn wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung, dass Erklärungen unseres eigenen Verhaltens, die unser Bewusstsein und unser Schmerzempfinden nicht berücksichtigen, unvollständig sind. Es ist einfacher, davon auszugehen, dass bei Tieren mit einem Nervensystem ähnliches Verhalten auch auf gleiche Weise zu erklären ist. Viel umständlicher wäre es, eine andere Theorie zu entwickeln, die sowohl das Verhalten nichtmenschlicher Tiere erklärt als auch den Unterschied in der Funktionsweise eigentlich gleicher Nervensysteme.

Die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit dieser Frage befasst haben, stimmen dem zu. Lord Brain, einer der führenden Neurologen unserer Zeit, sagt dazu: »Ich persönlich kann keinen Grund dafür erkennen, meinen Mitmenschen Bewusstsein zuzusprechen und es Tieren abzuerkennen ... Ich kann zumindest nicht daran zweifeln, dass die Interessen und das Verhalten von Tieren genauso mit Bewusstsein und Gefühlen einhergehen wie meine eigenen, und dass sie nach allem, was ich weiß, genauso lebhaft sind.«8 Der Autor eines Buches über Schmerz schreibt: »Jede einzelne Tatsache stützt die Auffassung, dass die höheren Säugetiere Schmerzempfindungen mindestens genauso intensiv erleben wie wir selbst. Es ist absurd zu behaupten, sie fühlen weniger, weil sie niedere Tiere sind. Es ist leicht nachweisbar, dass viele ihrer Sinne besser ausgeprägt sind als bei uns — die Sehkraft bei bestimmten Vögeln, das Hören bei den meisten wilden Tieren und der Tastsinn bei wieder anderen. Mehr als die heutigen Menschen sind diese Tiere darauf angewiesen, eine feindliche Umgebung so genau wie möglich wahrzunehmen. Abgesehen von der Komplexität der Hirnrinde (die Schmerzen nicht direkt wahrnimmt) ist das Nervensystem dieser Tiere mit unserem nahezu identisch, und ihre Reaktionen auf Schmerzen sind unseren eigenen bemerkenswert ähnlich, auch wenn ihnen (soviel wir wissen) der philosophische und moralische Beiklang fehlt. Der emotionale Bestandteil ist nur allzu offensichtlich, vor allem in Form von Furcht und Wut.«9 In Großbritannien haben drei verschiedene Regierungskommissionen für Tierfragen die Schlussfolgerung akzeptiert, dass Tiere Schmerz empfinden. Nachdem das 1951 gegründete Committee on Cruelty to Wild Animals die offensichtlichen Beweise für diese Auffassung, wie sie durch das Verhalten der Tiere gegeben sind, zur Kenntnis genommen hatte, sagte es: »... wir glauben, dass die physiologischen und insbesondere die anatomischen Tatsachen die Annahme des gesunden Menschenverstands, dass Tiere Schmerz empfinden, voll und ganz rechtfertigen und bekräftigen.« Und nachdem der evolutionäre Wert des Schmerzes diskutiert worden war, kam das Komitee in seinem Bericht zu dem Schluss, dass Schmerz »eindeutig biologisch nützlich« sei, und dies sei »eine dritte Art des Beweises, dass Tiere Schmerz empfinden«. Die Mitglieder des Komitees betrachteten daran anschließend Formen des Leidens, die nicht rein physischer Natur sind und ergänzten, sie seien »überzeugt, dass Tiere akut unter Furcht und Schrecken leiden«. Sich

anschließende Berichte von britischen Regierungsausschüssen, die sich mit Tierversuchen und dem Wohlergehen von Tieren unter den Bedingungen intensiver Haltungsmethoden befassten, stimmten mit dieser Sichtweise überein und gelangten zu dem Schluss, dass Tiere sowohl unter direkten physischen Verletzungen als auch unter Furcht, Angst, Stress etc. leiden können.10 Publikationen wissenschaftlicher Studien mit Titeln wie »Animal Thoughts«, »Wie Tiere denken« oder »Leiden und Wohlbefinden bei Tieren« haben es im letzten Jahrzehnt schließlich unmissverständlich klargemacht, dass das bewusste Empfinden bei nichtmenschlichen Tieren mittlerweile allgemein als ernstzunehmender Untersuchungsgegenstand anerkannt ist.11 Man könnte glauben, damit müsste die Frage wirklich geklärt sein; aber einen weiteren Einwand müssen wir noch betrachten. Menschen, die unter Schmerzen leiden, verfügen schließlich über eine Verhaltensform, die nichtmenschlichen Tieren nicht zur Verfügung steht: eine entwickelte Sprache.

Andere Tiere kommunizieren wahrscheinlich auch miteinander, aber wie es scheint doch nicht auf so komplizierte Art und Weise wie wir. Einige Philosophen, unter ihnen Descartes, haben es für sehr wichtig gehalten, dass Menschen sehr detailliert miteinander über ihre Schmerzerfahrungen sprechen können, während das bei anderen Tieren nicht der Fall ist. (Interessanterweise wird diese früher einmal klare Trennungslinie zwischen Menschen und den anderen Spezies jetzt durch die Entdeckung in Frage gestellt, dass man Schimpansen eine Sprache beibringen kann.12) Aber Bentham hat bereits vor langer Zeit aufgezeigt, dass die Sprachfähigkeit für die Frage, wie ein Wesen behandelt werden sollte, nicht relevant ist — es sei denn, sie wäre mit der Leidensfähigkeit verknüpft, so dass das Fehlen einer Sprache Zweifel an der Existenz dieser Fähigkeit aufwerfen würde.

Diese Verknüpfung wäre auf zweierlei Weise möglich. Erstens gibt es eine etwas unklare Linie philosophischen Denkens, die sich möglicherweise von Lehren aus dem Umfeld des einflussreichen Philosophen Ludwig Wittgenstein ableitet. Sie behauptet, dass es nicht möglich sei, Wesen ohne Sprache sinnvoll Bewusstseinszustände zuzusprechen. Diese Position erscheint mir sehr unplausibel. Sprache mag für abstraktes Denken notwendig sein, jedenfalls ab einem gewissen Niveau. Aber Zustände wie Schmerzen sind viel einfacher und haben nichts mit Sprache zu tun.

Die zweite Möglichkeit, Sprache und die Existenz von Schmerz miteinander zu verknüpfen, ist leichter nachvollziehbar. Sie lautet, der beste Beweis dafür, dass andere Wesen Schmerzen haben, bestehe darin, dass sie uns sagen, dass sie Schmerzen hätten. Das ist eine andere Argumentationslinie, denn hier wird nicht geleugnet, dass Wesen, die keine Sprache benutzen, möglicherweise leiden können; es wird nur bestritten, dass wir jemals hinreichende Gründe haben könnten, zu glauben, dass sie leiden. Aber auch diese Argumentationslinie versagt. Jane Goodall hat in ihrer Studie Wilde Schimpansen gezeigt, dass die Sprache für den Ausdruck von Emotionen und Gefühlen weit weniger wichtig ist als nichtverbale Kommunikationsformen wie etwa ein ermunternder Klaps auf den Rücken, eine überschwängliche Umarmung, ein Händeklatschen etc.

Die grundlegenden Signale, die wir benutzen, um Schmerz, Furcht, Ärger, Liebe, Freude, Überraschung, sexuelle Erregung und viele andere emotionale Zustände auszudrücken, sind nicht nur unserer Spezies eigen.13 Die Aussage »Ich habe Schmerzen« mag ein Bestandteil des Beweises sein, der uns zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass der Sprecher oder die Sprecherin Schmerzen hat. Aber die Aussage ist nicht der einzig mögliche Beweis und - da Menschen manchmal lügen — noch nicht einmal der bestmögliche.

Doch selbst wenn es stärkere Gründe dafür gäbe, denen, die keine Sprache haben, die Schmerzfähigkeit abzusprechen, könnten uns die Konsequenzen einer solchen Verweigerung dazu veranlassen, die Folgerung zu verwerfen. Menschliche Säuglinge und Kleinkinder können nicht sprechen. Sollten wir leugnen, dass ein einjähriges Kind leiden kann? Falls nicht, kann die Sprache nicht entscheidend sein. Gewiss, die meisten Eltern verstehen die Reaktionen ihrer Kinder besser als die nichtmenschlicher Tiere, aber das ergibt sich lediglich aus dem relativ größeren Wissen über unsere eigene Spezies und aus dem ausgeprägteren Kontakt, den wir, verglichen mit unserem Kontakt zu nichtmenschlichen Tieren, mit Kindern haben. Wer das Verhalten anderer Tiere studiert hat oder wer mit Tieren Umgang hat, lernt bald, ihre Reaktionen genauso gut zu verstehen wie die

eines kleinen Kindes, und manchmal sogar besser.

Die Schlussfolgerung lautet somit: Es gibt keine guten Gründe, weder wissenschaftliche noch philosophische, zu leugnen, dass Tiere Schmerz empfinden können. Wenn wir nicht daran zweifeln, dass andere Menschen Schmerz empfinden, sollten wir auch nicht daran zweifeln, dass es bei anderen Tieren ebenso ist.

Tiere können Schmerz empfinden. Wir haben bereits gesehen, dass es keine moralische Rechtfertigung dafür gibt, die Schmerzen (oder die Lust), die Tiere empfinden, für weniger wichtig zu halten als ein ähnliches Maß an Schmerz (oder Lust), das Menschen empfinden. Aber welche praktischen Konsequenzen ergeben sich aus dieser Folgerung? Um Missverständnissen vorzubeugen, werde ich das, was ich meine, etwas genauer darstellen.

Wenn ich einem Pferd einen kräftigen Schlag mit der flachen Hand auf das Hinterteil gebe, läuft es vielleicht los, aber vermutlich empfindet es nur wenig Schmerz. Seine Haut ist dick genug, um es gegen einen bloßen Schlag zu schützen. Wenn ich aber ein Baby auf dieselbe Art schlage, schreit es und empfindet wahrscheinlich auch Schmerz, denn seine Haut ist empfindlicher. Wenn beide Schläge gleich stark sind, ist es also schlimmer, ein Baby zu schlagen als ein Pferd. Doch es muss einen Schlag geben — ich weiß nicht genau was für einen, aber vielleicht einen Schlag mit einem schweren Stock —, der dem Pferd genausoviel Schmerz bereiten würde wie dem Baby der Schlag mit der Hand. Das meine ich mit dem »gleichen Maß an Schmerz«, und wenn wir es für falsch halten, ohne guten Grund einem Baby so viel Schmerzen zuzufügen, dann müssen wir es für ebenso falsch halten, das gleiche Maß an Schmerzen ohne guten Grund einem Pferd zuzufügen — es sei denn, wir sind Speziesisten.

Andere Unterschiede zwischen Menschen und Tieren führen zu anderen Komplikationen. Normale erwachsene Menschen haben geistige Fähigkeiten, die unter bestimmten Bedingungen dazu führen, dass sie mehr leiden als Tiere unter den gleichen Bedingungen. Wenn wir zum Beispiel beschließen würden, extrem schmerzhafte oder tödliche Experimente an normalen erwachsenen Menschen durchzuführen, die zu diesem Zweck willkürlich aus öffentlichen Parks entführt wurden, würde das bei Erwachsenen, die gerne in Parks spazieren gehen, die Angst wecken, dass sie entführt werden könnten. Dieser Schrecken käme als eine Form des Leids zu den durch das Experiment verursachten Schmerzen hinzu. An nichtmenschlichen Tieren durchgeführt würden die gleichen Experimente weniger Leid verursachen, denn die Tiere hätten vorab keine angstbesetzte Wahrnehmung von der Gefahr, entführt und für Experimente verwendet zu werden. Das heißt natürlich nicht, dass es richtig wäre, das Experiment an Tieren durchzuführen, sondern nur, dass es einen nichtspeziesistischen Grund dafür gibt, eher Tiere als normale erwachsene Menschen zu verwenden, wenn das Experiment überhaupt durchgeführt werden soll. Es muss aber erwähnt werden, dass es nach diesem Argument auch gerechtfertigt wäre, Kleinkinder - vielleicht Waisenkinder - oder schwer zurückgebliebene Menschen eher als normale Erwachsene zu verwenden, denn Kleinkinder und geistig zurückgebliebene Menschen hätten auch keine Vorstellung davon, was ihnen bevorsteht.

Was dieses Argument betrifft, gehören nichtmenschliche Tiere, Kleinkinder und geistig zurückgebliebene Menschen zur gleichen Kategorie. Wenn wir mit diesem Argument Tierversuche rechtfertigen, müssen wir uns fragen, ob wir auch bereit wären, für diese Versuche Kleinkinder oder geistig zurückgebliebene Menschen zu verwenden. Wollen wir dann aber zwischen Tieren und diesen Menschen einen Unterschied machen, ist das nur auf der Grundlage einer unverhüllten und moralisch unhaltbaren Bevorzugung von Angehörigen unserer Spezies möglich.

In vielen Bereichen machen die größeren geistigen Fähigkeiten von normalen erwachsenen Menschen einen Unterschied: die Vorstellung von Dingen, die noch in der Zukunft liegen, ein genaueres Gedächtnis, ein besseres Verständnis dessen, was gerade geschieht etc. Doch diese Unterschiede bedeuten nicht immer größeres Leid auf der Seite des Menschen. Manchmal leiden Tiere mehr, weil sie weniger verstehen. Wenn wir zum Beispiel in einem Krieg jemanden gefangennehmen, können wir ihm erklären, dass er sich die Gefangennahme, die Durchsuchung und das Eingesperrtsein wird gefallen lassen müssen, dass wir ihm aber sonst nichts antun werden und

dass er, sobald der Kriegszustand beendet ist, wieder freigelassen wird. Wilden Tieren, die wir fangen, können wir aber nicht erklären, dass wir ihr Leben nicht bedro-hen. Ein wildes Tier kann den Versuch, es zu überwältigen und einzusperren, nicht von dem Versuch unterscheiden, es zu töten; beides verursacht ihm gleichviel Schrecken.

Dagegen ließe sich einwenden, dass es unmöglich sei, Vergleiche zwischen den Leidenszuständen unterschiedlicher Spezies zu ziehen, und dass uns deshalb das Gleichheitsprinzip nicht weiterhilft, wenn die Interessen von Tieren und Menschen miteinander in Widerspruch geraten. Wahrscheinlich ist es richtig, dass das Leiden von Mitgliedern unterschiedlicher Spezies nicht ganz genau vergleichbar ist, aber Genauigkeit spielt hier keine wesentliche Rolle. Selbst wenn wir nur dann vermeiden miissten, Tieren Leid zuzufügen, wenn es ganz sicher ist, dass die Interessen von Menschen auch nicht annähernd in dem Maß betroffen sind wie die von Tieren, wären wir gezwungen, radikale Veränderungen in unserer Behandlung von Tieren vorzunehmen. Betroffen wären unsere Ernährung, unsere Formen der landwirtschaftlichen Tierhaltung, Experimente in vielen wissenschaftlichen Bereichen, unser Verhältnis zu Wildtieren und zur Jagd, zum Fallenstellen und Tragen von Pelzen und auch Bereiche der Unterhaltung wie Zirkusse, Rodeos und Zoos. Die Folge wäre, dass ein großes Ausmaß an Leid vermieden würde.

Bisher ging es nur um den Aspekt, Tieren Leid zuzufügen; ich habe aber noch nichts über das Töten von Tieren gesagt. Diese Frage habe ich aus der bisherigen Betrachtung absichtlich herausgehalten.

Die Anwendung des Gleichheitsprinzips ist zumindest theoretisch beim Problem der Zufügung von Leid ziemlich einfach. Schmerz und Leid sind als solche schlecht und sollten unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Spezies des betroffenen Lebewesens verhindert oder so gering wie möglich gehalten werden. Wie schlimm ein Schmerz ist, hängt von seiner Dauer und seiner Intensität ab, aber Schmerzen von gleicher Intensität und Dauer sind gleich schlimm, ob sie nun von Menschen oder von Tieren empfunden werden.

Die Frage, warum es falsch sein sollte, ein Lebewesen zu töten, ist komplizierter. Ich habe bis jetzt das Problem des Tötens im Hintergrund gehalten und will das auch weiterhin tun, denn im gegenwärtigen Stadium der Tyrannei der Menschen über die anderen Spezies ist das einfachere und direktere Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Schmerz oder Lust eine ausreichende Grundlage, um die wichtigsten Formen des Missbrauchs von Tieren auszumachen und gegen sie zu protestieren. Dennoch muss ich einige Worte über das Töten sagen.

Die meisten Menschen sind Speziesisten in der Hinsicht, dass sie ohne weiteres bereit sind, Tieren ein Maß an Schmerz zuzufügen, das sie Menschen aus denselben Gründen nicht zufügen würden.

Genauso sind die meisten Menschen Speziesisten hinsichtlich ihrer Bereitschaft, unter vergleichbaren Bedingungen andere Tiere zu töten, aber keine Menschen. Wir müssen hier aber sehr vorsichtig vorgehen, denn wie die anhaltenden Debatten über Abtreibung und Euthanasie bestätigen, haben die Leute sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wann es gerechtfertigt ist, Menschen zu töten. Auch Moralphilosophen sind sich nicht über die genaue Begründung einig, warum das Töten von Menschen falsch ist, und unter welchen Bedingungen es gerechtfertigt sein könnte, einen Menschen zu töten.

Betrachten wir zuerst die Auffassung, dass es immer falsch ist, unschuldiges menschliches Leben zu töten. Wir können dies die Auffassung von der »Heiligkeit des Lebens« nennen. Menschen, die diese Ansicht vertreten, sind gegen Abtreibung und Euthanasie. Üblicherweise wenden sie sich aber nicht gegen das Töten nichtmenschlicher Tiere. Deshalb sollten wir ihren Standpunkt vielleicht genauer als die Auffassung von der »Heiligkeit des menschlichen Lebens« bezeichnen. Der Glaube, dass menschliches Leben, und zwar nur menschliches Leben, unantastbar sei, stellt eine Form des Speziesismus dar. Dies zeigt das folgende Beispiel.

Nehmen wir an, es sei, was manchmal vorkommt, ein Kind mit einem massiven, nicht zu behebenden Hirnschaden geboren worden. Der Hirnschaden ist so schwer, dass das Kind, solange es lebt, nur dahinvegetieren wird, unfähig zu sprechen, andere Leute zu erkennen, unabhängig von anderen etwas zu tun, oder zu einem Bewusstsein seiner selbst zu gelangen. Die Eltern des

Neugeborenen begreifen, dass keine Hoffnung darauf besteht, dass sich der Zustand des Kindes jemals verbessern könnte, und sind weder selbst willens, die Tausende von Dollar auszugeben, die eine angemessene Pflege des Kindes jährlich kosten würde, noch wollen sie es vom Staat fordern.

Sie bitten den Arzt, das Kind schmerzlos zu töten.

Sollte der Arzt tun, worum ihn die Eltern bitten? Dem Gesetz nach sollte er es nicht tun, und in dieser Hinsicht spiegelt das Gesetz die Auffassung von der »Heiligkeit des Lebens« wider. Das Leben eines jeden menschlichen Wesens ist unantastbar. Aber viele Leute, die das hinsichtlich des Neugeborenen so sehen, haben nichts dagegen, dass nichtmenschliche Tiere getötet werden. Wie können sie die unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen? Erwachsene Schimpansen, Hunde, Schweine und Mitglieder vieler anderer Arten sind in ihrer Fähigkeit, sich auf andere zu beziehen, unabhängig zu agieren, sich ihrer selbst bewusst zu sein und jeder anderen Fähigkeit, von der man sinnvoll behaupten könnte, dass sie dem Leben Qualität verleiht, dem hirngeschädigten Neugeborenen weit überlegen. Selbst bei der besten nur möglichen Pflege können manche geistig schwerstgeschädigten Säuglinge niemals den Intelligenzgrad eines Hundes erreichen. Auch auf den Kummer der Eltern des Säuglings können wir uns nicht berufen, da in unserem erfundenen Beispiel (wie auch in einigen wirklichen Fällen) die Eltern nicht wollen, dass der Säugling am Leben erhalten wird. In den Augen jener, die dem Kind ein »Recht auf Leben« zuschreiben, liegt der einzige Unterschied zwischen dem Neugeborenen und einem Tier darin, dass das Kind biologisch ein Mitglied der Spezies Homo sapiens ist, während Schimpansen, Hunde und Schweine es nicht sind. Dem Neugeborenen auf der Grundlage dieses Unterschieds ein Lebensrecht zu gewähren und den anderen Tieren nicht, ist aber natürlich blanker Speziesismus.14 Das ist genau die Art von willkürlicher Unterscheidung, mit der die gröbsten und offenkundigsten Rassisten versuchen, die Rassendiskriminierung zu rechtfertigen.

Das bedeutet nicht, dass wir, um den Speziesismus zu vermeiden, die Ansicht vertreten müssen, dass einen Hund zu töten genauso falsch ist wie das Töten eines menschlichen Lebewesens im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte. Die einzige hoffnungslos speziesistische Position ist diejenige, die versucht, die Grenzlinie für das Lebensrecht genau an der Grenze unserer eigenen Spezies zu ziehen. Wer die Auffassung von der Heiligkeit des Lebens vertritt, tut dies, denn er unterscheidet einerseits scharf zwischen Menschen und anderen Tieren, lässt aber andererseits keine Unterscheidungen innerhalb unserer eigenen Spezies zu, sondern wendet sich gegen das Töten geistig Schwerstbehinderter und hoffnungslos seniler Menschen genauso streng wie gegen das Töten normaler Erwachsener.

Um Speziesismus zu vermeiden, müssen wir zugestehen, dass Lebewesen, die sich in allen relevanten Aspekten ähnlich sind, auch dasselbe Recht auf Leben haben — und bloße Zugehörigkeit zur eigenen biologischen Spezies kann kein moralisch relevantes Kriterium für dieses Recht sein.

Innerhalb dieser Grenzen könnten wir zum Beispiel immer noch sagen, dass die Tötung eines normalen erwachsenen Menschen, der über ein Bewusstsein seiner selbst verfügt, der in der Lage ist, für die Zukunft zu planen, und der sinnvolle Beziehungen zu anderen hat, schlimmer ist als die Tötung einer Maus, der wahrscheinlich nicht alle diese Eigenschaften zukommen. Wir könnten uns auch auf die engen familiären und anderen persönlichen Bindungen berufen, die Menschen haben, während Mäuse sie wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß besitzen. Wir könnten auch die Konsequenzen für andere Menschen, deren Angst um das eigene Leben, für den entscheidenden Unterschied halten. Vielleicht glauben wir aber auch, dass der Unterschied in einer Kombination dieser Faktoren besteht, oder aber ganz anderen.

Doch welche Kriterien wir auch wählen, wir werden zugeben müssen, dass sie nicht genau an der Grenze unserer eigenen Spezies verlaufen. Wir können mit Berechtigung annehmen, dass bestimmte Lebewesen Merkmale aufweisen, die ihr Leben wertvoller machen als das anderer Lebewesen. Aber mit Sicherheit wird es einige nichtmenschliche Tiere geben, deren Leben - nach welchem Maßstab auch immer - mehr Wert hat als das Leben einiger Menschen. Ein Schimpanse, ein Hund oder ein Schwein beispielsweise dürfte einen höheren Grad an Selbstbewusstheit aufweisen und eine größere Fähigkeit für sinnvolle Beziehungen zu anderen besitzen als ein geistig

schwerbehindertes Kleinkind oder ein Mensch im Stadium fortgeschrittener Senilität. Wenn wir also das Recht auf Leben auf diese Eigenschaften gründen, müssen wir diesen Tieren ein genauso großes, wenn nicht sogar ein größeres Lebensrecht zugestehen als solchen geistig behinderten oder senilen Menschen.

Dieses Argument funktioniert in beiden Richtungen. Man könnte es so verstehen, dass Schimpansen, Hunden und Schweinen, und auch noch einigen anderen Arten, ein Recht auf Leben zukommt und dass die Tötung dieser Tiere immer ein schlimmes moralisches Vergehen darstellt selbst dann, wenn sie alt sind und leiden und wir nur die Absicht haben, sie aus ihrem Elend zu befreien. Andererseits könnte das Argument auch so verstanden werden, dass geistig schwerbehinderte und hoffnungslos senile Menschen kein Recht auf Leben haben und aus recht trivialen Gründen getötet werden dürfen, so wie heute Tiere.

Da das zentrale Thema dieses Buches die ethischen Fragen sind, die Tiere betreffen, und nicht die moralischen Aspekte der Euthanasie, will ich hier nicht versuchen, diesen Punkt endgültig zu klären.15 Ich glaube, es wird aus dem bisher Gesagten schon hinreichend deutlich, dass beide beschriebenen Positionen es zwar schaffen, Speziesismus zu vermeiden, dass sie aber beide nicht befriedigend sind. Wir brauchen eine Position zwischen diesen beiden, die den Speziesismus vermeidet, die aber nicht zugleich das Leben geistig behinderter und seniler Menschen so wertlos macht, wie das Leben von Schweinen und Hunden jetzt ist, oder das Leben von Schweinen und Hunden nicht so unantastbar macht, dass es sogar falsch wäre, sie aus hoffnungslosem Elend zu befreien. Wir müssen dahin gelangen, dass wir nichtmenschliche Tiere in den Bereich der moralischen Rücksicht einbeziehen und dass wir aufhören, ihr Leben für jeden noch so trivialen Zweck zu opfern. Und nur wenn wir den Gedanken zulassen, dass die bloße Zugehörigkeit eines Lebewesens zu unserer Spezies als solche noch nicht ausreicht, um das Töten dieses Wesens verwerflich zu machen, können wir vielleicht auch unsere Praxis neu überdenken, menschliches Leben um jeden Preis zu erhalten, selbst wenn keine Aussicht auf ein sinnvolles Leben oder ein Dasein ohne schreckliche Schmerzen besteht.

Ich komme also zu dem Ergebnis, dass die Ablehnung des Speziesismus nicht die Position einschließt, alle Leben seien gleich wertvoll. Zwar ist die Fähigkeit, sich seiner selbst bewusst zu sein, vorauszudenken, zukunftsgerichtete Hoffnungen und Bestrebungen zu haben, sinnvolle Beziehungen zu anderen zu haben und vieles andere mehr für die Frage der Zufügung von Schmerzen irrelevant - denn Schmerz ist Schmerz, welche Fähigkeiten ein Lebewesen neben der Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, auch immer haben mag. Diese Fähigkeiten sind aber bedeutsam für die Frage des Tötens. Es ist nicht willkürlich zu behaupten, dass das Leben eines selbstbewussten Lebewesens, das zu abstraktem Denken fähig ist, seine Zukunft planen kann, komplexe Formen der Kommunikation kennt etc., wertvoller ist als das Leben eines Wesens, dem diese Eigenschaften fehlen. Um uns den Unterschied dieser beiden Probleme - die Zufügung von Schmerzen und das Beenden von Leben - zu verdeutlichen, können wir uns überlegen, wie wir uns bei Mitgliedern unserer eigenen Spezies entscheiden würden. Wenn wir vor die Wahl gestellt wären, entweder das Leben eines normalen Menschen zu retten oder das eines geistig behinderten Menschen, würden wir uns wahrscheinlich für die Rettung des normalen Menschen entscheiden.

Aber wenn wir die Wahl hätten, entweder einen normalen oder einen geistig behinderten Menschen vor Schmerzen zu bewahren - nehmen wir beispielsweise an, beide hätten sehr schmerzhafte, aber ungefährliche Verletzungen, es wäre aber nur für einen von beiden genügend Schmerzmittel vorhanden —, dann ist nicht annähernd so klar, wie wir uns entscheiden sollten. Dasselbe trifft zu, wenn wir andere Spezies betrachten. Schmerzen sind schlecht, völlig unabhängig von den sonstigen Eigenschaften des Lebewesens, das unter Schmerzen leidet; der Wert eines Lebens ist von diesen anderen Eigenschaften aber nicht unabhängig. Diesen Unterschied möchte ich nur an einem Aspekt verdeutlichen. Die Tötung eines Lebewesens, das Hoffnungen in die Zukunft setzt, Pläne hat und auf ein in der Zukunft liegendes Ziel hinarbeitet, bedeutet, dieses Lebewesen des Erfolgs all seiner Anstrengungen zu berauben. Die Tötung eines Lebewesens, dessen geistige Fähigkeiten so gering sind, dass es nicht in der Lage ist, sich selbst als ein Wesen zu verstehen, das eine Zukunft vor sich

hat - geschweige denn Pläne für diese Zukunft machen könnte -, kann diesen speziellen Verlust nicht bewirken.16 Unter normalen Umständen heißt das, dass wir das Leben des Menschen retten sollten, wenn wir vor die Entscheidung gestellt wären, entweder einen Menschen oder ein anderes Tier zu retten. Aber es sind auch Fälle denkbar, in denen das Gegenteil richtig wäre, weil der betreffende Mensch nicht über die Fähigkeiten eines normalen Menschen verfügt. Deshalb ist diese Sichtweise nicht speziesistisch, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Dass wir im Fall der Unumgänglichkeit einer Entscheidung im Normalfall die Rettung eines menschlichen Lebens der Rettung eines Tieres vorziehen, beruht auf den Eigenschaften, die normale Menschen besitzen, und nicht auf der bloßen Tatsache, dass sie Mitglieder unserer eigenen Spezies sind. Das ist der Grund, warum wir bei Mitgliedern unserer eigenen Spezies, denen die Eigenschaften normaler Menschen fehlen, nicht mehr behaupten können, dass ihr Leben dem Leben anderer Tiere immer vorzuziehen ist. Die praktische Seite dieser Problematik wird im folgenden Kapitel behandelt. Im Allgemeinen ist jedoch die Frage, wann es falsch ist, ein Tier (schmerzlos) zu töten, keine, auf die wir eine präzise Antwort geben müssen. Solange wir daran denken, dass wir dem Leben von Tieren mit derselben Achtung begegnen sollten, die wir dem Leben von Menschen auf einem ähnlichen geistigen Niveau entgegenbringen, können wir nicht viel falsch machen.17 Auf jeden Fall ergeben sich die Schlussfolgerungen, für die ich in diesem Buch argumentiere, allein aus dem Prinzip, Leid auf das ldeinste Maß zu reduzieren. Die Vorstellung, dass es ebenso falsch sei, Tiere (schmerzlos) zu töten, unterstützt einige meiner Schlüsse zusätzlich, ist aber genaugenommen nicht nötig. Interessanterweise trifft das selbst auf die Schlussfolgerung zu, dass wir uns zu einer vegetarischen Ernährungsweise entschließen sollten. Denn diese Folgerung wird in der Vorstellung der breiten Öffentlichkeit im Allgemeinen mit einem absoluten Tötungsverbot verknüpft.

Vielleicht sind manchen Lesern und Leserinnen inzwischen schon einige Einwände gegen die Position, die ich in diesem Kapitel vertrete, eingefallen. Wie sollen wir uns zum Beispiel gegenüber Tieren verhalten, die Menschen schaden könnten? Sollten wir versuchen, Tiere daran zu hindern, dass sie sich gegenseitig töten? Woher sollen wir wissen, dass Pflanzen keine Schmerzen empfinden, und wenn sie es doch können, müssen wir dann verhungern? Ich habe mich, um die zentrale Argumentation nicht zu unterbrechen, dazu entschieden, diese und andere Einwände in einem eigenen Kapitel zu behandeln. Wer auf die Beantwortung seiner Einwände nicht warten will, mag in Kapitel 6 nachschlagen.

Die beiden folgenden Kapitel befassen sich mit zwei praktischen Beispielen von Speziesismus. Ich habe mich auf zwei Beispiele beschränkt, damit genug Raum für eine einigermaßen gründliche Diskussion zur Verfügung steht. Diese Einschränkung bedeutet aber, dass das Buch andere Praktiken nicht aufgreift, die nur existieren können, weil wir die Interessen anderer Tiere nicht ernst nehmen. Ich meine Praktiken wie die Jagd, sei es als Sport oder zur Pelzgewinnung; die Züchtung von Nerzen, Füchsen und anderen Tieren wegen ihrer Pelze; das Einfangen wilder Tiere (oft, nachdem ihre Mütter erschossen wurden), um sie in kleine Käfige zu sperren, damit die Leute sie angaffen können; das Quälen von Tieren, um ihnen Tricks für den Zirkus beizubringen, das Quälen von Tieren zur Unterhaltung des Publikums bei Rodeos; das Abschlachten von Walen mit explodierenden Harpunen unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung; das Ertränken von mehr als 100 000 Delphinen jährlich in den Netzen der Thunfischkutter, das Erschießen von jährlich drei Millionen Kängurus im australischen Busch, um sie zu Leder und Tierfutter zu verarbeiten; und allgemein die Vernachlässigung der Interessen wilder Tiere, indem wir unser Imperium aus Beton und Müll auf die gesamte Erdoberfläche ausdehnen.

Ich werde nichts oder fast nichts über diese Dinge sagen, denn wie ich schon im Vorwort zu dieser Ausgabe angedeutet habe, ist dieses Buch kein Kompendium aller scheußlichen Dinge, die wir Tieren antun. Statt dessen habe ich zwei zentrale Beispiele zur Veranschaulichung des praktischen Speziesismus ausgewählt. Sie sind keine vereinzelten Beispiele von Sadismus, sondern Praktiken, die jedes Jahr mehrere Zehnmillionen Tiere in dem einen und Milliarden von Tieren im anderen Fall betreffen. Wir können auch nicht vorgeben, dass wir mit diesen Praktiken nichts zu tun hätten. Die

eine — Tierversuche — wird von der Regierung gefördert, die wir gewählt haben, und wird weitgehend über unsere Steuern finanziert. Die andere - die Tierhaltung zu Nahrungszwecken - ist nur möglich, weil die meisten Menschen die Produkte dieser Praktik kaufen und essen. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden, diese beiden speziellen Praktiken des Speziesismus zu diskutieren. Sie treffen ihn im Kern. Sie verursachen einer größeren Zahl von Tieren mehr Leid als irgendetwas anderes, das Menschen tun. Um ihnen Einhalt zu gebieten, müssen wir die Politik unserer Regierungen ändern, und wir müssen unser eigenes Leben ändern, bis hin zu einer anderen Ernährung. Wenn diese öffentlich geförderten und fast allgemein akzeptierten Formen des Speziesismus abgeschafft werden können, wird die Abschaffung der übrigen speziesistischen Praktiken schnell folgen.

2 Werkzeuge fiir die Forschung Wozu Ihre Steuergeider auch verwendet werden »Project X«, ein bekannter Film, der 1987 in den Kinos lief, verhalf vielen Amerikanerinnen und Amerikanern zu einem ersten Eindruck davon, was ihr Militär an Tierversuchen durchführt. Die Handlung des Films dreht sich um ein Experiment der Luftwaffe, bei dem geprüft wird, ob Schimpansen auch nach einer radioaktiven Verstrahlung noch die Fähigkeit haben, einen Flugsimulator zu steuern. Ein junger Offiziersanwärter, der im Labor Dienst tut, ist einem bestimmten Schimpansen sehr zugetan, mit dem er sich in Zeichensprache verständigen kann. Als dieser Schimpanse der Strahlung ausgesetzt werden soll, beschließt der junge Mann (natürlich mit Hilfe seiner attraktiven Freundin), die Schimpansen zu befreien.

Die Handlung war erfunden, die Experimente aber nicht. Ihre Darstellung folgte Experimenten, die über viele Jahre in der Brooks Air Force Base in Texas durchgeführt wurden und die in verschiedenen Formen noch immer stattfinden. Dem Kinopublikum hatte man aber nicht die ganze Geschichte erzählt. Was mit den Schimpansen im Film geschah, war nur eine stark abgeschwächte Version der Wahrheit. Wir sollten uns deshalb die Versuche selbst ansehen, wie sie in Dokumenten der Brooks Air Force Base beschrieben sind.

Der Film gibt schon einen Hinweis darauf, dass bei den Versuchen eine Art Flugsimulator eine Rolle spielt. Die Vorrichtung wird als Primaten-Gleichgewichts-Plattform bezeichnet (Primate Equilibrum Platform), kurz PEP. Sie besteht aus einer Plattform, die in Neigung und Schaukeln versetzt werden kann wie ein Flugzeug. Die Affen sitzen auf einem Stuhl, der auf der Plattform befestigt ist. Vor ihnen befindet sich ein Steuerknüppel, mit dem die Plattform in eine waagerechte Lage zurückversetzt werden kann. Wenn die Affen das gelernt haben, werden sie radioaktiver Strahlung oder chemischen Kampfmitteln ausgesetzt, um zu prüfen, wie sich dies auf ihre Flugtüchtigkeit auswirkt.

Das übliche PEP-Trainingsprogramm wird in einer Veröffentlichung der Brooks Air Force Base mit dem Titel »Training Procedure for Primate Equilibrum Platform« beschrieben.1 Das Folgende ist eine Zusammenfassung: Phase I (Gewöhnung an den Stuhl): Die Affen werden für eine Stunde am Tag auf dem Stuhl fixiert

(mit anderen Worten: an den Stuhl gefesselt). Dies während fünf Tagen, bis sie stillsitzen.

Phase II (Gewöhnung an den Steuerknüppel): Die Affen sind auf dem PEP-Stuhl fixiert. Der Stuhl wird dann nach vorwärts gebeugt, und die Affen bekommen elektrische Schläge. Das bewirkt, dass der Affe sich entweder »im Stuhl zusammenkrümmt oder in die Plattform beißt ... Dieses Verhalten wird zur behandschuhten Hand [des Versuchsleiters] umgelenkt, die sich direkt über dem Steuerknüppel befindet«. Berührt der Affe die Hand, so hört der elektrische Schlag auf, und der Affe (der an diesem Tag noch kein Futter erhalten hat) bekommt eine Traube. Das wird während fünf bis acht Tagen mit jedem Affen hundertmal am Tag gemacht.

Phase III (Handhabung des Steuerknüppels): Wenn jetzt die Plattform nach vorne geneigt wird, genügt das bloße Berühren des Steuerknüppels nicht mehr, damit der elektrische Schlag aufhört.

Den Affen werden so lange Stromschläge versetzt, bis sie den Knüppel zurückziehen. Das wird hundertmal am Tag wiederholt.

Phasen IV-VI (Steuerknüppel nach vorne drücken und Steuerknüppel zurückziehen): In dieser Phase wird die Plattform nach hinten geneigt, und die Affen erhalten elektrische Schläge, bis sie den Steuerknüppel nach vorne drücken. Dann wird die Plattform wieder nach vorne geneigt, und der Affe muss wieder lernen, den Knüppel nach hinten zu ziehen. Das wird hundertmal am Tag wiederholt. Dann wechselt die Plattform unregelmäßig zwischen Vor- und Rückwärtsbewegung, und die Affen erhalten wiederum elektrische Schläge, bis sie gelernt haben, jeweils richtig zu reagieren.

Phase VII (den funktionsfähigen Steuerknüppel bedienen): Bis jetzt haben die Affen zwar den Steuerknüppel nach vorne und hinten bewegt, aber das ist ohne Einfluss auf die Position der Plattform geblieben. Jetzt steuert der Affe die Position durch die Bewegung des Steuerknüppels. In dieser Phase werden die elektrischen Schläge nicht automatisch verabreicht, sondern manuell, und zwar etwa alle drei bis vier Sekunden für ca. eine halbe Sekunde. Das ist eine langsamere Folge als zuvor, sie soll sicherstellen, dass richtiges Verhalten nicht bestraft und damit - wie es im Fachjargon heißt — »gelöscht« wird. Hört der Affe auf, die gewünschte Leistung zu bringen, so wird das Training bei Phase VI wieder aufgenommen. Andernfalls wird das Training in dieser Phase fortgesetzt, bis der Affe in der Lage ist, die Plattform in nahezu waagerechter Position zu halten und damit 80 Prozent der elektrischen Schläge zu vermeiden. Das Durchlaufen der Trainingsphasen III bis VII dauert etwa zehn bis zwölf Tage.

Nach dieser Periode wird das Training für weitere zwanzig Tage fortgesetzt. Während dieser Phase wird über einen Zufallsgenerator die Plattform immer stärker geneigt und ins Schaukeln versetzt, aber der Affe muss in gleicher Weise den Stuhl in die Horizontale zurückbringen, oder er wird häufigen Stromschlägen ausgesetzt.

Doch dieses ganze Training ist, obwohl es für die Affen mit Tausenden von Stromschlägen verbunden ist, nur die Vorbereitung für das eigentliche Experiment. Wenn die Affen gelernt haben, die meiste Zeit über die Plattform gleichmäßig in waagerechter Position zu halten, werden sie tödlichen oder fast tödlichen Dosen von radioaktiver Strahlung oder chemischen Kampfmitteln ausgesetzt, um zu prüfen, wie lange sie danach noch die Plattform »fliegen« können. Aufgrund der tödlichen Strahlendosis von Übelkeit und wahrscheinlich auch Erbrechen geplagt, werden die Affen gezwungen, die Plattform weiter in waagerechter Position zu halten, und wenn es ihnen nicht gelingt, erhalten sie zahlreiche elektrische Schläge. Es folgt ein Beispiel aus dem Bericht der U.S. Air Force School of Aerospace Medicine, der im Oktober 1987 veröffentlicht wurde - das war, nachdem »Project X« in die Kinos gekommen war.2 Der Bericht trägt den Titel »Primate Equilibrum Performance Fol- lowing Soman Exposure: Effects of Repeated Daily Exposures to Low Soman Doses«, befasst sich also mit der Wirkung wiederholter täglicher Verabreichung niedriger Dosen von Soman. Soman ist ein Name für Nervengas, ein chemisches Kampfmittel, das den Soldaten im Ersten Weltkrieg furchtbare Qualen bereitete, aber seitdem in Kriegen glücklicherweise nur sehr selten eingesetzt worden ist. Der

Bericht beginnt mit einem Hinweis auf mehrere frühere Berichte, in denen die gleiche Forschergruppe die Auswirkungen auf das Bedienen der Plattform bei »akuter Verabreichung von Soman« geprüft hatte. Die vorliegende Studie befasste sich aber mit den Auswirkungen von geringen, über mehrere Tage verabreichten Gasmengen. Die Affen in diesem Versuch hatten zuvor während zwei Jahren oder länger »mindestens einmal wöchentlich« die Plattform bedient. Sie hatten zuvor verschiedene Medikamente und niedrige Dosen von Soman erhalten, nicht aber in den sechs Wochen vor dem Versuch.

Die Experimentatoren berechneten die Somandosen, die ausreichten, um die Leistungsfähigkeit der Affen bei der Kontrolle der Plattform zu senken. Damit diese Berechnung durchgeführt werden konnte, mussten die Affen natürlich elektrische Schläge erhalten, wenn es ihnen nicht gelang, die Plattform waagerecht zu halten. Der Bericht befasst sich zwar hauptsächlich mit der Wirkung des Nervengases auf die Leistungsfähigkeit der Affen, er vermittelt aber auch einen gewissen Eindruck von den sonstigen Wirkungen chemischer Kampfmittel.

Das Versuchsobjekt war am Tag nach der Verabreichung der letzten Dosis zu nichts fähig. Es wies neurologische Symptome auf, darunter starke Koordinationsstörungen, Schwäche und Tremor bei intentionalen Bewegungen. Diese Symptome hielten mehrere Tage lang an, in dieser Zeit war das Tier nicht in der Lage, die Anforderungen des PEP-Versuchs zu erfüllen.3 Dr. Donald Barnes war mehrere Jahre lang Versuchsleiter an der U.S. Air Force School of Aerospace Medicine und mit der Durchführung der PEP-Versuche an der Brooks Air Force Base betraut. Barnes schätzt, dass er während der Jahre, in denen er diese Position innehatte, etwa tausend trainierte Affen verstrahlte. Später schrieb er: »Ich muss gestehen, dass ich einige Jahre lang einen Verdacht bezüglich der Nützlichkeit der von uns gesammelten Daten gehegt hatte. Ich unternahm einige Scheinversuche, um die Bestimmung und den Zweck der technischen Berichte festzustellen, die von uns veröffentlicht wurden. Damals akzeptierte ich allzu bereitwillig die Versicherung, dass wir der US Air Force und damit der freien Welt tatsächlich einen Dienst erwiesen. Ich benutzte diese Versicherung als Scheuklappen, um die Realität dessen, was ich >vor Ort< sah, nicht zu erkennen; und obwohl die Scheuklappen nicht immer bequem waren, dienten sie mir doch als Schutz vor den Unsicherheiten, die mit einem möglichen Verlust von Status und Einkommen verbunden wären ... Und dann fielen eines Tages die Scheuklappen ab, und ich fand mich in einer sehr ernsten Konfrontation mit Dr. Roy DeHart, Commander, US Air Force-Schule für Raumfahrtmedizin, wieder. Ich argumentierte, dass es bei einem nuklearen Konflikt höchst unwahrscheinlich wäre, dass Einsatzkommandos sich auf Tabellen und Zahlen verlassen würden, die auf Daten von Rhesusaffen basierten, um Schätzungen für mögliche Streitmachtstärke oder Zweitschlagfähigkeit zu gewinnen. Dr. DeHart bestand auf dem unschätzbaren Wert dieser Daten und erklärte: >Sie werden nicht wissen, dass die Daten auf Tierversuchen basieren.«<4 Barnes gab seine Position auf und wurde zu einem überzeugten Tierversuchsgegner; aber die Versuche mit der Gleichgewichtsplattform für Primaten werden fortgesetzt.

Der Film »Project X« enthüllte eine Art von Versuchen, die das Militär durchführt. Wir haben uns das gerade etwas genauer angesehen, aber es würde lange dauern, alle Formen der Bestrahlung und der chemischen Kampfmittel zu beschreiben, die an den Affen auf der Plattform in unterschiedlich starken Dosen ausprobiert wurden. Jetzt kommt es auf die Erkenntnis an, dass dies nur ein ganz kleiner Teil der gesamten militärischen Tierversuche ist. Bedenken wegen dieser Versuche gibt es schon seit mehreren Jahren.

Im Juli 1973 erfuhr der Kongressabgeordnete Les Aspin aus Wisconsin durch eine Anzeige in einer zwielichtigen Zeitung, dass die Luftwaffe der Vereinigten Staaten plante, 200 Beaglewelpen zu kaufen. An den Welpen, die mit präparierten Stimmbändern geliefert werden sollten, damit sie nicht bellen konnten, sollten Giftgasversuche durchgeführt werden. Kurz darauf wurde bekannt, dass die Landstreitkräfte ebenfalls vorhatten, Beagles - dieses Mal 400 — in ähnlichen Versuchen zu ver-

wenden.

Aspin leitete eine energische Protestaktion ein, bei der er von Anti- vivisektionsgesellschaften unterstützt wurde. Es wurden Anzeigen in den wichtigsten Zeitungen des ganzen Landes veröffentlicht. Briefe der aufgebrachten Öffentlichkeit kamen in Massen an. Ein Assistent des Militärausschusses des Repräsentantenhauses sagte, das Komitee habe wegen der Beagles mehr Post bekommen als aus irgendeinem anderen Anlass seit der Entlassung General MacArthurs durch Truman, und gleichzeitig hieß es in einer internen Notiz des Verteidigungsministeriums, die Aspin bekanntmachte, das Ministerium habe noch nie zu einem einzelnen Ereignis so viel Post bekommen, nicht einmal wegen der Bombardierung Nordvietnams und Kambodschas.5 Zuerst verteidigte das Ministerium die Versuche, dann kündigte es an, die Versuche würden aufgeschoben, und es würde nach einer Möglichkeit gesucht, die Beagles durch andere Versuchstiere zu ersetzen.

Das Ganze war ein ziemlich seltsamer Vorfall - seltsam deshalb, weil der Aufschrei der Öffentlichkeit über dieses eine Experiment eine bemerkenswerte Unkenntnis der ganz normalen Versuche erkennen ließ, die vom Militär, Forschungseinrichtungen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen in verschiedenster Weise durchgeführt werden. Es stimmt schon, die vorgesehenen Versuche der Luftwaffe und der Armee waren so aufgebaut, dass viele Tiere gelitten hätten und gestorben wären, ohne dass man die geringste Gewissheit gehabt hätte, dass dieses Leiden und Sterben auch nur ein einziges Menschenleben retten würde oder Menschen überhaupt in irgendeiner Weise zugute käme; aber das Gleiche trifft auf Millionen anderer Versuche zu, die allein in den Vereinigten Staaten jedes Jahr durchgeführt werden. Möglicherweise kam es nur deshalb zu diesem Aufruhr, weil für die Versuche Beagles vorgesehen waren. Aber wenn das zutrifft, warum gab es dann gegen den folgenden Versuch, der erst vor kurzem durchgeführt wurde, keinen Protest?

Unter der Leitung des U.S. Army Medical Bioengineering Research and Development Laboratory im Fort Detrick in Frederick, Maryland, fütterten Forscher 60 Beagles mit unterschiedlich großen Dosen des Sprengstoffs TNT. Sechs Monate lang erhielten die Hunde täglich Kapseln mit TNT. Es traten u. a. folgende Symptome auf: Dehydrierung, Auszehrung, Blutarmut, Gelbsucht, niedrige Körpertemperatur, verfärb- ter Urin und Kot, Durchfall, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, vergrößerte Leber, Nieren und Milz, Koordinationsstörungen. Eine Hündin wurde in der 14. Woche für »moribund [sterbend] befunden« und getötet; eine andere wurde in der 16. Woche tot aufgefunden.

Der Bericht gibt an, der Versuch bilde »einen Teil« der Daten, die das Fort Detrick Laboratory über die Auswirkungen von TNT auf Säugetiere erarbeite. Da Schäden selbst bei den niedrigsten Dosen beobachtet worden seien, habe die Studie keinen Grenzwert aufstellen können, bei dem TNT keine beobachtbaren Auswirkungen mehr hat. Aus diesem Grund, so schließt der Bericht, »dürften weitere Studien ... über TNT an Beagles angebracht sein«.6 Auf jeden Fall ist es falsch, wenn wir uns nur um Hunde Sorgen machen. Den Menschen liegen Hunde gewöhnlich am Herzen, weil sie mit Hunden als Gefährten im Allgemeinen die größeren Erfahrungen haben. Aber andere Tiere können genauso leiden wie Hunde. Nur wenige Menschen empfinden Sympathie für Ratten. Aber Ratten sind intelligente Tiere, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass Ratten leiden können und unter den zahllosen schmerzhaften Versuchen, die man an ihnen durchführt, tatsächlich leiden. Wenn die Armee aufhören würde, mit Hunden zu experimentieren, und statt dessen Ratten verwenden wollte, dann sollte uns das nicht weniger berühren.

Einige der schlimmsten militärischen Versuche werden an einem Ort namens AFRRI durchgeführt, - dem Armed Forces Radiobiology Research Institute in Bethesda, Maryland. Dort haben die Experimentatoren zwar keine Gleichgewichtsplattformen für Primaten benutzt, sie haben aber Tiere an Stühle gefesselt und bestrahlt, sie haben ihnen auch beigebracht, Hebel zu drücken, und die Auswirkungen der Bestrahlung auf ihre Leistungsfähigkeit beobachtet. Sie haben Affen auch beigebracht, in einem »Aktivitätsrad«, einer Art Tretmühle, zu laufen. Den Affen werden elektrische Schläge versetzt, wenn sie das Rad nicht mit einer Geschwindigkeit von mehr als einer Meile pro Stunde in Bewegung halten.

In einem Versuch mit dem Aktivitätsrad trainierte Carol Franz von der Abteilung Verhaltensforschung im AFRRI 39 Affen neun Wochen lang zwei Stunden täglich, bis sie abwechselnd sechsstündige ununterbrochene »Arbeits-« und »Ruhephasen« durchhielten. Dann wurden sie unterschiedlichen Strahlendosen ausgesetzt. Affen, die eine höhere Dosis abbekommen hatten, erbrachen sich bis zu sieben Mal. Sie wurden dann in das Rad zurückgesetzt, um die Auswirkungen der Strahlung auf ihre »Arbeits«-Fähigkeit zu prüfen. Wenn ein Affe in dieser Periode das Rad eine Minute lang nicht bewegte, »wurde die Stärke des Stromschlags auf 10mA erhöht«. (Das ist außerordentlich viel, selbst nach den äußerst großzügigen Normen für amerikanische Tierversuche; es muss schwerste Schmerzen verursachen.) Einige Affen erbrachen sich auch noch in dem Rad. Franz berichtet über die Wirkungen der unterschiedlichen Strahlendosen auf die Leistungsfähigkeit. Ihr Bericht vermerkt auch, dass es zwischen eineinhalb Tagen und fünf Tagen gedauert hat, bis die verstrahlten Affen starben.7 Ich möchte nicht das ganze Kapitel mit der Beschreibung von Tierversuchen füllen, die von den amerikanischen Streitkräften durchgeführt werden, und werde mich jetzt deshalb nichtmilitärischen Tierversuchen zuwenden (allerdings werden wir nebenbei noch ein oder zwei militärische Experimente betrachten, die für andere Themen relevant sind). Unterdessen hoffe ich, dass die amerikanischen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, was sie auch sonst über die Größe des Militäretats denken mögen, sich jedenfalls fragen: Will ich, dass die Streitkräfte dafür meine Steuern ausgeben?

Natürlich sollten wir nicht alle Tierversuche anhand der Experimente beurteilen, die ich gerade beschrieben habe. Die Vermutung ist naheliegend, dass die Streitkräfte durch die Konzentration auf Krieg, Tod und Verletzung gegenüber dem Leiden abgestumpft sind. Echte wissenschaftliche Forschung ist doch bestimmt ganz anders? Wir werden sehen. Zu Beginn unserer Untersuchung der nichtmilitärischen wissenschaftlichen Forschung möchte ich Professor Harry F. Harlow in eigener Sache sprechen lassen. Er arbeitete am Primate Research Institute in Madison, Wisconsin, war viele Jahre lang der Herausgeber einer führenden Zeitschrift für Psychologie, starb vor einigen Jahren und genoss bis zuletzt bei seinen Kollegen hohes Ansehen. In vielen Lehrbüchern, die von Millionen Studenten gelesen wurden, die in den letzten 20 Jahren Einführungskurse in Psychologie absolviert haben, finden seine Arbeiten positive Erwähnung. Die von ihm begonnene Forschungsreihe wurde nach seinem Tod von seinen Mitarbeitern und früheren Studenten fortgeführt.

In einem Artikel aus dem Jahr 1965 beschreibt Harlow seine Arbeit folgen dermaßen: In den letzten zehn Jahren haben wir die Auswirkungen einer partiellen sozialen Isolation studiert, indem wir Affen von Geburt an in nackten Drahtkäfigen aufzogen. ... Diese Affen erleiden den vollständigen Verlust der Mutter. ... Neuerdings haben wir eine Reihe von Untersuchungen über die Auswirkungen totaler sozialer Isolation begonnen. Einige Stunden alte Affen werden bis zum Alter von 3, 6 oder 12 Monaten in einer Stahlkammer gehalten. Während des vorgesehenen Aufenthalts in dem Apparat hat der Affe keinen Kontakt zu irgendeinem anderen Tier, ob humanes oder subhumanes.

Bei diesen Untersuchungen fand man heraus, so fährt Harlow fort, dass genügend strenge und anhaltende frühe Isolation die Tiere auf ein soziales und emotionales Niveau reduziert, bei dem die primäre soziale Reaktion Angst ist.8 In einem anderen Artikel beschreiben Harlow und sein früherer Student und Mitarbeiter Stephen Suomi, wie sie versuchten, mit einer Vorgehensweise, die anscheinend nicht funktionierte, psychopathische Reaktionen bei jungen Affen auszulösen. Sie erhielten zu dieser Zeit Besuch von John Bowlby, einem britischen Psychiater. Wie Harlow berichtet, hörte sich Bowlby ihre Sorgen an und besichtigte dann das Laboratorium. Nachdem er die Affen gesehen hatte, die alle einzeln in nackten Drahtkäfigen untergebracht waren, fragte er: »Warum versuchen Sie eigentlich, psychopathische Affen zu produzieren? Sie haben doch schon mehr psychopathische Affen in

diesem Labor, als es jemals zuvor auf der ganzen Erde gegeben hat.«9 Bowlby gehörte übrigens zu den führenden Erforschern der Folgen des Mutterverlusts, aber er führte seine Forschungen an Kindern durch, vornehmlich Kriegswaisen, Flüchtlingskindern und Heimkindern. Bereits 1951, als Harlow seine Forschungen an nichtmenschlichen Primaten noch gar nicht begonnen hatte, war Bowlby schon zu dem Schluss gelangt: Das Datenmaterial ist überprüft worden. Die vorgetragene Beweislage ist so, dass sie keinen Zweifel an der allgemeinen Aussage zulässt, dass das anhaltende Fehlen der mütterlichen Fürsorge bei dem kleinen Kind schwerwiegende und weitreichende Auswirkungen auf seinen Charakter und somit auf seine gesamte Lebenszukunft haben kann.10 Das hielt Harlow und seine Kollegen nicht davon ab, sich ihre Affenexperimente auszudenken und sie durchzuführen. Im gleichen Artikel, in dem Harlow und Suomi über Bowlbys Besuch berichten, beschreiben sie, wie sie die »faszinierende Idee« hatten, bei Affenbabys Depressionen auszulösen, indem sie sie » auf Mutterattrappen aus Stoff prägten, die zu Monstern werden konnten«: Das erste dieser Monster war eine Affenmutter aus Stoff, die nach Plan oder auf Anforderung mit großem Druck Pressluft ausstieß. Sie blies praktisch dem Tier die Haut vom Körper. Was tat das Affenbaby? Es drückte sich fester und fester an die Mutter, weil ein verängstigtes Kind sich um jeden Preis an seine Mutter klammert. Wir erzielten keinerlei psychopathisches Verhalten.

Wir gaben aber nicht auf. Wir bauten eine andere Mutterattrappe, die so heftig schaukelte, dass dem Baby der Kopf wackelte und seine Zähne klapperten. Aber das Baby klammerte sich nur umso fester an die Ersatzmutter. Dem dritten Monster bauten wir einen Drahtrahmen im Körper ein, der hervorsprang und das Baby von der Oberfläche des Bauches wegstieß. Das Baby rappelte sich sofort vom Boden auf, wartete, bis der Rahmen im Stoffkörper verschwunden war, und klammerte sich wieder an die Mutterattrappe. Zuletzt bauten wir unsere Stachelmutter. Auf Befehl fuhr diese Mutter auf der ganzen vorderen Seite des Körpers spitze Messingstacheln aus. Obwohl die Babys über diese scharfe Zurückweisung verzweifelt waren, warteten sie, bis die Stacheln zurückwichen, kamen dann zurück und klammerten sich an die Mutter.

Wie die Experimentatoren bemerkten, waren diese Ergebnisse nicht allzu überraschend, denn es ist nun einmal die einzige Zuflucht eines verletzten Kindes, sich an seine Mutter zu klammern.

Schließlich gaben Harlow und Suomi ihre Versuche mit den Mutterattrappen auf, denn sie hatten etwas Besseres gefunden: eine echte Affenmutter, die ein Monster war. Um solche Mütter zu erzeugen, zogen sie weibliche Affen in völliger Isolation auf, und versuchten dann, sie schwanger werden zu lassen. Unglücklicherweise verweigerten diese Affinnen aber normale sexuelle Beziehungen zu männlichen Affen, so dass sie mittels einer besonderen Technik geschwängert werden mussten, für die Harlow und Suomi den Ausdruck »Vergewaltigungsgestell« benutzten. Die Experimentatoren beobachteten die Äffinnen bei der Geburt ihrer Babys. Sie stellten fest, dass einige ihre Kinder einfach ignorierten, dass sie es unterließen, das schreiende Baby an die Brust zu nehmen, wie normale Affenmütter es tun, wenn sie ihr Baby schreien hören. Das andere Verhaltensmuster, das sie beobachteten, unterschied sich davon wesentlich: Die anderen Affen waren gewalttätig oder töteten. Einer ihrer liebsten Tricks bestand darin, den Schädel des Babys mit ihren Zähnen zu zertrümmern. Aber das Verhalten, von dem einem wirklich übel werden konnte, bestand darin, das Gesicht des Babys auf den Boden zu klatschen und es dann hin- und herzureiben.11 In einem Artikel aus dem Jahr 1972 berichten Harlow und Suomi, weil Depressionen bei Menschen beschrieben worden seien als Verkörperung eines Zustands aus »Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit, versunken in einem dunklen Schacht der Verzweiflung«, hätten sie eine Versuchsvorrichtung auf einer »intuitiven Basis« entworfen, um einen solchen »Schacht der Verzweiflung« physikalisch und psychologisch herzustellen. Sie bauten eine vertikale Kammer mit nach unten aufeinander zulaufenden Edelstahlwänden, die in einem gerundeten Boden endeten, und

sperrten junge Affen bis zu 45 Tage lang darin ein. Sie stellten fest, dass die Affen nach wenigen Tagen einer solchen Einzelhaft »die meiste Zeit zusammengekauert in einer Ecke der Kammer zubrachten«. Das Eingesperrtsein verursachte »ernste und beständige psychopathische Verhaltensweisen von depressiver Art«. Sogar noch neun Monate nach der Befreiung saßen die Affen mit um den Körper geschlungenen Armen herum, anstatt sich wie normale Affen zu bewegen und ihre Umgebung zu erkunden. Der Bericht endet aber unentschieden und unheilvoll: Ob [die Ergebnisse] auf spezielle Variablen wie Form oder Größe der Kammer, Dauer der Gefangenschaft, Alter während der Gefangenschaft oder, was wahrscheinlicher ist, auf eine Kombination dieser und weiterer Variablen zurückzuführen sind, muss Gegenstand weiterer Forschungen bleiben.12 Ein anderer Artikel zeigt, wie Harlow und seine Kollegen zusätzlich zum »Schacht der Verzweiflung« einen »Tunnel des Schreckens« schufen, um verängstigte Affen zu produzieren13, und in einem weiteren Bericht beschreibt Harlow, wie es ihm gelang, »bei Rhesus-Affen den psychologischen Tod herbeizuführen«, indem er sie mit plüschbezogenen Mutterattrappen zusammenbrachte, die normalerweise eine Temperatur von 37° C aufwiesen, aber rasch auf 2°C abgekühlt werden konnten, um eine Art mütterlicher Zurückweisung nachzuahmen.14 Harlow ist inzwischen gestorben, aber seine Schüler und Bewunderer haben sich über die ganzen Vereinigten Staaten verstreut und machen weiterhin Experimente ähnlicher Art. John P. Capitanio führte unter der Leitung eines der Schüler Harlows, W. A. Mason, am California Primate Research Center der University of California in Davis Deprivations- versuche durch. In diesen Versuchen verglich Capitanio das Sozialverhalten von Rhesusaffen, die von einer Hündin »aufgezogen« wurden, mit dem Sozialverhalten von Rhesusaffen, die von einem Schaukelpferd aus Plastik »aufgezogen« wurden. Er stellte fest, dass »zwar Mitglieder beider Gruppen eindeutig abnorme soziale Verhaltensweisen zeigten«, dass aber die Affen, die bei der Hündin aufgewachsen waren, insgesamt doch besser zurechtkamen als diejenigen, die das Plastikspielzeug hatten.15 Nachdem Gene Sackett Wisconsin verlassen hatte, setzte er seine De- privationsstudien am Primatenzentrum der University of Washington fort. Sackett hatte Rhesusaffen, Schweinsaffen und Makaken, die sich von Krabben ernähren, in absoluter Isolation aufgezogen, um die Unterschiede im persönlichen, Sozial- und Erkundungsverhalten zu untersuchen. Er fand dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Affenarten, die die »Verallgemeinerung des >Isolationssyndroms< über die Primatenarten hinweg in Frage stellen«. Wenn es selbst Unterschiede zwischen nahe verwandten Affenarten gibt, muss doch die Übertragbarkeit von Affen auf Menschen noch viel fragwürdiger sein.16 Martin Reite machte an der University of Colorado Deprivationsver- suche mit Hutaffen und Schweinsaffen. Er wusste, dass Jane Goodall verwaiste wilde Schimpansen beobachtet und »tiefgehende Störungen im Verhalten, mit Traurigkeit oder depressiven Verstimmungen als wichtigsten Bestandteilen« festgestellt hatte. Weil aber »im Vergleich zu den Untersuchungen an niederen Affen noch relativ wenig über experimentelle Trennungen bei großen Menschenaffen publiziert war«, beschlossen er und andere Experimentatoren, sieben neugeborene Schimpansen zu beobachten, die bei der Geburt von ihren Müttern getrennt und in einer Pflegestätte aufgezogen wurden. Nach sieben bis zehn Monaten wurden einige der Säuglinge fünf Tage lang in Isolationsräume gesetzt. Die isolierten Säuglinge schrien, wiegten sich hin und her und rannten gegen die Wände. Reite folgerte, dass »Isolation bei Schimpansen-Säuglingen von ausgeprägten Verhaltensänderungen begleitet sein kann«, bemerkte aber (Sie können es sich schon denken), dass weitere Forschungen erforderlich seien.17 Seit Harlow vor mehr als dreißig Jahren seine Versuche über den Mutterentzug begann, sind in den Vereinigten Staaten mehr als 250 solcher Versuche durchgeführt worden. In diesen Versuchen wurden mehr als siebentausend Tiere Prozeduren unterworfen, die Qualen, Verzweiflung, Angst, allgemeine psychische Vernichtung und Tod bewirkten. Wie einige der vorangegangenen Zitate zeigen, speist sich die Forschung inzwischen aus sich selbst. Reite und seine Kollegen

experimentieren mit Schimpansen, weil es im Vergleich zu Versuchen mit anderen Affen noch relativ wenig Versuche mit Großen Menschenaffen gab. Sie hielten es offensichtlich nicht für notwendig, sich die grundlegende Frage zu stellen, warum wir überhaupt Versuche über die Folgen des Mutterverlusts bei Tieren machen sollten. Sie versuchten nicht einmal, ihre Experimente damit zu rechtfertigen, dass die Ergebnisse Menschen helfen würden. Es scheint sie auch nicht interessiert zu haben, dass uns bereits ausgiebige Beobachtungen über verwaiste Schimpansen in der Wildnis vorliegen. Sie sagten sich einfach: Das ist bereits mit Tieren einer anderen Art gemacht worden, aber nicht mit Tieren dieser Art, also machen wir es mit ihnen. Die gleiche Haltung findet sich ständig im gesamten Bereich der psychologischen und Verhaltenswissenschaften. Das erstaunlichste an dieser Geschichte ist aber, dass Steuerzahler und Steuerzahlerinnen für alle diese Forschungen bezahlt haben - allein für die Versuche über den Mutterentzug mehr als 58 Millionen Dollar.18 In dieser Hinsicht, aber nicht nur in dieser, unterschieden sich die Tierversuche im zivilen Bereich gar nicht so sehr von den militärischen.

Die heute auf der ganzen Welt verbreitete Praxis, an nichtmenschlichen Tieren Versuche durchzuführen, entlarvt die Folgen des Speziesismus. Viele Versuche verursachen schlimme Schmerzen, ohne dass die geringste Aussicht auf einen bedeutsamen Nutzen für Menschen oder andere Tiere mit ihnen verbunden wäre. Solche Versuche sind keine Einzelfälle, sondern gehören zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig. In Großbritannien, wo man von den Experimentatoren verlangt, dass sie die Zahl der »wissenschaftlichen Verfahren« angeben, die sie an Tieren durchführen, weisen die offiziellen Zahlen der Regierung 3,5 Millionen solcher Prozeduren für das Jahr 1988 aus.19 Für die Vereinigten Staaten gibt es keine ähnlich genauen Zahlen. Gemäß dem Animal Weifare Act veröffentlichte der amerikanische Landwirtschaftsminister einen Bericht. Er führt die Zahl der Tiere auf, die in Einrichtungen verbraucht wurden, die gemäß dem Gesetz registriert sind. Aber diese Liste ist in mehr als einer Hinsicht unvollständig. Sie berücksichtigt keine Ratten, Mäuse, Vögel, Reptilien, Frösche und landwirtschaftlich genutzte Tiere, die für Versuchszwecke eingesetzt werden, ebensowenig Tiere, die in höheren Schulen verbraucht werden; und sie schließt Versuche von Einrichtungen nicht ein, die keine Tiertransporte zwischen verschiedenen Bundesstaaten durchführen oder keine Forschungsmittel von der Bundesregierung erhalten oder keine sonstigen Verträge mit ihr haben.

1986 veröffentlichte das U.S. Congress Office of Technology Assess- ment (OTA) einen Bericht mit dem Titel »Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education (Alternativen zur Verwendung von Tieren in der Forschung, bei Prüfverfahren und in der Ausbildung)«. Die OTAForscher versuchten die Zahl der Tiere zu bestimmen, die in den Vereinigten Staaten bei Versuchen verbraucht worden sind und berichteten, dass »die Schätzungen der Zahl der Tiere, die jedes Jahr in den Vereinigten Staaten verbraucht werden, zwischen 10 und mehr als 100 Millionen« schwanken.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Schätzungen unzuverlässig seien, dass aber wahrscheinlich von »mindestens 17 bis 22 Millionen« Tieren ausgegangen werden müsse.20 Das ist eine sehr vorsichtige Schätzung. In einer Befragung vor dem Kongress im Jahr 1966 schätzte die Laboratory Animal Breeders Association, dass die Zahl der Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Hamster und Kaninchen, die 1965 für Experimente verbraucht wurden, bei etwa 60 Millionen gelegen haben dürfte.21 1984 schätzte Dr. Andrew Rowan von der Tufts University School of Veterinary Medicine, dass jährlich um die 71 Millionen Tiere verbraucht werden. 1985 revidierte Rowan seine Schätzungen dahingehend, dass er zwischen produzierten, erworbenen und tatsächlich benutzten Tieren unterschied. Die Zahl der letzteren schätzte er auf 25 bis 35 Millionen jährlich.22 (In diesen Zahlen sind die Tiere nicht enthalten, die auf dem Transport sterben oder vor Beginn des Versuchs getötet werden.) Ein Börsenbericht von einem der größeren Lieferanten für Versuchstiere, dem Charles River Breeding Laboratory, besagte, dass allein diese Firma jährlich 22 Millionen Labor- Tiere produzierte.23 Der 1988 vom Landwirtschaftsministerium herausgegebene Bericht vermerkte 140471 Hunde, 42271 Katzen, 51641 Primaten, 431457 Meerschweinchen, 331945 Hamster, 459254 Kaninchen und 178249 »wilde Tiere« — eine Gesamtzahl von 1 635 288 Tieren, die bei Versuchen verbraucht

wurden. Vergessen wir nicht, dass dieser Bericht sich nicht die Mühe macht, Ratten und Mäuse zu zählen, und dass er schätzungsweise höchstens 10 Prozent der Gesamtzahl an verbrauchten Tieren berücksichtigt. Von den gut 1,6 Millionen Tieren, die das Landwirtschaftsministerium erwähnt, haben nach seinen Angaben mehr als 90000 »ungemilderte Schmerzen oder Qualen« erfahren.

Wieder sind das wahrscheinlich höchstens 10 Prozent aller Tiere, die ungemilderte Schmerzen und Qualen erlitten haben - und wenn sich die Experimentatoren noch weniger Gedanken darüber machen, Ratten und Mäusen Schmerzen zuzufügen als Hunden, Katzen und Primaten, dann könnte es sogar ein noch geringerer Prozentsatz sein.

Die anderen entwickelten Nationen verbrauchen ebenfalls eine große Zahl von Tieren. In Japan ergab zum Beispiel eine sehr unvollständige Übersicht aus dem Jahr 1988 eine Gesamtzahl von über acht Millionen Tieren.24 Eine Möglichkeit, sich bewusstzumachen, dass Tierversuche einen umfangreichen Wirtschaftszweig bilden, besteht darin, sich seine Erzeugnisse und ihre Vermarktung anzusehen. Zu diesen »Erzeugnissen« gehören natürlich die Tiere selbst. Wir haben bereits erfahren, wie viele Tiere allein die Charles River Breeding Laboratories produzieren. In Zeitschriften wie Lab Animal werden Tiere in Inseraten angeboten wie Autos. Unter einem Foto von zwei Meerschweinchen, einem normalen und einem völlig haarlosen, heißt es im Anzeigentext: Wenn es um Meerschweinchen geht, haben Sie jetzt die Wahl. Sie können sich für unser Standardmodell entscheiden, das wir Ihnen komplett behaart liefern. Oder probieren Sie unser neues 1988er Modell, völlig haarlos, für größere Schnelligkeit und Effizienz.

Unsere psychisch stabilen, haarlosen Meerschweinchen sind das Ergebnis jahrelanger Zuchtbemühungen. Sie können für dermatologische Untersuchungen von Haarwuchsmitteln benutzt werden. Hautsensibi- lisierung. Erprobung von Salben. Untersuchungen mit ultravioletten Strahlen.

Und vieles mehr.

Eine Werbung der Firma Charles River in Endocrinology (Juni 1985) fragte: »Sie wollen unsere Operation sehen?« Wenn es um Operationen geht, liefern wir Ihnen genau das, was der Arzt bestellt hat. Kastration, Entfernung von Hypophyse, Nebennieren, Thymusdrüse, Eierstöcken und Schilddrüse. Wir führen jeden Monat Tausende von Operationen zur Entfernung von Hormondrüsen an Ratten, Mäusen oder Hamstern durch. Zusätzlich spezielle chirurgische Eingriffe (Entfernung der Milz, der Nieren, des Blinddarms) auf Anforderung. ... Wenn Sie chirurgisch veränderte Versuchstiere brauchen, die Ihren ganz speziellen Anforderungen entsprechen, rufen Sie an: [Telefon- Nummer]. Unsere Mitarbeiter stehen Ihnen fast jederzeit zur Verfügung.

Tierversuche haben nicht nur einen Markt für die Versuchstiere selbst geschaffen, sondern auch für die benötigte spezielle Ausstattung. In Nature, einer führenden englischen wissenschaftlichen Zeitschrift, gibt es eine Rubrik mit dem Titel »Neu auf dem Markt«, in der die Leser und Leserinnen kürzlich über ein neues Gerät für die Forschung informiert wurden: Das neueste Gerät von Columbus Instruments für die Forschung an Tieren ist eine luftdichte Tretmühle für Tiere zur Feststellung des Sauerstoffverbrauchs während des Versuchs. Die Tretmühle hat einzelne Laufbahnen mit getrennten Elektroschockvorrichtungen, die für bis zu vier Ratten oder Mäuse separat eingestellt werden können ... Zum Grundgerät für 9737 englische Pfund gehört eine Vorrichtung zur Geschwindigkeitskontrolle des Bandes und ein regulierbares Spannungsschockgerät. Das vollautomatische System für 13487 englische Pfund kann für aufeinanderfolgende Versuche mit Ruhepausen programmiert werden. Es zeichnet automatisch die Zahl der Aufenthalte auf dem Schock-Gitter auf, die Zeit, die das Tier gelaufen ist, und die Zeit, die es auf dem Schock-Gitter verbracht hat.25 Columbus Instruments stellt noch mehrere andere sinnreiche Geräte her. In Lab Animal wirbt die

Firma: Das Konvulsionsmessgerät von Columbus Instruments ermöglicht objektive und quantitative Messungen von Krämpfen bei Tieren. Eine Präzisionssonde wandelt die vertikale Kraftkomponente des Krampfes in proportionale elektrische Signale um ... Der Benutzer muss das Verhalten des Tieres beobachten und das Messgerät mit einem Druckknopf aktivieren, wenn er einen Krampf beobachtet. Am Ende des Versuchs werden die Gesamtstärke und -dauer der Krämpfe ausgewiesen.

Dann gibt es da noch The Whole Rat Catalog. Er wird von Harvard Bioscience herausgegeben und enthält auf 140 Seiten die Ausrüstung, die man bei Experimenten mit Kleintieren braucht. Alles ist im netten Werbejargon geschrieben. Uber die transparenten Befestigungsgurte für Kaninchen lesen wir zum Beispiel im Katalog: »Das Naschen wackelt, sonst nichts!« Manchmal taucht jedoch ein Hauch von Sensibilität für den umstrittenen Charakter der ganzen Sache auf. Die Beschreibung des Rodent Carrying Case, eines Transportbehälters für Nagetiere, enthält den Vorschlag: »Benutzen Sie dieses unauffällige Behältnis, wenn Sie Ihr Lieblingstier von einem Ort zum andern tragen wollen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.« Zusätzlich zu den üblichen Käfigen, Elektroden, chirurgischen Werkzeugen und Spritzen wirbt der Katalog für Nagetierfixierkegel, schwenkbare Haltesysteme, strahlenresistente Handschuhe, implantierbare Messgeräte, flüssige Nahrung für Ratten und Mäuse bei Alkoholversuchen, Enthauptungsgeräte für kleine wie große Tiere, und sogar ein Nagetieremulsionsmittel, das »die Uberreste eines Kleintiers rasch in eine homogene Suspension überführt«.26 Keine Firma würde sich wohl die Mühe machen, solche Ausrüstungsgegenstände herzustellen und für sie zu werben, wenn sie nicht ansehnliche Verkaufszahlen erwarten würde. Und die Artikel werden nicht gekauft, wenn sie nicht auch benutzt werden sollen. Von den mehreren zehnmillionen Versuchen, die durchgeführt werden, leisten nur wenige einen Beitrag für wichtige medizinische Forschung. Eine riesige Zahl von Tieren wird zum Beispiel in forstwirtschaftlichen oder psychologischen Universitätsinstituten verbraucht. Noch viel mehr werden für kommerzielle Zwecke benutzt, bei der Prüfung neuer Kosmetika, Shampoos, Lebensmittelfarben und anderer nebensächlicher Dinge. All das kann nur aufgrund unserer Voreingenommenheit geschehen, die uns daran hindert, das Leiden von Wesen ernst zu nehmen, die nicht zu unserer eigenen Spezies gehören. Es ist bezeichnend, dass die Verteidiger von Tierversuchen nicht bestreiten, dass Tiere leiden können. Sie können das nicht bestreiten, weil sie sich auf die Ähnlichkeiten zwischen Menschen und anderen Tieren berufen müssen, wenn sie behaupten wollen, dass ihre Versuche für menschliche Zwecke möglicherweise irgendeine Bedeutung haben. Der Experimentator, der Ratten zwingt, sich zwischen einem elektrischen Schlag und dem Verhungern zu entscheiden, um festzustellen, ob sie davon Magengeschwüre bekommen (was der Fall ist), tut das, weil die Ratte ein dem menschlichen sehr ähnliches Nervensystem hat und weil sie wahrscheinlich elektrische Schläge in ähnlicher Weise spürt wie ein Mensch.

Es gibt seit langem Widerstand gegen Tierversuche. Dieser Widerstand hat nicht viel erreicht, weil es Experimentatoren mit Rückenstärkung durch Wirtschaftsunternehmen, die an Versuchstieren und Laborausrüstungen verdienen, gelang, Gesetzgeber und Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass der Widerstand aus den Reihen uninformierter Fanatiker komme, die der Meinung seien, die Interessen der Tiere seien wichtiger als die der Menschen. Doch um das, was sich zur Zeit abspielt, zu bekämpfen, brauchen wir nicht zu fordern, dass sämtliche Tierversuche sofort eingestellt werden.

Wir müssen nur fordern, dass alle Versuche, die keinem unmittelbaren und dringenden Zweck dienen, sofort eingestellt werden, und dass im verbleibenden Bereich der Forschung wo immer möglich versucht werden soll, Tierversuche durch andere Methoden zu ersetzen.

Um zu begreifen, warum diese scheinbar bescheidene Veränderung so wichtig wäre, müssen wir etwas mehr über die Versuche wissen, die heute und seit nunmehr hundert Jahren durchgeführt werden. Dann werden wir die Behauptung der Befürworter der jetzigen Situation richtig einschätzen können, Tierversuche würden nur für wichtige Zwecke durchgeführt. Deshalb werden auf den folgenden Seiten einige Tierversuche beschrieben. Es ist keine sehr erfreuliche Sache, diese

Berichte zu lesen, aber wir sind verpflichtet, uns darüber zu informieren, was in unserem eigenen Staat geschieht, und dies umso mehr, als wir über unsere Steuern den größten Teil dieser Forschung bezahlen. Wenn die Tiere schon diesen Experimenten unterworfen werden, ist es das Mindeste, was wir selbst tun können, dass wir diese Berichte lesen und uns informieren. Darum habe ich nicht versucht, das, was Tieren angetan wird, abzuschwächen oder zu beschönigen. Gleichzeitig habe ich nicht versucht, diese Dinge schlimmer zu machen, als sie sind.

Die folgenden Beschreibungen sind alle aus Berichten zusammengestellt, die von den Experimentatoren selbst verfasst und in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, die der Kommunikation der Experimentatoren dienen.

Diese Darstellungen sind unvermeidlich sehr viel vorteilhafter für die Experimentatoren, als Berichte von außenstehenden Beobachtern es wären. Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine besteht darin, dass die Experimentatoren das von ihnen verursachte Leiden nicht hervorheben werden, wenn es nicht notwendig ist, um die Ergebnisse des Versuchs mitzuteilen, und das ist selten der Fall.

Das meiste Leid bleibt deshalb unerwähnt. Die Experimentatoren dürften es kaum für nötig halten, in ihrem Bericht zu vermerken, was geschieht, wenn Elektroschockvorrichtungen eingeschaltet bleiben, obwohl sie eigentlich ausgeschaltet sein sollten, wenn Tiere mitten in einer Operation aufwachen, weil die Betäubung nicht richtig durchgeführt wurde, oder wenn unbeaufsichtigte Tiere krank werden und am Wochenende sterben. Der zweite Grund, aus dem wissenschaftliche Zeitschriften als Quelle für die Experimentatoren vorteilhaft sind, besteht darin, dass nur über Versuche berichtet wird, die von den Durchführenden selbst und den Herausgebern der Zeitschrift als wichtig erachtet werden. Ein Komitee der britischen Regierung fand heraus, dass nur über ungefähr ein Viertel aller Tierversuche überhaupt etwas veröffentlicht wird.27 Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass in den Vereinigten Staaten über einen größeren Teil der Versuche Berichte veröffentlicht werden. Da dort tatsächlich der Anteil von weniger bedeutenden Lehranstalten mit weniger fähigen Forschern erheblich größer ist als in Großbritannien, ist es sogar wahrscheinlich, dass in den Vereinigten Staaten ein noch geringerer Teil der durchgeführten Versuche zu irgendwie bedeutsamen Ergebnissen führt.

Denken Sie also beim Lesen der folgenden Seiten daran, dass diese Informationen aus Quellen stammen, die für die Experimentatoren günstig sind; und wenn Sie den Eindruck haben, dass diese Versuche nicht wichtig genug sind, um das mit ihnen verbundene Leid zu rechtfertigen, dann rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass diese Beispiele zu den wenigen Versuchen gehören, die von den Herausgebern als einer Veröffentlichung würdig beurteilt wurden. Eine letzte Warnung. Die Berichte in den Zeitschriften erscheinen immer unter den Namen der Experimentatoren. Ich sehe keinen Grund dafür, Experimentatoren Anonymität zu gewähren, und habe deshalb die Namen beibehalten. Trotzdem sollte man aber nicht davon ausgehen, dass die genannten Leute besonders böse oder grausam sind. Sie tun das, was man ihnen beigebracht hat und was Tausende ihrer Kollegen und Kolleginnen ebenfalls tun. Die Versuche sollen nicht den Sadismus einzelner Experimentatoren veranschaulichen, sondern die institutionalisierte Mentalität des Speziesismus, die es diesen Experimentatoren ermöglicht, solche Dinge zu tun, ohne die Interessen der Tiere, die sie benutzen, ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Viele der schmerzhaftesten Versuche werden im Bereich der Psychologie durchgeführt. Eine ungefähre Vorstellung von der Zahl der Tiere, die in psychologischen Forschungseinrichtungen verbraucht werden, vermittelt die Tatsache, dass 1986 das National Institute of Mental Health 350 Tierversuche finanziell unterstützt hat. Das NIMH ist aber nur eine Quelle staatlicher Förderungsmittel für psychologische Experimente. Diese Institution gab mehr als 11 Millionen Dollar für Versuche aus, mit denen direkte Eingriffe am Gehirn verbunden waren, mehr als 5 Millionen Dollar für Studien über die Auswirkungen von Drogen auf das Verhalten, fast 3 Millionen Dollar für Lern- und Gedächtnisexperimente und mehr als 2 Millionen Dollar für Versuche über Schlafentzug, Stress, Furcht und Angst. Diese Regierungsstelle gab in einem Jahr mehr als 30 Millionen Dollar für Tierversuche aus.28

Eine der am weitesten verbreiteten Vorgehensweisen im Bereich der psychologischen Tierversuche ist die Verabreichung von Elektroschocks. Man tut dies zum Beispiel, um herauszufinden, wie Tiere auf verschiedene Formen von Bestrafung reagieren oder um Tieren die Ausführung bestimmter Aufgaben beizubringen. In der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich mehrere Versuche aus den späten sechziger und frühen siebziger Jahren beschrieben, bei denen Experimentatoren Tieren Elektroschocks verabreichten.

Ich will nur ein Beispiel aus dieser Zeit nennen: O. S. Ray und J. R. Barrett arbeiteten an der psychologischen Forschungsabteilung des Veterans Administrations Hospital in Pittsburgh. Zuerst verabreichten sie 1042 Mäusen elektrische Schläge an den Füßen, dann lösten sie bei den Tieren Krämpfe aus, indem sie ihnen stärkere Stromstöße über schalenförmige Elektroden verabreichten, die auf den Augen angebracht waren, oder über Klammern an den Ohren. Sie berichteten, dass unglücklicherweise einige der Mäuse, die »den ersten Tag erfolgreich absolviert hatten, vor Beginn des Versuchs am zweiten Tag krank oder tot aufgefunden wurden«.29 Jetzt, fast zwanzig Jahre später, schreibe ich die zweite Ausgabe dieses Buches, und noch immer denken sich Experimentatoren geringfügig neue Variationen aus, die man an Tieren ausprobieren könnte: W. A. Hillex und M. R. Denny von der University of California in San Diego setzten Ratten in ein Labyrinth und versetzten ihnen elektrische Schläge, wenn sie sich nach einer falschen Entscheidung beim folgenden Versuch nicht innerhalb von drei Sekunden für einen Weg entschieden. Sie kamen zu dem Schluss, dass die »Ergebnisse deutlich an frühe Arbeiten über Fixierung und Regression bei Ratten erinnern, bei denen die Ratten normalerweise den elektrischen Schlag erhielten, wenn sie sich im Gang des T-Labyrinths kurz vor dem Punkt befanden, an dem sie sich entscheiden mussten ...« (Mit anderen Worten, es war kein bedeutsamer Unterschied feststellbar, ganz gleich, ob man den Ratten den Stromstoß wie in den alten Versuchen schon vor oder erst an dem Entscheidungspunkt versetzte - das war ja das einzig Neue an diesem Experiment.)

Die Experimentatoren zitieren anschließend Arbeiten aus den Jahren 1933, 1935 und weiteren Jahren bis 1985.30 Das folgende Experiment wollte einfach zeigen, dass bestimmte Wirkungen, von denen man bereits wusste, dass sie bei Menschen auftreten, auch bei Mäusen vorkommen: Curt Spanis und Larry Squire von der University of California in San Diego benutzten zwei verschiedene Arten von Elektroschocks in einem Experiment, mit denen untersucht werden sollte, wie »krampfauslösende Elektroschocks« das Gedächtnis bei Mäusen beeinflussen. Die Mäuse wurden in eine helle Kammer gesetzt. Wenn sie in die benachbarte dunkle Kammer liefen, wurde ihnen an den Füßen ein elektrischer Schlag versetzt. Nach dem »Training« erhielten die Mäuse »viermal mit einstündigem Abstand ... eine Behandlung mit krampfauslösenden Elektroschocks ..., Krampfanfälle traten in jedem Fall auf«. Die Behandlung mit den krampfauslösenden elektrischen Schlägen verursachte eine retrograde Amnesie, die mindestens 28 Tage lang anhielt. Spanis und Squire schlössen dies daraus, dass die Mäuse sich nicht daran erinnerten, dass sie den Wechsel in das dunkle Abteil vermeiden mussten, der die Elektroschocks auslöste. Spanis und Squire bemerkten, dass ihre Ergebnisse mit den Beobachtungen »übereinstimmten«, die Squire bereits bei Studien mit Psychiatrie-Patienten gemacht hatte. Sie gestanden aber zu, dass die Ergebnisse des Versuchs die Vorstellungen über den Gedächtnisverlust wegen der »großen Variationsbreite der Messungen in den verschiedenen Gruppen ... nicht nachdrücklich bestätigen oder widerlegen können«. Dennoch behaupteten sie: »Diese Ergebnisse erweitern die Parallele zwischen dem künstlich erzeugten Gedächtnisverlust bei Versuchstieren und dem menschlichen Gedächtnisverlust.«31 In einem ähnlichen Experiment haben J. Patel und B. Migler, die bei ICI America Inc. in Wilmington, Delaware arbeiten, Totenkopfäffchen beigebracht, einen Hebel zu drücken, um ein Futterkügelchen zu erhalten. Den Affen wurden dann Metallbänder um den Hals gelegt, über die ihnen jedes Mal, wenn sie ein Futterkügelchen erhielten, ein elektrischer Schlag verabreicht wurde.

Sie konnten den Stromschlag nur vermeiden, wenn sie drei Stunden warteten, bis sie versuchten, an Futter zu kommen. Es dauerte acht Wochen mit täglich sechs Übungsstunden, bis die Affen gelernt hatten, auf diese Weise die Elektroschocks zu vermeiden. Der Versuch sollte »Konfliktsituationen«

hervorrufen; dann gab man den Affen verschiedene Drogen, um herauszufinden, ob sie unter deren Einfluss häufiger Elektroschocks auslösen. Die Experimentatoren berichteten, dass sie den Versuch auch für Ratten eingerichtet hätten und dass er »für die Ermittlung möglicher Wirkstoffe gegen Angst verwendbar« sei.32 Konditionierungsversuche werden seit mehr als 85 Jahren durchgeführt. Ein Bericht, den die New Yorker Gruppe United Action for Ani- mals im Jahr 1982 zusammengestellt hat, verzeichnet 1425 Artikel über »Experimente mit klassischer Konditionierung« von Tieren. Ironischerweise wird die Nutzlosigkeit eines großen Teils dieser Forschungen an der University of Wisconsin schonungslos aufgedeckt: Susan Mineka und ihre Kollegen und Kolleginnen setzten 140 Ratten sowohl vermeidbaren als auch nicht vermeidbaren elektrischen Schlägen aus, um das Ausmaß der Angst zu vergleichen, das durch die beiden verschiedenen Schocks erzeugt wurde. Nach ihren Angaben beruht ihre Arbeit auf folgendem Grundgedanken: Während der letzten 15 Jahre war ein enorm großer Teil der Forschung auf das Verständnis des Verhaltens und der unterschiedlichen physiologischen Wirkungen von kontrollierbaren im Gegensatz zu unkontrollierbaren ungünstigen Faktoren gerichtet. Das allgemeine Ergebnis sah so aus, dass unkontrollierbare ungünstige Ereignisse im Organismus wesentlich mehr Stress auslösen als kontrollierbare.

Die Experimentatoren unterwarfen ihre Ratten verschieden starken Stromstößen, denen sie teils entkommen konnten und teils nicht. Doch am Ende konnten sie nicht bestimmen, welche Mechanismen ihre Ergebnisse erklären. Dennoch bezeichneten sie ihre Ergebnisse als wichtig, weil sie »die Gültigkeit der Schlussfolgerungen aus den Hunderten von Versuchen aus den letzten etwa 15 Jahren in gewisser Hinsicht in Frage stellen«.33 Um es anders zu sagen, es könnte sein, dass fünfzehn Jahre, in denen man Tieren Elektroschocks verabreicht hat, zu keinen gültigen Ergebnissen geführt haben. Aber in der eigentümlichen Welt der psychologischen Tierversuche dient diese Erkenntnis nur als Rechtfertigung für weitere Versuche, in denen noch mehr Tieren unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht werden, damit am Ende doch noch »gültige« Ergebnisse herauskommen - aber vergessen wir nicht, dass diese »gültigen Ergebnisse« nur für das Verhalten von eingesperrten Tieren gelten, die man Stromstößen aussetzt, denen sie nicht entkommen können.

Eine ähnlich traurige Geschichte des Sinnlosen sind die Versuche zur Erzeugung der sogenannten »erlernten Hilflosigkeit«, die ein Modell für die menschliche Depression sein soll. 1953 setzten R. Solomon, L. Kamin und L. Wynne, Experimentatoren an der Harvard University, vierzig Hunde in eine Doppelkammer aus zwei Abteilen, die durch eine Sperre getrennt waren. Am Anfang war die Trennwand so hoch wie der Rücken des Hundes. Den Hunden wurden durch den Gitterboden Hunderte von starken elektrischen Schlägen verabreicht. Zuerst konnten die Hunde den Stromschlägen entkommen, wenn sie lernten, über die Trennwand in das andere Abteil der Kammer zu springen. Um einem Hund das Springen »abzugewöhnen«, zwangen sie ihn, hundert Mal auf den ebenfalls elektrisch geladenen Gitterboden des anderen Abteils zu springen. Sie sagten, der Hund habe beim Springen ein »spitzes, ahnungsvolles Winseln« von sich gegeben, das »sich in Jaulen verwandelte«. Sie versperrten dann den Durchlass zwischen den beiden Abteilen mit einer Glasplatte und testeten den Hund nochmals. Der Hund »sprang nach vorne, und sein Kopf krachte gegen das Glas«. Die Hunde begannen Symptome zu zeigen wie »Kotausscheiden, Urinieren, Jaulen und Schreien, Zittern, Angriffe gegen das Gerät und anderes mehr«; aber nach zehn oder zwölf Versuchstagen zeigten die Hunde, die daran gehindert wurden, den elektrischen Schlägen zu entkommen, keinen Widerstand mehr. Die Experimentatoren berichten, dass sie davon sehr »beeindruckt« waren und gelangten zu dem Ergebnis, dass die Kombination von Glaswand und elektrischen Schlägen an den Füßen »sehr wirksam« sei, um Hunden das Springen abzugewöhnen.34 Diese Studie zeigte, dass es möglich war, durch die wiederholte Verabreichung starker unvermeidbarer Stromstöße einen Zustand von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung hervorzurufen. Diese Studien zur »erlernten Hilflosigkeit« wurden in den 1960er Jahren

weiterentwickelt. Ein bekannter Experimentator war Martin Seligman von der University of Pennsylvania. Er verabreichte Hunden durch einen Gitterboden elektrische Schläge von solcher Stärke und Dauer, dass die Hunde ihre Fluchtversuche aufgaben und Hilflosigkeit »lernten«. In einer Studie, die er mit seinen Kollegen Steven Maier und James Geer verfasste, beschreibt Seligman seine Arbeit folgendermaßen: Wenn man mit einem normalen, unbefangenen Hund Flucht/Vermei- dungs-Ubungen in einer Doppelkammer durchführt, kommt es typischerweise zu dem folgenden Verhalten: beim Einsetzen des elektrischen Schlags rennt der Hund wie wahnsinnig umher, er lässt Kot, uriniert, heult, bis er schließlich über die Absperrung klettert und so dem Schlag entkommt. Beim nächsten Versuch überquert der Hund rennend und heulend die Absperrung schneller, und so weiter, bis es zu einem effizienten Vermeidungsverhalten kommt.

Seligman veränderte dieses Muster, indem er Hunde in Geschirre steckte und ihnen Stromstöße verabreichte, denen sie auf keine Weise entgehen konnten. Wenn die Hunde dann in die anfängliche Situation in der Schleusenbox versetzt wurden, bei der eine Flucht möglich war, stellte er fest, dass ein solcher Hund anfänglich auf den Stromstoß in der Doppelkammer in gleicher Weise reagiert wie ein unbefangener Hund. In ausgesprochenem Gegensatz zu dem unbefangenen Hund hört er aber bald auf herumzurennen und verhält sich ruhig, bis der elektrische Schlag aufhört. Der Hund springt nicht über die Absperrung, um dem elektrischen Schlag zu entkommen. Er scheint vielmehr »aufzugeben« und den Stromschlag passiv »hinzunehmen«. Bei darauffolgenden Versuchsdurchgängen macht der Hund weiterhin keine Fluchtversuche und erträgt so starke pulsierende Elektrisierungen von 50 Sekunden Dauer bei jedem Versuchsdurchgang. ... Ein Hund, der zuvor unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt war, würde ohne irgendein Flucht- oder Vermeidungsverhalten zu zeigen, dauerhaft Stromstöße hinnehmen.35 In den 1980er Jahren haben Psychologen diese Experimente der »erlernten Hilflosigkeit« fortgeführt. An der Temple University in Philadelphia trainierten Philip Bersh und drei weitere Experimentatoren Ratten auf die Wahrnehmung eines Warnlichts, das ihnen signalisierte, dass in fünf Sekunden ein elektrischer Schlag erfolgen würde. Wenn sie die Warnung verstanden, konnten sie den Schlag vermeiden, indem sie in das sichere Abteil wechselten. Nachdem die Ratten dieses Vermeidungsverhalten erlernt hatten, verschlossen die Experimentatoren den sicheren Raum mit einer Wand und setzten die Ratten länger andauernden Stromstößen aus, denen sie nicht entkommen konnten. Wie vorauszusehen war, stellten sie fest, dass die Ratten, auch als die Flucht wieder möglich gewesen wäre, nicht in der Lage waren, das Vermeidungsverhalten schnell wieder zu erlernen.36 Bersh und seine Kollegen unterwarfen auch 372 Ratten einem aversi- ven Schockversuch, um herauszubekommen, wie Pawlowsche Konditionierung und erlernte Hilflosigkeit miteinander zusammenhängen. Sie berichteten, dass die »Implikationen dieser Ergebnisse hinsichtlich der erlernten Hilflosigkeit nicht ganz klar« seien und dass »eine beträchtliche Zahl von Fragen offen bleibt«.37 An der University of Tennessee in Martin unternahmen G. Brown, P. Smith und R. Peters große Anstrengungen, eine spezielle Doppelkammer für Goldfische zu entwickeln, vielleicht um zu sehen, ob Selig- mans Theorie wasserdicht ist. Die Experimentatoren setzten dann 45 Goldfische jeweils 65 Schockphasen aus und kamen zu dem Ergebnis: »Die Daten der vorliegenden Studie stützen nur wenig Seligmans Hypothese, dass Hilflosigkeit erlernt ist.«38 Diese Versuche haben vielen Tieren akute und langdauernde Schmerzen verursacht; zuerst, um eine Theorie zu beweisen, dann wieder, um sie zu widerlegen, und schließlich, um modifizierte Versionen der ursprünglichen Theorie zu stützen. Steven Maier, der mit Seligman und Geer den weiter oben erwähnten Bericht über die Erzeugung erlernter Hilflosigkeit bei Hunden verfasste, hat seine Karriere auf der endlosen Fortsetzung des Modells der erlernten Hilflosigkeit aufgebaut. In einem kürzlich erschienenen zusammenfassenden Artikel sah sich Maier aber veranlasst, Folgendes

über die Gültigkeit dieses »Tiermodells« der Depression zu sagen: Es lässt sich behaupten, dass nicht genügend Ubereinstimmung besteht hinsichtlich der Merkmale, Neurobiologie, Erzeugung und Vermeidung bzw. Heilung von Depressionen, um einen solchen Vergleich sinnvoll erscheinen zu lassen. ... Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die erlernte >Hilflosigkeit< ein Modell der Depression in irgendeinem allgemeinen Sinn darstellt.39 Maier versucht zwar, etwas vor dieser niederschmetternden Schlussfolgerung zu retten, indem er darauf verweist, dass die erlernte Hilflosigkeit zwar kein Modell der Depression, aber von »Stress und Stressbewältigung« sein könnte, doch faktisch hat er zugegeben, dass die Tierversuche von mehr als dreißig Jahren nichts anderes waren als eine Verschwendung von Zeit und beträchtlichen Steuergeldern, ganz abgesehen von dem ungeheuren Ausmaß an akuten physischen Schmerzen, die sie verursacht haben.

In der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich über einen Versuch berichtet, der an der Bowling Green University in Ohio von P. Badia und zwei seiner Kollegen durchgeführt und 1973 veröffentlicht wurde. In diesem Experiment wurden zehn Ratten in sechsstündigen Versuchsdurchgängen häufigen, »stets unvermeidbaren und unentrinnbaren« elektrischen Schlägen ausgesetzt. Die Ratten konnten in der Testkammer zwei Hebel drücken, von denen der eine dazu führte, dass sie vor einem bevorstehenden Schock gewarnt wurden. Die Experimentatoren gelangten zu dem Schluss, dass die Ratten es vorzogen, gewarnt zu werden.40 1984 wurde dieser Versuch immer noch durchgeführt. Weil jemand geäußert hatte, die bisherigen Versuche könnten »methodisch fehlerhaft« gewesen sein, setzte P. Badia, dieses Mal in Zusammenarbeit mit B. Abbott von der Indian University, zehn Ratten in elektrisierte Kammern und unterwarf sie wieder sechsstündigen Versuchsdurchgängen. Sechs Ratten erhielten in Abständen von einer Minute unvermeidbare Stromschläge, denen manchmal ein Warnsignal vorausging. Dann konnten sie zwei Hebel drücken, beim einen erhielten sie die elektrischen Schläge mit, beim anderen ohne Warnsignal. Die übrigen vier Ratten wurden bei einer leichten Abwandlung des Versuchs eingesetzt, ihnen wurden die Stromstöße in Abständen von zwei und vier Minuten verabreicht. Die Experimentatoren befanden wiederum, dass die Ratten die angekündigten Schläge vorzogen, und zwar selbst dann, wenn sie auf diese Weise mehr Schläge erhielten.41 Elektrische Schläge sind auch eingesetzt worden, um bei Tieren aggressives Verhalten hervorzurufen. In einer Studie an der University of Iowa teilten Richard Viken und John Knutson 160 Ratten in Gruppen auf und »trainierten« sie in einem Stahlkäfig mit unter Strom stehendem Boden. Jeweils zwei Ratten erhielten so lange Elektroschocks, bis sie lernten, aufrecht stehend aufeinander einzuschlagen oder zu beißen. Nach durchschnittlich dreißig Trainingseinheiten hatten die Ratten gelernt, gleich beim ersten elektrischen Schlag damit zu beginnen. Die Forscher setzten diese trainierten Ratten dann in Käfige mit untrainierten Ratten und zeichneten ihr Verhalten auf.

Nach einem Tag wurden alle Ratten getötet, rasiert und auf Wunden untersucht. Die Experimentatoren stellten fest, dass ihre »Ergebnisse nichts zum Verständnis der offensiven oder defensiven Natur der durch die Stromstöße erzeugten Reaktion beitrugen«.42 Am Kenyon College in Ohio führten J. Williams und D. Lierle eine Serie von drei Experimenten durch, um die Wirkungen der Kontrollierbarkeit von Stress auf defensives Verhalten zu untersuchen. Dem ersten Versuch lag die Annahme zugrunde, dass ein unbeeinflussbarer elektrischer Schlag angststeigernd wirkt. Sechzehn Ratten wurden in Plexiglasröhren gesetzt und erhielten unvermeidbare elektrische Schläge in den Schwanz. Sie wurden dann als Eindringlinge in eine bereits bestehende Rattenkolonie gebracht, und ihre Interaktionen mit den anderen wurden aufgezeichnet. Im zweiten Versuch wurden vierundzwanzig Ratten Stromstößen ausgesetzt, die sie durch Training kontrollieren lernten. Im dritten Versuch wurden zweiunddreißig Ratten sowohl unvermeidbaren als auch kontrollierbaren Stromstößen ausgesetzt. Die Experimentatoren folgerten: Diese Ergebnisse ebenso wie unser theoretischer Ansatz sprechen zwar deutlich für die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Kontrollierbarkeit von elektrischen Schlägen, der Vorhersagbarkeit des Schockendes, erlernten Stress-Signalen, Angst und defensivem Verhalten,

doch es sind weitere Versuche notwendig, um den genauen Charakter dieser komplexen Wechselbeziehungen zu untersuchen.43 Dieser 1986 veröffentlichte Bericht zitierte frühere experimentelle Studien auf diesem Gebiet bis zurück ins Jahr 1948.

An der University of Kansas hat eine Abteilung, die sich Bureau of Child Research nennt, bei einer ganzen Reihe verschiedener Tiere mit elektrischen Schlägen gearbeitet. In einem Versuch wurde Shetlandponys so lange Wasser vorenthalten, bis sie durstig waren, und dann gab man ihnen eine Wasserschale, die unter Strom gesetzt werden konnte. An jeder Seite des Ponykopfes wurde ein Lautsprecher angebracht. Kam aus dem linken Lautsprecher ein Geräusch, so stand die Schale unter Strom, und die Ponys erhielten beim Trinken einen Stromschlag. Sie lernten, mit dem Trinken aufzuhören, wenn sie aus dem linken, aber nicht aus dem rechten Lautsprecher ein Geräusch hörten.

Dann wurden die Lautsprecher immer näher aneinandergerückt, bis die Ponys sie nicht mehr unterscheiden und somit auch den Stromschlag nicht mehr vermeiden konnten. Die Forscher verwiesen auf ähnliche Experimente mit weißen Ratten, Beutelratten, Waldratten, Igeln, Hunden, Katzen, Affen, Opossums, Robben, Delphinen und Elefanten und folgerten, dass Ponys im Verhältnis zu anderen Tieren große Schwierigkeiten hätten zu erkennen, aus welcher Richtung Geräusche kommen.44 Es ist nicht recht einzusehen, wie diese Forschung Kindern zugutekommen soll. Das ist aber überhaupt das Beunruhigende an den genannten Beispielen aus der Forschung: wie die Experimentatoren sogar selbst berichten, sind die erzielten Ergebnisse — trotz des Leids, das die Tiere durchmachen mussten - trivial, selbstverständlich oder bedeutungslos. Die Schlussfolgerungen aus den oben zitierten Versuchen zeigen deutlich genug, welche Mühe sich die Experimentalpsychologen gegeben haben, um uns wissenschaftlich verbrämt zu sagen, was wir sowieso schon wus- sten und was mit ein bisschen Nachdenken auf viel weniger schmerzhafte Weise hätte herausgefunden werden können - und diese Versuche waren wahrscheinlich noch bedeutsamer als andere, die gar nicht erst veröffentlicht wurden.

Wir haben nur auf einige wenige Versuche aus dem Bereich der Psychologie einen Blick geworfen, die mit elektrischen Schlägen arbeiten. Der Bericht des Office of Technology Assessment gibt an: Eine Übersicht der 608 Artikel, die von 1979 bis 1983 in Zeitschriften der American Psychological Association erschienen sind, in denen üblicherweise über Forschungen an Tieren berichtet wird, ergab, dass 10 Prozent der Studien mit elektrischen Schlägen arbeiteten.45 Viele andere Zeitschriften, die nicht der American Psychological Association angeschlossen sind, veröffentlichen ebenfalls Berichte über Tierstudien mit elektrischen Schlägen; und wir dürfen die Versuche nicht vergessen, die gar nicht erst veröffentlicht werden. Und das ist auch nur eine Art von schmerzhaften oder quälenden Versuchen, die im Bereich der Psychologie an Tieren durchgeführt werden. Wir haben schon Studien über Mutterentzug betrachtet, aber man könnte mehrere Bücher mit kurzen Beschreibungen noch anderer Arten von psychologischen Versuchen füllen, zum Beispiel über abnormes Verhalten, Tiermodelle für Schizophrenie, Tierbewegungen, Körperpflege, Kognition, Kommunikation, Jäger-Beute-Beziehung, Motivation und Emotion, SinnesEmpfindungen und Wahrnehmungen und Schlaf-, Futter- und Trinkwasserentzug. Wir haben nur einige wenige der Zehntausende von Experimenten betrachtet, die jährlich im Bereich der Psychologie durchgeführt werden, aber sie sollten ausreichen, um zu zeigen, dass sehr viele der immer noch stattfindenden Versuche Tieren große Schmerzen verursachen oder keine Aussicht bieten, zu wirklich bedeutendem oder lebenswichtigem neuem Wissen zu führen.

Unglücklicherweise sind Tiere für psychologische und andere Experimentatoren zu bloßen Werkzeugen geworden. Ein Forschungslabor berücksichtigt wahrscheinlich die Kosten dieser »Werkzeuge«, aber eine Abstumpfung ihnen gegenüber ist nicht nur an den Experimenten selbst, sondern auch an der Wortwahl der Berichte erkennbar. Vergegenwärtigen wir uns etwa Harlows und Suomis Erwähnung des »Vergewaltigungsgestells« und den scherzenden Ton, in dem sie über die »liebsten Tricks« der weiblichen Affen berichten, die unter Verwendung dieser Vorrichtung zum

Mutterwerden gezwungen worden waren. Mit Hilfe des technischen Jargons, der die wahre Natur des Geschehens verschleiert, fällt es leichter, gleichgültig zu sein. Unter dem Einfluss der behavioristischen Lehre, dass nur Beobachtbares erwähnt werden sollte, haben Psychologen eine ansehnliche Sammlung von Fachausdrücken entwickelt, die sich, ohne dass es diesen Anschein hat, auf Schmerzen beziehen. Die Psychologin Alice Heim gehört zu den wenigen, die sich gegen die sinnlosen Tier-Experimente ihrer Kollegen und Kolleginnen ausgesprochen haben. Sie beschreibt dies so: Die Arbeiten über »Tierverhalten« werden immer in einer wissenschaftlichen, hygienisch klingenden Terminologie abgefasst, die es ermöglicht, normale, nichtsadistische junge PsychologieStudenten zu indoktrinie- ren, ohne dass bei ihnen im Verlaufe der Arbeit Befürchtungen geweckt werden. So wird der Ausdruck »Extinktion« für Techniken benutzt, die in Wirklichkeit Quälereien durch extremen Hunger, Durst oder elektrische Schläge sind. »Partielle Verstärkung« nennt man das Vorgehen, ein Tier durch nur gelegentliche Erfüllung der Erwartungen zu frustrieren, die der Experimentator in vorhergehenden Übungen in ihm geweckt hat.

Ein »negativer Stimulus« ist ein auferlegter Reiz, den das Tier, wenn es könnte, vermeiden würde.

Der Ausdruck »Vermeidung« ist in Ordnung, denn er beschreibt ein beobachtbares Verhalten. Die Formulierungen »schmerzhafter« oder »furchterregender« Stimulus sind weniger in Ordnung, denn sie sind anthropomorph, sie implizieren, dass das Tier Gefühle hat - und dass diese den menschlichen Gefühlen ähnlich sein können. Das gilt als nichtbehavioristisch und unwissenschaftlich und ist deshalb unzulässig (auch, weil es jüngere und noch weniger abgestumpfte Forscher davon abhalten könnte, bestimmte ausgeklügelte Versuche durchzuführen. Er könnte sich erlauben, ein wenig seine Vorstellungskraft spielen zu lassen). Die Todsünde des Experimentalpsychologen, der im Bereich des »Tierverhaltens« arbeitet, ist der Anthropomorphismus. Wenn er aber nicht an die Analogie zwischen dem Menschen und dem unter ihm stehenden Tier glauben würde, müsste wahrscheinlich sogar er selbst seine Arbeit für weitgehend ungerechtfertigt halten.46 Wir haben die Art von Terminologie, die Heim erwähnt, bereits in den zitierten Versuchsberichten kennengelernt. Es ist bemerkenswert, dass Seligman auch da, wo er zugeben muss, dass die Tiere in seinen Versuchen es »aufgaben«, vor dem Schock zu fliehen, es noch für nötig hält, den Ausdruck in Anführungszeichen zu setzen, als wolle er betonen, dass er Hunden nicht wirklich irgendwelche mentalen Vorgänge zuschreibt. Die logische Konsequenz dieser Vorstellung von »wissenschaftlicher Methode« ist jedoch, dass Tierversuche uns überhaupt nichts über den Menschen lehren können. So erstaunlich es vielleicht auch erscheint, einige Psychologen waren so sehr auf die Vermeidung des Anthropomorphismus bedacht, dass sie diese Schlussfolgerung akzeptierten. Die folgende autobiographische Aussage aus dem New Scientist veranschaulicht diese Haltung: Vor fünfzehn Jahren bewarb ich mich für einen Graduiertenkurs in Psychologie. Ein eiskalt wirkender Prüfer, selbst Psychologe, befragte mich eingehend über meine Gründe und wollte wissen, was Psychologie meiner Meinung nach sei, und was ihr wichtigster Gegenstand sei. Als der arme Einfaltspinsel, der ich war, antwortete ich, die Psychologie sei die Wissenschaft von der Seele und ihr wichtigstes Material der Mensch. Mit einem freudigen Aufschrei, weil es ihm so gut gelungen war, mich bloßzustellen, erklärte der Prüfer, Psychologen interessierten sich nicht für die Seele, und im Mittelpunkt der Studien stünden Ratten und nicht Menschen; und dann gab er mir den strengen Rat, eine Tür weiter zu ziehen, zum Institut für Philosophie .. ,47 Vielleicht würden heute nicht mehr allzu viele Psychologen mit Stolz erklären, ihre Arbeit habe nichts mit dem menschlichen Denken und Fühlen zu tun. Und trotzdem lassen sich viele Versuche, die mit Ratten durchgeführt werden, nur mit der Annahme erklären, dass die Experimentatoren ohne jeden Gedanken daran, etwas über Menschen zu erfahren, am Verhalten von Ratten als Selbstzweck interessiert sind. Welche Rechtfertigung könnte es aber in diesem Fall dafür geben, ein solches Leid zu verursachen? Ganz bestimmt nicht, dass es zum Wohl der Ratte geschieht.

Das zentrale Dilemma des Forschers stellt sich also in der Psychologie mit besonderer Deutlichkeit dar: Entweder ist das Tier nicht wie wir, dann gibt es keinen Grund, das Experiment durchzuführen; oder das Tier ist wie wir, und in diesem Fall sollten wir mit dem Tier keinen Versuch durchführen, der uns empören würde, wenn er an einem von uns unternommen würde.

Ein weiterer wichtiger Bereich der Tierversuche ist mit der Vergiftung von Millionen von Tieren jährlich verbunden. Auch dies geschieht oft aus trivialen Gründen. 1988 wurden in Großbritannien 588 997 wissenschaftliche Versuche an Tieren durchgeführt, um Medikamente und andere Stoffe zu testen. Von diesen hatten 281 358 nichts mit der Prüfung medizinischer oder tiermedizinischer Produkte zu tun.48 In den Vereinigten Staaten sind keine genauen Zahlen erhältlich, aber wenn das Verhältnis ähnlich ist wie in Großbritannien, dann muss die Zahl der für Testzwecke verbrauchten Tiere bei mindestens drei Millionen liegen. Tatsächlich dürften es wahrscheinlich zwei- oder dreimal so viele sein, denn es gibt in den Vereinigten Staaten in diesem Bereich eine intensive Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, und die Vorschriften für Nahrungsmittel und Medikamente sehen umfassende Tests neuer Substanzen vor, bevor sie in Umlauf gebracht werden dürfen. Es könnte vielleicht gerechtfertigt erscheinen, die Prüfung von potentiell lebensrettenden Medikamenten an Tieren zu fordern, aber die gleiche Art der Prüfung wird bei Produkten wie Kosmetika, Lebensmittelfarben und Fußbodenreinigern durchgeführt. Sollten Tausende von Tieren nur deshalb leiden müssen, damit ein neuer Lippenstift oder ein neues Bohnerwachs auf den Markt kommen kann? Haben wir von den meisten dieser Produkte nicht schon jetzt mehr als genug? Wem nützt ihre Einführung, außer den Firmen, die hoffen, an ihnen zu verdienen?

In Wirklichkeit verhilft uns auch die Prüfung medizinischer Produkte höchstwahrscheinlich nicht zu einer besseren Gesundheit. Wissenschaftler untersuchten im Auftrag des britischen Gesundheitsund Sozialministeriums Medikamente, die zwischen 1971 und 1981 in Großbritannien auf den Markt gekommen waren. Neue Medikamente, so fanden sie heraus, sind vor allem in therapeutischen Bereichen eingeführt worden, in denen schon jetzt zu viele Medikamente verordnet werden ... gegen Beschwerden, die alltäglich und weitgehend chronisch sind und hauptsächlich in westlichen Wohlstandsgesellschaften auftreten. Neuentwicklungen orientieren sich deshalb vorwiegend am wirtschaftlichen Gewinn und weniger an der therapeutischen Notwendigkeit.49 Um einschätzen zu können, was für die Einführung all dieser neuen Produkte geschieht, ist es notwendig, dass wir einige der üblichen Testverfahren kennenlernen. »Tests der akuten oralen Giftigkeit« werden durchgeführt, um festzustellen, wie giftig eine Substanz ist. Bei diesen Tests, die in den zwanziger Jahren erfunden wurden, werden Tiere gezwungen, Substanzen zu schlucken, darunter oft nichtessbare Erzeugnisse wie Lippenstift oder Papier. Werden die Substanzen einfach dem Futter beigemischt, so kommt es oft vor, dass die Tiere sie nicht essen. Deshalb verabreichen die Experimentatoren den Tieren die Substanzen gewaltsam durch den Mund oder durch einen in die Speiseröhre eingeführten Tubus. Standardtests dauern vierzehn Tage, aber einige dauern auch his zu sechs Monaten - wenn die Tiere so lange überleben. Während dieser Zeit zeigen die Tiere häufig klassische Vergiftungssymptome, darunter Erbrechen, Durchfall, Lähmungen, Krämpfe und innere Blutungen.

Der bekannteste Test der akuten Giftigkeit ist der LD-50-Test. LD 50 steht für »letale Dosis 50 Prozent«: die Menge der Substanz, die die Hälfte der im Test befindlichen Tiere tötet. Zur Feststellung dieser Menge werden Versuchsgruppen von Tieren vergiftet. Normalerweise sind die Tiere sehr krank und leiden offensichtlich Qualen, bis die Hälfte von ihnen schließlich gestorben ist.

Auch bei ziemlich harmlosen Substanzen gilt es immer noch als sinnvoll, die Konzentration herauszufinden, an der die Hälfte der Tiere stirbt; deshalb müssen riesige Mengen der Substanzen an die Tiere zwangsverfüttert werden, und es ist durchaus möglich, dass sie lediglich an dem großen Volumen oder an der hohen Konzentration der Substanz sterben. Das hat aber mit den Umständen, unter denen Menschen das Produkt benutzen, nichts zu tun. Da das Ziel dieses Versuchs eben darin besteht, festzustellen, welche Menge der Substanz die Hälfte der Tiere tötet, werden sterbende Tiere

nicht aus ihrem Elend befreit, aus Angst, dass dadurch die Ergebnisse verfälscht werden.

Das U.S. Congress Office of Technology Assessment hat geschätzt, dass in den Vereinigten Staaten jedes Jahr »mehrere Millionen« Tiere für toxikologische Tests verbraucht werden. Speziell für LD50-Tests liegen keine genaueren Schätzungen vor.50 Kosmetika und andere Substanzen werden an den Augen von Tieren getestet. Der Augenreiztest nach Draize wurde erstmals in den 1940er Jahren eingesetzt. J. H. Draize, der für die U.S. Food and Drug Administration arbeitete, entwickelte damals eine Skala zur Bewertung der Reizwirkung von Substanzen auf Kaninchenaugen. Die Tiere werden normalerweise in geschlossene Haltevorrichtungen gesetzt, aus denen nur ihr Kopf hervorschaut. Das verhindert, dass sie sich an den Augen kratzen oder reiben. Eine Testsubstanz (zum Beispiel Bleichmittel, Shampoo oder Tinte) wird dann in ein Auge jedes Kaninchens gegeben, indem man am unteren Augenlid zieht und die Substanz in die Vertiefung zwischen Auge und Lid füllt. Dann wird das Auge zugehalten.

Manchmal wird der Vorgang wiederholt. Die Kaninchen werden täglich auf Schwellungen, Geschwüre, Infektionen und Blutungen am Auge untersucht. Die Studie kann bis zu drei Wochen dauern. Ein bei einem großen Chemiekonzern beschäftigter Forscher hat den höchsten Reaktionsgrad folgendermaßen beschrieben: Vollkommener Verlust der Sehkraft aufgrund schwerer innerer Verletzung der Hornhaut oder der inneren Augenstruktur. Das Tier hält das Auge fest geschlossen. Es schreit unter Umständen, kratzt am Auge, springt herum und versucht zu entkommen.51 In der Haltevorrichtung können die Tiere aber natürlich weder an den Augen kratzen noch fliehen.

Einige Substanzen verursachen so schwere Schäden, dass von den Kaninchenaugen nichts mehr erkennbar ist - die Iris, die Pupille und die Hornhaut werden zu einer einzigen massiven Entzündung. Die Experimentatoren sind nicht verpflichtet, Betäubungsmittel zu verwenden, aber wenn das die Ergebnisse nicht beeinträchtigt, nehmen sie beim Einbringen der Substanz in das Auge manchmal eine kleine lokale Betäubung vor. Das vermindert nicht die Schmerzen, die ein Ofenreiniger im Auge nach zwei Wochen hervorruft. Nach Zahlen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums verbrauchten 1983 Labors, die toxikologische Tests durchführen, 55785, und Chemiefirmen weitere 22 034 Kaninchen. Es ist davon auszugehen, dass viele dieser Tiere für Draize-Tests verwendet wurden, auch wenn es darüber keine genaueren Schätzungen gibt.52 Auch in anderen Testverfahren werden Tiere für die Toxizitätsprüfung von Substanzen verwendet. Bei Inhalationsstudien werden Tiere in versiegelte Kammern gesetzt und gezwungen, Sprays, Gase und Dämpfe einzuatmen. Bei Hauttests wird das Fell der Kaninchen abrasiert, damit die Testsubstanz direkt auf die Haut aufgebracht werden kann. Die Tiere werden fixiert, damit sie an den gereizten Körperstellen nicht kratzen können. Unter Umständen kommt es zu Blutungen, Hautblasen und zur Abschälung der Haut. Bei Eintauchstudien werden Tiere in Behälter mit Lösungen der Wirkstoffe gesetzt, und manchmal ertrinken die Tiere, bevor man irgendein Ergebnis feststellen kann. Bei Injektionsstudien wird die Testsubstanz dem Tier unter die Haut, in die Muskeln oder direkt in ein Organ injiziert. Das sind die üblichen Vorgehensweisen; ich gebe im Folgenden zwei Beispiele ihrer Durchführung.

In England führte das Huntingdon Research Institute gemeinsam mit dem Großkonzern ICI Versuche durch, bei denen vierzig Affen mit dem Unkrautvernichtungsmittel Paraquat vergiftet wurden. Sie wurden sehr krank, erbrachen sich, hatten Atembeschwerden und Untertemperatur. Sie starben langsam, über mehrere Tage. Es war schon bekannt, dass Paraquat-Vergiftungen bei Menschen zu einem langsamen und qualvollen Tod führen.53 Wir haben dieses Kapitel mit der Betrachtung einiger militärischer Experimente begonnen. Ein militärischer LD-50-Test ist der Folgende: Experimentatoren des U.S. Army Medical Research Institute of In- fectious Diseases vergifteten Ratten mit T-2. Dieses Gift hat nach den Aussagen des Außenministeriums »den zusätzlichen

Vorteil, dass es eine wirksame Schreckenswaffe ist, denn es verursacht eigenartige und schreckliche Symptome« wie etwa »schwere Blutungen«, Hautblasen und Erbrechen, so dass Mensch und Tier auf »grausame Weise getötet« werden. Das T-2 wurde intramuskulär, intravenös, subkutan und interperitoneal verabreicht - das heißt, es wurde in das Muskelgewebe, in die Venen, unter die Haut und in das Bauchfell injiziert -, es wurde durch Nase und Mund zugeführt und auf die Haut aufgetragen. Alle acht Tests sollten LD-50-Werte erbringen. Der Tod trat normalerweise neun bis achtzehn Stunden nach Verabreichung der Substanz ein, aber die Ratten, denen man das Gift über die Haut zugeführt hatte, starben erst nach durchschnittlich sechs Tagen. Bevor sie starben, konnten die Tiere nicht mehr laufen oder essen, Fäulniserscheinungen auf der Haut und an den Eingeweiden traten auf, sie waren unruhig und hatten Durchfall. Die Experimentatoren berichteten, dass »ihre Ergebnisse mit denen früher veröffentlichter Studien über die Wirkung subakuter und chronischer T-2-Verabreichung weitgehend übereinstimmten«.54 Dieses Beispiel zeigt, dass nicht nur Konsumartikel getestet werden. Chemische Mittel zur Kriegsführung, Pestizide und alle Arten von industriellen und Haushaltswaren werden an Tiere verfüttert oder ihnen in die Augen gegeben. Das Nachschlagewerk Clinical Toxicology ofCom- mercial Products liefert gewöhnlich aus Tierversuchen stammende Daten über die Giftigkeit von Hunderten von Handelswaren. Die Produktliste umfasst Insektizide, Frostschutzmittel, Bremsflüssigkeit, Bleichmittel, Christbaumsprays, Kirchenkerzen, Ofenreiniger, Deodorants, Hautauffrischungsmittel, Schaumbäder, Enthaarungsmittel, Augen-Make-up, Feuerlöschmittel, Tinten, Sonnenöl, Nagellack, Mascara, Haarsprays, Farben und Reißverschlußschmiermittel.55 Viele Wissenschaftler und Ärzte haben an dieser Art von Tests Kritik geübt und darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse nicht auf Menschen angewandt werden können. Dr. Christopher Smith, ein Arzt aus dem kalifornischen Long Beach, sagte: Die Ergebnisse solcher Tests können nicht zur Vorhersage der Giftigkeit oder als Leitlinie für den therapeutischen Einsatz eines Mittels beim Menschen verwendet werden. Als amtlich anerkannter Notfallarzt mit mehr als 17 Jahren Erfahrung im Umgang mit Giftunfällen und Gifteinwirkungen kenne ich keinen einzigen Fall, in dem ein Notfallarzt Daten aus dem Draize-Test zur Hilfe genommen hätte, um eine Augenverletzung zu behandeln. Ich habe bei der Behandlung der Folgen von Giftunfällen niemals Ergebnisse aus Tierversuchen verwendet. Wenn Notfallärzte über die am besten geeignete Behandlung für ihre Patienten entscheiden, halten sie sich an Fallberichte, ihre klinische Erfahrung und Versuchsdaten aus klinischen Studien bei Menschen.56 Toxikologen wissen seit langem, dass die Übertragung von Ergebnissen von einer Spezies auf eine andere ein höchst riskantes Unternehmen ist. Berüchtigt wegen der unerwarteten Schädigungen, die es bei Menschen hervorgerufen hat, ist das Medikament Thalidomid - das vor seiner Freigabe umfassend in Tierversuchen geprüft wurde. Selbst als man schon den Verdacht hatte, dass Thalidomid beim Menschen Missbildungen bewirkte, führten Tierversuche mit schwangeren Hunden, Katzen, Ratten, Affen, Hamstern und mit Hühnern nicht zu Missbildungen. Erst als man den Versuch mit Kaninchen einer bestimmten Rasse durchführte, kam es zu Missbildungen.57 Vor nicht allzu langer Zeit wurde das Medikament Opren von seinem Hersteller, dem Pharmariesen Eli Lilly, als neues »Wundermittel« für die Behandlung von Arthritis angepriesen. Vor der Freigabe hatte es alle üblichen Tierversuche ohne Beanstandungen durchlaufen. Nach 61 Todesfällen und mehr als 3500 Unverträglichkeitsberichten wurde das Mittel in Großbritannien wieder vom Markt genommen. Nach der Einschätzung eines Berichts im New Scientist dürfte die tatsächliche Zahl der Opfer weit höher liegen.58 Andere Medikamente, die nach Tierversuchen als sicher eingestuft wurden und sich beim Menschen dennoch als schädlich erwiesen, sind das Herzmedikament Practolol, das zu Blindheit führte, und das Hustenmittel Zipeprol, das in einigen Fällen Anfälle und komatöse Zustände hervorrief.59 Tierversuche können dazu führen, dass Menschen Schaden zugefügt wird. Sie können aber auch dazu führen, dass wertvolle Medikamente durchfallen, weil sie, obwohl für Menschen unschädlich, bei Tieren Schädigungen bewirken. Insulin kann bei jungen Kaninchen und Mäusen zu

Fehlbildungen fuhren, aber nicht bei Menschen.60 Morphium wirkt auf Menschen beruhigend und versetzt Mäuse in einen Wahnzustand. Ein anderer Toxikologe sagte: »Hätte man Penicillin anhand seiner Giftigkeit für Meerschweinchen beurteilt, wäre es vielleicht niemals beim Menschen eingesetzt worden.«61 Nach Jahrzehnten rücksichtsloser Tierversuche gibt es jetzt Anzeichen für ein neues Nachdenken.

Dr. Elizabeth Whelan, Wissenschaftlerin und geschäftsführende Direktorin des American Council on Science and Health, stellte fest: »Es ist kein naturwissenschaftlicher Doktorgrad nötig, um zu begreifen, dass es wenig miteinander zu tun hat, ob man Nagetieren eine Dosis Saccharin zuführt, die einer Menge von 1800 Flaschen Limonade täglich entspricht, oder ob wir einige Gläser von dem Zeug am Tag trinken.« Whelan begrüßte es, dass Beamte der Environmental Protection Agency kurz zuvor frühere Risikoeinschätzungen von Pestiziden und anderen Umweltchemikalien mit der Bemerkung abgeschwächt hatten, dass die aus Tierversuchen abgeleitete Schätzung des Krebsrisikos auf »grob vereinfachenden« Annahmen beruhe, die »kaum mehr glaubwürdig« seien.

Das bedeute, so sagte sie, »dass unsere Behörden langsam die wissenschaftliche Literatur wahrnehmen, in der die Unfehlbarkeit des Tierversuchs unter Laborbedingungen bestritten wird.«62 Die American Medical Association hat ebenfalls die fragwürdige Aussagekraft von Tiermodellen zugestanden. Ein Vertreter der AMA sagte bei einer Anhörung des Kongresses zu Medikamententests aus: »Tierstudien beweisen häufig nichts oder nur wenig, und eine Beziehung zum Menschen ist sehr schwer herzustellen.«63 Glücklicherweise haben die Bestrebungen zur Abschaffung solcher Tierversuche seit Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches große Erfolge verbucht. Damals nahmen die meisten Wissenschaftler die Möglichkeit nicht ernst, dass man andere brauchbare Methoden zur Toxizitätsprüfung für Tests finden könnte. Sie mussten sich schließlich von den Ergebnissen der harten Arbeit einer großen Zahl von Tierversuchsgegnern überzeugen lassen. Eine der führenden Persönlichkeiten unter den Tierversuchsgegnern war Henry Spira, ein früherer aktiver Bürgerrechtler. Er oganisierte Bündnisse gegen den Draize-Test und gegen den LD50-Test. Das »Bündnis zur Abschaffung des Draize-Tests« begann mit der Aufforderung an Revlon, als größte Kosmetikproduzent der Vereinigten Staaten ein Zehntelprozent des Gewinns in die Entwicklung einer Alternative zum Draize- Test zu investieren. Als Revlon ablehnte, erschienen in der New York Times ganzseitige Anzeigen mit der Frage: »WIE VIELE KANINCHEN MACHT REVLON UM DER SCHÖNHEIT WILLEN BLIND?«64 Leute in Kaninchenkostümen erschienen bei der Jahreshauptversammlung der Firma. Revlon verstand die Botschaft und stellte die geforderte Summe für die Erforschung von Alternativen zu Tierversuchen zur Verfügung. Andere Gesellschaften wie Avon und Bristol-Myers folgten dem Beispiel.65 Das Ergebnis war, dass die frühe Arbeit des britischen Fund for the Replacement of Animals in Medical Experiments in einem größeren Rahmen in den Vereinigten Staaten aufgenommen wurde, insbesondere am John Hopkins Center for Alternatives to Animal Testing in Baltimore. Das wachsende Interesse führte zur Gründung mehrerer wichtiger neuer Zeitschriften wie In-Vitro Toxicology, Cell Bio- logy and Toxicology und Toxicology in Vitro.

Es dauerte eine Weile, bis diese Arbeit Resultate erzielte, aber langsam wuchs das Interesse an den Alternativmethoden. Gesellschaften wie Avon, Bristol-Myers, Mobil und Procter & Gamble begannen, die Alternativen in ihren eigenen Labors einzusetzen und reduzierten so die Zahl der verbrauchten Tiere. Zum Ende des Jahres 1988 beschleunigte sich der Veränderungsprozess. Im November veranlasste eine internationale Kampagne der Organisation »People for the Ethical Treatment of Animals«, Washington, D.C., den Modekonzern Benetton, Tierversuche in seinem Kosmetikbereich einzustellen.66 Im Dezember 1988 gab Noxell, Herstellerfirma von NoxzemaHautcremes und Cover-Girl- Kosmetik, bekannt, dass durch Einsatz eines Vortests die Zahl der üblicherweise für Augensicherheitstests verbrauchten Tiere um 80 bis 90 Prozent reduziert würde.

Später teilte Noxell mit, dass im ersten Halbjahr 1989 überhaupt keine Tiere für Sicherheitstests verwendet worden seien.67

Jetzt kamen die Dinge in Schwung. Im April 1989 gab Avon bekannt, dass sich Tests mit einem speziell entwickelten synthetischen Material mit dem Namen Eytex als zuverlässig erwiesen hätten, die den Draize- Test ersetzen könnten. Das Ergebnis war, dass Avon neun Jahre, nachdem Spira seine Kampagne begonnen hatte, die Verwendung des Draize- Tests einstellte.68 Es sollte noch weitere gute Nachrichten geben. Im Mai 1989 gaben sowohl Mary Kay Cosmetics als auch Amway bekannt, dass sie Pläne für den Einsatz alternativer Testverfahren prüften und währenddessen den Einsatz von Labortieren für Verbrauchsgüter-Sicherheitstests eingestellt hätten.69 Im Juni gab Avon unter dem Druck einer weiteren Kampagne von »People for the Ethical Treatment of Animals« bekannt, dass man sämtliche Tierversuche endgültig aufgeben werde.70 Acht Tage später gab Revlon bekannt, dass der Langzeitplan zur Aufgabe der Tierversuche in allen Phasen der Forschung, Entwicklung und Herteilung sämtlicher Produkte jetzt vollständig vorliege und dass die Tierversuche deshalb eingestellt würden. Dann gab Faberge die Verwendung von Tieren bei den Tests von Kosmetika und Toilettenartikeln auf. Damit hatten innerhalb weniger Monate (wenn auch auf der Grundlage vieler Jahre Arbeit) der größte, der zweit- und der viertgrößte amerikanische Kosmetikhersteller die Tierversuche vollständig aufgegeben.71 Die dramatischsten Entwicklungen haben sich zwar in der stark im Licht der Öffentlichkeit stehenden und deshalb relativ leicht verletzbaren Kosmetikindustrie abgespielt, aber die Bewegung gegen Tierversuche wirkt sich auch auf andere Bereiche der Industrie aus. In einem Bericht in Science heißt es: Angetrieben von der Tierschutzbewegung, haben wichtige Hersteller von Pharmazeutika, Pestiziden und Haushaltswaren in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in Richtung auf das Ziel gemacht, die Zahl der bei Toxizitätstests verbrauchten Tiere zu reduzieren. Alternative Methoden wie Zellund Gewebekulturen und Computersimulation werden in wachsendem Maße nicht nur als gut für die Imagepflege angesehen, sondern auch als wirtschaftlich und wissenschaftlich erwünscht.72 Der Bericht zitierte anschließend die Aussage Gary Flamms, des Direktors des Food and Drug Administration Office of Toxicology Sciences, der LD-50-Test »sollte in der großen Mehrzahl der Fälle ersetzbar sein«. Ein Artikel in der New York Times zitierte einen leitenden Toxikologen von G. D. Searle & Co., der zugegeben habe, dass »ganz viele Punkte der Tierschutzbewegung extrem, aber richtig« seien.73 Es dürfte kaum Zweifel daran geben, dass als Folge dieser ganzen Entwicklungen ein riesiges Ausmaß an unnötigem Schmerz und Leid vermieden worden ist. Wieviel genau, ist schwer zu sagen, aber Millionen von Tieren hätten jedes Jahr in Tests gelitten, die jetzt nicht durchgeführt werden. Die Tragödie besteht darin, dass Millionen von Tieren akute Schmerzen hätten erspart werden können, wenn nur die Toxikologen, die Firmen und die Behörden sich mehr Gedanken um die Tiere gemacht hätten, die sie einsetzten. Erst als die Tierbefreiungsbewegung begann, die Leute auf das Problem aufmerksam zu machen, begannen die für die Tests Zuständigen, wirklich über das Leiden der Tiere nachzudenken.74 Die gefühllosesten und dümmsten Dinge wurden gemacht, nur weil die Vorschriften es verlangten; und niemand bemühte sich um eine Änderung der Vorschriften.

Erst 1983 zum Beispiel legten die amerikanischen Bundesbehörden fest, dass ätzende Reizstoffe wie Lauge, Ammoniak und Ofenreiniger nicht an den Augen unbetäubter Kaninchen getestet werden müssen.75 Aber der Kampf ist noch keineswegs vorbei. Ich zitiere nochmals den Bericht in Science vom 17. April 1987: Bei unnötigen Tests werden noch immer eine Menge Tiere verschwendet, und zwar nicht nur wegen überkommener Vorschriften, sondern auch, weil viele bereits vorhandene Informationen schlecht zugänglich sind. Theodore M. Farber, Direktor der Toxicology Branch [der U.S. Environmental Protection Agency], gab an, dass seine Behörde Akten von 42 000 durchgeführten Tests und 16000 LD-50-Tests besitzt. Er sagte, diese könnten viel nützlicher für die Vermeidung von

Wiederholungen gleicher Tests sein, wenn sie zum Zweck der besseren Verfügbarkeit computerisiert würden. »Vielen von uns in der toxikologischen Aufsichtsbehörde werden immer wieder fast identische Studien vorgelegt«, sagte Farber.

Es sollte nicht schwer sein, diese Verschwendung von Tierleben und -schmerzen zu beenden, wenn die Leute es wirklich wollen. Die Entwicklung völlig angemessener Alternativen für alle Toxizitätstests wird länger dauern, dürfte aber möglich sein. In der Zwischenzeit gibt es eine einfache Möglichkeit, das mit solchen Tests verbundene Leiden zu verringern. Bis befriedigende Alternativen entwickelt worden sind, sollten wir in einem ersten Schritt auf neue, aber möglicherweise gefährliche Substanzen verzichten, die für uns nicht lebensnotwendig sind.

Können Versuche unter die Uberschrift »Medizinisch« gebracht werden, so neigen wir zu der Annahme, jedes mit ihnen verbundene Leiden sei gerechtfertigt, weil die Forschung zur Minderung von Leiden beitrage.

Wir haben aber schon gesehen, dass die Prüfung von Arzneimitteln vermutlich mehr von dem Streben nach maximalem Profit bestimmt wird als von dem Streben nach maximalem Wohlergehen für alle. Hinter dem allgemeinen Etikett »medizinische Forschung« kann sich auch eine Forschung verstecken, die lediglich aus allgemeiner intellektueller Neugier unternommen wird. Solche Neugier mag als Teil einer grundsätzlichen Suche nach neuem Wissen akzeptabel erscheinen, wenn sie nicht mit Leid verbunden ist, aber sie sollte nicht geduldet werden, wenn sie Schmerzen verursacht.

Zudem wird die medizinische Grundlagenforschung oft jahrzehntelang betrieben und stellt sich langfristig zu einem großen Teil als ziemlich sinnlos heraus. Sehen wir uns zur Illustration dessen eine Versuchsreihe über die Auswirkungen von Hitze auf Tiere an, die sich nahezu über ein Jahrhundert erstreckt.

1880setzte

H. C. Wood eine Reihe von Tieren in Boxen mit Glasdeckeln und stellte die Boxen an einem heißen Tag auf ein Ziegelsteinpflaster. Er benutzte Kaninchen, Tauben und Katzen. Seine Beobachtungen über ein Kaninchen sind typisch. Bei einer Temperatur von 43 Grad Celsius springt das Kaninchen und »schlägt wie rasend mit den Beinen nach hinten aus«. Das Kaninchen hat dann einen Krampfanfall. Bei 44 Grad Celsius liegt das Tier sabbernd auf der Seite. Bei 49 Grad Celsius ringt es nach Luft und quiekt leise. Kurz darauf stirbt es.76 1881erschien

in The Lancet ein Bericht über Hunde und Kaninchen, deren Temperatur bis auf 45 Grad Celsius erhöht wurde. Man fand heraus, dass der Tod durch einen kühlen Luftstrom verhindert werden könnte, und es hieß, die Ergebnisse zeigten, »wie wichtig es ist, die Temperatur in solchen Fällen niedrig zu halten, in denen sie extrem zu steigen droht«.77 1927 setzten W. W. Hall und E. G. Wakefield von der U.S. Naval Medical School zehn Hunde in eine heiße, feuchte Kammer, um einen experimentellen Hitzschlag hervorzurufen. Die Tiere zeigten zuerst Ruhelosigkeit, Atembeschwerden, blutunterlaufene und geschwollene Augen und Durst.

Einige hatten Krämpfe. Einige starben in einem frühen Stadium des Versuchs. Die Hunde, die nicht starben, hatten schweren Durchfall und starben nach der Entfernung aus der Kammer.78 An der Yale University School of Medicine setzten 1954 M. Lennox, W. Sibley und H. Zimmerman zweiunddreißig junge Katzen in eine »strahlenbeheizte« Kammer. Die Kätzchen wurden »insgesamt 49 Heizperioden ausgesetzt ... Sie kämpften gewöhnlich, besonders wenn die Temperatur stieg«.

Krampfanfälle traten neunmal auf: »Wiederholte Krämpfe waren die Regel.« Bis zu dreißig Krämpfe folgten rasch aufeinander. Fünf Kätzchen starben während der Krampfanfälle, und sechs starben ohne Krämpfe. Die übrigen wurden zur Autopsie von den Experimentatoren getötet. Sie berichteten: »Die Befunde bei künstlich erzeugtem Fieber bei jungen Katzen entsprechen den

klinischen und EEG-Befunden bei Menschen und früheren klinischen Befunden bei jungen Katzen.«79 Der folgende Versuch wurde am K. G. Medical College in Lucknow, Indien, durchgeführt. Ich nehme ihn auf als Beispiel des Triumphs der westlichen Forschungsmethoden und ihrer Einstellung gegenüber dem Tier über die alte Tradition des Hinduismus, der die Tiere mehr achtet als die jüdisch-christliche Tradition. K. Wahal, A. Kumar und P. Nath setzten 1968 sechsundvierzig Ratten vier Stunden lang einer hohen Temperatur aus. Die Ratten wurden unruhig, atmeten schwer und wiesen übermäßigen Speichelfluss auf. Ein Tier starb während des Versuchs und die anderen wurden von den Experimentatoren getötet, weil sie »sowieso nicht überleben konnten«.80 1969 setzte S. Michaelson, ein Tiermediziner an der University of Rochester, Hunde und Kaninchen hitzeerzeugenden Mikrowellen aus, bis ihre Temperatur den kritischen Bereich von 43 Grad Celsius oder mehr erreicht hatte. Er beobachtete, dass Hunde kurz nach Beginn des Mikrowelleneinsatzes anfingen zu keuchen. Die meisten »weisen eine gesteigerte Aktivität auf, die von Ruhelosigkeit bis hin zu heftiger Erregung reicht«. Kurz vor Todeseintritt treten Schwäche und Erschöpfung auf. Die Kaninchen »unternehmen in den ersten fünf Minuten verzweifelte Versuche, dem Käfig zu entkommen« und sterben innerhalb von vierzig Minuten. Michaelson kam zu dem Ergebnis, dass die Schäden einer durch Mikrowellen hervorgerufenen Temperatursteigerung »vom allgemeinen Fieberzustand nicht unterscheidbar« sind.81 1971 wurden Berichte über Versuche veröffentlicht, die am Heller Institute of Medical Research in Tel Aviv, Israel, durchgeführt und vom amerikanischen Gesundheitsministerium bezahlt worden waren. T. Rosenthal, Y. Shapiro und andere hatten dreiunddreißig »ohne spezielle Auswahlkriterien aus dem örtlichen Tierheim beschaffte« Hunde in eine temperaturkontrollierte Kammer eingeschlossen und gezwungen, bei Temperaturen bis zu 45 Grad Celsius in einer Tretmühle zu laufen, »bis sie mit einem Hitzschlag zusammenbrachen oder eine vorher bestimmte rektale Temperatur erreichten«. Fünfundzwanzig Hunde starben. Neun weitere wurden dann ohne Einsatz der Tretmühle einer Temperatur von 50 Grad Celsius ausgesetzt. Nur zwei der Hunde überlebten länger als vierundzwanzig Stunden, und die Autopsie zeigte bei allen innere Blutungen. Die Experimentatoren folgerten: »Die Befunde stimmen mit dem überein, was in der Literatur über Menschen berichtet wird.«82 In einem weiteren, 1973 veröffentlichten Bericht beschreiben dieselben Experimentatoren Versuche an dreiundfünfzig Hunden mit verschiedenen Kombinationen von Hitze und Einsatz der Tretmühle. Sechs der Hunde erbrachen sich, acht hatten Durchfall, vier hatten Krampfanfälle, zwölf verloren die Kontrolle über ihre Muskeln, und alle hatten übermäßigen Speichelfluss. Von zehn Hunden, bei denen die rektale Temperatur 45 Grad Celsius erreichte, starben fünf »im Augenblick der höchsten rektalen Temperatur«, und die anderen fünf starben zwischen dreißig Minuten und elf Stunden nach dem Ende des Versuchs. Die Experimentatoren kamen zu dem Schluss: »Je schneller die Temperatur des Hitzschlag-Opfers gesenkt wird, desto größer sind die Chancen, dass es sich erholt.«83 Für die Federal Aviation Administration arbeitende Experimentatoren stellten 1984 fest, dass »gelegentlich Tiere an Hitzebelastung sterben, während sie in den Transportsystemen des Landes verschickt werden«, und setzten zehn Beagles künstlich erzeugter Hitze aus. Die Hunde bekamen einen Maulkorb, wurden in Kammern isoliert und einer Temperatur von 35 Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Sie erhielten weder Futter noch Wasser und wurden vierundzwanzig Stunden in dieser Situation belassen. Das Verhalten der Hunde wurde beobachtet; es zeigten sich: »gezielte, aufgeregte Aktivitäten wie Kratzen an den Wänden des Verschlags, ständiges Im-KreisHerumlaufen, Schütteln des Kopfes, um den Maulkorb abzuwerfen, Hin- und Herreiben des Maulkorbs auf dem Boden des Verschlags und aggressives Verhalten gegen die Schutzvorrichtungen der Sensoren.« Einige der Hunde starben in den Kammern. Als die Uberlebenden herausgeholt wurden, erbrachen einige Blut, und alle waren schwach und erschöpft.

Die Experimentatoren verweisen auf »nachfolgende Versuche an mehr als 100 Beagles«.84 Ein weiteres Beispiel militärischer Versuche stammt von R. W. Hub- bard vom U.S. Army Research Institute of Environmental Medicine in Natick, Massachusetts. Er publizierte während mehr als

eines Jahrzehnts Artikel mit Titeln wie »Rattenmodell der Mortalität bei akutem Hitzschlag«. Man weiß, dass Ratten Speichel über ihren Körper verteilen, wenn ihnen heiß ist; der Speichel hat die gleiche Kühlungsfunktion wie das Schwitzen beim Menschen. 1982 bemerkten Hubbard und zwei seiner Kollegen, dass Ratten, die keinen Speichel produzieren können, Urin auf ihrem Körper verteilen, wenn keine andere Flüssigkeit verfügbar ist.85 Deshalb injizierten 1985 diese drei Forscher, denen sich ein vierter angeschlossen hatte, Ratten Atropin, das sowohl das Schwitzen als auch die Speichelsekretion unterbindet. Anderen Ratten wurden die Speicheldrüsen operativ entfernt. Die Experimentatoren setzten die Ratten dann in Kammern mit einer Temperatur von 42 Grad Celsius, bis ihre Körpertemperatur auf 43 Grad Celsius gestiegen war. Die Forscher zeichneten Diagramme, die das »urinverteilende Verhaltensmuster« einer Ratte, der entweder Atropin injiziert worden war, oder die operativ »entspeichelt« worden war, mit dem Verhalten einer unbehandelten Ratte verglichen. Sie fanden heraus, dass das »atropinisierte hitzebelastete Rattenmodell« ein »vielversprechendes Werkzeug zur Untersuchung der Rolle der Dehydration bei Hitzeschäden« sei.86 Wir haben hier eine Reihe von Versuchen betrachtet, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen - und ich konnte nur einen Bruchteil der veröffentlichten Literatur einbeziehen. Offensichtlich verursachten diese Versuche großes Leid; und das wichtigste Ergebnis scheint der Hinweis zu sein, dem Opfer eines Hitzschlags Kühlung zu verschaffen - darauf kommt der gesunde Menschenverstand auch, und es wurde auf jeden Fall auch schon bei Menschen festgestellt, die einen natürlichen Hitzschlag erlitten haben. Was die Anwendbarkeit dieser Forschung auf den Menschen betrifft, zeigte B. W. Zweifach 1961, dass Hunde sich physiologisch vom Menschen in einer Weise unterscheiden, die Einfluss auf ihre Hitzschlag-Reaktion hat und deshalb ein schlechtes Modell für den Hitzschlag beim Menschen darstellen.87 Es fällt schwer, den Vorschlag ernst zu nehmen, dass kleine mit Atropin behandelte Felltiere, die sich mit Urin bespritzen, wenn ihnen heiß ist, ein besseres Modell liefern. Ähnliche Versuchsreihen finden wir in vielen anderen medizinischen Bereichen. In den New Yorker Büros der United Action for Animals stehen Aktenschränke voller Fotokopien von Versuchsberichten aus Zeitschriften. Jede einzelne dicke Akte enthält Berichte über zahlreiche Versuche, oft fünfzig und mehr, und die Etiketten auf den Akten sprechen für sich: »Beschleunigung«, »Aggression«, »Erstickung«, »Blendung«, »Verbrennung«, »Zentrifuge«, »Kompression«, »Erschütterung«, »Übervölkerung«, »Quetschung«, »Dekompression«, »Medikamententests«, »experimentelle Neurose«, »Erfrieren«, »Erhitzen«, »Blutungen«, »Ausschlagen mit den Hinterbeinen«, »Immobilisierung«, »Isolation«, »mehrfache Verletzungen«, »Tötung von Beute«, »Eiweißentzug«, »Bestrafung«, »Bestrahlung«, »Verhungern«, »Schock«, »Rückenmarksverletzungen«, »Stress«, »Durst« und vieles andere. Einige der Versuche mögen zum medizinischen Wissen beigetragen haben, aber oftmals ist der Wert dieses Wissens fragwürdig, und in manchen Fällen hätte das Wissen auf andere Weise gewonnen werden können. Viele der Versuche wirken trivial oder abwegig, und einige von ihnen waren noch nicht einmal dafür vorgesehen, einen wichtigen Nutzen zu erbringen.

Betrachten wir als ein weiteres Beispiel der endlosen Variationen des gleichen oder ähnlicher Experimente die Versuche zur Hervorrufung von psychischen oder physischen Schockzuständen bei Tieren, wie sie oft nach schweren Verletzungen auftreten. Bereits 1946 sichtete Magnus Gregersen, ein Forscher auf diesem Gebiet an der Columbia University, die Literatur und fand mehr als achthundert Artikel über experimentelle Studien von Schockzuständen. Er beschreibt die Methoden, die zur Erzeugung von Schockzuständen angewandt wurden: Aderpresse an einer oder mehreren Gliedmaßen, Quetschung, Druck, Muskeltrauma durch Prellung mit leichten Hammerschlägen, Noble- Collip-Trommel [eine drehbare Trommel, in die die Tiere gesetzt werden; die Trommel wird gedreht, die Tiere fallen immer wieder auf den Boden und verletzen sich dabei], Schusswunden, Abschnürung der Eingeweide, Erfrierungen und Verbrennungen.

Gregersen stellt auch fest, dass sehr »viel mit inneren Blutungen gearbeitet« wurde und dass »diese Studien zunehmend ohne den verkomplizierenden Faktor einer Betäubung durchgeführt« wurden.

Er ist über die Unterschiedlichkeit aller dieser Studien aber keineswegs erfreut, sondern klagt darüber, dass die Verschiedenheit der Methoden es »äußerst schwierig« mache, die Ergebnisse der einzelnen Forscher zu beurteilen; standardisierte Verfahren, um konstante Schockzustände hervorzurufen, seien »dringend nötig«.88 Acht Jahre später hatte sich die Situation nur wenig verändert. S. M. Rosenthal und R. C. Millican schrieben, die »Untersuchungen an Tieren im Bereich des traumatischen Schocks haben zu unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Ergebnissen geführt.« Trotzdem sahen sie der »zukünftigen Forschung in diesem Bereich« erwartungsvoll entgegen, und wie Gregersen rieten sie von der Verwendung von Betäubungsmitteln ab: »Der Einfluss von Betäubungsmitteln ist umstritten ... [und] nach Meinung der Autoren sollte eine länger andauernde Betäubung am besten vermieden werden ...« Sie empfahlen auch »die Verwendung einer ausreichenden Zahl von Tieren, um die biologischen Unterschiede auszugleichen«.89 1974 arbeiteten Experimentatoren noch immer an »Tiermodellen« des experimentellen Schocks und führten noch immer vorbereitende Versuche zur Bestimmung solcher Verletzungen durch, die einen befriedigenden »Standard«-Schockzustand bewirken. Nach Jahrzehnten von Versuchen, bei Hunden durch innere Blutungen einen Schockzustand auszulösen, zeigten neuere Versuche, dass (welche Überraschung!) auf diese Weise hervorgerufene Schockzustände bei Hunden den Schockzuständen bei Menschen nicht entsprechen. In der Annahme, dass Schweine in dieser Hinsicht dem Menschen ähnlicher sein könnten, unternahmen nach Bekanntwerden dieser Studien Forscher an der University of Rochester Versuche, in denen sie bei Schweinen starke Blutungen verursachten, um festzustellen, welcher Blutverlust zur Herbeiführung eines experimentellen Schockzustands geeignet sei.90 Auch werden jährlich Hunderte von Versuchen durchgeführt, in denen Tiere drogensüchtig gemacht werden. So wurden allein 500 Kokainstudien durchgeführt. Eine Auswertung von nur 380 dieser Studien führte zu der Schätzung, dass sie mehr als 100 Millionen Dollar gekostet haben, das meiste davon Steuergelder.91 Ich nenne ein Beispiel: In einem Labor des Downstate Medical Center, das von Gerald Deneau geleitet wird, wurde in Bändigungsstühlen festgeschnallten Rhesusaffen beigebracht, sich durch Knopfdruck selbst beliebige Mengen Kokain direkt in den Blutkreislauf zu verabreichen. In einem Bericht heißt es: ... die Test-Affen drückten den Knopf wieder und wieder, sogar nach Krampfanfällen. Sie schliefen nicht mehr. Sie fraßen fünf- bis sechsmal soviel wie normal, magerten aber dennoch ab ... Zuletzt fingen sie an, sich selbst zu verstümmeln, und starben schließlich am Kokainmissbrauch.

Dr. Deneau räumte ein, »nur wenige Leute könnten sich die enormen Kokainmengen leisten, die diese Affen sich verschaffen konnten«.92 Die fünfhundert Versuche mit Kokain sind nur ein kleiner Teil aller Versuche, bei denen Tiere süchtig gemacht werden. In der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich über eine ähnliche Reihe von Suchtexperimenten berichtet, bei denen es um Morphium und Amphetamine ging. Hier einige neuere Beispiele: An der University of Kentucky wurden Beagles benutzt, um Entzugserscheinungen bei Valium und einem ähnlichen Beruhigungsmittel mit dem Namen Lorazepam zu prüfen. Die Hunde wurden zuerst süchtig gemacht, und dann wurden die Tranquilizer alle zwei Wochen abgesetzt. Als Entzugserscheinungen traten unter anderem auf: Zuckungen, ruckartige Bewegungen, starker Tremor, Laufanfälle, schneller Gewichtsverlust, Angst und Zusammenkauern. Nach vierzigstündigem Valium-entzug »zeigten sieben von neun Hunden zahlreiche tonisch-klonische Krämpfe ... Zwei Hunde hatten wiederholte Phasen klonischer Krampfanfälle, die den ganzen Körper erfassten.« Vier der Hunde starben - zwei während Krampfanfällen und zwei nach schnellem Gewichtsverlust. Bei Lorazepam kam es zu ähnlichen Symptomen, aber nicht zu

Krampf- Todesfällen. Die Experimentatoren berichteten über Versuche, die bis ins Jahr 1931 zurückreichten, bei denen man Barbiturat- und Tranquilizer- Entzugserscheinungen bei Ratten, Katzen, Hunden und Primaten beobachtet hatte.93 Nach einem Uberblick über die Geschichte der Experimente, bei denen sich gezeigt hatte, dass »Entzugserscheinungen ähnelnde Symptome bei verschiedenen Arten schon nach einmaliger Verabreichung von Opiaten auftreten können«, unter anderem bei Hunden, Mäusen, Affen und Ratten, führten D. M. Grilly und G. C. Gowans von der Cleveland State University ihre Arbeit mit der Prüfung der Hypothese fort, dass Morphiumentzug eine Überempfindlichkeit gegen Schmerzen bewirke. Ratten wurde in einem Verfahren mit durchschnittlich 6387 Trainingseinheiten »Unterscheidung elektrischer Schläge« beigebracht. Bei diesen Versuchen mussten die Ratten auf verabreichte elektrische Schläge reagieren. Dann wurde den Ratten Morphium injiziert, und sie wurden einen, zwei, drei und sieben Tage später elektrischen Schlägen ausgesetzt. Die Experimentatoren bemerkten, dass die Empfindlichkeit an den Tagen direkt nach der Morphiumgabe erhöht war.94 Ein weiteres, noch eigenartigeres Beispiel aus der Drogenforschung: An der University of California in Los Angeles kettete Ronald Siegel zwei Elefanten an einen Schuppen. Der weibliche Elefant wurde in Tests benutzt, die ein bestimmtes Dosisspektrum umfassen, »um die Vorgehensweisen und Dosierungen für die Verabreichung von LSD zu bestimmen«. Dem Tier wurde die Droge oral und über Pfeilschüsse verabreicht. Dann verabreichten die Experimentatoren beiden Elefanten zwei Monate lang täglich eine Dosis und beobachteten ihr Verhalten. Das weibliche Tier fiel bei hoher Dosierung des Halluzinogens auf die Seite, zitterte und atmete kaum, der Zustand hielt eine Stunde an. Der Elefantenbulle wurde bei hoher Dosierung aggressiv und griff Siegel an, der dieses wiederholte aggressive Verhalten als »unangemessen« beschrieb.95 Die letzte Episode, die ich aus dieser fürchterlichen Geschichte der Drogen- und Medikamententests erzähle, fand zumindest ein gutes Ende. Forscher am Cornell University Medical College verfütterten durch Röhren, die man operativ in den Magen eingepflanzt hatte, große Dosen Barbiturate an Katzen. Dann stellten sie plötzlich die Barbituratgabe ein. Hier ist die Beschreibung der Entzugserscheinungen: Einige konnten nicht stehen ... Die Katzen mit den schlimmsten Abstinenzsymptomen und den häufigsten »großen« epileptischen Krampfanfällen lagen oft mit allen Vieren von sich gestreckt am Boden. Nahezu alle diese Tiere starben während oder kurz nach Perioden anhaltender Krämpfe ...

Schnelle oder schwere Atmung war oft dann festzustellen, wenn die übrigen Abstinenzsymptome am intensivsten auftraten ... Untertemperatur trat bei den Tieren auf, wenn sie am schwächsten waren, speziell nach anhaltenden Anfällen und kurz vor dem Tod.90 Diese Versuche begannen 1975. Einige Jahre zuvor hatte der Missbrauch von Barbituraten zwar ein ernstes Problem dargestellt, doch zu dieser Zeit war die Verwendung von Barbituraten schon streng begrenzt, und der Missbrauch war zurückgegangen. Diese Entwicklung hat sich seitdem fortgesetzt.

Dennoch gingen die Katzenversuche in Cornell vierzehn Jahre lang weiter. 1987 sammelte dann Trans-Species Un- limited, eine Tierrechtsgruppe mit Sitz in Pennsylvania, sämtliche verfügbaren Informationen über diese Versuche und startete eine Kampagne für ihre Beendigung. Vier Monate lang standen Leute Posten vor dem Labor, in dem die Katzenversuche stattfanden, sie schrieben Briefe an Behörden, die die Versuche finanzierten, an die Presse, die Universität und die gesetzgebenden Instanzen. Cornell und Michiko Oka- moto, der Forscher, der die Versuche durchführte, verteidigten diese lange Zeit. Doch Ende 1988 schrieben sie dem National Institute of Drug Abuse, das die Versuche finanziert hatte, dass sie neue Forschungsgelder in Höhe von 530 000 Dollar, mit denen die Versuche weitere drei Jahre lang hätten finanziert werden können, nicht annahmen.97 Wie können solche Dinge geschehen? Wie können Leute, die keine Sadisten sind, ihren Arbeitstag damit zubringen, Affen in lebenslängliche Depressionen zu treiben, Hunde zu Tode zu erhitzen oder Katzen drogenabhängig zu machen? Wie können sie ihre weißen Kittel ausziehen, die Hände

waschen und heim zu ihrer Familie zum Abendessen gehen? Wie können Steuerzahler und Steuerzahlerinnen es erlauben, dass ihr Geld für die Unterstützung solcher Versuche verwendet wird? Wie konnten Studenten und Studentinnen gegen Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Unterdrückung jeder Art protestieren, ganz gleich, wie weit weg von ihrem Zuhause sie sich abspielten, und die Grausamkeiten übersehen, die auf ihrem eigenen Campus stattfanden – und noch immer stattfinden? Die Antwort auf diese Fragen liegt in der vorbehaltlosen Anerkennung des Speziesismus. Wenn sie Angehörigen anderer Spezies angetan werden, tolerieren wir Grausamkeiten, die uns, wenn sie an Angehörigen unserer eigenen Spezies verübt werden, zutiefst empören würden. Der Speziesismus gestattet es den Forschern, die Tiere, mit denen sie experimentieren, als Teil ihrer Ausrüstung anzusehen, mehr als Laborwerkzeuge denn als lebende, leidende Kreaturen. Tatsächlich werden in den Anträgen auf Finanzierung durch die staatlichen Förderungsstellen unter »Bedarfsmaterial« Tiere zusammen mit Reagenzgläsern und Aufzeichnungsgeräten aufgeführt.

Zusätzlich zur allgemeinen speziesistischen Haltung, die die Experimentatoren mit den anderen Menschen gemeinsam haben, gibt es noch einige besondere Faktoren, die Versuche wie die gerade beschriebenen ermöglichen. An erster Stelle steht dabei der große Respekt, den viele Leute Wissenschaftlern gegenüber noch immer haben. Obwohl Atomwaffen und Umweltverschmutzung uns gezeigt haben, dass Wissenschaft und Technik nicht ganz so uneingeschränkt nützlich sind, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, neigen die meisten Leute immer noch zur Ehrfurcht vor jedem, der einen weißen Kittel trägt und einen Doktortitel hat. Stanley Milgram, ein HarvardPsychologe, hat in einer berühmt gewordenen Versuchsreihe demonstriert, wie bereitwillig ganz normale Leute die Weisungen eines Wissenschaftlers im weißen Büttel befolgen und menschlichen Versuchsobjekten als »Bestrafung« (fingierte) elektrische Schläge versetzen, wenn sie Fragen nicht richtig beantworten; und sie tun es auch dann noch, wenn die Testperson schreit und vorgibt, große Schmerzen zu haben.98 Kann das geschehen, wenn die Teilnehmer des Experiments glauben, einem Menschen Schmerzen zuzufügen, wie viel leichter ist es dann für Studierende, ihre anfänglichen Skrupel beiseite zu schieben, wenn ihre Professoren von ihnen verlangen, Tierversuche durchzuführen? Die von Alice Heim ganz richtig so genannte »Indoktrination« der Studierenden ist ein schleichender Prozess, der in der Schule mit dem Sezieren von Fröschen in der Biologiestunde beginnt. Wenn zukünftige Humanmediziner, Psychologen oder Tierärzte an die Universität kommen und feststellen, dass sie im Rahmen des Studiums, an dem ihr Herz hängt, mit lebenden Tieren experimentieren müssen, ist es schwer für sie, das zu verweigern, insbesondere, weil sie wissen, dass es übliche Praxis ist. Studierende, die sich weigern, an solchen Untersuchungen teilzunehmen, bestehen ihre Kurse nicht, und oft sind sie gezwungen, das gewählte Studiengebiet aufzugeben.

Der Anpassungsdruck lässt nicht nach, wenn die Studierenden ihren Studienabschluss haben. Wenn sie eine weitere Qualifikation in einem Gebiet anstreben, in dem Tierversuche üblich sind, wird man sie auffordern, sich eigene Versuche auszudenken und daraus ihre Doktorarbeit zu machen. Es ist ganz natürlich, dass Studierende nach einer solchen Ausbildung dazu neigen, in der gleichen Weise weiterzumachen, wenn sie einmal selbst Professoren sind, und dass sie dann ihre eigenen Studenten genauso ausbilden.

In dieser Hinsicht ist das Zeugnis von Roger Ulrich besonders aufschlussreich, einem früheren Experimentator, der sich aus seiner Konditionierung löste und jetzt bekennt, dass er Tieren, von der Ratte bis zum Affen, »Jahre der Folter« auferlegte. 1977 berichtete die von der American Psychological Association herausgegebene Zeitschrift Monitor, dass die von Ulrich durchgeführten Aggressions-Versuche vor einem Unterausschuss des Kongresses als Beispiele inhumaner Forschung ausgewählt worden seien. Zur Überraschung der Vivisektionsgegner, die ihn kritisiert hatten, und zweifellos auch des Herausgebers von Monitor, antwortete Ulrich, dass ihm die Kritik »Mut gemacht« habe, und fügte hinzu: Anfangs wurde meine Forschung durch den Wunsch angespornt, das Problem der menschlichen Aggression zu verstehen und lösen zu helfen; aber später entdeckte ich, dass die Ergebnisse meiner Arbeit ihre Fortsetzung nicht zu rechtfertigen schienen. Stattdessen begann ich mich zu fragen, ob

nicht vielleicht finanzielle Zuwendungen, berufliches Ansehen, die Gelegenheit zu Reisen etc. die aufrechterhaltenden Faktoren waren, und ob wir Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft (unterstützt durch unser bürokratisches und legislatives System) nicht ein Teil des Problems sind."

Wie wir schon gesehen haben, vollzog Don Barnes hinsichtlich seiner Arbeit, trainierte Affen für die U.S. Air Force zu bestrahlen, einen ähnlichen Meinungswechsel. Er nennt den von Ulrich beschriebenen Prozess »konditionierte ethische Blindheit«. Mit anderen Worten, wie eine Ratte darauf dressiert werden kann, einen Hebel zu drücken, um als Belohnung Futter zu erhalten, kann ein Mensch durch berufliche Belohnungen so konditioniert werden, dass er die durch Tierversuche aufgeworfenen ethischen Fragen ignoriert. Barnes sagt: Ich stellte ein klassisches Beispiel für das dar, das ich konditionierte moralische Blindheit nennen will. Mein ganzes Leben hatte darin bestanden, für den Gebrauch von Tieren belohnt zu werden, indem ich sie als Quelle für menschliches Wohlbefinden oder Vergnügen behandelte ... In meinen sechzehn Jahren im Laboratorium waren Fragen von Moral und Ethik des Gebrauchs von Labortieren weder in offiziellen noch inoffiziellen Versammlungen angeschnitten worden.100 Nicht nur die Experimentatoren selbst leiden an konditionierter ethischer Blindheit.

Forschungsinstitute beantworten Kritik manchmal mit der Mitteilung, dass sie einen Tierarzt beschäftigen, der sich um die Tiere kümmert. Es wird angenommen, dass solche Aussagen beruhigend wirken, denn die Auffassung ist weit verbreitet, dass alle Tierärzte Leute sind, die Tiere mögen und sie niemals unnötig leiden lassen würden. Bedauerlicherweise ist das nicht der Fall.

Zweifellos haben sich viele Tierärzte für diesen Tätigkeitsbereich entschieden, weil ihnen an Tieren etwas liegt, aber für Leute, denen Tiere wirklich am Herzen liegen, ist es schwierig, das Studium der Veterinärmedizin zu durchlaufen, ohne in der Sensibilität gegenüber dem Leiden von Tieren abzustumpfen. Wer sich wirklich sorgt, ist möglicherweise nicht in der Lage, das Studium abzuschließen. Ein ehemaliger Student der Tiermedizin schrieb an eine Tierschutzorganisation: Der Traum meines Lebens und meine Ambition, Tierarzt zu werden, schwanden dahin und wurden von einer Reihe traumatischer Erfahrungen abgelöst, darunter auch die üblichen experimentellen Prozeduren, die von den leidenschaftslosen Lehrkräften der tiermedizinischen Vorbereitungsschule an meiner Universität angewandt wurden. Sie fanden es völlig in Ordnung, mit den Tieren zu experimentieren und dann das Leben aller Tiere zu beenden, die sie benutzt hatten, was meiner eigenen Moral in empörender Weise widersprach. Nach zahlreichen Konfrontationen mit diesen herzlosen Vivisektionisten beschloss ich schweren Herzens, eine andere Laufbahn einzuschlagen.101 Als es 1966 Ansätze gab, ein Gesetz zum Schutz von Versuchstieren zu erlassen, brachte die American Veterinary Medical Association vor Kongressausschüssen zum Ausdruck, dass sie zwar die Gesetze unterstützte, die den Diebstahl von Haustieren zum Zweck des späteren Verkaufs an Versuchslabors unterbinden sollten, dass sie aber gegen die Genehmigungspflicht und Regulierung von Forschungseinrichtungen sei, da dies die Forschung beeinträchtigen könne. Nach der Grundhaltung dieses Berufsstands war, um es mit den Worten aus einem Artikel im Journal of the American Veterinary Medical Association zu sagen, »die ureigenste Aufgabe des Berufs des Tierarztes das allumfassende Wohlergehen des Menschen - nicht der unter ihm stehenden Tiere«.102 Wer die Implikationen dieses glänzenden Beispiels von Speziesismus erst einmal begriffen hat, wird sich kaum darüber wundern, dass den Forschungsgruppen, die viele der in diesem Kapitel aufgezählten Versuche durchführten, auch Tierärzte angehörten. Nehmen Sie nur ein Beispiel, die Beschreibung des Versuchs mit der Primaten-Gleichgewichts-Platt- form auf S. 53, bei dem das Nervengas Soman eingesetzt wurde. Der Bericht, aus dem diese Beschreibung stammt, gibt an: »Die Routineversorgung der Tiere wurde von der Veterinary Sciences Division der USAF School of Aerospace Medicine durchgeführt.« In ganz Amerika sind Tierärzte mit dabei und sorgen für die »Routineversorgung« von Tieren, die unnötig misshandelt werden. Ist das die wirkliche Aufgabe dieses Berufsstands? (Allerdings besteht für die Tierärzte Hoffnung, denn einige haben eine neue Organisation gegründet, die praktizierende Ärzte und Studierende unterstützen soll, die angesichts der Behandlung nichtmenschlicher Tiere

ethische Bedenken haben.)103 Wird eine Art von Tierversuchen in einem bestimmten Bereich erst einmal zu einer anerkannten Form der Forschung, so verstärkt sich der Prozess selbst, und es ist schwer, auszubrechen. Nicht nur Veröffentlichungen und Promotionen, sondern auch Auszeichnungen und Forschungsgelder sind an Tierversuche geknüpft. Wenn die für die Vergabe von Forschungsgeldern zuständigen Stellen Tierversuche in der Vergangenheit unterstützt haben, werden sie Vorschläge für neue Experimente mit Tieren auch weiterhin fördern. Neue Methoden, bei denen keine Tiere eingesetzt werden, erscheinen ihnen als etwas Ungewöhnliches und haben deshalb auch geringere Chancen auf finanzielle Unterstützung.

Dies alles hilft zu erklären, warum es vielen Leuten außerhalb der Universitäten nicht immer leichtfällt, die Logik hinter der universitären Forschung zu verstehen. Ursprünglich hatten sich die Gelehrten und Forscher vielleicht nur vorgenommen, die wichtigsten Probleme zu lösen und wollten sich davon nicht durch andere Überlegungen ablenken lassen. Und zweifellos werden einige noch immer von solchen Gedanken geleitet. Allzu oft jedoch bleibt die akademische Forschung im Unwichtigen stecken und verliert sich in unbedeutenden Kleinigkeiten, weil die großen Fragen schon untersucht und gelöst wurden oder sich als zu schwierig erwiesen. Also wenden sich die Forscher vom gut bestellten Feld ab und begeben sich auf die Suche nach Neuland, wo alles, was sie finden, neu ist, auch wenn es mit einer wichtigen Problematik nur ganz entfernt zusammenhängt. Wie wir gesehen haben, ist es keineswegs unüblich, dass Forscher zugeben, dass ähnliche Versuche zuvor schon vielfach durchgeführt worden sind, damals allerdings ohne Berücksichtigung dieser oder jener geringfügigen Abwandlung; und das gebräuchlichste Schlusswort am Ende einer wissenschaftlichen Veröffentlichung heißt: »Weitere Forschungen sind notwendig.« Beim Lesen von Berichten über Versuche, die Schmerzen verursachen und offensichtlich nicht einmal mit der Absicht durchgeführt werden, wirklich bedeutsame Ergebnisse zu erzielen, neigen wir zuerst zu der Vermutung, dass in dem allen doch mehr stecken müsse, als wir verstehen können — dass die Wissenschaftler für das, was sie tun, bessere Gründe haben müssen als die, die aus ihrem Bericht ersichtlich sind. Leute, denen ich solche Versuche beschreibe oder aus den von den Forschern selbst geschriebenen Berichten vorlese, reagieren meist mit Verwirrung und Ungläubigkeit. Betrachten wir die Sache aber genauer, dann stellt sich heraus, dass die Dinge, die uns bei oberflächlicher Betrachtung trivial erschienen, es auch tatsächlich sind. Experimentatoren geben das inoffiziell oft sogar selbst zu. H. F. Harlow, dessen Experimente wir am Beginn dieses Kapitels betrachtet haben, war zwölf Jahre lang Herausgeber des Journal ofComparative and Physiological Psychology, einer Zeitschrift, die wohl mehr Berichte über schmerzhafte Tierversuche veröffentlicht hat als fast jede andere. Am Ende dieser Zeit, in der Harlow nach eigener Schätzung 2500 zur Veröffentlichung eingereichte Manuskripte geprüft hatte, schrieb er in einem humoristisch angehauchten Abschiedswort: »Die meisten Versuche sind es nicht wert, durchgeführt zu werden, und die erzielten Daten sind es nicht wert, veröffentlicht zu werden.«104 Wir sollten darüber nicht überrascht sein. Selbst die Forscher in der Psychologie, Medizin und den biologischen Wissenschaften sind Menschen und unterliegen denselben Einflüssen wie alle anderen Menschen. Sie wollen in ihrer Karriere vorankommen, gefördert werden und mögen es, wenn ihre Schriften von ihren Kollegen gelesen und diskutiert werden. Die Veröffentlichung von Artikeln in den richtigen Zeitschriften ist ein wichtiger Beitrag zu beruflichem Aufstieg und wachsendem Ansehen. Das gibt es in jedem Bereich, in der Philosophie oder Geschichte ebenso wie in der Psychologie und Medizin, es ist völlig nachvollziehbar und an sich kaum kritikwürdig. Philosophen und Historiker, die publizieren, um ihre Karriereaussichten zu verbessern, richten wenig Schaden an, außer dass sie Papier verschwenden und ihre Kollegen langweilen; diejenigen aber, die bei ihrer Arbeit mit Tieren experimentieren, können schlimme Schmerzen oder andauerndes Leid verursachen. Ihre Arbeit sollte deshalb einer viel strengeren Notwendigkeitsprüfung unterworfen werden.

In den Vereinigten Staaten, Großbritannien und in anderen Ländern sind die innerhalb der biologischen Wissenschaften mit der Forschungsförderung beauftragten staatlichen Stellen zur wichtigsten Stütze für Tierversuche geworden. Tatsächlich wurde die überwältigende Mehrheit der in diesem Kapitel beschriebenen Tierversuche durch öffentliche Geldmittel, die aus Steuergeldern stammen, finanziert. Viele dieser Einrichtungen bezahlen Versuche, die nur noch ganz entfernt mit den Zwecken verknüpft sind, für die diese Einrichtung ursprünglich gegründet wurde. Auf den zurückliegenden Seiten habe ich Versuche beschrieben, die finanziert wurden von den United States National Institutes of Health, von der Alcohol, Drug Abuse and Mental Health Administration, der Federal Aviation Administration, dem Verteidigungsministerium, der National Science Foundation, der National Aeronautics and Space Administration (NASA) und anderen. Es ist nicht leicht verständlich, warum die U.S. Army eine Studie über das Verteilen von Urin bei erhitzten, drogensüchtigen Ratten finanzieren sollte, oder warum der U.S. Public Health Service Geld dafür ausgeben sollte, dass Elefanten LSD verabreicht wird.

Da diese Versuche von staatlichen Stellen finanziert werden, muss ich wohl kaum hinzufügen, dass es kein Gesetz gibt, das die Forscher daran hindert, die Versuche durchzuführen. Es gibt Gesetze, die normalen Leuten verbieten, ihren Hund totzuprügeln, aber Wissenschaftler können genau das in den Vereinigten Staaten ungestraft tun, und niemand prüft, ob ihr Tun voraussichtlich einen Nutzen haben wird, den gewöhnliches Prügeln nicht hat.

Der Grund dafür ist, dass die Stärke und das Ansehen des wissenschaftlichen Establishments, unterstützt von den verschiedensten Interessengruppen - einschließlich derer, die Tiere züchten, um sie an Labors zu verkaufen -, ausgereicht haben, um die Bemühungen in Richtung einer wirksamen gesetzlichen Kontrolle zu blockieren.

Der Experimentator Robert J. White vom Cleveland Metropolitan General Hospital hat sich darauf spezialisiert, Affen die Köpfe zu verpflanzen und sie in einer Flüssigkeit am Leben zu halten, nachdem ihr Körper völlig abgetrennt ist. Er ist das perfekte Beispiel des Wissenschaftlers, der Versuchstiere für »Werkzeuge der Forschung« hält - in der Tat hat er selbst gesagt, der Hauptzweck seiner Arbeit über abgetrennte Affenköpfe bestehe darin, der Hirnforschung ein »lebendes Laborwerkzeug zur Verfügung zu stellen«. Der Reporter, dem gegenüber White das geäußert hatte, empfand den Besuch in dessen Labor als einen »seltenen und bedrückenden Blick in die kalte, klinische Welt des Wissenschaftlers, in der das Leben eines Tieres über den unmittelbaren Zweck des Experimentierens hinaus keine Bedeutung hat.«105 White vertritt die Auffassung, »die Einbeziehung von Tieren in unser ethisches System« sei »philosophisch sinnlos und praktisch unmöglich.«106 Anders gesagt, bei dem, was er Tieren antut, akzeptiert White für sich selbst keine ethischen Beschränkungen. Es ist demnach nicht überraschend, dass ein anderer Reporter nach einem Interview fand, White »wütet gegen jede Vorschrift, ob sie nun von der Klinikverwaltung kommt oder von den Versicherungsgesellschaften. >Ich bin ein Elitist<, sagt er. Er glaubt, dass Doktoren von ihresgleichen regiert werden sollten.«107 David Baltimore, Professor am Massachusetts Institute of Technology und Nobelpreisträger, ist ein weiterer aktiver Gegner staatlicher Verordnungen. Beim nationalen Treffen der American Association for the Advancement of Science hielt er vor nicht allzu langer Zeit eine Rede, in der er auf die »langen Stunden« verwies, die er und seine Kollegen damit verbracht hatten, die ihre Forschung beeinträchtigenden Regeln zu bekämpfen.108 Die Grundlage für Baltimores Widerstand war bereits einige Jahre zuvor deutlich geworden, als Baltimore mit dem Harvard- Philosophen Robert Nozick und einigen anderen Wissenschaftlern zu Gast in einer Fernsehsendung war. Nozick fragte, ob der Umstand, dass bei einem Versuch Hunderte von Tieren sterben, von Wissenschaftlern jemals als Grund dafür angesehen wird, den Versuch nicht durchzuführen. Einer der Wissenschaftler antwortete: »Nicht, dass ich wüsste.« Nozick hakte nach: »Zählen die Tiere denn überhaupt nicht?« Ein Wissenschaftler gab zurück: »Warum sollten sie?« An diesem Punkt warf Baltimore ein, er meine nicht, dass Tierversuche überhaupt ein moralisches Problem aufwerfen.105 Männer wie White und Baltimore sind möglicherweise brillante Wissenschaftler, aber ihre

Äußerungen über Tiere bezeugen ihre philosophische Unwissenheit. Ich weiß keinen einzigen ernstzunehmenden Gegenwartsphilosophen, der den Behauptungen zustimmen würde, dass es »bedeutungslos« oder »unmöglich« sei, Tiere in unser ethisches System einzubeziehen, oder dass Tierversuche kein moralisches Problem aufwerfen. In der Philosophie sind solche Behauptungen mit der Auffassung vergleichbar, die Erde sei eine Scheibe.

Bis jetzt waren die amerikanischen Wissenschaftler außerordentlich unnachgiebig, wenn es um die öffentliche Überwachung dessen ging, was sie Tieren antun. Es ist ihnen gelungen, selbst minimale Anforderungen, die Tiere bei Versuchen vor Schmerzen schützen sollten, abzuschmettern. In den Vereinigten Staaten ist das einzige Bundesgesetz zu dieser Problematik der Animal Weifare Act. Das Gesetz definiert die Anforderungen bei Transport, Unterbringung und Haltung von Tieren, die als Haustiere verkauft werden, ausgestellt werden oder in der Forschung Verwendung finden sollen.

Was jedoch die tatsächliche Forschung betrifft, erlaubt das Gesetz den Forschern, alles zu tun, was sie nur wollen. Das ist Absicht. Der Grund, den das U.S. Congress Conference Committee bei der Verabschiedung des Gesetzes dafür nannte, war, in dieser Sache den Forscher zu schützen, indem alle Tiere für die Dauer der Forschung oder der Versuche von Vorschriften ausgenommen werden ... Es ist nicht die Absicht des Ausschusses, die Forschung oder die Durchführung von Versuchen irgendwie zu beeinträchtigen.110 Ein Abschnitt des Gesetzes fordert, dass die privatwirtschaftlichen Unternehmen und übrigen Organisationen, die sich im Rahmen des Gesetzes registrieren lassen (staatliche Forschungsinstitute und viele kleinere Einrichtungen sind dazu nicht verpflichtet), Berichte einreichen müssen, in denen erklärt wird, dass im Falle der Durchführung von schmerzhaften Versuchen ohne Schmerzmittel diese notwendig sind, um das angestrebte Forschungsziel zu erreichen. Es wird kein Versuch gemacht zu beurteilen, ob diese »Ziele« wichtig genug sind, um eine Schmerzzufügung zu rechtfertigen. Unter diesen Umständen bedeutet diese Forderung nicht mehr als zusätzlichen Papierkram, und darüber beschweren sich Experimentatoren ganz besonders. Natürlich können sie Hunden keine elektrischen Schläge verabreichen, um einen Zustand der Hilflosigkeit hervorzurufen, wenn die Hunde betäubt sind. Sie können bei Affen auch keine Depressionen erzeugen, wenn sie zulassen, dass es den Affen mit Hilfe von Medikamenten gut geht oder sie für ihre Situation unempfindlich werden. In solchen Fällen können sie also wahrheitsgemäß antworten, dass die Zielsetzung des Versuchs nicht realisierbar ist, wenn schmerzlindernde Mittel verabreicht werden, und dann können sie genauso weitermachen, wie sie es vor Bestehen dieses Gesetzes auch getan hätten.

Es sollte uns also nicht überraschen, dass beispielsweise der Bericht über den Soman-Versuch mit der Primaten-Gleichgewichts-Plattform mit der folgenden Aussage beginnt: Die in dieser Studie eingesetzten Tiere wurden beschafft, gepflegt und verwendet in Ubereinstimmung mit dem Animal Weifare Act und dem »Guide for the Care and Use of Laboratory Animals«, den das Institute of Laboratory Animal Resources des National Research Council aufgestellt hat.

Tatsächlich erscheint die gleiche Aussage im Training-Handbuch der Brooks Air Force Base für die Primaten-Gleichgewichts-Plattform, im Bericht des Primaten-Aktivitäts-Rad-Versuchs des Radiobiology Research Institute der Streitkräfte und in vielen anderen neueren amerikanischen Veröffentlichungen, aus denen ich zitiert habe. Die Bemerkung sagt uns überhaupt nichts darüber, wie stark die Tiere litten, und sie sagt auch nichts darüber aus, wie trivial das Ziel womöglich war, für das sie litten; sie sagt uns aber sehr viel über den Wert des Animal Weifare Act und des »Guide for the Care and Use of Laboratory Animals«, der vom Institute of Laboratory Animal Resources des National Research Council aufgestellt wurde.

Das völlige Fehlen wirksamer gesetzlicher Regelungen in den Vereinigten Staaten steht in scharfem Gegensatz zu der Situation in vielen anderen entwickelten Ländern. In Großbritannien kann zum

Beispiel ohne die Genehmigung des Innenministers kein Tierversuch durchgeführt werden, und der Animals (Scientific Procedures) Act von 1986 gibt die direkte Anweisung, bei der Entscheidung über die Genehmigung solle der »Minister die wahrscheinlichen ungünstigen Einflüsse auf die betroffenen Tiere gegen den zu erwartenden Nutzen abwägen.« In Australien verlangt der von führenden staatlichen Wissenschaftsgremien (vergleichbar mit den National Institutes of Health in den Vereinigten Staaten) entwickelte Code of Practice die Genehmigung aller Tierversuche durch eine Ethik-Kommission. In einer solchen Kommission muss eine am Tierschutz interessierte Person vertreten sein, die nicht bei der Institution beschäftigt ist, die den Versuch durchführt, und eine weitere unabhängige Person, die nichts mit Tierversuchen zu tun hat. Die Kommission muss eine Reihe ausführlicher Regeln und Grundsätze anwenden, darunter die Anweisung, den wissenschaftlichen oder Ausbildungswert des Versuchs gegen die möglichen Wirkungen auf das Wohlergehen der Tiere abzuwägen. Außerdem müssen die Tiere betäubt werden, wenn der Versuch »Schmerzen verursachen kann, bei deren Art und Stärke man in der medizinischen oder tiermedizinischen Praxis normalerweise eine Betäubung durchführen würde.« Der australische Code of Practice gilt für alle Forscher, die staatliche Förderungsmittel erhalten, und in den Bundesstaaten Victoria, New South Wales und South Australia gilt er für alle Forscher.111 Auch in Schweden müssen Versuche von Kommissionen gebilligt werden, denen auch Laien angehören.

Nach einem Überblick über die Gesetze in Australien, Kanada, Japan, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien kam das U.S. Congress Office of Technology Assessment zu dem Schluss: Die meisten der für diese Beurteilung untersuchten Länder verfugen über Gesetze, die Versuchstieren einen weit größeren Schutz gewähren als die Vereinigten Staaten. Trotzdem haben dort Vertreter des Tierschutzes beträchtlichen Druck zur Durchsetzung noch strengerer Regelungen ausgeübt, und viele Länder, darunter Australien, die Schweiz, Deutschland und Großbritannien, ziehen wichtige Veränderungen in Erwägung.112 Seitdem sind tatsächlich in Australien und Großbritannien nochmals strengere Gesetze verabschiedet worden.

Ich hoffe, dass dieser Vergleich nicht missverstanden wird. Er soll nicht zeigen, dass in Ländern wie Großbritannien oder Australien hinsichtlich Tierversuchen alles in Ordnung sei. Das wäre von der Wahrheit weit entfernt. In diesen Ländern erfolgt das »Abwägen« des möglichen Nutzens gegen das Leid der Tiere noch immer aus einer speziesistischen Haltung gegenüber Tieren heraus, und das macht es unmöglich, dass die Interessen von Tieren die gleiche Berücksichtigung finden wie ähnliche Interessen von Menschen. Ich habe die Situation in den Vereinigten Staaten nur deshalb mit der in anderen Ländern verglichen, um zu zeigen, dass in dieser Sache die amerikanischen Standards miserabel sind, und zwar nicht gemessen an den Maßstäben von Tierrechtlern, sondern an denen, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft anderer wichtiger entwickelter Länder anerkannt sind. Es wäre zu begrüßen, wenn sich amerikanische Wissenschaftler mit den Augen ihrer Kollegen aus anderen Ländern sehen könnten. Bei medizinischen und wissenschaftlichen Kongressen in Europa und Australien passiert es mir oft, dass mich Wissenschaftler beiseite nehmen, um mir zu sagen, dass sie nicht mit allen meinen Auffassungen über Tierversuche übereinstimmen, aber ... und dann erzählen sie mir mit aufrichtigem Entsetzen in der Stimme, was sie während ihrer letzten Reise in die Vereinigten Staaten gesehen haben. Kein Wunder, dass in der angesehenen britischen Zeitschrift New Scien- tist ein Autor kürzlich die Vereinigten Staaten beschrieben hat als »ein Land, das, gemessen an seinen Tierschutzgesetzen, eine Nation von Barbaren zu sein scheint.«113 Wie die Vereinigten Staaten bei der Abschaf-fung der menschlichen Sklaverei der zivilisierten Welt hinterherhinkten, so hinken sie heute nach, wenn es darum geht, die ungezügelte Brutalität der Sklaverei der Tiere abzumildern.

Geringfügige Ergänzungen zum Animal Weifare Act der Vereinigten Staaten im Jahr 1985 verbesserten die Anforderung an die Bewegungsmöglichkeiten für Hunde und an die Unterbringung von Primaten, be- fassten sich aber nicht mit dem wirklichen Problem zu kontrollieren, was während des Experiments geschieht. Es wurden auch institutionalisierte Tierkommissionen

geschaffen, aber da die Versuche selbst nach wie vor von allen Regelungen ausgenommen sind, haben die Kommissionen keine Autorität hinsichtlich dessen, was in den Versuchen geschieht.114 Auf jeden Fall erweist sich der Animal Weifare Act, obwohl er vor mehr als zwanzig Jahren erlassen wurde, als faktisch nicht durchsetzbar. Es fängt damit an, dass der Landwirtschaftsminister niemals Vorschriften herausgegeben hat, mit denen die Vorgabe des Gesetzes auf Mäuse, Ratten, Vögel und landwirtschaftliche Tiere ausgedehnt werden könnte, die in der Forschung Verwendung finden, das ist wahrscheinlich so, weil das Landwirtschaftsministerium noch nicht einmal genug Inspektoren hat, um die Lebensbedingungen von Tieren wie Hunden, Katzen und Affen zu prüfen, geschweige denn von Vögeln, Ratten, Mäusen und landwirtschaftlichen Tieren. Das Office of Technology Assessment sagte, »die Mittel und das Personal für den Vollzug sind niemals an die Erwartungen derer herangekommen, die glauben, dass es die wichtigste Aufgabe des bestehenden Gesetzes ist, das Leiden von Versuchstieren zu verhindern oder abzumildern.« Das Personal von OTA prüfte 112 Versuchsstätten und stellte fest, dass bei der zuständigen Aufsichtsbehörde des Landwirtschaftsministeriums 39 Prozent von ihnen noch nicht einmal registriert waren. Darüber hinaus stellt der OTA-Bericht fest, dass es sich dabei wahrscheinlich um eine zurückhaltende Schätzung der tatsächlich nicht registrierten und somit völlig unbeaufsichtigten und unkontrollierten Tierversuchslabors handeln dürfte.115 Heute ist die Regulierung der Tierversuche in den Vereinigten Staaten eine anhaltende Farce: es gibt ein Gesetz, das bei oberflächlicher Betrachtung auf alle warmblütigen Labortiere anzuwenden ist, aber es kann nur durch Verordnungen umgesetzt werden, die nach den Worten des Office of Technology Assessment »wahrscheinlich keinen nennenswerten Prozentsatz der für Versuche verwendeten Tiere erfassen.« Weiter hieß es, dass der Ausschluss vieler Arten von den Schutzvorschriften des Gesetzes »die Absicht des Kongresses offensichtlich durchkreuze und jenseits der gesetzlichen Befugnis des Landwirtschaftsministers« liege.116 Das sind deutliche Worte für das normalerweise zurückhaltende OTA — doch drei Jahre später ist noch immer überhaupt nichts geschehen, um etwas an dieser Situation zu ändern. Tatsächlich diskutierte und verwarf dann aber doch 1988 der Bericht einer Kommission von amerikanischen Wissenschaftlern eine Empfehlung, die Vorschriften auf alle warmblütigen Tiere auszudehnen. Die Zurückweisung wurde nicht begründet; sie ist ein weiteres Beispiel für die Verweigerung der amerikanischen Wissenschaftler gegenüber jeder noch so elementaren Verbesserung der Situation der von ihnen benutzten Tiere.117 Es sieht also nicht so aus, als würde diese Farce bald ein Ende nehmen. Das Dumme ist nur, dass sie absolut nicht lustig ist. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass Ratten oder Mäuse Schmerzen und Leid weniger stark empfinden oder dass bei ihnen minimale Anforderungen an Unterbringung und Transport weniger wichtig sind als bei Meerschweinchen, Hamstern, Kaninchen oder vielen anderen Tieren.

Bisher habe ich mich bei den in diesem Kapitel beschriebenen Experimenten darauf beschränkt, die von den Experimentatoren selbst verfassten und in den wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Berichte zusammenzufassen. Solche Beweismittel können nicht der Übertreibung beschuldigt werden. Doch wegen des völligen Fehlens jeder angemessenen Inspektion oder Prüfung dessen, was in den Versuchen geschieht, ist die Realität oft viel schlimmer als die veröffentlichte Beschreibung. Das zeigte sich 1984 im Fall der Versuche an der Uni- versity of Pennsylvania unter der Leitung von Thomas Gennarelli. In den Versuchen wurden Affen Kopfverletzungen zugefügt und die dadurch verursachten Gehirnschädigungen untersucht. Nach den offiziellen Unterlagen für die finanzielle Förderung wurden die Affen vorher betäubt. So schien es, als sei mit den Versuchen kein Leid verbunden. Aber Mitglieder einer Gruppe, die sich Animal Liberation Front nennt, verfügten über andere Informationen. Sie hatten auch erfahren, dass Gennarelli von seinen Versuchen Videoaufnahmen hatte. Sie brachen in das Labor ein und stahlen die Bänder. Als sie die Bänder anschauten, sahen sie bei Bewusstsein befindliche, unbetäubte Paviane, die sich dagegen wehrten, festgebunden zu werden, bevor man ihnen die Kopfverletzung zufügte. Sie sahen, wie Tiere sich krümmten, die offenbar gerade aus einer Betäubung erwachten, als Chirurgen an ihrem

offengelegten Hirn operierten. Sie hörten auch die Experimentatoren über verängstigte und leidende Tiere spotten und lachen. Die Videobänder waren so vernichtend, dass sie - allerdings erst nach einem Jahr harter Arbeit von Mitgliedern der in Washington ansässigen Gruppe »People for the Ethical Treatment of Animals« und Hunderter weiterer Tieraktivisten — den Gesundheits- und Sozialminister veranlassten, Gennarelli die finanzielle Unterstützung zu entziehen.118 Seitdem sind weitere Fälle bekannt geworden, normalerweise durch Informationen von Leuten, die in den Labors arbeiteten und für die Weitergabe der Information mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bezahlten.

Zum Beispiel gab 1986 Leslie Fain, eine Tierpflegerin im Versuchslabor von Gillette in Rockville, Maryland, ihre Stelle auf und gab Fotos, die sie im Labor gemacht hatte, an Leute aus der Tierbefreiungsbewegung weiter. Auf den Fotos war zu sehen, wie Gillette neue Tintenrezepturen für pinkfarbene und braune Tinte für »Paper Mate«-Schreibstifte an den Augen von bei Bewusstsein befindlichen Kaninchen testete. Es stellte sich heraus, dass die beiden Tintensorten starke Reizungen verursachten und bei einigen Kaninchen zu blutigem Ausfluss an den Augen führten.119 Man kann nur vermuten, wie viele Labors es geben mag, in denen sich ein genauso schlimmer Missbrauch von Tieren abspielt, wo aber niemand mutig genug war, etwas dagegen zu unternehmen.

Wann können Tierversuche gerechtfertigt werden? Einige Leute reagieren auf die Information, worum es sich bei vielen der durchgeführten Versuche handelt, mit der Forderung, dass alle Tierversuche sofort verboten werden sollten. Aber wenn wir solche absoluten Forderungen aufstellen, sind die Experimentatoren mit der Entgegnung schnell bei der Hand: Wären wir bereit, Tausende von Menschen sterben zu lassen, obwohl sie mit einem einzigen Versuch an einem einzigen Tier gerettet werden könnten?

Diese Frage ist natürlich rein hypothetisch. Es hat nie ein einzelnes Experiment gegeben, das Tausende von Menschenleben gerettet hätte, und es könnte ein solches auch gar nicht geben. Die angemessene Erwiderung auf diese Frage ist eine weitere Frage: Wären die Experimentatoren bereit, ihr Experiment an einem weniger als sechs Monate alten Waisenkind durchzuführen, wenn dies der einzige Weg wäre, um Tausende von Leben zu retten?

Wenn die Experimentatoren nicht bereit wären, einen menschlichen Säugling zu verwenden, wäre ihre Bereitschaft zur Benutzung eines nichtmenschlichen Tieres eine nicht zu rechtfertigende Form der Diskriminierung aufgrund der Spezieszugehörigkeit. Denn erwachsene Affen, Hunde, Katzen und andere Tiere erleben bewusster, was mit ihnen geschieht, sind in stärkerem Ausmaß selbstbestimmt und, soweit wir wissen, mindestens ebenso schmerzempfindlich wie ein menschlicher Säugling. (Ich spreche dabei von einem Waisenkind, um Komplikationen wegen der Gefühle der Eltern zu vermeiden. Das ist jedenfalls mehr als großzügig gegenüber denen, die die Verwendung nichtmenschlicher Tiere bei Versuchen verteidigen, denn die Säugetiere, die für Versuche vorgesehen sind, werden normalerweise sehr früh von ihren Müttern getrennt, was sowohl für die Kleinen wie für die Mütter schmerzlich ist.)

Soweit wir wissen, ist keine moralisch relevante Eigenschaft bei menschlichen Säuglingen ausgeprägter als bei erwachsenen nichtmenschlichen Tieren, es sei denn, die Entwicklungsmöglichkeiten eines Kindes würden als Eigenschaft aufgefasst, die seine Verwendung bei Experimenten verbietet. Ob diese Eigenschaft berücksichtigt werden sollte, ist umstritten - tun wir es, müssen wir gleichzeitig mit Experimenten an Säuglingen auch die Abtreibung verurteilen, denn die Entwicklungsmöglichkeiten von Kind und Fetus sind dieselben. Um die komplexen Aspekte dieses Problems zu umgehen, können wir unsere ursprüngliche Frage etwas abändern und annehmen, der Säugling habe einen so schlimmen irreversiblen Hirnschaden, dass jede geistige Entwicklung über das Niveau eines sechs Monate alten Kindes hinaus ausgeschlossen ist.

Unglücklicherweise gibt es viele solche Menschen, sie sind weggeschlossen in speziellen, im ganzen Land verstreuten Verwahranstalten, einige von ihnen seit langem von Eltern und anderen Angehörigen verlassen und traurigerweise manchmal auch von niemandem sonst geliebt. Trotz der geistigen Defizite sind Anatomie und Physiologie dieser Kleinstkinder in nahezu jeder Hinsicht mit der normaler Menschen identisch. Würden wir sie also mit großen Mengen Bodenpolitur

zwangsernähren oder ihnen konzentrierte Kosmetiklösungen in die Augen tropfen, so bekämen wir viel verlässlichere Hinweise auf die Verträglichkeit dieser Produkte beim Menschen als bei der jetzigen Methode, die Ergebnisse von Versuchen an einer Vielzahl von anderen Arten auf den Menschen übertragen zu wollen. Die LD-50-Tests, die Draize-Augen-Tests, die Strahlenversuche, die Hitzschlag-Experimente und viele andere der bereits in diesem Kapitel beschriebenen Versuche hätten uns mehr Informationen über die menschliche Reaktion verschafft, wenn sie nicht an Hunden oder Kaninchen, sondern an Menschen mit schweren Hirnschäden durchgeführt worden wären.

Wann immer Experimentatoren in Anspruch nehmen, ihre Versuche seien wichtig genug, um die Benutzung von Tieren zu rechtfertigen, sollten wir sie also fragen, ob sie bereit wären, diese Versuche mit einem hirngeschädigten Menschen durchzuführen, dessen geistige Fähigkeiten denen der für den Versuch vorgesehenen Tiere entsprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand ernsthaft vorschlagen würde, die in diesem Kapitel beschriebenen Versuche an hirngeschädigten Menschen durchzuführen.

Gelegentlich kommt es an die Öffentlichkeit, dass an Menschen ohne ihr Einverständnis medizinische Versuche durchgeführt wurden. In einem Fall ging es um geistig behinderte Heimkinder, die mit Hepatitis infiziert worden waren.120 Wenn solche schädigenden Versuche an Menschen bekannt werden, führt das normalerweise ganz zu Recht zu einem Aufschrei gegen die Experimentatoren. Sehr oft sind solche Vorkommnisse ein weiteres Beispiel für die Arroganz der in der Forschung Tätigen, die alles mit dem Hinweis auf die Erweiterung des Wissens rechtfertigen.

Doch wenn der Experimentator behauptet, der Versuch sei wichtig genug, um zu rechtfertigen, dass Tieren Leid zugefügt wird, warum ist er dann nicht wichtig genug, um zu rechtfertigen, dass Menschen auf dem gleichen geistigen Niveau Leid zugefügt wird? Welcher Unterschied besteht zwischen beiden? Nur der, dass das eine Wesen unserer Spezies angehört, das andere aber nicht?

Sich auf diesen Unterschied zu berufen, bedeutet aber, sich zu einem Vorurteil zu bekennen, das ebensowenig verteidigt werden kann wie der Rassismus oder irgendeine andere Art willkürlicher Diskriminierung.

Die Analogie zwischen Speziesismus und Rassismus ist sowohl praktisch als auch theoretisch auf den Bereich der Tierversuche anwendbar. Ein eklatanter Speziesismus führt zu schmerzvollen Versuchen an anderen Spezies, die mit Verweis auf die Erweiterung des Wissens und ihre mögliche Nützlichkeit für unsere Spezies gerechtfertigt werden. Ein eklatanter Rassismus führte zu schmerzvollen Versuchen an anderen Rassen, die mit Verweis auf die Erweiterung des Wissens und ihre mögliche Nützlichkeit für die experimentierende Rasse gerechtfertigt wurden. Nahezu zweihundert Ärzte, darunter einige von hohem medizinischen Ansehen, haben in Deutschland unter der Herrschaft der Nationalsozialisten an Versuchen an Juden und russischen und polnischen Gefangenen teilgenommen. Tausende weiterer Ärzte wussten von diesen Versuchen, von denen einige Gegenstand von Vorträgen an medizinischen Akademien waren. Doch die Protokolle zeigen, dass die Ärzte sich die mündlichen Berichte anderer Ärzte darüber, welche schrecklichen Verletzungen den »minderwertigen Rassen« beigebracht worden waren, ruhig anhörten und dann dazu übergingen, die medizinischen Erkenntnisse aus diesen Versuchen zu diskutieren, ohne auch nur den leisesten Protest über die Art der Versuche geltend zu machen. Die Parallelen zwischen dieser Haltung und derjenigen, die heutige Experimentatoren gegenüber Tieren zeigen, sind auffallend.

Wie damals werden heute Lebewesen Frost und Hitze ausgesetzt und in Unterdruckkammern gesperrt. Wie damals werden diese Geschehnisse in leidenschaftslosem wissenschaftlichem Jargon beschrieben. Der folgende Abschnitt stammt aus dem Bericht eines NS-Wissenschaftlers über ein Experiment, bei dem ein Mensch in eine Unterdruckkammer eingeschlossen wurde.

Nach fünf Minuten traten Krämpfe auf; zwischen der sechsten und zehnten Minute erhöhte sich die Atmungsfrequenz, die TP [Testperson] verlor das Bewusstsein. Zwischen der elften und dreißigsten Minute verlangsamte sich die Atmung auf drei Atemzüge pro Minute und hörte am Ende dieser Periode vollständig auf... Etwa eine halbe Stunde nach dem Atemstillstand wurde mit der Autopsie begonnen.121

Die Dekompressionsversuche fanden mit der Niederlage der Nationalsozialisten kein Ende. Sie wurden auf nichtmenschliche Tiere verlagert. An der University of Newcastle on Tyne in England benutzten Wissenschaftler zum Beispiel Schweine. Die Schweine wurden während neun Monaten bis zu einundachtzig Dekompressionsphasen ausgesetzt. Alle zeigten Symptome der Dekompressionskrankheit, und einige starben an den Anfällen.122 Das Beispiel illustriert nur allzu gut das Wort des großen jüdischen Schriftstellers Isaac Bashevis Singer: »In ihrem Verhalten der Kreatur gegenüber [sind] alle Menschen Nazis.«123 Dass mit Versuchsobjekten experimentiert wird, die nicht zur gleichen Gruppe wie der Experimentator gehören, ist eine Geschichte, die sich konstant wiederholt, nur mit anderen Opfern.

In den Vereinigten Staaten war der aufsehenerregendste Fall von Menschenversuchen in diesem Jahrhundert die absichtliche Nichtbehandlung von Syphilis-Patienten in Tuskegee, Alabama, die mit dem Ziel erfolgte, den natürlichen Verlauf der Krankheit beobachten zu können. Das wurde noch lange so gehandhabt, nachdem sich Penicillin als wirksames Mittel zur Behandlung der Syphilis erwiesen hatte. Die unbehandelt gebliebenen Opfer des Versuchs waren natürlich Schwarze.124 Der im letzten Jahrzehnt vielleicht größte Skandal hinsichtlich Menschenversuchen wurde 1987 in Neuseeland aufgedeckt. Ein angesehener Arzt einer führenden Klinik in Auckland beschloss, Patienten in der Frühphase einer Krebserkrankung nicht zu behandeln. Er versuchte, seine unorthodoxe Theorie zu beweisen, dass diese Krebsform sich nicht weiterentwickele. Aber er ließ seine Patienten nicht wissen, dass sie Objekte eines Versuchs waren. Seine Theorie war falsch, und siebenundzwanzig seiner Patienten — oder besser Patientinnen - starben, denn dieses Mal waren die Opfer Frauen.125 Wenn solche Geschehnisse aufgedeckt werden, zeigt die Reaktion der Öffentlichkeit, dass unsere Sphäre der moralischen Rücksicht umfassender ist als die der Nationalsozialisten und dass wir nicht mehr bereit sind, die Geringschätzung anderer Menschen gutzuheißen; aber dennoch gibt es immer noch viele empfindende Wesen, auf die wir anscheinend überhaupt keine Rücksicht nehmen.

Wir haben noch immer nicht die Frage beantwortet, wann ein Experiment gerechtfertigt sein könnte. Es ist nicht damit getan, »Niemals!« zu sagen. Moral als eine solche Schwarzweißmalerei aufzufassen ist verführerisch, denn so lässt es sich vermeiden, über bestimmte Fälle nachdenken zu müssen; aber unter extremen Bedingungen versagen solche absoluten Antworten regelmäßig. Einen Menschen zu foltern ist nahezu immer falsch, aber es ist nicht absolut falsch. Wäre Folter das einzige Mittel, um das genaue Versteck einer Atombombe im Keller eines Hauses im Zentrum New Yorks zu erfahren, die innerhalb der nächsten Stunde explodieren soll, dann könnte diese Folter gerechtfertigt werden. Und könnte ein einziges Experiment eine Krankheit wie die Leukämie heilen, dann könnte dieser Versuch gerechtfertigt werden. Doch im wirklichen Leben ist der Nutzen immer weniger unmittelbar, und oft genug existiert er gar nicht. Wie sollen wir also entscheiden, wann ein Versuch gerechtfertigt ist?

Wir haben gesehen, dass Experimentatoren ein Vorurteil zugunsten ihrer eigenen Spezies zu erkennen geben, wenn sie Versuche an nichtmenschlichen Tieren ausführen, die sie bei Menschen, selbst bei hirngeschädigten, nicht für gerechtfertigt halten würden. Dieses Prinzip kann uns bei der Suche nach einer Antwort leiten. Da ein speziesistisches Vorurteil genau wie ein rassistisches Vorurteil ungerechtfertigt ist, kann ein Experiment nicht gerechtfertigt werden, wenn es nicht wichtig genug ist, um auch die Verwendung eines hirngeschädigten Menschen zu rechtfertigen.

Das ist kein absolutes Prinzip. Ich glaube nicht, dass es niemals gerechtfertigt sein könnte, einen hirngeschädigten Menschen für einen Versuch zu verwenden. Wenn es wirklich möglich wäre, mehrere Leben durch einen Versuch zu retten, der nur ein Leben kosten würde, und wenn es keinen anderen Weg gäbe, um diese Leben zu retten, dann wäre es richtig, den Versuch durchzuführen.

Aber das wäre ein äußerst seltener Fall. Mit Sicherheit würde keiner der in diesem Kapitel beschriebenen Versuche diese Kriterien erfüllen. Zugegebenermaßen gäbe es hier wie bei jeder anderen Grenzziehung eine Grauzone, in der es schwer wäre zu entscheiden, ob ein Experiment gerechtfertigt wäre oder nicht. Aber wir brauchen uns hier durch solche Überlegungen nicht

ablenken zu lassen. Dieses Kapitel hat gezeigt, dass wir uns in einer Notsituation befinden, in der Millionen von Tieren schreckliches Leid zugefügt wird, obwohl die damit verfolgten Ziele aus unparteiischer Sicht offensichtlich dieses Leid überhaupt nicht rechtfertigen können. Sind all diese Versuche einmal eingestellt worden, dann werden wir genug Zeit haben, um zu diskutieren, was mit den noch verbleibenden Versuchen geschehen soll, die für die Rettung von Leben oder die Vermeidung größeren Leids angeblich unverzichtbar sind.

In den Vereinigten Staaten, wo mangelnde Kontrolle der Tierversuche all jene Experimente zulässt, die auf den vorherigen Seiten beschrieben werden, wäre ein erster kleiner Schritt die Forderung, dass kein Versuch ohne vorherige Zustimmung einer Ethik-Kommission durchgeführt wird. In der Kommission müssten Repräsentanten aus dem Tierschutzbereich sitzen, und sie müsste berechtigt sein, die Zustimmung zu Versuchen zu verweigern, deren möglicher Nutzen ihr zu gering erschiene, um das Leid der Tiere aufzuwiegen. Ich habe schon erwähnt, dass es solche Bewertungssysteme in Ländern wie Australien und Schweden bereits gibt und dass sie von der dortigen wissenschaftlichen Gemeinschaft für gerecht und vernünftig gehalten werden. Gemessen an den diesem Buch zugrundeliegenden ethischen Argumenten ist ein solches System noch weit vom Idealzustand entfernt. Die Vertreter und Vertreterinnen des Tierschutzes in solchen Kommissionen gehören zu Gruppen, die ein ganzes Spektrum von Auffassungen vertreten, aber aus naheliegenden Gründen gehören diejenigen, die zur Beteiligung an einer Ethik-Kom- mission für Tierversuche eingeladen werden und die Einladung annehmen, vor allem zu weniger radikalen Gruppen innerhalb der Tierschutzbewegung. Sie halten es wahrscheinlich nicht für richtig, dass die Interessen nichtmenschlicher Tiere die gleiche Berücksichtigung verdienen wie die Interessen von Menschen; wenn sie aber doch diese Auffassung vertreten, müssen sie vermutlich erkennen, dass es unmöglich ist, sie bei der Beurteilung von Tierversuchs-Anträgen in die Praxis umzusetzen, weil sie die übrigen Mitglieder der Kommission nicht überzeugen können. Stattdessen bestehen sie wahrscheinlich auf der ernsthaften Prüfung von Alternativen, auf ehrlichen Bemühungen zur Geringhaltung von Schmerzen und einem klaren Nachweis des möglichen bedeutsamen Nutzens, der groß genug sein muss, um jeden Schmerz und jegliches Leiden, die im Versuch nicht ausgeschaltet werden, aufzuwiegen.

Eine in der heutigen Zeit eingesetzte Ethik-Kommission zur Beurteilung von Tierversuchen würde diese Standards mit ziemlicher Sicherheit spe- ziesistisch anwenden und das Leid von Tieren geringer gewichten als einen potentiellen, vergleichbaren Nutzen für Menschen. Und dennoch würde die konsequente Beachtung solcher Standards viele jetzt erlaubte schmerzhafte Versuche verhindern und das durch andere Versuche hervorgerufene Leiden vermindern.

In einer von Grund auf speziesistischen Gesellschaft gibt es keine schnelle Lösung für die Schwierigkeiten, die mit solchen Ethik-Kommissionen verbunden sind. Deshalb wollen einige Leute aus der Tierbefreiungsbewegung nichts mit ihnen zu tun haben, sondern fordern stattdessen die völlige und sofortige Einstellung aller Tierversuche. Solche Forderungen werden nun seit eineinhalb Jahrhunderten des Antivivisek- tionismus immer wieder geltend gemacht, aber es gab niemals Anzeichen dafür, dass sie sich in einem Land gegen die Mehrheit der Wähler und Wählerinnen würden durchsetzen können. In der Zwischenzeit wuchs die Zahl der Tiere in den Versuchslabors weiter, bis es zu den in diesem Kapitel bereits geschilderten Durchbrüchen kam. Sie entstanden aus der Arbeit von Leuten, die nicht die Mentalität des Alles-oder-nichts teilten, die für die Tiere in den Labors in der Praxis tatsächlich »nichts« bedeutet hatte.

Ein Grund, weshalb die Forderung nach sofortiger Aufgabe aller Tierversuche bisher die Öffentlichkeit nicht überzeugt hat, ist die Behauptung der Experimentatoren, dies käme dem Verzicht auf die Aussicht gleich, ein Heilmittel für die großen Krankheiten zu finden, die noch immer uns und unsere Kinder töten. In den Vereinigten Staaten können Experimentatoren im Grunde genommen mit Tieren machen, was sie wollen. Dort könnte es vielleicht weiterhelfen, die Verteidiger dieses Arguments zu fragen, ob sie die Entscheidung einer Ethik-Kommission

akzeptieren würden, der wie in anderen Ländern auch Repräsentanten des Tierschutzes angehören würden, und die berechtigt wäre, den Schaden für die Tiere gegen den möglichen Nutzen der Forschung abzuwägen. Ist die Antwort nein, hat sich damit die Verteidigung von Tierversuchen durch den Verweis auf die Notwendigkeit der Heilung der großen Krankheiten als einfacher Ablenkungsversuch erwiesen, der die Öffentlichkeit darüber täuschen soll, worum es den Experimentatoren wirklich geht: die Erlaubnis, mit Tieren anzustellen, was immer sie wollen. Denn warum sonst sollte der Experimentator nicht bereit sein, die Entscheidung über die Durchführung des Versuchs einer Ethik-Kommission zu überlassen, die bestimmt genau wie der Rest der Gesellschaft ein Interesse an einer Beendigung der großen Krankheiten hat? Ist die Antwort ja, dann sollte der Experimentator aufgefordert werden, die Forderung nach Schaffung einer solchen EthikKommission zu unterschreiben.

Angenommen, wir könnten mehr erreichen als die minimalen Reformen, die in aufgeklärteren Ländern bereits bestehen. Angenommen, wir könnten an einen Punkt gelangen, an dem die Interessen von Tieren und die Interessen von Menschen wirklich gleich berücksichtigt werden. Das würde das Ende der riesigen Tierversuchsindustrie unserer Gegenwart bedeuten. Auf der ganzen Welt würden die Käfige sich leeren und Versuchslabors schließen. Dennoch sollten wir nicht annehmen, dass deshalb die medizinische Forschung zum Erliegen käme oder dass eine Flut ungetesteter Produkte auf den Markt käme. Hinsichtlich neuer Produkte, das sagte ich schon, müssten wir tatsächlich mit weniger als bisher auskommen und Bestandteile verwenden, die bereits als unschädlich erwiesen sind. Das erscheint kaum als großer Verlust. Aber um wirklich wichtige Produkte zu testen, können und würden hier wie in anderen Forschungsbereichen alternative Methoden gefunden werden, die nicht die Verwendung von Tieren erfordern.

In der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich geschrieben: »Die Wissenschaftler suchen nicht nach Alternativen, weil ihnen die Tiere, die sie benutzen, einfach nicht wichtig genug sind.« Und dann habe ich eine Voraussage gemacht: »Angesichts dessen, wie wenig Anstrengungen in diesem Bereich unternommen werden, versprechen die vorliegenden ersten Ergebnisse wesentlich größeren Erfolg, wenn die Bemühungen verstärkt würden.« Beide Aussagen haben sich während des letzten Jahrzehnts als richtig erwiesen. Wir haben bereits gesehen, dass im Bereich der Produktprüfung die Bemühungen um Alternativen zu Tierversuchen stark angewachsen sind - und zwar nicht, weil die Wissenschaftler plötzlich begonnen hätten, sich um Tiere mehr zu sorgen, sondern als Ergebnis unnachgiebiger Kampagnen der Tierbefreiungsbewegung. Das gleiche könnte mit Tierversuchen in vielen anderen Bereichen geschehen.

Obwohl Zehntausende von Tieren über Monate und sogar Jahre gezwungen wurden, Zigarettenrauch einzuatmen, beruhen die Beweise über den Zusammenhang von Tabakkonsum und Lungenkrebs auf Daten klinischer Studien.126 Die Regierung der Vereinigten Staaten steckt weiterhin Milliarden von Dollar in die Krebsforschung und unterstützt zugleich die Zigarettenindustrie. Die Forschungsgelder werden zum großen Teil für Tierversuche verwendet, und viele von diesen stehen nur ganz entfernt in Zusammenhang mit der Krebsforschung - es ist bekannt, dass Wissenschaftler ihre Forschungen in »Krebsforschung« umbenannt haben, als sie feststellten, dass sie so mehr Geld bekommen konnten als unter jedem anderen Etikett. In der Zwischenzeit verlieren wir weiterhin den Kampf gegen die meisten Krebsarten. Zahlen, die das National Cancer Institute der Vereinigten Staaten 1988 veröffentlichte, zeigen, dass selbst bei Ausgleich des zunehmenden Alters der Bevölkerung seit 30 Jahren die Gesamtrate der Krebsfälle jährlich um ein Prozent steigt. Neuere Berichte über ein Absinken der Lungenkrebsrate bei jüngeren Amerikanern und Amerikanerinnen könnten das erste Anzeichen für eine Umkehrung dieses Trends sein, da Lungenkrebs zu mehr Todesfällen führt als irgendeine andere Krebsart. Diese erfreuliche Nachricht über die Abnahme von Lungenkrebserkrankungen ist aber nicht das Ergebnis einer verbesserten medizinischen Behandlung, sondern des Umstands, dass junge Leute, und insbesondere weiße Männer, weniger rauchen. Die Überlebensraten bei Lungenkrebs haben sich kaum verändert.127 Wir wissen, dass Rauchen die Ursache von 80 bis 85 Prozent aller Lungenkrebsfälle ist. Wir müssen uns fragen: Können wir es rechtfertigen, Tausende von Tieren zu

zwingen, Zigarettenrauch zu inhalieren, um bei ihnen Lungenkrebs hervorzurufen, wenn wir wissen, dass wir die Krankheit durch Einstellen des Rauchens nahezu ausrotten könnten? Ist es richtig, wenn Tiere die Kosten dafür tragen müssen, dass sich Leute trotz des Lungenkrebsrisikos entscheiden, weiter zu rauchen?

Unsere dürftigen Ergebnisse bei der Behandlung des Lungenkrebses entsprechen denen der Krebsbehandlung im Allgemeinen. Zwar hat es Fortschritte bei der Behandlung einzelner Krebsarten gegeben, aber insgesamt ist seit 1974 die Zahl derer, die nach der Diagnose einer Krebserkrankung noch fünf Jahre oder länger lebten, nicht einmal um ein Prozent gestiegen.128 Vorbeugung, und insbesondere die Anleitung zu einer gesünderen Lebensgestaltung, scheint eine aussichtsreichere Möglichkeit darzustellen.

Immer mehr Wissenschaftler schätzen jetzt Tierversuche als oftmals hinderlich für das Verständnis menschlicher Krankheiten und ihre Heilung ein. Zum Beispiel warnten vor einiger Zeit Forscher des National Institute of Environmental Health Sciences in North Carolina, dass Tierversuche untauglich sein können, um chemische Substanzen herauszufinden, die bei Menschen Krebs erzeugen. Arsen-Einwirkung scheint bei Menschen das Krebsrisiko zu erhöhen, aber in Tierversuchen hat es diese Wirkung nicht.129 Ein Malaria-Impfstoff, den das angesehene Walter Reed Army Institute of Research 1985 in den Vereinigten Staaten entwickelte, funktioniert bei Tieren, erwies sich aber bei Menschen als weitgehend unwirksam. Ein Impfstoff, den Wissenschaftler aus Kolumbien mit freiwilligen Testpersonen entwickelten, war weit wirksamer.130 Heute sprechen die Verteidiger von Tierversuchen gerne darüber, wie wichtig es sei, ein Heilmittel für Aids zu finden; aber nach Robert Gallo, dem ersten Amerikaner, der HIV (das Aidsvirus) isolierte, führt der potentielle Impfstoff, den der französische Forscher Daniel Zagury entwickelte, im menschlichen Organismus viel stärker zur Bildung von HIV-Antikörpern als bei Tieren; und er fügte hinzu: »Die Ergebnisse bei Schimpansen waren nicht gerade aufregend ... Vielleicht sollten wir viel stärker mit Tests am Menschen arbeiten.«131 Bezeichnenderweise haben Aidsinfizierte diesen Aufruf bekräftigt: »Lasst uns eure Versuchskaninchen sein«, plädierte der Schwulenaktivist Larry Kramer.132 Diese Bitte ist offensichtlich sinnvoll. Wenn Versuche direkt an menschlichen Freiwilligen durchgeführt werden, kann schneller ein Heilmittel gefunden werden, und wegen der Natur der Krankheit und der starken Bindungen zwischen vielen Angehörigen der Homosexuellenszene besteht kein Mangel an Freiwilligen. Natürlich muss sorgfältig beachtet werden, dass die Freiwilligen genau verstehen, was sie tun, und dass sie nicht unter Druck oder gezwungenermaßen an dem Versuch teilnehmen. Aber es wäre nicht unvernünftig, eine solche Zustimmung zu geben. Warum sollen Leute an einer nach wie vor tödlichen Krankheit sterben, während ein potentielles Heilmittel an Tieren getestet wird, die normalerweise gar nicht aidskrank werden? Die Verteidiger von Tierversuchen erzählen uns gerne, dass Tierversuche unsere Lebenserwartung drastisch erhöht hätten. Inmitten der Debatte über die Reform des britischen Gesetzes zur Regelung von Tierversuchen veröffentlichte zum Beispiel der Verband der britischen pharmazeutischen Industrie im Guardian eine ganzseitige Anzeige mit der Uberschrift: »Man sagt, das Leben beginnt mit vierzig. Noch vor nicht allzu langer Zeit war es da zu Ende.« In der Anzeige hieß es weiter, dass man es jetzt als Tragödie ansehe, wenn ein Mensch in seinen Vierzigern starbt, aber noch im neunzehnten Jahrhundert sei es etwas Selbstverständliches gewesen, am Begräbnis eines Menschen in diesem Alter teilzunehmen, da die durchschnittliche Lebenserwartung damals bei nur zweiundvierzig Jahren gelegen habe. »Wir verdanken es weitgehend den Durchbrüchen einer wissenschaftlichen Forschung, die den Einsatz von Tieren erfordert, dass die meisten von uns heute bis in ihre Siebziger hinein leben«, wurde in dem Inserat festgestellt.

Solche Behauptungen sind einfach falsch. Tatsächlich war diese spezielle Anzeige so ausgesprochen irreführend, dass ein Spezialist für Sozialmedizin, Dr. David St. George, an die Zeitung The Lancet schrieb, die Anzeige sei »gutes Unterrichtsmaterial, denn sie veranschaulicht zwei wichtige Fehler

bei der Interpretation von Statistiken«. Er verwies auch auf Thomas McKeowns einflussreiches Buch The Role of Medicine aus dem Jahr 1976133, das eine Diskussion darüber ausgelöst hatte, in welchem Maße soziale und Umweltveränderungen im Vergleich mit der medizinischen Versorgung zur Senkung der Sterblichkeitsraten seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beigetragen hatten; und er fügte hinzu: Diese Streitfrage ist entschieden, und es gilt jetzt als allgemein anerkannt, dass die medizinische Versorgung nur geringfügige Auswirkungen auf die Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung hatte, und dass diese hauptsächlich in einem sehr späten Stadium auftraten, als die Sterblichkeit bereits auffallend zurückgegangen war.134 J. B. und S. M. McKinley gelangten in ihrer Studie über das Abflauen der zehn wichtigsten Infektionskrankheiten in den Vereinigten Staaten zu einem ähnlichen Schluss. Sie zeigten, dass in allen Fällen außer der Kinderlähmung die Sterblichkeitsrate schon dramatisch gesunken war (wahrscheinlich aufgrund besserer sanitärer Einrichtungen und einer besseren Ernährung), bevor eine neue Art der medizinischen Behandlung eingeführt wurde. Hinsichtlich des Absinkens der allgemeinen Sterblichkeitsrate in den Vereinigten Staaten um 40 Prozent zwischen 1910 und 1984 schätzen sie »vorsichtig«, dass vielleicht 3,5 Prozent des Absinkens der gesamten Sterblichkeitsrate durch medizinische Interventionen bei den wichtigsten Infektionskrankheiten erklärbar sind. Da die Medizin nun beansprucht, gerade bei diesen Krankheiten die Sterblichkeitsrate am erfolgreichsten gesenkt zu haben, bilden die 3,5 Prozent wahrscheinlich eine vernünftige Schätzung der Obergrenze für den gesamten Beitrag medizinischer Maßnahmen zum Absinken der Sterblichkeit im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten in den Vereinigten Staaten.135 Vergessen wir nicht, dass sich die 3,5 Prozent auf sämtliche medizinische Interventionen beziehen.

Der Beitrag der Forschung an Tieren seinerseits kann höchstens einen Bruchteil dieses winzigen Beitrags zum Absinken der Sterblichkeitsrate ausmachen.

Zweifellos gibt es einige Bereiche der wissenschaftlichen Forschung, die bei einer ernsthaften Berücksichtigung der Interessen der benutzten Tiere behindert würden. Und zweifellos gibt es einige Wissensfortschritte, die ohne die Verwendung von Tieren nicht so leicht hätten erzielt werden können. Beispiele wichtiger Entdeckungen, die oft von Tierversuchsverteidigern genannt werden, gehen zurück bis zu Harveys Arbeit über den Blutkreislauf. Dazu gehören Bantings und Bests Entdeckung des Insulins und seiner Rolle bei Diabetes, die Erkennung der Kinderlähmung als virusbedingt und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen sie; mehrere Entdeckungen, aufgrund deren Operationen am offenen Herzen und koronare Bypass-Verlegungen möglich wurden, das Verständnis unseres Immunsystems und Möglichkeiten, die Abstoßung transplantierter Organe zu verhindern.136 Einige Gegner von Tierversuchen haben abgestritten, dass Tierversuche zu diesen Erkenntnissen einen wichtigen Beitrag leisteten.137 Ich möchte mich hier auf diese Kontroverse nicht einlassen. Wir haben gerade gesehen, dass alles Wissen, das aus Tierversuchen gewonnen wurde, auch im besten Fall nur einen sehr kleinen Beitrag zur Verlängerung unserer Lebenserwartung geleistet hat; sein Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität ist schwieriger einzuschätzen. In einem tieferen Sinne ist die Kontroverse über den aus Tierversuchen stammenden Nutzen grundsätzlich unauflösbar. Denn selbst wenn wertvolle Erkenntnisse durch den Einsatz von Tieren gewonnen wurden, können wir nicht sagen, wie erfolgreich die medizinische Forschung gewesen wäre, wenn sie von Anfang an gezwungen gewesen wäre, alternative Forschungsmethoden zu entwickeln. Einige Entdeckungen hätten sich wahrscheinlich verzögert, wären vielleicht auch nie gemacht worden; aber viele falsche Fährten wären ebenfalls nicht verfolgt worden, und es ist denkbar, dass sich die Medizin ganz anders und in eine erfolgversprechendere Richtung entwickelt hätte, bei der die Förderung einer gesunden Lebensweise mehr betont worden wäre als die Heilung.

Jedenfalls kann die ethische Frage der Rechtfertigbarkeit von Tierversuchen nicht durch den Verweis auf den Nutzen •für uns gelöst werden, wie überzeugend die Beweise für einen solchen Nutzen auch immer sein mögen. Das ethische Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Interessen

schließt einige Mittel der Erkenntnisgewinnung aus. Das Recht, nach Wissen zu streben, hat nichts Heiliges an sich. Schon jetzt akzeptieren wir viele Einschränkungen für wissenschaftliche Unternehmungen. Wir glauben nicht, dass Wissenschaftler ein allgemeines Recht haben, schmerzhafte oder tödliche Versuche an Menschen ohne deren Einwilligung auszuführen, obwohl solche Versuche in vielen Fällen das Wissen viel schneller voranbringen könnten als irgendeine andere Methode. Jetzt müssen wir den Bereich dieser bereits bestehenden Einschränkungen der wissenschaftlichen Forschung erweitern.

Schließlich ist es wichtig zu erkennen, dass die hauptsächlichen Gesundheitsprobleme auf der Welt nicht deshalb weiterbestehen, weil wir nicht wüssten, wie Krankheiten vermieden werden und Menschen gesund bleiben können, sondern weil niemand genug Anstrengungen und Geld in die Umsetzung dessen investiert, was wir schon wissen. Die Krankheiten, die Asien, Afrika, Lateinamerika und die Inseln der Armut im industrialisierten Westen heimsuchen, sind alles in allem Krankheiten, die wir heilen können. Sie sind aus Gesellschaften verschwunden, in denen es ordentliche Nahrung, sanitäre Einrichtungen und Gesundheitspflege gibt. Man hat geschätzt, dass auf der ganzen Welt wöchentlich 250000 Kinder sterben, und dass ein Viertel dieser Kinder an Durchfall und der damit verbundenen Dehydration (Flüssigkeitsmangel) stirbt. Eine einfache Behandlung, die bereits bekannt ist und keine Tierversuche benötigt, könnte den Tod dieser Kinder verhindern.138 Diejenigen, denen es wirklich um die Verbesserung der Gesundheitspflege zu tun ist, würden wahrscheinlich einen wirkungsvolleren Beitrag zur menschlichen Gesundheit leisten, wenn sie ihre Labors verlassen und sich darum kümmern würden, dass unser schon verfügbarer Vorrat an medizinischem Wissen diejenigen erreicht, die es am dringendsten brauchen.

Nachdem das alles gesagt ist, bleibt immer noch die praktische Frage: Was können wir gegen die weitverbreitete Praxis der Tierversuche tun? Ohne Zweifel muss etwas unternommen werden, um die Politik der Regierungen zu verändern, aber was genau ist dazu notwendig? Was können normale Bürger und Bürgerinnen tun, um eine Veränderung herbeizuführen? Die gesetzgebenden Instanzen neigen dazu, Proteste der Wähler und Wählerinnen gegen Tierversuche zu ignorieren, weil sie von wissenschaftlichen, medizinischen und tiermedizinischen Gruppierungen übermäßig beeinflusst werden. In den Vereinigten Staaten unterhalten diese Gruppierungen eingetragene politische Lobbys in Washington, und diese machen ihren Einfluss massiv geltend, wenn Vorschläge zur Einschränkung von Tierversuchen vorgebracht werden. Da die Gesetzgeber nicht die Zeit haben, um sich auf diesem Gebiet ein fundiertes Wissen zu verschaffen, verlassen sie sich auf das, was ihnen die »Experten« erzählen. Doch das ist eine moralische Frage, keine wissenschaftliche, und die »Experten« haben normalerweise ein Interesse an der Fortsetzung der Versuche, oder aber sie sind so durchdrungen von der Ethik der Wissensförderung, dass sie sich aus dieser Haltung nicht lösen können, um das Tun ihrer Kollegen kritisch zu untersuchen. Darüber hinaus sind professionelle PROrganisationen entstanden, so zum Beispiel die National Association for Biomedical Research, deren einziger Zweck darin besteht, das Ansehen der Forschung an Tieren in der Öffentlichkeit und bei den gesetzgebenden Instanzen zu verbessern. Die Gesellschaft hat Bücher veröffentlicht, Videofilme produziert und Seminare darüber durchgeführt, wie die Experimentatoren Versuche verteidigen sollten. Diese Gesellschaft und einige andere ähnlicher Art florieren, seit sich immer mehr Menschen über das Problem der Tierversuche Sorgen zu machen beginnen. Am Beispiel einer anderen Lobby-Gruppierung, des Verbands der britischen pharmazeutischen Industrie, haben wir bereits gesehen, wie solche Gruppen die Öffentlichkeit irreführen können. Die gesetzgebenden Instanzen müssen lernen, dass sie bei der Diskussion von Tierversuchen diese Organisationen und ebenso die medizinischen, tiermedizinischen, psychologischen und biologischen Verbände so behandeln müssen, wie sie General Motors und Ford bei der Diskussion der Luftverschmutzung behandeln würden.

Die großen Firmen, die ihren Gewinn aus der Züchtung oder dem Fangen von Tieren und ihrem anschließenden Verkauf erzielen, die Käfige und Futter für Versuchstiere oder die zur Durchführung der Versuche nötige Ausrüstung herstellen und verkaufen, erleichtern die Aufgabe einer Reform ebenfalls nicht. Diese Firmen sind bereit, große Geldsummen zu zahlen, um eine Gesetzgebung zu

verhindern, die sie eines gewinnträchtigen Marktes berauben würde. Die Allianz dieser finanziellen Interessen mit dem Ansehen von Medizin und Wissenschaft macht den Kampf gegen den Speziesismus im Versuchslabor schwierig und langwierig. Wie können wir dabei am besten vorankommen? Es ist unwahrscheinlich, dass eine der westlichen Demokratien sämtliche Tierversuche auf einen Schlag abschaffen wird. Regierungen arbeiten nicht auf diese Weise. Die Durchführung von Tierversuchen wird erst dann eingestellt, wenn eine ganze Reihe von Teilreformen deren Wichtigkeit eingeschränkt und in vielen Bereichen zu ihrer Ersetzung geführt haben, und wenn eine weitgehende Veränderung der Einstellung zu den Tieren in der Öffentlichkeit erreicht worden ist. Die unmittelbare Aufgabe besteht also darin, auf diese Teilziele hinzuarbeiten, die wir als Meilensteine auf dem langen Weg zur Beendigung der Ausbeutung empfindender Tiere verstehen können. Wer dazu beitragen möchte, das Leiden von Tieren zu beenden, kann versuchen, Geschehnisse in den universitären und kommerziellen Labors in den eigenen Gemeinden öffentlich zu machen. Beim Einkaufen können wir uns weigern, Erzeugnisse zu kaufen, die an Tieren getestet wurden - insbesondere tierversuchsfreie Kosmetika sind inzwischen erhältlich. Studierende sollten sich weigern, Versuche durchzuführen, die sie als unethisch betrachten. Allen steht die Möglichkeit offen, wissenschaftliche Zeitschriften zu lesen, um herauszufinden, wo schmerzhafte Versuche durchgeführt werden, und nach einem Weg zu suchen, diese Dinge ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rufen.

Es ist ebenfalls notwendig, das Problem mit einer politischen Dimension zu versehen. Wir haben bereits gesehen, dass die gesetzgebenden Instanzen eine große Zahl von Briefen zum Problem der Tierversuche erhalten. Aber es hat jahrelange harte Arbeit gebraucht, um die Tierversuche zu einer politischen Frage zu machen. Glücklicherweise sind Ansätze dazu jetzt in mehreren Ländern zu verzeichnen. Die politischen Parteien in Europa und Australien - insbesondere jene, die dem grünen Ende des politischen Spektrums näher sind — sprechen Tierversuche als eine ernstzunehmende Problematik an. Die Republikaner wiesen bei den Präsidentschaftswahlen 1988 in den Vereinigten Staaten daraufhin, dass das Zulassungsverfahren für alternative Verfahren zur Testung von Medikamenten und Kosmetika vereinfacht und beschleunigt werden müsse. Die Ausbeutung von Versuchstieren ist ein Teil des umfassenderen Problems des Speziesismus, und es ist unwahrscheinlich, dass sie abgeschafft werden kann, solange nicht der Speziesismus selbst ein Ende findet. Aber eines Tages werden die Kinder unserer Kinder nachlesen, was in den Labors des zwanzigsten Jahrhunderts geschehen ist, und sie werden dasselbe Gefühl von Entsetzen und Unglauben über das Tun ansonsten so zivilisierter Menschen verspüren, das wir heute empfinden, wenn wir von den Abscheulichkeiten der Gladiatorenkämpfe in den römischen Arenen oder des Sklavenhandels im achtzehnten Jahrhundert lesen.

3 In der Tierfabrik oder wie es Ihrem Abendessen erging, als es noch ein Tier war Für die meisten Menschen, und insbesondere für diejenigen, die in Städten oder deren Umfeld leben, ist die unmittelbarste Begegnung mit nichtmenschlichen Tieren eine Mahlzeit: wir essen sie.

Diese einfache Tatsache ist der Schlüssel zu unserer Einstellung gegenüber anderen Heren, und auch der Schlüssel dazu, was jeder und jede Einzelne von uns tun kann, um diese Einstellung zu verändern. Die Benutzung und der Missbrauch von Tieren im Zusammenhang mit der Nahrungserzeugung übersteigen rein nach der Zahl der betroffenen Tiere bei weitem jede andere Art von

Misshandlung. Mehr als 100 Millionen Kühe, Schweine und Schafe werden allein in den Vereinigten Staaten jährlich aufgezogen und geschlachtet, und bei Geflügel erreicht die Zahl die unglaubliche Höhe von fünf Milliarden. (Das bedeutet, dass ungefähr achttausend Vögel - zum größten Teil Hühner - in der Zeit geschlachtet sein werden, die Sie brauchen, um diese Seite zu lesen). Bei Tisch, im Supermarkt oder in der Metzgerei in unserer Nachbarschaft kommen wir direkt in Berührung mit der umfassendsten Ausbeutung anderer Spezies, die es jemals gegeben hat.

Im Allgemeinen ignorieren wir den Missbrauch der lebenden Kreaturen, der sich hinter der Nahrung, die wir essen, verbirgt. Der Kauf von Nahrungsmitteln in einem Geschäft oder Restaurant ist der Höhepunkt eines langen Prozesses, der abgesehen vom Endprodukt taktvoll vor unseren Augen abgeschirmt wird. Fleisch und Geflügel kaufen wir fein säuberlich in Plastikfolie eingepackt. Es blutet kaum. Es gibt keinen Grund, diese Packung mit einem lebenden, atmenden, herumlaufenden leidenden Tier in Verbindung zu bringen. Schon die Worte, die wir gebrauchen, verschleiern die Herkunft: wir essen »beef« [Rindfleisch] und nicht ein Stück Ochse, Bulle oder Kuh, und »pork« [Schweinefleisch] und nicht ein Stück Schwein; aber aus unerfindlichen Gründen scheinen wir es dagegen leichter zu finden, uns die wahre Natur einer Lammkeule vor Augen zu halten. Sogar der Aufdruck »meat« [Fleisch] selbst ist täuschend. Er bezog sich ursprünglich auf jede Form fester Nahrung und nicht notwendigerweise auf das Fleisch [flesh] von Tieren.

Solche verbalen Versteckspiele sind nur die Oberfläche einer viel tiefergehenden Ignoranz gegenüber dem Ursprung unserer Nahrung. Welches Bild verbinden wir mit dem Wort »Bauernhof«? Ein Haus, eine Scheune, eine Schar Hühner, bewacht von einem stolzen Hahn, die auf dem Hof herumscharrt; eine Herde Kühe, die von der Weide zum Melken in den Stall getrieben wird; und vielleicht eine Sau, die in Begleitung ihres Wurfs quiekender und aufgeregt hinter ihr her rennender Ferkel im Obstgarten wühlt.

Nur auf wenigen Bauernhöfen ging es jemals so idyllisch zu, wie uns dieses traditionelle Bild glauben machen möchte. Dennoch stellen wir uns einen Bauernhof als erfreulichen Ort vor, weit weg von unserem industrialisierten, profitorientierten Stadtleben. Nur wenige Leute machen sich über das Leben von Tieren auf dem Bauernhof Gedanken, und von ihnen wissen die meisten kaum etwas über die modernen Methoden der Tierzucht und -haltung. Einige Leute fragen sich, ob das Schlachten schmerzlos vonstatten geht, und wer einmal auf der Straße hinter einem Tiertransporter hergefahren ist, weiß wahrscheinlich, dass Tiere in der Agrarindustrie unter äußerst beengten Bedingungen transportiert werden. Aber nicht viele haben den Verdacht, dass Transport und Schlachtung mehr sein könnten als der kurze und unvermeidbare Schluss eines unbeschwerten und zufriedenen Lebens, eines Lebens, das den Tieren die natürlichen Freuden des tierischen Daseins schenkt, ohne sie den Härten auszusetzen, denen wilde Tiere in ihrem Uberlebenskampf gegenüberstehen.

Diese bequemen Vermutungen haben mit der Wirklichkeit der modernen Tierzucht und -haltung wenig zu tun. Es beginnt damit, dass die Tierhaltung keineswegs mehr der Verantwortung des einfachen Bauern untersteht. Während der letzten fünfzig Jahre haben große Firmen und automatisierte Produktionsmethoden die »Agrarkultur« in ein »Agrar- business« verwandelt. Dieser Prozess begann, als Großfirmen die Kontrolle über die Geflügelproduktion gewannen, die einmal zum Bereich der Bauersfrau gehörte. Heute kontrollieren fünfzig große Firmen praktisch die gesamte Geflügelproduktion der Vereinigten Staaten. Vor fünfzig Jahren hatte ein großer Eierproduzent vielleicht dreitausend Legehennen, heute haben viele Produzenten mehr als 500000 Hennen, und die größten haben mehr als zehn Millionen. Die übriggebliebenen kleinen Betriebe mussten die Methoden der Branchenriesen übernehmen oder das Geschäft aufgeben. Firmen, die mit der Landwirtschaft nichts zu tun hatten, betrieben Massentierhaltung im großen Stil, um Steuervorteile zu erhalten. Die Greyhound-Fernbus-Gesellschaft produziert jetzt z. B. Truthähne, und Ihr Roastbeef kommt möglicherweise von der John Hancock-Lebensversicherung oder von einer aus einem Dutzend Ölgesellschaften, die in die Rindermast investiert haben und Mastkoppeln mit mehr als 100000 Tieren bewirtschaften lassen.1

Die großen Firmen und diejenigen, die im Wettbewerb gegen sie bestehen müssen, haben keinen Sinn für die Harmonie zwischen Pflanzen, Tieren und der Natur. Tierhaltung, insbesondere Massentierhaltung, ist Wettbewerb, und die angewandten Methoden sollen Kosten senken und die Produktion steigern. Bauernhöfe sind zu Fabriken geworden. Tiere werden behandelt wie Maschinen, die Billigfutter in teures Fleisch verwandeln, und jede Neuerung, die zu einem billigeren »Umwandlungsverhältnis« führt, wird eingesetzt. Der größte Teil des vorliegenden Kapitels beschreibt diese Methoden und ihre Bedeutung für die Tiere, bei denen sie angewandt werden. Das Ziel besteht darin zu zeigen, dass Tiere unter diesen Bedingungen von der Geburt bis zur Schlachtung ein elendes Leben führen. Aber auch hier kommt es mir nicht darauf an, die Menschen, die Tieren so etwas antun, als grausam und böse hinzustellen. Im Gegenteil, die Haltungen von Konsumenten und Produzenten unterscheiden sich nicht grundsätzlich. Die Methoden der Tierzucht und -haltung, die ich beschreiben werde, sind lediglich die logische Anwendung der Einstellungen und Vorurteile, die in diesem Buch an anderer Stelle diskutiert werden. Schließen wir nichtmenschliche Tiere erst einmal aus der Sphäre der moralischen Berücksichtigung aus und behandeln sie als Dinge, die wir zur Befriedigung unserer Bedürfnisse benutzen, so ist das Ergebnis vorhersehbar.

Um meinen Bericht so objektiv wie möglich zu machen, will ich wie im vorhergehenden Kapitel nicht meine persönlichen Beobachtungen der in landwirtschaftlichen Betrieben herrschenden Bedingungen als Grundlage meiner Beschreibungen benutzen. Denn dann könnte man mir eine selektive, voreingenommene Darstellung vorwerfen, die auf einigen Besuchen ungewöhnlich schlechter Betriebe beruhe. Stattdessen beziehe ich mich weitgehend auf Quellen, die für die Agrarindustrie am vorteihaftesten sein dürften: die Magazine und Branchenzeitschriften der industriellen Landwirtschaft selbst.

Natürlich sind in diesen Zeitschriften keine Artikel zu finden, die das Leiden der Tiere direkt herausstellen, und schon gar nicht mehr jetzt, nachdem dieser Industriezweig darauf aufmerksam geworden ist, dass es sich hier um eine äußerst heikle Problematik handelt. Landwirtschaftsmagazine interessieren sich nicht für die Frage des Leidens der Tiere als solche. Tierhalter, -händler und -verwerte werden manchmal aufgefordert, Praktiken zu vermeiden, die ihren Tieren Leiden verursachen, weil die Tiere unter diesen Bedingungen Gewicht verlieren; man drängt sie, ihre Tiere beim Transport zum Schlachthof weniger roh zu behandeln, weil ein Tierkörper mit Prellungen und Verletzungen einen geringeren Preis erzielt; die Vorstellung jedoch, dass wir es vermeiden sollten, Tiere unter schlechten Lebensbedingungen einzusperren, weil das an sich schlecht ist, taucht nirgends auf. Ruth Harrison, die Autorin von Animal Machines [dt. Tiermaschinen], einem wegweisenden Uberblick über die Methoden der intensiven Tierhaltung in Großbritannien, kam zu dem Ergebnis, dass »von Grausamkeit erst [gesprochen wird], wo die Rentabilität aufhört.«2 Zweifellos ist das die Haltung, die auf den Seiten der Landwirtschaftsmagazine zum Ausdruck kommt.

Dennoch können wir aus solchen Zeitschriften eine ganze Menge über die Lebensbedingungen von landwirtschaftlich genutzten Tieren erfahren. Wir erfahren etwas über die Einstellung einiger Tierhalter zu den Tieren, die unter ihrer absoluten und uneingeschränkten Herrschaft stehen, und wir erfahren etwas über neue Methoden und Techniken und die durch ihren Einsatz aufgeworfenen Probleme. Unter der Voraussetzung, dass wir ein wenig über die Bedürfnisse von Tieren in der Landwirtschaft wissen, reicht diese Information aus, um uns ein allgemeines Bild der heutigen Tierzucht, Tierhaltung und »Tierverwertung« zu vermitteln. Wir können dieses Bild noch etwas verdeutlichen, indem wir einige wissenschaftliche Untersuchungen über das Wohlergehen von landwirtschaftlich genutzten Tieren berücksichtigen, die als Antwort auf den Druck aus der Tierbefreiungsbewegung in steigender Zahl in landwirtschaftlichen und tiermedizinischen Zeitschriften veröffentlicht werden.

Das erste Tier, das der verhältnismäßig natürlichen Umgebung eines traditionellen Bauernhofes

entzogen wurde, war das Huhn. Menschen nutzen Hühner in zweierlei Hinsicht: sie verwenden ihre Eier und ihr Fleisch. Heute gibt es standardisierte Massenproduktionsmethoden für beide Produkte.

Für Befürworter der industriellen Tierhaltung ist der Aufstieg der Hühnerindustrie eine der großen Erfolgsgeschichten auf diesem Gebiet. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren Hühner als Fleischlieferanten noch relativ selten. Sie kamen hauptsächlich von kleinen unabhängigen Bauern, oder es waren die für die Eierproduktion unbrauchbaren männlichen Tiere. Heute werden in den Vereinigten Staaten wöchentlich 102 Millionen Masthähnchen geschlachtet, nachdem sie in weitgehend automatisierten, fabrikähnlichen Betrieben aufgezogen worden sind, die zu den großen, die Produktion beherrschenden Firmen gehören. Auf das Konto von acht dieser Firmen gehen über 50 Prozent der 5,3 Milliarden Vögel, die jährlich in den Vereinigten Staaten getötet werden.3 Der wesentliche Schritt bei der Verwandlung von Hofhühnern in Fa-hiikartikel bestand darin, sie in Innenräumen einzusperren. Ein Masthähnchenproduzent erhält von einer Brutanstalt eine Ladung von 10000, 50000 oder mehr Eintagsküken und setzt sie in einen langen, Icnsterlosen Schuppen normalerweise auf den Boden, aber einige Hersteller verwenden aufeinander geschichtete Käfige, um mehr Vögel in einem Schuppen gleicher Größe unterzubringen. Innerhalb des Schuppens ist die Umgebung der Vögel in jeder Hinsicht so gestaltet, dass sie hei möglichst wenig Futter möglichst schnell wachsen. Futter und Wasser kommen aus automatischen Futterspendern, die von der Decke hängen. Die Beleuchtung richtet sich nach den Empfehlungen von Agrar- wissenschaftlern: zum Beispiel kann während der ersten oder der ersten beiden Wochen Tag und Nacht durchgängig helles Licht ohne jede Dunkelphase dazu beitragen, dass die Küken schnell an Gewicht zunehmen: später wird, in der Annahme, dass die Hähnchen nach einer Schlafperiode besser fressen, die Helligkeit etwas vermindert, und alle /wei Stunden wird das Licht ganz ausgeschaltet. Sind die Tiere sechs Wochen alt und so groß, dass die Platzverhältnisse sehr beengt werden, wird die Helligkeit extrem stark reduziert, und es gibt überhaupt keine Dunkelphasen mehr. Dies geschieht in der Annahme, dass die durch die Überfüllung hervorgerufenen Aggressionen durch ein stetiges Dämmerlicht vermindert werden.

Masthähnchen werden im Alter von sieben Wochen getötet (die natürliche Lebenserwartung eines Huhns liegt bei etwa sieben Jahren). Am Ende dieser kurzen Zeit wiegen die Vögel zwischen 2 und 2,5 Kilogramm, aber dennoch stehen jedem Tier noch nicht einmal 450 Quadratzentimeter zur Verfügung — das ist weniger Platz als die Fläche eines Blattes Schreibmaschinenpapier. Bei normaler Beleuchtung würde unter diesen Bedingungen der durch die Überfüllung des Raums verursachte Stress und das Fehlen natürlicher energieabbauender Betätigungsfelder zu Kämpfen unter den Vögeln führen, zum gegenseitigen Ausrupfen der Federn, machmal auch dazu, dass Vögel sich gegenseitig töten und auffressen. Wie herausgefunden wurde, reduziert sehr schwaches Dämmerlicht diese Verhaltensweisen, und deshalb verbringen die Vögel wahrscheinlich ihre letzten Lebenswochen in nahezu vollständiger Dunkelheit.

Federpicken und Kannibalismus sind in der Sprache der Masthähnchenproduzenten »Untugenden«.

Sie sind aber nichts Natürliches, sondern das Ergebnis von Stress und Überfüllung, denen moderne Produzenten ihre Vögel aussetzen. Hühner sind ausgesprochen soziale Tiere, und auf dem Hühnerhof kommt es zur Entwicklung einer Hierarchie der sogenannten »Hackordnung«. Jeder Vogel lässt, ob am Futtertrog oder anderswo, die in der Hackordnung höherstehenden Tiere gewähren und nimmt sich Vorrechte gegenüber den tieferstehenden heraus. Bis die Ordnungsverhältnisse geklärt sind, kann es hier und da zu Konfrontationen kommen, aber meistens genügt ein bisschen Imponiergehabe, und eine physische Auseinandersetzung ist nicht nötig. In einer Zeit, als eine normale Hühnerschar noch klein war, schrieb Konrad Lorenz, ein angesehener Beobachter des Verhaltens von Tieren: Kennen nun die Tiere einander ebenso zuverlässig? ... Jeder Hühnerbesitzer weiß, dass ... eine feste Reihenfolge besteht, nach der ein Huhn vor dem anderen Angst hat. Nach einigen wenigen Auseinandersetzungen, die nicht einmal handgreiflich sein müssen, weiß jedes der Tiere, sowohl wem es als auch wer ihm auszuweichen hat. Für die Stellung innerhalb dieser Rangordnung sind

durchaus nicht nur die Körperkräfte, sondern mindestens ebensosehr der persönliche Mut, die Energie, ich möchte sagen die Selbstsicherheit des betreffenden Vogels, maßgebend.4 Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Hühnerschar von bis zu neunzig Hühnern in der Lage ist, eine stabile soziale Ordnung aufrechtzuerhalten, in der jeder Vogel seinen eigenen Platz kennt; aber 80 000 Vögel, zusammengedrängt in einem einzigen Schuppen, das ist offensichtlich etwas ganz anderes. Die Vögel können keine soziale Ordnung herstellen, und als Resultat kämpfen sie häufig miteinander. Ganz abgesehen vom Unvermögen jedes einzelnen Vogels, so viele andere Vögel wiederzuerkennen, trägt wahrscheinlich schon die bloße Tatsache der extremen Überfüllung zur Irritation und Aufgeregtheit bei Hühnern genauso bei, wie dies bei Menschen oder anderen Tieren der Fall wäre. Das wissen die Tierzüchter schon seit langem: Federpicken und Kannibalismus werden leicht zu ernsten Untugenden bei Geflügel, das unter intensiven Bedingungen gehalten wird. Diese Untugenden bedeuten minderwertigere Erzeugnisse und Gewinnverluste.

Den Vögeln wird es langweilig, und sie picken dann irgendeinen herausragenden Teil vom Gefieder eines anderen Vogels an ...

Müßiggang und Langeweile sind dazu geeignet, solche Untugenden heraufzubeschwören, weitere Ursachen sind überfüllte, muffige und überheizte Ställe.5 Die Halter müssen solche »Untugenden« verhindern, denn sie kosten Geld; aber obwohl sie wissen dürften, dass die Überfüllung die Wurzel des Übels ist, können sie dagegen nichts tun, weil im wirtschaftlichen Wettbewerb die Abschaffung der Überfüllung gleichbedeutend mit der Abschaffung der Gewinnspanne sein könnte. Die Baukosten, die Kosten der automatischen Fütterungsanlage, für Heizöl und Klimatisierung des Gebäudes und für die Arbeit blieben dieselben, aber mit weniger Vögeln pro Schuppen würden die Einnahmen kleiner. Also richten Halter ihre Bemühungen darauf, die Folgen der Stressbelastung zu reduzieren, die ihr Geld kosten. Die unnatürliche Art, in der die Vögel gehalten werden, verursacht die Unarten, aber um diese unter Kontrolle zu bringen, muss der Geflügelhalter die Bedingungen noch unnatürlicher machen. Stark gedämpftes Licht ist eine Möglichkeit. Noch drastischer, und dennoch in diesem Industriezweig inzwischen weit verbreitet, ist das Schnabelkürzen.

Man fing damit in den vierziger Jahren in San Diego an, damals wurde dazu eine Lötlampe benutzt.

Der Halter brannte die Spitze der oberen Schnabelhälfte ab, so dass die Tiere sich nicht mehr gegenseitig die Federn auspicken konnten. Ein modifizierter Lötkolben ersetzte bald diese grobe Technik, und heute sind speziell entwickelte, guillotineähnliche Geräte mit heißen Klingen die bevorzugt eingesetzten Instrumente. Der Schnabel des Kükens wird in das Gerät gesteckt, und die heiße Klinge trennt die Spitze des Schnabels ab. Das Ganze geht sehr schnell vor sich, etwa fünfzehn Vögel pro Minute schafft die Maschine. Bei dieser Hast kommt es vor, dass die Temperatur und die Schärfe der Klinge nicht immer »optimal« sind, was zu nachlässigen Schnitten und zu ernsthaften Verletzungen bei den Vögeln führen kann: Eine sehr heiße Klinge verursacht im Schnabelinneren Blasen. Bei einer kalten oder stumpfen Klinge kann sich am Schnabel eine fleischige, hügelige Wucherung entwickeln. Solche Wucherungen sind sehr empfindlich.6 Joseph Mauldin, ein Fachmann für Geflügelmassenhaltung an der Uni- versity of Georgia, berichtete bei einer Konferenz über Geflügelgesundheit über seine Beobachtungen: Aufgrund einer unkorrekten Vorgehensweise kommt es in vielen Fällen zu Verbrennungen an den Nasenlöchern und zu schlimmen Verstümmelungen, die ohne jede Frage akuten und chronischen Schmerz auslösen sowie die Futteraufnahme und die Produktionsfaktoren beeinträchtigen. Für private Masthähnchenhersteller habe ich die Qualität des Schnabeltrimmens untersucht, und die meisten sind zufrieden, wenn bei 70 Prozent der Tiere der Schnabel ordentlich beschnitten ist ...

Den Hähnchen werden die Schnäbel von Mannschaften beschnitten, die nach Menge und nicht nach

Qualität bezahlt werden.7 Selbst wenn die Prozedur korrekt abläuft, täuschen wir uns in der Annahme, sie sei schmerzlos, wie etwa das Zehennägelschneiden. Ein Sach- verständigenausschuss der britischen Regierung unter Leitung des Zoologen Professor E W. Roger Brambell stellte vor einigen Jahren fest: Zwischen Horn und Knochen liegt eine dünne Schicht weichen, hochempfindlichen Gewebes, ähnlich der Haut unter den menschlichen Nägeln. Das beim Schnabelkürzen benutzte heiße Messer durchtrennt diesen Komplex aus Horn, Knochen und empfindlichem Gewebe, was heftige Schmerzen verursacht.8 Darüber hinaus erleidet der Vogel durch das Schnabelkürzen Schaden von anhaltender Dauer: Tiere, die auf diese Weise verstümmelt wurden, essen weniger und verlieren während mehrerer Wochen an Gewicht.9 Die wahrscheinlichste Erklärung dafür besteht darin, dass der verletzte Schnabel anhaltend schmerzt. J. Breward und M. J. Gentie, Forscher am Forschungszentrum für Geflügel des British Agricultural and Food Research Council, untersuchten die Schnabelstümpfe von Hühnern mit gekürzten Schnäbeln und fanden, dass die beschädigten Nerven wieder wuchsen und dabei geschwulstartige Nervenfaserverflechtungen - Neu- rome genannt — bildeten. Solche Neurome treten bei Menschen mit amputierten Gliedern auf und verursachen sowohl akuten wie chronischen Schmerz. Breward und Gentie fanden heraus, dass dies wahrscheinlich auch bei den Neuromen der Fall ist, die durch das Schnabelkürzen entstehen.10 Mit der Vorsicht, die von einem Geflügelspezialisten, der sich in einer wissenschaftlichen Zeitschrift äußert, zu erwarten ist, bemerkte Gentie anschließend: Im Ergebnis muss man wohl sagen, dass wir nicht wissen, wie viel Unangenehmes oder Schmerzen Vögel nach dem Schnabelkürzen spüren, aber als fürsorgliche Gesellschaft sollten wir im Zweifel zu ihren Gunsten entscheiden. Zur Vermeidung von Kannibalismus und Federpicken bei Geflügel trägt wesentlich eine gute Landwirtschaft bei, und wenn die Beleuchtungsverhältnisse nicht kontrolliert werden können, besteht die einzige Möglichkeit in der Züchtung von Vögeln, die solche schädlichen Züge nicht zeigen.11 Es gibt noch eine andere mögliche Lösung. Das Schnabelkürzen, das von den meisten Erzeugern aufgrund des befürchteten Kannibalismus routi nemäßig durchgeführt wird, reduziert beträchtlich den Schaden, den ein I luhn anderen Hühnern zufügen kann. Aber ganz offensichtlich trägt es nicht dazu bei, den Stress und die Überfüllung zu verringen, die überhaupt erst zu einem solchen unnatürlichen Kannibalismus führen. »Altmodische« Bauern, die eine kleine Schar Hühner auf einer großen I'lache hielten, brauchten ihren Vögeln die Schnäbel nicht abzuschneiden.

Einst waren Hühner Individuen; wenn ein Huhn die anderen tyrannisierte (das war nicht die Regel, konnte aber hin und wieder vorkommen), wurde es aus der Gruppe genommen. Kranke oder verletzte Vögel konnten versorgt oder, wenn es nötig war, schnell getötet werden. Heute kümmert sich eine Person um Zehntausende von Hühnern. Ein amerikanischer Landwirtschaftsminister beschrieb einmal begeistert, wie eine Person 60000 bis 75 000 Masthähnchen versorgen kann.12 Poultry World veröffentlichte kürzlich ein Feature13 über die Hähnchenhaltung David Derehams, der ganz allein 88 000 Hähnchen versorgt, die alle in einer einzigen Behausung untergebracht sind, und der zusätzlich noch 24 Hektar Land bestellt! »Versorgen« heißt hier nicht mehr das, was es früher hieß, denn wenn ein Geflügelhalter jeden Vogel auch nur eine Sekunde lang ansehen würde, würde er mehr als vierundzwanzig Stunden täglich für eine vollständige Besichtigung seiner 88 000 Vögel brauchen, ganz zu schweigen von den anderen Arbeiten und dem Ackerbau nebenbei. Und das bei dem funzeligen Dämmerlicht, in dem sowieso kaum etwas zu erkennen ist. Tatsächlich entfernt der moderne Geflügelhalter lediglich die toten Vögel. Es ist billiger, einige Vögel zu verlieren, als die zusätzliche Arbeit zu bezahlen, die für die Überwachung der Gesundheit einzelner Vögel erforderlich wäre.

Um die Überwachung der Beleuchtung und des Raumklimas zu gewährleisten (normalerweise gibt es eine Heizung, allerdings keine Klimaanlage zur Senkung der Temperatur), haben die

Hähnchenschuppen massive, fensterlose Wände und werden künstlich belüftet. Bis zu dem Tag, an dem die Vögel zum Schlachten abtransportiert werden, sehen sie kein Tageslicht; auch atmen sie ständig nur die vom Ammoniak ihrer eigenen Exkremente verpestete Luft. Die Belüftung reicht aus, um die Vögel unter normalen Bedingungen am Leben zu halten, aber bei einem Fehler in der Anlage ersticken die Vögel rasch. Und selbst eine so naheliegende Möglichkeit wie ein Stromausfall kann verheerende Folgen haben, denn nicht alle Züchter verfügen über ein eigenes Notstromaggregat.

Es gibt noch andere Möglichkeiten, wie die Vögel in einer Mastanlage ersticken können, so z. B. das Phänomen des »piling« (pile = Stapel). In Mastschuppen gehaltene Hühner werden zu nervösen, aufgeregten Kreaturen. Nicht an helles Licht, laute Geräusche oder andere Störungen gewöhnt, kann es im Fall einer plötzlichen Unruhe vorkommen, dass die Tiere in Panik geraten und alle in die gleiche Ecke des Gebäudes flüchten. In ihrer verzweifelten Suche nach Sicherheit klettern sie aufund übereinander, so dass sie sich, wie es ein Halter beschreibt, »in einer Ecke des Aufzuchtbereichs in einem mitleiderregenden Haufen von Körpern gegenseitig erdrücken«.14 Entgehen die Vögel solchen Unglücksfällen, kann es sein, dass sie einer der verschiedenen Krankheiten erliegen, die in den Mastanstalten weit verbreitet sind. Eine neue und noch rätselhafte Todesursache wird einfach als »Akutes Todessyndrom« [acute death Syndrome (ADS)] bezeichnet.

ADS ist anscheinend eine Folge der von der Masthähnchenindustrie geschaffenen unnatürlichen Bedingungen. Wie sich herausgestellt hat, fallen ADS im Durchschnitt etwa zwei Prozent der Hähnchenbestände in Kanada und Australien zum Opfer, und wahrscheinlich sind die Zahlen überall dort, wo die gleichen Methoden eingesetzt werden, ähnlich.15 ADS wird wie folgt beschrieben: Ein plötzlicher Anfall, bei dem die Tiere das Gleichgewicht verloren, heftig mit den Flügeln schlugen und starke Muskelkontraktionen aufwiesen, ging dem Tod voraus ... Es wurden Vögel beobachtet, die während des beginnenden Verlusts des Gleichgewichts nach vorn oder hinten fielen und sich, heftig mit den Flügeln schlagend, auf dem Rücken oder Brustbein drehten.16 Keine dieser Untersuchungen bietet eine klare Erklärung, warum diese scheinbar gesunden Tiere plötzlich zusammenbrechen und sterben, aber ein Geflügelspezialist des britischen Landwirtschaftsministeriums hat dies mit genau dem Ziel in Verbindung gebracht, um das es der gesamten Geflügelindustrie geht — mit dem schnellen Wachstum: Die Sterblichkeit unter den Hühnern ist gestiegen, und man kann sich durchaus überlegen, ob dies indirekt den beträchtlichen Fortschritten in der Genetik und bei der Fütterung zugeschrieben werden kann. Mit anderen Worten, es könnte sein, dass wir von den Hühnern zu schnelles Wachstum verlangen, wenn sie ihr Gewicht in sieben Wochen auf das 50- bis 60fache vergrößern sollen. Auch der »flip over«, der plötzliche Tod gedeihender junger Hühner (normalerweise männlicher Tiere), könnte mit diesem »verdichteten« Wachstum zusammenhängen.17 Das schnelle Wachstum verursacht auch Verkrüppelungen und Missbildungen, die die Produzenten zwingen, zusätzliche ein bis zwei Prozent der Tiere zu töten - und da nur sehr schlimme Fälle aussortiert werden, dürfte die Zahl der Vögel mit Missbildungen weit höher liegen.18 1 )ie Autoren einer Studie über eine spezielle Art der Verkrüppelung folgerten: »Wir halten es für möglich, dass die Vögel auf ein so schnelles Wachstum hingezüchtet worden sind, dass sie sich am Rand des organischen Zusammenbruchs befinden.«19 Die Atmosphäre, in der die Vögel leben müssen, ist selbst schon eine Gesundheitsgefährdung.

Während der sieben oder acht Wochen, die sich die Hähnchen in den Schuppen befinden, wird gar nicht erst versucht, die Streu zu wechseln oder die Exkremente zu entfernen. Trotz mechanischer Belüftung ist die Luft stark mit Ammoniak, Staub und Mikroorganismen angereichert.

Untersuchungen haben gezeigt, dass - wie nicht anders zu erwarten war — Staub, Ammoniak und Bakterien die Lunge der Vögel schädigen.20 Das Institut für Sozialmedizin der Univer- sity of Melbourne in Australien führte eine Studie über die durch diese Luft bedingte

Gesundheitsgefährdung von Geflügelhaltern durch. Es stellte sich heraus, dass 70 Prozent der in der Hähnchenmast Beschäftigten über Augenreizungen berichteten, fast 30 Prozent über ständigen Husten und fast 15 Prozent über Asthma und chronische Bronchitis. Als Resultat legte man den Mästern nahe, so wenig Zeit wie möglich in den Schuppen zu verbringen und beim Aufenthalt darin eine Gasmaske zu tragen. Die Studie sagte jedoch nichts über Gasmasken für die Hühner.21 Die verrottete, schmutzige und ammoniakbeladene Streu, auf der die Vögel stehen oder liegen müssen, führt zu Fußgeschwüren, Blasen am Brustkorb und brandigen Stellen an den Fesselgelenken. »Hühner- klein«, das sind oft die übriggebliebenen Teile geschädigter Vögel, deren Körper nicht ganz verkauft werden können. Doch verletzte Füße sind für die Industrie kein Schaden, denn die Füße werden nach dem Schlachten sowieso abgeschnitten.

Das Leben in langen, überfüllten, nach Ammoniak stinkenden, staubigen, fensterlosen Schuppen bedeutet Stress, der erste Kontakt der Tiere mit dem Sonnenlicht aber ebenso. Die Türen fliegen auf, und die Tiere, die sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt haben, werden an den Beinen gegriffen, mit dem Kopf nach unten hinausgetragen und zu mehreren in Kisten gesteckt, die auf einem Laster aufgestapelt werden. Dann werden sie zur Weiterverarbeitungsfabrik gefahren, wo die Vögel getötet, gereinigt und zu ordentlichen Plastikpäckchen verarbeitet werden. Nach Ankunft in der Fabrik werden sie vom Laster geladen und müssen in den aufgestapelten Kisten warten, bis sie an die Reihe kommen. Das kann mehrere Stunden dauern, und in dieser Zeit bekommen sie weder Futter noch Wasser. Sie werden aus den Kisten genommen, mit den Füßen kopfüber an einem Transportband hängend durch ein Elektro-Betäubungsbad gezogen und gelangen schließlich zu dem Messer, das ihrem freudlosen Leben ein Ende bereitet. Die gerupften und verpackten Körper der Hühner werden dann an Millionen Familien verkauft, die ihre Knochen abnagen, ohne auch nur einmal daran zu denken, dass sie den toten Körper einer einst lebenden Kreatur essen, oder zu fragen, wie es dieser Kreatur ergangen ist, bis es ihnen möglich war, sie zu kaufen und ihren Körper zu essen. Und wenn sie diese Fragen stellen würden, wo würden sie die Antwort finden? Vielleicht bekommen sie ihre Informationen von einem »Hähnchenkönig« wie Frank Perdue, dem viertgrößten Masthähnchenerzeuger der Vereinigten Staaten, aber eindeutig dem ersten, wenn es um Eigenwerbung geht. Dann wird ihnen erzählt, dass die Hähnchen auf seiner »Farm« verwöhnt werden und »so ein angenehmes Leben führen«.22 Wie sollen gewöhnliche Leute herausfinden, dass Perdue seine Hühner in 140 Meter langen Gebäuden hält, von denen jedes 27000 Vögel fasst? Wie sollen sie wissen, dass allein Perdues Massenproduktionssystem 6,8 Millionen Tiere wöchentlich ums Leben bringt, und dass er, wie viele andere Brathähnchenproduzenten auch, seinen Hühnern die Schnäbel kappt, um sie daran zu hindern, unter dem Stress des modernen Fabriklebens zu Kannibalen zu werden?23 Perdues Werbung verbreitet einen gängigen Mythos: dass der ökonomische Erfolg des Massentierhalters und das Wohlergehen der Tiere zusammengehören. Zur Verteidigung der fabrikmäßigen Haltung wird oft gesagt, wenn die Tiere nicht glücklich wären, würden sie nicht wachsen und wären somit nicht profitabel. Die Geflügelindustrie widerlegt selber diesen naiven Mythos: Eine in Poultry Science veröffentlichte Studie zeigte, dass es sich sogar lohnen könne, jedem Huhn nur 372 Quadratzentimeter Platz zu lassen (20 Prozent weniger als die Standardgröße in der Industrie). Dabei würden aufgrund des noch geringeren Platzangebots zwar 6,4 Prozent der Tiere sterben (mehr als bei Käfigen mit Standardgröße), die Tiere wären untergewichtig, und es käme häufig zu Blasen im Brustbereich. Doch wie die Autoren aufzeigen, ist in der Geflügelindustrie der Schlüssel zur Rentabilität nicht der Gewinn pro Vogel, sondern der Gewinn pro gesamter Unterbringungseinheit: Der mittlere finanzielle Ertrag pro Vogel begann zu sinken ... als die Besatzdichte anstieg. Wurde jedoch der finanzielle Ertrag pro Flächeneinheit berechnet, war die Wirkung genau umgekehrt: die Erträge stiegen mit größerer Besatzdichte. Auch bei den getesteten extrem hohen Besatzdichten wurde trotz geringer Wachstumsrate der Tiere der Punkt nicht erreicht, an dem die Erträge zu sinken begannen24 Leser und Leserinnen, die nach der Lektüre dieses Abschnitts erwägen, Puten anstelle von Hühnern

zu kaufen, sollten sich warnen lassen. Dieser in den Vereinigten Staaten traditionelle Mittelpunkt des Familienabendessens am Erntedanktag wird inzwischen unter denselben Bedingungen aufgezogen wie Masthähnchen, und das Schnabelkürzen wird auch bei Puten routinemäßig durchgeführt. Nach Turkey World hat sich in den letzten Jahren eine »Explosion der Putenproduktion« abgespielt, und es wird erwartet, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. 1985 produzierte die 2 Milliarden Dollar umsetzende Putenindustrie 207 Millionen Puten, dabei hatten zwanzig große Firmen einen Anteil von mehr als 80 Prozent. Bevor ihr Leben zu Ende geht, verbringen die Puten dreizehn bis vierundzwanzig Wochen unter den Bedingungen der Intensivhaltung, mehr als doppelt so viel wie ihre kleineren Verwandten.25 »Eine Henne«, schrieb einst Samuel Butler, »ist nur der Weg, über den ein Ei ein anderes Ei produziert«. Butler hielt das wahrscheinlich für witzig, aber wenn Fred C. Haley, der Präsident einer in Georgia ansässigen Geflügelfirma mit 225 000 Legehennen, eine Henne als »eierproduzierende Maschine« bezeichnet, haben seine Worte eine ernstere Bedeutung. Um seine geschäftsmäßige Haltung zu unterstreichen, fügt Haley hinzu: »Das Ziel der Eierproduktion besteht im Geldverdienen. Wenn wir dieses Ziel vergessen, haben wir vergessen, worum es überhaupt geht.«26 Das ist aber keine typisch amerikanische Haltung. Ein britisches Land- wirtschaftsmagazin ließ seine Leser und Leserinnen wissen: Die moderne Legehenne ist schließlich doch nur eine sehr leistungsfähige Maschine, die das Rohmaterial — die Futtermittel - in das veredelte Produkt - das Ei - umwandelt, wobei man natürlich alle Ausgaben abziehen muss, die für die Wartung nötig sind.27 Die Vorstellung, dass die Legehenne eine effiziente Möglichkeit ist, um Futter in Eier umzuwandeln, ist in den Branchenzeitschriften weit verbreitet, insbesondere in den Inseraten. Es ist naheliegend, dass die Folgen für die Legehennen nicht angenehm sind.

Legehennen durchlaufen viele Prozeduren, die auch bei Masthähnchen zum Einsatz kommen, aber es gibt doch einige Unterschiede. Auch bei Legehennen muss der Schnabel gekürzt werden, weil es sonst wegen der Enge zu Kannibalismus käme; doch weil sie viel länger leben als Masthähnchen, müssen sie diese Behandlung oft zweimal ertragen. Der Geflügelspezialist Dick Wells, Leiter des britischen National Institute of Poultry Husbandry, empfiehlt die Kürzung des Schnabels »im Alter von fünf bis zehn Tagen«, weil dann die Operation den Küken weniger Stress verursacht als zu einem früheren Zeitpunkt, und außerdem »ist es eine gute Methode, das Risiko einer frühen Sterblichkeit zu verringern«.28 Wenn die Legehennen im Alter von zwölf bis achtzehn Wochen von der Aufzuchtstation in die Lege-Einrichtungen gebracht werden, wird der Schnabel oft nochmals beschnitten.29 Die Leiden von Legehennen beginnen früh im Leben. Die Küken der Legerassen werden gleich nach dem Schlüpfen »gesext«, d. h. nach männlichen und weiblichen Tieren sortiert. Da die männlichen Küken keinen kommerziellen Wert haben, werden sie beseitigt. Einige Firmen vergasen die kleinen Vögel, aber oft werden sie lebendig in einen Plastiksack geworfen und ersticken unter dem Gewicht der folgenden Küken. Andere werden in lebendem Zustand zermahlen und zu Futter für ihre Schwestern verarbeitet. Mindestens 160 Millionen Küken werden allein in den Vereinigten Staaten jährlich vergast, erstickt oder auf die beschriebene Weise zu Futter verarbeitet.30 Wie viele welches der beschriebenen Schicksale ereilt, ist unmöglich festzustellen, denn es wird nicht Bericht geführt: die männlichen Küken loszuwerden, hat für die Besitzer der Vermehrungsfarmen etwa den Stellenwert wie für uns das Wegwerfen von Müll.

Das Leben der weiblichen Vögel dauert länger, aber das ist kaum ein Vorteil. Junge, noch nicht legereife Hühnchen wurden früher im Freien aufgezogen. Das geschah in der Annahme, dass sie dadurch kräftigere Legehennen werden und das Leben im Käfig besser verkraften würden. Jetzt werden sie in Gebäuden aufgezogen und in vielen Fällen fast von Geburt an in Käfigen untergebracht, weil durch die Aufstapelung der Käfige in jedem Gebäude mehr Vögel Platz haben und damit die Unterbringung des einzelnen Vogels entsprechend billiger ist. Da die Vögel schnell

wachsen, müssen sie aber in größere Käfige umgesetzt werden, und das ist ein Nachteil, weil »die Sterblichkeit etwas höher liegen kann ... Gebrochene Beine und Quetschungen an den Köpfen kommen beim Umsetzen der Vögel mit ziemlicher Sicherheit vor.«31 Wie auch immer die Aufzuchtmethode aussehen mag, heute halten immer noch die meisten großen Eierproduzenten ihre Legehennen in Käfigen. (Sie werden oft als »Batterie« oder »Legebatterie« bezeichnet, aber nicht, weil irgend etwas an ihnen elektrisch wäre, sondern in Anlehnung an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes »Batterie«, das einen »Satz ähnlicher oder miteinander verbundener Einheiten« bezeichnete.) Zu Beginn der Einführung der Käfighaltung befand sich in jedem Käfig nur ein Vogel. Dahinter stand die Idee, dass der Halter dann entscheiden konnte, welche Vögel nicht genug Eier legten, um mehr Einnahmen zu erzielen, als sie Futter verbrauchten.

Diese Vögel wurden dann getötet. Dann fand man heraus, dass in einem Käfig mehrere Vögel untergebracht werden konnten und dass die Kosten pro Vogel sanken, wenn man zwei Vögel in einen Käfig setzte. Das war nur der erste Schritt. Jetzt interessiert es niemanden mehr, wie viele Eier jedes einzelne Huhn legt. Käfige werden benutzt, weil durch sie arbeitssparende automatisierte Versorgungsanlagen besser eingesetzt und in einem Gebäude mehr Vögel untergebracht und mit Futter und Wasser versorgt werden können.

Das ökonomische Erfordernis, die Arbeitskosten so niedrig wie möglich zu halten, bedeutet, dass die einzelnen Legehennen nicht besser versorgt werden als die zu Brathähnchen bestimmten Tiere.

Alan Hainsworth, Eigentümer einer Geflügelfarm im Norden des Staates New York, erzählte einem Vertreter der Lokalpresse, dass er nicht mehr als vier Stunden am Tag brauche, um seine 36000 Legehennen zu versorgen. Seine Frau kümmere sich um die 20 000 noch nicht legereifen Hühnchen: »Sie braucht etwa eine Viertelstunde täglich. Sie kontrolliert nur die automatische Fütterungsanlage und die Wasserbehälter und entfernt in der Nacht gestorbene Tiere.« Diese Art der Versorgung gewährleistet allerdings keine glückliche Hühnerschar, wie die Beschreibung des Reporters zeigt: Ich betrete das Hühnchen-Aufzuchthaus, und sofort ist die Reaktion da - komplettes Chaos. Mit lautem und eindringlichem Zetern fliehen an die 20 000 Vögel voller Angst vor dem menschlichen Eindringling in die hinterste Ecke ihrer Käfige.32 Julius Goldmans Egg City, fünfzig Meilen nordwestlich von Los Angeles, war eine der ersten Legefabriken mit mehr als einer Million Hennen. Schon 1970, als das National Geographie Magazine einen enthusiastischen Uberblick über diese damals relativ neue Haltungsmethode brachte, gab es dort zwei Millionen Hennen. Sie waren in Gebäudeblöcken untergebracht, in jedem 90000 Hennen jeweils zu fünft in einem 40x45 cm großen Käfig. Ben Shames, der Vizepräsident der Firma, erklärte dem Reporter die Methoden zur Versorgung so vieler Vögel: Wir verfolgen die verbrauchte Futtermenge und die Menge der Eier aus zwei der 110 Reihen eines Gebäudes. Wenn die Produktion unter die Rentabilitätsgrenze sinkt, werden alle 90 000 Vögel an Weiterverarbeiter für Geflügelfrikassee oder Hühnersuppe verkauft. Es lohnt sich nicht, den Ertrag jeder Reihe im Gebäude zu registrieren, geschweige denn jeder einzelnen Henne; bei zwei Millionen Vögeln muss man sich auf statistische Stichproben verlassen.33

In den meisten Eierfabriken sind die Käfige in Reihen aufeinandergesta- pelt, vor denen Futter- und Wassernäpfe aufgereiht sind, die über eine Zentralversorgung automatisch gefüllt werden. Die Käfige haben schräg abfallende Gitterböden. Die Neigung - üblicherweise beträgt sie 20 Prozent — erschwert den Hennen ein angenehmes Stehen, aber sie bewirkt, dass die Eier an die Vorderseite des Käfigs rollen, wo sie besser von Hand eingesammelt werden können. In modernen Betrieben werden die Eier über ein Förderband direkt zur Packstation transportiert.

Der Drahtboden hat außerdem seine Begründung in der Wirtschaftlichkeit. Die Exkremente fallen durch das Gitter und können viele Monate lang aufgehäuft und dann in einer einzigen Reinigungsaktion entfernt werden. (In einigen Systemen werden sie häufiger entfernt, in anderen nicht.) Unglücklicherweise sind die Krallen von Hühnern für das Leben auf einem Drahtgitter nicht besondes gut geeignet, und über Schäden an den Füßen der Hennen wird jedes Mal berichtet, wenn sich jemand die Mühe einer Untersuchung macht. Ohne festen Boden, auf dem sich die Krallen

abnutzen, werden sie sehr lang, und es kommt vor, dass sie sich unlösbar im Draht verfangen. Ein früherer Präsident einer nationalen Geflügelorganisation ließ in einem Branchenmagazin seinen Erinnerungen daran freien Lauf: Wir entdeckten Hühner, die buchstäblich an den Käfigen festgewachsen waren. Es scheint, dass die Füße der Hühner sich irgendwie in dem Drahtgeflecht verfingen und nicht mehr frei zu bekommen waren. Also wuchs mit der Zeit das Fleisch der Zehen komplett um den Draht herum. Die Vögel hatten Glück, dass sie sich nahe der Vorderseite des Käfigs - verfingen, denn dort waren Futter und Wasser für sie leicht erreichbar.34 Als Nächstes müssen wir die Größe des Lebensraums betrachten, der Legehennen in Käfigen zur Verfügung steht. In Großbritannien soll das 1954 verabschiedete Vogelschutzgesetz Grausamkeit gegenüber Vögeln verhindern. Paragraph 8, Abs. 1 des Gesetzes lautet folgendermaßen: Wer einen Vogel in einem Käfig oder anderen Behältnis hält oder einsperrt, das in Höhe, Länge oder Breite nicht ausreichend groß ist, um dem Vogel zu ermöglichen, die Flügel ungehindert zu spreizen, macht sich eines Verstoßes gegen das Gesetz schuldig und wird bestraft.

Jede Käfighaltung ist abzulehnen, doch dass ein Käfig groß genug sein sollte, um den Vögeln das ungehinderte Spreizen der Flügel zu gestatten, dürfte eine absolute Mindestforderung sein, um sie vor einem unerträglichen Maß der Einengung zu schützen, bei der sie einem Grundbedürfnis nicht nachkommen können. Können wir also annehmen, dass in Großbritannien Geflügelkäfige mindestens so groß sein müssen, dass sie den Vögeln dieses Mindestmaß an Freiheit gewähren?

Keineswegs. Dem oben zitierten Absatz ist eine kurze, aber bedeutsame Zusatzklausel angefügt: Unter der Bedingung, dass dieser Absatz nicht auf Geflügel angewendet werden soll ...

Dieser erstaunliche Zusatz bezeugt die relative Stärke der Wünsche, die uns unser Magen nahelegt, gegenüber denjenigen, die in einem für seine Tierliebe bekannten Land auf Mitleid beruhen. Nichts an der Natur dieser von uns als »Geflügel« bezeichneten Vögel bewirkt, dass sie ein geringeres Bedürfnis als andere Vögel haben, ihre Flügel zu spreizen. Wir können nur feststellen, dass die Mitglieder des britischen Parlaments gegen Grausamkeit sind, es sei denn, sie sorgt für ihr Frühstück.

In den Vereinigten Staaten gibt es dazu eine auffällige Parallele. Im Tierschutzgesetz von 1970 und nachfolgenden Änderungen sind Standards für Käfige festgelegt worden, die verlangen, »jedem Tier genügend Raum zu geben, damit es bei angemessener Bewegungsfreiheit seine normale Haltung einnehmen und sein normales soziales Verhalten zeigen kann.« Dieses Gesetz gilt für Zoos, Zirkusse, Haustier-Großhändler und Labors, aber nicht für Tiere, die zu Nahrungszwecken gezüchtet und gehalten werden.35 Erfüllen nun Legehennenkäfige die Mindestnormen für Vögel im Allgemeinen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir wissen, dass die Flügelspannweite der am weitesten verbreiteten Legehennenrassen etwa 75 cm misst. Die Käfiggrößen sind unterschiedlich, aber gemäß Poultry Tribüne ist 30x 50 cm eine übliche Größe, in der eine bis fünf Legehennen untergebracht werden. Je nach Anzahl der Vögel im Käfig hat jeder Vogel 240 bis 480 Quadratzentimeter Bodenfläche zur Verfügung. Es besteht eine Tendenz, die Käfige zu überfüllen, weil dies die Kosten für Gebäude und Anlagen pro Vogel senkt.36 Offensichtlich ist ein solcher Käfig zu klein, als dass auch nur ein einziger Vogel die Flügel spreizen könnte, ganz zu schweigen von fünf Vögeln in einem Käfig - und wie der Schluss des zitierten Abschnitts andeutet, sind vier oder fünf Vögel, und nicht ein oder zwei, in der Industrie üblich.

Seit die erste Ausgabe dieses Buches erschienen ist, haben sowohl wissenschaftliche als auch staatliche Ausschüsse mehrere Untersuchungen über die Unterbringungsbedingungen von Legehennen in der modernen Intensivhaltung durchgeführt. 1981 brachte der Landwirtschaftsaus-

schuss des britischen Unterhauses einen Tierschutzbericht heraus, in dem es hieß: »Wir selbst haben Batteriekäfige gesehen, sowohl im Zusammenhang mit Experimenten als auch zu wirtschaftlichen Zwecken, und was wir gesehen haben, hat uns sehr missfallen.« Der Ausschuss empfahl der Regierung, Schritte einzuleiten, um Batteriekäfige innerhalb einer Übergangszeit von fünf Jahren abzuschaffen.37 Noch aufschlussreicher war jedoch eine Studie, die an der Houghton Poultry Research Station in Großbritannien darüber durchgeführt wurde, wie viel Platz Hennen für bestimmte Aktivitäten brauchten. Sie fand heraus, dass eine durchschnittliche Henne im Ruhezustand eine Fläche von 637 Quadratzentimetern bedeckt. Soll es dem Vogel aber möglich sein, sich bequem umzudrehen, so benötigt er in einem Einzelkäfig 1681 Quadratzentimeter. Nach dieser Studie sollte ein Käfig für fünf Vögel im vorderen Käfigbereich allen Vögeln Platz bieten und müsste deshalb nicht weniger als 106,5 Zentimter lang und 41 Zentimeter tief sein, womit jeder Vogel 873 Quadratzentimeter Platz für sich hätte.38 Nach dem Artikel in Poultry Farm bleiben in den Standardkäfigen von 30 x 50 cm bei einer Besetzung mit fünf Vögeln für jeden Vogel gerade 300 Quadratzentimeter. Bei nur vier Hühnern pro Käfig sind es 375 Quadratzentimeter für jeden Vogel.

Die britische Regierung ist der Empfehlung zwar nicht nachgekommen, Schritte einzuleiten, um die Käfige stufenweise abzuschaffen, aber Wandel ist möglich. In der Schweiz begann 1981 eine zehnjährige Übergangsregelung zur Abschaffung von Batteriekäfigen. Bis 1987 musste jede im Käfig gehaltene Henne mindestens 500 Quadratzentimeter Platz haben. Seit dem 1. Januar 1992 sind die herkömmlichen Käfige verboten, und alle Legehennen müssen Zugang zu geschützten Legebereiche mit weichem Boden haben.39 In den Niederlanden sind konventionelle Batteriekäfige seit 1994 verboten, jeder Henne muss eine Fläche von mindestens 1000 Quadratzentimetern zur Verfügung stehen, und sie muss Zugang zu Nestbereichen und Scharrflächen haben. Noch weiter geht allerdings ein schwedisches Gesetz, das 1988 verabschiedet wurde und die Abschaffung der Käfighaltung von Hennen innerhalb der nächsten zehn Jahre vorsieht. Es schreibt fest, dass Kühe, Schweine und Pelztiere »in einer möglichst natürlichen Umgebung« gehalten werden müssen.40 Das übrige Europa streitet noch über die Zukunft der Batteriekäfige.

I)ie

Landwirtschaftsminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft setzten 1986 für Legehennen eine Mindestfläche von 450 Quadratzentimetern fest. Dann wurde aber beschlossen, dass diese Min- destfläche erst ab 1995 gesetzlich vorgeschrieben sein soll. Dr. Mandy IIHi11,

stellvertretende Direktorin der Gleadthorpe-Versuchsfarm des britischen Landwirtschaftsministerium, schätzte, dass etwa 6,5 Millionen Vögel in Großbritannien neu untergebracht werden müssen, womit sie eingestand, dass so vielen Tieren derzeit noch nicht einmal dieser lächerlich niedrige Mindestplatz zur Verfügung steht.41 Da aber in Großbritannien etwa 50 Millionen Legehennen gehalten werden, und etwa 90 Prozent davon in Käfigen, bedeutet diese neue Mindestforderung nichts anderes als die gesetzliche Verankerung der äußerst hohen Besatzdichte, die bei den meisten Eierproduzenten heute ohnehin schon üblich ist. Nur eine Minderheit, die noch mehr Legehennen in den Käfigen zusammenquetscht als sowieso üblich, muss etwas ändern. 1987 empfahl das Europäische Parlament der Europäischen Gemeinschaft die Abschaffung von Batteriekäfigen innerhalb von zehn Jahren.42 Doch das Europäische Parlament hat nur eine beratende Funktion, und wer in Europa die Käfighaltung abgeschafft sehen möchte, hat noch keinen Grund zum Feiern.

Die Vereinigten Staaten allerdings hinken sogar weit hinter Europa her, wenn es darum geht, das Problem überhaupt einmal anzupacken. In der Europäischen Union liegt die Minimalforderung bei 450 Quadratzentimetern pro Huhn, für die Vereinigten Staaten hat United Egg Producers, die Interessengemeinschaft der Eierproduzenten, 300 Quadratzentimeter als Standard empfohlen.43 Aber tatsächlich haben die Hühner auf den Farmen oft noch weniger Platz. Auf der Hainsworth Farm in Mt. Morris, New York, wurden vier Hennen in einem Käfig von 30x30 cm zusammengepfercht, das macht 225 Quadratzentimeter pro Vogel - und der Reporter ergänzte: »Wenn es in Hainsworth nicht genug Platz gibt, sitzen auch schon mal fünf Vögel in einem

Käfig.«44 So sieht die Wahrheit aus: was auch immer an offiziellen oder halboffiziellen Empfehlungen da ist, solange niemand hingeht und nachschaut, können wir nie wissen, wie viele Hennen wirklich in einen Käfig gepackt werden. In Australien sieht ein »Code of Practice« der Regierung vor, dass nicht mehr als vier Hennen in einem 45x45 cm großen Käfig untergebracht werden sollten. Bei einem unangemeldeten Besuch auf einer Hühnerfarm in Victoria im Jahr 1988 zeigte sich aber, dass in einem Käfig dieser Größe sieben Vögel steckten, und fünf oder sechs in vielen anderen. Dennoch weigerte sich das Landwirtschaftsministerium von Victoria, den Eierproduzenten strafrechtlich zu verfolgen.45 Bei sieben Vögeln in einem Käfig von 45x45 cm stehen jedem Vogel gerade 289 Quadratzentimeter zur Verfügung. Bei einer solchen Besatzdichte besteht der Lebensraum für zwei Hennen also aus einer Fläche von der Größe eines Blattes Schreibpapier, und die Vögel sitzen buchstäblich aufeinander.

Unter den Bedingungen, die auf einer modernen Eierfarm in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den meisten anderen entwickelten Ländern außer der Schweiz, den Niederlanden und Schweden üblich sind, wird jeder natürliche Instinkt der Tiere frustriert. Sie können nicht herumlaufen, im Boden scharren oder im Sand baden, Nester bauen oder ihre Flügel spreizen. Sie leben nicht in einer Hühnerschar. Sie können sich nicht aus dem Weg gehen, und schwächere Vögel können Angriffen von stärkeren, durch die unnatürlichen Umstände schon bösartig gewordenen Tieren, nicht entkommen. Diese außerordentliche Zusammenpferchung bewirkt einen Zustand, den die Wissenschaftler als »Stress« bezeichnen und der dem menschlichen Stress in großen Menschenmassen, bei Eingesperrtsein und der Blockierung grundlegender Verhaltensformen gleicht. Wir haben schon gesehen, dass dieser Stress bei Masthähnchen zu aggressivem Picken und Kannibalismus führt. Bei Legehennen, die länger so gehalten werden, macht der texanische Naturforscher Roy Bedichek noch andere Beobachtungen: Ich habe mir Hühnchen, die auf diese Weise aufgezogen wurden, aufmerksam angesehen; sie scheinen unglücklich ... Die Batterie-Küken, die ich beobachtet habe, scheinen etwa um die Zeit, in der sie normalerweise ihrer Mutter davonlaufen und im Gras auf eigene Faust jagen würden, wie von Sinnen zu sein. Ja, die Batterie wird buchstäblich und wahrhaftig ein Hühner-Irrenhaus.46 Lärm ist ein weiteres Zeichen des Elends. Am Boden scharrende Hühner sind im allgemeinen ruhig und geben nur dann und wann ein leises Glucksen von sich. In Käfigen eingesperrte Hühner neigen dazu, sehr laut zu sein. Ich habe bereits den Eindruck des Reporters geschildert, der auf der Hainsworth Farm das Haus der Junghühner besichtigte und es als »komplettes Chaos« beschrieben hatte. Hier ist der Bericht desselben Reporters über das Gebäude der Legehennen: Die Vögel im Legehennenhaus sind hysterisch. Der Aufruhr im Haus der Junghühner war im Vergleich dazu überhaupt nichts. Die Vögel kreischen, gackern und glucksen, während sie übereinander hinweg klettern, um ein Korn aus dem automatischen Futterspender zu picken oder einen Schluck Wasser zu trinken. So verbringen die Hennen ihr kurzes, von unablässiger Produktion bestimmtes Leben.47 Die Hennen leiden auch darunter, dass sie keine Legenester bauen können, um ihre Eier zu legen.

Konrad Lorenz hat den Vorgang des Eierlegens als die schlimmste Folter für eine Henne im Käfig beschrieben: Für den Tierkenner ist es ein wahrhaft herzzerreißender Anblick zu sehen, wie eine Henne immer wieder versucht, unter ihre Käfiggenossinnen zu kriechen, um dort vergeblich Deckung zu suchen.

Zweifellos halten die Hennen unter diesen Umständen das Ei möglichst lange zurück. Ihre instinktive Hemmung, im Gedränge von Artgenossen zu legen, ist sicherlich ebenso groß wie die von Kulturmenschen, in einer analogen Situation zu defäkieren.48 Lorenz' Auffassung wird durch eine Studie gestützt, in der es Hennen nur durch Überwindung zunehmend schwieriger Hindernisse möglich war, zu einem Nistplatz zu gelangen. Ihre hohe Motivation, ihr Ei in ein Nest zu legen, ist daran ersichtlich, dass sie sich genauso abmühten, in das

Nest zu kommen, wie sie sich nach zwanzig Stunden Nahrungsentzug abmühten, an Futter zu gelangen.49 Vielleicht ist ein Grund, warum Hennen einen Instinkt entwickelten, ihre Eier in Zurückgezogenheit zu legen, darin zu sehen, dass der Kloakenbereich beim Eierlegen rot und feucht wird, und wenn andere Vögel das sehen, könnten sie danach picken. Wenn durch das Picken eine Blutung entsteht, könnte diese zu weiterem Picken Anlass geben, und dies könnte schließlich zu Kannibalismus führen.

Hennen stellen aber noch auf andere Art unter Beweis, dass sie niemals ihren Nestinstinkt verlieren.

Mehrere Leute aus meinem Freundeskreis haben Hühner aufgenommen, die am Ende ihres kommerziellen Legehennendaseins angekommen waren und zum Schlachthaus gebracht werden sollten. Werden diese Hühner in einem Hof freigelassen und finden dort etwas Stroh, so fangen sie sofort an, ein Nest zu bauen - sogar nach einem mehr als einjährigen Aufenthalt in einem nackten Metallkäfig. In der Schweiz fordert das Gesetz seit Ende 1991, dass Legehennen geschützte, abgedunkelte Legeplätze zugänglich sind, die einen weichen Boden haben oder mit Streu ausgelegt sind. Schweizer Wissenschaftler haben sogar untersucht, welche Art von Streu Hennen bevorzugen, und herausgefunden, dass sowohl Käfighennen als auch Hühner, die auf Streu großgezogen worden waren, Haferspelz oder Weizenstroh bevorzugen; sobald die Hennen entdeckten, dass sie wählen konnten, legte keine einzige mehr ihre Eier auf Drahtboden, noch nicht einmal auf künstliches Gras.

Bezeichnenderweise vermerkte die Untersuchung, dass zwar fast alle auf Streu aufgewachsenen Hennen die Nistplätze nach 45 Minuten wieder verlassen hatten, dass aber die in Käfigen aufgewachsenen Hennen von dem neuen Komfort offensichtlich so entzückt waren, dass am Ende dieser Zeitspanne immer noch 87 Prozent von ihnen im Nest saßen!50 Diese Geschichte wiederholt sich bei anderen Grundinstinkten, die durch die Käfighaltung blockiert werden. Zwei Wissenschaftler beobachteten Hennen, die die ersten sechs Monate ihres Lebens im Käfig verbracht hatten, und fanden, dass bereits zehn Minuten nach der Freilassung die Hälfte der Hennen mit den Flügeln geschlagen hatte, ein Verhalten, das im Käfig kaum möglich war.51 Das gleiche trifft auf das Staubbad zu — ein weiteres wichtiges Instinktverhalten, das, wie gezeigt worden ist, zur Erhaltung der Qualität der Federn notwendig ist.52 Ein Huhn, das auf dem Bauernhof im Freien lebt, sucht sich einen passenden Platz mit feiner, loser Erde oder Sand und scharrt darin eine Mulde zum »Sandbaden«. Nach dem Sandbad wird der in das aufgeplusterte Federkleid gelangte Sand und Staub energisch wieder aus dem Gefieder herausgeschüttelt. Dieses Verhalten entspricht einem instinktiven Bedürfnis nach Wohlbefinden und Gefiederhygiene und ist selbst bei Käfigvögeln vorhanden. Eine Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass auf Drahtboden gehaltene Vögel »am Bauch mehr kahle Flächen aufweisen« und gab zu bedenken, dass »das Fehlen von zum Staubbaden geeignetem Material dabei ein wichtiger Faktor sein könnte, da bekannt ist, dass die Hennen auch direkt auf dem Drahtboden ein dem Staubbaden entsprechendes Verhalten zeigen.«53 Tatsächlich stellte ein anderer Forscher fest, dass auf Drahtboden lebende Hühner - ohne dass es Staub oder Sand gegeben hätte, den sie sich ins Gefieder hätten wirbeln können - öfter ein dem Staubbaden ähnliches Verhalten zeigten als Vögel, die auf Sandboden gehalten wurden, allerdings jeweils nur für kürzere Zeit.54 Der Drang zum Staubbaden ist so stark, dass die Hennen es auch auf dem Drahtboden versuchen, und sich dabei mit der Zeit die Bauchfedern abscheuern. Und werden die Vögel aus ihrem Käfig befreit, so geben sie sich dem Baden im Staub mit wirklichem Vergnügen hin. Es ist wunderbar, zu beobachten, wie eine niedergedrückte, scheue, nahezu federlose Henne in relativ kurzer Zeit nicht nur ihre Federn, sondern auch ihre natürliche Würde zurückgewinnt, wenn sie in eine passende Umgebung gebracht wird.

Einen Käfig voller Hühner eine kurze Zeit zu beobachten, ist die beste Methode, um sich einen deutlichen Eindruck von den konstanten und heftigen Frustrationen eines Legehennenlebens auf einer modernen Eierfarm zu verschaffen. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, bequem zu stehen oder zu sitzen. Selbst wenn eine oder zwei Hennen eine ihnen angenehme Stellung gefunden haben, müssen sie sich, solange die restlichen Vögel im Käfig nicht zur Ruhe kommen, ebenfalls bewegen.

Es ist, als beobachte man drei Leute, die versuchen, die Nacht gemeinsam in einem Einzelbett zu

verbringen und dabei noch bequem zu liegen — nur dass die Hühner zu diesem aussichtslosen Kampf ein ganzes Jahr lang verurteilt sind und nicht nur eine einzige Nacht. Ein zusätzliches Übel ist, dass die Hennen nach einiger Zeit beginnen, ihre Federn zu verlieren, zum Teil, weil diese sich am Draht abscheuern, zum Teil, weil sie sich die Federn gegenseitig auspicken. Das Ergebnis ist, dass sich die Hühner die Haut am Draht aufscheuern, und es ist ein durchaus übliches Bild, dass Vögel, die sich schon länger im Käfig befinden, kaum noch Federn haben und die Haut, insbesondere im Kloakenbereich, durch die Abschürfungen leuchtend rot und wund ist.

Wie bei den Masthähnchen ist bei den Legehennen das Federpicken ein Zeichen von Stress und resultiert, wie eine der vorhin zitierten Studien es formuliert, aus »einer reizarmen physischen Umgebung«.55 Es ist nachgewiesen worden, dass Hühner in einer abwechslungsreichen Umgebung mit Hühnerstangen, eingestreuten Bereichen zum Scharren und Nistplätzen weniger picken und das Gefieder anderer Tiere beschädigen als bei der konventionellen Käfighaltung.56 Das Federpicken ist selbst wieder die Ursache für weitere Verletzungen, denn, so stellte eine andere Forschergruppe fest, Kratzer und Risse in der Haut, insbesondere auf dem Rücken ... kommen häufiger vor, wenn die Haut in diesem Bereich nicht mehr durch Federn geschützt ist. So können Angst, Verlust der Federn und Schmerzen gelegentlich alle zum selben Syndrom gehören.57 Schließlich gibt es in fast jedem Käfig einen Vogel - in größeren Käfigen vielleicht mehr als einen -, der es aufgegeben hat, dem ständigen Weggeschoben- und Getretenwerden zu widerstehen.

Möglicherweise sind das die Tiere, die in einer Schar von Hühnern auf dem Bauernhof in der Hackordnung unten stünden, was unter normalen Bedingungen nicht von allzu großer Tragweite wäre. Hier im Käfig bleibt den Tieren jedoch nichts anderes übrig, als sich in einer Ecke zusammenzukauern, normalerweise am unteren Ende des abfallenden Bodens, wo die übrigen Vögel bei ihren Versuchen, an die Futter- und Wasserspender zu gelangen, über sie hinwegtrampeln.

Vielleicht erscheint es als überflüssig, nach all diesen Beweisen noch zu untersuchen, ob Hennen das Leben im Käfig oder das Leben mit Auslaufmöglichkeit im Freien vorziehen, aber genau das hat Dr. Marian Dawkins vom Zoologischen Institut der Universität Oxford getan, und ihre Arbeit liefert noch weitere wissenschaftliche Belege für das bereits Gesagte. Haben sie die Wahl, so entscheiden sich Hühner, die sowohl an den Käfig wie an grasbewachsene Auslaufbereiche gewöhnt sind, für den Auslauf. Auch dann, wenn sie zwischen einem Auslaufbereich, in dem kein Futter zur Verfügung steht, und einem Käfig mit Futter die Wahl haben, wählen die meisten Hühner den Auslaufbereich.58 Zu guter Letzt besteht die überzeugendste Möglichkeit, mit der eine Henne auf die Unangemessenheit ihrer Lebensbedingungen hinweisen kann, darin, dass sie stirbt. Eine hohe Sterblichkeit wird nur unter den allerschlimmsten Bedingungen auftreten, denn die normale Lebenserwartung eines Huhns liegt viel höher als die achtzehn Monate oder zwei Jahre, die Legehennen normalerweise am Leben gelassen werden. Wie Menschen im Konzentrationslager klammern sich Legehennen auch noch unter den allerschlimmsten Bedingungen ans Leben.

Dennoch ist ein jährlicher Verlust von zehn bis fünfzehn Prozent auf Hühnerfarmen üblich, wobei die meisten Tiere eindeutig am Stress sterben, der durch überfüllte Käfige und die damit zusammenhängenden Probleme entsteht. Hier ein Beispiel: Nach der Aussage des Verwalters einer Eierfarm mit 50 000 Tieren nahe Cucamonga in Kalifornien sterben täglich fünf bis zehn seiner Hennen am Stress durch die Beengung. (Das sind zwei- bis viertausend jährlich). »Diese Vögel«, sagt er, »sterben nicht an einer Krankheit. Sie können nur einfach den Stress dieses Lebens im Gedränge nicht mehr ertragen.«59 Eine sorgfältig kontrollierte Studie von Mitgliedern des Instituts für Geflügelkunde der Cornell University bestätigte, dass bei einer hohen Besatzdichte die Sterblichkeit steigt. Während eines Zeitraums von weniger als einem Jahr lag die Sterblichkeit von Legehennen, die zu dritt in 30x45 cm großen Käfigen untergebracht waren, bei 9,6 Prozent; wenn der gleiche Käfig mit vier Vögeln besetzt war, stieg die Sterblichkeit auf 16,4 Prozent, und bei einem Besatz mit fünfVögeln starben 23 Prozent. Trotzdem empfahlen die Forscher, dass »im Normalfall vier Leghornhennen in einem

30x45 cm großen Käfig untergebracht werden sollten«, da so insgesamt mehr Eier produziert werden könnten und i i'otz der höheren Kosten durch den Verlust von Hühnern - die Forscher bezeichneten dies als »Hühner-Abschreibung« - immer noch ein höherer Gewinn auf den Kapitalund Arbeitseinsatz entstehe.60 Der Bericht schloss damit, dass bei hohen Eierpreisen »fünf Legehennen pro Käfig noch mehr Gewinn bringen«. Diese Situation entspricht dem, was uns schon bei den Masthähnchen demonstriert wurde, und belegt wiederum, dass industrielle Tierproduzenten größere Gewinne erzielen können, indem sie ihre Tiere noch enger zusammenpferchen, selbst wenn dann eine größere Zahl von Tieren aufgrund dieser Bedingungen siirbt. Da Eierlegen eine körperliche Funktion ist (wie der Eisprung bei Frauen)! legen Hennen auch dann noch Eier, wenn sie unter Bedingungen gehalten werden, die allen ihren Verhaltensbedürfnissen zuwiderlaufen.

So leben und sterben die Hennen, die unsere Eier produzieren. Vielleicht haben diejenigen unter ihnen, die früh sterben, das bessere Los gezogen, denn ihren widerstandsfähigeren Kameradinnen stehen lediglich einige weitere Monate quälenden Zusammengepferchtseins bevor. Sie legen Eier, bis ihre Produktivität nachlässt, und dann werden sie ins Schlachthaus gebracht und zu Hühnerpasteten und Suppen verarbeitet, das Einzige, wofür sie dann noch verwendbar sind.

Es gibt nur eine einzige Alternative zu diesem Ablauf der Dinge, und die ist nicht erfreulich.

Beginnt die Eierproduktion zu sinken, so ist es möglich, durch das Verfahren der sogenannten »Zwangsmauser« die reproduktiven Kräfte der Hennen nochmals aufleben zu lassen. Das Ziel dieser Zwangsmauser besteht darin, die Henne diejenigen physiologischen Prozesse durchlaufen zu lassen, die unter natürlichen Bedingungen mit dem jahreszeitlichen Verlieren der alten und dem Nachwachsen neuer Federn verbunden sind. Unabhängig davon, ob die Mauser natürlich oder künstlich hervorgerufen wird, legen die Hennen danach mehr Eier. Damit eine Henne, deren Umgebung künstlich reguliert wird und die keine jahreszeitlichen Temperaturschwankungen oder unterschiedlichen Tageslängen kennt, sich mausert, muss man ihrem Organismus einen beträchtlichen Schock versetzen. Normalerweise sieht das so aus, dass den Hennen, die bis dahin so viel Futter und Wasser erhielten, wie sie wollten, die Futter- und Wasserzufuhr unvermittelt abgeschnitten wird. Eine Broschüre des britischen Landwirtschaftsministeriums zum Beispiel empfahl noch vor gar nicht so langer Zeit für den zweiten Tag der Zwangsmauser: Kein Futter, Licht oder Wasser. Stellen Sie sicher, dass die Futterbehälter wirklich leer sind, entfernen Sie sämtliche Reste, sammeln Sie die Eier ein, drehen Sie dann das Wasser und das Licht ab, und belassen Sie die Vögel während der folgenden 24 Stunden in dieser Situation.61 Das übliche Vorgehen sieht dann so aus, dass nach zwei Tagen wieder Wasser aufgefüllt wird und Futter nach einem weiteren Tag. Im Lauf der darauffolgenden zwei Wochen wird das Licht wieder auf die normale Helligkeit eingestellt, und die Hennen, die überlebt haben - einige überstehen diesen Schock nicht —, könnten dann hinreichend produktiv sein, dass es sich lohnt, sie nochmals etwa sechs Monate zu behalten. Auf Druck von Tierschutzgruppen hin wurde diese Methode der Zwangsmauser in Großbritannien 1987 gesetzlich verboten, und Hennen müssen täglich Wasser und Futter erhalten. In den Vereinigten Staaten ist dieses Vorgehen aber noch völlig legal. Allerdings halten viele Besitzer von Hühnerfarmen das Ganze für nicht der Mühe wert. Legehennen sind billig, und deshalb kaufen die Eierproduzenten lieber neue Hühner, sobald die alten den Höhepunkt der Produktivität überschritten haben.

Bis zuletzt lassen die Eierproduzenten ihre Haltung gegenüber den Vögeln, die für sie so viele Eier gelegt haben, nicht von Gefühlen beeinflussen. Ganz anders als der Mörder, der vor Vollstreckung des Urteils eine Henkersmahlzeit erhält, bekommen die verurteilten Hennen möglicherweise überhaupt kein Futter. »Nehmen Sie den verbrauchten Hennen das Futter weg« rät eine Überschrift in Poultry Tribüne, und der dazugehörige Artikel erklärt den Haltern, dass die Fütterung der Hühner in den letzten dreißig Stunden vor dem Schlachten Verschwendung ist, weil die Verarbeitungsbetriebe für das im Verdauungstrakt befindliche Futter nicht mehr bezahlen.62 Das Schwein ist zweifellos das intelligenteste der Tiere, die üblicherweise in der westlichen Welt gegessen werden. Die natürliche Intelligenz eines Schweins ist vergleichbar mit der eines Hundes

und vielleicht noch größer; es ist möglich, Schweine als Begleiter von Menschen aufzuziehen und ihnen wie Hunden beizubringen, auf einfache Befehle zu reagieren.

George Orwells Entscheidung, den Schweinen in Die Farm der Tiere eine verantwortliche Stellung zukommen zu lassen, war wissenschaftlich wie auch literarisch begründbar.

Wir müssen die große Intelligenz der Schweine im Auge behalten, wenn wir uns der Frage zuwenden, ob die Bedingungen, unter denen sie gehalten werden, zufriedenstellend sind. Zwar sollte jedem empfindenden "Wesen unabhängig von seiner Intelligenz die gleiche Berücksichtigung zukommen, aber andererseits haben Tiere mit unterschiedlichen I Fähigkeiten auch unterschiedliche Bedürfnisse. Allen gemeinsam ist das Bedürfnis nach körperlichem Wohlbefinden. Wir haben gesehen, dass dieses elementare Erfordernis Hühnern verweigert wird, und wir werden sehen, dass es auch Schweinen verweigert wird. Über das körperliche Wohlbefinden hinaus braucht ein Huhn das strukturierte soziale Gefiige eines normalen Hühnervolkes; gleich nach dem Schlüpfen fehlt ihm vielleicht auch die Wärme und das beruhigende Glucksen der Henne, und die Forschung hat Beweise dafür erbracht, dass sogar ein Huhn unter simpler Langeweile leiden kann.63 In welchem Ausmaß das nun auch immer bei Hühnern der Fall sein mag, es trifft ganz sicher, und in größerem Ausmaß, auf Schweine zu. Forscher von der Universität Edinburgh untersuchten das Verhalten von kommerziell gehaltenen Schweinen, nachdem sie in eine naturnahe Umgebung entlassen worden waren, und stellten bei ihnen übereinstimmende Verhaltensmuster fest: sie bilden stabile soziale Gruppen, sie bauen gemeinsam Ruheplätze, sie benutzen Kotplätze in angemessener Entfernung vom Ruheplatz, sie sind aktiv und verbringen einen großen Teil des Tages damit, im Randbereich der Waldungen zu wühlen. Wenn eine Sau Junge erwartet, verlässt sie den gemeinsamen Ruheplatz, gräbt in passender Lage eine Mulde, polstert sie mit Gras und Zweigen und baut sich so ein eigenes Nest. Dort bringt sie ihre Jungen zur Welt und bleibt etwa neun Tage mit ihnen in diesem Nest, bevor sie mit den Ferkeln zur Gruppe zurückkehrt.64 Wir werden sehen, dass die Haltung in Tierfabriken es den Schweinen unmöglich macht, diesen instinktiven Verhaltensmustern zu folgen.

Schweine in modernen Tierfabriken haben nichts anderes zu tun als essen, schlafen, aufstehen und sich wieder hinlegen. Normalerweise haben sie kein Stroh oder eine andere Einstreu, weil dies die Reinigung erschwert. Bei dieser Haltung bleibt den Schweinen kaum etwas anderes übrig, als Gewicht zu gewinnen, aber sie langweilen sich und sind unzufrieden. Gelegentlich bemerken Schweinehalter, dass ihre Tiere Anregungen mögen. Ein britischer Bauer schrieb an Farmers Weekly und schilderte, wie er Schweine in einem verlassenen Bauernhaus untergebracht hatte und dabei feststellte, dass sie im ganzen Haus spielten und sich gegenseitig die Treppen hinauf und hinab jagten. Er folgerte: ... dass unser Vieh eine abwechslungsreiche Umgebung braucht und dass man den Tieren Vorrichtungen verschiedener Art, Gestalt und Größe zur Unterhaltung bieten sollte. Denn genau wie menschliche Wesen haben sie ein eintöniges Dasein und Langeweile nicht gern.65 Diese Beobachtung des gesunden Menschenverstands wurde jetzt durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt. Eine französische Untersuchung hat gezeigt, dass bei unter Entbehrungen leidenden oder frustrierten Schweinen die Kortikosteroide (Stresshormone) im Blut abnehmen, wenn man ihnen Lederriemen oder Ketten gibt, an denen sie knabbern und zerren können.66 Britische Forschungen haben gezeigt, dass in eintöniger Umgebung gehaltene Schweine so gelangweilt sind, dass sie, gibt man ihnen einen Trog mit Futter und einen mit Erde gefüllten Trog, zuerst einmal in der Erde herumwühlen und erst dann fressen.67 Wie Hühner sind auch Schweine anfällig für »Untugenden«, wenn sie in einer reizlosen Umgebung leben und zu eng zusammengepfercht werden. An die Stelle des Federpickens und des Kannibalismus tritt bei Schweinen die Eigenart, sich gegenseitig die Schwänze abzubeißen. Das führt zu Kämpfen im Schweinekoben und damit auch zu einer geringeren Gewichtszunahme. Da

Schweine keine Schnäbel haben, können die Halter ihnen diese auch nicht abschneiden, um das Beißen zu verhindern. Sie haben aber einen anderen Weg gefunden, um die Symptome zu beseitigen, ohne die Bedingungen zu verändern, die diese ganzen Probleme erst hervorrufen: sie schneiden den Schweinen den Schwanz ab. Das US-Landwirtschaftsministerium stellte fest: Das Stutzen der Schwänze ist zu einer verbreiteten Praxis geworden, um bei eingesperrten Schweinen das Schwanzbeißen zu verhindern. Es sollte von allen Produzenten von Mastschweinen durchgeführt werden. Man sollte den Schwanz etwa 1 cm vom Körper entfernt mit einer Kupierzange oder einem anderen stumpfen Instrument abschneiden. Die damit verbundene Quetschung hilft, die Blutung zu stoppen. Einige Produzenten benutzen zum Beschneiden der Schwänze Lötzangen, die auch beim Kappen der Hühnerschnäbel verwendet werden; so wird gleich die Schnittwunde ausgebrannt.68 Diese Empfehlung ist in zweifacher Hinsicht schändlich. Warum das so ist, möchte ich aber erst erklären, nachdem ich die aufrichtige Meinung eines Schweineproduzenten über das Schwanzstutzen zitiert habe: Sie hassen es! Die Schweine hassen es einfach! Und ich nehme an, dass das Stutzen der Schwänze gar nicht notwendig wäre, wenn wir ihnen genug Platz geben würden. Denn dann werden sie nicht so verrückt und böse. Wenn sie genügend Raum haben, sind sie eigentlich recht nette Tiere. Aber wir können es uns nicht leisten. Diese Gebäude kosten viel Geld.69 Außer einem besseren Platzangebot schlägt ein führender Forscher für landwirtschaftlich genutzte Tiere noch ein anderes Heilmittel vor: Wahrscheinlich liegt die Ursache darin ..., dass Schweine ein arttypisches Verhalten auf ungewöhnliche Weise umsetzen, weil kein geeignetes Objekt verfügbar ist. Werden die Unterbringungsplätze mit Stroh ausgestreut, so tritt das Schwanzbeißen seltener auf, und das hängt wahrscheinlich, jedenfalls zum Teil, mit der »entspannenden« Wirkung der Bodenstreu zusammen.70 letzt wird deutlich, warum die kalten Empfehlungen des US-Landwirt- sdiaftsministeriums so schändlich sind. Erstens wird keine Empfehlung ausgesprochen, Schweinen, denen der Schwanz gestutzt wird, Schmerz- < >der Betäubungsmittel zu geben. Zweitens wird die Tatsache nicht erwähnt, dass die Notwendigkeit des Schwanzstutzens ein Hinweis darauf ist, dass die Schweine zu eng zusammengepfercht sind und ihnen Stroh oder irgendetwas anderes Ablenkendes fehlt. Das Problem besteht offenbar darin, dass gelangweilte Schweine an jedem geeigneten Gegenstand herumkauen, und wenn das Kauen am Schwanz eines anderen Schweines zu einer blutenden Verletzung führt, werden manche Schweine von dem Blut angezogen und dazu verleitet, schließlich richtig zu beißen.71 Es ist aber für die der modernen Tierproduktion zugrundeliegende Einstellung absolut bezeichnend, dass sowohl das Landwirtschaftsministerium als auch die Schweinezüchter vorschlagen, die Tiere zu verstümmeln, anstatt ihnen die Lebensbedingungen zu gewähren, die sie brauchen.

Eingesperrte Schweine leiden unter Stress, und viele Schweine sterben daran. Da bei der Schweinehaltung das einzelne Tier einen größeren Anteil am Gesamtgewinn hat als bei der Hühnerhaltung, muss der Halter dieses Problem ernster nehmen als der Geflügelproduzent. Bezeichnet wird dieser Zustand als »Schweine-Stresssyndrom« [porcine stress Syndrom (PSS)], und eine Landwirtschaftszeitschrift nannte als Symptome »extremer Stress ... Starrheit, fleckige Haut, Keuchen, Ängstlichkeit und oft plötzlicher Tod.«72 Das Phänomen ist den Schweineproduzenten aus einem Grund ein besonderes Ärgernis, auf den auch der Artikel

hinweist: »Es tut weh, dass man Schlachtschweine gerade dann durch PSS verliert, wenn sie sich dem Verkaufsgewicht nähern und die ganzen Kosten für das Futter bereits investiert sind.« Es gibt auch klare Hinweise, dass das Schweine-Stresssyndrom sehr viel häufiger auftritt, seit in der Schweinezucht die Intensivhaltung weiter verbreitet ist.73 So gehaltene Schweine sind derart empfindlich, dass jede beliebige Störung zu den genannten Symptomen führen kann, ob das nun fremde Geräusche sind, plötzliches helles Licht oder der Hund des Schweinehalters. Dennoch wäre

höchstwahrscheinlich die Reaktion auf den Vorschlag, den Streß durch Abschaffung der Intensivhaltung zu verringern, heute die gleiche wie vor einigen Jahren. Damals, als die Intensivhaltung noch ziemlich neu war und man gerade erst anfing, die durch Stress verursachten Todesfälle zu bemerken, war in Farmer and Stockbreeder zu lesen: Diese Todesfälle machen den zusätzlichen Verdienst, den man infolge des höheren Gesamtertrags erzielt, keineswegs zunichte.74 Anders als in der Schlachtgeflügel- und Eierindustrie ist in der Schweineindustrie die Intensivhaltung noch nicht allgemein üblich. Der Trend geht allerdings in diese Richtung. Ein Überblick der University of Missouri zeigte, dass 54 Prozent der mittelständischen Produzenten und 63 Prozent der Großproduzenten bereits 1979 vollständig auf Intensivhaltung umgestellt hatten.75 Der Industriezweig wird zunehmend von Großproduzenten beherrscht. William Haw, der Präsident von National Farms, Inc., sagte 1987: »Innerhalb von zehn Jahren wird das Geschäft mit Schlachtschweinen genauso aussehen wie heute die Schlachtgeflügelindustrie, mit weniger als hundert Produzenten, die überhaupt von Bedeutung sind.«76 Es ist immer die gleiche Geschichte: Große Betriebe, die jeweils zwischen 50000 und 300 000 Schweine pro Jahr »fabrizieren«, verdrängen die kleinen Familienbetriebe vom Markt. Tyson Foods, der größte Geflügelproduzent der Welt, schlachtet wöchentlich 8,5 Millionen Vögel und ist jetzt auch in das Geschäft mit Schweinen eingestiegen. Die Gesellschaft betreibt 69 Ferkel- und Mastbetriebe und schickt jährlich mehr als 600 000 Schweine in die Schlachthäuser.77 So verbringen jetzt die meisten Schweine ihr ganzes Leben innerhalb von Gebäuden. Sie werden in einer Ferkelstation geboren und gesäugt, gleich darauf in eine Aufzuchtstation und anschließend bis zum Erreichen des Schlachtgewichts in eine Maststation gebracht. Sind sie nicht als Zuchttiere vorgesehen, kommen sie im Alter von fünf bis sechs Monaten und mit einem Gewicht von etwa 100 kg auf den Markt.

Ein Hauptgrund für den Wechsel zur Intensivhaltung war der Wunsch nach Senkung der Arbeitskosten. Es heißt, dass dank automatischer Fütterung und Spaltböden, durch die der Dung hindurchfällt und somit leicht entfernt werden kann, eine einzige Person genügt, um den ganzen Mastvorgang zu betreuen. Eine weitere Einsparung entsteht bei diesem wie bei allen anderen Intensivhaltungssystemen dadurch, dass das Tier weniger Platz und somit weniger Bewegungsfreiheit hat. Es verbrennt so weniger Futter für »nutzlose« Bewegung, und deshalb ist zu erwarten, dass jedes gefressene Pfund Futter mehr Gewicht bringt. Ein Schweineproduzent beschrieb das Ziel all dessen so: »Letzten Endes versuchen wir, die Umgebung des Tieres zugunsten eines maximalen Gewinns zu verändern.«78 Neben Stress, Langeweile und zu großer Besatzdichte verursacht die moderne Intensivhaltung den Schweinen physische Probleme. Dabei spielt einmal die Qualität der Luft eine Rolle. Ich zitiere den Herdenbetreuer der Lehman Farm in Strawn, Illinois: Das Ammoniak frisst die Lungen der Tiere förmlich auf... Die schlechte Luft ist ein Problem. Wenn ich eine Weile hier drinnen gearbeitet habe, merke ich es selbst in der Lunge. Ich komme aber wenigstens am Abend hier raus. Die Schweine nicht, wir müssen ihnen ständig Tetrazykline geben, das hilft wirklich, das Problem in den Griff zu bekommen.79 Das ist aber keineswegs ein Betrieb mit einer besonders schlechten Schweinehaltung. Ein Jahr vor dieser Äußerung war der Firma Lehman vom Nationalen Vorstand der Schweineproduzenten ein Ehrentitel verliehen worden. Die Böden der Intensivhaltungseinrichtungen führen bei den Schweinen zu weiteren physischen Problemen. Sie sind so konstruiert, dass sie pflegeleicht sind und unangenehme Arbeiten wie die Beseitigung des Dungs weitgehend vermieden werden können; das Wohlergehen der Tiere spielt dabei keine Rolle. In den meisten Einrichtungen bestehen die Fußböden aus Latten (Spaltböden) oder aus Beton. Keine dieser beiden Möglichkeiten ist zufriedenstellend, beide verursachen an den Füßen und Beinen der Schweine Schäden.

Untersuchungen haben außerordentlich hohe Anteile von Fußschäden aufgezeigt, aber eine Er-

örterung der Spaltböden durch den Herausgeber von Farmer and Stock- breeder bestätigte klar die Einstellung der Produzenten zu dieser Problematik: Beim heutigen Stand unseres Wissens sagt uns der gesunde Menschenverstand, dass für Vieh, das zum Verbrauch bestimmt ist, der Lattenrost-boden mehr Vorzüge als Nachteile zu besitzen scheint. Meist wird das Tier geschlachtet, ehe schwere körperliche Missbildung auftritt. Zuchtvieh dagegen, das ein langes, >arbeitsreiches< Dasein vor sich hat, muss wachsen und gute Beine behalten; die Gefahr einer Schädigung durch das Stehen in dichterem Bestand, wie er auf Lattenrosten gehalten werden kann, scheint hier alle Vorteile aufzuwiegen. 80

Ein amerikanischer Erzeuger sagte es schließlich ohne Umschweife: Wir werden hier nicht dafür bezahlt, dass wir Tiere mit einer guten Körperhaltung produzieren. Wir werden nach Gewicht bezahlt.81 Der Umstand, dass die Tiere im Normalfall geschlachtet werden, bevor es zu ernsten Deformationen kommt, hält zwar den finanziellen Verlust für den Erzeuger gering; dies ist aber kaum ein Trost für die Tiere, die ständig auf einem ungeeigneten Boden stehen und sich Deformationen an Füßen und Beinen zuziehen, die ernste Formen annähmen, wenn die Schweine nicht bereits sehr jung geschlachtet würden. Die Lösung besteht natürlich darin, die Tiere nicht auf nackten Betonböden zu halten. Ein britischer Bauer tat genau das und brachte seine dreihundert Säue in Freigehegen mit Stroh und Schutzbehausungen unter. Er berichtete: Als unsere trächtigen Säue noch miteinander auf engem Raum untergebracht waren, hatten wir aufgrund von Schürfwunden, Darmverschlingungen, Lahmheit, Entzündungen und Hüftproblemen beträchtliche Verluste ... Wir können nachweisen, dass wir in der Gruppe [im Freigehege] nur wenige lahme Säue und kaum Verletzungen haben, die auf Kämpfe zurückzuführen sind.82 Nur wenigen Schweinen wird der Luxus von Gehegen mit Bodenstreu zuteil, und der allgemeine Trend geht noch immer in die falsche Richtung. Wiederum dem Vorbild der Geflügelindustrie folgend haben Schweinezüchter in Holland, Belgien und England angefangen, Ferkel in Käfigen aufzuziehen. Amerikanische Erzeuger versuchen es jetzt ebenfalls. Abgesehen von dem üblichen Streben nach schnellerem Gewinn bei weniger Futter und zarterem Fleisch aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit besteht der wichtigste Vorteil der Käfige darin, dass die Ferkel früher entwöhnt werden können. Das bedeutet, dass bei der Sau die Milchproduktion aufhört und sie innerhalb weniger Tage wieder empfängnisbereit ist. Sie wird dann erneut geschwängert, entweder durch einen Eber oder mit künstlicher Befruchtung. Als Folge der frühen Entwöhnung der Ferkel kann eine Sau durchschnittlich 2,6 Würfe pro Jahr produzieren und nicht nur höchstens zwei wie bei der natürlichen Säugezeit von drei Monaten.83 Die meisten Schweineaufzuchtbetriebe lassen die Ferkel mindestens eine Woche bei ihren Müttern, bevor sie in Käfige umgesetzt werden; doch Dr. J. Frank Hurnick, ein kanadischer Landwirtschaftsforscher, erfand vor einiger Zeit eine mechanische Sau. Ein Bericht vermerkt, »Hurnicks Erfolg erlaubt es, in der Intensivzucht die Anstrengungen jetzt auf die Vergrößerung der Würfe zu richten. Bislang war die maximale Größe eines Wurfs immer durch die Säugekapazität der Sau begrenzt.«84 Mechanische Säugevorrichtungen können mit anderen neuen Techniken wie der Superovulation kombiniert werden, mit der die Zahl der von der Sau produzierten befruchtungsfähigen Eizellen erhöht wird. Forscher sehen bereits vollautomatisierte Systeme zur Schweineproduk- tion voraus, bei denen jede Sau anstelle der im Durchschnitt bislang üblichen 16 nicht weniger als 45 Ferkel pro Jahr produzieren wird.

Diese Entwicklung ist in zweierlei Hinsicht alarmierend. Zunächst einmal muss gefragt werden, welche Wirkung es auf die Ferkel hat, wenn sie ihrer Mütter beraubt und in Drahtkäfigen eingesperrt werden. Bei Säugetieren ist die frühe Trennung von Mutter und Kind für beide mit Leid verbunden. Hinsichtlich der Käfige selbst ist anzumerken, dass jeder normale Bürger, der Hunde lebenslang unter vergleichbaren Bedingungen halten würde, eine Verurteilung wegen Tierquälerei riskieren würde. Ein Schweineproduzent, der ein ähnlich intelligentes Tier so hält, hat aber gute Aussichten, noch mit einer Steuerermäßigung belohnt zu werden und in einigen Ländern sogar mit

direkten staatlichen Subventionen.

Der zweite besorgniserregende Aspekt an diesen neuen Methoden ist darin zu sehen, dass die Sau zu einer lebenden Fortpflanzungsmaschine gemacht wird. »Man sollte die Zuchtsau als eine wertvolle Maschine verstehen und behandeln, deren Aufgabe es ist, wie eine Wurstmaschine kleine Ferkel auszustoßen.«85 Das sagte ein Mitglied der Geschäftslei- lung von Walls Meat Company, und das amerikanische Landwirtschaftsministerium ermutigt die Produzenten auch noch zu einer solchen Sichtweise: »Wird die Sau als Ferkelherstellungsgerät aufgefasst, so kann durch eine verbesserte Handhabung des Ferkeins und der Entwöhnung eine höhere Jahresproduktion entwöhnter Ferkel pro Sau erzielt werden.«86 Selbst unter den besten Bedingungen birgt ein Leben kaum Schönes, das nur daraus besteht, schwanger zu sein, zu gebären, die Babys weggenommen zu bekommen und wieder schwanger zu werden, so dass der Kreis von neuem beginnen kann - und Säue leben nicht unter den besten Bedingungen. Sowohl während der Schwangerschaft als auch bei der Geburt werden sie unter sehr beengten Bedingungen gehalten. Solange sie schwanger sind, werden sie normalerweise in 60 cm breiten und 180 cm langen Einzelboxen mit Metallgittern eingesperrt, das heißt in Boxen, die kaum größer sind als die Säue selbst. Oder sie werden am Hals angekettet, oder aber sie werden in Einzelställe gesperrt und zusätzlich noch angekettet. So leben sie dann zwei oder drei Monate lang. Während dieser ganzen Zeit können sie sich lediglich einen Schritt nach vorne oder hinten bewegen, sie können sich nicht umdrehen oder in irgendeiner anderen Weise betätigen. Wieder einmal sind Einsparungen an Futter und Arbeit der Grund für diese brutale Form der Einzelhaft.

Zum Gebären wird die Sau verlegt - in eine »Ferkelbucht«. (Menschen gebären, aber Schweine »ferkeln«.) Hier ist die Sau in ihrer Bewegungsfreiheit womöglich noch mehr eingeengt als zuvor in ihrer Box. In vielen Ländern wird eine aus einem Metallrahmen bestehende Vorrichtung benutzt, die man scherzhaft als »eiserne Jungfrau« bezeichnet und die die Sau daran hindert, sich frei zu bewegen. Angeblich soll diese Vorrichtung verhindern, dass die Sau sich auf die Ferkel wälzt und sie zerquetscht, aber das wäre auch erreichbar, indem man ihr eine natürlichere Umgebung zugestehen würde.

Dadurch, dass die Säue sowohl während der Schwangerschaft als auch während des Säugens — und auch, wenn sie dieser Möglichkeit beraubt sind — eingesperrt werden, haben sie ihr ganzes Leben lang so gut wie keine Bewegungsfreiheit. Bei der Intensivhaltung befindet sich die Sau in einer eintönigen Umgebung und hat kaum Möglichkeiten, diese zu verändern oder selbst zu wählen. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium gesteht ein, dass »die in einem Verschlag gehaltene Sau ihrem starken Instinkt zum Bau eines Nests nicht folgen« kann und dass diese Frustration zu Schwierigkeiten beim Gebären und bei der Milchproduktion führen kann.87 Die Säue selbst zeigen unmissverständlich, was sie von dieser Art der Gefangenschaft halten. An der Universität von Wageningen in den Niederlanden promovierte G. Cronin mit einer Untersuchung über das Verhalten von Säuen in der Intensivhaltung. Er beschreibt die Reaktion von Säuen, die zum ersten Mal im Stall angekettet werden, wie folgt: Die Säue warfen sich mit aller Kraft nach hinten und zerrten an der Kette. Sie warfen den Kopf hin und her und drehten und wanden sich, um sich zu befreien. Oft stießen sie laute Schreie aus, und es kam vor, dass Tiere sich mit ihrem ganzen Körper gegen die Seitenwände der Boxen warfen.

Manchmal endete das damit, dass die Säue auf dem Boden zusammenbrachen.88 Diese massiven Fluchtversuche können bis zu drei Stunden dauern. Haben die Säue aufgegeben, berichtet Cronin, so bleiben sie erst einmal lange ruhig liegen, oft schieben sie dabei die Schnauze zwischen die Giitterstäbe und geben gelegentlich leise grunzende und winselnde Laute von sich.

Nach einer weiteren Zeitspanne zeigen die Säue andere Zei- chen von Stress, sie beißen zum Beispiel auf den Gitterstäben herum, machen Kaubewegungen, obwohl sie gar nichts zu kauen haben, schaukeln den Kopf hin und her und anderes mehr. Solche Phänomene werden als stereotypes Verhalten bezeichnet. Wer jemals in einem Zoo gewesen ist, in dem Löwen, Tiger oder

Bären in eintönigen, betonierten Anlagen gehalten werden, kennt dieses stereotype Verhalten unablässig laufen die Tiere hinter den Einzäunungen ihrer Gefängnisse auf und ab. Eine Sau hat noch nicht einmal diese Möglichkeit. Wir haben bereits gesehen, dass eine Sau in ihrer natürlichen Umgebung ein sehr aktives Tier ist, das mehrere Stunden täglich damit zubringt, Futter zu suchen, zu essen und die Umgebung zu erkunden. Jetzt ist, wie es ein Tierarzt formulierte, das Herumbeißen auf den Gitterstäben ihres Stalls »eine der wenigen physischen Ausdrucksmöglichkeiten, die ihr diese öde Umgebung bietet«.89 1986 veröffentlichte die Scottish Farm Buildings Investigation Unit, eine staatlich unterstützte Forschungseinrichtung, einen Bericht über wissenschaftlich belegte Hinweise zur Beantwortung der Frage: »Leiden Säue unter dem Eingesperrtsein auf kleinem Raum?« Nach Diskussion von mehr als zwanzig verschiedenen Studien verglich der Bericht das stereotype Verhalten von Säuen mit zwanghaften Verhaltensweisen wie et wa ständigem Händewaschen oder -ringen bei neurotischen Menschen. Die Antwort auf die gestellte Frage war eindeutig: »Die Einsperrung auf kleinem Raum verursacht bei Säuen schweres Leiden.«90 Der britische Tierschutzrat für landwirtschaftlich genutzte Tiere, eine offizielle Einrichtung zur Beratung der britischen Regierung, gelangte 1988 zu der gleichen Schlussfolgerung, nur in offizieller Sprache: Sowohl Einzelboxen wie Ankettungsvorrichtungen erfüllen bestimmte, für das Wohlbefinden der Tiere notwendige Bedingungen nicht, denen wir besondere Bedeutung zumessen. Die Art ihrer Konstruktion bringt es mit sich, dass die in ihnen untergebrachten Tiere sich in keiner Weise betätigen können und die meisten natürlichen Verhaltensformen unterdrückt werden; bei der ganzen Vielfalt von Unterbringungssystemen, die unsere Mitglieder begutachtet haben, gab es kaum Spielraum, um den ständigen Stress zu reduzieren, der durch die Gefangenschaft in solchen Systemen hervorgerufen werden kann. ... Wir empfehlen ... der Regierung, mit besonderer Dringlichkeit eine Gesetzgebung zu veranlassen, die die Neueinrichtung derartiger Haltungssysteme verhindert.91 Die einzige Gelegenheit, bei der sich die Sau für kurze Zeit in einem etwas größeren Pferch aufhalten kann, ist das Zusammentreffen mit dem Eber — und selbst das spielt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem geschlossenen Raum ab. Mindestens zehn Monate eines Jahres hat eine schwangere und säugende Sau keine Möglichkeit herumzulaufen. Ein verstärkter Einsatz der künstlichen Befruchtung nimmt dem sensiblen Tier nicht nur die letzte Möglichkeit, sich zu bewegen, sondern beraubt die Sau, abgesehen von der flüchtigen Begegnung mit ihrem Nachwuchs, auch noch des letzten natürlichen Kontakts, den sie mit einem Mitglied ihrer eigenen Spezies hat.

Nach mehr als zwanzig Jahren Intensivhaltung von Säuen erschien 1988 eine wichtige Untersuchung, die belegte, dass diese unglücklichen eingesperrten Zuchtsauen und Zuchteber noch unter einem weiteren Umstand leiden: sie haben ständig Hunger. Tiere, die für den Markt gemästet werden, bekommen so viel Futter, wie sie nur aufnehmen können; aber aus der Sicht des Produzenten wäre es reine Geldverschwendung, Zuchttieren mehr Futter zu geben, als sie für die Aufrechterhaltung der Fortpflanzungstätigkeit unbedingt brauchen. Die Untersuchung zeigte, dass Schweine, die gemäß den Empfehlungen des britischen Agricultural Research Council gefüttert wurden, lediglich 60 Prozent der Futtermenge erhalten, die sie essen würden, wenn sie mehr Futter zur Verfügung hätten. Darüber hinaus nutzten die Schweine nach der Verfütterung der vorgesehenen Tagesration die Möglichkeit, durch Drücken eines Hebels zusätzliches Futter zu erhalten, fast genauso häufig wie zuvor. Das zeigt, dass sie unmittelbar nach der Fütterung immer noch hungrig waren. Die Wissenschaftler folgerten: Die kommerziellen Fütterungsstandards für trächtige Sauen und für Eber entsprechen zwar den Wünschen des Produzenten, befriedigen aber nicht die Nahrungsbedürfnisse der Tiere. Häufig wird angenommen, dass kein hoher Produktivitätsstandard erreicht werden kann, wenn sich die Tiere nicht wohlfühlen. Der aus diesen geringen Futtermengen resultierende Hunger kann bei den Zuchtschweinen erheblichen Stress hervorrufen.92 Wieder einmal vertragen sich der Gewinn des Produzenten und die Interessen der Tiere nicht

miteinander. Es ist wirklich erstaunlich, wie oft das nachweisbar ist - und gleichzeitig versichert uns die Lobby des Agrarbusiness unablässig, dass nur glückliche, gut versorgte Tiere produktiv sein könnten.

Von allen zur Zeit üblichen Formen der intensiven Tierhaltung ist die Kalbfleischindustrie die moralisch widerwärtigste. Im Wesentlichen geht es bei der Kälberzucht darum, eingesperrte, anämische Kälber mit eiweißreichem Futter so zu ernähren, dass sie ein zartes, helles Fleisch enwickeln, das dann den Gästen in teuren Restaurants serviert wird. (Glücklicherweise ist dieser Industriezweig lange nicht so groß wie der I ür Geflügel, Rinder oder Schweine. Dennoch verdient er unsere Aufmerksamkeit, denn er bildet sowohl ein Extrem hinsichtlich des Grades der Ausbeutung der Tiere als auch hinsichtlich der absurden Ineffizienz als Methode zur Nahrungserzeugung für Menschen.

Ursprünglich bezog sich die Bezeichnung »Kalbfleisch« nur auf das fleisch von jungen Kälbern, die noch vor der Entwöhnung von der Muttermilch getötet wurden. Das Fleisch solcher Milchkälber war zarter und heller als das Fleisch von Kälbern, die bereits begonnen hatten, Gras zu fressen. Das Fleisch von Milchkälbern war allerdings rar, denn die Kälber fangen bereits an, Gras zu fressen, wenn sie ein paar Wochen alt und noch sehr klein sind. Die ldeine Menge Kalbfleisch, die auf den Markt kam, stammte von männlichen Kälbern, mit denen man bei der Milchproduktion nichts anfangen konnte. Einen oder zwei Tage nach der Geburt wurden sie zum Markt transportiert und so wie sie waren, hungrig und verängstigt durch die fremde Umgebung und die Trennung von der Mutter, direkt an den Schlachter verkauft.

Dann fanden in den 50er Jahren holländische Kalbfleischproduzenten eine Möglichkeit, das Kalb länger am Leben zu lassen und dennoch zu verhindern, dass das Fleisch rot oder weniger zart wurde. Der Trick besteht darin, das Kalb unter äußerst unnatürlichen Bedingungen zu halten.

Wuchsen die Kälber im Freien auf, tollten sie auf den Wiesen umher, bekamen dabei Muskeln, die das Fleisch zäh machten und verbrauchten Energie, die den Produzenten teures Futter kostete.

Zugleich fraßen sie Gras, und davon verlor das Fleisch die helle Farbe, die das Fleisch neugeborener Kälber aufweist. Also verfrachteten die auf die Produktion von Kalbfleisch spezialisierten Erzeuger die Kälber nach dem Erwerb bei der Auktion direkt in Maststationen. Hier, in einem umgebauten Schuppen oder in einem zu diesem Zweck errichteten Gebäude, befinden sich Reihen von Holzställen, jeder etwa 55 cm breit und 135 cm lang. Der Boden der Ställe besteht aus Holzlatten, die etwas erhöht über dem Betonfußboden des Schuppens angebracht sind. Solange die Kälber klein sind, werden sie mit einer um den Hals gelegten Kette festgebunden, um zu verhindern, dass sie sich im Stall umdrehen. (Später, wenn die Kälber zu groß geworden sind, um sich in diesem kleinen Stall noch umzudrehen, kann die Kette entfernt werden.) Der Stall enthält kein Stroh oder eine andere Bodenstreu, denn die Kälber könnten es essen und so die blasse Färbung ihres Fleisches verderben.

Sie verlassen ihren Stall erst, wenn sie zum Schlachten gebracht werden. Sie erhalten nur Flüssignahrung aus entfettetem Milchpulver mit Zusätzen von Vitaminen, Mineralien und wachstumsfördernden Medikamenten. So verbringen die Kälber sechzehn Wochen. Das Schöne an dieser Haltungsweise - jedenfalls aus der Sicht der Erzeuger - ist, dass das Kalb dann bis zu 180 kg wiegen kann statt der nur 40 kg eines neugeborenen Kalbs; da Kalbfleisch zudem Spitzenpreise erzielt, ist diese Form der Kälbermast eine lohnende Beschäftigung.

In den Vereinigten Staaten wurde diese Methode der Kälbermast 1962 von Provimi, Inc., einem Futterhersteller mit Sitz in Watertown, Wisconsin, eingeführt. Der Name der Firma leitet sich ab von den »Proteinen, Vitaminen und Mineralien«, aus denen die Futtermittel bestehen - Zutaten, für die es eigentlich eine bessere Verwendungsmöglichkeit geben sollte als die Kälbermast. Provimi rühmt sich, dieses »neue und vollständige Konzept der Kälberaufzucht« geschaffen zu haben, und ist mit einem Inlandsmarktanteil von 50 bis 75 Prozent noch immer die weitaus größte Firma in diesem Geschäft. Ihr Interesse an der Förderung der Kalbfleischproduktion ergibt sich aus dem Bestreben, einen Markt für die von der Firma hergestellten Futtermittel zu schaffen. In Provimis in-

zwischen eingegangenem Nachrichtenblatt The Stall Street Journal findet sich eine Beschreibung der »optimalen Kalbfleischproduktion«, die uns einen Einblick in das Wesen dieses Industriezweigs vermittelt, der seit seiner Entstehung in den Vereinigten Staaten und einigen europäischen Ländern nahezu unverändert geblieben ist.

Bei der Kalbfleischproduktion gibt es zwei Ziele. Erstens, in möglichst kurzer Zeit ein Kalb mit größtmöglichem Gewicht zu produzieren, und zweitens, möglichst weitgehend die helle Färbung des Fleisches zu erhalten, um den Erwartungen der Verbraucher zu entsprechen. Und das mit einem Gewinn, der im richtigen Verhältnis zum Risiko und den erforderlichen Investitionen steht.93 Die schmalen Ställe mit den Holzlattenböden sind für die Kälber äußerst unangenehm. Werden die Kälber größer, dann können sie sich nicht einmal problemlos hinlegen und aufstehen. Der Bericht einer Forschungsgruppe unter Leitung von Professor John Webster von der Abteilung für landwirtschaftliche Tierhaltung der tierärztlichen Fakultät der Universität Bristol in England vermerkte: Kälber in 750 mm breiten Verschlagen sind selbstverständlich nicht in der Lage, sich mit gestreckten Beinen flach hinzulegen ... Kälber legen sich gerne so hin, wenn ihnen warm ist und sie sich Abkühlung verschaffen möchten ... Kälbern kann es bei Temperaturen über 20 Grad Celsius unangenehm warm werden. Verwehrt man ihnen die Stellung, in der sie am besten Wärme abgeben können, so wird alles nur noch schlimmer ... Bei der Boxenhaltung konnten Tiere, die älter als zehn Wochen waren, ihre normale Schlafhaltung mit seitlich angeschmiegtem Kopf nicht einnehmen.

Nach unserem Urteil bedeutet es eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens, wenn es Kälbern verwehrt wird, ihre normale Schlafhaltung einzunehmen. Um dieses Problem zu lösen, müs- sten die Boxen mindestens 900 mm breit sein.94 Iis ist anzumerken, dass der tatsächlichen Boxenbreite in England von 750 mm bzw. der geforderten von 900 mm in Amerika eine Standardbreite von nur 550 mm gegenübersteht. Die Verschläge sind auch zu schmal, als dass das Kalb sich umdrehen könnte. Das verursacht weitere Frustration.

Darüber hinaus ist ein Stall, in dem sich ein Kalb nicht umdrehen kann, natürlich auch zu schmal, als dass es darin unbehindert die notwendige Körperpflege betreiben könnte. Kälber haben aber einen angeborenen Trieb, den Kopf nach hinten zu wenden und das Fell mit der Zunge in Ordnung zu halten. Die Forscher der University of Bristol sagten: Weil Mastkälber so schnell wachsen und so viel Wärme produzieren, kommt es im Alter von etwa zehn Wochen zu einem Fellwechsel. In dieser Zeit haben sie einen starken Drang, sich zu lecken.

Bei milder und feuchter Luft sind sie auch besonders anfällig für Hautparasiten. Kälber in Verschlägen können nur einen kleinen Teil ihres Körpers mit der Zunge erreichen. Wir betrachten es als nicht hinnehmbare Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Kalbs, dass diesem die Möglichkeit zu einer gründlichen Körperpflege verweigert wird, gleichgültig, ob dies durch Beschränkung der Bewegungsfreiheit oder, noch schlimmer, durch Anlegen eines Maulkorbs geschieht.95 Ein Holzlattenboden ohne jede Polsterung ist hart und unbequem, er führt beim Hinlegen oder Aufstehen an den Knien der Kälber zu Ab-Schürfungen. Außerdem fühlen sich Huftiere auf Lattenböden unwohl. Ein Fußboden aus Latten ist ähnlich wie ein Viehgitter, das die Tiere stets meiden, nur dass die Latten näher beieinander liegen. Die Zwischenräume müssen allerdings so groß sein, dass der Dung hindurchfallen oder durchgewaschen werden kann, und das bedeutet, dass sie groß genug sind, um den Kälbern Unbehagen zu bereiten. Die Gruppe aus Bristol vermerkte, dass die jungen Kälber »einige Tage lang unsicher waren und bei jeder Veränderung ihrer Stellung zögerten«.

Die jungen Kälber vermissen ihre Mütter schmerzlich. Sie vermissen auch die Möglichkeit, an etwas zu saugen. Bei jungen Kälbern ist der Saugdrang genauso stark wie bei einem menschlichen Säugling. Diese Kälber können nicht an Zitzen saugen, und sie bekommen auch keinerlei Ersatz dafür geboten. Vom ersten Tag ihrer Gefangenschaft an, und das ist vielleicht gerade ihr dritter oder vierter Lebenstag, trinken sie aus einem Plastikeimer. Es hat Versuche gegeben, Kälber über

künstliche Sauger zu ernähren, aber offensichtlich lohnt sich der Aufwand für das Sauber- und Sterilhalten der Sauger für die Produzenten nicht. Es ist ein allgemein beobachtbares Phänomen, dass Kälber wie wahnsinnig versuchen, an etwas in ihrem Stall zu saugen, obwohl es normalerweise nichts Geeignetes gibt; und wenn Sie einem Fleischkalb einen Finger hinhalten, werden Sie feststellen, dass es sofort anfängt, daran zu saugen, nicht anders als menschliche Babys am Daumen saugen.

Später entwickeln die Kälber ein Bedürfnis wiederzukäuen, das heißt, ein Bedürfnis danach, Raufutter zu sich zu nehmen, das sich hinterher wiederkäuen lässt. Raufutter ist aber absolut verboten, denn es enthält Eisen und würde das Fleisch dunkel werden lassen, und so unternimmt das Kalb wiederum vergebliche Versuche, die Seitenwände seines Stalls anzunagen.

Verdauungsprobleme, darunter auch Magengeschwüre, sind bei solchen Kälbern weit verbreitet, ebenso ständiger Durchfall. Ich zitiere nochmals die Forschungsgruppe aus Bristol: Den Kälbern wird trockenes Futter vorenthalten. Das bringt die normale Entwicklung des Pansens völlig durcheinander und führt zu einem verstärkten Entstehen von Haarballen, wodurch es zu chronischen Verdauungsstörungen kommen kann.96 Als ob das alles noch nicht genug wäre, werden die Kälber auch noch absichtlich anämisch gemacht. Provimis Stall Street Journal erldärt, warum: Die Farbe des Kalbfleisches ist einer der wichtigsten Faktoren für die Erzielung von Spitzenpreisen auf den Delikatessmärkten ... »Helles« Kalb-Heisch ist in besseren Klubs, Hotels und Restaurants besonders gefragt. Die »helle« oder rosa Farbe des Kalbfleisches hängt zum Teil mit dem Eisengehalt des Muskelgewebes des Kalbes zusammen.97 Also sorgt Provimi ebenso wie andere Hersteller dafür, dass seine Futtermittel wenig Eisen enthalten. Ein normales Kalb würde mit Gras und anderem Raufutter seinen Eisenbedarf decken; da diese Kälber dazu keine Möglichkeit haben, werden sie anämisch. Blasses, rosa Kalbfleisch ist tatsächlich blutarmes Fleisch. Die Nachfrage nach solchem hellen Heisch ist reine Extravaganz. Die Farbe des Fleisches hat weder Einfluss auf den Geschmack, noch verleiht sie dem Fleisch einen höheren Nährwert - sie bedeutet lediglich, dass das Fleisch einen niedrigen Eisengehalt hat.

Selbstverständlich wird der Grad der Anämie kontrolliert. Ohne jegliches Eisen würden die Kälber sterben. Bei normaler Eisenzufuhr würde ihr Fleisch keinen so hohen Preis erzielen. Die Eisenzufuhr muss also auf einem Niveau ausbalanciert werden, bei dem zwar das Fleisch blass bleibt, die Kälber aber - jedenfalls die meisten - lange genug durchhalten, um das Verkaufsgewicht zu erreichen. Die Kälber sind jedoch krank und anämisch. Aufgrund des absichtlich hervorgerufenen Eisenmangels entwickeln sie ein starkes Verlangen nach Eisen und lecken an allen Eisengegenständen ihrer Stallungen. So erklärt sich die Verwendung hölzerner Stallungen. Provimi teilt seinen Kunden mit: Der wichtigste Grund für die Verwendung von Stallungen aus Hartholz anstelle von Metall besteht darin, dass das Metall die helle Farbe des Fleisches beeinträchtigen könnte ... Sorgen Sie dafür, dass sich keine Eisengegenstände in Reichweite Ihrer Kälber befinden.98 Und weiter: Außerdem dürfen die Kälber keinen Zugang zu einer ständigen Eisenquelle haben. (Die Wasserversorgung sollte geprüft werden. Bei einem hohen Eisengehalt [über 0,5 ppm] sollte ein Eisenfilter in Betracht gezogen werden.) Die Verschläge sollten so angelegt sein, dass die Kälber nicht an rostiges Metall gelangen können.99 Das unstillbare Verlangen der anämischen Kälber nach Eisen ist einer der Gründe, warum die Produzenten so genau darauf achten, dass sich die Kälber in ihrem Stall nicht umdrehen können.

Zwar sind Kälber genau wie Schweine normalerweise darauf bedacht, nicht in die Nähe ihrer Ausscheidungen zu kommen, aber der Urin enthält etwas Eisen.

Das Verlangen nach Eisen ist stärker als der natürliche Widerwillen der Kälber, und sie lecken an

den mit Urin getränkten Holzlatten. Das gefällt den Produzenten deshalb nicht, weil die Kälber durch das Ablecken der Latten doch etwas Eisen erhalten, und weil zudem die Gefahr besteht, dass sie sich über den Kot, der ja auf dieselbe Stelle fällt wie der Urin, Infektionen zuziehen.

Wir haben bereits gesehen, dass nach den Ansichten von Provimi das doppelte Ziel der Kalbfleischproduktion darin besteht, in kürzestmög- licher Zeit ein Kalb von größtmöglichem Gewicht zu produzieren und dabei so helles Fleisch wie möglich zu gewinnen. Und wir haben gesehen, was alles getan wird, um das zweite der genannten Ziele zu erreichen, aber es ist noch einiges über die Techniken zu sagen, die angewendet werden, um ein schnelles Wachstum der Tiere zu bewerkstelligen.

Sollen Tiere schnell wachsen, so müssen sie möglichst viel Futter zu sich nehmen und dürfen davon in ihrem täglichen Leben möglichst wenig verbrauchen. Damit sie möglichst viel essen, bekommen die meisten Kälber kein Wasser. Die einzige Flüssigkeitszufuhr ist ihr Futter - der reichhaltige Milchersatz aus Milchpulver und zugesetztem Fett. Da in den Gebäuden, in denen die Kälber untergebracht sind, immer eine hohe Temperatur herrscht, nehmen die durstigen Tiere mehr Futter zu sich, als wenn ihnen Trinkwasser zur Verfügung stünde. Diese Überfütterung führt bei den Kälbern gewöhnlich zu Schweißausbrüchen, ganz wie bei dem sprichwörtlichen Manager, der zuviel und zu schnell gegessen hat.100 Durch das Schwitzen verliert das Kalb Flüssigkeit, es bekommt Durst, und bei der nächsten Fütterung isst es wieder zuviel. In fast jeder Hinsicht ist das ungesund, aber für den Produzenten, der möglichst schnell möglichst schwere Kälber erzeugen möchte, spielt die langfristige Gesundheit der Tiere keine Rolle, es genügt, dass sie so lange leben, bis sie verkauft werden können; Provimi weist deshalb darauf hin, dass Schwitzen ein Zeichen dafür sei, dass »das Kalb gesund ist und maximal zunimmt«.101 Indem man das Kalb zu einer übermäßigen Nahrungsaufnahme zwingt, ist die Schlacht schon halb gewonnen; es muss nur noch dafür gesorgt werden, dass von diesem Futter soviel wie möglich in Gewicht umgesetzt wird. Eine Maßnahme besteht darin, dass das Kalb ohne jede Bewegungsfreiheit eingesperrt wird. Eine weitere Maßnahme ist, den Stall gut zu heizen, denn ein frierendes Kalb verbraucht Energie zur Aufrechterhaltung seiner Körpertemperatur. Doch selbst Kälber in der warmen Umgebung ihrer Ställe neigen zur Ruhelosigkeit, denn außer ihren beiden Mahlzeiten täglich haben sie keine Beschäftigung. Ein holländischer Forscher schrieb: Mastkälber leiden darunter, dass sie nichts tun können ... Für die Nahrungsaufnahme braucht ein Mastkalb am Tag nur 20 Minuten! Eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit gibt es für das Tier nicht. ... Man kann Zähneknirschen, Schwanzwedeln, Zungenspielen und andere stereotype Verhaltensweisen beobachten. ... Solche stereotypen Bewegungen können als Reaktion auf das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit angesehen werden.102 Viele Kalbfleischproduzenten setzen ihre Tiere außerhalb der Füttern ngszeiten ständiger Dunkelheit aus, um die Ruhelosigkeit der gelangweilten Kälber zu dämpfen. Da die Kälberschuppen normalerweise keine Fenster haben, müssen sie dazu lediglich das Licht ausschalten. So weiden die Kälber, die schon jede ihrer Natur gemäße Zuwendung, Aktivität und Stimulation entbehren, auch noch sämtlicher visueller Eindrücke und des Kontakts mit anderen Kälbern für mehr als zweiundzwanzig Stunden täglich beraubt. Es hat sich herausgestellt, dass Krankheiten bei Haltung in Dunkelheit länger andauern.103 Kälber, die so gehalten werden, sind unglückliche und ungesunde l'iere. Obwohl der Kalbfleischproduzent für die Mast nur die stärksten und gesündesten Tiere auswählt, dem Futter routinemäßig Medikamen- le zusetzt und bei den geringsten Anzeichen von Krankheiten sofort zusätzliche Injektionen verabreicht, sind Verdauungs-, Atmungs- und Infektionskrankheiten weit verbreitet. Einem Kalbfleischproduzenten erscheint es normal, wenn von zehn Tieren eines die fünfzehn Wochen Intensivhaltung nicht überlebt. Eine Sterblichkeit von 10 bis 15 Prozent in so kurzer Zeit wäre für jeden Rindfleischproduzenten verheerend, .iber die Kalbfleischproduzenten

können solche Verluste hinnehmen, weil teure Restaurants bereit sind, für das Produkt einen guten Preis zu zahlen.

Angesichts der üblicherweise recht engen Beziehungen zwischen Tierärzten im landwirtschaftlichen Bereich und Produzenten mit Intensivhaltung (schließlich bezahlen nicht die Tiere die Rechnung, sondern deren Besitzer), ist der Umstand aufschlussreich, dass die extremen Hal- rungsbedingungen für Kälber diese Beziehungen äußerst strapazierten. Eine Ausgabe von The Vealer aus dem Jahr 1982 berichtet: Abgesehen davon, dass die Kälbermäster zu lange warten, bis sie den Tierarzt zu einem ernsthaft erkrankten Kalb rufen, haben Tierärzte zu ihnen keine allzu gute Beziehung, weil sie sich allgemein anerkannten landwirtschaftlichen Methoden lange Zeit widersetzt haben. So gilt es seit Jahren als vernünftig, das Vieh zur Unterstützung des Verdauungsapparates mit Heu zu füttern.104 Es gibt einen Lichtblick bei dieser traurigen Geschichte. Durch die Kälberhaltung in Verschlägen entstanden für das Wohlbefinden der Tiere so entsetzliche Bedingungen, dass die britische Regierung Vorschriften erlassen hat, die jetzt fordern, dass ein Kalb sich problemlos in seiner Box umdrehen können muss, dass seine tägliche Nahrung »genug Eisen zur Erhaltung seiner vollen Gesundheit und Lebenskraft enthalten muss« und dass es genügend Faserstoffe zur normalen Entwicklung des Pansens erhalten muss.105 Das sind Mindestanforderungen, die den Bedürfnissen der Kälber keineswegs gerecht werden; aber selbst sie werden von fast allen Kalbfleischerzeugern in den Vereinigten Staaten und vielen in Europa missachtet.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass diese aufwendige, verschwenderische und schmerzhafte Kälbermast dem einzigen Zweck dient, Leute zu befriedigen, die blasses, weiches Kalbfleisch haben wollen, dürfte wohl kein weiterer Kommentar notwendig sein.

Wie wir gesehen haben, ist die Kalbfleischindustrie aus der Milchproduktion entstanden. Wenn Kühe ständig Milch geben sollen, müssen die Milcherzeuger dafür sorgen, dass die Kühe jedes Jahr schwanger werden. Die Kälber werden ihnen gleich nach der Geburt weggenommen, eine Erfahrung, die für die Mutter ebenso schmerzlich wie für das Kalb furchterregend ist. Oft zeigt die Mutter ihre Gefühle einfach dadurch, dass sie noch Tage, nachdem ihr Junges weggenommen wurde, brüllt und ruft. Manche weiblichen Kälber werden mit Milchersatz aufgezogen, um im Alter von etwa zwei Jahren neue Milchkühe abzugeben. Andere Kälber werden im Alter von ein bis zwei Wochen verkauft und zur Rindfleischerzeugung in Mastpferchen oder -koppeln aufgezogen. Die übrigen werden an Kalbfleischproduzenten verkauft, die selbst wieder von der Milchindustrie abhängig sind, da diese ihnen das Milch-Futtermittel liefert, das die Kälber bekommen, damit sie anämisch werden. Doch selbst wenn ein Kalb nicht zur Kälbermast verwendet wird, so meint Professor John Webster von der Abteilung für landwirtschaftliche Tierhaltung der Universität Bristol: Das zur Milchkuh bestimmte Kalb wird routinemäßig mehr Behinderungen seiner normalen Entwicklung unterworfen als irgendein anderes Tier in der Landwirtschaft. Es wird kurz nach der Geburt von seiner Mutter getrennt, seine natürliche Nahrung, die Milch der Kuh, wird ihm vorenthalten, und stattdessen wird es mit irgendwelchen billigeren flüssigen Ersatzstoffen ernährt.1015 Die Milchkuh, die einst friedlich, ja idyllisch auf den Hügeln graste, ist zu einer sorgfältig überwachten, fein abgestimmten Milchmaschine geworden. Das ländliche Bild der Milchkuh, die mit ihrem Kalb auf der Weide spielt, gehört nicht zur industriellen Milcherzeugung. Viele Milchkühe werden in Gebäuden aufgezogen. Manche werden in Einzelboxen gehalten, wo sie gerade genug Platz haben, um aufzustehen und sich hinzulegen. Ihre Lebensbedingungen werden vollständig kontrolliert: die Kühe erhalten genau berechnete Futtermengen, die Raum- temperatur wird auf den größtmöglichen Milchertrag ausgerichtet, die Beleuchtung wird künstlich reguliert.

Einige Bauern haben herausgefunden, dass ein Zyklus von sechzehn Stunden Helligkeit und nur acht Stunden Dunkelheit die Milchproduktion fördert.

Die Kuh tritt in den Produktionskreislauf ein, nachdem ihr das erste Kalb weggenommen wurde.

Sie wird zehn Monate lang zweimal, manchmal dreimal täglich gemolken. Nach dem dritten Monat muss sie wieder schwanger werden. Bis etwa sechs oder acht Wochen vor der Geburt ihres Kalbes wird sie gemolken, und dann wieder sofort nachdem ihr Kalb weggenommen worden ist.

Normalerweise lässt sich dieser intensive Kreislauf von Schwangerschaft und übermäßiger Milchproduktion nur fünf Jahre lang aufrechterhalten. Danach kommt die »verbrauchte« Kuh zum Schlachten und wird zu Hamburgern oder Hundefutter verarbeitet.

Die Erzeuger füttern die Kühe mit energiereichen Konzentraten wie Sojabohnen, Fischmehl, Brauerei-Nebenprodukten und sogar Hühnerdung, um Höchsterträge zu erzielen. Der spezialisierte Verdauungsapparat der Kuh kann dieses Futter nicht richtig verarbeiten. Der Pansen ist dazu angelegt, langsam gärendes Gras zu verdauen. Einige Wochen nach der Geburt des Kalbes, in der Phase der höchsten Milchproduktion, verbraucht die Kuh oft mehr Energie, als sie aufnehmen kann.

Weil die Produktivität der Kuh ihre Möglichkeiten zur Umwandlung des Futters übersteigt, gelangt sie an den Rand des Zusammenbruchs und beginnt, das eigene Körpergewebe aufzubrauchen; sie fängt an, von ihrer eigenen Substanz Milch zu geben.107 Milchkühe sind empfindliche Tiere und zeigen bei Stress sowohl psychische als auch physische Irritationen. Sie haben ein starkes Bedürfnis, sich an ihre »Pflegepersonen« anzuschließen. Bei dem gegenwärtigen System der Milcherzeugung bleiben dem Bauern gerade fünf Minuten für jedes Tier.

In einem Artikel mit dem Titel »Dairy Farms That Don't Need Pastures« [»Milchbetriebe, die keine Weiden brauchen«] rühmt sich eine der größten »Milchfabriken« eines Fortschritts, der »es möglich macht, dass ein Arbeiter in 45 Minuten 800 Kälber füttert — eine Aufgabe, die normalerweise mehrere Männer den ganzen Tag beschäftigen würde«.108 Zur Zeit geht die Entwicklung dahin, in die natürlichen hormonellen und reproduktiven Prozesse der Kühe einzugreifen, damit sie noch mehr Milch erzeugen. Ein Rinderwachstumshormon (in Europa bekannt als Rinder-Somatotropin oder BST [bovine somatotropin]) wird als eine Möglichkeit zu gewaltiger Steigerung des Milchertrags angepriesen. Kühe, denen das Hormon täglich injiziert wurde, produzierten über 20 Prozent mehr Milch. Aber abgesehen von den Entzündungen, zu denen es aufgrund der täglichen Injektionen kommen dürfte, wird der Körper der Kühe so zu einer noch härteren Arbeit gezwungen; sie brauchen noch nahrhafteres Futter, und es ist zu erwarten, dass sie noch stärker unter den Krankheiten leiden, an denen Milchkühe jetzt schon in großer Zahl erkranken. Nach David Kronfeld, Professor für Ernährung und Leiter der Großtiermedizin an der tierärztlichen Fakultät der University of Pennsylvania, mussten bei einem Versuch die Hälfte aller Kühe, die BST erhalten hatten, wegen Mastitis (einer schmerzhaften Entzündung des Euters) behandelt werden, während dies in einer Kontrollgruppe, die kein BST erhalten hatte, bei keiner einzigen Kuh der Fall war.109 Jetzt kommt der Widerstand gegen BST aus den Reihen der Milchbauern ebenso wie von Sprechern des Tierschutzes. Das ist kaum überraschend, denn Untersuchungen der Cornell University und des Office of Technology Assessment des amerikanischen Kongresses haben darauf verwiesen, dass die Anwendung von BST durch die größeren Erzeuger 80000 amerikanische Milchbauern aus dem Geschäft drängen könnte — die Hälfte derer, die es zur Zeit gibt.110 Ein Milchbauer aus dem westlichen England wies darauf hin, dass »die größten Nutznießer dieser Injektionen für Kühe einige Pharmafirmen sind, die hoch hinaus wollen« und bat: »Lasst doch wenigstens die Milch von zufriedenen Kühen kommen und nicht von den manipulierten Geschöpfen gieriger Industrieller.«111 Verglichen mit den Produktivitätssteigerungen, die Enthusiasten durch den Einsatz neuer Reproduktionstechniken vorhersagen, sind aber die mit BST erzielten gar nicht der Rede wert. Das erste durch künstliche Befruchtung erzeugte Kalb wurde 1952 geboren. Heute ist das die übliche Methode. In den 60er Jahren wurden zum ersten Mal Kälber durch Embryotransfer zwischen verschiedenen Kühen erzeugt. Unter dieser Technik ist zu verstehen, dass eine Kuh, die besonders hohe Milcherträge liefert, durch eine Hormoninjektion dazu gebracht wird, gleichzeitig Dutzende von Eizellen zu produzieren. Sie wird mit dem Samen eines Preisbullen künstlich befruchtet, und anschließend werden die Embryonen aus ihrem Uterus gespült und operativ in den Uterus billigerer

Ersatzkühe eingepflanzt. So kann in kurzer Zeit eine ganze Herde herangezüchtet werden, die nur vom besten Tierbestand abstammt. Die in den 70er Jahren entwickelte Möglichkeit, Embryonen tiefzufrieren, hat die Vermarktungsmöglichkeiten des Embryotransfers noch verbessert. Zur Zeit wird in den Vereinigten Staaten jedes Jahr in 150000 Fällen ein Embryotransfer versucht, und mindestens 100000 Kälber werden dabei erzeugt. Die Gentechnik und vielleicht auch das Klonen werden die nächsten Schritte bei dem stetigen Versuch sein, immer produktivere Tiere zu erschaffen.112 Früher durchstreiften die zur Fleischproduktion dienenden Rinder frei die weiten Ebenen Amerikas, die wir noch heute in Cowboy-Filmen sehen. Aber ein vermutlich humorvoll gemeinter Artikel im Peoria Journal Star zeigt, dass das moderne Weidegebiet nicht mehr das ist, was es früher einmal war: Das Zuhause eines Cowboys ist nicht mehr unbedingt draußen auf der Weide. Viel wahrscheinlicher ist sein Zuhause eine Mastkoppel, wo ein Rind höchstens noch als Schmorfleisch Salbei zu riechen bekommt. So sieht der moderne Cowboy aus. Und so sieht die Norris-Farm aus, auf der nicht 700 Rinder auf 8000 Hektar kärglicher Prärie gehalten werden, sondern 7000 Rinder auf viereinhalb Hektar Betonboden.113 Verglichen mit Hühnern, Schweinen, Mastkälbern und Milchkühen sehen Schlachtrinder immer noch mehr von der weiten Welt draußen, doch die Zeit, die ihnen dafür gewährt wird, ist verkürzt worden. Vor zwanzig Jahren grasten Rinder etwa zwei Jahre lang frei auf Weiden. Jetzt bleiben den Glücklicheren unter ihnen, die überhaupt noch nach draußen dürfen, häufig gerade noch sechs bis acht Monate, bis sie »fer- i iggestellt« werden — das heißt, bis sie mit einem nahrhafteren Futter als C Iras auf ihr Verkaufsgewicht gebracht werden. Zu diesem Zweck werden sie über weite Entfernungen zu Mastkoppeln transportiert. Dort erhalten sie sechs bis acht Monate lang Mais und anderes Getreide als Nahrung. Dann werden sie zum Schlachten gebracht. In den Vereinigten Staaten ist das Anwachsen der Mastkoppeln der beherrschende Trend bei der Rinderproduktion. Von den 34 Millionen Rindern, die 1987 in den Vereinigten Staaten geschlachtet wurden, stammten 70 Prozent von Mastkoppeln. In großen Mastkoppeln wird jetzt ein Drittel des Rindfleisches in diesem Land produziert. Die Mastbetriebe sind kapitalkräftige Wirtschaftsunternehmen und werden oft von Olfirmen finanziert, oder über Börsengewinne, für die nach steuergünstigen Anlagemöglichkeiten gesucht wird. Mastkoppeln rentieren sich, denn die Rinder gewinnen bei der Fütterung mit Getreide schneller an Gewicht, als wenn sie Gras fressen. Aber wie bei den Milchkühen ist auch der Magen der Mastrinder nicht auf die konzentrierte Nahrung eingestellt, die es in den Mastkoppeln gibt. Oft lecken die Rinder bei dem Versuch, an mehr Faserstoffe zu gelangen, am eigenen Fell und an dem der anderen Tiere. Die große Menge Haare, die dabei in den Pansen gelangt, kann Abszesse verursachen.114 Würde man aber das Getreide mit der faserreichen Nahrung mischen, die die Tiere brauchen und nach der sie verlangen, so würde die Gewichtszunahme verlangsamt. Mastkoppeln bedeuten für Rinder keine so extreme Einpferchung wie die Käfighaltung bei Hennen oder die Boxenhaltung bei Säuen und Mastkälbern und oft auch Milchkühen. Die Besatzdichte ist gestiegen, aber selbst wenn sie bei elfhundert Tieren pro halber Hektar liegt, hat jedes Tier noch 4,5 qm für sich und kann auf der ganzen, vielleicht einen halben Hektar großen Koppel umherlaufen, und ist nicht von den anderen Tieren getrennt. Die Langeweile aufgrund der öden, immer gleichen Umgebung ist hier das Problem, nicht die Einschränkung der Bewegungsfreiheit.

Ein ernstes Problem ist das Wetter. Im Sommer stehen die Tiere möglicherweise in der prallen Sonne und haben keinen Zugang zu einem schattigen Platz. Im Winter haben sie keinen Schutz vor Wetterbedingungen, auf die sie von Natur aus nicht eingestellt sind. Nach den schweren Schneestürmen des Jahres 1987 berichteten einige Farmer von schweren Verlusten und schätzten, dass sie 25 bis 30 Prozent der Kälber und 5 bis 10 Prozent der erwachsenen Rinder verloren hatten.

Ein Farmer aus Colorado berichtete: »Die Kälber hatten kaum Schutz. Die meisten Kälber verloren wir, weil sie dem Wetter schutzlos ausgeliefert waren. Wir bekamen nassen Schnee, und gleich danach wurde es kalt.« In einem anderen Fall betrug der Verlust wegen eines Sturms 75 von insgesamt 100 Kälbern.

In Europa sind manche Rindfleischerzeuger dem Beispiel der Geflügel-, Schweine- und Kalbfleischindustrie gefolgt und halten ihre Tiere in Gebäuden. In den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien wird die ständige Haltung der Tiere in Gebäuden als wirtschaftlich nicht vertretbar betrachtet. Sie schützt zwar die Tiere vor dem Wetter, aber das geschieht immer um den Preis der Haltung von mehr Tieren auf engem Raum, denn der Rindererzeuger strebt den größtmöglichen Gewinn aus dem Kapital an, das er in das Gebäude investiert hat. Bei der Intensivhaltung von Mastrindern werden die Tiere normalerweise in Gruppen gehalten und eher in Pferchen als in Einzelboxen untergebracht. Obwohl sich Mastrinder wie Schweine und Mastkälber auf Spaltböden nicht wohl fühlen und Lahmen eine Folge dieser Böden sein kann, sind sie wegen der leichteren Reinigung weit verbreitet.

Kein Bereich der Tierzucht ist vor dem Eindringen der Technik und dem Druck zur Intensivierung der Produktion sicher. Lämmer, die frohen Boten des Frühlings, befinden sich bereits im dunklen Innern der Intensivhaltungseinrichtungen.1,6 Am Kaninchen-Forschungszentrum der Oregon State University haben Forscher ein Käfigsystem zur Hai- inng von Kaninchen entwickelt und experimentieren mit einer Besatzdichte von zwei Kaninchen pro 0,09 qm.117 In Australien ist jetzt die I laltung von ausgewählten Schafen mit einer besonders feinen Wolle in (iebäude verlagert worden, wobei sowohl Einzel- wie Gruppenhaltung zum Einsatz kommt - das Ziel besteht darin, das Schaffell sauber zu hallen und besonders lang werden zu lassen. Die Wolle dieser Schafe erzielt das Sechs- bis Siebenfache des üblichen Preises.118 Der Pelzhandel lobt / war gerne seine »Zuchtfarm«-Pelze, um von dem schlechten Ruf abzulenken, den der Fang von Wildtieren hat, aber Pelztier-»Farmen« bedeu- ten eine äußerst intensive Tierhaltung. Nerze, Waschbären, Frettchen und andere Pelztiere werden in kleinen Drahtkäfigen gehalten. Der wunderschöne Polarfuchs zum Beispiel, der normalerweise in der 1 iindra viele Quadratkilometer durchstreift, lebt auf einer Pelztierfarm in einem Käfig von 107 mal 114 Zentimetern.119 Wir haben jetzt einen Uberblick über die wichtigsten Entwicklungen bei der Tierzucht und -mast gewonnen und gesehen, dass die traditionellen Methoden in eine fabrikmäßige Tierproduktion umgewandelt worden sind. Traurigerweise hat sich dabei seit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe dieses Buches vor zwanzig Jahren für die Tiere kaum etwas verbessert. Bereits damals stand fest, dass die modernen Produktionsmethoden und jegliche aufrichtige Sorge um das Wohlergehen der Tiere miteinander unverträglich sind. Die Beweise dafür wurden erstmals von Ruth Harrison in ihrem bahnbrechenden Buch Animal Machines [dt. Tiermaschinen] zusammengestellt. Das Buch erschien 1964 und wurde maßgeblich durch den vom britischen Landwirtschaftsminister einberufenen Brambell-Ausschuss unterstützt, dem die damals führenden Experten angehörten. Neben Brambell, einem angesehenen Zoologen, gehörten W. H. Thorpe, Leiter des Instituts für Tierverhalten der Universität Cambridge und andere Experten der Tiermedizin dem Ausschuss an. Nach einer eingehenden Untersuchung veröffentlichten sie 1965 einen 85 Seiten langen offiziellen Bericht. Dort wies der Ausschuss ganz offen die Behauptung zurück, die Produktivität sei ein zufriedenstellender Beweis dafür, dass die Tiere nicht leiden — der Ausschuss erklärte, die Gewichtszunahme könne durchaus von einem »pathologischen Zustand« der Tiere zeugen. Auch verwarf er die Ansicht, dass landwirtschaftliche Tiere unter der Intensivhaltung nicht litten, weil sie dafür gezüchtet und daran gewöhnt seien. In einem wichtigen Anhang dieses Berichts hob Thorpe hervor, die Beobachtung des Verhaltens von Haustieren habe gezeigt, dass diese »im Wesentlichen noch immer das sind, was sie schon in der prähistorischen Wildnis waren«, Tiere mit angeborenen Verhaltensmustern und Bedürfnissen, die auch dann vorhanden sind, wenn das Tier seine natürlichen Lebensbedingungen gar nicht kennt. Thorpe kam zu dem Ergebnis: Bestimmte grundlegende Tatsachen sind so klar, dass ein Eingreifen gerechtfertigt ist. Auch wenn wir eine weitgehende Einschränkung der Tiere als notwendig gelten lassen, muss eine Grenze gezogen werden. Sie liegt dort, wo durch die Lebensbedingungen alle oder nahezu alle natürlichen, instinktiven Triebe und Verhaltensmuster unterdrückt werden, an denen sich der hohe Grad der sozialen Organisation zeigt, der bei den ursprünglichen wilden Arten nachweisbar ist und durch die

Domestizierung nur wenig, wenn überhaupt, weggezüchtet worden ist. Insbesondere ist es als eindeutig grausam anzusehen, wenn ein Tier während eines großen Teils seines Lebens unter so eingeschränkten Bedingungen gehalten wird, dass es keine seiner normalen Bewegungsmuster zeigen kann.120 Demgemäß entsprachen auch die Empfehlungen des Ausschusses dem folgenden bescheidenen, aber wichtigen Grundsatz: Grundsätzlich lehnen wir die Intensivhaltung dann ab, wenn die Einschränkung der Tiere ein solches Ausmaß erreicht, dass sie der Möglichkeit zur Ausübung ihrer natürlichen Verhaltensweisen weitgehend beraubt sind ... Ein Tier sollte wenigstens so viel Bewegungsspielraum haben, dass es sich problemlos umdrehen und lecken kann, dass es sich hinlegen oder aufstehen kann und dass es seine Gliedmaßen ausstrecken kann.121 Diese sogenannten »fiinf Grundfreiheiten«, wie sie seitdem genannt werden — sich umzudrehen, zu lecken, aufzustehen, sich hinzulegen und ungehindert die Glieder zu strecken -, werden noch immer allen Käfig- liennen, allen in Einzelboxen gehaltenen und angeketteten Schweinen und allen in Verschlägen gehaltenen Mastkälbern verwehrt. Doch seit der Veröffentlichung des Berichts des Brambell-Ausschusses hat eine Rille wissenschaftlichen Materials dessen Urteil in allen wichtigen I'unkten bestätigt. Zum Beispiel hat, wie wir bereits gesehen haben, die Untersuchung der Universität Edinburgh über Schweine in einer na- i urnahen Umgebung Thorpes Ausführungen über die Bewahrung na- liirlicher Verhaltensmuster bei domestizierten Tieren voll und ganz bestätigt.122 Der Fehlschluss in dem Argument, dass produktive Tiere zufriedene Tiere sein müssen, wird von den Wissenschaftlern inzwischen ebenfalls allgemein anerkannt. Eine 1986 im American Scientist veröffentlichte Untersuchung gelangt zu einer sachbezogenen Meinung über diese Behauptung: Im Hinblick auf domestizierte Tiere kann dieses Argument jedoch aus mehreren Gründen irreführend sein. Landwirtschaftliche Tiere wurden nach ihrer Fähigkeit, sich unter vielfältigen, teils widrigen Bedingungen und Umständen zu reproduzieren und zu wachsen, für die Zucht ausgewählt.

Hennen können zum Beispiel auch mit schweren Verletzungen ganz normal weiter Eier legen.

Darüber hinaus werden Wachstum und Reproduktion oft durch Praktiken wie die Veränderung der Licht- und Dunkelperioden oder wachstumsfördernde Futterzusätze wie Antibiotika beeinflusst.

Schließlich dürfte ein moderner Agrarbetrieb, wo ein einziger Arbeiter jährlich bis zu 2000 Stück Vieh oder 250 000 Masthähnchen versorgt und wo Gewichtszunahme und Reproduktion in Form der Menge der erzeugten Eier bzw. des Fleisches im Verhältnis zu den Kosten für Unterbringung, Heizöl und Futter gemessen werden, kaum Informationen über die Produktivität des einzelnen Tieres besitzen.123 Dr. Bill Gee, Gründungsdirektor des Bureau of Animal Health der australischen Regierung, sagte: Es wird behauptet, dass die Produktivität von Tieren in der Landwirtschaft ein direkter Indikator für Wohlbefinden sei. Diese falsche Auffassung muss für immer und ewig begraben werden. »Wohlbefinden« bezieht sich auf den Zustand eines einzelnen Tieres, »Produktivität« bezieht sich dagegen auf den Ertrag pro investiertem Dollar oder Aufwand an Mitteln.124 In diesem Kapitel habe ich mich an mehreren Stellen bemüht, das Missverständnis in diesem Argument nachzuweisen. Die Vorstellung ist äußerst verlockend, dass dieses Argument für immer und ewig begraben werden könnte, aber zweifellos wird es auch weiterhin immer dann wieder hervorgezogen werden, wenn die Verteidiger des Agrarbusiness es nützlich finden, den Verbrauchern und Verbraucherinnen einzureden, in der Landwirtschaft stehe alles zum Besten. Eine gewisse Anerkennung erfuhr das Beweismaterial gegen die intensiven Tierhaltungsmethoden durch das Europäische Parlament, als es 1987 einen Tierschutzbericht diskutierte und folgende Grundsätze aufstellte: -Beendigung

der Haltung von Mastkälbern in Einzelverschlägen ohne ausreichende Eisenzufuhr

und faserhaltige Nahrung.

—Abschaffung -Einstellung

der Haltung von Schweinen in Einzelställen und Anbindehaltung.

—Beendigung

Schweine.

der Käfighaltung von Hühnern innerhalb von zehn Jahren.

routinemäßiger Verstümmelungen wie Schwanzstutzen und Kastration männlicher

125

Diese Vorschläge wurden mit 150 zu 0 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Aber wie ich bereits erwähnt habe, besitzt das Europäische Parlament, auch wenn es aus gewählten Vertreterinnen und Vertretern aller Länder der Europäischen Union zusammengesetzt ist, nur eine beratende Funktion. Die mächtige Lobby des Agrarbusiness gibt sich die größte Mühe zu verhindern, dass diese Politik in die Praxis umgesetzt wird. Dennoch ist diese Entschließung Zeichen einer informierten europäischen Haltung in diesen Fragen. Was Taten und nicht nur Worte betrifft, hat es seit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe dieses Buches nur in einigen wenigen Fällen wirkliche Verbesserungen bei den Lebensbedingungen von Tieren gegeben. In der Schweiz ist die Käfighaltung von Hühnern abgeschafft worden, jetzt stammen die in den Geschäften verkauften Eier aus alternativen Formen der Hühnerhaltung: die Hühner können herumlaufen, am Boden scharren, im Staub baden, auf einer Hühnerstange sitzen und ihre Eier in geschützten, mit geeignetem Material gepolsterten Legebereichen legen. Dennoch sind diese Eier nur unwesentlich teurer als Eier aus der Käfighaltung.126 In Großbritannien ist das einzige wirkliche Anzeichen eines Fortschritts für Tiere in der Landwirtschaft das Verbot der Einzelhaltung von Mastkälbern. Wie schon bei vielen früheren sozialen Reformen, hat jetzt Schweden den richtigen Weg im Tierschutz aufgezeigt. Die 1988 verabschiedeten Gesetze werden die Lebensbedingungen sämtlicher in der Landwirtschaft gehaltenen Tiere grundlegend verändern.

In diesem Kapitel habe ich mich vorwiegend mit der Situation in den Vereinigten Staaten und Großbritannien befasst. Leser und Leserinnen aus anderen Ländern könnten nun möglicherweise glauben, die Verhältnisse in ihrem eigenen Land seien nicht so schlimm, aber wer in einem der industrialisierten Länder (außer Schweden) lebt, hat keinen Grund, beruhigt zu sein. In den meisten Ländern sind die Verhältnisse denen der Vereinigten Staaten ähnlicher als den oben empfohlenen.

Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und so gut wie überall, wo es eine industriell geprägte Tierhaltung gibt, die Übernahme der »fünf GrundFreiheiten« des Brambell- Ausschusses oder der Entschließung des Europäischen Parlaments oder gar der neuen schwedischen Gesetze zwar ein wichtiger Fortschritt wäre, dass aber keine dieser Reformen vergleichbare Interessen von Menschen und Tieren auch gleich berücksichtigt. Diese Reformen bilden in jeweils unterschiedlich starker Ausprägung eine aufgeklärte und humanere Form des Speziesismus, aber sie sind immer noch Speziesismus. In noch keinem Land hat ein Regierungsgremium die Vorstellung in Frage gestellt, dass die Interessen von Tieren weniger zählen als ähnliche menschliche Interessen. Die Frage dreht sich immer darum, ob Leiden »vermeidbar« ist, und das heißt, ob dieselben tierischen Erzeugnisse bei nicht wesentlich höheren Kosten ohne dieses Leiden produziert werden könnten. Unangetastet bleibt dabei die Vorstellung, dass Menschen für ihre eigenen Zwecke Tiere benutzen dürfen, und dass sie diese aufziehen und löten können, um ihre Vorliebe für eine Ernährung zu befriedigen, zu der das Fleisch von Tieren gehört.

Ich habe die modernen intensiven Tierhaltungsmethoden in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt dieses Kapitels gestellt, weil das damit verbundene Leiden in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist; doch nicht nur bei der intensiven Tierhaltung leiden Tiere. Zum Nutzen der Menschen wird Tieren Leid zugefügt, ob sie nun nach moderner oder traditioneller Art gehalten werden. Ein Teil dieses Leidens ist seit Jahrhunderten übliche Praxis. Das mag dazu führen, dass wir es nicht mehr beachten, aber das ist kein Trost für die Tiere, denen es zugefügt wird. Betrachten wir zum Beispiel die routinemäßigen Prozeduren, denen Rinder noch immer ausgesetzt sind.

Fast alle Rinderproduzenten schneiden ihren Rindern die Hörner ab oder kürzen sie, kennzeichnen die Tiere mit Brandzeichen und kastrieren sie. Jeder dieser Vorgänge kann starke körperliche

Schmerzen verursachen. Die Hörner werden verstümmelt, weil Tiere mit Hörnern am Futtertrog und beim Transport mehr Platz brauchen und sich gegenseitig verletzen können, wenn sie eng zusammengepfercht werden. Tierkörper mit Prellungen und beschädigte Häute bringen weniger Geld. Die Hörner bestehen aber nicht nur aus unempfindlichen Knochen. Arterien und Gewebe müssen bei der Entfernung der Hörner durchtrennt werden, und besonders wenn bei den Kälbern die Hörner nicht bald nach der Geburt entfernt werden, können heftige Blutungen auftreten.

Kastriert werden die Tiere, weil man annimmt, dass Ochsen schneller zunehmen als Stiere — obwohl es so aussieht, als würden sie tatsächlich nur fetter werden — und weil befürchtet wird, dass das Fleisch durch die männlichen Hormone einen strengen Geschmack bekommt. Außerdem sind kastrierte Tiere leichter zu handhaben. Die meisten Halter geben zu, dass die Operation dem Tier Schmerzen verursacht und einen Schock versetzt. Betäubungsmittel werden im Allgemeinen nicht benutzt. Das Tier wird gefesselt und der Hodensack mit einem Messer aufgeschnitten, so dass die Hoden freiliegen. Dann werden nacheinander die Hoden mit einem Handgriff herausgezogen, wobei der Hodenstrang reißt. Bei älteren Tieren kann es sich als nötig erweisen, die Hodenstränge mit einer Zange zu durchtrennen.127 Einigen Tierhaltern ist es anzurechnen, dass ihnen diese schmerzhaften Operationen Unbehagen bereiten. In einem Artikel mit dem Titel »The Castration Knife Must Go« [»Weg mit dem Kastrationsmesser«] spricht C. G. Struggs, der Herausgeber von The Progressive Farmer, vom »extremen Kastrationsstress« und schlägt vor, angesichts der steigenden Nachfrage nach magerem Fleisch die Verstümmelung der Tiere aufzugeben.128 Die gleiche Ansicht wurde in der Schweineindustrie geäußert, wo die Praxis ähnlich aussieht. In einem Artikel der britischen Zeitschrift Pig Farming heißt es: Selbst für den hartgesottenen kommerziellen Schweinehalter ist die Kastration eine bestialische Angelegenheit. Ich wundere mich nur, dass die antivivisektionistische Lobby sie noch nicht entschlossen aufs Korn genommen hat.

Und da die Forschung inzwischen eine Möglichkeit aufgezeigt hat, die Tiere herauszufinden, deren Fleisch möglicherweise einen üblen Geschmack haben könnte, wird in dem Artikel der Vorschlag gemacht, dass »wir erwägen sollten, unsere Kastrationsmesser einzumotten«.129 Es ist eine weit verbreitete Praxis, zur Vermeidung streunender Tiere, zum Schutz vor Viehdieben (die es in bestimmten Gebieten noch gibt) und zur leichteren Bestandsübersicht Rindern mit einem glühenden läsen Brandzeichen einzubrennen. Rinder haben zwar eine dickere Haut als Menschen, doch sie ist nicht dick genug, um sie vor einem glühendheißen Eisen zu schützen, das - nachdem das Fell zuvor entfernt wurde — fünf Sekunden lang direkt auf die Haut gedrückt wird. Damit die Prozedur ausgeführt werden kann, wird das Rind niedergeworfen und gefesselt. Alternativ gibt es auch eine als »Press-Schleuse« bezeichnete Vorrichtung, einen in der Größe verstellbaren Verschlag, der dem Körper des Tieres genau angepasst werden kann. Ein Handbuch vermerkt, dass dennoch »das Tier normalerweise springt, wenn das Eisen angesetzt wird«.130 Eine weitere Verstümmelung besteht darin, dass bei vielen Rindern die Ohren mit einem scharfen Messer zu einer besonderen Form zugeschnitten werden, damit man sie draußen auf der Weide aus größerer Entfernung oder auch dann erkennt, wenn sie nur von vorne oder hinten zu sehen sind, das Brandzeichen also nicht sichtbar ist.131 Das sind einige der üblichen Prozeduren der traditionellen Rinder- /.uchtmethoden. Andere Tiere werden, wenn sie zur Nahrungserzeugung gehalten werden, ähnlich behandelt. Und schließlich dürfen wir bei den Überlegungen zum Befinden der Tiere bei der traditionellen Haltung auch nicht vergessen, dass bei fast allen Methoden die frühe Trennung von Mutter und Kind üblich ist, die für beide beträchtliches Leiden bedeutet. Bei keiner Form der Nutztierhaltung können die Tiere als Teil einer Gemeinschaft aus verschieden alten Tieren aufwachsen, wie es unier natürlichen Bedingungen der Fall wäre.

Kastration, Brandzeichen und die Trennung von Mutter und Kind haben Nutztieren

jahrhundertelang Leid zugefügt, doch zu den stärksten Einwänden sah sich die humanistische Bewegung des 19. Jahrhunderts angesichts der grausamen Transport- und Schlachtmethoden veranlasst. In den Vereinigten Staaten wurden die Tiere von den Weidegründen in der Nähe der Rocky Mountains zu den Eisenbahnstationen getrieben und dort für mehrere Tage ohne Futter und Wasser in Waggons gepfercht, bis der Zug schließlich Chicago erreichte. Dort warteten die Tiere, die den Transport überlebt hatten, in riesigen, nach Blut und verwesten Schlachtresten stinkenden Viehhöfen, bis sie an die Reihe kamen und die Rampe hinauf gezerrt und getrieben wurden, an deren Ende der Mann mit dem Schlachtbeil stand. Wenn sie Glück hatten, traf er gut; aber viele hatten kein Glück.

Seitdem hat sich manches geändert. 1906 wurde ein Bundesgesetz verabschiedet, das die Aufenthaltsdauer von »Vieh« in Eisenbahnwaggons ohne Futter und Wasser auf höchstens 28, in Ausnahmefällen auf 36 Stunden begrenzt. Danach müssen die Tiere ausgeladen, gefüttert und getränkt werden, und erst nach einer fünfstündigen Pause darf die Reise fortgesetzt werden. 28 bis 36 Stunden ohne Futter und Wasser in einem rollenden Eisenbahnwaggon sind zweifellos immer noch lange genug, um Leiden zu verursachen, aber es ist eine Verbesserung. Auch beim Schlachten hat es Verbesserungen gegeben. Heute werden die meisten Tiere vor dem Schlachten betäubt; wenigstens in der Theorie bedeutet das, dass sie schmerzlos sterben - wir werden aber noch sehen, dass darüber Zweifel bestehen, und dass es außerdem wichtige Ausnahmen gibt.

Aufgrund dieser Verbesserungen sind meiner Meinung nach der Transport und die Schlachtung heute geringere Probleme als die fabrikmäßigen Produktionsmethoden, die aus Tieren Maschinen zur Umwandlung von billigem Futter in teures Fleisch machen. Dessen ungeachtet wäre aber ohne eine kurze Beschreibung der Transport- und Schlachtmethoden jeder Bericht darüber, wie es Ihrem Abendessen erging, als es noch ein Tier war, unvollständig.

Tiertransporte sind mehr als nur der letzte Weg zum Schlachthaus. Als das Schlachten in den USA noch hauptsächlich in wichtigen Zentren wie Chicago stattfand, war dies normalerweise die längste und oft auch die einzige Reise der Tiere. In den Weidegebieten, wo sie geboren worden waren, wuchsen sie heran, bis sie das Schlachtgewicht erreicht hatten. Als die Kühltechnik es ermöglichte, das Schlachten zu dezentralisieren, wurde der Weg zum Schlachthaus entsprechend kürzer. Heute ist es jedoch weit weniger üblich, dass Tiere, insbesondere Rinder, bis zum Erreichen des Schlachtgewichts in der Region bleiben, in der sie geboren wurden. Ein Kalb kann in einem Staat, sagen wir Florida, geboren und dann in ein viele hundert Kilometer entferntes Weidegebiet gebracht werden, vielleicht ins westliche Texas. Rinder, die ein Jahr auf den Weiden von Utah oder Wyoming verbracht haben, werden anschließend zusammengetrieben und vielleicht auf Mastkoppeln nach Iowa oder Oklahoma verschickt. Diese Tiere machen Transporte über mehr als 3 000 Kilometer mit.

Für sie ist die Reise zur Mastkoppel wahrscheinlich länger und quälender als der Transport zum Schlachthaus.

Das Bundesgesetz aus dem Jahr 1906 sorgte dafür, dass in Eisenbahnzügen transportierten Tieren wenigstens alle 36 Stunden eine Pause, Futter und Wasser gewährt wurde. Es sagte aber nichts über die Tiere, die auf Lastwagen transportiert werden. Damals wurden Lastwagen nicht für Tiertransporte eingesetzt. Mehr als achtzig Jahre später ist der Transport von Tieren auf Lastwagen noch immer nicht durch ein Bundesgesetz geregelt. Es hat verschiedene Versuche gegeben, für Lastwagentransporte ähnliche Regelungen wie für den Eisenbahntransport durchzusetzen, aber bisher war keiner dieser Versuche erfolgreich. I )ementsprechend verbringen Rinder oft 48 und sogar 72 Stunden auf einem Lastwagen, ohne zwischendurch ausgeladen zu werden. Nicht alle I''ahrer lassen die Tiere so lange ohne Pause, Futter oder Wasser, aber manchen liegt mehr daran, ihren Auftrag schnell zu erledigen, als ihre I ,adung in gutem Zustand abzuliefern.

Es ist wahrscheinlich, dass Tiere, die zum ersten Mal im Leben auf einem Lastwagen sind, Angst haben, erst recht, wenn die Treiber die Tiere beim Beladen des Lastwagens hastig und grob behandelt haben. I )ie Bewegung des Fahrzeugs ist eine weitere neue Erfahrung und kann bei den Tieren Übelkeit verursachen. Nach einem oder zwei Tagen auf < lern Lastwagen ohne Futter und

Wasser haben die Tiere schrecklichen I )urst und Hunger. Normalerweise fressen Rinder den ganzen Tag über immer wieder; wegen ihres besonderen Magens müssen sie ständig Nahrung zu sich nehmen, damit der Pansen richtig arbeiten kann. Findet der Transport im Winter statt, kann es bei windigem Frostwetter zu starken Unterkühlungen kommen; im Sommer verstärken Hitze und Sonne die durch den Wassermangel verursachte Dehydration. Wir können uns nur schwer vorstellen, wie sich die Tiere bei dieser Kombination aus Angst, Reise-Übelkeit, Durst, starkem Hunger, Erschöpfung und möglicherweise starker Unterkühlung fühlen. Bei jungen Kälbern, die einige I age zuvor erst die stressreichen Erfahrungen der Entwöhnung und der Kastration hinter sich gebracht haben, sind die Auswirkungen noch schlimmer. Tiermediziner empfehlen, dass Kälber mindestens dreißig ' I age vor einem Transport entwöhnt, kastriert und geimpft werden soll- ten, einfach damit sich ihre Überlebenschancen erhöhen. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich von einer stressreichen Erfahrung zu erholen, bevor sie der nächsten ausgesetzt werden. Diese Empfehlungen werden aber nicht immer beachtet.132 Die Tiere können ihre Erfahrungen zwar nicht beschreiben, doch ihre körperlichen Reaktionen teilen uns etwas mit. Die zwei wichtigsten Reaktionen sind Gewichtsverlust und »Transportfieber«.

Alle Tiere verlieren während des Transports Gewicht. Ein Teil dieses Gewichtsverlustes ist durch die Dehydration und die Leerung des Verdauungstrakts bedingt. Dieser Verlust wird schnell wieder aufgeholt; aber länger anhaltende Gewichtsverluste kommen ebenfalls regelmäßig vor. Dass ein Ochse mit einem Gewicht von 350 kg bei einem einzigen Transport 30 kg verliert, also 9 Prozent seines Körpergewichts, ist keine Seltenheit; und es kann mehr als drei Wochen dauern, bis das Tier diesen Gewichtsverlust wieder aufgeholt hat. Dieser Schwund, »shrink«, wie es in der Branche heißt, gilt bei Wissenschaftlern als Hinweis auf den Stress, unter dem das Tier gestanden hat. Für die Fleischindustrie ist der Gewichtsverlust natürlich ein Ärgernis, denn die Tiere werden nach Gewicht verkauft.

Das »Transportfieber« ist eine Form der Lungenentzündung und tritt bei Rindern nach Transporten auf. Es ist das zweite Hauptanzeichen für Transportstress. Transportfieber wird durch ein Virus hervorgerufen, dem gesunde Tiere problemlos widerstehen; starker Stress schwächt aber ihre Widerstandsfähigkeit.

Gewichtsverlust und die Fieberanfälligkeit weisen darauf hin, dass die Tiere starkem Stress ausgesetzt gewesen sind. Die Tiere, die abnehmen oder Fieber bekommen, sind aber die, die überleben. Andere sterben, bevor sie ihren Bestimmungsort erreichen, oder kommen mit gebrochenen Gliedern oder anderen Verletzungen an. 1986 beschlagnahmten USDA-Inspektoren mehr als 7400 Rinder, 3100 Kälber und 5500 Schweine, die tot oder verletzt waren, bevor sie am Schlachthof ankamen. Des Weiteren waren 570000 Rinder, 57000 Kälber und 643000 Schweine so schwer verletzt, dass einzelne Körperteile als »minderwertige Qualität« klassifiziert wurden.133 Tiere, die unterwegs sterben, haben keinen leichten Tod. Im Winter frieren sie sich zu Tode, und im Sommer brechen sie vor Durst und hitzebedingter Erschöpfung zusammen. Unversorgt auf dem Schlachthof liegend, sterben sie an den Verletzungen, die sie sich z. B. beim Sturz von einer glatten Laderampe zugezogen haben. Sie ersticken unter dem Druck der auf ihnen lastenden Tiere in überfüllten und ohne Sorgfalt beladenen Lastwagen. Sie verdursten oder verhungern, wenn nachlässige Viehtransporteure vergessen, sie zu tränken und zu füttern. Und sie sterben am blanken Stress dieser ganzen schrecklichen Erfahrung. Das Tier, das Sie heute vielleicht zu Abend essen, starb nicht auf eine dieser Arten; aber diese Todesfälle sind und waren schon immer Teil des gesamten Prozesses, der die Menschen mit Fleisch versorgt.

Ein Tier zu töten ist an sich ein bestürzender Akt. Es heißt, wenn wir die Tiere, deren Fleisch wir essen, selbst töten müssten, würden wir alle vegetarisch leben. Bestimmt besuchen nur sehr wenige Leute jemals ein Schlachthaus, und Filme über die Vorgänge in Schlachthäusern sind im Fernsehen nicht sehr beliebt. Vielleicht hoffen viele Menschen, dass das Fleisch, das sie kaufen, von einem Tier stammt, das schmerzlos gestorben ist, aber letzten Endes wollen sie es gar nicht so genau wissen. Wer aber die Tötung von Tieren durch das Kaufen von Fleisch verlangt, verdient es nicht,

vom Wissen über diese oder irgendeine andere Seite der Fleischproduktion verschont zu werden.

Der Tod ist nie angenehm, aber er muss nicht mit Schmerzen verbunden sein. Geht alles nach Plan, so kommt der Tod in entwickelten Ländern mit humanen Schlachtgesetzen schnell und schmerzlos.

Die Tiere sollen mit elektrischem Strom oder einem Bolzenschussgerät betäubt werden und in bewusstlosem Zustand die Halsschlagader durchgeschnitten bekommen. Kurz vor ihrem Tod, wenn sie die Schlachtrampe hinaufgetrieben werden und das Blut der bereits toten Tiere riechen, haben sie wahrscheinlich entsetzliche Angst; aber der Augenblick des iodes selbst kann - theoretisch vollkommen schmerzlos sein. Unglücklicherweise stimmen Theorie und Praxis oft nicht überein.

Ein Reporter der Washington Post beschrieb vor einiger Zeit einen von Smithfield, dem größten Fleischverarbeitungs-Konzern an der Ostküste der Vereinigten Staaten, betriebenen Schlachthof in Virginia: Die Schweinefleischproduktion endet in einer dem heutigen Stand der Technik entsprechenden, hochautomatisierten Fabrik, wo Speckscheiben und Schinken sauber und luftdicht in kleine Päckchen verpackt vom Fließband laufen. Aber sie beginnt draußen, hinter der Fabrik, in einem stinkenden, matschigen, blutgetränkten Schweinepferch. Innerhalb des Smithfield-Schlachthofes dürfen sich die Besucher nur wenige Minuten aufhalten, damit der Gestank der toten Schweine ihren Kleidern und ihrem Körper nicht noch lange nach Ende des Besuchs anhaftet.

Es beginnt damit, dass die quiekenden Schlachtschweine aus ihrem Pferch auf einen Holzboden getrieben werden, wo ein Arbeiter sie betäubt, indem er ihnen am Kopf einen elektrischen Schlag versetzt. Sowie sie nach dem Stromschlag umfallen, befestigt ein Arbeiter schnell Metall- ldammern an den Hinterbeinen und hängt die Schweine mit dem Kopf nach unten an ein Förderband.

Manchmal fallen die Schweine vom Förderband und erwachen aus der Betäubung, dann müssen die Arbeiter zu ihnen hinkriechen und die Hinterbeine wieder in die Metallklammern hieven, bevor die Schweine anfangen, in dem engen Raum herumzurasen. Getötet werden die Schweine von einem Arbeiter, der den betäubten und sich oft still krümmenden Tieren die Halsschlagader durchtrennt und nahezu alles Blut ausströmen lässt. Vom blutbespritzten Schlachthof werden die frisch geschlachteten Schweine in den Brühkessel transportiert.134 Ein großer Teil des Leids, das den Tieren in den Schlachthöfen widerfährt, entsteht durch die rasende Geschwindigkeit, mit der der Tötungsvorgang ablaufen muss. Wirtschaftlicher Wettbewerb heißt, dass jeder Betrieb versucht, mehr Schweine pro Stunde zu töten als seine Konkurrenten. Von 1981 bis 1986 erhöhte sich zum Beispiel die Durchlaufgeschwindigkeit in einem großen amerikanischen Schlachtbetrieb von 225 auf 275 Tiere pro Stunde. Der Druck, immer schneller arbeiten zu müssen, schlägt sich in mangelnder Sorgfalt nieder — nicht nur mit Blick auf die Tiere.

1988 berichtete ein Ausschuss des US-Kongresses, dass kein anderer Industriezweig in den Vereinigten Staaten höhere Ver- letzungs- oder Krankheitsraten aufweist als die Schlachtindustrie.

Es wurde ausgesagt, dass jährlich 58000 in Schlachthäusern Beschäftigte verletzt werden, das sind 160 am Tag. Wie sieht wohl erst das Los der Tiere aus, wenn so nachlässig mit Menschen umgegangen wird? Ein anderes Hauptproblem dieses Industriezweigs besteht darin, dass viele Arbeitskräfte wegen der unerfreulichen Tätigkeit nicht lange bleiben, und in vielen Betrieben ist ein Wechsel der Arbeitskräfte von 60 bis 100 Prozent jährlich normal. Das bedeutet, dass ein ständiger Zustrom unerfahrener Arbeitskräfte stattfindet, denen verängstigte Tiere in einer fremden Umgebung überlassen werden.135 In Großbritannien, wo durch eine humane gesetzliche Regelung des Schlachtens zumindest theoretisch eine strenge Kontrolle der Schlachthäuser besteht, überprüfte der Farm Animal Weifare Council der Regierung Schlachthäuser und stellte fest: Wir sind zu dem Ergebnis gelangt, dass bei vielen Schlachtvorgängen Bewusstlosigkeit und Schmerzunempfindlichkeit angenommen werden, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass der Betäubungsgrad nicht ausreicht, um das Tier gegen Schmerzen unempfindlich zu machen.

Weiter hieß es, dass es zwar gesetzliche Vorschriften gebe, nach denen die Betäubung wirksam und

ohne überflüssige Schmerzen unter Verwendung geeigneter Geräte durch geschultes Personal erfolgen solle, doch »wir sind nicht überzeugt, dass diese nachdrücklich genug durchgesetzt werden.«136 Nach der Veröffentlichung dieses Berichts äußerte ein erfahrener britischer Wissenschaftler Zweifel daran, dass die Betäubung durch Strom, und zwar selbst bei sachgemäßer Durchführung, tatsächlich schmerzlos sei. Dr. Harold Hillman, Dozent für Physiologie und Leiter des Unity- Laboratoriums für angewandte Neurobiologie der University of Surrey, verweist darauf, dass Menschen, die entweder durch einen Unfall oder im Rahmen der Elektroschockbehandlung bei Geisteskrankheit Stromstößen ausgesetzt waren, über große Schmerzen berichten. Es sei bezeichnend, sagt er, dass die Elektroschocktherapie jetzt normalerweise unter Betäubung durchgeführt wird. Würde der Elektroschock die Patienten sofort schmerzunempfindlich machen, so wäre das nicht nötig. Deshalb bezweifelt Dr. Hillman auch, dass die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl human ist, durch die in einigen amerikanischen Staaten die Todesstrafe vollzogen wird; der Häftling auf dem elektrischen Stuhl sei wahrscheinlich anfänglich gelähmt, aber nicht bewusst- los. Dr. Hillman wendet sich dann der Betäubung durch elektrischen Strom im Schlachthaus zu: »Man glaubt, dass die Betäubung human sei, weil angenommen wird, dass die Tiere dabei keine Schmerzen spüren oder leiden. Das ist mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall, und zwar aus denselben Gründen, die ich bezüglich des elektrischen Stuhls genannt habe.«137 Es ist also durchaus möglich, dass das Schlachten ganz inid gar nicht schmerzlos ist, auch dann nicht, wenn es in einem modernen Schlachthaus ordnungsgemäß durchgeführt wird.

Selbst wenn diese Probleme gelöst werden könnten, bliebe beim Schlachten von Tieren noch ein Problem bestehen. In vielen Ländern, darunter auch Großbritannien und die Vereinigten Staaten, gibt es Ausnahmeregelungen für das Schlachten nach den rituellen Vorschriften der jüdischen Religion und des Islam, die fordern, dass das Tier beim Schlachten bei vollem Bewusstsein ist. Eine zweite wichtige Ausnahme besteht in den Vereinigten Staaten darin, dass der 1958 verabschiedete Federal Humane Slaughter Act nur Schlachthäuser betrifft, die der Regierung der Vereinigten Staaten oder ihren Behörden Fleisch verkaufen, und dass er bei jenen Tieren keine Anwendung findet, die den größten Anteil der getöteten Tiere stellen - beim Geflügel.

Betrachten wir diese zweite Gesetzeslücke zuerst. In den Vereinigten Staaten gibt es annähernd 6100 Schlachthöfe, doch nicht einmal 1400 wurden im Namen der Bundesregierung auf die Einhaltung der gesetzlichen Schlachtvorschriften überprüft. Die übrigen 4700 können deshalb völlig legal das überholte und barbarische Schlachtbeil benutzen; und diese Methode ist tatsächlich in einigen amerikanischen Schlachthäusern noch üblich.

In Wirklichkeit ist das Schlachtbeil eher ein schwerer Vorschlaghammer als ein Beil. Die Person, die den langstieligen Hammer führt, steht über dem Tier und versucht, es mit einem einzigen Schlag zu betäuben. Das Problem besteht darin, dass das Ziel sich bewegt und dass bei dem weit ausholenden Schlag sorgfältig gezielt werden muss; der Erfolg ist nämlich davon abhängig, dass der Hammer auf einer bestimmten Stelle des Kopfes landet; es ist aber ziemlich wahrscheinlich, dass verschreckte Tiere ihren Kopf bewegen. Geht der Schlag auch nur leicht daneben, kann der Hammer das Auge oder die Nase des Tieres zertrümmern; schlägt das Tier dann vor Schmerzen und Angst um sich, sind wahrscheinlich mehrere weitere Schläge nötig, um es zu betäuben. Auch ein noch so geübter Arbeiter kann unmöglich bei jedem Schlag ganz genau treffen. Geht aber bei einem Soll von achtzig oder mehr zu tötenden Tieren in der Stunde nur jeder hundertste Schlag daneben, dann bedeutet das immer noch jeden Tag für mehrere Tiere fürchterliche Schmerzen. Auch darf nicht vergessen werden, dass der sichere Umgang mit dem Schlachtbeil sehr viel Übung erfordert.

Die Einübung neuer Arbeitskräfte findet an den lebenden Tieren statt.

Warum werden solche allgemein als inhuman erachteten primitiven Methoden überhaupt noch angewandt? Der Grund ist der gleiche wie bei vielen anderen Aspekten der »Fleischproduktion«: sind humane Methoden teurer, oder verringert sich durch sie die Zahl der pro Stunde getöteten Tiere, so kann sie ein Betrieb sich nicht leisten, wenn Konkurrenzunternehmen weiterhin nach der

alten Methode arbeiten.

Die Kosten der Ladung für das Bolzenschussgerät betragen pro Tier nur ein paar Pfennige, doch das ist genug, um sie nicht einzusetzen. Die elektrische Betäubung ist langfristig billiger, doch die Einrichtung ist teuer. Zwingt das Gesetz die Schlächter nicht zur Übernahme einer dieser Methoden, so werden diese wahrscheinlich auch nicht angewandt.

Die zweite wichtige Lücke in der Gesetzgebung für humanes Schlachten ist, dass Schlachtungen nach religiösen Ritualen die Vorschrift der vorherigen Betäubung der Tiere nicht berücksichtigen müssen. Die Ernährungsvorschriften des orthodoxen Judentums und des Islam verbieten das Essen des Fleisches von Tieren, die zum Zeitpunkt der Tötung nicht »gesund sind und sich bewegen«. Die Betäubung wird als Zufü- gung einer Verletzung im Vorfeld des Aufschneidens der Halsschlagader aufgefasst und ist deshalb nicht akzeptabel. Ursprünglich mag hinter dieser Vorschrift die Idee gestanden haben, das Essen des Fleisches von Tieren zu verbieten, die krank oder tot aufgefunden wurden; nach der heutigen orthodoxen Religionsinterpretation verbietet dieses Gesetz jedoch auch die Betäubung des Tieres wenige Sekunden vor der Tötung. Die Tötung soll durch einen einzigen Schnitt mit einem scharfen Messer durch Halsschlagader und Drosselvene ausgeführt werden. Zu der Zeit, als diese Schlachtmethode im jüdischen Gesetz festgeschrieben wurde, war sie wahrscheinlich humaner als jede andere; heute jedoch ist sie auch unter den besten Bedingungen weniger human als beispielsweise die Verwendung eines Bolzenschussgeräts, bei der das Tier sofort gegen Schmerzen zumindest weniger empfindlich wird.

Darüber hinaus verkehren die besonderen in den Vereinigten Staaten bestehenden Umstände diese Schlachtmethode in eine groteske Karikatur jeglicher humanen Absichten, die ursprünglich einmal hinter ihr gestanden haben mögen. Verantwortlich dafür ist die Kombination der Anforderungen des rituellen Schlachtens mit denen des Pure Food and Drug Act von 1906, der aus hygienischen Gründen festlegt, dass ein I ier nicht in das Blut eines zuvor geschlachteten Tieres fallen darf. Praklisch heißt dies, dass das Tier an einem Förderband oder auf andere Art über dem Fußboden hängend getötet werden muss, statt auf dem Boden liegend. Diese Forderung bedeutet keine Beeinträchtigung für ein Tier, das vor der Tötung vollständig betäubt wird, denn es wird erst dann aufgehängt, wenn es das Bewusstsein verloren hat; sie hat aber fürchterliche folgen, wenn verlangt wird, dass das Tier bei der Tötung bei Bewusstsein ist. Statt dass man die Tiere schnell zu Fall bringt und, sobald sie liegen, tötet, wird ihnen in den Vereinigten Staaten bei der rituellen Schlachtung an einem Hinterbein eine Kette angelegt; dann werden sie hochgezogen und hängen bei vollem Bewusstsein mit dem Kopf nach n nten für zwei bis fünf Minuten am Förderband — gelegentlich, wenn in der »Tötungskette« etwas schiefgeht, auch viel länger bis der Schläch- ler seinen Schnitt macht. Der Vorgang wird folgendermaßen beschriehen: Wird eine schwere Eisenkette um das Bein eines 500 bis 1000 kg schweren Rindes gespannt und es dann mit einem Ruck von den Füßen gerissen und hochgezogen, so reißt die Haut auf und legt den Knochen frei.

Oft splittert oder bricht dabei der Mittelfußknochen.138 1 )en Kopf nach unten, mit zerrissenen Gelenken und oft auch einem gebrochenen Bein, windet sich das Tier wie rasend vor Schmerzen und Schrecken, so dass es am Nacken festgehalten oder durch Einsetzen einer Klammer in die Nüstern »ruhiggestellt« werden muss, damit der Schlächter das Tier mit einem einzigen Schnitt töten kann, wie es das religiöse Gebot vorschreibt. Es ist kaum ein deutlicheres Beispiel vorstellbar, wie das Kleben an den Buchstaben des Gesetzes dessen Geist verfälschen kann. (Ich sollte allerdings erwähnen, dass sogar orthodoxe Rabbis das Betäubungsverbot vor der Tötung nicht einmütig unterstützen; in Schweden, Norwegen und der Schweiz zum Beispiel haben die Rabbis die Gesetzgebung anerkannt, die ohne Ausnahme für rituelle Schlachtungen die Betäubung der Tiere fordert. Viele Muslime akzeptieren ebenfalls die Betäubung vor dem Schlachten).139 Die amerikanische Society for the Prevention of Cruelty to Animals [Gesellschaft zum Schutz von

Tieren vor Grausamkeit] hat eine Vorrichtung entwickelt, mit der es möglich ist, ein bei Bewusstsein befindliches Tier in Ubereinstimmung mit den amerikanischen Hygienevorschriften zu töten, ohne dass das Tier an einem Bein hochgezogen werden muss. Das Gerät wird jetzt bei annähernd 80 Prozent der rituellen Großtierschlachtungen benutzt, aber nur bei weniger als 10 Prozent der geschlachteten Kälber. Temple Grandin von der Firma Grandin Livestock Handling Systems, Inc., sagt: »Da religiöse Schlachtungen vom Humane Slaughter Act ausgenommen sind, sind manche Betriebe nicht bereit, für die Humanität Geld auszugeben.«140 Leute, die keine jüdischen oder islamischen Ernährungsvorschriften befolgen, glauben wahrscheinlich, das Fleisch, das sie kaufen, sei nicht auf so altmodische Art getötet worden; doch sie könnten sich täuschen. Denn Fleisch, das von orthodoxen Rabbis als »koscher« anerkannt werden soll, muss nicht nur von einem Tier stammen, das bei vollem Bewusstsein getötet wurde, es muss auch von verbotenem Gewebe wie Blutgefäßen, Lymphknoten und dem Ischiasnerv und dessen Verzweigungen befreit sein. Diese Bestandteile aus den hinteren Vierteln der Tiere herauszuschneiden ist eine mühsame Arbeit, und deshalb werden nur die vorderen Viertel als koscheres Fleisch verkauft, während der Rest ohne jede Kennzeichnung seiner Herkunft in den Regalen der Supermärkte landet. Das bedeutet, dass sehr viel mehr Tiere ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden, als zur Befriedigung der Nachfrage nach dieser Art Fleisch nötig wären. Der britische Farm Animal Weifare Council hat geschätzt, dass »ein großer Anteil« des nach rituellen Methoden geschlachteten Fleisches über den offenen Markt vertrieben wird.141 Das Schlagwort »Religionsfreiheit« und der Vorwurf des Antisemitismus gegen jene, die die rituelle Schlachtung bekämpfen, haben genügt, um in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und vielen anderen Ländern Eingriffe des Gesetzgebers in diese Praxis zu verhindern. Aber man muss ganz offensichtlich nicht antisemitisch oder gegen den Islam eingestellt sein, um Einwände gegen das zu haben, was Tieren im Namen der Religion angetan wird. Für die Angehörigen beider Religionen wird es Zeit, nochmals darüber nachzudenken, ob die gegenwärtigen Interpretationen der Gebote, die das Schlachten betreffen, noch in Einklang mit dem stehen, was ihre Religion über das Mitleid lehrt. Wer kein Feisch essen will, das auf eine Weise geschlachtet wurde, die nicht mit den Geboten der gegenwärtigen Lehre seiner oder ihrer Religion übereinstimmt, hat in der Zwischenzeit eine einfache Alternative: überhaupt kein Fleisch zu essen. Mit diesem Vorschlag verlange ich von Gläubigen nicht mehr als von mir selbst; allerdings sind in ihrem Fall die Gründe für dieses Verhalten wegen des zusätzlichen Leidens, das die Produk- i ionsweise des von ihnen verzehrten Fleisches mit sich bringt, noch stärker.

Wir leben in einer Zeit gegensätzlicher Strömungen. Die einen bestehen darauf, auch weiterhin Tiere nach biblischen Schlachtmethoden zu töten, und gleichzeitig entwickeln unsere Wissenschaftler revolutionäre Methoden, mit denen sie die Hoffnung verbinden, gerade die Natur der Tiere selbst zu verändern. Ein folgenschwerer Schritt in Richtung auf eine von Menschen entworfene Tierwelt erfolgte 1988, als das US- l'atentamt Wissenschaftlern der Harvard University ein Patent fiir eine gentechnisch veränderte Maus erteilte, die besonders anfällig für Krebs ist und deshalb zur Prüfung von krebserzeugenden Substanzen benutzt werden kann. Die Gewährung folgte einer Entscheidung des Obersten (ierichts aus dem Jahr 1980, die es ermöglicht hatte, von Menschen hergestellte Mikroorganismen patentieren zu lassen, aber dies war das erste Mal, dass ein Patent für ein Tier vergeben wurde.142 Religionsführer, Tierrechtler, Umweltschützer und Viehzüchter (denen die Aussicht Sorgen macht, Lizenzgebühren zahlen zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben) haben sich jetzt zusammengetan, um zu erreichen, dass die Patentierung von Tieren eingestellt wird. In der Zwischenzeit machen sich gentechnische Betriebe schon daran, auf Agrar- business-Kreise einzuwirken, damit sie Gelder in die Forschung zur Schaffung neuer Tiere investieren. Wenn der Druck der Öffentlichkeit solchen Unternehmungen kein Ende setzt, wird mit Tieren, die in kürzerer Zeit mehr Gewicht zulegen oder mehr Milch oder Eier produzieren, ein riesiges Vermögen zu machen sein.

Die Bedrohung des Wohls der Tiere ist schon jetzt offensichtlich. Forscher an der Versuchsfarm des US-Landwirtschaftsministeriums in Beltsville in Maryland haben Schweinen Gene für Wachstumshormone übertragen. Bei diesen gentechnisch manipulierten Schweinen traten erste Nebenwirkungen auf, darunter Lungenentzündung, innere Blutungen und eine schwere Form einer zu Verkrüppelungen führenden Arthritis. Anscheinend erreichte nur eines der Schweine das Erwachsenenalter und lebte auch nur zwei Jahre. Dieses Schwein wurde im britischen Fernsehen gezeigt, und zwar gar nicht unpassend in der Sendung The Money Programme. Das Schwein konnte nicht stehen.143 Einer der verantwortlichen Forscher sagte der Washington Times: Unser Stadium entspricht dem der Gebrüder Wright, verglichen mit der Boeing 747. Wir werden noch einige Jahre lang Rückschläge erleben und eine Zeitlang kaum vom Boden abheben. Aber die Rückschläge werden die Tiere treffen, nicht die Forscher.

Die Washington Times zitierte auch Verteidiger der Gentechnik, die das Tierschutzargument mit der Begründung zurückwiesen: Seit Jahrhunderten kreuzen Menschen Tierarten bei der Zucht, domestizieren Tiere, schlachten sie und beuten sie auf andere Art aus. Nichts wird sich daran grundsätzlich ändern.144 Dieses Kapitel hat gezeigt, dass das wahr ist. Lange Zeit haben wir Tiere als bloße Gegenstände für unsere Annehmlichkeiten behandelt, und in den letzten dreißig Jahren haben wir unsere neuesten wissenschaftlichen Methoden an ihnen angewandt, damit sie unseren Zwecken besser dienen. Die Gentechnik ist in einem bestimmten Sinne revolutionär, aber andererseits ist sie lediglich eine weitere Art, Tiere unseren Zwecken zu unterwerfen. Die wirkliche Notwendigkeit besteht darin, dass unsere Einstellungen und Handlungsweisen sich grundlegend ändern.

4 Die Entscheidung für eine vegetarische Lebensweise oder wie wir weniger Leid und mehr Nahrung erzeugen und zugleich den Schaden für die Umwelt verringern können Nachdem wir nun das Wesen des Speziesismus verstanden und die Konsequenzen betrachtet haben, die er fiir nichtmenschliche Tiere hat, müssen wir uns jetzt fragen: Was können wir dagegen tun?

Wir können liegen den Speziesismus vieles tun, und wir sollten diese Möglichkeiten nutzen. Wir sollten zum Beispiel über die Themen, die in diesem Buch lies prochen werden, Briefe an unsere Abgeordneten schreiben, wir soll- len unseren Freunden und Freundinnen diese Fragen bewusstmachen; wir sollten unsere Kinder so erziehen, dass ihnen das Wohlergehen aller

empfindenden Wesen wichtig ist; und wir sollten öffentlich für die Sa- c lie nichtmenschlicher Tiere eintreten, wann immer sich eine wirkungsvolle Gelegenheit dazu bietet. Dies alles sollten wir tun, doch zugleich können wir noch etwas anderes, etwas äußerst Wichtiges tun; es unter- si reicht all unsere sonstigen Aktivitäten für die Tiere, macht sie in sich schlüssig und gibt ihnen einen Sinn.

Wir müssen die Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen und es so weit wie möglich von Grausamkeit befreien. Der erste Schritt besteht darin, dass wir aufhören, Tiere zu essen. Viele Menschen, die gegen Grausamkeit gegenüber Tieren sind, ziehen dort eine Grenze, wo es um die Entscheidung geht, kein Heisch mehr zu essen. Uber solche Menschen sagte Oliver Goldsmith, ein humanitärer Essayist aus dem 18. Jahrhundert: »Sie haben Mitleid, und sie essen die Objekte ihres Mitleids«.1 Vielleicht ist es rein logisch betrachtet nicht widersprüchlich, sowohl aus Mitleids- als auch aus Geschmacksgründen ein Interesse an Tieren /.u haben. Wer dagegen ist, dass Tieren Leid zugefügt wird, aber nichts dagegen hat, dass Tiere schmerzlos getötet werden, könnte ohne Widerspruch das Fleisch von Tieren essen, die frei von allem Leid lebten und schnell und schmerzlos getötet wurden.

Praktisch und psychologisch ist es jedoch unmöglich, in der Sorge um nichtmenschliche Tiere konsequent zu sein und sie gleichzeitig weiterhin zu essen. Sind wir bereit, das Leben eines anderen Wesens zu beenden, nur um unsere Geschmacksvorliebe für eine bestimmte Art der Nahrung zu befriedigen, dann ist dieses Lebewesen lediglich ein Mittel zu unseren Zwecken. Wie stark auch immer unser Mitleid sein mag, mit der Zeit werden wir Schweine, Rinder und Hühner als Dinge ansehen, die dazu da sind, von uns benutzt zu werden, und wenn es sich herausstellt, dass ihre Lebensbedingungen ein bisschen verändert werden müssen, damit wir weiterhin zu erschwinglichen Preisen mit ihren Körpern versorgt werden können, dann betrachten wir diese Veränderungen wahrscheinlich nicht besonders kritisch. Die Tierfabrik ist lediglich die Anwendung der Technik auf die Vorstellung, dass Tiere Mittel zu unseren Zwecken sind. Unsere Essgewohnheiten sind uns teuer und nicht leicht zu verändern. Wir haben ein starkes Interesse daran, uns selbst zu überzeugen, dass unsere Sorge um andere Tiere nicht von uns verlangt, sie nicht mehr zu essen. Kein Mensch, der daran gewöhnt ist, Tiere zu essen, kann völlig unvoreingenommen beurteilen, ob die Bedingungen, unter denen das Tier gehalten wird, Leid verursachen.

Es ist praktisch nicht möglich, in großem Maßstab Tiere zu Nahrungszwecken aufzuziehen, ohne ihnen dadurch beträchtliches Leid zuzufügen. Auch wenn keine Intensivhaltung betrieben wird, sind mit der traditionellen Tierhaltung doch Kastration, Trennung von Mutter und Kind, die Zerstörung sozialer Gefuge, das Anbringen von Brandzeichen, der Transport zum Schlachthof und schließlich das Schlachten selbst verbunden. Es ist nur schwer vorstellbar, wie Tiere ohne solche Leidensformen zu Nahrungszwecken aufgezogen werden könnten. Vielleicht wäre das in geringem Umfang möglich, doch wir könnten nie und nimmer die Bevölkerung unserer großen Städte mit so produziertem Fleisch ernähren. Und wäre es möglich, dann würde dieses Fleisch sehr viel mehr kosten als heute - und die Aufzucht von Tieren ist jetzt schon eine teure und ineffiziente Methode zur Produktion von Eiweiß. Das Fleisch von Tieren, die unter Beachtung des Grundsatzes der gleichen Berücksichtigung ihres Wohlergehens aufgezogen und dann getötet würden, wäre eine Delikatesse, die sich nur die Reichen leisten könnten.

Dies alles ist aber für die augenblickliche Betrachtung der ethischen Aspekte unserer täglichen Ernährung ziemlich unwichtig. Welche Möglichkeiten es auch immer theoretisch geben mag, Tiere unter Vermeidung von Leiden aufzuziehen, ist es eine Tatsache, dass das Fleisch, das Metzger und Supermärkte verkaufen, von Tieren stammt, deren Wohlergehen bei Aufzucht und Haltung nicht ernsthaft berücksichtigt wurde. Deshalb dürfen wir uns nicht fragen: Ist es überhaupt richtig, Fleisch zu essen?, sondern wir müssen uns fragen: Ist es richtig, dieses Fleisch zu essen? Ich meine, dass die so formulierte Frage beide Lager vereint: Sowohl jene, die gegen das unnötige Töten von Tieren sind, als auch jene, die nur dagegen sind, Tieren Leid zuzufügen, müssen diese Frage verneinen.

Sich für eine vegetarische Ernährung zu entscheiden, ist nicht nur eine symbolische Geste. Es ist auch kein Versuch, sich von der häss- lichen Realität der Welt abzuschotten, sich reinzuhalten von

den allgegenwärtigen Grausamkeiten und dem Gemetzel und die Verantwortung ilafür abzulehnen.

Die Entscheidung für eine vegetarische Lebensweise ist ein äußerst praktischer und wirksamer Schritt, um sowohl die Tötung nichtmenschlicher Tiere zu beenden als auch zu verhindern, dass ihnen Leid zugefügt wird. Nehmen wir einmal an, wir wären nur mit dem Leid nicht einverstanden, hätten aber nichts gegen die Tötung der Tiere. Wie könnten wir dann die Verwendung intensiver Haltungsmethoden von der Art, wie sie im vorhergehenden Kapitel beschrieben worden sind, verhindern?

Solange die Menschen bereit sind, die Erzeugnisse der intensiven Tierzucht und -haltung zu kaufen, werden die üblichen Formen des l'rotests und des politischen Handelns niemals eine wesentliche Reform bewirken. Selbst in dem als tierfreundlich geltenden Großbritannien, wo die breite, durch Ruth Harrisons Buch Tiermaschinen ausgelöste Kontroverse die Regierung gezwungen hatte, eine Gruppe unabhängiger l'.xperten (der Brambell-Ausschuss) damit zu beauftragen, die Frage der Misshandlung von Tieren zu untersuchen und Verbesserungsmöglichkeiten zu empfehlen, weigerte sich die Regierung schließlich, diesen l'.mpfehlungen zu folgen. Und als der Landwirtschaftsausschuss des Unterhauses 1981 eine weitere Untersuchung über intensive Tierhaltung durchführte und daraus ebenfalls Empfehlungen zur Vermeidung der schlimmsten Missbräuche hervorgingen, geschah wieder nichts.2 Wenn das schon das Schicksal der Reformbewegung in Großbritannien war, ist in den Vereinigten Staaten nichts Besseres zu erwarten, denn dort ist die I ,obby des Agrarbusiness noch mächtiger.

Das soll nicht heißen, die normalen Wege des Protests und des poli- i ischen Handelns seien nutzlos und sollten aufgegeben werden. Sie sind im Gegenteil ein notwendiger Teil des gesamten Kampfes für wirksame Veränderungen im Umgang mit Tieren. Gerade in Großbritannien haben Organisationen wie Compassion in World Farming das Problem im Bewusstsein der Öffentlichkeit gehalten und schließlich sogar die Beendigung der Kälberhaltung in Mastboxen erreicht. Und in jüngerer Zeit haben amerikanische Gruppen ebenfalls angefangen, die Öffentlichkeit auf die Probleme der Intensivhaltung aufmerksam zu machen. Aber das allein genügt nicht.

Die Leute, die durch die Ausbeutung einer großen Zahl von Tieren (iewinne erwirtschaften, brauchen unsere Zustimmung nicht. Sie brauchen aber unser Geld. Der Erwerb der Leichen der Tiere, die sie produzieren, ist die wichtigste Unterstützung, die die industriellen Tierproduzenten von der Öffentlichkeit haben möchten (umfangreiche staatliche Subventionen sind in vielen Ländern eine weitere). Sie werden die Methoden der intensiven Tierhaltung so lange einsetzen, wie sie die dabei produzierten Erzeugnisse verkaufen können; so lange werden sie die finanziellen Mittel haben, um Reformen politisch zu verhindern, und sie werden sich gegen Kritik mit der Erwiderung wehren können, sie lieferten der Bevölkerung doch nur, was sie sich wünsche.

Dies konfrontiert uns alle mit der Notwendigkeit, die Erzeugnisse der modernen Tierproduktion nicht mehr zu kaufen - und zwar auch dann, wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass es falsch ist, Tiere zu essen, die ein glückliches Leben hatten und schmerzlos gestorben sind. Vegetarismus ist eine Form des Boykotts. Für die meisten Menschen, die sich vegetarisch ernähren, ist es ein Dauerboykott, denn nachdem sie sich einmal von der Gewohnheit des Fleischessens gelöst haben, können sie die Schlachtung von Tieren zur Befriedigung der eigenen trivialen Gaumenfreuden nicht mehr gutheißen. Doch die moralische Verpflichtung zum Boykott des in Metzgereien und Supermärkten erhältlichen Fleisches ist für diejenigen genauso bindend, die nur etwas gegen die Zufü- gung von Leid und nichts gegen die Tötung haben. Solange wir nicht Fleisch und alle anderen Produkte aus Tierfabriken boykottieren, tragen wir alle, jeder und jede einzelne von uns, zum Fortbestehen, zum Wohlstand und zum Wachstum der Tierfabriken und aller übrigen grausamen Praktiken bei, die bei der Aufzucht und Haltung von Tieren zu Nahrungszwecken eingesetzt werden.

An dieser Stelle finden die Konsequenzen des Speziesismus unmittelbaren Eingang in unser Leben und zwingen uns, die Aufrichtigkeit unserer Besorgnis um nichtmenschliche Tiere persönlich unter Beweis zu stellen. Hier bietet sich die Gelegenheit, etwas zu tun, statt nur zu reden und zu ersehnen,

dass die Politiker etwas unternehmen. Es ist leicht, zu irgendeinem abgelegenen Problem Stellung zu beziehen, doch die wirklichen Speziesisten und Rassisten zeigen sich, wenn die Problematik in ihr eigenes Lebensumfeld eindringt. Gegen die Stierkämpfe in Spanien zu protestieren, gegen den Verzehr von Hunden in Südkorea oder das Abschlachten von jungen Robben in Kanada, während man selbst weiterhin Eier von Hühnern isst, die ihr Dasein in überfüllten Käfigen fristen, oder das Fleisch von Kälbern, die ihrer Mutter, ihrer natürlichen Nahrung und der Freiheit, sich mit ausgestreckten Beinen hinzulegen, beraubt wurden, das ist, als würde man öffentlich gegen die Apartheid in Südafrika protestieren und gleichzeitig seine Nachbarn auffordern, ihr I laus nicht an Schwarze zu verkaufen.

Um den Boykottcharakter einer vegetarischen Lebensweise noch wirksamer zu machen, sollten wir unsere Weigerung, Fleisch zu essen, nicht verbergen. Vegetarisch lebende Menschen werden in fleischessenden (lesellschaften immer nach den Gründen für ihre seltsame Ernährung gefragt. Das kann irritierend sein und sogar lästig, aber es bietet auch eine Gelegenheit, Menschen über die Grausamkeiten aufzuklären, deren sie sich möglicherweise nicht bewusst sind. (Ich selbst hörte zum ersten Mal etwas über die industrielle Massentierhaltung, als sich ein Vegetarier die Zeit nahm, mir zu erklären, warum er nicht das Gleiche aß wie ich.) Wenn ein Boykott die einzige Möglichkeit ist, um die Grausamkeit zu beenden, dann müssen wir so viele Menschen wie möglich ermutigen, sich diesem Boykott anzuschließen. Das kann uns nur dann gelingen, wenn wir selbst ein Beispiel geben.

Manche Leute versuchen, das Fleischessen damit zu rechtfertigen, dass das Tier ja schon tot gewesen sei, als sie es kauften. Verstehen wir die vegetarische Lebensweise als eine Form des Boykotts, dann sollte die IJntauglichkeit einer solchen rationalen Bemäntelung - die mir schon oll in vollem Ernst vorgetragen wurde - sofort erkennbar sein. Die Trauben aus nicht der Gewerkschaft angeschlossenen Betrieben, die während des Traubenboykotts, den Cesar Chavez initiierte, um die Löhne und Arbeitsbedingungen der Traubenpflücker zu verbessern, in den Geschäften angeboten wurden, waren auch schon von unterbezahlten Arbeitskräften geerntet worden, und wir konnten die Bezahlung dieser Arbeitskräfte im Nachhinein genauso wenig erhöhen, wie wir unser Steak wieder zum Leben erwecken können. In beiden Fällen besteht das Ziel nicht darin, die Vergangenheit zu ändern, sondern darin, den Fortbesland der Zustände zu verhindern, gegen die wir protestieren.

Ich habe den Aspekt des Boykotts bei der vegetarischen Lebensweise so stark hervorgehoben, dass sich manche Leser und Leserinnen fragen könnten, ob denn durch den Verzicht auf das Essen von Fleisch überhaupt etwas erreicht worden ist, wenn es sich herausstellen sollte, dass der Boykott nicht um sich greift und somit wirkungslos bleibt. Doch wir müssen oft etwas wagen, wenn wir uns des Erfolgs nicht sicher sein können, und sollte das alles sein, was gegen eine vegetarische Lebensweise vorgebracht werden kann, dann ist es kein Argument dagegen. Es hätte keine der großartigen Bewegungen gegen Unterdrückung und l Jngerechtigkeit gegeben, wenn ihre Führer mit ihren Anstrengungen so lange gewartet hätten, bis ihnen der Erfolg sicher gewesen wäre. Was den Vegetarismus betrifft, glaube ich allerdings, dass wir, auch wenn der Boykott selbst keinen Erfolg haben sollte, durch jede einzelne unserer Handlungen etwas erreichen. George Bernard Shaw sagte einmal, bei seinem Tod würden zahlreiche Schafe, Rinder, Schweine und Hühner und ein ganzer Schwärm Fische den Trauerzug begleiten, alle voller Dankbarkeit, dass ihnen wegen seiner vegetarischen Ernährung das Schlachten erspart geblieben sei. Wir können zwar keine Tiere einzeln ausmachen, die von unserer Entscheidung für eine vegetarische Ernährung profitieren, aber wir können annehmen, dass unsere eigene Ernährung zusammen mit der vieler anderer, die Fleisch bereits meiden, einen Einfluss auf die Zahl der Tiere hat, die in den Tierfabriken aufgezogen, gehalten, gemästet und zu Nahrungszwecken geschlachtet werden. Diese Annahme ist vernünftig, denn die Zahl der gezüchteten und geschlachteten Tiere hängt von der Gewinnträchtigkeit dieses Prozesses ab, und der Gewinn hängt zum Teil von der Nachfrage nach diesem Erzeugnis ab. Je geringer die Nachfrage, desto niedriger der Preis und desto geringer auch der Gewinn. Je geringer der Gewinn, desto weniger Tiere werden gezüchtet und geschlachtet. Das ist einfache Volkswirtschaftslehre, und aus den Aufstellungen, die zum Beispiel in den Zeitschriften der

Geflügelwirtschaft veröffentlicht werden, ist leicht ersichtlich, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Geflügelpreis und der Zahl der Hühner besteht, die in Mastschuppen untergebracht werden, um ihr freudloses Leben zu beginnen.

Der Vegetarismus beruht also sogar auf einer stärkeren Grundlage als die meisten anderen Boykotts oder Proteste. Wer südafrikanische Produkte boykottierte, damit die Apartheid abgeschafft würde, hatte nichts erreicht, solange nicht der Boykott die weißen Südafrikaner zwang, ihre Politik zu ändern (doch auch unabhängig vom Ergebnis wäre der Versuch jedenfalls die Mühe wert gewesen).

Menschen, die sich vegetarisch ernähren, wissen aber, dass sie durch ihr Handeln dazu beitragen, dass weniger Tiere leiden und geschlachtet werden, ganz unabhängig davon, ob sie es erleben werden, dass ihre Anstrengungen einen breiten Fleischboykott auslösen, der die Grausamkeit bei der Tierhaltung beendet.

Neben diesen Aspekten ist die Entscheidung für eine vegetarische Ernährung auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil vegetarisch lebende Menschen eine praktische, lebende Widerlegung einer verbreiteten, jedoch völlig falschen Verteidigung der Methoden der intensiven Massentierhaltung sind. Manchmal heißt es, diese Methoden seien zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung nötig. Weil bei dieser Frage die Wahrheit so wichtig ist - tatsächlich wichtig genug, um eine uberzeugende Begründung für eine vegetarische Ernährungsweise zu lie- lern, die völlig unabhängig von der in diesem Buch betonten Frage des Wohlergehens der Tiere ist -, möchte ich einen kleinen Exkurs machen und die Grundlagen der Nahrungserzeugung kurz behandeln. letzt, in diesem Augenblick, haben Millionen von Menschen in vielen Ieilen der Welt nicht genug zu essen. Darüber hinaus haben Millionen von Menschen zwar genug, aber nicht die richtige Art von Nahrung; meistens erhalten sie nicht genügend Eiweiß. Die Frage ist: Leisten die Methoden der Nahrungserzeugung in den reichen Nationen einen Bei- I rag zur Lösung des Hungerproblems?

Jedes Tier muss Nahrung zu sich nehmen, um zu der Größe und dem (lewicht heranzuwachsen, die zur Verwertung bei der menschlichen Ernährung als geeignet gelten. Nehmen wir an, ein Kalb grast auf natürli- • hem Weideland, auf dem außer Gras nichts wächst und auf dem kein Mais oder andere für die menschliche Ernährung geeignete Feldfrüchte .ingebaut werden könnten. In diesem Fall ist das Ergebnis ein Nettogewinn an Eiweiß für den Menschen, da das gewachsene Kalb uns Eiweiß liefert, das wir (noch) nicht wirtschaftlich aus Gras gewinnen können. Nehmen wir aber dasselbe Kalb und stellen es auf eine Mastkoppel oder sperren es in einen Maststall, verändert sich das Bild vollständig. |elzt muss das Kalb gefüttert werden. Unabhängig davon, auf wie engem Raum das Kalb und seine Gefährten zusammengepfercht werden, ist I ,and notwendig, um den Mais anzubauen, die Hirse, die Sojabohnen oder was auch immer das Kalb isst. Jetzt wird das Kalb mit Erzeugnissen gefüttert, die auch der menschlichen Ernährung dienen könnten. Den größten Teil dieses Futters verbraucht das Kalb zur Aufrechterhaltung der normalen physiologischen Lebensprozesse. Wie streng das Kalb auch daran gehindert wird, sich zu bewegen, sein Körper muss dennoch Futter verbrennen, um überhaupt am Leben zu bleiben. Außerdem dient das Futter auch zum Aufbau nicht essbarer Körperteile wie der Knochen. Nur das über den lebenserhaltenden Grundbedarf hinausgehende I iitter wird in Fleisch umgewandelt und schließlich von Menschen gegessen.

Welchen Anteil des Eiweißes in seinem Futter verbraucht das Kalb, und welcher Anteil ist für Menschen verfügbar? Die Antwort ist erstaunlich. Man muss einundzwanzig Kilogramm Eiweiß an ein Kalb verfüttern, um ein einziges Kilogramm tierisches Eiweiß für den Menschen zu erhalten.

Wir bekommen weniger als fünf Prozent dessen zurück, was wir investiert haben. Kein Wunder, dass Frances Moore Lappe diese Art der Landwirtschaft als »eine umgekehrt arbeitende Eiweißfabrik« beschrieben hat!3 Wir können die Sache auch so betrachten: Angenommen, wir haben etwa einen Hektar fruchtbares Land. Wir können auf diesem Land proteinreiche pflanzliche Nahrung wie Erbsen oder Bohnen anbauen. In diesem Fall erwirtschaften wir auf diesem Land 300-500 kg Eiweiß. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass wir auf diesem Hektar Land Futtermittel für Tiere anbauen, die wir

dann töten und essen. In diesem Fall erhalten wir am Ende zwischen 40 und 45 kg Eiweiß von unserem Hektar Land. Interessanterweise wandeln fast alle Tiere pflanzliches Eiweiß effizienter in tierisches Eiweiß um als Rinder — ein Schwein braucht beispielsweise »nur« acht Kilogramm Eiweiß, um ein Kilogramm Eiweiß für den Menschen zu erzeugen —, doch wenn wir bedenken, wieviel Protein wir pro Hektar produzieren können, wird dieser Vorteil fast vollständig wieder dadurch zunichte gemacht, dass Rinder Eiweißquellen verwerten, die für Schweine unverdaulich sind. So kommen die meisten Schätzungen zu dem Ergebnis, dass pflanzliche Nahrung den zehnfachen Eiweißertrag pro Hektar erbringt wie Fleisch, wobei die Schätzungen schwanken und manchmal sogar ein Verhältnis von zwanzig zu eins angenommen wird.4 Verwenden wir die Tiere zur Erzeugung von Milch und Eiern, anstatt sie zu töten und zu essen, erhöht sich der Ertrag beträchtlich. Nichtsdestoweniger müssen die Tiere Eiweiß für sich selbst verbrauchen, und auch bei den effizientesten Formen der Milch- und Eiererzeugung liegt der Ertrag nur bei einem Viertel des Eiweißes, den wir über pflanzliche Nahrung pro Hektar Land erhalten.

Eiweiß ist natürlich nur einer der notwendigen Nährstoffe. Vergleichen wir die Gesamtzahl der durch pflanzliche Nahrung erzeugten Kalorien mit dem Kalorienertrag tierischer Nahrung, endet der Vergleich immer noch zugunsten der Pflanzen. Der Vergleich der Erträge von einem Hektar Land mit Hafer oder Brokkoli und den Erträgen von einem Hektar Land mit Futtermitteln zur Produktion von Schweinefleisch, Milch, Geflügel oder Rindfleisch zeigt, dass der Hektar Hafer den sechsfachen Kalorienertrag erzielt wie Schweinefleisch, das effizienteste der tierischen Produkte. Der Hektar Brokkoli erzielt verglichen mit dem Schweinefleisch fast den dreifachen Kalorienertrag.

Hafer erzeugt gegenüber Rindfleisch pro Hektar mehr als die fünfundzwanzigfache Menge Kalorien. Der Blick auf einige andere Nährstoffe erschüttert weitere, von der Fleisch- und Milchindustrie gepflegte Mythen. Zum Beispiel erzeugt ein Hektar Brokkoli verglichen mit einem Hektar, der für die Rind-lleischproduktion genutzt wird, die vierundzwanzigfache Menge Eisen, und ein Hektar Hafer die sechzehnfache Menge. Zwar erzeugt die Milchproduktion verglichen mit Hafer mehr Kalzium pro Hektar, doch Brokkoli erzielt gegenüber Milch mit der fünffachen Kalziumproduk- lion ein noch viel besseres Ergebnis.5 Die Konsequenzen all dessen für die weltweite Ernährungssituation sind erschütternd. Lester Brown vom Overseas Development Council schätzte 1974, dass eine Abnahme des Fleischkonsums der Amerikaner um nur 10 Prozent für ein Jahr mindestens 12 Millionen Tonnen Ge- i leide für die menschliche Ernährung freisetzen würde — genug zur l'.rnährung von 60 Millionen Menschen.

Don Paarlberg, ein früherer stellvertretender US-Landwirtschaftsminister, sagte, dass schon die Reduktion des amerikanischen Viehbestands um die Hälfte genügend Nahrungsmittel verfügbar machen würde, um den Kalorienmangel der nichtsozialistischen unterentwickelten Länder in vierfacher Höhe auszubleichen.6 In der Tat würde die in den reichen Ländern für die Tiererzeul'iing verschwendete Nahrung ausreichen, um bei richtiger Verteilung dem Hunger und der Unterernährung auf der ganzen Welt ein Ende zu bereiten. Die einfache Antwort auf unsere Frage lautet also, dass die Aufzucht und Haltung von Tieren zu Nahrungszwecken unter den in den Industrieländern üblichen Bedingungen nicht dazu beiträgt, das Problem des Hungers zu lösen.

Die Fleischproduktion strapaziert auch andere Ressourcen. Alan I )n rning, Forscher am Worldwatch Institute, einem Forschungszentrum li'tr Umweltfragen in Washington, D.C., hat ausgerechnet, dass ein Kilogramm Steak von in Mastkoppeln gehaltenen Ochsen einen Aufwand von fünf Kilogramm Getreide, 21 000 Litern Wasser, Energie, die mehr als acht Litern Benzin entspricht, und etwa 35 Kilogramm erodierter Bodenkrume bedeutet. Über mehr als ein Drittel der Fläche Nordamerikas erstreckt sich Weideland, mehr als die Hälfte der amerikanischen Anbauflächen ist mit Futterpflanzen für landwirtschaftlich genutzte Tiere bepflanzt, und mehr als die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs der Vereinigten Staaten verursacht die landwirtschaftliche Tiernutzung.7 In allen diesen Punkten beansprucht pflanzliche Nahrung unsere Ressourcen und unsere Umwelt in weit geringerem Ausmaß.

Betrachten wir zuerst den Energieverbrauch. Die Vermutung ist naheliegend, die Landwirtschaft sei

eine Form der Nutzung der Fruchtbarkeit des Bodens und der Sonnenenergie, um die Menge der uns verfügbaren Energie zu vergrößern. Die traditionelle Landwirtschaft tut genau das. In Mexiko angebauter Mais erzeugt zum Beispiel 83 Nahrungskalorien für jede verbrauchte Kalorie eines fossilen Energieträgers. Die Landwirtschaft in den entwickelten Ländern ist dagegen von einem großen Aufwand an fossilen Energieträgern abhängig. Die energiewirtschaftlich effizienteste Form der Nahrungserzeugung in den Vereinigten Staaten (wiederum der Hafer) erzeugt gerade 2,5 Nahrungskalorien pro verbrauchter Kalorie eines fossilen Energieträgers, Kartoffeln erreichen etwas über 2 und Weizen und Sojabohnen ungefähr 1,5 Kalorien. Aber selbst diese mageren Ergebnisse sind verglichen mit der amerikanischen Tierproduktion, bei der jede Form mehr Energie verbraucht als erzeugt, hervorragend. Die am wenigsten ineffiziente Form — das Fleisch von Rindern in großen Weidegebieten - verbraucht mehr als 3 Kalorien eines fossilen Energieträgers für jede erzeugte Nahrungskalorie, die ineffizienteste Form - in Mastkoppeln erzeugtes Rindfleisch verbraucht 33 Kalorien pro erzeugter Nahrungskalorie. Eier, Lamm, Milch und Geflügel liegen mit der Energiebilanz zwischen diesen beiden Formen der Rindfleischproduktion. Mit anderen Worten, bezogen auf die Vereinigten Staaten ist also der Anbau von Feldfrüchten im Allgemeinen mindestens fünfmal so energieeffizient wie die Haltung weidender Rinder, etwa zwanzigmal so energieeffizient wie die Erzeugung von Hühnern und mehr als fünfzigmal so effizient wie die Produktion von Rindfleisch auf Mastkoppeln.8 Die Tierproduktion der Vereinigten Staaten ist nur durchführbar, weil sie die in Millionen von Jahren angesammelte Sonnenenergie verbraucht, die als Ol und Kohle im Boden abgelagert ist. Wirtschaftlich ist die Tierproduktion für die Agrarbetriebe sinnvoll, weil Fleisch mehr wert ist als Erdöl; im Hinblick auf einen langfristigen vernünftigen Umgang mit begrenzten Ressourcen ergibt sie absolut keinen Sinn.

Auch beim Wasserverbrauch steht die Tierproduktion gegenüber dem Anbau von Nahrungsmitteln schlecht da. Zur Erzeugung von einem Kilogramm Fleisch ist die fünfzigfache Menge Wasser erforderlich wie für eine entsprechende Menge Weizen.9 Newsweek hat diese Wassermenge anschaulich mit den Worten beschrieben: »Das Wasser, das ein 500 Kilo schwerer Ochse verbraucht, entspricht der Wasserverdrängung eines Zerstörers.«10 Der Wasserverbrauch bei der Tierproduktion trocknet die riesigen unterirdischen Wasserbecken aus, von denen so viele der trockeneren Regionen in Amerika, Australien und anderen Ländern abhängig sind. Im Rinderland, das sich vom westlichen Texas bis Nebraska erstreckt, sinkt zum Beispiel der Grundwasserspiegel, und die Brunnen trocknen aus, weil der sogenannte Ogallala, ein großer unterirdischer See – eine weitere Ressource, die wie Öl und Kohle in Millionen von Jahren entsi.mden ist —, für die Fleischproduktion verbraucht wird.11 Wir sollten auch nicht vergessen, was durch die Tierproduktion mit den Wasservorräten geschieht, die nicht hierfür verwendet werden. Statistiken der British Water Authorities Association zeigen, dass es 1985 über 3500 Fälle von Wasserverschmutzung durch landwirtschaftliche Betriebe gab.

Hier nur ein Beispiel aus diesem Jahr: Ein Tank eines Schweinemastbetriebs barst und entließ eine Viertelmillion Liter Schweinegülle in den River Perry, wodurch 110000 Fische starben. Über die I l.ilfte aller strafrechtlichen Verfolgungen durch die Wasserbehörden wegen ernster Verschmutzung von Flüssen betreffen zur Zeit Landwirte.12 Das ist nicht verwunderlich, denn eine bescheidene Legebatterie mit nur 60000 Hühnern erzeugt pro Woche 82 Tonnen Hühnergülle; im gleichen Zeitraum produzieren 2000 Schweine 27 Tonnen Kot und V2 Tonnen Urin. Die niederländischen landwirtschaftlichen Betriebe produzieren jährlich 94 Millionen Tonnen Gülle, doch nur 50 Millionen können problemlos vom Boden aufgenommen werden. Man hat .iiisgerechnet, dass der Überschuss einen Güterzug von 16000 Kilometern Länge füllen würde, das entspricht der Entfernung von Amsterdam zu dem am weitesten entfernten Teil Kanadas. Dieser Überschuss wird jedoch nicht »weggeschafft«, sondern ebenfalls auf dem Land ausgebracht und verunreinigt so die Wasservorräte und vernichtet die noch vorhandene natürliche Vegetation in den landwirtschaftlichen Regionen der Niederlande.13 In den Vereinigten Staaten erzeugen Tiere in der Agrarwirtschaft jedes Jahr 2 Milliarden Tonnen Exkremente — etwa zehnmal soviel wie die menschliche Bevölkerung und die Hälfte davon stammt aus der intensiven Massentierhaltung, bei

der die Ausscheidungen nicht auf natürlichem Weg wieder auf das Land gelangen.14 Hin Schweinezüchter sagte: »Solange Kunstdünger teurer ist als die Arbeit des Gülleausbringens aufs Land, ist die Gülle für mich kein Problem.«15 Deshalb verunreinigt der Dung, der die Fruchtbarkeit der Böden wiederherstellen sollte, schließlich unsere Ströme und Flüsse.

Als die größte Dummheit, die durch das Verlangen nach Fleisch begangen wird, erweist sich jedoch die Verschwendung des Waldes. I listorisch war das Bestreben zur Schaffung von Weidegebieten das wichtigste Motiv für die Rodung der Wälder, und das ist es heute noch. In Costa Rica, Kolumbien und Brasilien, in Malaysia, Thailand und Indonesien wird der Regenwald gerodet, um Weideland für Rinder zu schaffen. Das Fleisch, das so erzeugt wird, kommt jedoch nicht den Armen dieser Länder zugute. Es wird vielmehr an die Wohlhabenden in den Großstädten verkauft oder exportiert. Hauptsächlich, um Nordamerika mit Rindfleisch zu versorgen, wurde während der letzten 25 Jahre nahezu die Hälfte des mittelamerikanischen Regenwalds zerstört.16 Nahezu 90 Prozent der Pflanzen und Tierarten der Erde leben in den Tropen, viele von ihnen sind der Wissenschaft noch unbekannt.17 Bei Fortsetzung der Rodungen im jetzigen Ausmaß werden sie aussterben. Zudem fuhrt die Rodung zur Bodenerosion, das verstärkt oberflächlich ablaufende Wasser verursacht Überschwemmungen, den Bauern steht kein Holz mehr als Brennstoff zur Verfügung, und die Niederschlagsmenge wird wahrscheinlich abnehmen.18 Wir verlieren diese Wälder gerade in dem Augenblick, in dem wir anfangen zu verstehen, wie wahrhaft lebenswichtig sie sind. Seit der Dürre in Nordamerika im Jahr 1988 haben viele Menschen von der Bedrohung unseres Planeten durch den Treibhauseffekt gehört, der hauptsächlich durch die zunehmende Menge von Kohlendioxid in der Atmosphäre verursacht wird. Wälder speichern sehr große Mengen Kohlenstoff; nach Schätzungen speichern die auf der Erde noch vorhandenen Wälder trotz der bisherigen Rodungen noch immer 400mal so viel Kohlenstoff, wie jährlich durch den menschlichen Verbrauch fossiler Energieträger freigesetzt wird. Die Zerstörung des Waldes bewirkt, dass sich der Kohlenstoff als Kohlendioxid in der Atmosphäre sammelt. Umgekehrt absorbiert ein neuer, wachsender Wald Kohlendioxid aus der Atmosphäre und bindet es als lebende Substanz. Die Zerstörung vorhandener Wälder verstärkt den Treibhauseffekt; eine im großen Stil betriebene Wiederaufforstung ist zusammen mit Maßnahmen zur Reduktion des Kohlendioxidausstoßes unsere einzige Chance, ihn zu mildern.19 Handeln wir nicht entsprechend, wird die Aufwärmung des Planeten innerhalb der nächsten fünfzig Jahre diese Folgen haben: weit verbreitete Dürreperioden, eine Beschleunigung der Zerstörung der Wälder durch klimatische Veränderungen, die Ausrottung unzähliger Spezies, die sich an die veränderten Lebensbedingungen nicht anpassen können, das Schmelzen des Polareises, das zum Ansteigen des Meeresspiegels und zur Überschwemmung von ebenen Küstenlandschaften führt. Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter würde z.B. zur Überschwemmung von 15 Prozent des Gebietes von Bangladesch führen und 10 Millionen Menschen betreffen, und er wäre existenzbedrohend für einige tiefliegende Insel-Nationen im Pazifischen Ozean, so zum Beispiel die Malediven, Tuvalu und Kiribati.20 Die Wälder und die für die Fleischproduktion bestimmten Tiere konkurrieren um dasselbe Land.

Der ungeheure Appetit der wohlhabenden Nationen auf Fleisch bedeutet, dass die industrielle Landwirtschaft mehr zahlen kann als jene, die den Regenwald erhalten oder wiederherstellen wollen. Wir verspielen im wahrsten Sinne des Wortes die Zukunft unseres Planeten — Hamburgern zuliebe.

Wie weit sollen wir gehen? Die Notwendigkeit für einen radikalen Bruch mit unseren bisherigen Essgewohnheiten ist klar, aber sollen wir nur noch pflanzliche Nahrung zu uns nehmen? Wo genau sollen wir die (I lenze ziehen?

Es ist immer schwierig, exakte Grenzlinien zu ziehen. Ich werde einige Vorschläge machen, doch die Leserinnen und Leser werden vielleicht den Eindruck haben, dass meine Ausführungen hierzu weniger überzeugend sind als das, was ich zuvor zu den eindeutigen Fällen gesagt liabe. Sie müssen für sich selbst entscheiden, wo Sie die Grenze ziehen, und es ist durchaus möglich, dass Ihre und meine Entscheidung nicht völlig übereinstimmen. Das ist aber nicht von zentraler Bedeutung. Wir

können kahlköpfige Männer von nicht kahlköpfigen unterscheiden, ohne uns bei jedem Grenzfall festzulegen. Wichtig ist die grundsätzliche l Ibereinstimmung.

Ich hoffe, dass alle, die das Buch bis hierhin gelesen haben, die moralische Notwendigkeit dafür einsehen, kein Fleisch und keine anderen i ierischen Produkte zu kaufen oder zu essen, die unter den Bedingungen der modernen Massentierhaltung erzeugt wurden. Das ist der klarste I M II überhaupt, die absolute Mindestforderung, die jeder Mensch akzeptieren können sollte, der in der Lage ist, über den engen Horizont des ! igeninteresses hinauszublicken.

Sehen wir uns an, was diese Mindestforderung alles einschließt. Sie I ledeutet, dass wir Fleisch von Hühnern, Puten, Kaninchen, Schweinen, Kälbern und Rindern sowie Eier nicht kaufen sollten, wenn wir uns der I Icrkunft der Produkte nicht gewiss sind. Zur Zeit wird noch verhältnismäßig wenig Lammfleisch unter Bedingungen der Intensivhaltung erzeugt, aber es kommt vor, und die Intensivhaltung von Lämmern dürfte in Zukunft weiter zunehmen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit I h r Rindfleisch in einer Mastkoppcl oder mit Hilfe einer anderen Form der Einsperrung von Tieren erzeugt wurde oder auf Weideland produziert wurde, das durch die Rodung des Regenwaldes gewonnen wurde, hängt von dem Land ab, in dem Sie leben. Es gibt Möglichkeiten, sich mit Fleisch zu versorgen, ohne auf Fleisch aus intensiver Tierhaltung zurückzugreifen, aber wenn Sie nicht in einer ländlichen Gegend leben, ist dies ziemlich mühsam. Die meisten Metzger haben keine Vorstellung davon, wie die Tiere, deren Körper sie verkaufen, gehalten wurden. Bei manchen Tieren, wie zum Beispiel Hühnern, sind die traditionellen Haltungsmethoden so vollständig verschwunden, dass es sehr schwer ist, ein Huhn zu kaufen, das sein Leben im Freien verbringen durfte; und Kalbfleisch kann schlechterdings nicht unter humanen Bedingungen erzeugt werden. Wird Fleisch als »organisch« oder »biologisch« bezeichnet, so heißt das oft nur, dass an die Tiere nicht die üblichen Mengen Antibiotika, Hormone oder andere Medikamente verfüttert wurden; ein geringer Trost für Tiere, denen es verwehrt war, sich draußen frei zu bewegen. In vielen Ländern sind Eier von »frei laufenden Hühnern« leicht erhältlich, in vielen Teilen Amerikas sind sie aber noch sehr schwer zu bekommen.

Der nächste Schritt, nachdem Sie aufgehört haben, Geflügel, Schweinefleisch, Kalb- und Rindfleisch und Eier aus der intensiven Tierhaltung zu essen, besteht darin, überhaupt kein Fleisch von geschlachteten Vögeln oder Säugetieren mehr zu essen. Das ist nur ein ganz kleiner zusätzlicher Schritt, denn nur sehr wenige der Vögel und Säugetiere, die üblicherweise gegessen werden, stammen nicht aus der intensiven Tierhaltung. Menschen, die aus Mangel an entsprechender Erfahrung nicht wissen, wie hervorragend eine einfallsreiche vegetarische Kost schmecken kann, halten das möglicherweise für ein großes Opfer. Ihnen kann ich nur sagen: »Versuchen Sie es!« Kaufen Sie ein gutes vegetarisches Kochbuch, und Sie werden feststellen, dass die Entscheidung für eine vegetarische Lebensweise überhaupt kein Opfer ist. Dieser zusätzliche Schritt kann einmal mit der Auffassung begründet werden, dass es falsch ist, diese Lebewesen aus dem trivialen Grund zu töten, weil sie uns schmek- ken; er kann auch mit dem Wissen begründet werden, dass diese Tiere viele Formen des Leidens, die im vorhergehenden Kapitel beschrieben worden sind, auch dann ertragen müssen, wenn sie nicht den Bedingungen der intensiven Massentierhaltung ausgesetzt sind.

Nun stellen sich schwierigere Fragen. Wie weit sollen wir auf der Skala der Evolution nach unten gehen? Sollen wir Fisch essen? Wie sieht es mit Krabben und Austern aus? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir uns das grundlegende Prinzip vergegenwärtigen, auf dem unsere Berücksichtigung anderer Lebewesen beruht. Im ersten Kapitel sagte ich bereits, dass die einzige gerechtfertigte Grenze für die Berücksichtigung der Interessen anderer Wesen der Punkt ist, an dem die Annahme, das andere Wesen habe Interessen, nicht mehr zutrifft. Damit ein Wesen im strengen, nichtmetaphorischen Sinne Interessen haben kann, muss es Leid und Freude empfinden können.

Leidet ein Wesen, kann es keine moralische Rechtfertigung für die Missachtung dieses Leidens geben, und ebensowenig für die Weigerung, es gleich zu gewichten wie ein ähnliches Maß an Leiden bei jedem anderen Wesen. Doch das Gegenteil gilt ebenso. Ist ein Wesen nicht fähig, zu leiden oder Freude zu empfinden, gibt es auch nichts zu berücksichtigen.

Das Problem der Grenzziehung besteht somit in der Entscheidung, wann die Annahme

gerechtfertigt ist, dass ein Wesen nicht fähig ist zu leiden. In der bisherigen Diskussion der Beweise ftir die Leidensfähigkeit nichtmenschlicher Tiere habe ich zwei Kriterien zur Feststellung dieser Fähigkeit vorgeschlagen: das Verhalten des Tieres, sei es, dass es sich windet, schreit, der Schmerzquelle zu entkommen versucht und anderes mehr; und die Ähnlichkeit seines Nervensystems mit unserem eigenen. Je weiter wir uns auf der Skala der Evolution nach unten begeben, um so deutlicher nimmt die Beweiskraft für die Fähigkeit des Schmerzempfmdens hinsichtlich beider Kriterien ab. Bei Vögeln und Säugetieren ist die Beweislage eindeutig. Die Nervensysteme von Reptilien und Fischen unterscheiden sich vom Nervensystem der Säugetiere in einigen wichtigen Punkten, haben aber die Grundstruktur eines zentral organisierten Nervensystems mit ihm gemeinsam. Fische und Reptilien zeigen den größten Teil des bei Säugetieren üblichen Schmerzverhaltens. Die meisten Arten können sogar Laute erzeugen, die allerdings für unsere Ohren nicht hörbar sind. Fische erzeugen zum Beispiel durch Vibrationen Geräusche, und Forscher haben unterschiedliche »Rufe« identifiziert, zu denen auch Signale für »Alarm« und »Zustandsbeeinträchtigung« gehören.21 Fische zeigen auch Zeichen von Leiden, wenn man sie aus dem Wasser nimmt und so lange im Netz oder auf dem Land zappeln lässt, bis sie tot sind. Dass ansonsten freundliche Menschen es als angenehmes Nachmittagsvergnügen betrachten, am Ufer zu sitzen und einen Haken im Wasser baumeln zu lassen, während neben ihnen die schon gefangenen Fische langsam sterben, kann nur daran liegen, dass Fische nicht auf eine Weise schreien und wimmern, die für uns hörbar ist.

1976 gründete die British Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals [RSPCA] einen unabhängigen Ausschuss zur Untersuchung der Jagd und des Angelns. Der Ausschuss wurde von dem führenden Zoologen Lord Medway geleitet und bestand aus Fachleuten, die nicht zur RSPCA gehörten. Bei der Untersuchung widmete man sich eingehend der Frage, ob Fische Schmerzen empfinden können, und das eindeutige Ergebnis lautete, dass die Beweise für ein Schmerzempfinden bei Fischen nicht weniger stark seien als bei anderen Wirbeltieren.22 Menschen, die sich über Schmerzzufügung mehr Gedanken machen als über das Töten,

könnten fragen: Angenommen, Fische können leiden, wie sehr leiden sie denn tatsächlich unter dem normalen kommerziellen Fischfang? Es mag so aussehen, als hätten Fische im Unterschied zu Vögeln und Säugetieren nicht unter der Aufzucht für unseren Tisch zu leiden, denn normalerweise werden sie überhaupt nicht gezüchtet: die Menschen greifen nur in ihr Leben ein, um sie zu fangen und zu töten. In Wirklichkeit stimmt das nicht immer: die Fischzucht — die eine ebenso intensive Form der Massentierhaltung darstellt wie die Haltung von Rindern in Mastkoppeln — ist ein schnell wachsender Industriezweig. Es begann mit Süßwasserfischen wie Forellen, doch die Norweger entwickelten bald eine Methode zur Züchtung von Lachsen in Käfigen im Meer, und andere Länder benutzen diese Technik jetzt für eine Vielzahl von Meeresfischarten. Die möglichen Probleme hinsichtlich des Wohlergehens von in Gefangenschaft gehaltenen Fischen wie zum Beispiel Besatzdichte, Frustrierung des Wandertriebs, der im Umgang mit den Tieren verursachte Stress und anderes mehr sind bisher noch nicht einmal untersucht worden. Aber auch wenn Fische nicht gezüchtet werden, zieht sich doch ihr Sterben beim kommerziellen Fischfang weit länger hin als etwa das von Hühnern, denn Fische werden einfach an die Luft gehievt, und dann lässt man sie verenden. Da ihre Kiemen zwar Sauerstoff aus dem Wasser herausfiltern können, aber nicht aus der Luft, können Fische außerhalb des Wassers nicht atmen. Der Fisch, den Sie im Supermarkt kaufen, ist wahrscheinlich einen langsamen Erstickungstod gestorben. Handelt es sich um einen Tiefseefisch, der vom Netz eines Schleppnetzfischers an die Wasseroberfläche gezogen wurde, dürfte er qualvoll an der Druckverminderung gestorben sein.

Werden Fische noch gefangen und nicht gezüchtet, lässt sich das ökologische Argument gegen den Verzehr von Tieren aus der Intensivhaltung auf sie nicht anwenden. Wir verschwenden kein Getreide und keine Sojabohnen, um die Fische im Meer zu füttern. Es gibt jedoch ein anderes ökologisches Argument gegen den jetzigen, in großem Maßstab betriebenen kommerziellen Fischfang in unseren Meeren, nämlich dass wir dabei sind, unsere Meere sehr schnell leerzufischen.

In den letzten Jahren sind die Erträge beim Fischfang dramatisch zurückgegangen. Mehrere Fischarten, die es einst im Überfluss gab, so etwa die Heringe im Norden Europas, die kalifornischen Sardinen und die Schellfische Neuenglands sind jetzt so selten, dass sie keine kommerzielle Bedeutung mehr besitzen. Moderne Fischfang-Flotten schleppen systematisch feinmaschige Netze durch die Fischgründe, in denen sich alles verfängt, was ihnen in den Weg gerät. Arten, auf die man es nicht abgesehen hatte - in der Industrie werden sie als »Abfall« bezeichnet —, können den halben Fang ausmachen.23 Sie werden über Bord geworfen. Beim Fischfang mit Schleppnetzen wird ein riesiges Netz über den zuvor unberührten Boden gezogen, was der empfindlichen Ökologie des Meeresgrundes schadet: Genau wie andere Arten der Produktion tierischer Nahrungsmittel za töten. ist diese Art des Fischfangs auch eine Vergeudung fossiler Brennstoffe, bei der mehr Energie verbraucht als erzeugt wird. 24 Darüber hinaus r_ng von geraten auch Jahr für Jahr Tausende von Delphinen in die kilometerlangen Stellschleppnetze der Thunfischindustrie, sie verfangen sich unter der "Wasseroberfläche und ertrinken. Neben der Störung des ökologischen Gleichgewichts der Meere durch die Uberfischung hat der kom-merzielle Fischfang auch für Menschen

negative Folgen. Auf der ganzen Welt müssen kleine, vom Fischfang lebende Küstendörfer zusehen, wie Beispiel ihre traditionelle Nahrungs- und Einkommensquelle versiegt. Von den mit den Ortschaften an der Küste Westirlands bis hin zu den burmesischen und malaiischen Fischerdörfern, überall spielt sich die gleiche Geschichte ab.

Die Fischfangindustrie der entwickelten Länder ist zu einer weiteren sr -inger Form der Umverteilung von den Armen auf die Reichen geworden, Wir sollten also sowohl mit Blick auf die Fische als auch auf die Men-schen vermeiden, Fische zu essen. Ohne Frage haben diejenigen, die auch weiterhin Fisch, aber keine anderen Tiere essen, sich einen großen E Schritt vom Speziesismus wegbegeben, doch diejenigen, die beides nicht mehr essen, sind noch einen Schritt weiter gegangen, Begeben wir uns über die Fische hinaus zu den anderen Lebens-formen des Meeres, können wir über das Vorhandensein von Schmerzempfinden nicht mehr ganz so sicher sein.

Das Nervensystem von Krustentieren — Hummern, Krebsen, Garnelen, Krabben — unterscheidet sich stark vom menschlichen. Dr. John Baker, ein Zoologe an der Universität Oxford und Mitglied der Royal Society, hat jedoch festgestellt, Ki indedass ihre Sinnesorgane weit entwickelt, ihre Nervensysteme komplex und ihre Nervenzellen den unseren sehr ähnlich sind und dass sie auf - bestimmte Reize unmittelbar und heftig reagieren. Dr. Baker glaubt des halb zum Beispiel, dass Hummer Schmerzen empfinden können. Er sagt außerdem unmissverständlich, dass die übliche Methode, mit der Hummer getötet werden - man wirft sie in kochendes Wasser —, ihnen bis zu zwei Minuten lang Schmerzen bereiten kann. Er unternahm Versuche mit anderen Methoden, die von manchen als humaner angesehen werden, zum Beispiel, den Hummer in kaltes Wasser zu setzen und ihn dann langsam zu erhitzen, oder ihn so lange in Süßwasser zu lassen, bis er sich

nicht mehr bewegt; doch er fand, dass beide Methoden zu einem längeren Todeskampf und offensichtlich größerem Leiden führten.25 Wenn Krustentiere leiden können, dann muss nicht nur mit der Art ihrer Tötung, sondern auch mit der Art, wie sie transportiert und auf den Märkten am Leben gehalten werden, viel Leiden verbunden sein. Damit sie frisch bleiben, werden sie oft einfach lebend übereinander gepackt. Auch wenn es also eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Schmerzfähigkeit dieser Tiere geben mag, die Tatsache, dass sie stark leiden könnten, und der Umstand, dass es auf unserer Seite keinerlei Notwendigkeit gibt, sie zu essen, machen das Urteil leicht: im Zweifelsfall sollten wir zu ihren Gunsten entscheiden.

Austern, Venusmuscheln, Miesmuscheln, Kammmuscheln und dergleichen sind Weichtiere und im großen und ganzen sehr einfache Organismen. (Eine Ausnahme gibt es: die Kraken sind ebenfalls Weichtiere, doch sie sind viel weiter entwickelt und vermutlich auch viel empfindungsfähiger als ihre entfernten Verwandten.) Bei Lebewesen wie Austern sind die Zweifel hinsichtlich der Schmerzfähigkeit beträchtlich; und in der ersten Ausgabe dieses Buches hatte ich vorgeschlagen, dass es sinnvoll scheint, irgendwo zwischen Krabben und Austern die Grenze zu ziehen.

Dementsprechend aß ich, nachdem ich in jeder anderen Hinsicht zu einer vegetarischen Lebensweise übergegangen war, noch eine Zeitlang gelegentlich Austern, Kammmuscheln und Miesmuscheln. Doch auch wenn sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, dass diese Wesen Schmerzen empfinden, lässt sich andererseits auch nicht mit Sicherheit das Gegenteil behaupten. Sollten sie Schmerzen empfinden können, würde eine Mahlzeit aus Austern oder Muscheln zudem gleich einer beträchtlichen Anzahl dieser Wesen Schmerzen zufügen. Und da es so leicht ist, sie nicht zu essen, halte ich es jetzt für besser, es auch nicht zu tun.26 Hinsichtlich der Lebewesen, die wir normalerweise essen, sind wir damit am Ende der Skala der Evolution angelangt; es bleibt uns im Wesentlichen eine vegetarische Ernährungsweise. Die traditionelle vegetarische Ernährung schließt jedoch tierische Erzeugnisse wie Eier und Milch ein.

Es wird manchmal versucht, Vegetariern hier einen Widerspruch vorzuwerfen. Es heißt, das Wort »vegetarisch« habe die gleiche Wurzel wie »vegetable« (Gemüse) und Vegetarier sollten nur Nahrung pflanzlichen Ursprungs zu sich nehmen. Sprachgeschichtlich ist das jedenfalls falsch.

Allgemein in Gebrauch kam der Ausdruck »vegetarisch« nach der Gründung der Vegetarian Society in England 1847. Da die Regeln dieser Gesellschaft die Verwendung von Eiern und Milch erlauben, wird der Ausdruck »Vegetarier« korrekt auf Menschen angewandt, die diese Tierprodukte verwenden. In Anerkennung dieses sprachlichen

fait accompLi nennen sich diejenigen, die weder das Fleisch von Tieren, noch Eier, noch Milch oder Milchprodukte verwenden, »Veganer«. Der Sprachgebrauch ist jedoch nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr sollten wir uns fragen, ob die Verwendung dieser anderen tierischen Produkte moralisch gerechtfertigt werden kann. Das ist wirklich eine Frage, denn es ist möglich, sich angemessen zu ernähren, ohne auf irgendwelche tierischen Erzeugnisse zurückzugreifen - das ist vielen nicht bekannt, auch wenn viele Leute wissen, dass Vegetarier lange und gesund leben können. Ich werde später noch etwas zur Ernährungsproblematik sagen, im Augenblick genügt die Feststellung, dass wir ohne Eier und Milch auskommen können. Aber gibt es überhaupt einen Grund, warum wir darauf verzichten sollten?

Wir haben gesehen, dass die Eierindustrie, bei der die Hennen rücksichtslos ausgebeutet werden, damit sie möglichst viele Eier bei möglichst niedrigem Kostenaufwand legen, eine der grausamsten Formen der modernen industriellen Massentierhaltung ist. Unsere Verpflichtung, diese Art der Landwirtschaft zu boykottieren, ist ebenso stark wie unsere Verpflichtung zum Boykott von Schweine- oder Hühnerfleisch aus der Intensivhaltung. Wie sieht es aber mit Eiern von freilaufenden Hühnern aus, wenn man solche bekommen kann? Hier gibt es aus ethischer Sicht sehr viel weniger einzuwenden. Haben Hühner nicht nur einen geschützten Innenraum, sondern auch noch die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten, herumzulaufen und im Boden zu scharren, fühlen sie sich ganz wohl. Es scheint ihnen nichts auszumachen, dass ihnen die Eier weggenommen werden. Die wichtigsten Einwände bestehen darin, dass die männlichen Küken der eierlegenden Rassen gleich nach dem Schlüpfen getötet werden und dass die Hennen selbst getötet werden, wenn die Eierproduktion unter die Rentabilitätsgrenze sinkt. Wir müssen uns also fragen, ob das glückliche Leben, das die Hühner führen (und die Nützlichkeit der Eier für uns), ausreichen, um die Tötungen, die Teil dieses Systems sind, aufzuwiegen. Unsere Antwort darauf hängt von unserer Einstellung zur Frage des Tötens ab, eine Frage, die sich vom Problem der Zufügung von Leiden unterscheidet. Die hierfür bedeutsamen philosophischen Fragen werde ich im Schlusskapitel etwas genauer behandeln.27 In Ubereinstimmung mit den dort genannten Gründen habe ich alles in allem keine Einwände gegen die Freilandhaltung von Hühnern zur Eierproduktion.

Milch und Milchprodukte wie Käse und Joghurt werfen andere Fragen auf. In Kapitel 3 haben wir gesehen, dass die Milchproduktion auf verschiedene Weise den Kühen und ihren Kälbern Leid verursachen kann: durch die Notwendigkeit, die Kuh schwanger zu machen, und die nachfolgende Trennung von Kuh und Kalb; durch die zunehmende Einengung der Tiere in vielen Betrieben; die Gesundheits- und Stressprobleme, die durch das reichhaltige Futter und durch die Züchtungsanstrengungen auf immer höhere Milcherträge hin entstehen; und neuerdings der zusätzliche Stress durch die Gabe von Rinderwachstumshormonen. Grundsätzlich ist es nicht schwierig, ohne Milcherzeugnisse auszukommen. Tatsächlich ist in weiten Teilen Asiens und Afrikas die einzige Milch, die Menschen jemals zu sich nehmen, die Muttermilch im Säuglingsalter. Viele Erwachsene aus diesen Teilen der Welt können die in der Milch enthaltene Laktose nicht verdauen und werden krank, wenn sie Milch trinken. Die Chinesen und Japaner verwenden seit langem Sojabohnen zur Herstellung von Nahrungsmitteln, die bei uns aus Milch gemacht werden. Sojamilch ist jetzt auch in den westlichen Ländern sehr verbreitet, und Tofueis ist bei Leuten, die weniger Fett und Cholesterin zu sich nehmen wollen, sehr beliebt. Es gibt sogar Käse, Brotaufstriche und Joghurt aus Sojabohnen.

Die Veganer haben also recht, wenn sie sagen, dass wir keine Milchprodukte verwenden sollten. Sie sind lebende Beispiele für die Durchführbarkeit und Ausgewogenheit einer Ernährung, die von jeder Ausbeutung anderer Tiere frei ist. Gleichzeitig muss aber gesagt werden, dass es in unserer speziesistischen Welt nicht leicht ist, sich wirklich konsequent an das moralisch Richtige zu halten.

Es ist ein vernünftiger und vertretbarer Handlungsplan, wenn Sie das Tempo bei der Umstellung Ihrer Ernährung so maßvoll bestimmen, dass Sie sich dabei wohlfühlen können. Obwohl grundsätzlich alle Milchprodukte ersetzbar sind, ist es in westlichen Gesellschaften sehr viel schwieriger, Fleisch und Milchprodukte bei der Ernährung zu streichen, als nur das Fleisch allein.

Erst wenn Sie anfangen, Etiketten auf Nahrungsmitteln mit Blick auf die Vermeidung von Milcherzeugnissen zu lesen, werden Sie sich eine Vorstellung davon machen können, in wie vielen Lebensmitteln sie enthalten sind. Sogar der Kauf eines Tomatensandwichs kann in dieser Hinsicht problematisch sein, denn vermutlich ist es mit Butter bestrichen oder mit einer Margarine, die Molke oder entrahmte Milch enthält. Für die Tiere ist wenig gewonnen, wenn Sie aufhören, Fleisch und Eier aus Legebatterien zu essen, und diese Erzeugnisse einfach durch eine größere Menge Käse ersetzen. Die folgende Vorgehensweise ist zwar nicht ideal, aber doch vernünftig und durchführbar: Ersetzen Sie das Fleisch von Tieren durch pflanzliche Lebensmittel.

—Ersetzen

Sie Eier aus Legebatterien durch Eier aus der Freilandhaltung, wenn solche erhältlich sind; vermeiden Sie Eier, wenn das nicht der Fall ist.

—Ersetzen

Sie beim Einkaufen Milch und Käse durch Sojamilch, * Tofu oder andere pflanzliche Lebensmittel, aber fühlen Sie sich nicht verpflichtet, alle Lebensmittel, die Milcherzeugnisse enthalten, um jeden Preis zu vermeiden.

Es ist äußerst schwer, mit einem Schlag die eigenen Essgewohnheiten vom Speziesismus zu befreien. "Wer die Strategie übernimmt, die ich gerade vorgeschlagen habe, zeigt öffentlich und unverkennbar, dass sie oder er sich der Bewegung gegen die Ausbeutung von Tieren verpflichtet fühlt. Die dringlichste Aufgabe der Tierbefreiungsbewegung besteht darin, so viele Leute wie möglich zu diesem Engagement zu bewegen, damit der Boykott sich ausbreitet und wahrgenommen wird. Vermitteln wir aus einem bewundernswerten Streben nach sofortiger Beendigung jeglicher Form der Ausbeutung von Tieren heraus den Eindruck, dass jemand, der Milchprodukte nicht aufgibt, nicht besser ist als die, die noch das Fleisch von Tieren essen, könnte das Ergebnis so aussehen, dass viele Menschen davon abgehalten werden, überhaupt etwas zu unternehmen, und dann wird die Ausbeutung von Tieren genauso weitergehen wie zuvor.

Das sind zumindest einige Antworten auf die Probleme, denen Nicht- spezialisten bei der Frage gegenüberstehen, was sie essen sollten und was nicht. Wie ich am Beginn dieses Abschnitts sagte, sollen meine Bemerkungen hierzu nur Vorschläge sein. Auch Menschen, die aufrichtig nichtspeziesistisch eingestellt sind, können über das eine oder andere Detail untereinander verschiedener Meinung sein. Besteht Übereinstimmung hinsichtlich der Grundlagen, sollte das die Anstrengungen für das gemeinsame Ziel jedoch nicht stören.

Viele Menschen geben bereitwillig zu, dass es starke Argumente für den Vegetarismus gibt. Nur allzu oft liegt jedoch ein Graben zwischen der verstandesmäßigen Uberzeugung und dem praktischen Handeln, das notwendig ist, um mit einer lebenslangen Gewohnheit zu brechen. Bücher haben keine Möglichkeit, diesen Graben zu überwinden; zu guter Letzt liegt es bei jedem und jeder Einzelnen von uns, die Uberzeugung in die Tat umzusetzen. Auf den nächsten Seiten will ich jedoch versuchen, den Graben etwas schmaler werden zu lassen. Ich möchte versuchen, für Sie, die Leserinnen und Leser, den Übergang von einer fleischhaltigen zu einer vegetarischen Ernährung viel leichter und reizvoller zu machen, so dass Sie die Veränderung Ihrer Ernährung nicht als unerfreuliche Pflicht ansehen, sondern sich auf eine neuartige und interessante Kochkunst freuen, voller frischer Lebensmittel und ungewöhnlicher fleischloser Gerichte aus Europa, China und dem Nahen Osten - Gerichte, die so verschieden sind, dass mit ihnen verglichen das gewöhnliche Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch der üblichen westlichen Ernährungsweise schal und eintönig erscheint. Die Freude an dieser Kochkunst verstärkt sich durch das Wissen, dass ihr guter Geschmack und ihre nahrhaften Eigenschaften unmittelbar aus der Erde stammen, sie nichts von dem, was die Erde erzeugt, verschwendet und kein empfindendes Wesen für sie leiden und sterben muss.

Die vegetarische Ernährung bringt ein neues Verhältnis zur Nahrung, zu den Pflanzen und der Natur mit sich. Fleisch verdirbt unsere Speisen. Wie wir auch immer versuchen, es zu verbergen, es ist und bleibt eine Tatsache, dass der zentrale Teil unseres Mittagessens aus dem Schlachthaus zu uns kommt und von Blut trieft. Unbearbeitet und ungekühlt beginnt es schnell zu verwesen und zu stinken. Essen wir es, liegt es uns schwer im Magen und blockiert die Verdauungsprozesse, bis wir uns Tage später wieder abmühen, um es auszuscheiden.28 Essen wir Pflanzen, gewinnt die Nahrung eine ganz andere Qualität. Von der Erde nehmen wir die Nahrung, die für uns bereit ist und sich nicht dagegen wehrt, von uns geerntet zu werden. Ist unser Geschmackssinn nicht durch das Essen von Fleisch abgestumpft, erleben wir frisch geerntetes Gemüse als besonderen Genuss. Ich persönlich empfand die Vorstellung, mein Mittagessen selbst zu ernten, als so verlockend, dass ich kurz nachdem ich begonnen hatte, mich vegetarisch zu ernähren, damit anfing, unseren Hinterhof umzugraben und ein bisschen eigenes Gemüse anzubauen — nie zuvor hatte ich an so etwas gedacht, aber viele vegetarisch lebende Leute aus meinem Freundeskreis machten es ebenfalls. So brachte mich die Streichung des Fleisches von meinem Speiseplan den Pflanzen, dem Boden und den Jahreszeiten näher.

Auch für das Kochen interessierte ich mich erst, nachdem ich Vegetarier geworden war. Wer mit der üblichen angelsächsischen Küche aufgewachsen ist, bei der das Hauptgericht aus Fleisch und zwei verkochten Gemüsen besteht, sieht sich durch die Streichung von Fleisch einer interessanten Herausforderung an die eigene Phantasie gegenüber. Wenn ich vor Publikum über die Fragen dieses Buches spreche, werde ich oft gefragt, was man anstelle von Fleisch essen könne, und daran, wie die Frage gestellt wird, ist ersichtlich, dass diese Person in ihrer Vorstellung das Kotelett oder den Hamburger von ihrem Teller genommen hat, auf dem jetzt nur noch die zerstampften Kartoffeln und der gekochte Kohl übrig sind und sich nun fragt, was sie an die Stelle des Fleisches legen soll. Vielleicht einen Löffelvoll Sojabohnen?

Auch wenn manche Leute eine solche Mahlzeit möglicherweise genießen, muss für die meisten

Geschmäcker die Antwort in einem Überdenken der gesamten bisherigen Vorstellung von einem Hauptgericht bestehen. Wir müssen uns ein Gericht als Zusammenstellung verschiedener Zutaten denken, möglicherweise ergänzt durch einen Salat, und nicht als Nebeneinander einzelner Dinge.

Gute chinesische Gerichte sind zum Beispiel vorzügliche Zusammenstellungen von einer oder mehreren eiweißreichen Zutaten - in der vegetarischen chinesischen Küche sind das unter anderem Tofu, Nüsse, Bohnensprossen, Pilze oder Seitan — mit frischen, kurz gegarten Gemüsen und Reis.

Ein indisches Curry mit eiweißreichen Linsen, serviert auf braunem Reis mit einigen Gurkenscheiben als erfrischende Abwechslung, ist ebenso eine befriedigende Mahlzeit wie eine italienische vegetarische Lasagne mit Salat. Sie können ihre Spaghetti sogar mit »TofuFleischbällchen« zubereiten. Eine einfachere Mahlzeit könnte aus Getreidekörnern und Gemüsen bestehen. In den westlichen Ländern wird nur sehr wenig Hirse, Vollkornweizen oder Buchweizen gegessen, doch diese Getreide können die Grundlage für eine wohltuende Abwechslung sein. In die erste Ausgabe dieses Buches hatte ich einige Rezepte und Hinweise für vegetarisches Kochen aufgenommen, um den Lesern und Leserinnen den Ubergang zu dieser damals noch ungewöhnlichen Ernährungsweise zu erleichtern; doch in den dazwischenliegenden Jahren sind so viele hervorragende vegetarische Kochbücher veröffentlicht worden, dass die Hilfe, die ich damals bieten konnte, heute ganz unnötig geworden ist. Manche Menschen finden es anfänglich sehr schwer, ihre Auffassung von einer Mahlzeit zu verändern. Die Gewöhnung an Mahlzeiten, in deren Mittelpunkt nicht ein Stück Fleisch von einem Tier steht, kann einige Zeit dauern, doch wenn Sie sich erst einmal daran gewöhnt haben, müssen Sie unter so vielen interessanten neuen Gerichten wählen, dass Sie sich fragen werden, wie Sie jemals glauben konnten, es würde schwer sein, ohne Lebensmittel aus Fleisch auszukommen.

Neben der Frage, wie ihr Essen schmeckt, sorgen sich Menschen beim Nachdenken über eine vegetarische Ernährung höchstwahrscheinlich darum, ob sie sich auch angemessen ernähren. Solche Bedenken sind völlig grundlos. In vielen Teilen der Welt ist die vegetarische Ernährung kulturell verankert, und die zu diesen Kulturen gehörenden Menschen sind gesund, oft sogar gesünder als die Nichtvegetarier in vergleichbaren Regionen.

Die strengen Hindus sind seit mehr als zweitausend Jahren Vegetarier. Gandhi, der sich sein Leben lang vegetarisch ernährte, war fast achtzig, als die Kugel eines Mörders sein immer noch sehr aktives Leben beendete. In Großbritannien, wo es seit mehr als 140 Jahren eine offizielle vegetarische Bewegung gibt, ernähren sich manche Familien schon in der dritten oder vierten Generation vegetarisch. Viele prominente Vegetarier, zum Beispiel Leonardo da Vinci, Leo Tolstoi und George Bernard Shaw, haben ein langes und äußerst kreatives Leben geführt. In der Tat haben die meisten Menschen, die ein außergewöhnlich hohes Alter erreichten, kein oder nur sehr wenig Fleisch gegessen. Viele Einwohner des Vilcabamba-Tals in Ekuador werden mehr als hundert Jahre alt, und Wissenschaftler haben dort einen 123jährigen und einen 142jährigen Menschen gefunden; diese Menschen essen weniger als 30 Gramm Fleisch pro Woche. Eine Untersuchung sämtlicher derzeit lebender Hundertjähriger in Ungarn stellte fest, dass sie großenteils Vegetarier waren. 29 Fleisch ist für körperliche Ausdauer nicht nötig. Das beweisen viele erfolgreiche Athleten, die kein Fleisch essen, zum Beispiel Murray Rose, der Olympiasieger im Langstreckenschwimmen, der berühmte finnische Langstreckenläufer Paavo Nurmi, der Basketballstar Bill Walton, der »Ironman« Triathlet Dave Scott und der Olympiasieger im 400-Meter-Hürdenlauf Edwin Moses.

Viele Menschen sagen, dass sie sich körperlich wohler, gesünder und schwungvoller fühlen, seit sie aufgehört haben, Fleisch zu essen. Eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse stützt jetzt ihren Eindruck.

Der Ernäh- rungs- und Gesundheitsbericht des US-Generalstabsarztes aus dem Jahr 1988 zitiert eine wichtige Untersuchung, die darauf verweist, dass die Sterblichkeitsrate aufgrund von Herzanfällen bei der vegetarisch lebenden amerikanischen Bevölkerung im Alter von 35 bis 64 Jahren nur 28Prozent

der Sterblichkeitsrate der allgemeinen amerikanischen Bevölkerung dieser Altersgruppe beträgt. Bei älteren Menschen betrug die Sterblichkeitsrate vegetarisch lebender Menschen aufgrund von Herzanfällen im Vergleich zu Nichtvegetariern immer noch weniger als die Hälfte.

Die gleiche Untersuchung zeigte, dass Vegetarier, die Milchprodukte und Eier aßen, einen um 16 Prozent niedrigeren Cholesterinspiegel als Fleischesser hatten und der Cholesterinspiegel von Veganern sogar 29Prozent

niedriger war. Die wichtigsten Empfehlungen des Berichts waren die Reduktion des Konsums von Cholesterin und Fetten (insbe-

sondere gesättigter Fettsäuren) und eine verstärkte Verwendung von -Vollkornerzeugnissen

und Getreideprodukten, Gemüsen (einschließlich lren getrockneten Bohnen und Erbsen) und Früchten. Die Empfehlung, -;n Cholesterin und gesättigte Fettsäuren zu reduzieren, ist praktisch eine war Empfehlung zur Vermeidung von Fleisch (außer vielleicht Huhn, bei dem die Haut entfernt wurde), Sahne, Butter und allen Milchprodukten mit Ausnahme der fettarmen.30 Der Bericht wurde von vielen kritisiert, [weil er dies nicht präziser zum Ausdruck brachte - eine Unbestimmt.heit, die anscheinend auf die erfolgreiche Arbeit von Lobbyisten wie die National Cattlemen's Association und das Dairy Board zurückzuführen war.31 So groß die Einflussnahme auch war, gelang es den Lobbyisten jedoch nicht zu verhindern, dass die Sektion über Krebserkrankungen über Untersuchungsergebnisse berichtete, nach denen zwischen dem Auftreten von Brustkrebs und Fleischkonsum ein Zusammenhang besteht, und ebenso zwischen dem Verzehr von Fleisch, vor allem Rindes fleisch, und dem Auftreten von Dickdarmkrebs. Die amerikanische -

Heart Association empfiehlt der amerikanischen Bevölkerung ebenfalls seit vielen Jahren, weniger Fleisch zu essen.32 Ernährungspläne für Ge- sundheit und Langlebigkeit wie der Pritikin-Plan und der McDougall- -:e[ Plan sind entweder weitgehend oder ganz vegetarisch aufgebaut.33 Die Ernährungsfachleute streiten nicht mehr darüber, ob das Fleisch von Tieren lebenswichtig ist; sie sind sich inzwischen einig, dass es dasnicht ist. Wenn normale Leute dennoch solche Befürchtungen hegen, so beruht das auf Unwissenheit. Meistens betrifft diese Unwissenheit die Qualität des Proteins. Es heißt häufig, Eiweiß sei ein wichtiger Bestand-teil einer gesunden Ernährung, und Fleisch enthalte viel Eiweiß. Beide jjj. Behauptungen sind richtig, aber auf zwei andere Aspekte werden wir jeher selten hingewiesen. Erstens nehmen die Amerikaner und Amerikanerinnen zuviel Eiweiß zu sich. Im Durchschnitt liegt ihre Eiweißzufuhr 45 Prozent über den großzügigen Richtwerten der National lur Academy of Sciences. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass die meisten US-Bürger und -Bürgerinnen das Zwei- bis Vierfache dessen an Fleisch essen, was ihr Körper verarbeiten kann. Überschüssiges Eiweiß __ kann nicht gespeichert werden. Ein Teil davon wird ausgeschieden, und der andere Teil wird in Kohlenhydrate umgewandelt, was eine ziemlich teure Art ist, sich mit Kohlenhydraten zu versorgen.34 j Der zweite Punkt, über den wir hinsichtlich des Eiweißes Bescheid wissen sollten, ist der, dass Fleisch nur eines von vielen Nahrungsmitteln ist, die Eiweiß enthalten. Von ihnen unterscheidet sich Fleisch vor allem durch seinen weit höheren Preis. Früher glaubte man, dass das im Fleisch enthaltene Eiweiß besonders hochwertig sei, doch bereits 1950 stellte der Ausschuss für Ernährung der British Medical Association fest: Es besteht allgemeine Ubereinstimmung darüber, dass es ohne Bedeutung ist, ob die wesentlichen Eiweißbestandteile aus pflanzlichen oder tierischen Nahrungsmitteln stammen, wichtig ist die geeignete Kombination dieser Bestandteile in verwertbarer Form.35 Neuere Forschungen haben dieses Ergebnis wieder bestätigt. Wir wissen jetzt, dass der Nährwert

von Eiweiß von den in ihm enthaltenen essentiellen Aminosäuren abhängig ist, denn diese sind dafür maßgebend, wie viel von dem Eiweiß der Körper verwerten kann. Es ist zwar richtig, dass tierische Nahrungsmittel, insbesondere Eier und Milch, eine sehr ausgewogene Zusammensetzung an Aminosäuren aufweisen, aber pflanzliche Nahrungsmittel wie Sojabohnen und Nüsse enthalten davon ebenfalls eine breite Palette. Darüber hinaus lässt sich leicht durch die Kombination verschiedener pflanzlicher Proteine eine Mahlzeit zusammenstellen, deren Eiweißgehalt dem von Fleisch völlig gleichwertig ist. Dieses Prinzip wird als »Eiweißkomplementarität« bezeichnet, doch Sie müssen nicht viel über Ernährungslehre wissen, um es zu befolgen. Der Bauer, der seine Bohnen oder Linsen mit Reis oder Mais isst, befolgt das Prinzip der Eiweißkomplementarität.

Ebenso die Mutter, die ihrem Kind Erd- nussbutter auf eine Scheibe Vollkornbrot streicht — eine Zusammenstellung von Erdnüssen und Weizen, die beide Eiweiß enthalten. Die unterschiedlichen Eiweißformen in den verschiedenen Nahrungsmitteln ergänzen sich auf solche Weise, dass der Körper, wenn sie miteinander gegessen werden, mehr Eiweiß aufnehmen kann, als wenn sie getrennt verzehrt werden. Doch selbst ohne diese Ergänzungswirkung der Proteinkombination enthalten die meisten pflanzlichen Nahrungsmittel — und zwar nicht nur Nüsse, Erbsen und Bohnen, sondern auch Weizen, Reis und Kartoffeln — als solche genug Eiweiß, um unseren Körper ausreichend damit zu versorgen. Wenn wir minderwertige Nahrungsmittel vermeiden, die nur viel Zucker oder Fett enthalten, kann Eiweißmangel nur noch in Verbindung mit einer zu kalorienarmen Ernährungsweise vorkommen.36 Eiweiß ist nicht der einzige im Fleisch enthaltene Nährstoff, doch auch die Versorgung mit den übrigen ist bei einer vegetarischen Ernährungsweise gewährleistet, ohne dass darauf besonders geachtet werden müsste. Nur Veganer, die überhaupt keine tierischen Erzeugnisse essen, müssen auf ihre Ernährung besondere Sorgfalt verwenden. Es scheint einen, und nur einen, notwendigen Nährstoff zu geben, den der Körper aus pflanzlichen Nahrungsmitteln normalerweise nicht aufnehmen Ikann,

und das ist Vitamin B12. Es ist in Eiern und Milch vorhanden, fehlt aber in pflanzlicher Nahrung in einer leicht verwertbaren Form. Man kann es sich aber durch Meeresalgen verschaffen, ebenso durch Sojasoße, die nach der traditionellen japanischen Fermentierungs-methode hergestellt wird, oder durch Tempeh, ein Produkt aus fermentierten Sojabohnen, das in Teilen Asiens gegessen wird und jetzt auch im Westen in Reformhäusern erhältlich ist. Es ist auch möglich, dass Mikroorganismen in unserem Verdauungstrakt Vitamin B12 produzieren können.

Blutuntersuchungen bei Veganern, die mehrere Jahre lang ml keinen offensichtlichen Vitamin-B 12Lieferanten zurückgegriffen hatten, ergaben nämlich, dass ihre Blutwerte in dieser Hinsicht im nornulen Bereich lagen. Dennoch ist die Einnahme von Vitamintabletten, die Vitamin B12 enthalten, eine einfache und billige Möglichkeit zur sicheren Vermeidung von Mangelerscheinungen. Das Vitamin B12 in diesen Tabletten wird von Bakterien auf pflanzlichem Nährboden gewonnen Untersuchungen von Kindern in Familien mit rein pflanzlichen Kost zeigten, dass sie sich normal entwickelten, wenn ihre Ernährung nach der Entwöhnung von der Muttermilch durch Vitamin B12 ergänzt wurde.37 In diesem Kapitel habe ich versucht, die einfach zu formulierenden Zweifel angesichts der Entscheidung für eine vegetarische Ernährung zu beantworten. Manche Menschen spüren aber einen tiefergehenden Widerstand, der sie zögern lässt. Vielleicht zögern sie, weil sie befürchten, in ihrem Freundeskreis für verrückt gehalten zu werden. Als meine Frau und ich begannen, über die Entscheidung für eine vegetarische Ernährung nachzudenken, sprachen wir auch darüber. Wir befürchteten, dass dies das Verhältnis zu unseren nichtvegetarischen Freunden beeinIItraächtigen

könnte, und zu dieser Zeit war niemand unserer langjährigen Freunde Vegetarier. Der Umstand, dass wir diesen Schritt gemeinsam unternahmen, erleichterte uns beiden sicherlich die Entscheidung, aber wie sich dann herausstellte, hätten wir uns gar keine Sorgen machen müssen.

Wir erklärten unseren Freunden und Freundinnen unsere Ent-

scheidung, und sie stellten fest, dass wir gute Gründe dafür geltendnd machen konnten. Sie wurden nicht alle Vegetarier, aber sie blieben dennoch unsere Freunde; tatsächlich glaube ich, dass es ihnen Freude bereiten', uns zum Essen einzuladen und uns zu zeigen, wie gut sie auch ohne Fleisch kochen konnten. Natürlich ist es möglich, dass Sie Leuten begegnen, die Sie für verrückt halten.

Das ist aber heute sehr viel unwahr- scheinlicher als noch vor einigen Jahren, denn inzwischen ernähren sich sehr viel mehr Menschen vegetarisch. Aber wenn es Ihnen doch passiert, sollten Sie einfach daran denken, dass Sie sich in guter Gesellschaft befinden. Alle hervorragenden Reformer — diejenigen, die sich als Erste gegen den Sklavenhandel wandten, gegen nationalistische Kriege und gegen die Ausbeutung der Kinder, die während der industriellen Revolution in den Fabriken vierzehn Stunden am Tag arbeiten mussten - wurden erst einmal von jenen als Verrückte verhöhnt, die ein Interesse am Fortbestand dieser Missbräuche hatten.

5 Die Herrschaft des Menschen Eine kurze Geschichte des Speziesismus Damit wir der Tyrannei ein Ende bereiten können, müssen wir sie zuerst verstehen. In praktischer Hinsicht findet die Herrschaft des menschlichen Tieres über die übrigen Tiere ihren Niederschlag in den Umgangsweisen, wie wir sie in Kapitel 2 und 3 betrachtet haben, und in verwandten Praktiken wie dem Abschlachten wilder Tiere als Sport oder wegen ihrer Pelze. Diese Praktiken sollten nicht als nur vereinzelt vorkommende Verirrungen angesehen werden. Sie müssen vielmehr als Ausdruck der Ideologie unserer Spezies aufgefasst werden, das heißt, der I laltung, die wir, als das beherrschende Tier, gegenüber den anderen I ieren einnehmen.

In diesem Kapitel werden wir sehen, wie hervorragende westliche Denker zu verschiedensten Zeiten die überlieferte Haltung gegenüber Tieren thematisierten und verteidigten. Ich konzentriere mich nicht deshalb auf das westliche Denken, weil die übrigen Kulturen minderwertig wären — was die Einstellung zu Tieren angeht, trifft gerade das Gegenteil zu —, sondern weil sich das westliche Gedankengut während der letzten zwei oder drei Jahrhunderte über Europa hinaus ausgedehnt hat und heute die Denkweise in den meisten Gesellschaften bestimmt, seien sie nun kapitalistisch oder kommunistisch.

Das folgende Material ist historischer Art, doch es geht mir nicht um ■ eine historische Darstellung.

Ist eine Haltung erst einmal so tief in unse- rem Denken verankert, dass sie für uns eine unbezweifelbare Wahrheit darstellt, setzt sich jede ernsthafte und schlüssige Infragestellung dieser IHaltung

der Gefahr aus, für lächerlich erklärt zu werden. Die Selbstgefälligkeit dieser Haltung kann möglicherweise durch einen frontalen Angriff erschüttert werden. Das habe ich in den vorhergehenden beiden Kapiteln versucht. Eine andere Möglichkeit besteht darin zu versuchen, die Glaubwürdigkeit dieser vorherrschenden Haltung durch die Aufdeckung ihres historischen

Ursprungs zu untergraben.

Die Auffassungen früherer Generationen über die Tiere sind heute nicht mehr überzeugend, denn sie beruhen auf religiösen, moralischen und metaphysischen Voraussetzungen, die mittlerweile veraltet sind.

IIHeute

verteidigen wir unsere Haltung gegenüber den Tieren nicht mehr so, wie zum Beispiel Thomas von Aquin dies getan hat, und deshalb sind wir heute möglicherweise bereit anzuerkennen, dass Thomas von Aquin die religiösen, moralischen und metaphysischen Vorstellungen seiner Zeit benutzte, um das blanke Eigeninteresse des Menschen im Umgang mit anderen Tieren zu kaschieren. Sehen wir erst einmal, dass frühere Generationen Haltungen als richtig und natürlich betrachteten, die wir als ideologische Verbrämung eigennütziger Praktiken erkennen - und stellen wir zugleich fest, dass wir unleugbar weiterhin Tiere unter Missachtung ihrer Interessen für unsere eigenen geringeren Interessen benutzen -, so könnte uns das veranlassen, auch unseren eigenen Rechtfertigungen einer angeblich richtigen und natürlichen Haltung mit einem kritischen Blick zu begegnen.

Die westliche Haltung gegenüber den Tieren ist in zwei Traditionen verwurzelt: im Judentum und der griechischen Antike. Diese Wurzeln vereinigen sich im Christentum, und durch dieses wurden sie in Europa zur vorherrschenden Auffassung. Eine aufgeklärtere Sichtweise unserer Beziehungen zu Tieren entstand nur allmählich, als Denker begannen, ihre Sichtweise von der Kirche zu lösen; und noch immer haben wir uns in grundlegenden Aspekten nicht von Einstellungen befreit, die in Europa bis zum 18. Jahrhundert bedingungslos anerkannt wurden. Ich werde deshalb die historischen Betrachtungen in drei Teile gliedern: das vorchristliche Denken, das Christentum und den Zeitraum von der Aufklärung bis heute.

Das vorchristliche Denken Die Erschaffung der Welt bietet sich als passender Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen an. Die biblische Schöpfungsgeschichte zeichnet ein klares Bild von der Natur der Beziehungen zwischen Mensch und Tier, wie die Juden sie verstanden. Sie ist ein hervorragendes Beispiel für eine mythisch geprägte Wirklichkeitsauffassung: Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so.

Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.

Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch Untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.1 Die Bibel berichtet uns, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild erschuf. Wir können es auch so sehen, dass der Mensch Gott nach seinem Ebenbild erschuf. Beide Sichtweisen gestehen dem Menschen jedoch als dem einzigen Lebewesen, das Gott gleich ist, eine besondere Position in der Welt zu. Darüber hinaus wird ausdrücklich gesagt, Gott habe dem Menschen Herrschaft über alle Lebewesen gegeben. Allerdings hat sich diese Herrschaft im Garten Eden wohl nicht auf die Tötung anderer Tiere zu Nahrungszwecken erstreckt. In Kapitel 1, Vers 29 der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass die Menschen zuerst von den Kräutern und den Früchten der Bäume lebten, und oft wird

der Garten Eden als Bild des vollkommenen Friedens dargestellt, in der Tötungen jeglicher Art fehl am Platz sind. Der Mensch herrschte, doch in diesem irdischen Paradies war er ein gütiger Despot.

Nach dem Sündenfall des Menschen (für den die Bibel eine Frau und ein Tier verantwortlich macht) war die Tötung von Tieren eindeutig erlaubt. Gott selbst bekleidete Adam und Eva mit Tierfellen, bevor er sie aus dem Garten Eden vertrieb. Ihr Sohn Abel war ein Schafhirte und brachte dem Herrn von seiner Herde Opfer dar. Dann kam die Sintflut, bei der fast sämtliche übrigen Geschöpfe ausgerottet wurden, um die Menschen für ihre Schlechtigkeit zu bestrafen. Als das Wasser zurückging, dankte Noah Gott, indem er »von allem reinen Vieh und allen reinen Vögeln« nahm und Brandopfer darbrachte. Gott seinerseits segnete Noah und besiegelte die Herrschaft des Menschen endgültig: Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.

Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben.

Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich's euch alles gegeben.2 Das ist die Grundposition der alten jüdischen Schriften gegenüber allem Nichtmenschlichen. Auch an dieser Stelle gibt es wieder einen interessanten Hinweis darauf, dass wir uns im ursprünglichen Zustand der Unschuld vegetarisch ernährten und nur »das grüne Kraut« aßen, dass uns aber nach dem Sündenfall, der darauf folgenden Schlechtigkeit und der Sintflut erlaubt wurde, auch Tiere zu essen. Hinter der These der menschlichen Herrschaft, die aus dieser Erlaubnis folgt, taucht gelegentlich noch ein etwas mitfühlenderer Gedankengang auf. Der Prophet Jesaja verurteilte Tieropfer, und das Buch Jesaja enthält eine wunderschöne Vision einer Zeit, in der »die Wölfe bei den Lämmern wohnen«, die Löwen Stroh fressen wie die Rinder, und »man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge«.2a Das ist jedoch eine utopische Vision und kein Befehl, der unmittelbar zu befolgen wäre. Andere vereinzelte Stellen im Alten Testament ermutigen zu einem gewissen Grad von Freundlichkeit gegenüber Tieren, so dass die Auffassung vertretbar erscheint, dass willkürliche Grausamkeit verboten war und dass »Herrschaft« in Wirklichkeit mehr im Sinne eines »Verwalter- tums« zu verstehen ist, bei dem wir Gott für die Pflege und das Wohlergehen der unter unsere Herrschaft Gegebenen verantwortlich sind. Trotzdem gibt es keine ernsthafte Infragestellung der in der Schöpfungsgeschichte niedergelegten allgemeinen Sichtweise, dass die menschliche Spezies der Höhepunkt der Schöpfung sei und Gottes Erlaubnis habe, andere Tiere zu töten und zu essen.

Die zweite alte Tradition des westlichen Denkens ist die griechische. Hier finden wir zum ersten Mal einander widersprechende Tendenzen. Das griechische Denken war nicht einheitlich, sondern in mehrere rivalisierende Denkrichtungen gespalten, deren Grundlehren auf ihre jeweiligen großen Begründer zurückgingen. Einer von ihnen war Pythagoras. Er war Vegetarier und rief, wohl weil er glaubte, dass die Seelen der Menschen nach dem Tod in Tiere eingehen, seine Schüler dazu auf, Tieren mit Achtung zu begegnen. Die wichtigste Schule war jedoch die Piatons und seines Schülers Aristoteles. Aristoteles' Unterstützung der Sklaverei ist allgemein bekannt; er dachte, manche Menschen seien zum Sklaven geboren, und die Sklaverei sei für sie richtig und angemessen. Ich erwähne das nicht, um Aristoteles in Misskredit zu bringen, sondern weil es für das Verständnis seiner Einstellung zu den Tieren wesentlich ist. Aristoteles vertritt die Auffassung, Tiere seien dazu da, den Zwecken der Menschen zu dienen; allerdings zieht er nicht wie die Schöpfungsgeschichte einen Graben zwischen dem Menschen und der restlichen Welt der Tiere.

Aristoteles bestreitet nicht, dass der Mensch ein Tier ist; in der Tat definiert er den Menschen als ein vernünftiges Tier. Doch die gemeinsame tierische Natur ist nicht genug, um die gleiche Berücksichtigung zu

rechtfertigen. Für Aristoteles ist der von Natur aus zum Sklaven bestimmte Mensch zweifellos ein menschliches "Wesen und kann ebenso Freude und Schmerzen empfinden wie jeder andere Mensch; weil die Kraft seiner Vernunft aber angeblich geringer ist als die des freien Menschen, betrachtet ihn Aristoteles als lebendiges Werkzeug. Aristoteles stellt diese beiden Elemente ganz offen in einem einzigen Satz nebeneinander: Sklave ist, »wer als Mensch ein Besitzstück ist«.3 Wenn schon der Unterschied in der Verstandeskraft zwischen Menschen ausreicht, um die einen zu Beherrschern und die anderen zu deren Eigentum zu machen, hat Aristoteles das Recht der Menschen, über andere Tiere zu herrschen, wahrscheinlich für zu offensichtlich gehalten, um es noch besonders begründen zu müssen. Er fasste die Natur im Wesentlichen als Hierarchie auf, in der die Wesen mit der geringeren Vernunftbegabung um der Wesen mit der größeren Vernunftbegabung willen existieren.

In gleicher Weise ist augenscheinlich anzunehmen (was auch gilt, wenn sie erwachsen sind), dass die Pflanzen der Tiere wegen da sind, und die Tiere der Menschen wegen, die zahmen zur Verwendung und zur Nahrung, von den wilden, wenn nicht alle, so doch die meisten zur Nahrung und sonstigem Nutzen, sofern Kleider und andere Ausrüstungsgegenstände aus ihnen verfertigt werden. Wenn nun die Natur nichts unvollkommen und nichts zwecklos macht, so muss die Natur all dies um der Menschen willen gemacht haben.4 In die spätere westliche Denktradition gingen eher die Lehren des Aristoteles ein, nicht die des Pythagoras.

Das christliche Denken Das Christentum kam gerade zur rechten Zeit, um die jüdischen und griechischen Vorstellungen über Tiere zu vereinen. Es entstand eher im römischen Kaiserreich und gewann in ihm auch seine Macht; wir können deshalb seine anfängliche Wirkung am besten verstehen, wenn wir die christlichen Auffassungen mit denen vergleichen, die von ihnen verdrängt wurden.

Das Römische Reich wurde durch Eroberungskriege geschaffen und musste sehr viel Energie und einen großen Teil der Staatseinnahmen in das Militär investieren, das sein riesiges Territorium verteidigte und vergrößerte. Diese Bedingungen waren nicht sonderlich geeignet, Mitgefühl mit den Schwachen zu fördern. Die kriegerischen Tugenden präg-ten diese Gesellschaft. In Rom selbst, das weit weg von den umkämpften Fronten lag, dürften die sogenannten Spiele zur Abhärtung der römischen Bürger beigetragen haben. Obwohl jedes Schulkind weiß, dass die Christen im Kolosseum den Löwen vorgeworfen wurden, wird die Bedeutung der Spiele als Indikator für die mögliche Beschränkung von Sympathie und Mitleid anscheinend — und in mancher Hinsicht wirklich zivilisierter Menschen kaum gewürdigt. Männer und Frauen betrachteten das Abschlachten von Menschen und anderen Tieren als ganz normale Unterhaltung, und so blieb es über Jahrhunderte, ohne dass sich nennenswerter Protest regte.

W. E. H. Lecky, ein Historiker, der im 19. Jahrhundert lebte, beschreibt die Entwicklung der römischen Spiele seit ihrem Ursprung als Kampf zwischen zwei Gladiatoren: Der einfache Kampf wurde schließlich fade, und man versuchte mit allen möglichen scheußlichen Varianten, das abflauende Interesse wieder zu beleben. Einmal rollten ein Bär und ein Stier zusammengekettet in wildem Kampf über den Sand, ein anderes Mal wurden in Raubtierfelle gekleidete Verbrecher Stieren vorgeworfen, die man mit glühenden Eisen oder Pfeilen mit brennendem Pech rasend gemacht hatte. Unter Caligula wurden einmal an einem Tag vierhundert Bären getötet ... Unter Nero kämpften vierhundert Tiger mit Stieren und Elefanten. Bei der Einweihung des Kolosseums durch Titus kamen an einem einzigen Tag fünftausend Tiere um. Unter Trajan dauerten die Spiele einmal ununterbrochen 123 Tage lang. Löwen, Tiger, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Giraffen, Stiere, Hirsche, ja sogar Krokodile und Schlangen wurden eingesetzt, um

dem Spektakel etwas Neues zu verleihen. Auch keine Form menschlichen Leids fehlte ... Unter Trajan kämpften bei den Spielen zehntausend Männer. Nero beleuchtete nachts seine Gärten mit brennenden Christen in pechgetränkten Hemden. Unter Domitian wurde ein ganzes Heer schwacher Zwerge zum Kämpfen gezwungen ... Die Blutgier war so stark, dass es dem Ansehen eines Herrschers weniger schadete, wenn er die Verteilung des Getreides vernachlässigte, als wenn er die Spiele vernachlässigte.5 Den Römern mangelte es nicht an jeglichem moralischen Gefühl. Gerechtigkeit, die Pflicht gegenüber dem Staat und selbst Güte gegenüber anderen wurden hoch geachtet. Die Spiele zeigen jedoch mit schrecklicher Deutlichkeit, dass sich diese moralischen Gefühle nur auf einen scharf umgrenzten Bereich bezogen. Gehörte ein Wesen in diesen Bereich, wären Dinge, wie sie bei den Spielen geschahen, als unerträglicher

Frevel angesehen worden. Gehörte ein Wesen jedoch nicht in den Bereich der moralischen Berücksichtigung, hatte die Zufiigung von Leid reinen Unterhaltungswert. Manche Menschen insbesondere Verbrecher und Kriegsgefangene - und alle Tiere fielen aus diesem Bereich heraus.

Vor diesem Hintergrund muss der Einfluss des Christentums bewertet werden. Das Christentum brachte die Vorstellung von der Einzigartigkeit der menschlichen Spezies, die es von der jüdischen Tradition übernommen hatte, in die römische Welt, doch wegen der großen Bedeutung, die es der unsterblichen Seele zuschrieb, vertrat es diese Vorstellung mit noch stärkerem Nachdruck. Unter allen Lebewesen der Erde waren allein die Menschen zu einem Leben nach dem körperlichen Tod bestimmt. Damit entstand die für das Christentum kennzeichnende Vorstellung von der Heiligkeit allen menschlichen Lebens.

Vor allem im Osten gab es Religionen, die lehrten, dass jedes Leben heilig sei; und es gab viele andere, bei denen die Tötung von Mitgliedern der eigenen sozialen, religiösen oder ethnischen Gruppe als schweres Vergehen galt. Das Christentum verbreitete jedoch die Vorstellung, dass jedes menschliche Leben - und nur dieses - heilig sei. Sogar das neugeborene Kind und der Fetus in der Gebärmutter haben nach dieser Vorstellung eine unsterbliche Seele, und damit gilt ihr Leben ebenso wie das von Erwachsenen als heilig.

Bezüglich der Anwendung auf Menschen bedeutete diese neue Lehre in vieler Hinsicht einen Fortschritt, und sie führte zu einer enormen Ausdehnung der begrenzten moralischen Sphäre der Römer; hinsichtlich anderer Spezies diente dieselbe Lehre jedoch dazu, die im Alten Testament festgeschriebene Minderwertigkeit nichtmenschlicher Tiere zu bestätigen und weiter zu verstärken. Doch auch wenn im Alten Testament dem Menschen die Herrschaft über die anderen Spezies zugestanden wurde, gab es dort noch vereinzelt Andeutungen der Wahrnehmung ihrer Leiden. Im Neuen Testament fehlt jedes Verbot der Grausamkeit gegen Tiere und auch jegliche Empfehlung zur Berücksichtigung ihrer Interessen. Jesus selbst wird eine augenscheinliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal nichtmenschlicher Lebewesen zugeschrieben, so zum Beispiel, als er zweitausend Schweine dazu veranlasste, sich ins Meer zu stürzen - eine Handlungsweise, die offensichtlich völlig unnötig war, denn Jesus war durchaus in der Lage, Teufel auszutreiben, ohne sie in andere Geschöpfe fahren zu lassen. 6 Paulus bestand auf der Neuinterpretation des alten mosaischen Gesetzes, das es verbot, dem Ochsen beim Getreidedreschen das Maul zu verbinden: »Sorgt sich Gott etwa um die Ochsen?« fragt Paulus voller Verachtung. Nein, sagt er dann, das Gesetz wurde »allenthalben um unsertwillen« gemacht.7

Dieses Beispiel Jesu ging im späteren Christentum nicht verloren. Augustinus schrieb unter Bezugnahme auf das Geschehen mit den Schweinen und die Episode, bei der Jesus einen Feigenbaum verfluchte: Christus selbst zeigt, daß es der größte Aberglauben ist, vor dem Töten von Tieren und der Zerstörung von Pflanzen zurückzuschrecken. Denn da er urteilte, daß die Tiere und Bäume mit uns keine Rechte gemeinsam haben, sandte er die Teufel in eine Schweineherde und ließ durch einen Fluch den Baum verdorren, auf dem er keine Früchte fand ... Gewiß hatten die Schweine nicht gesündigt und ebensowenig der Baum.

Laut Augustinus versuchte Jesus zu zeigen, dass wir unser Verhalten gegenüber Tieren nicht den

moralischen Regeln unterwerfen müssen, die unseren Umgang mit Menschen bestimmen. Aus diesem Grund ließ er die Teufel in Schweine fahren, statt sie, was er leicht hätte tun können, zu vernichten.8 Von dieser Grundlage aus ist es nicht schwer zu erraten, wohin das Ineinandergreifen der christlichen und der römischen Haltung führte. Am deutlichsten zeigt es sich am Schicksal der römischen Spiele nach der Bekehrung des Kaiserreichs zum Christentum. Die christliche Lehre lehnte Gladiatorenkämpfe unerbittlich ab. Ein Gladiator, der überlebte, indem er seinen Gegner tötete, galt als Mörder. Schon der Besuch solcher Kämpfe wurde mit der Exkommunikation bestraft, und bis zum Ende des vierten Jahrhunderts waren Kämpfe zwischen Menschen völlig abgeschafft worden. Die moralische Bewertung des Tötens oder Quälens nichtmenschlicher Lebewesen blieb andererseits völlig unverändert. Kämpfe mit wilden Tieren wurden bis in das christliche Zeitalter hinein fortgesetzt und wurden offenbar nur deshalb seltener, weil der sinkende Reichtum und die Gebietsverluste des Kaiserreichs die Beschaffung wilder Tiere erschwerten. Doch es gibt auch heute noch solche Kämpfe, nämlich in der modernen Form des Stierkampfs in Spanien und Lateinamerika.

Was für die römischen Spiele zutraf, galt auch im Allgemeinen. Nichtmenschliche Lebewesen wurden im Christentum wie schon in römischen Zeiten eindeutig außerhalb des Bereichs menschlichen Mitgefühls belassen. Folglich blieb trotz der Einstellung gegenüber Menschen, die sich so sehr milderte und verbesserte, dass sie kaum wiederzuerkennen war, die Haltung gegenüber den übrigen Tieren ebenso gleichgültig und brutal wie in römischer Zeit. Doch das Christentum unterließ es nicht nur, die schlimmsten Haltungen der Römer gegenüber Tieren abzumildern, sondern unglücklicherweise gelang es ihm darüber hinaus sogar, den Funken eines umfassenderen Mitgefühls für sehr lange Zeit auszulöschen, den ein paar vereinzelte gütigere Menschen am Leben gehalten hatten.

Einige wenige Römer hatten Mitgefühl für das Leiden von Lebewesen gezeigt unabhängig davon, wer diese Wesen waren, und die Benutzung empfindender Kreaturen zum menschlichen Vergnügen, sei es am Tisch des Feinschmeckers oder in der Arena, für verabscheuungswürdig erklärt. Ovid, Seneca, Porphyrios und Plutarch äußerten sich in diesem Sinne, wobei nach der Aussage Leckys Plutarch das Verdienst zukommt, als Erster auf der Grundlage eines umfassenden Wohlwollens und ohne jeden Bezug auf die Seelenwanderung ausdrücklich für eine gütige Behandlung von Tieren eingetreten zu sein.9 Es dauerte jedoch nahezu sechzehnhundert Jahre, bis ein christlicher Autor mit ähnlichem Nachdruck und detailliert die Grausamkeit gegenüber Tieren verurteilte, ohne dies damit zu begründen, dass sie eine Neigung zur Grausamkeit gegenüber Menschen begünstigen könne.

Einige Christen zeigten für Tiere Mitgefühl. Vom heiligen Basilius gibt es ein Gebet, das auf die gütige Behandlung von Tieren großes Gewicht legt; eine ähnliche Bemerkung gibt es vom heiligen Johannes Chrysostomos und eine entsprechende Lehre vom heiligen Isaak dem Syrer. Es gab sogar einige Heilige, wie etwa den heiligen Neot, die Jagden sabotierten, indem sie Hirsche und Hasen vor den Jägern retteten.10 Diesen Persönlichkeiten gelang es jedoch nicht, den Hauptstrom des christlichen Denkens von seiner ausnehmend speziesistischen Voreingenommenheit abzubringen.

Um das Fehlen eines solchen Einflusses nachzuweisen, will ich nun nicht die Entwicklung des christlichen Denkens über die Tiere von den frühen Kirchenvätern bis zu den mittelalterlichen Scholastikern nachzeichnen - eine langweilige Angelegenheit, denn es gab dabei mehr Wiederholung als Fortschritt -; vielmehr dürfte es sinnvoller sein, die Position Thomas von Aquins etwas genauer zu betrachten, als es sonst möglich wäre.

Thomas von Aquins umfangreiches Werk Summa Theologica stellte einen Versuch dar, das theologische Wissen seiner Zeit zu erfassen und mit der weltlichen Weisheit der Philosophen in Einklang zu bringen; allerdings räumte er dabei Aristoteles eine so hervorragende Stellung ein, dass er ihn einfach »der Philosoph« nannte. Wenn überhaupt ein einzelner Verfasser als Stellvertreter der

christlichen Philosophie bis heute gelten kann, so ist es Thomas von Aquin.

Beginnen wir mit der Frage, ob sich nach Thomas von Aquin das christliche Tötungsverbot auch auf nichtmenschliche Lebewesen bezieht, und wenn nicht, warum nicht. Seine Antwort lautet: Keiner sündigt, indem er eine Sache zu dem verwendet, wozu sie bestimmt ist. In der Ordnung der Wesen aber sind die unvollkommenen wegen der vollkommenen da; ... so sind auch die Wesen, die nur Leben haben, wie die Pflanzen, im allgemeinen für alle Tiere da, und die Tiere für den Menschen. Wenn deshalb der Mensch die Pflanzen gebraucht für die Tiere und die Tiere zum Nutzen des Menschen, so ist das nicht unerlaubt; wie das auch aus dem Philosophen erhellt. Unter den verschiedenartigen Verwendungsmöglichkeiten nun scheint jener Gebrauch am meisten notwendig zu sein, bei dem die Tiere sich der Pflanzen, die Menschen sich der Tiere zur Nahrung bedienen, was nicht ohne Tötung jener geschehen kann. So ist es denn erlaubt, sowohl die Pflanzen zu töten zur Nahrung für die Tiere, als auch die Tiere zur Nahrung des Menschen, und zwar auf Grund der göttlichen Ordnung.11 Für Thomas von Aquin besteht der wesentliche Punkt nicht darin, dass das Töten zu Nahrungszwecken als solches notwendig und daher gerechtfertigt wäre (da er von Sekten wie den Manichäern wusste, bei denen die Tötung von Tieren verboten war, konnte ihm die Tatsache, dass Menschen leben können, ohne Tiere zu töten, nicht ganz unbekannt gewesen sein; doch wir wollen darüber im Augenblick hinwegsehen); es geht vielmehr darum, dass nur die »Vollkommeneren« befugt sind, aus diesem Grund zu töten. Tiere, die zu Nahrungszwecken Menschen töten, befinden sich in einer ganz anderen Kategorie: Die Wörter »Wut« und »Wildheit« verstehen sich aus der Ähnlichkeit mit wilden Tieren, die ja als »Wild« bezeichnet werden. Derlei Tiere fallen die Menschen an, um sich von ihren Körpern zu nähren - nicht aus irgendeinem Grund von Gerechtigkeit, ein Gesichtspunkt, der nur von der Vernunft erfasst wird.12 Selbstverständlich würden Menschen nur zu Nahrungszwecken töten, nachdem sie sich der Gerechtigkeit eines solchen Tuns vergewissert haben!

Menschen können also andere Tiere töten und sie essen; aber gibt es vielleicht anderes, das wir ihnen nicht antun sollten? Ist das Leiden anderer Geschöpfe als solches ein Übel? Und wenn es so ist, wäre es dann nicht aus diesem Grund falsch, ihnen Leiden aufzuerlegen, oder wenigstens falsch, ihnen unnötig Leiden aufzuerlegen?

Thomas von Aquin sagt nicht, dass Grausamkeit gegenüber »unvernünftigen Tieren« an sich schlecht sei. In seinem Aufbau der Moral gibt es keinen Platz für ein solches Unrecht, denn er unterteilt die Sünden in Sünden gegen Gott, Sünden gegen sich selbst und Sünden gegen den Nächsten. Die Grenzen der Moral schließen die Tiere also wieder einmal aus. Für Sünden gegen nichtmenschliche Lebewesen gibt es keine Kategorie.13 Aber sollten wir, auch wenn die Grausamkeit gegenüber den nichtmenschlichen Lebewesen nun keine Sünde sein soll, die Tiere nicht vielleicht dennoch aus Güte gut behandeln? Nein, auch diese Möglichkeit schließt Thomas von Aquin ausdrücklich aus. Wir können, so sagt er, aus drei Gründen »dem unvernünftigen Geschöpfe nichts Gutes wollen, denn es ist nicht seine Sache, ein Gut zu besitzen, sondern nur Sache des vernunftbegabten Geschöpfes«; wir können ihm keine

freundschaftlichen Gefühle entgegenbringen, und schließlich »ist die heilige Liebe in der Mitteilung der ewigen Seligkeit [be] gründet, deren das vernunftlose Geschöpf gar nicht fähig ist«. Diese Geschöpfe, so erfahren wir, können nur »geliebt werden wie die Güter, die wir anderen wollen«, das heißt »zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Menschen«. Mit anderen Worten heißt das: Wir können Puten nicht einfach deshalb liebevoll füttern, weil sie hungrig sind, sondern nur, weil wir sie uns als jemandes Weihnachtsessen vorstellen.14 Das alles könnte in uns den Verdacht wecken, Thomas von Aquin glaube einfach nicht, dass außer dem Menschen auch noch irgendwelche anderen Tiere leiden könnten. Diese Auffassung haben andere Philosophen vertreten, und obwohl sie offensichtlich absurd ist, würde sie Thomas von Aquin doch wenigstens den Vorwurf ersparen, er sei gegenüber dem Leiden gleichgültig. Diese Interpretation schließt er jedoch durch seine eigenen Worte aus. Im Verlauf der Diskussion einiger schwacher Verbote von Grausamkeit gegenüber Tieren im Alten Testament schlägt er vor, zwischen Vernunft und Gefühl zu unterscheiden. Über die Vernunft sagt er: Nach der Zuneigung der Vernunft ist es nun gleichgültig, was der Mensch mit den Tieren tut; denn alle sind von Gott seiner Herrschaft unterworfen, nach Ps 8,8: »Alles hast du seiner Macht unterstellt.« Und in diesem Sinne sagt der Apostel: »Gott sorgt sich nicht um die Ochsen«, weil Gott vom Menschen keine Rechenschaft darüber fordert, was er mit den Ochsen oder den übrigen Tieren macht.

Aus der Perspektive des Gefühls erregen andererseits aber auch »unvernünftige Tiere« unser Mitleid, da sie »gleichfalls Schmerzen verspüren«; trotzdem sind nach Thomas von Aquin die Schmerzen von Tieren kein hinreichender Grund, um die Verbote des Alten Testaments zu rechtfertigen, und er fügt deshalb hinzu:

Es liegt aber sehr nahe, dass derjenige, der mit den Tieren Mitgefühl zeigt, daraus empfänglicher wird für Gefühle des Erbarmens den Menschen gegenüber; daher heißt es Spr. 12,10: »Der Fromme kennt das Fühlen seiner Tiere«.15 So gelangt Thomas von Aquin zu der später oft wiederholten Auffassung, der einzige Grund gegen die Grausamkeit gegenüber Tieren bestehe darin, dass sie zu Grausamkeit gegenüber Menschen führen könne. Kein anderes Argument könnte das "Wesen des Speziesismus besser offenbaren.

Der Einfluss Thomas von Aquins war von Dauer. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts verbot Papst Pius IX. in Rom die Gründung einer Gesellschaft für die Verhinderung von Grausamkeit gegenüber Tieren mit der Begründung, die Schaffung einer solchen Gesellschaft unterstelle die Annahme, dass Menschen Pflichten gegenüber Tieren hätten.16 Wir können diese Darstellung bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fortführen, ohne bedeutsame Veränderungen in der offiziellen Position der katholischen Kirche zu finden. Der folgende Auszug aus einem amerikanischen römischkatholischen Text bietet eine aufschlussreiche Vergleichsmöglichkeit zu dem siebenhundert Jahre früher entstandenen weiter oben bereits zitierten Text Thomas von Aquins: In der Ordnung der Natur besteht das Unvollkommene um des Vollkommenen willen, das Unvernünftige, um dem Vernünftigen zu dienen. Dem Menschen als dem vernünftigen Tier ist es erlaubt, die nach dieser natürlichen Ordnung unter ihm stehenden Dinge für seine eigenen Zwecke zu benutzen. Zur Erhaltung seines Lebens und seiner Kraft muss er Pflanzen und Tiere essen. Damit Pflanzen und Tiere gegessen werden können, muss man sie töten. Also ist das Töten als solches keine unmoralische oder ungerechte Handlung.17 Es fällt auf, dass der Verfasser dieses Texts sich so eng an Thomas von Aquin anschließt, dass er sogar die Behauptung wiederholt, Menschen müssten Pflanzen und Tiere essen. Thomas von Aquins Unwissenheit in dieser Hinsicht war überraschend, angesichts des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnis in seiner Zeit jedoch entschuldbar; dass ein moderner Verfasser, der nur in einem Standardwerk der Ernährungslehre

nachschlagen oder das Vorhandensein gesunder Vegetarier zur Kenntnis nehmen müsste, diesen Irrtum fortsetzt, ist unglaublich.

Erst 1988 ließ eine offizielle Verlautbarung der römisch-katholischen Kirche erkennen, dass die Umweltbewegung die katholischen Lehren zu beeinflussen beginnt. In der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (Die soziale Sorge der Kirche) sagte Papst Johannes Paul II., die menschliche Entwicklung könne »nicht von der Achtung vor den Geschöpfen absehen, welche die sichtbare Natur bilden«, und fügte hinzu: Die vom Schöpfer dem Menschen anvertraute Herrschaft ist keine absolute Macht, noch kann man von der Freiheit sprechen, sie zu »gebrauchen oder zu mißbrauchen« oder über die Dinge zu verfügen, wie es beliebt. ... im Hinblick auf die sichbare Natur [sind] wir nicht nur biologischen, sondern auch moralischen Gesetzen unterworfen ..., die man nicht ungestraft übertreten darf.18 Dass ein Papst die Auffassung der uneingeschränkten Herrschaft so deutlich zurückweist, ist vielversprechend, doch es lässt sich noch nicht sagen, ob dies eine dringend erforderliche historische Richtungsänderung in der katholischen Lehre über die Tiere und die Umwelt anzeigt.

Es hat selbstverständlich viele human eingestellte Katholiken gegeben, die ihr Bestes gaben, um die Einstellung ihrer Kirche gegenüber Tieren zu verbessern, und gelegentlich hatten sie auch Erfolg.

Durch Betonung der erniedrigenden Tendenzen der Grausamkeit sahen sich einige katholische Verfasser in der Lage, die schlimmsten menschlichen Praktiken gegen andere Tiere zu verurteilen.

Die meisten bewegen sich jedoch innerhalb der Grenzen der grundsätzlichen Auffassung ihrer Religion. Der Fall Franz von Assisi veranschaulicht das.

Der heilige Franziskus ist die auffallende Ausnahme von der Regel, dass der Katholizismus die Sorge um das Wohlergehen nichtmenschlicher Lebewesen missbilligt. Angeblich sagte er einmal: »Wenn ich doch nur dem Kaiser vorgestellt werden könnte, um der Liebe Gottes willen und um meinetwillen würde ich ihn bitten, ein Edikt zu erlassen, das jedermann verbietet, meine Schwestern, die Lerchen, zu fangen und einzusperren, und befiehlt, dass alle Besitzer von Ochsen und Eseln diese an Weihnachten besonders gut futtern.« Viele Legenden berichten von seinem Mitgefühl, und die Geschichte, wie er den Vögeln predigte, scheint zweifellos darauf zu verweisen, dass der Graben zwischen ihnen und den Menschen kleiner war, als andere Christen annahmen.

Doch wenn wir nur auf die Einstellung des Franziskus zu den Lerchen und anderen Tieren sehen, könnte ein falscher Eindruck entstehen. Der heilige Franziskus betrachtete nicht nur empfindende Wesen als seine Schwestern; Sonne, Mond, Wind und Feuer, alle waren ihm Schwestern und Brüder. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn als »erfüllt von einer inneren und äußeren Freude an nahezu allen Kreaturen, und wenn er mit ihnen umging oder sie betrachtete, schien sein Geist mehr im Himmel zu sein als auf der Erde«. Diese Freude erstreckte sich auf Wasser, Felsen, Blumen und Bäume. Es handelt sich um die Beschreibung eines Menschen, der sich im Zustand religiöser Ekstase befindet und tief bewegt wird von dem Gefühl des Einsseins mit der Natur. Menschen aus vielen religiösen und mystischen Traditionen scheinen solche Erfahrungen gemacht zu haben und haben ähnliche Gefühle allumfassender Liebe zum Ausdruck gebracht.

Sehen wir Franziskus in diesem Licht, so können wir den umfassenden Charakter seiner Liebe und seines Mitgefühls besser verstehen, und auch, wie seine Liebe zu allen Kreaturen neben einer in ihrem Speziesismus ganz orthodoxen theologischen Position bestehen konnte. Franziskus bekräftigte nämlich, dass »jede Kreatur ver kündet: Gott schuf mich um deinetwillen, o Mensch!« Die Sonne selbst, so glaubte er, scheine für den Menschen. Diese Vorstellungen waren Teil einer Weltauffassung, die er niemals in Frage stellte; die Kraft seiner Liebe zu aller Kreatur ließ sich durch solche Betrachtungen jedoch nicht in Fesseln legen.

Diese Art ekstatischer allumfassender Liebe kann eine wunderbare Quelle des Mitgefühls und der Güte sein, doch ihr Mangel an rationaler Reflexion kann ihren guten Folgen auch sehr entgegenarbeiten. Lieben wir Felsen, Bäume, Pflanzen, Lerchen und Ochsen gleichermaßen, so verlieren wir möglicherweise den Blick für die wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen, vor allem den Blick für ihre unterschiedlich ausgeprägte Empfindungsfähigkeit. Wir könnten dann denken, da wir zum Überleben etwas essen müssen, und da wir nicht essen können, ohne etwas zu töten, spiele es keine Rolle, was wir töten. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass die Liebe des heiligen Franziskus zu Vögeln und Ochsen ihn offenbar nicht daran hinderte, sie weiterhin zu essen; und als er die Verhaltensregeln für die Mönche des von ihm gegründeten Ordens aufstellte, verbot er ihnen das Fleischessen nur an bestimmten Fastentagen.19

Es könnte der Eindruck entstehen, als habe das Zeitalter der Renaissance mit dem Aufstieg des humanistischen Denkens als Gegensatz zur Scholastik das mittelalterliche Bild des Universums erschüttert und damit frühere Vorstellungen über den Status des Menschen gegenüber den übri

gen Tieren zu Fall gebracht. Doch der Humanismus der Renaisssance ist letztlich eben Humanismus, und die Bedeutung dieses Begriffs hat nichts mit einer humanitären Einstellung, also der Neigung zu einem menschlichen Handeln, zu tun.

Das wesentliche Merkmal des Humanismus der Renaissance ist seine Betonung des Wertes und der Würde des Menschen und seiner zentralen Stellung in der Welt. »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«, dieser Ausspruch aus der griechischen Antike wurde in der Renaissance wiederbelebt und bildet das Thema dieser Zeit. Statt der ziemlich bedrückenden Konzentration auf Erbsünde und die Schwäche des Menschen gegenüber der unendlichen Macht Gottes betonten die Humanisten der Renaissance die Einzigartigkeit des Menschen, seinen freien Willen, sein Potential und seine Würde; und dies alles stellten sie der beschränkten Natur der »niederen Tiere« gegenüber. Wie schon die alte christliche Betonung der Heiligkeit des menschlichen Lebens stellte das in gewisser Hinsicht einen wertvollen Fortschritt in der Einstellung gegenüber Menschen dar, doch auch dabei blieben nichtmenschliche Lebewesen so weit unter dem Menschen angesiedelt, wie sie es immer schon waren.

So schrieben die Autoren der Renaissance selbstgefällige Abhandlungen, in denen sie feststellten, dass »das glücklichste und aller Bewunderung würdigste Lebewesen der Mensch sei«20 und beschrieben den Menschen als »den Mittelpunkt der Natur, die Mitte des Universums, das Band der Welt«.21 Wenn die Renaissance in gewisser Weise auch den Beginn des neuzeitlichen Denkens markiert, behielten hinsichtlich der Einstellung zu den Tieren die früheren Denkweisen doch ihre Geltung.

In dieser Zeit finden wir aber die ersten wirklichen Andersdenkenden: Leonardo da Vinci wurde von seinen Freunden gehänselt, weil er aus Besorgnis angesichts des Leidens von Tieren Vegetarier wurde22; und Giordano Bruno, der von der neuen kopernikanischen Astronomie be- einflusst war, die die Existenz anderer, unter Umständen bewohnbarer Planeten eröffnete, wagte zu behaupten, der Mensch sei »nicht mehr als eine Ameise vor dem Unendlichen«. Bruno wurde im Jahr 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, seine angeblichen Irrlehren zu widerrufen.

Michel de Montaignes bevorzugter Autor war Plutarch, und sein Angriff gegen die humanistischen Annahmen seines Zeitalters hätte wohl die Zustimmung jenes gütigen Römers gefunden: Anmaßung ist unsere natürliche und ursprüngliche Krankheit ... Die gleiche eitle Vorstellung veranlasst ihn [den Menschen], sich Gott gleichzustellen, sich göttliche Eigenschaften

zuzuschreiben, und sich selbst aus der Masse der übrigen Kreaturen zurückzuziehen und von ihnen abzutrennen.23

Es ist gewiss kein Zufall, dass der Verfasser, der eine solche Selbsterhöhung zurückweist, mit seiner Abhandlung »Uber die Grausamkeit« auch zu den ganz wenigen Autoren seit römischer Zeit gehört, die Grausamkeit gegenüber Tieren völlig unabhängig von ihrer Tendenz, Grausamkeit gegenüber Menschen zu bewirken, als solche für falsch erklären.

Sollte sich vielleicht von diesem Entwicklungsstand des westlichen Denkens ausgehend der Status nichtmenschlicher Tiere verbessern? Die alte Auffassung von der Welt und der zentralen Stellung des Menschen in ihr verlor langsam an Boden, die neuzeitliche Wissenschaft stand am Beginn ihres jetzt berühmten Aufstiegs, und schließlich war der Status nichtmenschlicher Tiere so niedrig, dass es vernünftig wäre anzunehmen, dass er sich nur noch verbessern konnte.

Der absolute Tiefpunkt stand jedoch noch bevor. Das letzte, bizarrste und - für die Tiere — schmerzhafteste Ergebnis der christlichen Lehre trai in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts

zutage, in der Philosophie von Rene Descartes. Descartes war ein ausgeprägt neuzeitlicher Denker.

Er gilt als Begründer der neuzeitlichen Philosophie und auch der analytischen Geometrie, aus der ein großer Teil der modernen Mathematik entstanden ist. Doch er war auch Christ, und seine Vorstellungen über die Tiere entstanden aus einer Kombination dieser beiden Aspekte seines Denkens.

Unter dem Einfluss der neuen und beeindruckenden Wissenschaft der Mechanik vertrat Descartes die Auffassung, dass alles aus Materie Bestehende mechanischen Prinzipien folge, etwa wie denen einer Uhr. Für diese Auffassung bildete die menschliche Natur ein offensichtliches Problem. Der menschliche Körper besteht aus Materie und ist Teil der physikalischen Welt. Demnach müssten also auch die Menschen Maschinen sein, deren Verhalten von wissenschaftlichen Gesetzen bestimmt ist.

Dieser indiskutablen und ketzerischen Auffassung vom Menschen als einer Maschine konnte Descartes dadurch entgehen, dass er die Idee der Seele einbrachte. Er sagte, es gebe nicht eine, sondern zwei Arten von Substanz in der Welt, eine geistige oder seelische Substanz ebenso wie eine physikalische oder materielle. Die Menschen haben ein Bewusst- sein, und Bewusstsein kann seinen Ursprung nicht in der Materie haben. Descartes setzte das Bewusstsein mit der unsterblichen Seele gleich, die den Zerfall des Körpers überlebt, und behauptete, die Seele sei von Gott besonders erschaffen worden. Von

allen materiellen Wesen hatten nach Descartes nur die Menschen eine Seele. (Engel und andere unkörperliche Wesen haben nur Bewusstsein.)

So führte also in der Philosophie Descartes' die christliche Lehre, dass Tiere keine unsterbliche Seele haben, zu der außergewöhnlichen Konsequenz, dass sie auch kein Bewusstsein haben. Sie sind, so sagte er, bloße Maschinen, Automaten. Sie empfinden weder Freude noch Schmerz oder irgendetwas anderes. Auch wenn sie schrien, wenn man sie mit einem Messer schneidet, oder sich wänden, um der Berührung mit einem heißen Eisen zu entkommen, bedeute dies nicht, so Descartes, dass sie in solchen Situationen Schmerz empfänden. Sie würden von den gleichen Prinzipien bestimmt wie eine Uhr, und wenn ihr Verhalten komplexer sei als das einer Uhr, dann deshalb, weil die Uhr eine von Menschen gemachte Maschine sei, während Tiere als von Gott geschaffene Maschinen unendlich viel komplexer seien.24 Diese »Lösung« des Problems, Bewusstsein in einer materialistischen Welt unterzubringen, mag uns paradox erscheinen, und so erschien sie auch vielen Zeitgenossen von Descartes; doch gleichzeitig sah man in ihr auch wichtige Vorteile. Sie versah die Menschen mit einem Grund, um an ein Leben nach dem Tod zu glauben, und das war für Descartes sehr wichtig, da die Vorstellung, »die Seele der Tiere sei von derselben Natur wie die unsrige und wir hätten demnach, ebensowenig wie die Fliegen und die Ameisen, nach diesem Leben etwas zu fürchten oder zu hoffen«, einen Irrtum darstelle, der eine unmoralische Lebensweise fördern könne.24a Sie schaffte auch das alte und verwirrende theologische Rätsel aus der Welt, warum ein gerechter Gott es zuließ, dass Tiere - die weder der Erbsünde unterworfen waren noch in einem Leben nach dem Tod entschädigt werden leiden.25 Descartes war sich aber auch der eher praktischen Vorteile bewusst: Meine Meinung ist weniger grausam zu den Tieren als nachsichtig gegenüber den Menschen — jedenfalls gegenüber denen, die sich nicht dem Aberglauben des Pythagoras hingeben -, denn sie enthebt sie des Verdachts, ein Verbrechen zu begehen, wenn sie Tiere essen oder töten.26 Für den Wissenschaftler Descartes hatte diese Lehre noch ein anderes erfreuliches Ergebnis. Gerade in jener Zeit begann die Praxis des Experimentierens an lebenden Tieren sich in Europa zu verbreiten. Da es damals keine Betäubungsmittel gab, müssen diese Experimente bei den Tieren ein Verhalten bewirkt haben, das die meisten von uns als Äußerung starker Schmerzen auffassen würden. Descartes' Theorie erlaubte esbden Experimentatoren, sämtliche Skrupel zu

vernachlässigen, die sie unter diesen Umständen möglicherweise empfanden. Descartes selbst sezierte lebende Tiere, um seine anatomischen Kenntnisse zu erweitern, und viele der führenden Physiologen jener Zeit bezeichneten sich als Cartesianer und Mechanisten. Der folgende Augenzeugenbericht über einige dieser Experimentatoren, die im späten 17. Jahrhundert am Jansenistischen Seminar von Port-Royal arbeiteten, zeigt, wie gelegen die Theorie Descartes' kam:

Sie versetzten Hunden mit völliger Gleichgültigkeit Schläge und machten sich über diejenigen lustig, die diese Kreaturen bedauerten, als ob sie Schmerzen empfinden könnten. Sie sagten, die

Tiere seien Uhren; die Schreie, die sie ausstießen, wenn sie geschlagen wurden, seien nur das Ge räusch einer kleinen Feder, die berührt worden sei, der ganze Körper sei jedoch ohne Empfinden.

Sie nagelten die armen Tiere an allen vier Pfoten auf Brettern fest, um sie bei lebendigem Leib aufzuschneiden und sich den Blutkreislauf anzusehen, der ein bedeutender Gesprächsgegenstand war.27 An diesem Punkt war es wirklich wahr, dass sich der Status der Tiere nur noch verbessern konnte.

Von der Aufklärung bis heute Die neue Mode des Experimentierens an Tieren könnte zum Teil selbst für eine Veränderung der Einstellung gegenüber Tieren verantwortlich gewesen sein, denn die Experimente deckten eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen der Physiologie der Menschen und anderer Tiere auf.

Strenggenommen stand das nicht in Widerspruch zu Descartes' Position, doch es machte seine Auffassungen weniger glaubwürdig. Voltaire sagte treffend: Diese Barbaren ergreifen den Hund, dessen Treue und Freundschaft die des Menschen so weit überragt, und nageln ihn auf einem Tisch fest und sezieren ihn bei lebendigem Leib, um dir die Blutgefäße in den Eingeweiden zu zeigen! Du entdeckst in ihm genau die gleichen Gefiihlsorganc wie in dir selbst. Sage mir, Mechanist, hat die Natur in diesem Tier alle Grundlagen des Gefühls angelegt, damit es nichts empfindet?28 Es fand keine radikale Veränderung statt, doch ganz verschiedene Einflüsse trugen dazu bei, die Einstellung gegenüber Tieren zu verbessern. Langsam stellte sich die Erkenntnis ein, dass andere Tiere wirklich leiden und dass dies berücksichtigt werden muss. Man dachte nicht, dass sie irgendwelche Rechte hätten, und menschliche Interessen hatten vor den ihren Vorrang; dennoch brachte der schottische Philosoph David Hume ein ziemlich verbreitetes Gefühl zum Ausdruck, als er sagte, wir seien durch die Gesetze der Menschlichkeit verpflichtet, von diesen Geschöpfen rücksichtsvoll Gebrauch zu machen.29 »Rücksichtsvoller Gebrauch« ist wirklich eine schöne Umschreibung für die Einstellung, die sich in dieser Zeit zu verbreiten begann: Wir sind berechtigt, Tiere zu benutzen, aber wir sollten es rücksichtsvoll tun. Dieses Zeitalter war geprägt von der Neigung zu Kultiviertheit und Höflichkeit, zu größerer Wohltätigkeit und weniger Brutalität, und neben den Menschen profitierten hiervon auch die Tiere.

Das 18. Jahrhundert war auch eine Zeit, in der die »Natur« von neuem entdeckt wurde: JeanJacques Rousseaus edler Wilder, der nackt durch die Wälder streift und unterwegs Früchte und Nüsse pflückt, bildete den Höhepunkt der Idealisierung der Natur. Dadurch, dass sich der Mensch selbst als Teil der Natur verstand, gewann er ein Gefühl der Verwandtschaft mit den Tieren zurück.

Die Verwandtschaft war jedoch in keiner Weise mit dem Gedanken der Gleichheit verbunden.

Bestenfalls spielte der Mensch in der Familie der Tiere die Rolle des gütigen Vaters.

Die religiösen Vorstellungen über die besondere Stellung des Menschen verschwanden nicht. Sie wurden mit der neueren, freundlicheren Haltung verwoben. Alexander Pope zum Beispiel wandte sich gegen die Praxis, bei Bewusstsein befindliche Hunde zu sezieren, und begründete dies damit, dass die »niedere Kreatur« zwar »unserer Macht unterworfen« worden sei, dass wir aber für den »falschen Umgang« mit ihr verantwortlich seien.30 Schließlich wirkte sich, ganz besonders in Frankreich, die zunehmende kirchenfeindliche Einstellung positiv auf die Stellung der Tiere aus. Voltaire, der mit Vorliebe Dogmen jeglicher Art bekämpfte, verglich die christlichen Praktiken, sehr zu deren Nachteil, mit denen der Hindus. Er nannte es einen barbarischen Brauch, dass wir uns vom Fleisch und Blut von Lebewesen ernähren, die so sind wie wir selbst, und ging damit weiter als jene seiner englischen Zeitgenossen, die sich für eine freundliche Behandlung von Tieren einsetzten; allerdings hielt er offenbar selbst an diesem Brauch fest.31 Auch Rousseau scheint die Stärke der Argumente für den Vegetarismus erkannt zu haben, ohne ihn tatsächlich zu übernehmen; seine Abhandlung über die Erziehung, Emile, enthält

einen langen und kaum in den Zusammenhang passenden Auszug von Plutarch, in dem die Verwendung von Tieren zu Nahrungszwecken als unnatürlich, überflüssig und blutiger Mord bezeichnet wird.32

Nicht alle Denker ließen sich in ihrer Einstellung zu den Tieren durch die Aufklärung gleichermaßen beeinflussen. Immanuel Kant lehrte seine Studenten in seinen Ethikvorlesungen noch immer: Allein, weil die Thiere nur als Mittel da sind und nicht um ihrer selbst willen, indem sie sich ihrer selbst nicht bewußt sind, der Mensch aber der Zweck ist, wo ich nicht mehr fragen kann: warum ist der Mensch da, welches bey den Thieren geschehn kann, so haben wir gegen die Thiere unmittelbar keine Pflichten.33 Doch 1780, im gleichen Jahr, in dem Kant seine Ethikvorlesung hielt, vollendete Jeremy Bentham sein Werk Introduction to tbe Principles oj Morals and Legislation, und darin, in einem Abschnitt, den ich im ersten Kapitel dieses Buches bereits zitiert habe, gab er die endgültige Antwort auf die Position Kants: »Die Frage ist nicht: Können sie denken? oder Können sie sprechen?, sondern: Können sie leiden? Indem er die Stellung der Tiere mit derjenigen der schwarzen Sklaven verglich und dem Tag entgegensah, »an dem auch den übrigen lebenden Geschöpfen die Rechte gewährt werden, die man ihnen nur durch Tyrannei vorenthalten konnte«, war Bentham vielleicht der erste, der offen erklärte, dass die »Herrschaft des Menschen« mehr als Tyrannei denn als legitime Herrschaft aufzufassen sei.

Dem intellektuellen Fortschritt des 18. Jahrhunderts folgten im 19. Jahrhundert einige praktische Verbesserungen der Bedingungen für Tiere. Sie äußerten sich in Gesetzen gegen willkürliche Tierquälerei. Die ersten Kämpfe um gesetzlich verbürgte Tierrechte wurden in Großbritannien ausgefochten, und die anfängliche Reaktion des britischen Parlaments zeigte, dass Benthams Vorstellungen seine Landsleute kaum be- einflusst hatten.

Der erste Vorschlag für ein Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Tieren richtete sich gegen den »Sport« der Stierhetze. Er wurde dem Unterhaus 1800 vorgelegt. Der Außenminister George Canning nannte ihn »absurd« und stellte die rhetorische Frage: »Was könnte unschuldiger sein als die Stierhetze, das Boxen oder das Tanzen?« Da kein Versuch unternommen worden war, das Boxen und das Tanzen zu verbieten, sieht es aus, als hätte dieser scharfsinnige Staatsmann den zentralen Punkt des Gesetzesantrags verkannt, gegen den er sich aussprach — er hielt ihn für einen Versuch, Versammlungen des »Pöbels« zu verbieten, die zu unmoralischem Verhalten führen könnten.34 Möglich wurde dieser Fehler durch die Vorannahme, dass ein Verhalten, das nur ein Tier verletzt, es unmöglich wert sein könne, gesetzlich geregelt zu werden — eine An-nähme, die auch die Times teilte, die ein Editorial dem Grundsatz widmete: »Jede Einmischung in die private und persönliche Verfügungsgewalt eines Menschen über seine Zeit und sein Eigentum ist Tyrannei. Solange nicht eine andere Person geschädigt wird, ist kein Platz für die Einmischung der Staatsmacht.« Der Gesetzesantrag wurde abgelehnt.

1821 schlug Richard Martin, ein irischer Landadeliger und Parlamentsmitglied, ein Gesetz zur Verhinderung der Misshandlung von Pferden vor. Der folgende Bericht gibt Aufschluss über die Stimmung bei der anschließenden Debatte: Als Aldermann C. Smith vorschlug, dass Esel geschützt werden sollten, gab es ein solches Gelächter, dass der Reporter der Times nur wenig von dem Gesagten verstehen konnte. Als der Vorsitzende diesen Vorschlag wiederholte, nahm das Gelächter noch zu. Ein anderes Parlamentsmitglied sagte, Martin würde demnächst eine Gesetzgebung für Hunde vorschlagen, was einen weiteren Heiterkeitsausbruch verursachte, und bei dem Zwischenruf »Und Katzen!« krümmte sich

das ganze Haus vor Lachen.35 Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, doch im folgenden Jahr hatte Martin mit einem Gesetzesvorschlag Erfolg, der es unter Strafe stellte, bestimmte Tiere, »das Eigentum einer oder mehrerer anderer Personen«, »willkürlich« zu misshandeln. Zum ersten Mal wurde damit Grausamkeit gegen Tiere zur Straftat erklärt. Trotz des Gelächters im Jahr zuvor erstreckte sich dieses Gesetz auch auf Esel; Hunde und Katzen blieben jedoch noch immer unberücksichtigt. Noch bezeichnender ist, dass Martin seinen Gesetzesentwurf so anlegen musste, als handele es sich um eine Maßnahme zum Schutz des Privateigentums, in deren Zentrum das Wohl des Eigentümers stehe, und nicht um ein Gesetz für die Tiere selbst.36 Der Entwurf war jetzt Gesetz, doch dieses Gesetz musste auch durchgesetzt werden. Da die Opfer keine Klage erheben konnten, gründeten Martin und eine Reihe weiterer angesehener, humanitär eingestellter Personen eine Gesellschaft, die Beweise sammeln und Strafverfolgungen veranlassen sollte. Das war der Beginn der ersten Tierschutzorganisation, aus der später die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals wurde.

Einige Jahre nach der Verabschiedung dieses ersten bescheidenen gesetzlichen Verbots der Tierquälerei schrieb Charles Darwin in sein Tagebuch: »Der Mensch hält sich in seiner Arroganz für ein großartiges Werk, des besonderen Eingreifens einer Gottheit würdig. Es dürfte bescheidener und, wie ich glaube, auch richtig sein, ihn als aus den Tieren entstanden anzusehen.«37 Weitere zwanzig Jahre vergingen, bis Darwin 1859 zu der Auffassung gelangte, er habe nun genug Beweise für seine Theorie gesammelt, um diese der Öffentlichkeit vorzustellen. Doch selbst dann noch vermied Darwin in seinem Werk The Origin of Species [dt.: Die Entstehung der Arten] sorgfältig jede Diskussion darüber, in welchem Ausmaß seine Theorie der Entwicklung einer Spezies aus einei anderen auf den Menschen angewandt werden konnte, und sagte nur, das Werk werfe Licht auf »den Ursprung des Menschen und seine Ge schichte«. In Wirklichkeit verfügte Darwin schon über ausgiebige No tizen zu seiner Theorie, dass der Homo sapiens von anderen Tieren ab stammte, doch er befürchtete, mit der Veröffentlichung dieses Materials »nur die Vorurteile gegen meine Ansichten [zu] verstärken«.38 Erst 1871, als schon viele Wissenschaftler die allgemeine Evolutionstheorie aner kannt hatten, veröffentlichte Darwin The Descent of Man [dt.: Die Ab stammung des Menschen] und sprach damit aus, was zuvor in einem einzigen Satz seines früheren Werks verborgen war.

So begann eine Revolution im menschlichen Verständnis der Bezie hung zwischen uns und den nichtmenschlichen Tieren ... oder vielleicht doch nicht? Die Annahme ist naheliegend, dass der durch die Veröffeni lichung der Evolutionstheorie hervorgerufene intellektuelle Umbruch auch einen deutlichen Wandel in den Einstellungen der Menschen ge genüber Tieren bedeutet hätte. Nachdem das Gewicht der für die Theo rie sprechenden wissenschaftlichen Beweise zutage lag, musste praktisch jede frühere Rechtfertigung unserer hervorgehobenen Stellung in dei Schöpfung und unserer Herrschaft über die Tiere neu überdacht werdeil. Intellektuell gesehen war die Darwinsche Revolution wirklich revolutio när. Die Menschen wussten jetzt, dass sie keine besondere Schöpfung Gottes waren, nach seinem Bild geschaffen und von den Tieren getrenn i; im Gegenteil, sie mussten erkennen, dass sie selbst Tiere waren. Überdies wies Darwin zur Unterstützung seiner Evolutionstheorie darauf hin, dasi die Unterschiede zwischen Menschen und Tieren nicht so groß waren, wie allgemein angenommen wurde. Kapitel 4 von The Descent ofMan ist einem Vergleich der geistigen Kräfte von Menschen und »niederen Tie ren« gewidmet, und Darwin fasst die Ergebnisse dieses Vergleichs folgen dermaßen zusammen: Wir haben gesehen, daß die Empfindungen und Eindrücke, die verschie denen Erregungen und Fähigkeiten, wie Liebe, Gedächtnis, Aufmerksam keit, Neugierde, Nachahmung, Verstand u.s.w., deren sich der Mensch rühmt, in einem beginnenden oder zuweilen selbst in einem gut ent wickelten Zustand bei den niederen Thieren gefunden werden.39 Im gleichen Kapitel geht er noch weiter und behauptet, das menschli che moralische Empfinden lasse sich bis zu den sozialen Instinkten der Tiere zurückverfolgen, die sie dazu bewegen, am Zusammensein mit anderen Gefallen zu finden, sich zu mögen und einander zu unterstüt zen. Und in seinem darauffolgenden Werk, The Expression oftthe Emo- tions in Man and Animals [dt.: Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei den Menschen und den Tieren], lieferte Darwin weitere Beweise für beträchtliche Ähnlichkeiten zwischen dem Gefühlsleben der Menschen und dem anderer Tiere.

Der massive Widerstand gegen die Theorie der Evolution und Ab stammung der menschlichen Spezies von Tieren - eine Geschichte, die zu bekannt ist, als dass ich sie hier nochmals erzählen müsste — zeigt an, in welchem Ausmaß es speziesistischen Vorstellungen gelungen war, das westliche Denken zu beherrschen. Die Aufgabe der Vorstellung, wir seien das Ergebnis eines besonderen Schöpfungsakts, und die anderen Tiere seien dazu da, um uns zu dienen, ging nicht ohne Widerstand vonstat ten. Die wissenschaftlichen Beweise für einen gemeinsamen Ursprung der menschlichen und der anderen Spezies waren jedoch überwältigend.

Mit der schließlich doch erfolgten Anerkennung von Darwins Theo rie gelangen wir zu einem

modernen Naturverständnis, das sich seitdem zwar noch in einzelnen Punkten, jedoch kaum in seinen Grundzügen verändert hat. Nur Menschen, die den religiösen Glauben den auf Argu menten und Beweisen gegründeten Überzeugungen vorziehen, können heute noch daran festhalten, dass die menschliche Spezies der besonde re Liebling des gesamten Universums sei, dass die anderen Tiere zu unse rer Ernährung erschaffen worden oder dass wir von Gott ausersehen seien, über sie zu herrschen und die göttliche Erlaubnis besäßen, sie zu töten.

Nehmen wir diese geistige Revolution und die ihr vorausgegangene Zunahme des humanitären Empfindens zusammen, so könnten wir ver sucht sein zu glauben, jetzt müsse alles in Ordnung sein. Doch wie die vorhergehenden Kapitel hoffentlich gezeigt haben, lastet die menschli che »Hand der Tyrannei« noch immer auf den anderen Spezies, und ver mutlich bereiten wir heute Tieren mehr Leid als in irgendeiner Zeit zuvor. Was ist falsch gelaufen?

Betrachten wir, was relativ fortschrittliche Denker vom Ende des 18. Jahrhunderts an über Tiere geschrieben haben - also von der Zeit an, als das Recht von Tieren auf eine gewisse Berücksichtigung langsam anerkannt wurde dann können wir eine

interessante Feststellung machen. Mit nur wenigen Ausnahmen schrecken diese Autoren, selbst die besten unter ihnen, vor dem Punkt zurück, an dem ihre Argumente sie vor die Entscheidung stellen würden, mit der tief verankerten Ge wohnheit zu brechen, das Fleisch anderer Tiere zu essen oder zugeben zu müssen, nicht gemäß der Schlussfolgerungen ihrer eigenen moralischen Argumente zu leben. Das ist ein oft wiederholtes Muster. Verfolgt man Quellen vom ausgehenden 18. Jahrhundert an, so stößt man häufig auf Abschnitte, in denen der Verfasser die Falschheit unserer Behandlung anderer Tiere in so deutliche Worte fasst, dass man sicher ist, hier schließlich doch noch jemanden gefunden zu haben, der sich vollständig von speziesistischen Vorstellungen befreit hat — und deshalb auch von der am weitesten verbreiteten aller speziesistischen Praktiken, nämlich dem Essen anderer Tiere. Bis auf eine oder zwei rühmliche Ausnahmen (im 19. Jahrhundert Lewis Gompertz und Henry Salt)40 ist es jedes Mal eine Enttäuschung. Plötzlich wird eine Einschränkung vorgenommen oder ein neuer Gesichtspunkt eingeführt, und auf diese Weise erspart sich der Verfasser die Bedenken wegen seiner Ernährungsweise, die seine Argumentation mit Sicherheit zu erzeugen schien. Wenn irgendwann einmal die Geschichte der Tierbefreiungsbewegung geschrieben sein wird, wird die mit Bentham beginnende Ära als die der Ausreden gelten.

Es wurden verschiedene Ausreden benutzt, und manche von ihnen bezeugen einen gewissen Scharfsinn. Es lohnt sich, einige Beispiele der wichtigsten Formen zu untersuchen, denn wir begegnen ihnen auch heute noch.

Zuerst, und das sollte keine Überraschung sein, dient Gott als Aus rede. Das lässt sich an dem folgenden Auszug aus William Paleys Prin- ciples of Moral and Political Philosophy (1785) veranschaulichen. Bei der Darstellung der »allgemeinen Rechte der Menschheit« fragt Paley, ob wir ein Recht auf das Fleisch anderer Tiere haben:

Es scheint, als brauchten wir eine Entschuldigung für den Schmerz und den Verlust, den wir Tieren verursachen, indem wir sie in ihrer Freiheit beschränken, ihre Körper verstümmeln und schließlich zu unserem Ver gnügen und nach Belieben ihrem Leben ein Ende bereiten (wobei wir glauben, dass dieses Leben ihre gesamte Existenz ausmacht). [Es wird] zur Rechtfertigung dieses Vorgehens vorgebracht ..., die meisten Tierarten seien so geschaffen, dass sie von der Erbeutung anderer leben, und das erlaube durch eine Art Analogie zu beweisen, dass die menschliche Spezies dazu bestimmt sei, sich von den Tieren zu ernähren. ... [doch] diese hier behauptete Analogie ist äußerst schwach, denn die Tiere haben keine Möglichkeit, ihr Leben auf andere Art zu erhalten, wir aber haben diese Möglichkeit; denn die ganze menschliche Spezies könnte sich aus schließlich von Früchten, Hülsenfrüchten, Gräsern und Wurzeln ernäh ren, wie es viele Stämme der Hindus auch wirklich tun ...

Es scheint mir, dass es schwierig wäre, dieses Recht mit irgendeinem Argument zu verteidigen, das aus dem Licht und der Ordnung der Natur erwächst, und dass wir es nur der Erlaubnis der Schrift verdanken, wie es in 1. Mos. 9,1-3 geschrieben steht.41 Paley ist nur einer von vielen, die sich auf die Offenbarung beriefen, nachdem sie feststellten, dass sie selbst keine vernünftige Rechtfertigung für eine Kost liefern konnten, die aus anderen Tieren besteht. In seiner Autobiographie Seventy Years Amongst Savages (ein Bericht über sein Leben in England) berichtet Henry Salt von einem Gespräch, das er als Lehrer am Eton College führte. Er war kurz zuvor Vegetarier geworden und musste diese Praxis nun zum ersten Mal mit einem Kollegen, einem ausgezeichneten Lehrer der Naturwissenschaften, diskutieren. Mit eini ger Beklommenheit erwartete er das Urteil des wissenschaftlichen Geis tes über seine neuen Ansichten, und er vernahm schließlich dies: »Aber glauben Sie denn nicht, dass die Tiere uns als Nahrung geschickt wor den sind?«42

Ein anderer Verfasser, Lord Chesterfield, berief sich nicht auf Gott, sondern auf die Natur: Meine Skrupel angesichts einer so scheußlichen Mahlzeit ließen sich erst beilegen, als ich mich nach ernsthaftem Nachdenken davon überzeugte, dass ihre Rechtmäßigkeit in der allgemeinen Ordnung der Natur liegt, die die Erbeutung des Schwächeren

als eines ihrer ersten Prinzipien ein gerichtet hat.43

Ob Lord Chesterfield glaubte, dass dies auch den Kannibalismus recht fertige, ist nicht überliefert.

Benjamin Franklin benutzte das gleiche Argument — dessen Schwäche Paley offenlegte - als Rechtfertigung, um nach einigen Jahren, in denen er sich vegetarisch ernährt hatte, zum Fleischessen zurückzukehren. In seiner Autobiographie erzählt er, wie er Freunden beim Angeln zusah, und feststellte, dass einige der gefangenen Fische andere Fische gefressen hatten. Er folgerte deshalb: »Wenn ihr einander verzehrt, so sehe ich kei nen Grund, euch nicht auch zu verspeisen.« Franklin war aber wenigstens aufrichtiger als einige andere, die dieses Argument benutzen, denn er gab zu, dass er zu dieser Schlussfolgerung erst gelangte, als der Fisch bereits in der Bratpfanne lag und »köstlich« zu riechen begann; und er fügte hinzu, es sei einer der Vorteile eines »vernünftigen Geschöpfes«, dass es für schlechterdings alles, was es tun will, eine Begründung finden könnte.44

Ein gründlicher Denker kann aber die beunruhigende Frage der Er nährungsweise auch umgehen, indem er sie für so tiefgründig erklärt, dass das menschliche Denken sie nicht mehr verstehen kann.

Dr. Tho mas Arnold von Rugby schrieb: Die ganze Problematik der niederen Kreatur ist mir ein so schmerzliches Geheimnis, dass ich mich ihr nicht zu nähern wage.45

Diese Einstellung hatte auch der französische Historiker Michelet; als Franzose formulierte er es nicht ganz so nüchtern: Das Leben der Tiere, welch dunkles Geheimnis! Eine unermessliche Welt der Gedanken und des dumpfen Leids. Die gesamte Natur protestiert ge gen die Barbarei des Menschen, der seine geringeren Brüder missversteht, erniedrigt und quält. Leben, Tod! Das tägliche Morden zum Verzehr von Tieren — diese schweren und bitteren Probleme traten unerbittlich vor meinen Geist. Elender Widerspruch. Hoffen wir darauf, dass es eines Ta ges ein anderes Dasein geben wird, in dem die unwürdigen, grausamen Geschicke des hiesigen uns erspart bleiben.46

Es scheint, als habe Michelet geglaubt, dass wir nicht leben können, ohne zu töten; doch wenn das zutrifft, muss seine Pein angesichts dieses »elenden Widerspruchs« in krassem Missverhältnis zu der Zeit gestanden haben, die er investierte, um das zu überprüfen.

Auch Arthur Schopenhauer gehörte zu jenen, die sich dem bequemen Irrtum fügten, wir müssten töten, um leben zu können.

Schopenhauer leistete einen wichtigen Beitrag bei der Einführung östlicher Vorstel lungen in das westliche Denken, und in verschiedenen Passagen stellte er die in der westlichen Philosophie und Religion vorherrschende »empö rende Rohheit« in den Einstellungen zu Tieren denen der Hindus und Buddhisten gegenüber. Seine Sprache ist scharf und verächtlich, und vie le Punkte seiner scharfsinnigen Kritik sind auch heute noch zutreffend. Doch nach einem besonders sarkastischen Abschnitt betrachtet Scho penhauer auch kurz die Frage des Tötens zu Nahrungszwecken. Er kann kaum leugnen, dass die Menschen leben könnten, ohne zu töten — dafür weiß er zuviel über die Hindus dennoch behauptet er: »Ohne thieri-sehe Nahrung hingegen würde das Menschengeschlecht im Norden nicht ein Mal bestehen können.« Für diese geographische Unterschei dung gibt Schopenhauer keine Begründung, doch er fügt hinzu, dass man dem Tier den Tod durch Verwendung von Chloroform »noch mehr erleichtern sollte«. 47

Selbst Bentham, der die Notwendigkeit, Rechte auf nichtmenschliche Tiere auszudehnen, so klar aussprach, wich bei dieser Frage aus: Es gibt einen guten Grund, warum geduldet werden sollte, dass wir jene von ihnen essen, die wir gerne essen möchten; uns geht es besser, und ihnen nicht schlechter. Sie haben nicht wie wir jene lange bestehenden Vorahnungen zukünftigen Leidens.

Der Tod, den sie von unserer Hand erleiden, ist im Allgemeinen, und wird es wohl immer sein, ein schnelle rer und deshalb weniger schmerzvoller Tod als der, der sie im unvermeid baren Lauf der Natur erwarten würde.47a Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich Schopenhauer und Bentham in diesen Abschnitten weit unter ihr übliches Argumentationsniveau begaben. Einmal abgesehen von der Frage der moralischen Erlaubtheit des schmerzlosen Tötens berücksichtigt weder Schopenhauer noch Bentham das mit der kommerziellen Aufzucht und Schlachtung not wendig verbundene Leiden. Welche Möglichkeiten des schmerzlosen Tötens es rein theoretisch auch geben mag, die Tötung von Tieren zu Nahrungszwecken in großem Umfang ist niemals schmerzlos gewesen und wird es niemals sein. Zur Zeit Schopenhauers und Benthams war die Schlachtung sogar noch eine grausamere Angelegenheit als heute. Angetrieben von Viehtreibern, denen es um nichts anderes ging, als die Strecke so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, mussten die Tiere bis zum Schlachthof zu Fuß große Entfernungen zurücklegen; sie ver brachten dann unter Umständen zwei bis drei Tage im Schlachthof, ohne dass sie Futter erhielten, und möglicherweise noch nicht einmal Wasser; dann wurden sie ohne jegliche Form vorheriger Betäubung auf barbarische Art geschlachtet. 48 Trotz der Behauptung Benthams hatten sie eine gewisse Vorahnung dessen, was sie erwartete, zumindest von dem Zeitpunkt an, wenn sie in den Schlachthof kamen und das Blut ihrer Leidensgenossen rochen. Bentham und Schopenhauer hätten diese Vorgänge natürlich nicht befürwortet, doch sie unterstützten sie, indem sie ihre Erzeugnisse verwendeten und die allgemeine Praxis rechtfertig ten, zu der sie gehören. In dieser Hinsicht scheint Paley eine zutreffen dere Vorstellung davon gehabt zu haben, was mit dem Fleischessen alles verknüpft

ist. Er konnte den Tatsachen jedoch ruhig ins Auge sehen, denn er konnte sich auf eine göttliche Erlaubnis berufen; Schopenhauer und Bentham konnten bei einer solchen Entschuldigung keine Zuflucht suchen und mussten deshalb ihren Blick von der hässlichen Realität abwenden.

Obwohl Darwin die intellektuellen Grundlagen dieser Einstellungen zerstört hatte, behielt auch er die moralischen Einstellungen früherer Ge nerationen zu Tieren bei. Er verspeiste auch weiterhin das Fleisch jener Lebewesen, die seiner eigenen Aussage nach zur Liebe fähig waren, ein Gedächtnis hatten, über Neugier und Verstand verfügten und füreinan der Sympathie empfinden konnten; und er weigerte sich, ein Gesuch zu unterschreiben, das die britische Tierschutzgesellschaft RSPCA veranlas sen sollte, eine gesetzliche Kontrolle von Tierversuchen zu fordern.49 Sei ne Anhänger verließen ihren Weg, um zu betonen, dass sich die Stellung des Menschen, auch wenn er ein Teil der Natur sei und von den Tieren abstamme, nicht geändert habe. Als Antwort auf die Anschuldigung, Darwins Ideen untergrüben die Würde des Menschen, sagte T. H. Huxley, Darwins mächtigster Fürsprecher: Niemand ist mehr als ich von der Unermesslichkeit des Grabens zwischen dem zivilisierten Menschen und den Tieren überzeugt; unsere Ehrfurcht vor der Würde der Menschheit wird durch das Wissen nicht verringert, dass der Mensch in seiner Substanz und seiner Struktur mit den Tieren eins ist. 50

Huxley ist ein wahrhaftiger Vertreter moderner Einstellungen; er weiß ganz genau, dass die alten Gründe zur Annahme eines tiefen Grabens zwischen dem »Menschen« und dem »Tier« keine Geltung mehr haben, und doch glaubt er weiterhin an die Existenz eines solchen Grabens.

Hier wird der ideologische Charakter unserer Rechtfertigungen für die Benutzung von Tieren am deutlichsten. Es ist ein wesentliches Merkmal jeder Ideologie, sich der Widerlegung zu verschließen. Wird einer ideo logischen Position die Basis entzogen, so sucht man sich eine neue, oder aber die Ideologie bleibt einfach in der Luft hängen und trotzt dem logi schen Äquivalent der Gesetze der Schwerkraft. Im Falle der Einstellung zu den Tieren scheint das Letztere geschehen zu sein. Die moderne Sichtweise unserer Stellung in der Welt unterscheidet sich bedeutend von allen früheren Auffassungen, die wir untersucht haben, doch in praktischer Hinsicht hat sich in unserem Umgang mit anderen Tieren nur wenig geändert. Auch wenn die Tiere nicht mehr ganz außerhalb der Sphäre der Moral angesiedelt sind, befinden sie sich immer noch in einem besonderen Bereich ganz am äußeren Rand. Ihre Interessen wer-den nur dann berücksichtigt, wenn sie nicht mit menschlichen Inter essen in Konflikt stehen. Gibt es einen solchen Konflikt, werden ihre Interessen missachtet - selbst bei einem Konflikt zwischen dem lebens langen Leiden eines nichtmenschlichen Tieres und den gastronomischen Vorlieben eines menschlichen Wesens. Die moralischen Einstellungen der Vergangenheit sind zu tief in unserem Denken und in unserer Praxis verankert, als dass die bloße Veränderung unseres Wissens über uns selbst und die anderen Tiere ausreichen würde, um sie umzustoßen.

6 Speziesismus heute Abwehr, Rationalisierungen und Einwände gegen die Befreiung der Tiere und die Fortschritte bei deren Uberwindung Wir haben gesehen, wie die Menschen unter Missachtung des fundamentalen moralischen Grundsatzes der gleichen Berücksichtigung von Interessen, der unsere Beziehungen zu anderen Lebewesen bestimmen sollte, nichtmenschlichen Lebewesen um trivialer Zwecke willen Leiden auferlegen; und wir haben gesehen, wie Generationen westlicher Denker versucht haben, das Recht des Menschen zu einem solchen Handeln zu verteidigen. In diesem Schlusskapitel möchte ich einen Blick auf einige gegenwärtige Vorgehensweisen bei der Aufrechterhaltung und Förderung speziesistischer Verhaltensweisen werfen, sowie auf die verschiedenen Argumente und Entschuldigungen, die noch heute zur Verteidigung der Versklavung von Tieren benutzt werden.

Manche dieser Verteidigungen sind gegen die in diesem Buch vertretene Position gerichtet, und deshalb gibt mir dieses Kapitel die Möglichkeit, einige der am häufigsten gegen die Befreiung der Tiere vorgebrachten Einwände zu beantworten; das Kapitel soll jedoch, indem es das Fortbestehen einer Ideologie aufdeckt, deren Geschichte wir bis zur Bibel und zur griechischen Antike zurückverfolgt haben, zugleich eine Ergänzung des vorherigen Kapitels sein. Es ist wichtig, diese Ideologie darzulegen und zu kritisieren, denn unsere gegenwärtigen Einstellungen zu Tieren sind auf einer äußerst selektiven Basis — zwar wohlwollend genug, um einige Verbesserungen in den Lebensbedingungen von Tieren zu erlauben, stellen aber die grundsätzliche Haltung gegenüber den Tieren nicht in Frage. Diese Verbesserungen sind deshalb immer der Gefahr ausgesetzt, unterlaufen zu werden, solange wir an der zugrundeliegenden Position nichts ändern, die die rücksichtslose Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere für menschliche Zwecke gutheißt. Nur wenn wir mit mehr als zweitausend Jahren westlichen Denkens über die Tiere radikal brechen, können wir eine feste Grundlage für die Abschaffung dieses Missbrauchs schaffen.

Unsere Einstellung zu Tieren beginnt sich bereits in unserer frühesten Kindheit zu bilden, und sie ist davon beherrscht, dass wir bereits als kleine Kinder anfangen, Fleisch zu essen. Es ist interessant, dass viele Kinder sich zunächst weigern, Fleisch zu essen, und sich erst nach energischen Bemühungen ihrer Eltern daran gewöhnen, die fälschlicherweise glauben, dass Fleisch aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei. Doch wie auch immer die anfängliche Reaktion des Kindes ist, es bleibt fest zustellen, dass wir Fleisch essen, lange bevor wir verstehen, dass das, was wir essen, der tote Körper eines Tieres ist. So kommt es, dass wir uns zu keinem Zeitpunkt frei von den Vorurteilen, die jede traditionelle Ge wohnheit begleiten und von dem vielfältigen gesellschaftlichen Konfor mitätsdruck verstärkt werden, bewusst und unter Kenntnis der Zusam menhänge dafür entscheiden, Fleisch zu essen. Gleichzeitig empfinden Kinder eine natürliche Zuneigung zu Tieren, und unsere Gesellschaft ermutigt sie, mit Tieren wie Hunden und Katzen und kuscheligen Stoff tieren liebevoll umzugehen. Diese Tatsachen erleichtern es, das deut lichste Merkmal der Einstellung von Kindern zu Tieren in unserer Ge sellschaft zu erklären - dass es nämlich keine einheitliche Haltung gegenüber den Tieren gibt, sondern gleichzeitig zwei miteinander unver trägliche Einstellungen, die sorgfältig auseinandergehalten werden, so dass der ihnen innewohnende Widerspruch selten zu Problemen führt.

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit wuchsen Kinder mit Märchen auf, in denen Tiere, insbesondere Wölfe, als grimmige Feinde des Men sehen dargestellt wurden. Bei einem typischen Happy-End ertrank dci Wolf im Brunnen, hinabgezogen von den Steinen, die der erfindungs reiche Held in den Bauch des Wolfs eingenäht hatte, während diesei schlief. Und für den Fall, dass die Kinder die Bedeutung dieser Geschich ten noch nicht verstanden hatten, konnten sie sich alle an den Händen fassen und Kinderlieder wie dieses singen: Three blind mice. See how they run.

They all ran after the farmer's wife.

She cut off their tails with a carving knife.

Did you ever see such a sight in your life As three blind mice? (deutsch: Drei blinde Mäuse. Sieh, wie sie laufen.

Sie liefen alle hinter der Bauersfrau her.

Die schnitt ihnen mit einem scharfen Messer die Schwänze ab.

Habt ihr jemals so etwas gesehen wie drei blinde Mäuse?)

Kinder, die mit solchen Geschichten und Reimen aufwuchsen, sahen keinen Widerspruch zwischen dem, was sie gelehrt wurden, und dem, was sie aßen. Heute sind solche Geschichten und Reime jedoch aus der Mode, und was die Einstellung von Kindern zu Tieren betrifft, herrsch i zumindest oberflächlich ungetrübte Freude und Freundlichkeit. Da-

durch hat sich ein Problem ergeben: Was ist mit den Tieren, die wir essen?

Eine Antwort auf das Problem ist seine Umgehung. Die Zuneigung des Kindes wird auf Tiere gelenkt, die nicht gegessen werden: Hunde, Katzen und andere Haustiere. Solche Tiere bekommt ein Kind, das in der Stadt oder in städtischer Umgebung lebt, am ehesten zu sehen. Kuscheltiere sind kaum jemals Kühe oder Schweine, sondern eher Bären und Löwen. Wenn Tiere aus der Agrarwirtschaft in Bilderbüchern, Ge schichten und Kindersendungen im Fernsehen erwähnt werden, wird aus der Umgehung des Problems jedoch ein bewusster Versuch, die Kin der über die wahre Natur moderner landwirtschaftlicher Betriebe zu täuschen und sie vor der Wirklichkeit, die wir in Kapitel 3 untersucht haben, abzuschirmen. Ein Beispiel hierfür ist das bekannte Buch Farm Animals, das den Kindern Bilder von Hühnern, Puten, Kühen und Schweinen vorführt, alle von ihren Jungen umgeben und ohne dass ein Stall, Schuppen oder Käfig zu sehen wäre. Aus dem Text erfahren wir: die Schweine »freuen sich über ein gutes Fressen, wälzen sich dann im Schlamm und grunzen unterdessen!«, und die »Kühe haben nicht viel zu tun, sie wedeln mit dem Schwanz, fressen Gras und muhen«. 1 Englische Bücher wie The Farm aus der BestsellerReihe von Ladybird vermitteln den gleichen Eindruck ländlicher Idylle. Die Henne läuft mit ihren Küken frei im Obstgarten herum, und die anderen Tiere leben mit ihren Jungen in geräumigen Unterkünften. 2 Bei einer solchen Art der frühen Lektüre ist es nicht überraschend, dass Kinder in dem Glauben auf wachsen, dass Tiere, auch wenn sie nun einmal sterben »müssen«, um die Menschen mit Nahrung zu versorgen, doch bis dahin ein glückliches Leben fuhren.

Die Frauenbewegung hat die Wichtigkeit frühkindlicher Prägungen für unsere späteren Einstellungen erkannt und fördert erfolgreich eine neue Art der Kinderliteratur, bei der es durchaus vorkommen kann, dass mutige Prinzessinnen hilflose Prinzen befreien und Mädchen die aktive Hauptrolle übernehmen, die früher den Jungen vorbehalten war. Verän derte Tiergeschichten zu schaffen, die wir unseren Kindern vorlesen können, ist etwas schwieriger, denn Grausamkeit ist nicht gerade ein ideales Thema für Kindergeschichten. Es sollte aber möglich sein, Bil derbücher und Geschichten zu schaffen, die die grausamsten Einzel heiten vermeiden und Kinder dennoch ermutigen, Tiere weniger als niedliche Objekte für unser Vergnügen oder für unseren Tisch zu sehen, sondern als unabhängige Lebewesen zu achten; und mit zunehmendem Alter können Kinder darauf aufmerksam gemacht werden, dass die meisten Tiere unter ziemlich unerfreulichen Bedingungen leben. Die Schwierigkeit besteht darin, dass nicht vegetarisch lebende Eltern befürchten, die Tierliebe ihrer Kinder könnte ein Störfaktor bei den Mahl Zeiten der Familie sein, und dass sie es deshalb äußerst ungern sehen, wenn ihre Kinder die ganze Wahrheit erfahren. Auch jetzt noch hört man oft von Freunden, dass ihr Kind sich weigerte, Fleisch zu essen, nachdem es erfahren hatte, dass für das Fleisch Tiere getötet werden müssen.

Unglücklicherweise stößt diese instinktive Rebellion bei nichtvegeta rischen Eltern wahrscheinlich auf starke Ablehnung, und angesichts des Widerstands der Eltern, die für die Mahlzeiten sorgen und den Kindern erzählen, dass sie ohne Fleisch nicht groß und stark würden, ist es den meisten Kindern nicht möglich, auf ihrer Weigerung zu bestehen. Wir können nur hoffen, dass mit der zunehmenden Verbreitung des Wissens über die Ernährung mehr Eltern einsehen, dass bei dieser Frage ihre Kinder klüger sind als sie selbst.3 In welchem Ausmaß die Menschen heute von den Tieren, die sie essen, entfernt sind, zeigt sich daran, dass Kinder, die mit Büchern aufwachsen, die ihnen beibringen, ein Bauern' hof sei ein Ort, wo die Tiere sich unter idyllischen Bedingungen frei be wegen können, unter Umständen ihr ganzes Leben lang nicht in eine Situation geraten, die sie zwingen könnte, dieses rosige Bild zu revidieren. In den Städten und Vororten, in denen Menschen leben, gibt es keine Bauernhöfe, und bei einer Fahrt über Land sind jetzt zwar viele landwirtschaftliche Gebäude zu sehen und nur wenige Tiere im Freien, doch wie viele von uns können eine Scheune von einem Schuppen un terscheiden, in dem Masthähnchen gehalten werden?

Auch die Massenmedien unterrichten die Öffentlichkeit nicht über diese Dinge. Im amerikanischen Fernsehen gibt es fast jeden Abend Sendungen über Tiere in der Wildnis (oder in der vermeintlichen Wildnis manchmal werden die Tiere zur Erleichterung der Filmarbeiten einge fangen und in einem begrenzten Gebiet wieder ausgesetzt), aber Filme über intensive Tierzucht und -haltung beschränken sich auf möglich® flüchtige Einblicke im Rahmen seltener Sondersendungen über Agrar- wirtschaft oder Nahrungsmittelerzeugung. Durchschnittliche Fernsehzuschauer und Zuschauerinnen wissen wahrscheinlich mehr über Geparden und Haie als über das Leben von Hühnern oder Mastkälbern. So kommt es, dass der größte Teil der durch das Fernsehen vermittelten »Informationen« über landwirtschaftliche Tierhaltung in Form von bezahlter Werbung zu sehen ist, die von lächerlichen Cartoons mit Schwei nen, die zu Wurst verarbeitet werden wollen, über Thunfische, die versuchen, sich eindosen zu lassen, bis hin zu regelrechten Lügen über die Aufzuchtbedingungen von Masthähnchen reicht. Die Zeitungen sind kaum besser. Ihre Berichterstattung über nichtmenschliche Tiere wird von »menschlich interessanten« Ereignissen wie der Geburt eines Gorillababys im Zoo oder Gefahren für bedrohte Tierarten bestimmt; über

Entwicklungen landwirtschaftlicher Methoden, die Millionen von Tieren die Bewegungsfreiheit rauben, wird nicht berichtet.

Bevor es der Tierbefreiungsbewegung in jüngerer Zeit gelang, aufzudecken, was in ein oder zwei berüchtigten Laboratorien vor sich ging, waren die Zustände in der Forschung nicht besser bekannt als die Situation in der Landwirtschaft. Die Öffentlichkeit hat natürlich keinen Zugang zu Laboratorien. Forscher veröffentlichen ihre Berichte zwar in Fachzeitschriften, doch an die Presse geben sie nur dann Informationen weiter, wenn sie in Anspruch nehmen können, etwas außerordentlich Wichtiges entdeckt zu haben. Bis es der Tierbefreiungsbewegung gelang, landesweit die Aufmerksamkeit der Medien zu gewinnen, hatte deshalb die Öffentlichkeit keine Vorstellung davon, dass die meisten Tierversuche niemals veröffentlicht werden und dass die meisten der veröffentlichten Versuche ohnehin trivial sind. Da, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, niemand genau angeben kann, wie viele Tierversuche in den Vereinigten Staaten durchgeführt werden, überrascht es nicht, dass die Öffentlichkeit noch immer nicht die entfernteste Vorstellung über das Ausmaß der Tierversuche besitzt. Forschungseinrichtungen sind normalerweise so angelegt, dass die Öffentlichkeit nicht viel von den ankommenden lebenden Tieren und dem Abtransport der toten Tiere mitbekommt. (Ein verbreitetes Lehrbuch über die Verwendung von Tieren bei Versuchen empfiehlt den Laboratorien die Einrichtung eines Verbrennungsofens, da der Anblick von Dutzenden toter Tierkörper, die mit dem normalen Abfall entfernt würden, »mit Sicherheit nicht das Ansehen des Forschungszentrums oder der Fakultät in der Öffentlichkeit verbessert«.4 Unwissenheit ist also die erste Verteidigungslinie der Speziesisten. Sie kann jedoch von jedem mit genug Zeit und Entschlossenheit, die Wahrheit herauszufinden, durchbrochen werden. Die Unwissenheit konnte sich nur darum so lange behaupten, weil die Leute die Wahrheit nicht herausfinden wollen. »Erzähl mir nichts darüber, du verdirbst mir mein Abendessen« ist die übliche Antwort auf den Versuch, jemandem zu beschreiben, wie dieses Abendessen erzeugt wurde.

Sogar Leute, denen bewusst ist, dass traditionelle Bauernhöfe in Familienhand von Großbetrieben übernommen wurden und dass in Laboratorien mancherlei fragwürdige Experimente durchgeführt werden, klammern sich an den unbestimmten Glauben, dass die Zustände nicht ganz so schlimm sein können, weil sonst der Staat oder die Tierschutzorganisationen eingeschritten wären. Vor einigen Jahren verglich Dr. Bernhard Grzimek, damals Direktor des Frankfurter Zoos und in Deutschland einer der profiliertesten Gegner der intensiven Tierhaltung, das Unwissen der Deutschen über diese Betriebe mit dem Unwissen einer früheren Generation von Deutschen über eine andere Form von Greueltaten, die ebenfalls den meisten Augen verborgen geblieben war5; und in beiden Fällen ist der Grund für diesen Mangel an Bewusstsein zweifellos nicht so sehr die Unfähigkeit herauszufinden, was vor sich geht, als der Wunsch, nichts über Tatsachen zu wissen, die schwer auf dem Gewissen lasten könnten — und schließlich ist auch der Gedanke tröstlich, dass die Opfer dessen, was immer auch an diesen Orten vorgehen mag, keine Angehörigen der eigenen Gruppe sind.

Der Gedanke, wir könnten uns auf die Tierschutzorganisationen verlassen, die schon dafür sorgen würden, dass Tiere nicht grausam behandelt werden, ist beruhigend. Die meisten Länder haben jetzt wenigstens eine große, gut etablierte Tierschutzorganisation; in den Vereinigten Staaten gibt es die American Society for the Prevention of Cruelty to Animals (ASPCA), die American Humane Association und die Humane Society of the United States; in Großbritannien ist die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) nach wie vor unangefochten die größte Gruppierung. Die Frage ist vernünftig: Warum waren diese Organisationen nicht in der Lage, die in den Kapiteln 2 und 3 beschriebenen eindeutigen Grausamkeiten zu verhindern?

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass die etablierten Tierschutzorganisationen nichts gegen die wichtigsten Formen der Grausamkeit unternommen haben. Einer dieser Gründe liegt in der Geschichte. Die RSPCA und die ASPCA waren zur Zeit ihrer Gründung radikale Gruppen, sie waren der öffentlichen Meinung weit voraus und wandten sich gegen jede Form der Grausamkeit gegenüber Tieren, auch gegenüber landwirtschaftlich genutzten, die damals nicht anders als heute die Opfer von vielen der schlimmsten Missbräuche waren. Mit dem Ansteigen ihres Wohlstands, ihrer Mitgliederzahlen und ihres Ansehens verloren die Organisationen jedoch langsam ihre radikale Grundhaltung und wurden zu einem Teil des »Establishments«. Sie bauten gute Kontakte zu Mitgliedern der Regierung, zu Geschäftsleuten und Wissenschaftlern auf. Sie versuchten, die Kontakte für die Verbesserung der Situation der Tiere einzusetzen, und einige geringfügige Verbesserungen waren das Ergeb

nis; doch gleichzeitig schwächten die Kontakte mit denen, deren grundlegende Interessen der Nutzung von Tieren zur Nahrungserzeugung oder zu Forschungszwecken galten, die radikale Kritik an der Ausbeutung von Tieren, die die Gründer dieser Organisationen beseelt hatte. Immer wieder setzten diese Gesellschaften ihre eigentlichen Grundsätze für geringfügige Reformen aufs Spiel.

Besser jetzt gleich ein kleiner Fortschritt als überhaupt keiner, hieß es. Doch häufig zeigte sich, dass die Reformen nicht zu einer Verbesserung der Situation der Tiere führten, sondern nur der Öffentlichkeit den beruhigenden Eindruck vermittelten, mehr müsse nicht getan werden.6 Mit dem wachsenden Wohlstand dieser Organisationen wurde ein weiterer Gesichtspunkt wichtig.

Die Tierschutzgesellschaften waren als eingetragene Wohltätigkeitsvereine gegründet worden.

Durch diesen Status kamen sie in den Genuss wesentlicher Steuervergünstigungen; doch weder in Großbritannien noch in den Vereinigten Staaten dürfen sich Wohltätigkeitsorganisationen an der politischen Arbeit beteiligen. Unglücklicherweise ist die politische Aktion manchmal der einzige Weg, um die Lebensbedingungen von Tieren zu verbessern (besonders, wenn eine Organisation zu vorsichtig ist, um zum öffentlichen Boykott von Tierprodukten aufzurufen), doch die meisten großen Gruppierungen achteten sehr genau darauf, nichts zu unternehmen, was ihren Status als wohltätige Einrichtung gefährden könnte. Das führte zur Betonung sicherer Unternehmungen, etwa streunende Hunde einzufangen und einzelne Vorkommnisse willkürlicher Grausamkeit anzuzeigen, statt großangelegte Kampagnen gegen die systematische Grausamkeit zu organisieren.

Irgendwann in den letzten hundert Jahren verloren die größten Tierschutzgesellschaften schließlich das Interesse an den Tieren in der Landwirtschaft. Vielleicht lag es daran, dass die Förderer und Beauftragten der Gesellschaften aus Städten kamen und mehr über Hunde und Katzen wussten und sich um diese mehr sorgten als um Schweine und Kälber. Doch was auch immer der Grund gewesen sein mag, während des größten Teils unseres Jahrhunderts trugen jedenfalls die Schriften und die öffentliche Arbeit der alten, etablierten Gruppierungen wesentlich zu der vorherrschenden Einstellung bei, dass Hunde, Katzen und wilde Tiere schutzbedürftig seien, die anderen Tiere jedoch nicht. Auf diese Weise lernten die Menschen den »Tierschutz« vor allem als Angelegenheit für freundliche, in Katzen vernarrte Damen zu betrachten, weniger aber als eine Angelegenheit, die auf grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit und Moral beruht.

Im letzten Jahrhundert hat sich einiges verändert. Erstens sind Dutzende neuer, radikalerer Gruppen für die Befreiung der Tiere und für Tierrechte entstanden. Diese neuen Gruppen konnten gemeinsam mit einigen bereits bestehenden, die bis dahin nur wenig Einfluss hatten, das öffentliche Bewusstsein über die unermessliche systematische Grausamkeit bei der landwirtschaftlichen Intensivhaltung, in Laboratorien, Zirkussen, Zoos und bei der Jagd erheblich steigern. Zweitens nehmen, möglicherweise als Antwort auf diese neue Woge des Interesses an den Lebensbedingungen von Tieren, auch etablierte Gruppierungen wie die RSPCA in England und die ASPCA und die Humane Society in Amerika inzwischen eine viel bestimmtere Haltung zur Grausamkeit gegenüber landwirtschaftlichen und Versuchstieren ein und rufen sogar zu Boykotten von Produkten wie Kalbfleisch, Schinken und Eiern auf, die aus der Intensivhaltung stammen.7 Das am schwersten überwindbare Hindernis bei dem Versuch, in der Öffentlichkeit Besorgnis über die Tiere zu wecken, ist die Auffassung, dass »Menschen zuerst kommen« und dass kein Tiere betreffendes Problem als ernstzunehmende moralische oder politische Frage mit Problemen vergleichbar sein kann, die Menschen betreffen. Uber diese Annahme lässt sich einiges sagen.

Erstens ist sie als solche ein Hinweis auf Speziesismus. Wie kann jemand, der sich nicht eingehend mit der Problematik befasst hat, überhaupt wissen, dass dieses Problem weniger ernst ist als die Probleme des menschlichen Leidens? Diese Behauptung können nur Menschen aufstellen, die davon ausgehen, dass Tiere nicht wirklich eine Rolle spielen und dass ihr Leiden, wie groß es auch immer sein mag, weniger wichtig ist als das Leiden von Menschen. Doch Schmerz ist Schmerz, und nur weil das leidende Wesen nicht zu unserer Spezies gehört, ist es nicht weniger wichtig, unnötige Schmerzen und Leiden zu vermeiden. Wie würden wir über jemanden denken, der behauptete, dass »Weiße zuerst kommen« und dass deshalb die Armut in Afrika kein so ernsthaftes Problem darstelle wie die Armut in Europa?

Es stimmt, dass viele Probleme in der Welt den Einsatz unserer Zeit und unserer Energie verdienen.

Hunger und Armut, Rassismus, Krieg und die Gefahr der atomaren Vernichtung, Sexismus, Arbeitslosigkeit, die Bewahrung unserer störungsanfälligen Umwelt — das alles sind wichtige Fragen, und wer will entscheiden, welche die Wichtigste ist? Lassen wir jedoch einmal die speziesistische Voreingenommenheit beiseite, dann sehen wir, dass die Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere durch Menschen einen ähnlichen Stellenwert einnimmt wie diese Probleme.

Das Leid, das wir nichtmenschlichen Tieren zufügen, kann außerordentlich groß sein, und die Zahl der betroffenen Lebewesen ist uner- messlich groß: mehr als 100 Millionen Schweine, Rinder und Schafe durchlaufen jährlich allein in den Vereinigten Staaten die in Kapitel 3 beschriebenen Prozesse; und Milliarden von Hühnern ebenfalls; mindestens 25 Millionen Tiere werden jährlich bei Tierversuchen verwendet. Wenn tausend Menschen gezwungen würden, an Versuchen teilzunehmen, die an Tieren zur Toxizitätsprüfung von Haushaltsprodukten durchgeführt werden, käme es zu einem landesweiten Aufruhr. Die Benutzung von Millionen von Tieren für diesen Zweck sollte mindestens ebenso große Besorgnis wecken, insbesondere, da dieses Leiden so unnötig ist und leicht beendet werden könnte, wenn wir es nur wollten. Die meisten vernünftigen Leute wollen Kriege, Rassendiskriminierung, Armut und Arbeitslosigkeit verhindern; das Problem besteht darin, dass wir das nun jahrelang versucht haben und jetzt zugeben müssen, dass wir größtenteils gar nicht wirklich wissen, wie wir es schaffen können. Im Vergleich dazu ist die Verringerung des Leidens, das nichtmenschlichen Tieren durch Menschenhand zugefügt wird, relativ einfach, wenn die Menschen sich erst einmal damit befassen.

Auf jeden Fall wird die Vorstellung »Menschen kommen zuerst« öfter als Entschuldigung benutzt, um weder für menschliche noch für nichtmenschliche Tiere etwas zu tun, denn als wirkliche Entscheidung zwischen unvereinbaren Alternativen. In Wahrheit gibt es hier nämlich keine Unvereinbarkeit. Zugegeben, jeder Mensch hat eine begrenzte Menge Zeit und Energie, und die Zeit aktiver Mitarbeit bei einer Sache vermindert die verfügbare Zeit für eine andere Sache; dennoch hindert nichts diejenigen, die ihre Zeit und Energie menschlichen Problemen widmen, daran, sich dem Boykott der Erzeugnisse landwirtschaftlicher Grausamkeit anzuschließen. Es kostet nicht mehr Zeit, sich vegetarisch zu ernähren, als das Fleisch von Tieren zu essen. In der Tat sollten, wie wir in Kapitel 4 gesehen haben, alle, die in Anspruch nehmen, sich um das Wohlergehen der Menschen und die Bewahrung unserer Umwelt zu sorgen, schon allein aus diesem Grund zu einer vegetarischen Lebensweise übergehen. Sie würden dadurch die Menge des für die Ernährung von Menschen in anderen Teilen der Welt verfügbaren Getreides erhöhen, die Umweltverschmutzung vermindern, Wasser und Energie einsparen und nicht mehr zur Rodung der Wälder beitragen; da eine vegetarische Ernährung billiger ist als eine Ernährung, die auf Fleisch basiert, würde ihnen darüber hinaus mehr Geld zur Verfügung stehen, das sie für die Bekämpfung des Hungers, die Kontrolle des BevölkerungsWachstums oder ein anderes soziales oder politisches Anliegen, das ihnen als das dringlichste erscheint, verwenden könnten. Ich stelle die Aufrichtigkeit von vegetarisch lebenden Menschen nicht in Frage, die an der Befreiung der Tiere wenig Interesse zeigen, weil sie anderen Anliegen den Vorzug geben; aber wenn Nichtvegetarier darauf verweisen, dass die »menschlichen Probleme zuerst kommen«, kann ich doch nicht umhin, mich zu fragen, was für ein Engagement fiir andere Menschen es wohl ist, das sie dazu zwingt, die verschwenderische, rücksichtslose Ausbeutung landwirtschaftlicher Tiere weiterhin zu unterstützen.

Hier ist ein historischer Exkurs angebracht. In Entsprechung zu der Vorstellung, dass »Menschen zuerst kommen«, heißt es oft, die in der Tierschutzbewegung aktiven Menschen würden sich mehr um Tiere als um Menschen sorgen. Das stimmt zweifellos bei manchen Leuten. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber, dass die führenden Persönlichkeiten der Tierschutzbewegung sehr viel mehr um Menschen besorgt waren als andere, die sich nicht um Tiere kümmerten. Tatsächlich nahmen die Vorreiter in den Bewegungen gegen die Unterdrückung von Schwarzen und Frauen oft auch eine führende Position in den Bewegungen gegen Tierquälerei ein; und dieses Phänomen ist sogar

so ausgeprägt, dass dies als eine unerwartete Bestätigung der Parallelen zwischen Rassismus, Sexismus und Speziesismus gelten kann. Unter der Handvoll Gründer der RSPCA waren zum Beispiel William Wilberforce und Fowell Buxton, zwei der Führer im Kampf gegen die Versklavung der Schwarzen im britischen Empire.8 Auf der Seite der frühen Feministinnen ist Mary Wollstonecraft zu nennen, die außer ihrer Vindication of the Rights of Woman auch eine Sammlung von Geschichten für Kinder mit dem Titel Original Stories schrieb, die ausdrücklich dazu dienen sollte, einen freundlicheren Umgang mit Tieren zu fördern9; und eine ganze Reihe früher amerikanischer Feministinnen, unter ihnen Lucy Stone, Amelia Bloomer, Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton waren der vegetarischen Bewegung verbunden. Sie pflegten sich gelegentlich mit Horace Greely, dem reformerischen, gegen die Sklaverei eingestellten Herausgeber der Zeitung The Tribüne zu treffen und gemeinsam einen Toast auf die »Rechte der Frauen und den Vegetarismus« auszubringen.10 Auch liegt das Verdienst, den Kampf gegen Kindesmisshandlung aufgenommen zu haben, bei der Tierschutzbewegung. 1874 wurde Henry Bergh, der Wegbereiter der amerikanischen Tierschutzgesellschaften, aufgefordert, etwas für ein kleines Tier zu tun, das fürchterlich geschlagen worden war. Es stellte sich heraus, dass das kleine Tier ein menschliches Kind war; dennoch gelang es Bergh, unter Berufung auf eine New Yorker Tierschutzklausel, die er selbst entworfen und bei den gesetzgebenden Instanzen durchgesetzt hatte, gegen den Vormund des Kindes wegen Grausamkeit gegen ein Tier gerichtlich vorzugehen. Weitere Fälle wurden bekannt, und es kam zur Gründung der New York Society for the Prevention of Cruelty to Children. Als diese Nachricht nach Großbritannien gelangte, gründete die RSPCA das britische Gegenstück — die National Society for the Prevention of Cruelty to Children.11 Zu den Gründern dieser Gruppe gehörte Lord Shaftesbury, der führende Sozialreformer, der die Arbeiterschutzgesetze verfasste, die der Kinderarbeit und dem Vierzehnstundentag ein Ende bereiteten, und der eine führende Rolle bei den Kampagnen gegen unkontrollierte Tierversuche und andere Formen der Tierquälerei spielte. Damit widerlegt er ebenso wie viele andere humanitär eingestellte Persönlichkeiten eindeutig die Vorstellung, dass Menschen, die sich um Tiere Sorgen machen, sich nicht um Menschen kümmern, oder dass die Arbeit für eine Sache die Arbeit für eine andere unmöglich macht.

Unsere Auffassungen über das Wesen nichtmenschlicher Tiere und falsche Schlussfolgerungen aus den Implikationen, die sich aus unserer Naturauffassung ergeben, unterstützen ebenfalls unsere speziesistischen Einstellungen. Schon immer hat uns die Vorstellung gefallen, dass wir weniger wild seien als die anderen Tiere. Sagen wir von Menschen, sie seien »human«, dann sagen wir damit, sie seien freundlich; sagen wir von Menschen, sie seien »viehisch«, »brutal« (lat. brutalis = tierisch, unvernünftig) oder einfach, sie benähmen sich »wie Tiere«, so unterstellen wir, sie seien grausam und böse. Nur selten bedenken wir, dass der Mensch dasjenige Tier ist, das aus dem geringsten Grund tötet. Löwen und Wölfe stellen wir uns wild vor, weil sie töten; doch sie müssen töten, oder sie verhungern. Menschen betreiben das Töten anderer Tiere als Sport, sie töten, um ihre Neugier zu befriedigen, ihren Körper zu verschönern und zur Gaumenfreude. Auch töten Menschen andere Angehörige ihrer Spezies aus Gier oder Machtstreben. Noch dazu geben sie sich mit dem bloßen Töten nicht zufrieden. Zu allen Zeiten haben sie eine Neigung gezeigt, ihre Mit-Lebewesen, ob Mensch oder Tier, zu quälen und zu foltern, bevor sie sie töten. Kein anderes Tier zeigt großes Interesse an einem solchen Verhalten.

Während wir über unsere eigene Wildheit hinwegsehen, übertreiben wir die anderer Tiere. Der berüchtigte Wolf zum Beispiel, der Bösewicht so vieler Märchen, hat sich bei sorgfältigen zoologischen Untersuchungen in der Wildnis als Tier mit einem hochentwickelten Sozialleben erwiesen, als ein treuer und liebevoller Gefährte - nicht nur für eine Saison, sondern ein Leben lang -, Wölfe sind hingebungsvolle Eltern und zuverlässige Mitglieder des Rudels. Wölfe töten so gut wie ausschließlich zu Nahrungszwecken. Kommt es zwischen einzelnen Wölfen einmal zum Kampf, endet er mit einer Unterwerfungsgeste, bei der der Verlierer dem Sieger die Unterseite seines Halses darbietet. Die Fangzähne nur wenige Zentimeter über der Halsschlagader seines Widersachers, ist der Sieger mit der Unterwerfung zufrieden und verzichtet

anders als ein menschlicher Sieger darauf, den überwältigten Gegner zu töten.12 Indem wir an unserem Bild von der Welt der Tiere als einer blutigen Kampfszene festhalten, verkennen wir, in welchem Ausmaß andere Spezies ein komplexes Sozialleben zeigen, bei dem sie andere Mitglieder ihrer Spezies als Individuen erkennen und mit ihnen Beziehungen pflegen. Wenn Menschen heiraten, schreiben wir ihre Nähe zueinander der Liebe zu, und wir fühlen mit einem Menschen mit, der seinen Partner oder seine Partnerin verloren hat. Gehen andere Tiere eine lebenslange Partnerschaft ein, so sagen wir, das sei ein rein instinktives Verhalten, und wenn ein Jäger oder Fallensteller ein Tier zu Forschungszwecken tötet oder für einen Zoo einfängt, wird nicht berücksichtigt, dass dieses Tier einen Partner haben könnte, der unter der plötzlichen Abwesenheit des toten oder gefangenen Tieres leidet. Auch wissen wir, dass die Trennung einer menschlichen Mutter von ihrem Kind für beide fürchterlich ist; doch weder Züchter landwirtschaftlicher Tiere noch Züchter von Hausoder Versuchstieren verschwenden auch nur einen einzigen Gedanken an die Gefühle der nichtmenschlichen Mütter und Kinder, die sie bei ihrer Arbeit routinemäßig voneinander trennen.13 Die gleichen Leute, die komplexe Aspekte des Tierverhaltens gern als »reinen Instinkt« abtun und es darum des Vergleichs mit augenscheinlich ähnlichem Verhalten von Menschen nicht wert erachten, ignorieren oder übersehen seltsamerweise die Wichtigkeit instinktiver Verhaltensmuster, wenn ihnen das gelegen kommt. So heißt es oft über Legehennen, Mastkälber und Hunde, die zu Versuchszwecken in Käfigen gehalten werden, dies verursache ihnen kein Leid, da sie niemals andere Bedingungen gekannt hätten. In Kapitel 3 haben wir gesehen, dass dies ein Fehlschluss ist.

Tiere haben ein Bedürfnis, sich zu bewegen, ihre Glieder oder Flügel zu strecken, ihr Fell oder Gefieder zu pflegen und sich umzudrehen, ob sie nun jemals unter Bedingungen gelebt haben, die das erlauben, oder nicht.

Auch dann, wenn sie es niemals anders gekannt haben, sind Tiere, die normalerweise in Rudeln oder Herden leben, verstört, wenn sie von anderen ihrer Art getrennt gehalten werden; und eine Gruppe, die so groß ist, dass die einzelnen Tiere nicht mehr in der Lage sind, sich zu erkennen, kann die gleiche Wirkung haben. Solche Formen von Stress zeigen sich an »Untugenden« wie Kannibalismus.

Aufgrund der weit verbreiteten Unwissenheit über das Wesen nichtmenschlicher Tiere können jene, die Tiere schlecht behandeln, Kritik schon allein mit dem Hinweis abtun, Tiere seien schließlich »keine Menschen«. Das sind sie in der Tat nicht; aber sie sind auch keine Maschinen zur Umwandlung von Futter in Fleisch und auch keine Werkzeuge für die Forschung. Angesichts dessen, wie sehr das Wissen der breiten Öffentlichkeit hinter den neuesten Ergebnissen von Zoologen und Ethologen zurückbleibt, die Monate und manchmal Jahre mit Notizblock und Kamera mit der Beobachtung von Tieren verbracht haben, ist die Gefahr eines sentimentalen Anthropomorphismus weniger groß als die entgegengesetzte Gefahr der bequemen und eigennützigen Vorstellung, Tiere seien Lehmklumpen, die wir nach unserem Belieben formen können.

Die Natur nichtmenschlicher Tiere dient auch als Grundlage für andere Versuche, unser Verhalten ihnen gegenüber zu rechtfertigen. Als Einwand gegen den Vegetarismus wird oft vorgebracht, dass wir Tiere essen dürften, weil auch andere Tiere zu Nahrungszwecken töten. Diese Analogie war schon 1785 alt, als William Paley sie mit dem Hinweis auf die Tatsache zurückwies, dass, während Menschen durchaus leben können, ohne zu töten, Tiere keine Wahl haben als zu töten, um zu überleben.14 In den meisten Fällen ist das mit Sicherheit richtig, auch wenn es einige Ausnahmen gibt manche Tiere könnten ohne Fleisch überleben, essen es aber dennoch gelegentlich (zum Beispiel Schimpansen) aber das sind kaum jemals die Spezies, die gewöhnlich auf unserem Tisch zu finden sind. Doch selbst wenn andere Tiere, die mit einer vegetarischen Ernährung leben könnten, manchmal zu Nahrungszwecken töten, so stützt dies nicht die Behauptung, dass es moralisch vertretbar sei, wenn wir dasselbe tun. Es ist schon merkwürdig, wie Menschen, die sich normalerweise für so weit über den Tieren stehend halten, sobald es ihre bevorzugte

Ernährungsweise unterstützt ein Argument benutzen, das eigentlich bedeutet, wir sollten uns bei der Suche nach moralischer Inspiration und Leitung an den anderen Tieren orientieren. Der Unterschied liegt natürlich darin, dass nichtmenschliche Tiere die Alternativen oder das moralische Für und Wider des Tötens zu Nahrungszwecken nicht erwägen können; sie tun es einfach. Wir können bedauern, dass die Welt so ist, aber es ist sinnlos, nichtmenschliche Tiere für ihr Verhalten moralisch verantwortlich zu machen oder sie dafür schuldig zu sprechen.

Andererseits kann jeder Leser und jede Leserin dieses Buches in dieser Frage eine moralische Entscheidung treffen. Wir können die Verantwortung für unsere Wahl nicht umgehen, indem wir Verhaltensweisen von Lebewesen nachahmen, die nicht dazu in der Lage sind, eine solche Wahl zu treffen.

(Bestimmt wird nun jemand einwenden, ich hätte zugegeben, dass es einen bedeutsamen Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren gibt, und damit hätte ich den Fehler in meinem Argument für die Gleichheit aller Tiere aufgedeckt. Wenn auch Ihnen diese Kritik eingefallen ist, sollten Sie Kapitel 1 genauer lesen. Sie werden dann feststellen, dass Sie mein Argument für die Gleichheit missverstanden haben. Ich habe niemals die absurde Behauptung aufgestellt, es gebe keine bedeutsamen Unterschiede zwischen normalen erwachsenen Menschen und anderen Tieren.

Ich behaupte nicht, dass Tiere moralisch handeln können, sondern dass der moralische Grundsatz der gleichen Berücksichtigung von Interessen auf sie ebenso anzuwenden ist wie auf Menschen.

Unsere Behandlung kleiner Kinder und anderer Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht die geistigen Fähigkeiten haben, um zu verstehen, was eine moralische Entscheidung ist, zeigt, dass es oftmals richtig ist, in die Sphäre der gleichen Interessenberücksichtigung auch Lebewesen einzuschließen, die selbst keine moralischen Entscheidungen treffen können. Bentham hätte vielleicht gesagt, es sei nicht wesentlich, ob sie Entscheidungen treffen können, sondern ob sie leiden können.)

Vielleicht geht es aber um einen anderen Standpunkt. Wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, benutzte Lord Chesterfield die Tatsache, dass Tiere andere Tiere essen, als Argument dafür, dass ein solches Verhalten Teil der »allgemeinen Ordnung der Natur« sei.15 Er gab keinen Hinweis darauf, warum wir uns unsere Natur eher wie die des fleischessenden Tigers vorstellen sollten und nicht wie die des vegetarisch lebenden Gorillas oder des fast vegetarisch lebenden Schimpansen.

Doch ganz abgesehen von diesem Einwand sollten wir mit der Berufung auf die »Natur« in ethischen Argumenten vorsichtig umgehen. Es kann sein, dass oftmals »die Natur recht hat«, doch wir müssen unsere eigene Urteilskraft benutzen, um zu entscheiden, wann wir der Natur folgen sollen. Nach allem, was ich weiß, ist Krieg für den Menschen »natürlich« - er scheint jedenfalls für viele Gesellschaften unter völlig verschiedenen Umständen über lange Zeiträume in der Geschichte eine Hauptbeschäftigung gewesen zu sein —, aber dennoch habe ich nicht die Absicht, in den Krieg zu ziehen, um sicherzugehen, dass ich in Übereinstimmung mit der Natur handele. Wir haben die Fähigkeit, darüber nachzudenken, was wir am besten tun sollten. Wir sollten von dieser Fähigkeit Gebrauch machen (und falls Sie sich wirklich unbedingt auf die »Natur« berufen wollen, können Sie sagen, dass es unserer Natur entspricht, von unserer Fähigkeit zum Nachdenken Gebrauch zu machen).

Zugegebenermaßen stellt die Existenz fleischessender Tiere die Ethik der Tierbefreiung vor ein Problem, nämlich die Frage, ob wir dagegen irgendetwas unternehmen sollten. Angenommen, die Menschen könnten die fleischessenden Spezies von der Erde entfernen und so bewirken, dass die Gesamtmenge des Leidens von Tieren auf der Welt abnimmt, sollten wir es dann tun?

Die kurze und einfache Antwort auf diese Frage lautet: Haben wir erst einmal unseren Anspruch auf »Herrschaft« über die anderen Spezies aufgegeben, dann sollten wir auch aufhören, überhaupt noch in ihr Leben einzugreifen. Wir sollten sie so weit wie möglich in Ruhe lassen. Wenn wir die Rolle des Tyrannen aufgeben, sollten wir hinterher nicht Gott spielen wollen.

Diese Antwort enthält einen Teil der Wahrheit, sie ist aber doch zu kurz und zu einfach. Ob es uns

gefällt oder nicht, die Menschen wissen mehr als andere Tiere über mögliche zukünftige Ereignisse, und dieses Wissen kann uns durchaus in eine Lage versetzen, in der es gefühllos wäre, nicht einzugreifen. Im Oktober 1988 bedachten Fernsehzuschauer und Fernsehzuschauerinnen auf der ganzen Welt die erfolgreichen Bemühungen Amerikas und Russlands mit Beifall, zwei kalifornische Grauwale zu befreien, die im Eis Alaskas eingeschlossen waren. Einige kritische Stimmen wiesen auf die Ironie hin, dass so große Anstrengungen unternommen werden, um zwei Wale zu retten, während gleichzeitig immer noch jährlich etwa zweitausend Wale von Walfängern getötet werden, ganz zu schweigen von den schätzungsweise 125 000 Delphinen, die jährlich in den Netzen der Thunfischindustrie ertrinken.16 Dennoch könnte nur ein äußerst gleichgültiger Mensch behaupten, dass die Befreiungsaktion eine schlechte Sache gewesen sei.

Es ist also vorstellbar, dass menschliches Eingreifen die Situation für Tiere verbessert und daher gerechtfertigt sein kann. Wenn wir jedoch die Auslöschung aller fleischessenden Tiere erwägen, so ist das eine ganz andere Sache. Nach dem bisherigen Verlauf der Dinge zu urteilen, schadet jeder Versuch, ökologische Systeme in großem Umfang zu verändern, weitaus mehr, als er nützt. Aus diesem Grund, und möglicherweise auch noch aus einigen anderen, ist es richtig, wenn wir die Position vertreten, dass wir bis auf einige sehr begrenzte Fälle nicht versuchen kön nen und sollten, den "Wächter der Natur zu spielen. Es reicht durchaus, wenn wir selbst aufhören, andere Tiere zu töten und sie zu quälen.17 Es gibt jedoch noch eine andere vorgebliche Rechtfertigung unseres Umgangs mit Tieren, die sich auf die Tatsache beruft, dass unter natürlichen Bedingungen manche Tiere andere töten. Viele Leute sagen, die modernen Formen der Tierhaltung seien zwar schlecht, aber auch nicht schlechter als die Lebensbedingungen in der Wildnis, wo die Tiere Kälte und Hunger litten und ihren Verfolgern ausgesetzt seien; und daraus wird der Schluss gezogen, dass wir keine Einwände gegen die Bedingungen der modernen Tierhaltung erheben sollten.

Interessanterweise führten die Verteidiger der Versklavung schwarzer Afrikaner oft ein ähnliches Argument an. Einer von ihnen schrieb: Da es alles in allem trotz der Kontroversen offensichtlich ist, dass die Uberführung der Afrikaner aus dem Zustand der Brutalität, der Not und des Elends, in dem sie in ihrer Heimat so tief verfangen waren, in dieses Land des Lichts, der Menschlichkeit und christlichen Erkenntnis für sie ein wahrer Segen ist, kann es nicht länger fraglich sein, dass der allgemeine Zustand ihrer Unterordnung in unserem Land als notwendige Konsequenz der Entfernung aus ihrer Heimat trotz der bei diesem Geschäft in Einzelfällen vorkommenden ungerechtfertigten Grausamkeit dem Gesetz der Natur angemessen ist.18 Nun ist es zwar schwierig, zwei so völlig unterschiedliche Situationen wie das Leben in der Wildnis und das Leben in einer Tierfabrik miteinander zu vergleichen (oder das Leben freier Afrikaner und das Leben von Sklaven auf einer Plantage); aber wenn wir den Vergleich wirklich ziehen müssen, ist ganz sicher das Leben in Freiheit vorzuziehen. Tiere in Tierfabriken können nicht herumlaufen, rennen, sich strecken oder in einer Familie oder Herde leben. Es stimmt schon, dass viele wilde Tiere aufgrund widriger Umstände sterben oder von Raubtieren getötet werden; doch in der industriellen Tierhaltung wird den Tieren auch nur eine Lebensdauer gewährt, die lediglich einen Bruchteil ihrer normalen Lebenserwartung ausmacht. Dass den Tieren in Gefangenschaft ständig genug Futter zur Verfügung steht, ist nicht nur ein reiner Segen, denn so werden sie der Möglichkeit zur Futtersuche und damit einer ihrer grundlegendsten natürlichen Verhaltensweisen beraubt. Das Ergebnis ist ein von völliger Langeweile bestimmtes Leben, das sich darin erschöpft, im Stall zu liegen und zu essen.

Auf jeden Fall ist aber der Vergleich der Lebensbedingungen in Tierfabriken mit denen in der Natur für die Frage der Rechtfertigung von Tierfabriken völlig irrelevant, denn vor dieser Entscheidung stehen wir nicht. Die Abschaffung der Tierfabriken würde nicht bedeuten, die in ihnen lebenden Tiere in die Wildnis zurückzubringen. Die

heute in Tierfabriken lebenden Tiere wurden von Menschen gezüchtet, um in diesen Einrichtungen aufgezogen und als Nahrungsmittel verkauft zu werden. Erweist sich der in diesem Buch vorgeschlagene Boykott von Erzeugnissen aus Tierfabriken als wirksam, wird die Menge dieser Produkte, die verkauft wird, verringert. Das heißt nicht, dass über Nacht kein Mensch mehr diese Erzeugnisse kauft. (Ich betrachte die Befreiung der Tiere optimistisch, aber ich mache mir auch nichts vor.) Der Abbau wird nach und nach erfolgen. Die Aufzucht der Tiere wird sich immer weniger lohnen. Die landwirtschaftlichen Betriebe werden sich der Produktion anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse zuwenden, und die großen Firmen werden ihr Geld in anderen Bereichen investieren. Das Ergebnis wird sein, dass weniger Tiere aufgezogen werden. Die Zahl der Tiere in den Tierfabriken wird sinken, weil die getöteten nicht ersetzt werden und nicht weil die Tiere »zurück« in die Wildnis geschickt würden. Zuletzt (und jetzt lasse ich meinem Optimismus freien Lauf) werden vielleicht Rinder- und Schweineherden nur noch in großen Reservaten zu finden sein, ähnlich den jetzigen Wildreservaten. Es geht also nicht um die Entscheidung zwischen dem Leben in einer Tierfabrik und dem Leben in der Wildnis, sondern darum, ob Tiere, die für ein Leben in der Tierfabrik bestimmt sind, überhaupt geboren werden sollen.

Hier könnte ein weiterer Einwand geltend gemacht werden. Unter Hinweis darauf, dass es sehr viel weniger Schweine, Rinder, Hühner und Schafe gäbe, wenn wir alle vegetarisch leben würden, haben einige Fleischesser behauptet, dass sie den Tieren, die sie essen, tatsächlich einen Gefallen tun würden, denn ohne ihren Wunsch, Fleisch zu essen, würden diese Tiere überhaupt nicht existieren!19 In der ersten Ausgabe dieses Buches habe ich diese Auffassung mit der Begründung verworfen, aus ihr folge, dass wir einem Lebewesen etwas Gutes tun, indem wir es ins Leben treten lassen - und dazu müssen wir glauben, dass es möglich ist, einem nicht existierenden Wesen etwas Gutes zu tun.

Das hielt ich für unsinnig. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. (Die eindeutige Zurückweisung dieser Auffassung ist übrigens der einzige philosophische Punkt, in dem ich meine Meinung gegenüber der früheren Ausgabe geändert habe.) Schließlich würden es die meisten von uns für falsch halten, ein Kind zur Welt kommen zu lassen, wenn wir bereits vor der Empfängnis wüssten, dass dieses Kind aufgrund eines genetischen Defektes nur ein kurzes und elendes Leben haben würde. Ein solches Kind zu zeugen bedeutet, ihm Leid zu verursachen. Können wir also wirklich bestreiten, dass wir einem Lebewesen, das ein glückliches Leben führen wird, etwas Gutes tun, wenn wir dazu beitragen, dass es geboren wird? Verneinen wir diese Möglichkeit, müssen wir erklären, inwiefern die beiden Fälle verschieden sind, und dafür kann ich keine befriedigende Lösung finden.20 Das Argument, mit dem wir uns jetzt befassen, wirft die Frage auf, ob es falsch ist zu töten — diese Problematik hatte ich bis jetzt zurückgestellt, weil sie viel komplizierter ist als die Frage, ob die Zufügung von Leid falsch ist. Die kurze Diskussion gegen Ende des ersten Kapitels reichte jedoch aus, um zu zeigen, dass es für ein Lebewesen, das zukunftsgerich- tete Wünsche haben kann, etwas besonders Schlechtes ist, getötet zu werden, etwas, das sich auch nicht durch die Schaffung eines anderen Lebewesens ausgleichen lässt. Wirklich schwierig wird es, wenn wir Lebewesen betrachten, die keine zukunftsgerichteten Wünsche haben können — Lebewesen, von denen wir annehmen, dass sie mehr von Augenblick zu Augenblick leben, als dass sie eine kontinuierliche Existenz haben. Zugegebenermaßen erscheint uns sogar in solchen Fällen das Töten widerwärtig.

Auch wenn ein Tier nicht versteht, dass es »ein Leben« hat in dem Sinne, dass es begreift, was es bedeutet, über einen gewissen Zeitraum hinweg zu existieren, kann es sich gegen eine Bedrohung seines Lebens doch wehren. Fehlt aber jede Form kontinuierlichen Be- wusstseins, lässt sich nicht ohne weiteres erklären, warum der Verlust eines getöteten Tieres aus unparteiischer Sicht nicht durch die Schaffung eines neuen Tieres, das ein ebenso zufriedenes Leben führen wird, aufgewogen wird.21 Bei dieser Fragestellung bin ich noch im Zweifel. Die Behauptung, dass die Schaffung eines Lebewesens irgendwie den Tod eines anderen ausgleichen könne, ist etwas eigenartig. Hätten wir

eine klare Grundlage, um zu behaupten, dass alle empfindenden Lebewesen ein Recht auf Leben hätten (sogar diejenigen, die keine zukunftsgerichteten Wünsche haben können), dann könnten wir natürlich leicht erklären, warum die Tötung eines empfindenden Lebewesens in einer Weise schlecht ist, dass sie nicht durch die Schaffung eines anderen Lebewesens wiedergutgemacht werden kann. Aber wie andere und auch ich selbst an anderer Stelle gezeigt haben, sind mit einer solchen Position einige tiefliegende philosophische und praktische Schwierigkeiten verbunden.22 Auf einer rein praktischen Ebene lässt es sich so sagen: Töten wir Tiere zu Nahrungszwecken (ohne dass es ums blanke Uberleben geht), so verleitet uns das dazu, sie als Objekte zu betrachten, die wir nach Belieben für unsere eigenen unwesentlichen Zwecke benutzen dürfen. Bei allem, was wir über die menschliche Natur wissen, werden wir, solange wir weiterhin so über Tiere denken, die Einstellungen nicht erfolgreich verändern können, die, wenn sie von normalen Menschen in die Praxis umgesetzt werden, zur Missachtung - und damit Misshandlung - von Tieren führen. Es dürfte deshalb am besten sein, es zu einem einfachen allgemeinen Prinzip zu machen, die Tötung von Tieren zu Nahrungszwecken zu vermeiden, es sei denn, es wäre zum Uberleben notwendig.

Dieses Argument gegen die Tötung zu Nahrungszwecken ist von einer Voraussetzung über die Konsequenzen der Aufrechterhaltung einer Einstellung abhängig. Es ist unmöglich, die Richtigkeit dieser Voraussage zu beweisen; wir können sie nur auf der Grundlage unseres Wissens über unsere Mitmenschen beurteilen. Doch auch wenn diese Voraussage nicht überzeugend ist, hat das zur Diskussion stehende Argument nur einen kleinen Anwendungsbereich. Es rechtfertigt ganz bestimmt nicht, dass wir Fleisch von Tieren aus der industriellen Massentierhaltung essen, denn sie erleiden ein Leben der Langeweile und Entbehrung, sie leiden darunter, dass sie grundlegende Bedürfnisse nicht befriedigen können: sie können sich nicht umdrehen, ihr Fell oder ihr Gefieder pflegen, sich strecken, bewegen und an den für ihre Spezies normalen sozialen Beziehungen untereinander teilhaben. Tragen wir dazu bei, dass Tiere zu einem solchen Leben geboren werden, so tun wir ihnen nichts Gutes, sondern fügen ihnen großen Schaden zu. Wenn überhaupt, könnte das Argument, man tue den Tieren etwas Gutes, indem man ihnen zum Leben verhilft, es rechtfertigen, im Freien lebende Tiere (eine Spezies, die keine zukunftsgerichteten Wünsche haben kann) zu essen, die ein erfreuliches Leben in einer ihren Verhaltensbedürfnissen angemessenen sozialen Gruppe verbracht hätten und dann schnell und schmerzlos getötet würden. Ich kann gewissenhafte Menschen respektieren, die darauf achten, nur Fleisch zu essen, das von solchen Tieren stammt — aber ich habe den Verdacht, dass sie sich praktisch doch fast vegetarisch ernähren, wenn sie nicht auf einem Bauernhof leben, wo sie sich selbst um ihre Tiere kümmern.23 Ein letztes Wort zu dem Argument, dass der Verlust eines Tieres durch die Erzeugung eines neuen ausgeglichen würde. Diejenigen, die diese einfallsreiche Verteidigung ihres Wunsches, Schweinefleisch oder Rindfleisch zu essen, benutzen, denken deren Implikationen kaum jemals zu Ende. Wäre es gut, neue Lebewesen entstehen zu lassen, dann sollten wir — unter sonst gleichen Umständen - wahrscheinlich auch so vielen neuen Menschen wie möglich zum Leben verhelfen; und nehmen wir noch die Ansicht hinzu, dass das Leben von Menschen wichtiger sei als das Leben von Tieren - eine Ansicht, die der fleischessende Mensch mit Sicherheit vertreten dürfte -, dann wird, zum großen Unbehagen seines ursprünglichen Verteidigers, das ganze Argument auf den Kopf gestellt. Da mehr Menschen ernährt werden könnten, wenn wir unser Getreide nicht an Schlachttiere verfüttern würden, besteht das Fazit des Arguments zu guter Letzt darin, dass wir uns für eine vegetarische Lebensweise entscheiden sollten!

Der Speziesismus ist eine so allgegenwärtige und weit verbreitete Haltung, dass diejenigen, die die eine oder andere seiner konkreten Formen angreifen — etwa das Abschlachten wilder Tiere durch Jäger, grausame Experimente oder Stierkämpfe —, oft selbst an anderen speziesistischen Praktiken teilhaben. Dies gibt den Angegriffenen die Möglichkeit, ihren Gegnern Inkonsequenz vorzuwerfen. »Ihr behauptet, dass wir grausam sind, weil wir Wild schießen«, sagen die Jäger, »aber ihr esst Fleisch. Wo liegt der Unterschied, außer dass ihr andere dafür bezahlt, dass sie das Töten für euch übernehmen?« »Ihr seid dagegen, dass wir Tiere töten, um uns mit ihren Häuten zu bekleiden«, sagen die Pelzhändler, »aber ihr tragt Lederschuhe.« Die Experimentatoren fragen ganz plausibel,

warum Menschen, die mit der Tötung von Tieren zur Gaumenfreude einverstanden sind, gegen die Tötung von Tieren sein sollten, wenn dies der Wissenserweiterung diene; und wendet sich der Einspruch nur gegen das Leiden, so verweisen die Experimentatoren darauf, dass auch das Leben der Tiere, die zu Nahrungszwecken getötet werden, nicht frei von Leid ist. Sogar die Anhänger des Stierkampfs können geltend machen, dass der Tod des Stiers in der Arena Tausenden von Zuschauern und Zuschauerinnen Freude bereitet, während der Tod eines Ochsen im Schlachthaus nur wenige Menschen erfreut, die irgendeinen Teil von ihm essen; und wenn auch zuletzt der Stier mehr akute Schmerzen ertragen müsse als der Ochse, sei es doch der Stier, der während des größten Teils seines Lebens besser behandelt worden sei.

Der Vorwurf der Inkonsequenz ist für die Verteidiger grausamer Praktiken wirklich keine logische Stütze. Bridgid Brophy brachte es auf den Punkt, indem sie sagte, die Behauptung, es sei grausam, jemandem die Beine zu brechen, sei auch dann noch wahr, wenn sie von jemandem geäußert werde, der die Gewohnheit habe, anderen die Arme zu brechen.24 Allerdings dürften Leute, deren Verhalten nicht mit ihren bekundeten Überzeugungen übereinstimmt, Schwierigkeiten haben, andere davon zu überzeugen, dass ihre Überzeugungen richtig sind, und noch schwieriger wird es für sie sein, andere dazu zu bringen, nach diesen Überzeugungen zu handeln. Natürlich lässt sich immer ein Grund finden, um Unterscheidungen zu treffen, etwa zwischen dem Tragen von Pelzen und dem Tragen von Leder: viele Pelztiere verbringen Stunden oder sogar Tage mit einem Bein in einem Fangeisen, bis sie sterben; den Tieren, deren Haut zu Leder verarbeitet wird, bleibt dieser Todeskampf erspart.25 Dennoch besteht die Tendenz, dass solche feinen Unterscheidungen die ursprüngliche Kritik schwächen; und in einigen Fällen halte ich es nicht für möglich, überhaupt zutreffende Unterscheidungen zu finden. Warum sollte zum Beispiel ein Jäger, der einen Hirsch für Wildbret schießt, mehr kritisiert werden als eine Person, die im Supermarkt Schinken kauft? Alles in allem hat wahrscheinlich das aus der intensiven Massentierhaltung stammende Schwein mehr gelitten.

Im ersten Kapitel dieses Buches wird mit dem Prinzip der gleichen Berücksichtigung der Interessen aller Tiere ein klares ethisches Prinzip dargelegt, das es uns ermöglicht zu entscheiden, welche unserer Praktiken, die nichtmenschliche Tiere betreffen, gerechtfertigt werden können und welche nicht. Wenden wir dieses Prinzip auf unser eigenes Leben an, können wir dafür sorgen, dass unsere Handlungen widerspruchsfrei sind. So können wir verhindern, dass diejenigen, die die Interessen von Tieren ignorieren, uns Widersprüchlichkeit vorwerfen können.

Praktisch bedeutet die Befolgung des Prinzips der gleichen Interessenberücksichtigung für die in städtischen Gebieten lebenden Menschen der Industriestaaten, dass sie vegetarisch leben müssen.

Das ist der wichtigste Schritt, und auch derjenige, den ich am stärksten betont habe; um konsequent zu sein, sollten wir jedoch auch aufhören, andere Tierprodukte zu benutzen, für deren Herstellung Tiere getötet wurden oder gelitten haben. Wir sollten keine Pelze tragen. Da der Verkauf von Häuten in der Fleischindustrie ein wichtiger Gewinnfaktor ist, sollten wir auch keine Lederprodukte kaufen.

Für die ersten Vegetarier des 19. Jahrhunderts bedeutete der Verzicht auf Leder ein wirkliches Opfer, denn Schuhe und Stiefel aus anderen Materialien gab es kaum. Lewis Gompertz, der zweite Sekretär der RSPCA, der streng vegetarisch lebte und sich weigerte, in Pferdekutschen zu fahren, schlug vor, Tiere auf Weiden zu halten, sie alt werden zu lassen und nach ihrem natürlichen Tod ihre Häute zur Lederproduktion zu verwenden.26 Dieser Vorschlag zeugt mehr von Gompertz' Humanität als von Wirtschaftlichkeitsdenken, aber heute steht die Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite.

Schuhe und Stiefel aus synthetischem Material sind inzwischen in vielen Geschäften zu weit niedrigeren Preisen erhältlich als Lederschuhe, und Turnschuhe aus Leinen und Gummi sind mittlerweile die übliche Fußbekleidung der amerikanischen Jugend. Gürtel, Taschen und andere Waren, die früher aus Leder hergestellt wurden, sind jetzt leicht auch aus anderen Materialien zu finden.

Andere Probleme, die auch die fortschrittlichsten Gegner der Ausbeutung von Tieren entmutigen, sind ebenfalls verschwunden. Kerzen, die einst aus Talg hergestellt wurden, sind nicht mehr

unverzichtbar, und wer immer noch welche verwenden möchte, kann auf Kerzen zurückgreifen, bei deren Herstellung keine tierischen Rohstoffe verwendet wurden. Seifen aus Pflanzenöl anstelle tierischer Fette sind in Reformhäusern erhältlich. Wir können ohne Wolle auskommen, und obwohl Schafe im Allgemeinen noch im Freien gehalten werden, gibt es angesichts der vielen Grausamkeiten, denen diese sanften Tiere ausgesetzt sind, für den Verzicht auf Wolle gute Gründe.27 Kosmetikartikel und Parfüms, die häufig aus Rohstoffen von wilden Tieren wie dem Moschustier und der äthiopischen Zibetkatze hergestellt werden, sind ohnehin keine wirklich wichtigen Produkte, aber wer sie unbedingt verwenden möchte, kann Kosmetika, die keine tierischen Rohstoffe enthalten und auch nicht an Tieren getestet wurden, bei einer ganzen Reihe von Geschäften und Organisationen kaufen.28 Ich erwähne zwar diese ganzen Alternativen zu Tierprodukten, um zu zeigen, dass es nicht schwer ist, die Teilnahme an den wichtigsten Formen der Ausbeutung von Tieren zu verweigern; ich glaube aber nicht, dass Konsequenz das Gleiche ist wie starres Insistieren auf Maßstäben absoluter Reinheit in Bezug auf alles, was wir essen und tragen, oder dass Konsequenz dies zur Folge hat. Bei der Veränderung unserer Kaufgewohnheiten geht es nicht darum, uns selbst von allem Schlechten reinzuhalten, sondern darum, der Ausbeutung der Tiere die wirtschaftliche Unterstützung zu entziehen und andere zu überzeugen, auch so zu handeln. Es ist deshalb keine Sünde, wenn Sie weiterhin die Lederschuhe tragen, die Sie gekauft haben, bevor Sie anfingen, über die Befreiung der Tiere nachzudenken. Sind Ihre Lederschuhe abgetragen, sollten Sie Schuhe aus anderem Material kaufen; aber es wird das Töten von Tieren nicht weniger gewinnbringend machen, wenn Sie Ihre jetzigen Schuhe wegwerfen. Auch bei der Ernährung ist es wichtiger, dass Sie die Hauptziele im Auge behalten, als dass Sie sich über Einzelheiten den Kopf zerbrechen wie etwa darüber, ob der Kuchen, der Ihnen bei einer Feier angeboten wird, mit Eiern aus einer Legebatterie gebacken wurde.

Wir sind noch weit davon entfernt, dass es möglich wäre, auf Restaurants und Lebensmittelhersteller Druck auszuüben, damit Tierprodukte ganz abgeschafft werden. An diesen Punkt werden wir gelangen, wenn ein bedeutender Teil der Bevölkerung Fleisch und andere Produkte der industriellen Massentierhaltung boykottiert. Bis dahin verlangt konsequentes Handeln lediglich, dass wir nicht in nennenswertem Umfang zur Nachfrage nach Tierprodukten beitragen.

So können wir demonstrieren, dass Tierprodukte nicht wirldich notwendig sind. Wahrscheinlich gelingt es uns besser, andere von unserer Einstellung zu überzeugen, wenn wir unsere Ideale mit Maß und gesundem Menschenverstand vertreten, als wenn wir uns einem Purismus hingeben, der eher irgendwelchen religiösen Ernährungsvorschriften angemessen wäre als einer ethischen und politischen Bewegung.

Normalerweise ist es nicht allzu schwierig, in der Haltung gegenüber Tieren konsequent zu sein.

Wir müssen nichts wirklich Wesentliches opfern, denn in unserem alltäglichen Leben kommt es nicht zu ernsthaften Konflikten zwischen den Interessen von menschlichen und nichtmenschlichen Tieren. Allerdings muss ich zugeben, dass wir uns etwas außergewöhnlichere Fälle vorstellen können, in denen ein solcher echter Interessenkonflikt vorliegt. Beispielsweise müssen wir Gemüse und Getreide zu unserer Ernährung anbauen; doch für diese Pflanzungen können Kaninchen, Mäuse oder andere »Schädlinge« eine Bedrohung darstellen. Hier besteht ein klarer Interessenkonflikt zwischen Menschen und Nichtmenschen. Wie könnten wir uns in einem solchen Fall in Übereinstimmung mit dem Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung verhalten?

Betrachten wir zuerst, was heute in einem solchen Fall getan wird. Der Bauer versucht, die »Schädlinge« unter Einsatz der billigsten verfügbaren Methode auszurotten. Das ist wahrscheinlich Gift. Die Tiere essen vergiftete Köder und sterben einen langsamen, qualvollen Tod. Die Interessen der »Schädlinge« werden in keiner Weise berücksichtigt - schon das Wort »Schädlinge« scheint jede Besorgnis um die Tiere selbst auszuschließen.29 Doch die Bewertung eines Tieres als »Schädling« kommt von uns, und ein Kaninchen, das ein Schädling ist, kann ebenso leiden und verdient ebenso viel Rücksichtnahme wie ein als Haustier gehaltenes und innig geliebtes weißes Kaninchen. Das Problem besteht darin, die für uns unverzichtbaren Nahrungsvorräte zu schützen und gleichzeitig

die Interessen dieser Tiere so weit wie möglich zu berücksichtigen. Es dürfte kaum jenseits unserer technischen Möglichkeiten liegen, eine Lösung für dieses Problem zu finden, die, wenn sie auch nicht für alle Betroffenen absolut zufriedenstellend ist, doch wenigstens weit weniger Leiden verursacht als die jetzige »Lösung«. Die Benutzung von Ködern, die statt eines langsamen Todes bei den Tieren Unfruchtbarkeit bewirken würden, wäre ganz offensichtlich eine Verbesserung.

Müssen wir unsere Nahrungsvorräte gegen Kaninchen verteidigen oder unsere Häuser und unsere Gesundheit gegen Mäuse und Ratten, dann ist es für uns ebenso natürlich, uns heftig gegen die Tiere zu verteidigen, die in unser Eigentum eindringen, wie es für sie natürlich ist, Futter zu suchen, wo immer sie welches finden können. Beim jetzigen Stand unserer Einstellungen gegenüber Tieren wäre es absurd zu erwarten, dass die Menschen in dieser Hinsicht ihr Verhalten ändern. Wenn aber mit der Zeit die größeren Missstände behoben und die Einstellungen zu Tieren verändert sind, dann werden die Menschen vielleicht auch einsehen, dass sogar Tiere, die auf die eine oder andere Weise unser Wohlergehen »bedrohen«, nicht den grausamen Tod verdienen, den wir ihnen jetzt auferlegen, und dann werden wir vielleicht humanere Methoden entwickeln, um die Zahl der Tiere zu begrenzen, deren Interessen mit den unsrigen nicht vereinbar sind.

Eine ähnliche Antwort können wir jenen Jägern und Aufsehern der irreführend sogenannten »Wildreservate« geben, die behaupten, zur Vermeidung der Überbevölkerung eines Gebietes mit Hirschen, Robben oder anderen Tierarten müsste es den Jägern erlaubt sein, die überzähligen Tiere von Zeit zu Zeit zu »ernten« - angeblich im Interesse der Tiere selbst. Die Verwendung des Wortes »Ernte« - das in den Veröffentlichungen der Jägerorganisationen häufig vorkommt - entlarvt die Behauptung, dass dieses Abschlachten durch die Besorgnis um die Tiere motiviert sei, als Lüge. Der Ausdruck zeigt, dass für den Jäger Hirsche oder Seehunde etwas Ahnliches sind wie Getreide oder Kohlen, Dinge, deren Wert sich lediglich an ihrer Nützlichkeit für den Menschen be- misst. Diese Haltung, die vom U.S. Fish and Wildlife Service weitgehend geteilt wird, übersieht die wesentliche Tatsache, dass Hirsche und andere bejagte Tiere Lust und Schmerzen empfinden können. Sie sind deshalb keine Mittel zu unseren Zwecken, sondern Lebewesen mit eigenen Interessen. Wenn es zutrifft, dass unter bestimmten Bedingungen ihre Zahl so stark zunimmt, dass sie ihren eigenen Lebensraum schädigen und dadurch auch ihre eigenen Überlebensmöglichkeiten oder die anderer Tiere, mit denen sie den Lebensraum teilen, dann kann es richtig sein, dass der Mensch eine gewisse Überwachungsfunktion übernimmt; doch es liegt auf der Hand, dass diese, wenn wir die Interessen der Tiere berücksichtigen, nicht darin bestehen kann, dass Jäger einige Tiere töten und dabei unvermeidbar andere nur verwunden, sondern dass sie vielmehr in der Verminderung der Fruchtbarkeit der Tiere beste hen muss. Würden wir uns nur bemühen, humanere Methoden der Bevölkerungskontrolle für wilde Tiere in Reservaten zu entwickeln, dann wäre es nicht schwierig, etwas Besseres als die jetzige Methode zu finden. Das Schlimme ist, dass die für die Wildtiere zuständigen Behörden in »Ernte«-Kategorien denken und kein Interesse daran haben, Methoden der Populationskontrolle zu finden, durch die die Zahl der Tiere verringert würde, die von Jägern »geerntet« werden könnten.30 Ich sagte, der Unterschied zwischen Tieren wie Hirschen — oder schließlich auch Schweinen und Hühnern -, die wir uns nicht als etwas vorstellen sollten, das wir »ernten« können, und Getreide wie Mais, das wir ernten können, bestehe darin, dass Tiere Lust und Schmerz empfinden können und Pflanzen nicht. An dieser Stelle gibt es ganz bestimmt jemanden, der fragt: »Woher wissen wir, dass Pflanzen nicht leiden?« Dieser Einwand kann aus einer aufrichtigen Besorgnis um die Pflanzen erwachsen; aber öfter wird er von Leuten erhoben, die nicht wirklich in Erwägung ziehen, auch auf Pflanzen Rücksicht zu nehmen, falls sich herausstellen sollte, dass Pflanzen leiden können; stattdessen hoffen sie, zeigen zu können, dass wir, wenn wir das von mir vorgeschlagene Prinzip verfolgen, nicht nur aufhören müssten, Tiere zu essen, sondern auch Pflanzen, und dann verhungern müssten. Ihre Schlussfolgerung besteht darin, dass wir, wenn ein Leben ohne Missachtung des Prinzips der gleichen Berücksichtigung nicht möglich ist, uns überhaupt nicht darum zu kümmern brauchen, sondern weitermachen könnten wie bisher, also Tiere und Pflanzen essen.

Dieser Einwand ist schwach, sowohl hinsichtlich der Fakten als auch der Logik. Es gibt keinen zuverlässigen Beweis dafür, dass Pflanzen Lust oder Schmerz empfinden könnten. Vor einigen Jahren behauptete ein bekanntes Buch, The Secret Life of Plauts, Pflanzen hätten alle möglichen Arten bemerkenswerter Fähigkeiten, einschließlich der Fähigkeit, die Gedanken von Menschen zu lesen.

Die eindrucksvollsten der in diesem Buch genannten Versuche waren sämtlich nicht an seriösen Forschungseinrichtungen durchgeführt worden, und Versuche von Forschern an großen Universitäten, die Experimente zu wiederholen, führten zu keinen positiven Ergebnissen.

Inzwischen gelten die Behauptungen dieses Buches als völlig unglaubwürdig.31 Im ersten Kapitel dieses Buches nannte ich drei verschiedene Gründe, warum wir annehmen können, dass nichtmenschliche Tiere Schmerzen empfinden können: das Verhalten, den Aufbau ihres Nervensystems und die entwicldungsgeschichtliche Nützlichkeit des Schmerzes. Keiner dieser Aspekte stützt die Annahme, dass Pflanzen Schmerzen empfinden können. Es fehlen wissenschaftlich glaubwürdige experimentelle Ergebnisse, kein beobachtbares Verhalten lässt auf Schmerzen schließen, nichts einem zentralen Nervensystem Ähnliches konnte bei Pflanzen gefunden werden; und es ist schwer vorstellbar, warum Spezies, die nicht in der Lage sind, sich von einer Schmerzquelle zu entfernen oder durch die Schmerzwahrnehmung dem Tod auf andere Weise zu entgehen, die Fähigkeit entwickelt haben sollten, Schmerzen zu empfinden. Die Vorstellung, dass Pflanzen Schmerzen empfinden könnten, scheint daher ungerechtfertigt zu sein.

Soviel zur faktischen Grundlage dieses Einwands. Betrachten wir jetzt seine Logik. Nehmen wir, auch wenn es unwahrscheinlich klingt, einmal an, Forscher fänden Beispiele für die Annahme, dass Pflanzen Schmerzen empfinden. Daraus würde noch immer nicht folgen, dass wir ruhig auch weiterhin das essen könnten, was wir immer gegessen haben. Stünden wir vor der Wahl, Schmerzen zu verursachen oder zu verhungern, dann müssten wir das kleinere Übel wählen. Vermutlich würde es immer noch zutreffen, dass Pflanzen weniger Schmerzen empfinden als Tiere, und darum wäre es immer noch besser, Pflanzen zu essen. Tatsächlich wäre diese Schlussfolgerung auch dann noch richtig, wenn Pflanzen ebenso schmerzempfindlich wären wie Tiere, denn die Ineffizienz der Fleischerzeugung bewirkt, dass Fleischesser für die indirekte Zerstörung von mindestens zehnmal so vielen Pflanzen verantwortlich sind wie vegetarisch lebende Menschen! Ich muss zugeben, dass das ganze Argument an diesem Punkt zur Farce wird, und ich habe es nur so weit verfolgt, um zu zeigen, dass Leute, die diesen Einwand erheben, aber seine Konsequenzen nicht zu Ende denken, nur eine Ausrede suchen, um auch weiterhin Fleisch essen zu können.

Bis hierhin haben wir in diesem Kapitel Einstellungen untersucht, die von vielen Menschen in westlichen Gesellschaften geteilt werden, sowie die üblichen Strategien und Argumente zur Verteidigung dieser Einstellungen. Wir haben gesehen, dass diese Strategien und Argumente logisch äußerst schwach sind. Sie sind eher Rationalisierungen und Ausreden als Argumente. Es wäre allerdings denkbar, dass ihre Schwäche darauf zurückgeführt werden könnte, dass gewöhnlichen Menschen zur Diskussion ethischer Fragen das Fachwissen fehlt. Aus diesem Grund hatte ich in der ersten Ausgabe dieses Buches die Aussagen einiger führender Philosophen der 1960er und frühen 1970er Jahre über den moralischen Status nichtmenschlicher Tiere untersucht. Die Ergebnisse gereichten der Philosophie nicht zur Ehre.

Die Philosophie soll die grundlegenden Annahmen ihrer Zeit in Frage stellen. Das kritische und sorgfältige Durchdenken dessen, was die meisten von uns einfach als gegeben annehmen, ist meiner Meinung nach die wichtigste Aufgabe der Philosophie, es ist die Aufgabe, die die Philosophie zu einer lohnenden Beschäftigung macht. Bedauerlicherweise kommt die Philosophie ihrer historischen Rolle nicht immer nach. Aristoteles' Verteidigung der Sklaverei wird immer als Mahnmal dafür stehen, dass Philosophen auch Menschen und allen Vorurteilen der Gesellschaft, in der sie leben, unterworfen sind. Manchmal gelingt es ihnen, sich von der vorherrschenden Ideologie zu befreien, häufiger werden sie aber ihre geschicktesten Verteidiger.

So verhielt es sich auch mit den Philosophen in der Zeit vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches. Sie stellten niemandes Vorurteile über unsere Beziehung zu den anderen Spezies in

Frage. Die Schriften der meisten Philosophen, die sich mit Problemen befassten, die diese Fragestellung berührten, zeigen, dass sie die gleichen Annahmen als unstrittig voraussetzten wie die meisten anderen Menschen auch, und ihre Auffassungen wiesen die Tendenz auf, die Leser und Leserinnen in ihren bequemen speziesistischen Gewohnheiten zu bestätigen.

Damals wurden in der politischen und Moralphilosophie die Diskussionen um Gleichheit und Rechte fast immer als Problem der Gleichheit der Menschen und der Menschenrechte geführt. Das führte dazu, dass weder die Philosophen noch die Studierenden jemals mit der Fragestellung der Gleichheit der Tiere als solcher konfrontiert wurden - schon daran zeigt sich, dass die Philosophie es bis dahin versäumt hatte, anerkannte Uberzeugungen gründlich zu untersuchen. Für die Philosophen war es aber doch schwierig, das Problem der Gleichheit von Menschen zu diskutieren, ohne Fragen über den Status nichtmenschlicher Tiere aufzuwerfen. Der Grund dafür - der aus dem ersten Kapitel dieses Buches schon ersichtlich sein dürfte - hängt damit zusammen, wie das Prinzip der Gleichheit verstanden und verteidigt werden muss, wenn es überhaupt verteidigt werden soll.

Für die Philosophen der 1950er und 1960er Jahre bestand das Problem darin, die Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen so zu interpretieren, dass sie sich nicht als völlig falsch erwies. Die Menschen sind in fast keiner Hinsicht gleich; suchen wir nach einem Merkmal, das alle besitzen, dann kann dieses Merkmal nur in einer Art kleinstem gemeinsamen Nenner bestehen, der so niedrig angesetzt ist, dass diese Eigenschaft keinem Menschen fehlt. Der Haken daran ist, dass jede Eigenschaft, die alle Menschen besitzen, nicht nur Menschen zukommt. Zum Beispiel können alle Menschen, aber nicht nur Menschen, Schmerzen empfinden; und während schwierige mathematische Probleme zwar nur Menschen lösen können, können es doch nicht alle Menschen.

So zeigt es sich, dass in dem einzig möglichen Sinne, in dem wir eine faktische Gleichheit von Menschen wirklich behaupten können, zumindest manche Angehörige anderer Spezies ebenfalls »gleich« sind — das heißt, einigen Menschen gleich.

Finden wir andererseits gemäß meiner Argumentation in Kapitel 1, dass diese Merkmale für das Problem der Gleichheit überhaupt keine Rolle spielen und die Gleichheit auf dem moralischen Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Interessen beruhen muss statt auf dem Besitz bestimmter Eigenschaften, wird es sogar noch schwieriger, eine Grundlage zu finden, um Tiere aus der Sphäre der Gleichheit auszuschließen.

Dieses Ergebnis war nicht das, was die egalitären Philosophen jener Zeit ursprünglich beabsichtigt hatten. Anstatt das Ergebnis anzuerkennen, auf das ihre eigenen Überlegungen ganz selbstverständlich hindeuteten, versuchten sie, ihre Überzeugungen über die Gleichheit der Menschen und die Ungleichheit der Tiere mit gewundenen oder aber kurzsichtigen Argumenten miteinander zu versöhnen. Zum Beispiel spielte Richard Wasserstrom, damals Professor für Philosophie und Recht an der University of California in Los Angeles, in den philosophischen Diskussionen über die Gleichheit in jener Zeit eine hervorragende Rolle. In seinem Artikel »Rights, Human Rights and Racial Dis- crimination« [Rechte, Menschenrechte und Rassendiskriminierung] definierte Wasserstrom »Menschenrechte« als die Rechte, die Menschen zukommen und nichtmenschlichen Lebewesen nicht. Dann argumentierte er für die Existenz von Menschenrechten auf Wohlergehen und Freiheit. Bei der Verteidigung der Vorstellung eines menschlichen Rechts auf Wohlergehen sagte Wasserstrom, wenn man einer Person nicht die Befreiung von akuten körperlichen Schmerzen zugestehe, mache man es dieser Person unmöglich, ein ausgefülltes und zufriedenes Leben zu führen. Er fuhr dann fort: »Die Freude an diesen Gütern unterscheidet in einem ganz realen Sinne menschliche von nichtmenschlichen Wesen.«32 Werfen wir aber einen Blick zurück, um festzustellen, was »diese Güter« sind, dann wird als einziges Beispiel die Befreiung von akuten körperlichen Schmerzen genannt - und diese dürften nichtmenschliche Lebewesen ebenso zu schätzen wissen wie Menschen. Wenn also Menschen ein Recht auf Befreiung von akuten körperlichen Schmerzen haben, so ist es in dem von Wasserstrom definierten Sinne kein spezifisch menschliches Recht. Tiere hätten dieses Recht ebenfalls.

Angesichts einer Situation, in der die Philosophen die Notwendigkeit einer gewissen Basis für den

moralischen Graben erkannten, der im allgemeinen Denken immer noch Menschen und Tiere trennt, jedoch nicht in der Lage waren, einen konkreten Unterschied zwischen Menschen und Tieren zu finden, der dies leisten konnte, ohne die Gleichheit der Menschen zu untergraben, neigten die Philosophen zum Schwafeln. Sie zogen sich auf hochgestochene Phrasen zurück wie »die intrinsische Würde des menschlichen Individuums«33. Oder sie sprachen vom »spezifischen Wert aller Männer« (der Sexismus wurde damals ebenso wenig in Frage gestellt wie der Speziesismus), als ob sie alle einen nicht näher beschreibbaren Wert besäßen, der anderen Lebewesen fehle.34 Oder sie sagten, Menschen und nur Menschen seien »Zwecke an sich«, während »alles, was keine Person ist, nur für eine Person Wert besitzen kann«.35 Wie wir schon im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, hat die Vorstellung einer besonderen menschlichen Würde und eines besonderen Wertes des Menschen eine lange Geschichte. Im gegenwärtigen Jahrhundert, bis zu den 70er Jahren, hatten die Philosophen die ursprünglichen metaphysischen und religiösen Fesseln dieser Vorstellung abgeworfen, beriefen sich aber großzügig auf sie, ohne ein Bedürfnis zu verspüren, sie überhaupt noch zu rechtfertigen. Warum sollten wir uns selbst keine »intrinsische Würde« und keinen »intrinsischen Wert« zuschreiben? Warum sollten wir nicht sagen, wir seien die einzigen Dinge im ganzen Universum, die einen intrinsischen Wert haben? Unsere Mitmenschen werden die Ehrung kaum zurückweisen, die wir ihnen so großzügig zukommen lassen, und jene Wesen, denen wir sie verweigern, können keine Einwände erheben. In der Tat, denken wir nur an die Menschen, dann kann es sehr liberal und fortschrittlich sein, von ihrer aller Würde zu sprechen. Damit verurteilen wir gleichsam die Sklaverei, den Rassismus und andere Missachtungen der Menschenrechte. Wir gestehen zu, dass uns die ärmsten, unwissendsten Mitglieder unserer eigenen Spezies in einem grundlegenden Sinne ebenbürtig seien. Erst wenn wir die Menschen lediglich als kleine Untergruppe aller Lebewesen sehen, die unseren Planeten bevölkern, können wir erkennen, dass wir durch die Erhebung unserer eigenen Spezies gleichzeitig den relativen Status aller übrigen Spezies senken.

Die Wahrheit sieht so aus, dass die Anrufung der intrinsischen Würde des Menschen die Probleme des egalitären Philosophen nur so lange löst, wie sie nicht in Frage gestellt wird. Fragen wir erst einmal, warum alle Menschen — auch Säuglinge und geistig behinderte Menschen, aber auch kriminelle Psychopathen, Hitler, Stalin und alle übrigen Menschen - eine Art von Würde oder Wert besitzen sollten, die kein Elefant, Schwein oder Schimpanse jemals erlangen kann, so erkennen wir, dass diese Frage nicht weniger schwer zu beantworten ist als unsere ursprüngliche Frage nach einer relevanten Tatsache, die die Ungleichheit zwischen Menschen und anderen Tieren rechtfertigen könnte. Tatsächlich geht es bei diesen beiden Fragen um ein und dasselbe: es hilft nichts, von der intrinsischen Würde oder dem moralischen Wert zu reden, weil jede zufriedenstellende Verteidigung der Behauptung, alle Menschen und nur sie besäßen diese Würde, sich auf relevante Fähigkeiten oder Merkmale beziehen müsste, die nur Menschen zukämen und dank deren sie diese einzigartige Würde oder diesen Wert besäßen. Es reicht nicht aus, zur Unterscheidung von Menschen und Tieren Vorstellungen von Würde und Wert als Ersatz für andere Gründe einzuführen. Wohlklingende Phrasen sind die letzte Zuflucht derer, denen die Argumente ausgegangen sind.

Für den Fall, dass es immer noch jemand für möglich halten sollte, ein relevantes Merkmal zu finden, durch das sich alle Menschen von allen Mitgliedern anderer Spezies unterscheiden, wollen wir nochmals den Umstand betrachten, dass es einige Menschen gibt, die eindeutig unterhalb des Niveaus von Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Intelligenz und Empfindungsfähigkeit vieler nichtmenschlicher Tiere liegen. Ich denke an Menschen mit schweren und irreparablen Hirnschäden und auch an menschliche Kleinstkinder; zur Vermeidung des Problems der Entwicklungsfähigkeit von Säuglingen werde ich mich jedoch auf dauerhaft schwer behinderte Menschen beschränken.

Philosophen, die sich vornahmen, ein Merkmal zur Unterscheidung der Menschen von anderen Tieren zu finden, entschlossen sich nur selten dazu, diese Gruppen von Menschen mit anderen Tieren in einen Topf zu werfen. Es ist leicht einzusehen, warum sie dies nicht taten, denn so zu verfahren, ohne unsere Einstellungen gegenüber den anderen Tieren neu zu überdenken, würde bedeuten, dass wir das Recht hätten, aus nichtigen Gründen schmerzhafte Versuche an behinderten

Menschen durchzuführen, ja sogar das Recht, sie zu Nahrungszwecken aufzuziehen und zu töten.

Für die mit dem Problem der Gleichheit befassten Philosophen bestand der einfachste Umgang mit den Schwierigkeiten, die sich durch die Existenz schwer und dauerhaft geistig behinderter Menschen ergeben, darin, sie nicht zur Kenntnis zu nehmen. John Rawls, Philosoph an der Harvard University, stieß in seinem umfangreichen Buch A Theory of Justice auf dieses Problem, als er zu erklären versuchte, warum wir Menschen Gerechtigkeit schulden, anderen Tieren aber nicht; doch er schob es mit der Bemerkung beiseite: »Ich kann dieses Problem hier nicht untersuchen, nehme aber an, dass die Analyse der Gleichheit nicht wesentlich betroffen würde.«36 Das ist ein außergewöhnlicher Umgang mit der Frage der Gleichbehandlung: aus ihm folgt offenbar entweder, dass wir schwer und dauerhaft geistig behinderte Menschen so behandeln dürfen, wie wir zur Zeit Tiere behandeln, oder dass wir im Widerspruch zu Rawls' eigenen Aussagen Tieren Gerechtigkeit schulden.

Was sonst könnten Philosophen tun? Würden sie sich dem Problem aufrichtig stellen, das durch die Existenz von Menschen aufgeworfen wird, die über keine moralisch relevanten Merkmale verfügen, die Tiere nicht auch besitzen, könnten sie unmöglich an der Gleichheit der Menschen festhalten, ohne eine grundlegende Veränderung des Status nichtmenschlicher Tiere nahezulegen. In einem verzweifelten Versuch, die allgemein akzeptierten Ansichten zu retten, wurde sogar vorgeschlagen, wir sollten Lebewesen nicht entsprechend ihrer tatsächlichen Eigenschaften behandeln, sondern gemäß der Eigenschaften, die »für ihre Spezies normal« sind.37 Um zu verstehen, wie unerhört das ist, sollten wir uns Folgendes vorstellen: Irgendwann in der Zukunft erweist es sich, dass auch ohne entsprechende gesellschaftliche Prägungen mehr Frauen als Männer in einer Gesellschaft es normal finden, nicht außer Haus arbeiten zu gehen, sondern zu Hause zu bleiben und die Kinder zu betreuen. Diese Erkenntnis wäre natürlich völlig mit der unübersehbaren Tatsache verträglich, dass es einige Frauen gibt, die zur Kinderbetreuung weniger, dafür aber für das Arbeitsleben außer Haus besser geeignet sind als manche Männer. Möchte irgendein Philosoph dann behaupten, diese außergewöhnlichen Frauen sollten nicht entsprechend ihren tatsächlichen Eigenschaften behandelt werden, sondern so, wie es »für ihr Geschlecht normal ist« - und demnach, sagen wir, nicht zum Medizinstudium zugelassen werden? Ich glaube nicht. Es fällt mir schwer, in diesem Argument etwas anderes zu sehen als eine Verteidigung des Vorrangs der Interessen von Angehörigen unserer eigenen Spezies aus dem einzigen Grund, dass sie Angehörige unserer Spezies sind.

Wie die übrigen philosophischen Argumente, die üblich waren, bis die Vorstellung von der Gleichheit für Tiere von Philosophen ernst genommen wurde, steht dieses hier als Warnung vor uns, wie leicht nicht nur gewöhnliche Leute, sondern auch die im moralischen Denken am besten geschulten einer vorherrschenden Ideologie zum Opfer fallen können. Doch jetzt freue ich mich wirklich, berichten zu können, dass die Philosophie ihre ideologischen Scheuklappen abgeworfen hat. Viele der gegenwärtigen Hochschul-Lehrveranstaltungen in Ethik fordern die Studierenden wirklich dazu heraus, ihre Haltung zu einer ganzen Reihe von ethischen Fragen zu überdenken, und vorrangig wird von ihnen der moralische Status nichtmenschlicher Tiere vertreten. Vor zwanzig Jahren musste ich lange suchen, um auch nur eine Handvoll Textstellen zu finden, in denen sich akademische Philosophen mit der Frage des Status von Tieren beschäftigten; heute könnte ich dieses ganze Buch mit einem Bericht darüber füllen, was in den letzten zwanzig Jahren über dieses Thema geschrieben wurde. Artikel über die Frage, wie wir Tiere behandeln sollten, sind in so gut wie allen Standard-Textsammlungen enthalten, die in Seminaren über angewandte Ethik als Lektüre dienen. Es sind die selbstzufriedenen, unbegründeten Behauptungen, nichtmenschliche Tiere seien moralisch nicht von Bedeutung, die selten geworden sind.

In der Tat hat die akademische Philosophie in den letzten zwanzig Jahren eine wichtige Rolle bei der Förderung und Unterstützung der Tierbefreiungsbewegung gespielt. Das Ausmaß der Aktivitäten wird durch einen Blick in Charles Mageis Bibliographie von Büchern und Aufsätzen über Tierrechte und verwandte Themen offensichtlich. Von der Antike bis zum Beginn der 70er Jahre findet Magel nur 95 Werke erwähnenswert, und von diesen stammen nur zwei oder drei von professionellen Philosophen. Aus den nächsten achtzehn Jahren führt Magel jedoch 240 Werke über

Tierrechte auf, viele von Philosophen, die an Universitäten lehren.38 Zudem sind die veröffentlichten Werke nur ein Teil des Ganzen; in philosophischen Instituten überall in den Vereinigten Staaten, Australien, Großbritannien, Kanada und vielen anderen Ländern lehren Philosophen über den moralischen Status von Tieren. Viele von ihnen arbeiten auch aktiv in Tierrechtsgruppen, entweder innerhalb oder außerhalb der Hochschule, an einer Veränderung mit.

Natürlich stehen die Philosophen nicht einmütig hinter dem Vegetarismus und der Befreiung der Tiere — wann waren sich auch Philosophen bei irgendeiner Sache jemals einig? Doch selbst die Philosophen, die den Behauptungen ihrer Kollegen und Kolleginnen zugunsten von Tieren kritisch gegenüberstehen, erkennen wichtige Punkte der Argumentation für eine Veränderung an. Zum Beispiel beginnt R. G. Frey von der Bowling Green State University in Ohio, der mehr gegen meine Auffassungen über Tiere geschrieben hat als irgendein anderer Philosoph, einen seiner Artikel entschieden mit der Feststellung: »Ich bin kein Antivivisektionist...«. Doch dann gesteht er zu: Ich habe und kenne nichts, das mich befähigt, a priori zu sagen, dass ein menschliches Leben von noch so geringer Qualität wertvoller sei als das Leben eines Tieres, und sei es von noch so hoher Qualität.

Als Ergebnis erkennt Frey an, dass »die Argumente für den Antivivi- sektionismus weit stärker sind, als die meisten Leute zugeben«. Er folgert: "Wenn man versuchen wolle, Experimente an nichtmenschlichen Tieren mit ihrem Nutzen zu rechtfertigen (was seiner Meinung nach die einzige mögliche Rechtfertigung ist), gebe es keinen intrinsischen Grund, warum ein solcher Nutzen nicht auch Experimente an Menschen rechtfertigen würde, »deren Lebensqualität geringer als die von Tieren ist oder dieser entspricht«. Somit stimmt er Tierversuchen zu, wenn ihr Nutzen wichtig genug ist, allerdings nur um den Preis, auch die Möglichkeit ähnlicher Versuche an Menschen akzeptieren zu müssen.39 Einen noch dramatischeren Meinungsumschwung vollzog der kanadische Philosoph Michael Allen Fox. Es konnte als sicher gelten, dass die Veröffentlichung seines Buches The Case for Animal Experimentation im Jahr 1986 ihm als dem wichtigsten philosophischen Verteidiger der Tierversuchsindustrie künftig einen Vorzugsplatz bei wissenschaftlichen Konferenzen einbringen würde. Die Pharmakonzerne und Tierversuchslobbyisten, die schließlich einen zahmen Philosophen zu haben glaubten, den sie zu ihrer Verteidigung gegen die ethische Kritik einsetzen könnten, müssen entsetzt gewesen sein, als Fox plötzlich sein eigenes Buch verwarf. Als Erwiderung auf eine äußerst kritische Besprechung seines Buches in The Scientist schrieb Fox einen Brief an den Herausgeber, in dem er dem Rezensenten zustimmte: er habe eingesehen, dass die Argumente seines Buches falsch seien und dass es nicht möglich sei, Tierversuche ethisch zu rechtfertigen. Später verfolgte Fox seinen mutigen Meinungswandel konsequent weiter und ging zu einer vegetarischen Lebensweise über.40 Der Aufstieg der Tierbefreiungsbewegung war wie bei keinem anderen modernen sozialen Anliegen mit der Entwicklung dieser Frage als Diskussionsthema in den Kreisen der akademischen Philosophie verknüpft. Die Philosophie selbst erlebte durch das Nachdenken über den Status nichtmenschlicher Tiere eine bemerkenswerte Veränderung: sie gab den bequemen Konformismus mit verbreiteten Dogmen auf und kehrte zu ihrer alten sokratischen Rolle zurück.

Der Kern dieses Buches besteht in der Auffassung, dass die Diskriminierung von Lebewesen lediglich aufgrund ihrer Spezies ebenso von Vorurteilen zeugt, unmoralisch und unhaltbar ist wie die Rassendiskriminierung. Ich habe mich nicht damit zufriedengegeben, dies als bloße Behauptung oder als meine eigene, persönliche Uberzeugung zu formulieren, deren Anerkennung anderen völlig freigestellt wäre. Ich habe diese Auffassung begründet und dabei eher an die Vernunft appelliert als an Gefühle. Ich habe diesen Weg nicht gewählt, weil ich mir der Wichtigkeit freundlicher Gefühle und Empfindungen der Achtung gegenüber anderen Kreaturen nicht bewusst wäre, sondern weil der Appell an die Vernunft einen umfassenderen Anspruch und größere Überzeugungskraft besitzt. So sehr ich auch Menschen bewundere, die ihr Leben vom Speziesismus befreit haben, weil ihr

Mitgefühl für andere sich auf alle empfindungsfähigen Lebewesen erstreckt, glaube ich nicht, dass bei den meisten Menschen der Appell an das Mitgefühl und die Gutherzigkeit allein ausreicht, um sie von der Falschheit des Speziesismus zu überzeugen. Selbst wenn es um andere Menschen geht, zeigen manche eine überraschende Geschicklichkeit, ihr Mitgefühl auf diejenigen ihres eigenen Landes oder ihrer eigenen Rasse zu beschränken. Aber so gut wie jeder Mensch ist zumindest vorgeblich bereit, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Zugegeben, manche liebäugeln mit einem übertriebenen moralischen Subjektivismus und behaupten, eine Moral sei so gut wie die andere; wird von ihnen aber eine Antwort auf die Frage gefordert, ob sie denken, dass die Moral Hitlers oder die Moral der Sklavenhändler ebensogut sei wie die Moral eines Albert Schweitzer oder Martin Luther King, dann stellen sie schließlich fest, dass sie manche Moralauffassungen für besser als andere halten.

Ich habe mich also in diesem ganzen Buch auf eine rationale Argumentation gestützt. Können Sie das zentrale Argument dieses Buches nicht widerlegen, dann sollten Sie jetzt anerkennen, dass der Speziesismus falsch ist, und das bedeutet, wenn Sie Moral ernst nehmen, dass Sie versuchen sollten, Ihr eigenes Leben von speziesistischen Praktiken zu befreien und ihnen entgegenzutreten, wo immer sie Ihnen begegnen. Anderenfalls bleibt Ihnen keine Basis, von der aus Sie ohne Heuchelei Rassismus oder Sexismus kritisieren könnten. Das Argument, dass wir zu Tieren gut sein sollten, weil Grausamkeit gegenüber Tieren zu Grausamkeit gegenüber Menschen führe, habe ich grundsätzlich vermieden. Es mag sein, dass ein freundlicher Umgang mit Menschen und ein freundlicher Umgang mit anderen Tieren oft Hand in Hand gehen, aber unabhängig davon, ob das stimmt, ist die von Thomas von Aquin und Kant vertretene Auffassung, dass darin der wahre Grund liege, warum wir mit Tieren freundlich umgehen sollten, eine durch und durch speziesistische Position.

Wir sollten die Interessen von Tieren berücksichtigen, weil sie Interessen haben und es ungerechtfertigt wäre, sie aus der Sphäre der moralischen Rücksicht auszuschließen; diese Berücksichtigung von den nützlichen Folgen für Menschen abhängig zu machen, heißt anerkennen, dass die Interessen von Tieren es nicht verdienen, um ihrer selbst willen berücksichtigt zu werden.

Ebenso habe ich eine eingehende Diskussion der Frage vermieden, ob eine vegetarische Ernährungsweise gesünder ist als eine Ernährungsweise, die Fleisch einschließt. Es gibt eine Vielzahl von Hinweisen, die das nahelegen, doch ich habe mich darauf beschränkt zu zeigen, dass ein Mensch, der sich vegetarisch ernährt, erwarten kann, zumindest ebenso gesund zu leben wie jemand, der Fleisch isst. Sobald ich darüber hinausgehen würde, wäre es schwer, den Eindruck zu vermeiden, die Argumentation für den Vegetarismus würde zusammenbrechen, falls sich in weiteren Untersuchungen heraussteilen sollte, dass das Fleischessen aus gesundheitlicher Sicht akzeptabel wäre. Solange wir aber leben können, ohne Tieren ein elendes Leben aufzuerlegen, sollten wir dies vom Standpunkt der Befreiung der Tiere aus auch tun.

Ich glaube, dass die Begründung für die Befreiung der Tiere logisch zwingend ist und nicht widerlegt werden kann, doch die Aufgabe, den Speziesismus praktisch zu überwinden, ist gewaltig.

Wir haben gesehen, dass die historischen Wurzeln des Speziesismus im Bewusstsein der westlichen Gesellschaften tief verankert sind. Wir haben gesehen, dass die Abschaffung speziesistischer Verhaltensweisen die ureigenen Interessen der landwirtschaftlichen Großkonzerne und die Berufsverbände der Forscher und Veterinärmediziner bedrohen würde. Sollte es sich als notwendig erweisen, sind diese Konzerne und Organisationen bereit, Millionen von Dollar auszugeben, um ihre Interessen zu verteidigen, und sie werden die Öffentlichkeit mit Zeitungsanzeigen überschwemmen, die alle Vorwürfe der Grausamkeit leugnen. Zudem hat die Öffentlichkeit ein Interesse - oder glaubt es wenigstens - an der Fortsetzung der speziesistischen Praktiken der Aufzucht und Tötung von Tieren zu Nahrungszwecken, und deshalb akzeptieren Menschen nur allzu gern die Versicherungen, dass es in diesem Bereich jedenfalls kaum Grausamkeit gebe. Wie wir gesehen haben, akzeptieren Menschen auch bereitwillig irreführende Formen der Beweisführung — wie wir sie in diesem Kapitel untersucht haben die sie sonst nie auch nur für einen Augenblick in Erwägung ziehen würden, wenn es nicht aufgrund der Tatsache wäre, dass diese ihre bevorzugte Ernährungsweise zu rechtfertigen scheinen. Hat die Tierbefreiungsbewegung gegen diese

uralten Vorurteile, einflussreichen Geschäftsinteressen und tief verwurzelten Gewohnheiten überhaupt eine Chance? Steht außer der Vernunft und der Ethik noch etwas auf ihrer Seite? Vor einem Jahrzehnt gab es außer dem Vertrauen in einen Sieg von Vernunft und Ethik keine konkrete Grundlage für die Hoffnung, dass ihre Argumente sich durchsetzen könnten. Seitdem hat die Bewegung ein dramatisches Wachstum erfahren — in der Anzahl ihrer Unterstützer und Unterstützerinnen, ihrer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und, was am wichtigsten ist, der Liste dessen, was sie für Tiere erreicht hat. Vor 15 Jahren galt die Tierbefreiungsbewegung als verrückt, und Gruppen mit einer wirklichen Philosophie der Befreiung hatten nur wenige Mitglieder. Heute hat »People for the Ethical Treatment of Animals« [PETA] 250000 Mitglieder, und die »Humane Farming Association«, die sich massiv gegen die Haltung von Mastkälbern in Einzelboxen einsetzt, hat 45000 Mitglieder.41 »Trans-Species Unlimited« hat sich von einer kleinen Gruppe mit einem einzigen Büro in Pennsylvania zu einer landesweiten Organisation mit Zweigstellen in New York, Philadelphia, Chicago und im Staat New Jersey entwickelt. Die »Coalition to Abolish the LD50 and Draize Tests« vereinigt Tierrechts- und Tierschutzgruppen mit insgesamt mehreren Millionen Mitgliedern. 1988 wurde der Tierbefreiungsbewegung die Ehre der Anerkennung zuteil: eine respektvolle Titelgeschichte in Newsweek.A2

Ich habe einige der Verbesserungen für Tiere bei der Diskussion der einzelnen Themen genannt. Es lohnt sich jedoch, sie noch einmal gesammelt aufzuzählen: Sie umfassen das Verbot der Boxenhaltung von Kälbern in Großbritannien und die Abschaffung der Legebatterien in der Schweiz und den Niederlanden ebenso wie die noch weitergehende Gesetzgebung in Schweden, die die Boxenhaltung von Kälbern, Legebatterien, die Einsperrung von Säuen und alle Vorrichtungen verbietet, die Tiere daran hindern, sich frei zu bewegen; weiter verbietet sie Haltungsformen, bei denen die Tiere in den wärmeren Monaten nicht draußen weiden können. Durch die weltweite Kampagne gegen den Pelzhandel konnte insbesondere in Europa die Menge der verkauften Pelze stark reduziert werden. In Großbritannien war das House of Fräser, eine führende Warenhauskette, das Ziel von Protesten gegen Pelze. Im Dezember 1989 wurde die Schließung der Pelzabteilungen in 59 der 60 Geschäfte bekanntgegeben; damit blieb nur im berühmten Londoner Harrod's die Pelzabteilung bestehen.

In den Vereinigten Staaten gibt es bislang keine Verbesserungen für Tiere in der Landwirtschaft, doch es wurde die Einstellung mehrerer besonders verwerflicher Tierversuchsreihen erreicht. Der erste Erfolg wurde 1977 erzielt, damals brachte eine von Henry Spira geführte Kampagne das amerikanische Museum of Natural History dazu, eine sinnlose Versuchsreihe einzustellen, bei der Katzen verstümmelt wurden, um zu untersuchen, wie sich das auf ihr Sexualleben auswirkte. 43 1981 deckte der Tierbefreiungsaktivist Alex Pacheco die fürchterlichen Lebensbedingungen von siebzehn Affen am Edward Taub's Institute for Behavioral Research in Silver Springs, Maryland, auf. Die nationalen Gesundheitsbehörden strichen Edward Taubs Forschungsgelder, und er war der erste, der in den Vereinigten Staaten wegen Tierquälerei verurteilt wurde - allerdings wurde das Urteil später mit der formalen Begründung aufgehoben, dass Tierexperimentatoren, die mit Bundesmitteln gefördert werden, die Gesetze eines Bundesstaates gegen Tierquälerei nicht beachten müssen.44 Unterdessen lenkte der Fall die landesweite Aufmerksamkeit auf eine sich gerade etablierende Gruppe, die sich »People for the Ethical Treatment of Animals« [PETA] nannte und 1984 eine führende Rolle bei den Bestrebungen hatte, Dr. Thomas Gennarellis Kopfverletzungsversuche an Affen an der University of Pennsylvania zu unterbinden. Diese Anstrengungen wurden durch außergewöhnliche Videoaufnahmen über den Missbrauch der Tiere ausgelöst, die die Experimentatoren selbst aufgezeichnet hatten und die bei einem nächtlichen Überfall von der Animal Liberation Front aus dem Labor gestohlen wurden.

Gennarelli wurde die finanzielle Förderung gestrichen.45 Nach monatelangen Streikpostenaktionen, die von »Trans- Species Unlimited« organisiert wurden, verzichtete 1988 ein Forscher an der Cornell University auf eine Fördersumme von 530000 Dollar zur Durchführung von Versuchen zur Schlafmittelabhängigkeit an Katzen. 46 Etwa zur gleichen Zeit kündigte der italienische Modekonzern Benetton an, keine Tiere mehr bei Prüfverfahren für neue Kosmetika und Toilettenartikel zu benutzen. Benetton war das Ziel einer internationalen, von »People for the Ethical Treatment of Animals« koordinierten Kampagne, bei der Anhänger und Anhängerinnen der Tierbefreiungsbewegung aus sieben Ländern mitgewirkt hatten. Der amerikanische Kosmetikhersteller Noxell war nicht Ziel einer solchen Aktion, entschied sich aber dennoch, anstelle von Draize-Tests mit Kaninchen Gewebekulturen zu benutzen, um die mögliche Schädlichkeit seiner Produkte für das menschliche Auge zu untersuchen. Noxells Entscheidung war ein Teil des kontinuierlichen Übergangs zu alternativen Prüfverfahren durch die großen Hersteller von Kosmetika, Toilettenartikeln und pharmazeutischen Produkten, den das bereits erwähnte Bündnis zur Abschaffung des LD 50 und Draize-Tests initiiert und immer wieder angespornt hatte.47 Jahre harter Arbeit trugen Früchte, als 1989 Avon, Revlon, Faberge, Mary Kay, Amway, Elizabeth Arden, Max Factor, Christian Dior und mehrere kleine Firmen die endgültige oder wenigstens vorläufige Einstellung aller Tierversuche bekanntgaben. Im gleichen Jahr gab die für die Sicherheitstests in zehn Ländern der Europäischen Union zuständige Europäische Kommission bekannt, dass sie anstelle von LD50 und Draize-Tests andere Testverfahren anerkennen würde, und forderte alle OECDStaaten (zu denen auch die Vereinigten Staaten und Japan gehören) zur Entwicklung gemeinsamer alternativer Prüfverfahren auf. Sowohl der LD 50-Test wie der Draize-Test sind jetzt durch Regierungsanordnungen in Victoria und New South Wales, den am dichtesten bevölkerten Staaten Australiens und diejenigen, in denen der größte Teil der Tierversuche durchgeführt wird, verboten worden.48

In den Vereinigten Staaten bewegt sich auch etwas in der Frage des Sezierens an den weiterführenden Schulen. Die entschiedene Weigerung einer einzigen kalifornischen Schülerin, Jennifer Graham, an einer Sezierung teilzunehmen, und ihr Insistieren darauf, für diese Gewissensentscheidung nicht mit einer schlechten Note bestraft zu werden, führte dazu, dass 1988 die California Student's Rights Bill erlassen wurde, die den Schülern und Schülerinnen in den kalifornischen Grund- und weiterführenden Schulen das Recht gibt, die Durchführung des Sezierens straffrei zu verweigern. Ähnliche Gesetzesvorlagen sind jetzt in New Jersey, Massachusetts, Maine, Hawaii und mehreren anderen Staaten eingebracht worden.

Mit der wachsenden Sichtbarkeit und Unterstützung der Bewegung gewinnt die Arbeit der aktiv mitarbeitenden Menschen an Stoßkraft. Rockmusiker haben mitgeholfen, die Botschaft der Tierbefreiung zu verbreiten. Filmstars, Fotomodelle und Modedesigner haben für den Verzicht auf Pelze plädiert. Durch den internationalen Erfolg der Body Shop- Läden sind Kosmetika attraktiver und leichter erhältlich geworden, mit deren Herstellung und Prüfung keine Tierquälerei verbunden ist. Es gibt immer mehr vegetarische Restaurants, und auch die nichtvegetarischen bieten vegetarische Gerichte an. Das alles macht es Neulingen leichter, sich denen anzuschließen, die bereits tun, was ihnen möglich ist, um in ihrem täglichen Leben die Grausamkeit gegenüber Tieren einzudämmen.

Dennoch verlangt die Befreiung der Tiere mehr Selbstlosigkeit von den Menschen als irgendeine andere Befreiungsbewegung zuvor. Die Tiere selbst können ihre Befreiung nicht fordern und durch Wahlen, Demonstrationen oder Boykotte gegen ihre Lebensbedingungen protestieren. Die Menschen verfügen über die Macht, die übrigen Spezies für immer zu unterdrücken — oder zumindest, bis wir den Planeten für sämtliche Lebewesen unbewohnbar gemacht haben. Werden wir unsere Gewaltherrschaft fortsetzen und damit beweisen, dass die zynischsten Dichter und Philosophen recht haben, die immer schon sagen, die Ethik gelte nichts, sobald sie mit dem Eigeninteresse in Konflikt gerate? Oder werden wir uns aufgrund der Erkenntnis, dass unsere Position moralisch unhaltbar ist, und nicht, weil uns Rebellen oder Terroristen dazu zwingen, der Herausforderung stellen und unsere Fähigkeit zu wirklicher Uneigennützigkeit beweisen, indem wir die skrupellose Ausbeutung der unserer Macht ausgelieferten Spezies beenden?

Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie jeder und jede Einzelne von uns diese Frage für sich selbst beantwortet.

Anhang 1 Zum Weiterlesen Dies ist keine vollständige Liste der Quellen - auf diese finden sich Hinweise in den Anmerkungen —, sondern eine Auswahl besonders wertvoller Bücher, darunter auch Bücher mit Argumenten für den Vegetarismus. Ein detaillierter, kommentierter Führer durch die Literatur ist Charles Mageis Keyguide to Information Sources in Animal Rights (London: Mansell and Jefferson, North Carolina: McFarland, 1989).

Allgemeines

Godlovitch, Stanley und Roslind, und John Harris (Hg.). Animals, Men and Morals. New York, Grove, 1974. Ein wegweisender Sammelband. Gompertz, Lewis. Moral Inquiries on the Situation of Man and of Brutes. London, 1824. Einer der ersten sorgfältig begründeten Vorschläge für eine völlig andere Einstellung zu den Tieren. Gruen, Lori, Peter Singer und David Hine. Animal Liberation: A Graphic Guide. London, Camden Press, 1987. Ein kurzer und allgemeinverständlicher illustrierter Bericht über Praxis und Theorie der Tierbefreiungsbewegung. Midgley, Mary. Animals and Why They Matter. Athens, University of Georgia Press, 1984. Eine tiefgehende Diskussion über den Unterschied, den die Spezieszugehörigkeit ausmacht.

Rachels, James. Created from Animals: The Moral Implications of Darwinism. Oxford/New York, Oxford Univ. Press, 1990. Erläutert die weitgehend unbeachteten moralischen Konsequenzen der Evolutionstheorie für unsere Behandlung der Tiere.

Regan, Tom. The Case of Animal Rights. Berkeley, University of California Press, 1983. Die vollständigste Ausarbeitung der philosophischen Argumente dafür, Tieren Rechte zuzuschreiben.

Regan, Tom und Peter Singer (Hg.). Animal Rights and Human Obligations. Engle- wood Cliffs, N. J., Prentice-Hall, 2nd ed., 1989. Eine Sammlung alter und neuer Beiträge von beiden Seiten. Rollin, Bernard. The Unheeded Cry. Oxford, Oxford University Press, 1989. Eine sehr gut lesbare Darstellung der Versuche, den Tieren Empfindungen abzusprechen und warum sie scheitern. Ryder, Richard D. Animal Revolution: Changing Attitudes Towards Speciesism. Oxford, Blackwell, 1989.

Ein historischer Uberblick über die wechselnden Einstellungen zu den Tieren mit Schwerpunkt auf den beiden letzten Jahrzehnten. Der Verfasser ist ein führender Denker und Aktivist dieser Zeit.

Salt, Henry. Animals' Rights Considered in Relation to Social Progress. Clarks Summit, Pennsylvania, Society for Animal Rights; Fontwell, Sussex, Centaur Press/State Mutual Book, 1985 (Erstveröffentlichung 1892). Ein früher, jetzt wieder erhältlicher Klassiker.

Sapontzis, Steve. Morals, Reason and Animals. Philadelphia, Temple University Press, 1987. Eine eingehende philosophische Untersuchung der Argumente zur Befreiung der Tiere.

Singer, Peter (Hg.). Verteidigt die Tiere. Frankfurt/M., Berlin, Ullstein Verlag, 1988. Eine speziell geschriebene Sammlung von Essays führender Persönlichkeiten aus der Praxis und Theorie der Befreiung der Tiere.

Thomas, Keith. Man and the Natural World: Changing Attitudes in England 1500- 1800. London, Allen Lane, 1983. Eine wissenschaftliche, dennoch aber sehr gut lesbare Untersuchung über die Einstellungen zu den Tieren während dieser Zeit.

Turner, E. S. All Heaven in a Rage. London, Michael Joseph, 1964. Eine informative und unterhaltsame Geschichte der Tierschutzbewegung.

Wynne-Tyson, J. (Hg.). The Extended Circle: A Commonplace Book of Animal Rights. New York, Paragon House, 1988; London, Penguin, 1989. Hunderte kurzer Auszüge von humanitären Denkern aus allen Zeiten.

Tiere in der Forschung Rowan, Andrew. Of Mice, Models, and Men: A Critical Evaluation of Animal Research. Albany, State University of New York Press, 1984. Die aktuelle Untersuchung eines Wissenschaftlers.

Ryder, Richard. Victims of Science. Fontwell, Sussex, Centaur Press/State Mutual Book, 1983.

Immer noch einer der besten Überblicke über Tierversuche.

Sharpe, Robert. The Cruel Deception. Wellingborough, Northants, Thorsons, 1988.

Wissenschaftlich begründete Ablehnung von Tierversuchen als irrelevant für den medizinischen Fortschritt und manchmal geradezu irreführend.

Sperlinger, David (Hg.). Animals in Research: New Perspectives in Animal Experi- mentation.

Chichester und New York, John Wiley, 1983. Eine Sammlung von Essays von Wissenschaftlern und

Philosophen.

Tiere in der Landwirtschaft und die Fleischindustrie Agriculture Committee, House of Commons. Animal Weifare in Poultry, Pig and Veal Calf Production. London, Her Majesty's Stationery Office, 1981. Ein Regierungsbericht, der sich nachdrücklich gegen viele der üblichen Praktiken ausspricht.

Brambell, F. W. R., Chairman. Report of The Technical Committee to Enquire into the Weifare of Animals Kept Under Intensive Livestock Husbandry Systems. London, Her Majesty's Stationery Office, 1965. Der Bericht über die erste eingehende Untersuchung im Auftrag der Regierung über die industrielle Tierzucht.

Dawkins, Marian. Leiden und Wohlbefinden bei Tieren. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 1982. Eine wissenschaftliche Diskussion über die Methoden zur objektiven Messung von Leiden bei Tieren.

Druce, Cläre. Chicken and Egg: Who Pays the Price? London, Merlin 1989. Eine Anklage gegen die Eier- und Geflügelindustrie, mit Antworten auf deren Ausreden.

Fox, Michael W. Farm Animals: Husbandry, Behavior, and Veterinary Practice. Baltimore, University Park Press, 1984. Eine dokumentierte Darstellung der Probleme für das Wohlergehen landwirtschaftlich genutzter Tiere.

Gold, Mark. Assault and Battery. London, Pluto Press, 1983. Eine kritische Untersuchung der industriellen Massentierhaltung.

Harrison, Ruth. Tiermaschinen. München, Biederstein Verlag, 1965. Mit diesem Buch begann die Kampagne gegen die industrielle Massentierhaltung.

Mason, Jim und Peter Singer. Animal Factories. New York, Crown, 1980. Die Folgen der industriellen Massentierhaltung für Gesundheit, Ökologie und das Wohlergehen der Tiere; mit einer hervorragenden Fotosammlung.

Schell, Orville. Modern Meat. New York, Random House, 1984. Ein führender Journalist betrachtet die »pharmazeutische Tierzucht« und ihre Produkte.

Vegetarismus Akers, Keith. A Vegetarian Sourcebook: The Nutrition, Ecology, and Ethics of a Natural Food Diet.

Arlington, Va., Vegetarian Press, 1989. Eine umfassende Zusammenstellung aktuellen wissenschaftlichen Materials zur vegetarischen Ernährung.

Gold, Mark. Living Without Cruelty. Basingstoke, Hants, Green Print, 1988. Behandelt alle Detailfragen eines Lebens ohne Missbrauch von Tieren.

Kapleau, Roshi P. To Cherish All Life: A Buddhist View of Animal Slaughter and Meat Eating.

Rochester, N. Y., The Zen Center, 1981. Von einem bedeutenden amerikanischen Buddhisten.

Lappe, Frances Moore. Diet for a Small Planet. New York, Ballantine, 1 Oth Anni- versary ed., 1985. Dieses Buch argumentiert aus ökologischer Sicht gegen die Fleischproduktion.

Moran, Victoria. Compassion the Ultimate Ethic: An Exploration of Veganism. Wellingborough, Northants, Thorsons, 1985. Eine Anleitung zu einem Leben ohne Ausbeutung von Tieren, mit Diskussion der ökologischen und gesundheitlichen Aspekte der veganen Ernährungsweise.

Robbins, John. Diet for a New America: How Your Food Choices Affect Your Health, Happiness and the Future of Life on Earth. Walpole, N. H., Stillpoint, Der Verfasser präsentiert umfangreiches Material, das gegen den Verzehr von Tierprodukten spricht.

1987.

Wynne-Tyson, Jon. Food For a Future: How World Hunger Could Be Ended by the Twenty-first Century. Wellingborough, Northants, Thorsons, überarb. Ausg.

1988.

Eine Begründung des Vegetarismus aus humanitärer und ökologischer Sicht.

Wildlebende Tiere Amory, Cleveland. Man Kind? New York, Dell, 1980. Eine scharfe Kritik des Kriegs gegen freilebende Tiere.

Batten, Peter. Living Trophies. New York, Crowell, 1976. Eine kritische Betrachtung der Zoos und ihres Umgangs mit Tieren.

Day, David. The Doomsday Book of Animals. New York, Viking Press, 1980. Wie wir die Ausrottung zahlreicher Tierarten vorantreiben.

McKenna, Virginia, Will Travers und Jonathan Wray (Hg.). Beyond the Bars. Wellingborough, Northants, Thorsons, 1988. Eine Sammlung von Aufsätzen über Zoos und verwandte Fragestellungen, mit Schwerpunkt auf der Erhaltung der Natur.

Regenstein, Lewis. The Politics of Extinction. New York, Macmillan, 1975. Ein Bericht über unseren Beitrag zur Ausrottung von Spezies in Vergangenheit und Gegenwart.

Anhang 2 Leben ohne Grausamkeit Cruelty-free Products - Ohne Tierquälerei erzeugt Es ist heute relativ einfach, Seifen, Toilettenartikel und Kosmetika zu kaufen, die ohne Grausamkeit gegenüber Tieren hergestellt wurden. Die weltweit verbreiteten Body Shop-Filialen führen eine breite Palette von Erzeugnissen, die nicht an Tieren getestet wurden und keine tierischen Substanzen enthalten. Mehrere andere Marken sind in Naturproduktläden erhältlich, und auch in den Anzeigenseiten von Zeitschriften wie The Animals' Agenda werden entsprechende Erzeugnisse angeboten. Viele größere Organisationen stellen Verzeichnisse von anerkannten Cruelty-freeProdukten zur Verfügung. Schauen Sie auch in Mark Golds Buch Living Witbont Cruelty nach, das im Abschnitt Vegetarismus des Literaturverzeichnisses genannt wird. [A. d. R.: Eine aktuelle Liste tierversuchsfreier Kosmetik ist verfügbar auf der Webseite des Deutschen Tierschutzbunds e.V., siehe Anhang 3].

Wer sich für eine vegetarische Ernährung von Hunden und Katzen interessiert, findet Informationen bei Harbingers of a New Age, Box 146, Swisshome, OR 97480 USA; www.vegepet.com [A. d. R.: Hier auch Informationen zu Verkaufsstellen im deutschsprachigen Raum]. Ein Tierarzt sollte aber auch befragt werden.

Ernährung Als die erste Ausgabe dieses Buches erschien, war allgemein so wenig Information über eine vegetarische Lebensweise verfügbar, dass es notwendig war, in den Anhang ausführliche Informationen über Ernährung und vegetarische Kochrezepte aufzunehmen. Zum Glück sind inzwischen in den meisten Buchhandlungen sehr gute vegetarische Kochbücher erhältlich, und der ausreichende Nährwert einer vegetarischen Ernährung ist nicht mehr umstritten. Weitere Informationen zu Ernährungsaspekten bei einer Lebensweise ohne Tierquälerei enthalten die im Literaturverzeichnis unter Vegetarismus aufgeführten Bücher, insbesondere Keith Akers' A

Vegetariern Sourcebook.

Bloodroot Collective. The Political Palate: A Feminist Vegetarian Cookbook. Bridgeport, Conn., Sanguinaria Publishing, 1980.

Bloodroot Collective. The Second Seasonal Political Pakte. Bridgeport, Conn., Sanguinaria Publishing, 1984.

Dinshah, Freya. The Vegan Cookbook. American Vegan Society, Malaga, New Jersey. Genau das, was der Name sagt.

Ewald, Ellen Buchman. Recipes for a Small Planet. New York, Ballantine, 1988. Ein Folgewerk zu Frances Moore Lappes Diet for a Small Planet; mehr über Proteine und jede Menge neue Rezepte.

Grossinger, Jennie. The Art of Jewish Cooking. New York, Random House, 1958. Nicht vegetarisch, aber man findet genügend vegetarische Rezepte, um an Gewicht zuzulegen, wenn man jüdisches Essen mag.

Hagler, Louise, ed. Tofu Cookery. Summertown, Tenn., The Book Publishing Co., 1982. Kaufen Sie dieses Buch, wenn Sie Tofu bisher noch nicht regelmäßig verwenden. Sie werden staunen, was mit diesem vielseitigen Nahrungsmittel alles gemacht werden kann.

Hurd, Dr. Frank und Mrs. Ten Talents Vegetarian Natural Foods Cookbook. Selbstverlag, Chrisholm, Minn.; erhältlich durch die Siebenten-Tags-Adventisten. Ein Naturkostkochbuch und Gesundheitsratgeber. Es ist teurer als die anderen Bücher in der Liste, lohnt sich aber für Veganer und Veganerinnen, weil die meisten Rezepte vegan sind.

Jaffrey, Madhur. Madhur Jaffrey's World-of-the-East Vegetarian Cooking. New York, Knopf, 1984.

Katzen, Mollie. Moosewood Cooking. Berkeley, Calif., Ten Speed Press, 1977. Rezepte aus einem berühmten Restaurant.

Katzen, Mollie. The Enchanted Broccoli Forest. Berkeley, Calif., Ten Speed Press, 1982. Der Nachfolger von Moosewood Cooking.

Lager, Mildred und Dorothea van Gundy Jones. The Soybean Cookbook. New York, Arco, 1968; bei Are Books auch als Taschenbuch erschienen. Dreihundertfünzig Rezepte zur Verwendung von Sojabohnen, inklusive Anleitung zur Herstellung von Bohnensprossen und Sojaquark.

Lappe, Frances Moore und Ellen Buchman Ewald. Great Meatless Meals. New York, Ballantine, 1981. Dreißig komplette Menüs, Rezepte für hervorragende, nahrhafte vegetarische Mahlzeiten.

Lemlin, Jeanne. Vegetarian Pleasures: A New Cookbook. New York, Knopf, 1974. Ein weiteres Kochbuch mit Menüzusammenstellungen voller verlockender kulinarischer Erfindungen.

Roden, Claudia. A Book of Middle Eastern Food. New York, Knopf, 1974; bei Vintage Books auch als Taschenbuch erschienen. Nicht vegetarisch, aber mit Rezepten für Hummus, Falafel und gefüllte Gemüse jeder Art. Lohnt sich vor allem für Leute, die Hackfleisch-Ersatz verwenden, da viele Fleischgerichte mit Hackfleisch zubereitet werden und gut mit pflanzlichem Hackfleischersatz funktionieren.

Thomas, Anna. The Vegetarian Epicure. New York, Knopf, 1972; bei Vintage Books auch als Taschenbuch erschienen. Viele köstliche Feinschmeckergerichte. Besonders gut für Brot und Suppen, weniger geeignet für Veganer, weil zuviel Gewicht auf Käse und Eierrezepte gelegt wird.

Anhang 3 Organisationen Eine Lebensweise, die Tierquälerei vermeidet, ist wichtig; ebenso wichtig ist es jedoch, aktiv für die Beendigung der Ausbeutung von Tieren zu arbeiten. Einige Menschen können allein arbeiten oder mit einigen anderen Gleichgesinnten eine eigene Gruppe bilden, doch es ist auch mölich, sich einer bereits bestehenden Organisation anzuschließen. Ich nenne hier einige aktive und wirkungsvoll arbeitende Organisationen und einige Zeitschriften (kursiv gedruckt), die den Tierbefreiungsstandpunkt unterstützen. Neue Organisationen werden gegründet, andere lösen sich auf, und wenn eine Organisation hier nicht genannt ist, heißt das nicht, dass sie nicht nützlich wäre. [A. d. R.: Die folgende Liste wurde für die Ausgabe 2015 neu zusammengestellt und bezieht sich nur auf den deutschsprachigen Raum. Zeitschriften wurden nicht aufgenommen.]

Deutschland aktion der — menschen für tiere e.V. Kaiserdamm 97 D-14057 Berlin Tel +49 (0)30-30103831 Fax +49 (0)30-30103834 berlin@aktiontier.org http://www.aktiontier.org

Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Versorgung notleidender Tiere AKUT - Aktion Kirche und Tiere e.V. c/o Stefanie Riedel Am Schloß 3 D-04683 Naunhof / OT Ammelshain Mobil +49 (0)1577-8819246 geschaeftsstelle@aktion-kirche-undtiere.de http://www.aktion-kirche-und-tiere.de

Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Tierschutzbildung Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt Dircksenstraße 47 D-10178 Berlin Tel +49 (0)30-40054680 Fax +49 (0)30-400546869 kontakt@albert-schweitzer-stiftung.de http://albert-schweitzer-stiftung.de

Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungs-, Protest- und Unternehmenskampagnen, Ortsgruppen ALF - Animal Liberation Front Öffentlichkeitsarbeit durch: die tierbefreier e.V. Postfach 150325 D-44343 Dortmund Fax +49 (0)380-17854612

info@tierbefreier.de http://www.tierbefreier.de Tierrechtsaktionsbündnis: Protestaktionen, Tierbefreiungen, Jagdstörungen, ökonomische Sabotage/Anschläge

Animal Equality Germany e.V. Hasenbergsteige 15 D-70178 Stuttgart Tel +49 (0)711-16033483 info@animalequality.de http://www.animalequality.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Recherchen, Tierbefreiungen, Ortsgruppen

Animal Peace e.V. Bucheckernweg 3 D-81547 München Tel +49 (0)89-69394063 silke@animal-peace.org http://www.animal-peace.org Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen Animals' Angels e.V. Rossertstraße 8 D-60323 Frankfurt am Main Tel +49 (0)69-70798170 Fax +49 (0)69-707981729 kontakt@animals-angels.de http: / / www.animals-angels. de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Begleitung/Kontrolle von Tiertransporten

info@ariwa.org http://www.ariwa.org Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Recherchen, Tierbefreiungen, Ortsgruppen ARIWA - Animal Rights Watch e.V. Hirschbachstraße 57 D-73431 Aalen Tel +49 (0)7361-9754625 Fax+49 (0)7361-9754621

Ärzte gegen Tierversuche e.V. Güldenstr. 44a D-38100 Braunschweig Tel +49 (0)531-60944791 Fax +49 (0)531-60944792 info@aerzte-gegentierversuche.de

http://www.aerzte-gegen- tierversuche.de Netzwerk für eine Medizin ohne Tierversuche: Aufklärungskampagnen, Förderung tierversuchsfreier Forschungsmethoden Biologisch-Veganes Netzwerk Kontakt über: Bund für Vegane Lebensweise e.V. Dorfstr. 10 D-21391 Reppenstedt Tel +49 (0)4135-8099186 Landbau: Aufklärungskampagnen

umwelt@bvl-ev.org http://www.biovegan.org Netzwerk für den bio-veganen

Bund fiir Vegane Lebensweise e.V. Dorfstr. 10 info@bvl-ev.org http://vegane-lebensweise.org Interessenverband fiir vegane

D-21391 Reppenstedt Tel +49 (0)4135-8099186 Ernährung: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Ortsgruppen

Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V. Iddelsfelder Hardt D-51069 Köln Tel +49 (0)221-96476960 mail@bmt-tierschutz.de http://www.bmt-tierschutz.de

Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Tierheime, Aufklärungskampagnen, Streunerhilfe, Versorgung notleidender Tiere, Tierschutzbildung Deutscher Tierschutzbund e.V. In der Raste 10 D-53129 Bonn Tel +49 (0)228-604960 Fax +49 (0)228-6049640 bg@tierschutzbund.de http://www.tierschutzbund.de Tierschutzorganisation: Tierheime, Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen

Deutsches Tierschutzbüro e.V. Genthiner Straße 48 D-10785 Berlin

Tel +49 (0)30-2902825343 Fax +49 (0)30-81878899 post@tierschutzbuero.de http://www.tierschutzbuero.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Recherchen, Tierbefreiungen, Versorgung notleidender Tiere

die tierbefreier e.V. Postfach 150325 D-44343 Dortmund Fax +49 (0)380-17854612 info@tierbefreier.de http://www.tierbefreier.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungsund Protestkampagnen, Recherchen, Tierbefreiungen, Ortsgruppen DJGT - Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. Kontakt über: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt Dircksenstraße 47 D-10178 Berlin Tel +49 (0)30-40054680 Fax +49 (0)30-400546869 info@djgt.de http://www.djgt.de Juristisches Netzwerk: Stellungnahmen, Rechtsgutachten Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz Waisenstr. 1 / Eingang Littenstr. 108 D-10179 Berlin Mobil +49 (0)157-58295999 info@erna-graff-stiftung.de http://www.erna-graff-stiftung.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Tierschutzbildung, Rechtsgutachten

Human-Animal Studies Chimaira AK für Human-Animal Studies e.V. Postfach 44 03 42 D-12003 Berlin chimaira@human-animal-studies.de http://www.human-animal-studies.de Akademisches Netzwerk: Untersuchung der kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Bedeutung nichtmenschlicher Tiere, ihrer Beziehungen zu Menschen sowie der gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnisse

IFAW - Internationaler Tierschutz- Fonds Max-Brauer-Allee 62-64 D-22765 Hamburg Tel +49 (0)40-8665000 Fax +49 (0)40-86650022 info-de@ifaw.org http://www.ifaw.org/deutschland

Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Streunerhilfe, Versorgung notleidender Tiere, Artenschutz Komitee gegen den Vogelmord e.V. An der Ziegelei 8 D-53127 Bonn Tel +49 (0)228-665521 Mobil +49 (0)172-2191542 Fax +49 (0)228-665280

info@komitee.de http://www.komitee.de Tierschutzorganisation: Aufklärungsund Protestkampagnen, Recherchen, Tierbefreiungen, Artenschutz Menschen für Tierrechte — Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. Roermonder Straße 4a D-52072 Aachen Tel +49 (0)241-157214 Fax+49

info@tierrechte.de http://www.tierrechte.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen,

(0)241-155642 Protestkampagnen, Ortsgruppen

Minding Animals Germany representing@mindinganimals.de http://www.mindinganimals.de

Akademisches Netzwerk: Forum für den öffentlichen Diskurs zur Lage nichtmenschlicher Tiere, Forschungsförderung, Konferenzen und Tagungen PETA Deutschland e.V. Friolzheimer Str. 3a D-70499 Stuttgart Tel+49 (0)711-8605910 Fax+49 (0)711-860591111

info@peta.de http://www.peta.de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Recherchen, PETA2 Streetteams

PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V. Küterstraße 7-9 D-24103 Kiel Tel +49 (0)431-248280 Fax +49 (0)431-2482829 info@prohvieh.de http://www.provieh.de Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Unternehmenskampagnen Pro Wildlife Kidlerstr. 2 D-81371 München Tel +49 (0)89-81299507 Fax +49 (0)89-81299706

mail@prowildlife.de

http://www.prowildlife.de Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Artenschutz Sea Shepherd Deutschland e.V. Postfach 1953 D-25509 Itzehoe

info@sea-shepherd.de http://www.sea-shepherd.de

Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Jagdstörungen, Ortsgruppen SOKO Tierschutz e.V. Jakober Str. 57 D-86152 Augsburg info@soko-tierschutz.org http://www.soko-tierschutz.org/de Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Recherchen TVT - Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. Bramscher Allee 5 D-49565 Bramsche Tel +49 (0)5468-925156 Fax+49 (0)5468-925157 geschaeftsstelle@tierschutz-tvt.de http://www.tierschutz-tvt.de Veterinärmedizinisches Netzwerk: Aufklärungskampagnen, Expertise zu den Themen Qualzucht, Haltungsbedingungen von Nutztieren, Schlachttiertransporte und Schlachtung, Tierversuche

VEBU - Vegetarierbund Deutschland e.V. info@vebu.de http://www.vebu.de

Genthiner Straße 48 D-10785 Berlin Tel +49 (0)30-290282530 Fax +49 (0)30-29778050 Interessenverband für vegetarische und vegane Ernährung: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Unternehmenskampagnen, Ortsgruppen, Messen. vegane gesellschaft deutschland e.V. Marienstr. 19/20 D-10117 Berlin

info@vegane-gesellschaft.org http://www.vegane-

gesellschaft.org Interessenverband für vegane Ernährung: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Messen, Zeitschrift »veganmagazin«

VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz Schomburgstraße 120 D-22765 Hamburg office@vier-pfoten.de http://www.vier-pfoten.de

Tel +49 (0)40-3992490 Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Unternehmenskampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe, Artenschutz, Ortsgruppen

Welttierschutzgesellschaft e.V. Reinhardts«. 10 D-10117 Berlin

Tel +49 (0)30-92372260 info@welttierschutz.org http://welttierschutz.org

Österreich BAT - Basisgruppe Tierrechte c/o Amerlinghaus Stiftgasse 8 A-1070 Wien info@basisgruppe-tierrechte.org http://www.basisgruppe-tierrechte.org Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen Österreichischer Tierschutzverein Berlagasse 36 A-1210 Wien Tel +43 (0)1-89733460 Fax+43 (0)1-897334610 zentrale@tierschutzverein.at http: //www. tierschutzverein, at Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Tierheime, Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe

RespekTiere Gitzenweg 3 A-5101 Bergheim / Salzburg Tel +43 (0)676-7840841

info@respektiere.at http://www.respektiere.at

Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Tierschutzbildung, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe, Artenschutz kontakt@whales.org http://de.whales.org Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Artenschutz WDC Deutschland Implerstraße 55 D-81371 München Tel +49 (0)89-61002393 Fax +49 (0)89-61002394

Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Streunerhilfe info@seashepherd.at http://www.seashepherd.at

Sea Shepherd Austria Postfach 22 A-8042 Graz Tel +43 (0)664-1441822 Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Jagdstörungen, Ortsgruppen

Tierschutz im Unterricht Endriegl 7 A-4873 Frankenburg Tel +43 (0)664-3434366 info@tierschutzunterricht.at http://www.tierschutzunterricht.at Tierschutzorganisation: Tierschutzbildung Tierschutzverein Robin Hood Haslach 10 A-3243 St. Leonhard / Forst Tel +43 (0)664-1961206 office@robinhood-tierschutz.at http://www.robinhood-tierschutz.at Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe Vegane Gesellschaft Österreich Meidlinger Hauptstraße 63/6 A-l 120 Wien +43 (0)1-92914988

info@vegan.at http://www.vegan.at

Interessenverband für vegane Ernährung: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Messen, Ortsgruppen Verband pro-tier Meidlinger Hauptstraße 6 3 / 6 A-l 120 Wien

office@pro-tier.at

Verband österreichischer Tierschutzorganisationen VGT - Verein Gegen Tierfabriken Meidlinger Hauptstraße 6 3 / 6 A-l 120 Wien Tel+43 (0)1-9291498

Fax+43 (0)1-92914982 vgt@vgt.at http://www.vgt.at

Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Schweiz AKUT - Aktion Kirche und Tiere Rübibachstr. 9 CH-6372 Ennetmoos Tel +41 (0)41-6103231 info@akut-ch.ch

http://www.aktion-kirche-und-tiere.ch Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Tierschutzbildung Recherchen, Tierbefreiungen, Versorgung notleidender Tiere, Tierschutzbildung, Ortsgruppen VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz Linke Wienzeile 236 A-l 150 Wien Tel +43 (0)1-89502020 office@vier-pfoten.at http://www.vier-pfoten.at

Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Unternehmenskampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe, Artenschutz, Ortsgruppen office@weeac-austria.com http://www.weeac-austria.com

WEEAC-Austria Melnitzkygasse 13 A-l220 Wien Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Streunerhilfe

Wiener Tierschutzverein Triester Str. 8 A-2331 Vösendorf Tel +43 (0)1-6992450 Fax +43 (0)1699245098 Tierschutzorganisation: Tierheime, Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Versorgung notleidender Tiere Animal Trust Beethovenstrasse 7 CH-8002 Zürich Tel +41 (0)55-2445600 info@animaltrust.ch http://www.animaltrust.ch Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen DAS TIER & WIR Kontakt über: Robert Pfister AG Neuengasse 17 CH-3011 Bern Tel +41 (0)71-6400175 office@tierundwir. ch

http://www.tierundwir.ch Tierschutzorganisation: Tierschutzbildung info@globalanimallaw.org http://www.globalanimallaw.org Juristisches

GAL Project — GlobalAnimalLaw.org Netzwerk: Stellungnahmen, Rechtsgutachten

LSCV — Schweizer Liga gegen Vivisektion Chemin des Arcs-en-Ciel 3 CH-1226 Thönex Tel +41 (0)22-3497337 Fax+41 (0)22-3491954 Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen

admin@lscv.ch http://www.lscv.ch

NetAP - Network for Animal Protection Vogelsangstrasse 32 CH-8133 Esslingen / ZH Tel +41 (0)44-2026868 info@netap.ch http://www.netap.ch Tierschutzorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe PEA - Pour l'Egalite Animale Chemin de Grange-Canal 28A CH-1224 Chene-Bougeries

http://www.asso-pea.ch Tierrechtsorganisation:

Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen

Sea Shepherd Switzerland CH-8820 Wädenswil coordinations@seashepherd.ch Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Jagdstörungen, Ortsgruppen Swissveg Niederfeldstr. 92 CH-8408 Winterthur Tel +41 (0)71-4773377 Fax +41 (0)71-4773378

info@swissveg.ch

http://www.swissveg.ch Interessenverband für vegetarische und vegane Ernährung: Aufklärungs-, Protest- und Unternehmenskampagnen, Ortsgruppen

Schweizer Tierschutz STS Dornacherstrasse 101 / Postfach CH-4018 Basel Tel +41 (0)365-9999 sts@tierschutz.com http://www.tierschutz.com Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Ortsgruppen Stiftung für das Tier Im Recht Rigistrasse 9 CH-8006 Zürich Tel +41 (0)43-4430643 Fax +41 (0)43-4430646 info@tierimrecht. org

http://www.tierimrecht.org Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Rechtsgutachten, Schulungen Tierschutzbund Zürich Schulhausstrasse 27 CH-8600 Dübendorf Tel +41 (0)44-4826573 info@tierschutzbund-zuerich.ch http://tierschutzbund-zuerich.ch Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe

tif — tier-im-fokus.ch Postfach 8545 CH-3001 Bern

info@tier-im-fokus.ch http://www.tier-im-fokus.ch

Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen VGS — Vegane Gesellschaft Schweiz CH-4000 Basel Tel +41 (0)61-2222793 info@vegan.ch http://www.vegan.ch Interessenverband für vegane Ernährung: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Ortsgruppen VgT — Verein gegen Tierfabriken Schweiz Im Bühl 2 CH-9546 Tuttwil http://www.vgt.ch

Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz Enzianweg 4 CH-8048 Zürich Tel +41 (0)43-3118090 Tel+41 (0)43-3118099 office@vier-pfoten.ch http://www.vier-pfoten.ch Tierschutz-/Tierrechtsorganisation: Aufklärungskampagnen, Protestkampagnen, Unternehmenskampagnen, Versorgung notleidender Tiere, Streunerhilfe, Artenschutz, Ortsgruppen

Anmerkungen 1 Alle Tiere sind gleich Zu Benthams Moralphilosophie siehe seine Introduction to the Principles of Morals and Legislation (die Passage ist zitiert nach der 7. Auflage, Reprint, London: Macmillan, 1963), S. 382, und zu Sidgwick siehe The Methods of Ethics, 1907. Führende zeitgenössische Moralphilosophen, die die Forderung einer gleichen Berücksichtigung der Interessen übernehmen, sind z. B. R. M. Hare, Freedom and Reason (New York: Oxford University Press, 1963), und John Rawls, ATheory of Justice (Cambridge: Harvard University Press, Belknap Press, 1972); dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit (Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975, stw 271, 1979ff). Eine kurze Darstellung der wesentlichen Ubereinstimmung dieser und anderer Positionen bezüglich dieser Frage gibt R. M. Hare, »Rules of War and Moral Reasoning«, Philosophy and Public Affairs 1 (2) (1972).

1

2

Thomas Jefferson, Brief an Henry Gregoire; 25. Februar 1809.

Thomas Jefferson, »Reminiscences by Francis D. Gage«, in: Susan B. Anthony, The History of Woman Suffrage, Bd. 1; der Abschnitt findet sich in dem Auszug in Leslie Tanner (Hg.), Voices From Women's Liberation (New York: Signet, 1970).

3

Den Ausdruck »Speziesismus« verdanke ich Richard Ryder. Er hat seit der ersten Ausgabe dieses Buches breite Akzeptanz gefunden, und der englische Ausdruck »speciesism« erscheint jetzt in The Oxford English Dictionary, 2. Auflage (Oxford: Clarendon Press, 1989).

4

5

Jeremy Bentham, Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Kap. 17.

Siehe M. Levin, »Animal Rights Evaluated«, Humanist 37: 14-15 (Juli/August 1977); M. A. Fox, »Animal Liberation: A Critique«, Ethics 88: 134-138 (1978); C. Perry und G. E. Jones, »On Animal Rights«, International Journal of Applied Philosophy 1: 39-57 (1982).

6

Lord Brain, »Presidential Address«, in C. A. Keele und R. Smith (Hg.), The Assess- ment of Pain in Men and Animals (London: Universities Federation for Animal Weifare, 1962).

7

8

Lord Brain, »Presidential Address«, S. 11.

9

Richard Serjeant, The Spectrum of Pain (London: Hart Davis, 1969), S. 72.

Siehe die Berichte des Committee on Cruelty to Wild Animals (Command Paper 8266, 1951), Abs. 36-42; Departmental Committee on Experiments on Animals (Command Paper 2641, 1965), Abs. 179-182; und Technical Committee to En- quire into the Weifare of Animals Kept under Intensive Livestock Husbandry Systems (Command Paper 2836, 1965), Abs. 26-28 (London: Her Majesty's Stationery Office).

10

11

Siehe Stephen Walker, Animal Thoughts (London: Routledge and Kegan Paul,

1983)

;

Donald Griffin, Animal Thinking (Cambridge: Harvard University Press,

; dt.: Wie Tiere denken (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1990); und Marian Stamp Dawkins, Animal Suffering: The Science of Animal Weifare (London: Chapman and Hall, 1980); dt.: Leiden und Wohlbefinden bei Tieren (Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, 1982).

1984)

Siehe Eugene Linden, Apes, Men and Language (New York: Penguin, 1976); leichtverständliche Berichte über neuere Arbeiten in diesem Bereich sind: Erik Eckholm, »Pygmy Chimp Readily Learns Language Skill«, The New York Times v. 24. Juni 1985; und »The Wisdom of Animals«, 12

Newsweek v. 23. Mai 1988.

Jane Goodall, In the Shadow of Man (Boston: Houghton Mifflin, 1971), S. 225; dt.: Wilde Schimpansen. Verhaltensforschung am Gombe-Strom (Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1991), S. 320. Michael Peters vertritt eine ähnliche Auffassung in »Nature and Culture«, in: Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris (Hg.), Animals, Men and Morals (New York: Taplinger, 1972). Beispiele, in denen einige Inkonsistenzen der Leugnung dessen aufgezeigt werden, dass Wesen ohne Sprache Schmerz fühlen können, finden sich bei: Bernard Rollin, The Unheeded Cry: Ani- mal Consciousness, Animal Pain, and Science (Oxford: Oxford University Press, 1989).

Ich lasse religiöse Ansichten, zum Beispiel die Lehre, dass alle und nur Menschen eine unsterbliche Seele haben oder das Ebenbild Gottes sind, außer Acht. In der Vergangenheit sind diese Sichtweisen sehr wichtig gewesen, und sie sind zweifellos zum Teil für die Vorstellung verantwortlich, dass dem menschlichen Leben eine besondere Unverletzlichkeit zukommt (zur weiteren historischen Diskussion siehe Kapitel 5). Logisch sind diese religiösen Ansichten jedoch unbefriedigend, denn sie liefern keine begründete Erklärung dafür, warum jedes menschliche, aber kein nichtmenschliches Lebewesen eine unsterbliche Seele haben sollte. Ein solcher Glaube setzt sich deshalb ebenfalls dem Verdacht des Speziesismus aus. Auf jeden Fall zögern heute im Allgemeinen die Verteidiger der Auffassung von der Heiligkeit des Lebens, ihren Standpunkt allein auf religiöse Lehren zu gründen, denn diese Lehren finden gegenwärtig keineswegs mehr so breite Anerkennung wie früher.

1

Eine allgemeine Diskussion dieser Fragen findet sich in Practical Ethics (Cambridge: Cambridge University Press, 1979); dt.: Praktische Ethik (Stuttgart: Philipp Reclam, 1984; 2., revidierte Auflage 1994), eine eingehende Diskussion der Behandlung von Schwerstgeschädigten Neugeborenen findet sich in Helga Kuhse und Peter Singer, Should the Baby Live? (Oxford: Oxford University Press, 1985); dt.: Muß dieses Kind am Leben bleiben? Das Problem Schwerstgeschädigter Neugeborener (Erlangen: Harald Fischer, 1993).

2

Eine eingehendere Behandlung dieses Themas findet sich in meinem Artikel: »Life's Uncertain Voyage«, in: P. Pettit, R. Sylvan und J. Norman (Hg.), Metaphysics and Morality (Oxford: Blackwell, 1987), S. 154-172.

3

Diese Darlegung, die gegenüber der ersten Ausgabe nur leicht verändert wurde, wird von Kritikern der Tierbefreiungsbewegung oft übersehen. Es ist eine verbreitete Taktik, die Position der Tierbefreiungsbewegung ins Lächerliche zu ziehen, indem man wie der Tierexperimentator Dr. Irving Weissman behauptet: »Einige dieser Leute glauben, dass jedes Insekt, jede Maus ein genauso großes Recht auf Leben hat wie ein Mensch.« (Zitiert nach Katherine Bishop, »From Shop to Lab to Farm, Animal Rights Battie is Feit«, The New York Times v. 14. Januar 1989.) Es wäre interessant, ob Weissman wirklich einige prominente Vertreter und Vertreterinnen der Tierbefreiungsbewegung nennen könnte, die dieser Meinung sind. Ich jedenfalls vertrete diese Position nicht (wobei ich lediglich voraussetze, dass er das Lebensrecht eines Menschen gemeint hat, dessen geistige Fähigkeiten von denen eines Insekts oder einer Maus sehr verschieden sind). Ich bezweifle, dass diese Meinung von vielen - wenn überhaupt von irgendjemandem — in der Tierbefreiungsbewegung vertreten wird.

4

2 "Werkzeuge fiir die Forschung 1

U.S. Air Force, School of Aerospace Medicine, Report No. USAFSAM-TR-82-24, August 1982.

2

U.S. Air Force, School of Aerospace Medicine, Report No. USAFSAM-TR-87-19, Oktober 1987.

U.S. Air Force, School of Aerospace Medicine, Report No. USAFSAM-TR-87-19, Oktober 1987, S. 6.

3

Donald J. Barnes, »A Matter of Change«, in: Peter Singer (Hg.), In Defense of Animals (Oxford: Blackwell, 1985); dt.: »Eine Sache der Veränderung«, in: Verteidigt die Tiere (Frankfurt/M.; Berlin: Ullstein, 1988), S. 248 u. 249.

4

5

Air Force Times, 28. November 1973; The New York Times, 14. November 1973.

B. Levine u.a., »Determination of the Chronic Mammalian Toxicological Effects of TNT: Twentysix Week Subchronic Oral Toxicity Study of Trinitrotoluene (TNT) in the Beagle Dog«, Phase II, Final Report (U.S. Army Medical Research and Development Command, Fort Detrick, Maryland, Juni 1983).

6

Carol G. Franz, »Effects of Mixed Neutron-gamma Total-body Irradiation on Phys- ical Activity Performance of Rhesus Monkeys«, Radiation Research 101: 434-441 (1985).

7

8

Proceedings of the National Academy of Science 54: 90 (1965).

9

Engineering and Science 33: 8 (1970).

Maternal Care and Mental Health, World Health Organization Monograph Series, 2: 46 (1951).

10 11

Engineering and Science 33: 8 (1970).

Journal of Comparative and Physiological Psychology 80 (1): 11 (1972).

12

Behavior Research Methods and Instrumentation 1: 247 (1969).

13

Journal of Autism and Childhood Schizophrenia 3 (3): 299 (1973).

14

Journal of Comparative Psychology 98: 35-44 (1984).

15

Developmental Psychology 17: 313-18 (1981).

16

Primates 25: 78-88 (1984).

17

Diese Zahlen wurden zusammengestellt von Martin Stephens, Ph. D., nach den Angaben im Bericht Maternal Deprivation Experiments in Psychology: A Critique of Animal Models, erstellt für die American, National and New England Anti- Vivisection Societies (Boston, 1986).

18

Statistics of Scientific Procedures on Living Animals, Great Britain, 1988, Command Paper 743 (London: Her Majesty's Stationery Office, 1989).

19

U.S. Congress Office of Technology Assessment, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education (Washington, D.C.: Government Printing Office, 1986), S. 64.

20

Hearings before the Subcommittee on Livestock and Feed Grains of the Committee on Agriculture, U.S. House of Representatives, 1966, S. 63.

21

Siehe A. Rowan, Of Mice, Models and Men (Albany: State University of New York Press, 1984), S. 71; seine revidierte Schätzung findet sich in einer persönlichen Mitteilung an das Office of Technology Assessment; siehe Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 56.

22

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 56.

23

Experimental Animals 37: 105 (1988).

24

Nature 334: 445 (4. August 1988).

25

The Harvard Bioscience Whole Rat Catalog (South Natick, Mass.: Harvard Bio- science, 1983).

26

Bericht des Littlewood Committee, S. 53 u. 166; zitiert nach Richard Ryder, »Experiments on Animals«, in: Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris (Hg.), Animals, Men and Morals (New York: Taplinger, 1972), S. 43.

Die Zahlen wurden von Lori Gruen errechnet nach Zahlenmaterial in Berichten des U.S. Public Health Service, Computer Retrieval of Information on Scientific Pro- jects (CRISP).

1

2

Journal of Comparative and Physiological Psychology 67 (1): 110 (April 1969).

3

Bulletin of the Psychonomic Society 24: 69-71 (1986).

4

Behavioral and Neural Biology 101: 296-299 (1987).

5

Pharmacology, Biochemistry, and Behavior 17: 645-649 (1982).

6

Journal of Experimental Psychology: Animal Behavior Processes 10: 307-323 (1984).

7

Journal of Abnormal and Social Psychology 48 (2): 291 (April 1953).

8

Journal of Abnormal Psychology 73 (3): 256 (Juni 1968).

9

Animal Learning and Behavior 12: 332-338 (1984).

Journal of Experimental Psychology: Animal Behavior Processes 12: 277-290 (1986).

10 11

Psychological Reports 57: 1027-1030 (1985).

Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry 8: 434-446 (1984).

12

Journal of the Experimental Analysis of Behavior 19 (1): 25 (1973).

13

Journal of the Experimental Analysis of Behavior 41: 45-52 (1984).

14

Aggressive Behavior 8: 371-383 (1982).

15

Animal Learning and Behavior 14:305-314(1986).

16

Behavioral Neuroscience 100 (2): 90-99 und 98 (3): 541-555 (1984).

17

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 132.

18

A. Heim, Intelligence and Personality (Baltimore: Penguin, 1971), S. 150; eine hervorragende Diskussion des gesamten Phänomens findet sich in: Bernard Rollin, The Unheeded Cry: Animal Consciousness, Animal Pain, and Science (New York: Oxford University Press, 1989).

19

Chris Evans, »Psychology Is About People«, New Scientist, (31. August 1972), S. 453.

20

Statistics of Scientific Procedures on Living Animals, Great Britain, 1988 (London: Her Majesty's Stationery Office, 1989), Tabellen 7, 8 und 9.

21

J. P. Griffin und G. E. Diggle, British Journal of Clinical Pharmacology 12: 453-463 (1981).

22

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 168.

23

Journal of the Society of Cosmetic Chemists 13: 9 (1962).

24

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 64.

25

Toxicology 15 (1): 31-41 (1979).

26

David Bunner u. a., »Clinical and Hematologic Effects of T-2 Toxin on Rats«, Interim Report (U.S. Army Medical Research and Development Command; Fort Detrick, Frederick, Maryland, 2.

August 1985). Die Zitate des Außenministeriums stammen aus Report to the Congress for Secretary of State Alexander Haig, March 22, 1982: Chemical Warfare in S. E. Asia and Afghanistan (U.S. Department of State Special Report No. 98, Washington, D.C. 1982).

27

M. N. Gleason u. a. (Hg.), Clinical Toxicology of Commercial Products (Baltimore: Williams and Wilkins, 1969).

28

PCRM Update (Newsletter of the Physicians Committee for Responsible Medicine, Washington, D.C.), Juli-August 1988, S. 4.

29

S. F. Paget, (Hg.), Methods inToxicology (Blackwell Scientific Publications, 1970), S. 4 u. 134-139.

1

New Scientist, 17. März 1983.

Uber Practolol siehe: W. H. Inman und F. H. Goss (Hg.), Drug Monitoring (New York: Academic Press, 1977); über Zipeprol siehe: C. Moroni u.a., The Lancet, 7. Januar 1984, S. 45. Diese Hinweise verdanke ich Robert Sharpe, The Cruel Deception (Wellingborough, Northants: Thorsons, 2

1988).

3

S. F. Paget (Hg.), Methods in Toxicology, S. 132.

G. F. Somers, Quantitative Method in Human Pharmacology and Therapeutics (Elmsford, N.Y.: Pergamon Press, 1959), zitiert nach Richard Ryder, Victims of Science (Fontwell, Sussex: Centaur Press/State Mutual Book, 1983), S. 153.

4

5

Artikel u. a. erschienen in West County Times (California), 17. Januar 1988.

6

Nach dem Bericht in DVM: The Newsmagazine of Veterinary Medicine 9: 58 (Juni 1988).

7

The New York Times, 15. April 1980.

Weitere Details finden sich bei Henry Spira, »Fighting to Win«, in: Peter Singer (Hg.), In Defense of Animals; dt.: »Kämpfen, um zu gewinnen«, in: Verteidigt die Tiere (Frankfurt/M.; Berlin: Ullstein, 1988).

8

PETANews (People for the Ethical Treatment of Animals, Washington, D.C.) 4 (2): 19 (März/April 1989).

9

»Noxell Significantly Reduces Animal Testing«, News Release, Noxell Corporation, Hunt Valley, Maryland, 28. Dezember 1988; Douglas McGill, »Cosmetics Com- panies Quietly Ending Animal Tests«, The New York Times, 2. August 1989, S. 1.

10

11

»Avon Validates Draize Substitute«, News Release, Avon Products, New York, 5. April 1989.

The Alternatives Report (Center for Animals and Public Policy, Tufts School of Veterinary Medicine, Grafton, Massachusetts) 2: 2 (Juli/August 1989); »Facts about Amway and the Environment«, Amway Corporation, Ada, Michigan, 17. Mai 1989.

12

»Avon Annouces Permanent End to Animal Testing«, News Release, Avon Products, New York, 22. Juni 1989.

13

Douglas McGill, »Cosmetics Companies Quietly Ending Animal Tests«, The New York Times, 2.

August 1989, S. 1.

14

»Industry Toxicologists Keen on Reducing Animal Use«, Science, 17. April 1987.

15

Barnaby J. Feder, »Beyond White Rats and Rabbits«, The New York Times, 28. Februar 1988, Business section, S. 1; siehe auch Constance Holden, »Much Work But Slow Going on Alternatives to Draize Test«, Science, 14. Oktober 1985, S. 185.

16

Judith Hampson, »Brüssels Drops Need for Lethal Animal Tests«, New Scientist, 7. Oktober 1989.

17

Coalition to Abolish LD 50, Coordinators Report 1983 (New York, 1983), S. 1.

18

H. C. Wood, Fever: A Study of Morbid and Normal Physiology, Smithsonian Con- tributions to Knowledge, Nr. 357 (Lippincott, 1880).

19

The Lancet, 17. September 1881, S. 551.

20

Journal of the American Medical Association 89 (3): 177 (1927).

21

Journal of Pediatrics 45: 179 (1954).

22

Indian Journal of Medical Research 56 (1): 12 (1968).

23

S. Cleary (Hg.), Biological Effects and Health Implications of Microwavc Radi.i tions, U.S. Public Health Service Publication PB 193: 898 (1969).

24

Thrombosis et Diathesis Haemorphagica 26 (3): 417 (1971).

25

Archives of Internal Medicine 131: 688 (1973).

26

G. Hanneman und J. Sershon, »Tolerance Endpoint for Evaluating the Effects of Heat Stress in

Dogs«, FAA Report« FAA-AM84-5, Juni 1984.

Journal of Applied Physiology 53: 1171-1174 (1982).

84

Aviation, Space and Environmental Medicine 57: 659-663 (1986).

85

B. Zweifach, »Aspects of Comparative Physiology of Laboratory Animals Relative to Problems of Experimental Shock«, Federal Proceedings 20, Suppl. 9: 18-29 (1961); erwähnt in: Aviation, Space and Environmental Medicine 50 (8): 8-19 (1979).

86

Annual Review of Physiology 8: 335 (1946).

87

Pharmacological Review 6 (4): 489 (1954).

88

K. Hobler/R. Napodano, Journal ofTrauma 14 (8): 716 (1974).

89

Martin Stephens, A Critique of Animal Experiments on Cocaine Abuse, ein Bericht erstellt für die American, National and New England Anti-Vivisection Societies (Boston, 1985).

90

Health Care 2 (26), 28. August - 10. September 1980.

91

Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 226 (3): 783-789 (1983).

92

Psychopharmacology 88: 500-504 (1986).

93

Bulletin of the Psychonomic Society 22 (1): 53-56 (1984).

94

European Journal of Pharmacology 40: 114-115 (1976).

95

Newsweek, 26. Dezember 1988, S. 50; »TSU Shuts Down Cornell Cat Lab«, The Animals Agenda 9 (3): 22-25 (März 1989).

96

S. Milgram, Obedience to Authority (New York: Harper and Row, 1974). Übrigens wurden diese Versuche aus ethischen Gründen massiv kritisiert, denn sie benutzten Menschen ohne deren Einverständnis. Es steht tatsächlich in Frage, ob Milgram die Teilnehmer auf diese Art täuschen durfte. Wenn wir aber das, was den Teilnehmern dieses Versuchs geschah, mit dem vergleichen, was normalerweise mit nichtmenschlichen Tieren getan wird, lernen wir einzuschätzen, wieviel sensibler die meisten Leute sind, wenn es um die ethische Bewertung von Versuchen mit Menschen geht.

97

Monitor, eine Publikation der American Psychological Association, März 1978.

98

Donald J. Barnes, »A Matter of Change«, in: Peter Singer (Hg.), In Defence of Animals, S. 160 u.

166; dt.: »Eine Sache der Veränderung«, in: Verteidigt die Tiere (Frankfurt/M., Berlin; Ullstein, 1988), S. 243 u. 252.

99

The Death Sciences in Veterinary Research and Education (New York: United Action for Animals), S. iii.

100

101

Journal of the American Veterinary Medical Association 163 (9): 1 (1. November 1973).

Association of Veterinarians for Animal Rights, 15 Dutch St., Suite 500-A, New York, NY 10038-3779.

102

103

Journal of Comparative and Physiological Psychology 55: 896 (1962).

104

Scope (Durban, South Africa), 30. März 1973.

Robert J. White, »Antivivisection: The Reluctant Hydra«, The American Scholar 40 (1971); wiederabgedruckt in: T. Regan und P. Singer (Hg.), Animal Rights and Human Obligations, 1.

Auflage (Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall, 1976), S. 169.

105

106

The Piain Dealer, 3. Juli 1988.

107

Birmingham News, Birmingham, Alabama, 12. Februar 1988.

»The Price of Knowledge«, gesendet in New York, 12. Dezember 1974, WNET/13, Transkript mit Genehmigung von WNET/13 und Henry Spira.

108

109 110

Zitiert im OTA-Bericht Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 277.

National Health and Medical Research Council, Code of Practice for the Care and

Use of Animals for Experimental Purposes (Australian Government Publishing Service, Canberra, 1985). Ein revidierter Kodex wurde vor kurzem akzeptiert; siehe »Australian Code of Practice«, Nature 339: 412 (8. Juni 1989).

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 377.

84

Pat Monaghan, »The Use of Animals in Medical Research«, New Scientist, 19. November 1988, S. 54.

85

Eine Zusammenfassung der Ergänzungen des Jahres 1985 und der Gesetze und Verordnungen dieser Zeit findet sich in OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 280-286.

86

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 286-287.

87

OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, S. 287 u. 298.

88

National Research Council, Use of Laboratory Animals in Biomedical and Be- havioral Research (Washington, D.C.: National Academy Press, 1988). Siehe insbesondere »Individual Statement« von C. Stevens.

89

The Washington Post, 19. Juli 1985, S. A. 10. Ein ausführlicher Bericht über den Fall Gennarelli findet sich in: Lori Gruen und Peter Singer, Animal Liberation: A Graphic Guide (London: Camden Press, 1987), S. 10-23.

90

»Group Charges Gillette Abuses Lab Animals«, Chemical and Engineering News, 6. Oktober 1986, S. 5.

91

H. Beecher, »Ethics and Clinical Research«, New England Journal of Medicine 274: 1354-1360 (1966); D. Rothman, »Ethics and Human Experimentation: Henry Beecher Revisited«, New England Journal of Medicine 317: 1195-1199 (1987).

92

Aus der Mitschrift des »DoctorsTrial«, Case I, United States vs. Brandt et al. Zitiert nach W. L. Shirer, The Rise and Fall of the Third Reich (New York: Simon and Schuster, 1960), S. 985. Weitere Beschreibungen dieser Experimente finden sich in: R. J. Lifton, The Nazi Doctors (New York: Basic Books, 1986).

93

British Journal of Experimental Pathology 61: 39 (1980) erwähnt in: R. Ryder, »Speciesism in the Laboratory«, in: Peter Singer (Hg.), In Defence of Animals, S. 85: dt.: »Speziesismus in Laboratorien, in: Verteidigt die Tiere (Frankfurt/M.; Berlin: Ullstein 1988), S. 122.

94

I. B. Singer, Enemies: A Love Story (New York: Farrar, Straus and Giroux, 1972); dt.: Feinde, die Geschichte einer Liebe (München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1976), S. 217.

95

Siehe James Jones, Bad Blood: The Tuskegee Syphilis Experiment (New York: Free Press, 1981).

96

Sandra Coney, The Unfortunate Experiment (Auckland: Penguin Books, 1988).

97

E. Wynder und D. Hoffman, in: Advances in Cancer Research 8 (1964); siehe auch den Bericht des Royal College of Physicians, Smoking and Health (London, 1962), und Studien des U.S. Health Department. Ich verdanke diese Hinweise Richard Ryder, »Experiments on Animals«, in: Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris (Hg.), Animals, Men and Morals, S. 78.

98

»U.S. Lung Cancer Epidemie Abating, Death Rates Show«, The Washington Post, 18. Oktober 1989, S. 1.

99

100

»The Cancer Watch«, U.S. News & World Report, 15. Februar 1988.

101

Science 241: 79 (1988).

102

»Colombians Develop Effective Malaria Vaccine«, The Washington Post, 10. März 1988.

103

»Vaccine Produces AIDS Antibodies«, Washington Times, 19. April 1988.

104

»AIDS Policy in the Making«, Science 239: 1087 (1988).

T. McKeown, The Role of Mediane: Dream, Mirage or Nemesis? (Oxford: Blackwell, 1979).

133

D. St. George, »Life Expectancy, Truth, and the ABPI«, The Lancet, 9. August 1986, S. 346.

J. B. McKinlay, S. M. McKinlay und R. Beaglehole, »Trends in Death and Disease and the Contribution of Medical Measures«, in: H. E. Freeman und S. Levine (Hg.), Handbook of Medical Sociology (Englewood Cliffs, N. J.: Prentice-Hall, 1988), S. 16.

134

Siehe William Paton, Man and Mouse (Oxford: Oxford University Press, 1984); Andrew Rowan, Of Mice, Models and Men: A Critical Evaluation of Animal Research (Albany: State University of New York Press, 1984), Kap. 12; Michael DeBakey, »Medical Advances Resulting From Animal Research«, in: J. Archibald, J. Ditchfield und H. Rowsell (Hg.), The Contribution of Laboratory Animal Science to the Weifare of Man and Animals: Past, Present and Future (New York: Gustav Fischer Verlag, 1985); OTA, Alternatives to Animal Use in Research, Testing and Education, Kap. 5, und National Research Council, Use of Animals in Biomedical and Behavioral Research (National Academy Press, Washington, D.C., 1988), Kap. 3.

135

Wahrscheinlich das beste der Werke, die gegen die mit Tierversuchen verbundenen Ansprüche argumentieren, ist Robert Sharpe, The Cruel Deception.

136

137

»The Costs of AIDS«, New Scientist, 17. März 1988, S. 22.

3 In der Tierfabrik The Washington Post, 3. Oktober 1971; siehe auch die Aussagen im September und Oktober 1971 vor dem Monopol-Unterausschuss des Select Committee on Small Business des amerikanischen Senats in den Anhörungen über die Rolle von Großkonzernen, besonders die Aussagen von Jim Hightower vom Agribusiness Account- ability Project. Bezüglich der Größe von Eierproduzenten siehe Poultry Tribüne, 1

Juni 1987, S. 27.

Ruth Harrison, Animal Machines (London: Vincent Stuart, 1964); dt.: Tiermaschinen (München: Biederstein Verlag, 1965), S. 4.

2

3

Broiler Industry, Dezember 1987, S. 22.

Konrad Lorenz, Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, Großdruck, 1983), S. 70-71.

4

5

Farming Express, 1. Februar 1962; zitiert bei Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 23.

F. D. Thornberry, W. O. Crawley und W. F. Krueger, »Debeaking: Laying Stock to Control Cannibalism«, Poultry Digest, Mai 1975, S. 205.

6

7

Nach dem Bericht in The Animal Weifare Institute Quarterly, Herbst 1987, S. 18.

Report of the Technical Committee to Enquire into the Weifare of Animals Kept Under Intensive Livestock Husbandry Systems, Command Paper 2836 (London: Her Majesty's Stationery Office, 1965), Paragraph 97.

8

A. Andrade und J. Carson, »The Effect of Age and Methods of Debeaking on Future Performance of White Leghorn Pullets«, Poultry Science 54: 666-674 (1975); M. Gentie, B. Huges und R. Hubrecht, »The Effect of Beak Trimming on Food In- take, Feeding Behavior and Body Weight in Adult Hens«, Applied Animal Ethology 8: 147-159 (1982); M. Gentie, »BeakTrimming in Poultry«, Worlds Poultry Science Journal 42: 268-275 (1986).

9

J. Breward und M. Gentie, »Neuroma Formation and Abnormal Afferent Nerve

10

Discharges After Partial Beak Amputation (Beak Trimming) in Poultry«, Experienta 41: 1132-1134 (1985).

1

M. Gentie, »Beak Trimming in Poultry«, Worlds Poultry Science Journal 42: 268- 275 (1986).

2

U.S. Department of Agriculture Yearbook for 1970, S. XXXIII.

3

Poultry World, 5. Dezember 1985.

4

American Agriculturist, März 1967.

C. Riddell und R. Springer, »An Epizootiological Study of Acute Death Syndrome and Leg Weakness in Broiler Chickens in Western Canada«, Avian Diseases 29: 90- 102 (1986); P. Steele und J. Edgar, »Importance of Acute Death Syndrome in Mortalities in Broiler Chicken Flocks«, Poultry Science 61: 63-66 (1982).

5

R. Newberry, J. Hunt und E. Gardiner, »Light Intensity Effects on Performance, Activity, Leg Disorders, and Sudden Death Syndrome of Roaster Chickens«, Poultry Science 66: 1446-1450 (1987).

6

7

Trevor Bray, nach Poultry World, 14. Juni 1984.

Siehe die beiden in Anm. 15 genannten Studien von Riddell und Springer und von Steele und Edgar.

8

D. Wise und A. Jennings, »Dyschondroplasia in Domestic Poultry«, Veterinary Record 91: 285-286 (1972).

9

G. Carpenter u. a„ »Effect of Internal Air Filtration on the Performance of Broilers and the Aerial Concentrations of Dust and Bacteria«, British Poultry Journal 27: 471-480 (1986).

10

11

»Air in Your Shed a Risk to Your Health«, Poultry Digest, Dezember/Januar 1988.

The Washington Times, 22. Oktober 1987.

12

Broiler Industry, Dezember 1987, und Hippocrates, September/Oktober 1988. Perdue hat mir in einem Brief bestätigt, dass seinen Hühnern der Schnabel gekürzt wird. Siehe auch das Inserat von Animal Rights International: »Frank, are you tel- ling the truth about your chickens?« The New York Times, 20. Oktober 1989, S. AI 7.

13

F. Proudfoot, H. Hulan und D. Rantey, »The Effect of Four Stocking Densities on Broiler Carcass Grade, the Incidence of Breast Blisters, and Other Performance Traits«, Poultry Science 58: 791793 (1979).

14

Turkey World, November/Dezember 1986.

15

Poultry Tribüne, Januar 1974.

16

Farmer and Stockbreeder, 30. Januar 1982; zitiert bei Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 63.

17

Feedstuffs, 25. Juli 1983.

18

American Agriculturist, Juli 1966.

19

Statistiken des US-Landwirtschaftsministeriums geben für 1986 als Zahl der kommerziell gehaltenen Hennen 246 Millionen an. Unter der Voraussetzung eines Anteils der beiden Geschlechter von etwa 50 Prozent bei den Küken und einem etwa alle achtzehn Monate erfolgenden Austausch der Hennen ist die Schätzung im Text die untere Grenze.

20

American Agriculturist, März 1967.

21

Upstate, 5. August 1973, Bericht von Mary Rita Kiereck.

22

National Geographie Magazine, Februar 1970.

23

Poultry Tribüne, Februar 1974.

24

Federal Register, 24. Dezember 1971, S. 24926.

25

Poultry Tribüne, November 1986.

26

Erster Bericht des Agriculture Committee, House of Commons, 1980 1981:

27

Animal Weifare in Poultry, Pig and Veal-Production (London: Her Majesty's Stationery Office, 1981), Paragraph 150.

B. M. Freeman, »Floor Space Allowance for the Caged Domestic Fowl«, The Veterinary Record, 11. Juni 1983, S. 562-563.

1

2

Poultry Tribüne, März 1987, S. 30; Schweizer Bundes-Tierschutzvorschrift vom 29. Mai 1981.

Die Informationen über die Niederlande wurden zur Verfügung gestellt von Compassion in World Farming und der niederländischen Botschaft in London. (Siehe auch Farmers Guardian, 29.

September 1989). Zu Schweden siehe Steve Lohr, »Swedish Farm Animals Get a New Bill of Rights«, The New York Times, 25. Oktober 1988.

3

4

Poultry Tribüne, März 1987.

Europäisches Parlament, Sitzungsperiode 1986/87, Protokoll der Sitzung vom 20. Februar 1987, Dokument A2-211/86.

5

6

Poultry Tribüne, November 1986.

7

Upstate, 5. August 1973.

8

Animal Liberation (Victoria) Newsletter, Mai 1988 und Februar 1989.

9

Roy Bedichek, Adventures with a Naturalist, zitiert nach Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 200.

Upstate, 5. August 1973.

10

Der Spiegel, 1980, Nr. 47, S. 264, zitiert in Intensive Egg and Chicken Production, Chickens' Lib (Huddersfield, U.K.).

11

I. Duncan und V. Kite, »Some Investigations into Motivation in the Domestic Fowl«, Applied Animal Behaviour Science 18: 387-388 (1987).

12

New Scientist, 30. Januar 1986, S. 33, über eine Untersuchung von H. Huber, D. Fölsch und U. Stahli, erschienen in British Poultry Science 26: 367 (1985).

13

A. Black und B. Hughes, »Patterns of Comfort Behaviour and Activity in Domestic Fowls: A Comparison Between Cages and Pens«, British Veterinary Journal 130: 23- 33 (1974).

14

D. van Liere und S. Bokma, »Short-term Feather Maintenance as a Function of Dust-bathing in Laying Hens«, Applied Animal Behaviour Science 18: 197-204 (1987).

15

H. Simonsen, K. Vestergaard und P. Willeberg, »Effect of Floor Type and Density on the Integument of Egg Layers«, Poultry Science 59: 2202-2206 (1980).

16

K. Vestergaard, »Dustbathing in the Domestic Fowl - Diurnal Rhythm and Dust Deprivation«, Applied Animal Behaviour Science 17: 380 (1987).

17

H. Simonsen, K. Vestergaard und P. Willeberg, »Effect of Floor Type and Density on the Integument of Egg Layers«, Poultry Science 59: 2202-2206 (1980).

18

J. Bareham, »A Comparison of the Behaviour and Production of Laying Hens in Experimental and Conventional Battery Cages«, Applied Animal Ethology 2: 291- 303 (1976).

19

J. Craig, T. Craig und A. Dayton, »Fearful Behavior by Caged Hens of Two Genetic Stocks«, Applied Animal Ethology 10: 263-273 (1983).

20

M. Dawkins, »Do Hens Suffer in Battery Cages? Environmental Preferences and Weifare«, Applied Animal Behaviour 25: 1034-1046 (1977). Siehe auch M. Dawkins, Animal Suffering: The Science of Animal Weifare (London: Chapman and Hall, 1980); dt.: Leiden und Wohlbefinden bei Tieren (Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, 1982), Kap. 7.

21

Piain Truth (Pasadena, California), März 1973.

22

C. E. Ostrander und R. J. Young, »Effects of Density on Caged Layers«, New York

23

Food and Life Sciences 3 (3) (1970).

U.K. Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, Poultry Technical Information Booklet Nr. 13; zitiert nach Intensive Egg and Chicken Production, Chickens' Lib (Huddersfield, U.K.).

1

2

Poultry Tribüne, März 1974.

3

Ian Duncan, »Can the Psychologist Measure Stress?«, New Scientist, 18. Oktober 1973.

R. Dunbar, »Farming Fit for Animals«, New Scientist, 29. März 1984, S. 12-15; D. Wood-Gush, »The Attainment of Humane Housing for Farm Livestock«, in: M. Fox und L. Mickley (Hg.), Advances in Animal Weifare Science (Washington, D.C.: Humane Society of the United States, 1985).

4

5

Farmers Weekly, 7. November 1961, zitiert nach Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 126.

R. Dantzer und P. Mormede, »Stress in Farm Animals: A Need for Reevaluation«, Journal of Animal Science 57: 6-18 (1983).

6

D. Wood-Gush und R. Beilharz, »The Enrichment of a Bare Environment for Animals in Confmed Conditions«, Applied Animal Ethology 20: 209-217 (1983).

7

U.S. Department of Agriculture, Fact Sheet: Swine Management, AFS-3-8-12, Department of Agriculture, Office of Governmental and Public Affairs, Washington, D.C. 8

F. Butler, zitiert nach John Robbins, Diet for a New America (Walpole, N. H.: Stillpoint, 1987), S. 90.

9

D. Fräser, »The Role of Behaviour in Swine Production: a Review of Research«, Applied Animal Ethology 11: 332 (1984).

10

D. Fräser, »Attraction to Blood as a Factor in Tail Biting by Pigs«, Applied Animal Behaviour Science 17: 61-68 (1987).

11

Farm Journal, Mai 1974.

12

Die wichtigsten Untersuchungen sind zusammengefasst in: Michael W. Fox, Farm Animals: Husbandry, Behaviour, Veterinary Practice (University Park Press, 1984), S. 126.

13

Farmer and Stockbreeder, 22. Januar 1963; zitiert nach Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 123.

14

»Swine Production Management«, Hubbard Milling Company, Mankato, Minnesota, 1984.

15

William Robbins, »Down on the Superfarm: Bigger Share of Profits«, The New York Times, 4.

August 1987.

16

Feedstuffs, 6. Januar 1986, S. 6.

17

Hog Farm Management, Dezember 1975, S. 16.

18

Bob Fräse, zitiert nach Orville Schell, Modern Meat (New York: Random House, 1984), S. 62.

19

Farmer and Stockbreeder, 11. Juli 1961; zitiert nach Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 192.

20

J. Messersmith, zitiert nach J. Robbins, Diet for a New America S. 84.

21

Agscene (Petersfield, Hampshire, England), Juni 1987, S. 9.

22

Farm Journal, März 1973.

23

»Mechanical Sow Keeps Hungry Piglets Happy«, The Western Producer, 11. April 1985.

24

National Hog Farmer, März 1978, S. 27.

25

U.S. Department of Agriculture, Fact Sheet: Swine Management, AFS-3-8-12, Department of Agriculture, Office of Governmental and Public Affairs, 26

Washington, D.C. U.S. Department of Agriculture, Fact Sheet: Swine Housing, AFS-3-8-9, Department of Agriculture, Office of Governmental and Public Affairs, Washington, D.C. 1

G. Cronin, »The Development and Significance of Abnormal Stereotyped Behaviour in Tethered Sows«, Dissertation, Universität Wageningen, Niederlande, S. 25.

2

3

Roger Ewbank, »The Trouble with Being a Farm Animal«, New Scientist, 18. Oktober 1973.

»Does Close Confinement Cause Distress in Sows?«, Scottish Farm Buildings In- vestigation Unit, Aberdeen, Juli 1986, S. 6.

4

Farm Animal Weifare Council, Assessment of Pig Production Systems (Farm Animal Weifare Council, Surbiton, Surrey, England, 1988), S. 6.

5

A. Lawrence, M. Appleby und H. MacLeod, »Measuring Hunger in the Pig Using Operant Conditioning: The Effect of Food Restriction«, Animal Production 47 (1988).

6

7

The Stall Street Journal, Juli 1972.

J. Webster, C. Saville und D. Welchman, »lmproved Husbandry Systems for Veal Calves«, Animal Health Trust and Farm Animal Care Trust, ohne Jahr, S. 5; siehe auch Webster u. a., »The Effect of Different Rearing Systems on the Development of Calf Behavior«, und »Some Effects of Different Rearing Systems on Health, Clean- liness and Injury in Calves«, British Veterinary Journal 1141: 249 und 472 (1985).

8

9

J. Webster, C. Saville und D. Welchman, »lmproved Husbandry Systems for Veal Calves«, S. 6.

J. Webster, C. Saville und D. Welchman, »lmproved Husbandry Systems for Veal Calves«, S. 2.

10 11

The Stall Street Journal, November 1973.

The Stall Street Journal, April 1973.

12

The Stall Street Journal, November 1973.

13

Farmer and Stockbreeder, 13. September 1960; zitiert nach Ruth Harrison, Tiermaschinen, S. 90.

14

The Stall Street Journal, April 1973.

15

G. van Putten, »Some General Remarks Concerning Farm Animal Weifare in Intensive Farming Systems«, unveröffentlichter Bericht des Research Institute for Animal Husbandry, »Schoonoord«, Driebergseweg, Zeist, Niederlande, S. 2.

16

G. van Putten, »Some General Remarks Concerning Farm Animal Weifare in Intensive Farming Systems«, S. 3.

17

The Vealer, März/April 1982.

18

U.K. Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, Weifare of Calves Regulations, 1987 (London: Her Majesty's Stationery Office, 1987).

19

J. Webster, »Health and Weifare of Animals in Modern Husbandry Systems - Dairy Cattle«, In Practice, Mai 1986, S. 85.

20

Gordon Harvey, »Poor Cow«, New Scientist, 29. September 1983, S. 940-943.

21

The Washington Post, 28. März 1988.

22

D. S. Kronfeld, »Biologie and Economic Risks Associated with Bovine Growth Hormone«, Conference on Growth Hormones, Europäisches Parlament, 9. Dezember 1987, unveröffentlichter Bericht, S. 4.

23

D.S. Kronfeld, »Biologie and Economic Risks Associated with Bovine Growth Hormone«, Conference.on Growth Hormones, Europäisches Parlament, 9. Dezember 1987, unveröffentlichter Bericht, S. 5.

24

Bob Holmes, »Secrecy Over Cow Hormone Experiments«, Western Morning News,

25

14. Januar 1988.

Keith Schneider, »Better Farm Animals Duplicated by Cloning«, The New York Times, 17. Februar 1988; siehe auch Ian Wilmut, John Clark und Paul Simons, »A Revolution in Animal Breeding«, New Scientist, 7. Juli 1988.

1

2

The Peoria Journal Star, 5. Juni 1988.

3

»Is Pain the Price of Farm Efficiency?«, New Scientist, 13. Oktober 1973, S. 171.

4

Feedstuffs, 6. April 1987.

5

Farm Journal, August 1967, März 1968.

S. Lukefahr, D. Caveny, P. R. Cheeke und N. M. Patton, »Rearing Weanling Rabbits in Large Cages«, The Rabbit Rancher, erwähnt in: Australian Federation of Animal Societies, Submission to the Senate Select Committee of Inquiry into Animal Weifare in Australia, Bd. 2, Melbourne, 1984.

6

7

The Age (Melbourne), 25. Mai 1985.

Diese Käfiggröße wird vom finnischen Pelztierzuchtverband empfohlen. Für Nerze empfiehlt der britische Pelztierzuchtverband Käfige von 75 x 23 cm. Siehe Für Trade Fact Sheet, Lynx (1986), Great Dunmow, Essex.

8

Report of the Technical Committee to Enquire into the Weifare of Animals Kept Under Intensive Livestock Husbandry Systems, Anhang.

9

Report of the Technical Committee to Enquire into the Weifare of Animals Kept Under Intensive Livestock Husbandry Systems, Paragraph 37.

10

11

Siehe S. 199.

Joy Mensch und Ari van Tienhove, »Farm Animal Weifare«, American Scientist, November/Dezember 1986, S. 599, führen den Beitrag an von D.W. Fölsch, »Egg Production — Not Necessarily a Reliable Indicator for the State of Health of Injured Hens«, in: Fifth European Poultry Conference, Malta 1976.

12

B. Gee,The 1985 Muresk Lecture, Muresk Agricultural College, Western Australian Institute of Technology, S. 8.

13

Europäisches Parlament, Sitzungsperiode 1986/87, Protokoll der Sitzung vom 20. Februar 1987, Dokument A2-211/86.

14

D. W. Fölsch u.a., »Research on Alternatives to the Battery System for Laying Eggs«, Applied Animal Behaviour Science 20: 29-45 (1988).

15

Dehorning, Castrating, Branding, Vaccinating Cattle, Publikation Nr. 384 des Mississippi State University Extension Service, in Zusammenarbeit mit dem US- Landwirtschaftsministerium; siehe auch Beef Cattle: Dehorning, Castrating, Branding and Marking, USDA, Farmers' Bulletin No. 2141, September 1972.

16

Progressive Farmer, Februar 1969.

17

Pig Farming, September 1973.

18

Hot-iron Branding, University of Georgia College of Agriculture, Circular 551.

19

Beef Cattle: Dehorning, Castrating, Branding and Marking, USDA, Farmers' Bulletin Nr. 2141, September 1972.

20

R. F. Bristol, »Preconditioning of Feeder Cattle Prior to Interstate Shipment«, Bericht eines Vorbereitungsseminars an der Oklahoma State University, September 1967, S. 65.

21

U.S. Department of Agriculture Statistical Summary, Federal Meat and Poultry Inspection for Fiscal Year 1986.

22

The Washington Post, 30. September 1987.

23

Colman McCarthy, »Those Who Eat Meat Share in the Guilt«, The Washington Post, 16. April 1988.

24

Farm Animal Weifare Council, Report on the Weifare of Livestock (Red Meat Animals) at the Time of Slaughter (London: Her Majesty's Stationcry Office, 1984), 25

Paragraph 88 und 124.

1

Harold Hillman, »Death by Electricity«, The Observer (London), 9. Juli 1989.

»Animals into Meat: A Report on the Pre-Slaughter Handling of Livestock«, Argus Archives (New York) 2: 16-17 (März 1970); die Beschreibung stammt von John McFarlane, einem Vizepräsidenten der Livestock Conservation, Inc. 2

Farm Animal Weifare Council, Report on the Weifare of Livestock When Slaugh- tered by Religious Methods (London: Her Majestys Stationery Office, 1985), Paragraph 50.

3

4

Temple Grandin, Brief vom 7. November 1988.

Farm Animal Welfare Council, Report on the Weifare of Livestock When Slaugh- tered by Religious Methods, Paragraph 27.

5

6

Science 240: 718 (6. Mai 1988).

Caroline Murphy, »The >New Genetics< and the Welfare of Animals«, New Scientist, 10.

Dezember 1988, S. 20.

7

8

»Genetic Juggling Raises Concerns«, The Washington Times, 30. März 1988.

4 Die Entscheidung fiir eine vegetarische Lebensweise Oliver Goldsmith, The Citizen of the World, in: Collected Works, hg. v. A. Friedmann (Oxford: Clarendon Press, 1966), Bd. 2, S. 60. Allem Anschein nach gehörte aber Goldsmith selbst in diese Kategorie, denn nach Howard Williams, in: The Ethics of Diet (gekürzte Ausgabe, Manchester und London, 1907, S. 149), war Goldsmiths Empfindsamkeit besser ausgeprägt als seine Selbstkontrolle.

1

R. G. Frey beschrieb bei dem Versuch, meine Argumente für den Vegetarismus zu widerlegen, die ich in diesem Kapitel in der ersten Ausgabe dieses Buches formuliert hatte, die vom Landwirtschaftsausschuss des Unterhauses 1981 vorgeschlagenen Reformen und stellte fest: »Das Unterhaus muss noch über diesen Bericht entscheiden, und es ist durchaus möglich, dass er am Ende abgeschwächt wird; doch selbst in diesem Fall steht fest, dass er einen bedeutenden Fortschritt in der Bekämpfung der Missstände bei der Massentierhaltung darstellt.« Frey argumentierte, der Bericht zeige, dass diese Missbräuche mit Hilfe von Taktiken, die auf den Aufruf zum Boykott tierischer Erzeugnisse verzichten, abgeschafft werden könnten. (R. G. Frey, Rights, Killing and Suffering, Oxford: Blackwell, 1983, S. 207.) Das ist ein Beispiel, bei dem ich mir wirklich wünsche, dass mein Kritiker recht gehabt hätte; doch das Unterhaus machte sich nicht die Mühe, den Bericht des Landwirtschaftsausschusses »abzuschwächen« - es nahm ihn überhaupt nicht zur 2

Kenntnis. Acht Jahre später hat sich in Großbritannien für die große Mehrheit der Tiere unter intensiven Produktionsbedingungen immer noch nichts geändert. Nur die Mastkälber bilden hier eine Ausnahme, und in diesem Fall spielte der Boykott der Verbraucher eine bedeutende Rolle.

Frances Moore Lappe, Diet for a Small Planet (New York: Friends of the Earth/Bal- lantine, 1971), S. 4-11. Dieses Buch ist die beste kurze Einführung in das Thema, und die Zahlen in diesem Kapitel, deren Herkunft nicht gesondert vermerkt ist, sind diesem Buch entnommen. (Eine überarbeitete Ausgabe erschien 1982.) Die wichtigsten Originalquellen sind: The World Food Problem, ein Bericht des President's Science Advisory Committee (1967); Feed Situation, Februar 1970, U. S. Department of Agriculture; National and State Livestock-Feed Relationships, U.S. Department of Agriculture, Economic Research Service, Statistical Bulletin No. 446, Februar 1970.

3

Die höhere Angabe stammt von Folke Dovring, »Soybeans«, Scientific American, Februar 1974.

Keith Akers nennt eine andere Zahlenzusammenstellung in A Veget- arian Sourcebook (New York: Putnam, 1983), Kap. 10. Seine Tabellen vergleichen die flächenbezogenen Nährwert-Erträge von Hafer, Brokkoli, Schweinefleisch, Milch, Geflügel und Rindfleisch. Obwohl Hafer und Brokkoli keine eiweißreichen Nahrungsmittel sind, erzeugte keines der tierischen Lebensmittel auch nur die Hälfte des Eiweißes der pflanzlichen Nahrungsmittel. Akers' Originalquellen sind: United States Department of Agriculture, Agricultural Statistics, 1979; United States Department of Agriculture, Nutritive Value of American Foods (Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1975); und C. W. Cook, »Use of Rangelands for Future Meat Production«, Journal of Animal Science 45: 1476 (1977).

1

Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook, S. 90-91, unter Verwendung der oben genannten Quellen.

Boyce Rensberger, »Curb on U.S. Waste Urged to Help World's Hungry«, The New York Times, 25. Oktober 1974.

2

3

Science News, 5. März 1988, S. 153, basierend auf Worldwatch, Januar/Februar 1988.

Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook, S. 100, auf der Grundlage von D. Pimental und M. Pimental, Food, Energy and Society (New York: Wiley, 1979), S. 56, 59; und U.S. Department of Agriculture, Nutritive Value of American Foods (Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1975).

4

G. Borgstrom, Harvesting the Earth (New York: Abelard-Schumann, 1973), S. 64- 65; erwähnt in Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook.

5

»The Browning of America«, Newsweek, 22. Februar 1981, S. 26; zitiert nach John Robbins, Diet for a New America (Walpole, N. H.: Stillpoint, 1987), S. 367.

6

7

»The Browning of America«, S. 26.

8

Fred Pearce, »A Green Unpleasant Land«, New Scientist, 24. Juli 1986, S. 26.

9

Sue Armstrong, »Marooned in a Mountain of Manure«, New Scientist, 26. November 1988.

J. Mason und P. Singer, Animal Factories (New York: Crown, 1980), S. 84, basierend auf R. C. Loehr, Pollution Implications of Animal Wastes - A Forward Oriented Review, Water Pollution Control Research Series (U.S. Environmental Protection Agency, Washington, D.C., 1968), S. 2627; H. A. Jasiorowski, »Intensive Systems of Animal Production«, in: R. L. Leid (Hg.), Proceedings of the II World Conference on Animal Production (Sydney: Sydney University Press, 1975), S. 384; und J. W. Robbins, Environmental Impact Resulting from Un- confined Animal Production (Cincinnati: Environmental Research Information Center, U.S. Environmental Protection Agency, 1978), S. 9.

10

»Handling Waste Disposal Problems«, Hog Farm Management, April 1978, S. 17, zitiert auch J. Mason und P. Singer, Animal Factories, S. 88.

11

Nach Rainforest Action Network, The New York Times, 22. Januar 1986, S. 7.

12

E. O. Williams, Biophilia (Cambridge: Harvard University Press, 1984), S. 137.

13

Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook, S. 99-100; ausgehend von H. W. Anderson et al., Forests and Water: Effects of Forest Management on Floods, Sedimentation and Water Supply, U.S. Department of Agriculture Forest Service General Technical Report PSW-18/1976; und J. Kittridge, »The Influence of the Forest on the Weather and other Environmental Factors«, in: United Nations Food and Agriculture Organization, Forest Influences (Rom, 1962).

14

Fred Pearce, »Planting Trees for a Cooler World«, New Scientist, 15. Oktober 1988, S. 21.

15

David Dickson, »Poor Countries Need Help to Adapt to Rising Sea Level«, New Scientist, 7.

Oktober 1989, S. 4; Sue Wells und Alasdair Edwards, »Gone with the Waves«, New Scientist, 11.

November 1989, S. 29-32.

L. und M. Milne, The Senses of Men and Animals (Middlesex und Baltimore: Penguin Books, 1965), Kapitel 5.

1

Report of the Panel of Enquiry into Shooting and Angling, 1980 vom Unter- suchungsausschuss veröffentlicht und erhältlich durch die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (U.K.), Abschnitte 15-57.

2

3

GeofifMaslen, »Bluefin, the Making of the Mariners«, The Age (Melbourne), 26. Januar 1985.

D. Pimental und M. Pimental, Food, Energy and Society (New York: Wiley, 1979), Kapitel 9; ich verdanke diesen Hinweis Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook, S. 117.

4

Siehe J. R. Baker: The Humane Killing of Lobsters and Crabs, The Humane Edu- cation Centre, London, ohne Jahr; J. R. Baker und M. B. Dolan, »Experiments on the Humane Killing of Lobsters and Crabs«, Scientific Papers of the Humane Edu- cation Centre 2: 1-24 (1977).

5

6

Meine Meinungsänderung hinsichtlich der Muscheln beruht auf Gesprächen mit R. I. Sikora.

7

Siehe S. 203ff.

Die Verwendung des Ausdrucks »abmühen« ist nicht ganz und gar als Witz gemeint. Gemäß einer in The Lancet (30.12.1972) veröffentlichten vergleichenden Untersuchung beträgt die »mittlere Durchgangs-Zeit«, die Nahrung braucht, um den Verdauungstrakt zu passieren, bei NichtVegetariern mit einer typisch westlichen Ernährungsform zwischen 67 und 83 Stunden; bei Vegetariern 42 Stunden. Die Verfasser verweisen auf einen Zusammenhang zwischen der Verweildauer des Stuhls im Darm und dem Auftreten von Darmkrebs und ähnlichen Erkrankungen, die in Ländern mit steigendem Fleischkonsum stark zugenommen haben, bei ländlich lebenden Afrikanern, die sich ähnlich wie Vegetarier mit wenig Fleisch und viel Ballaststoffen ernähren, aber nahezu unbekannt sind.

8

David Davies, »A Shangri-La in Ecuador«, New Scientist, 1. Februar 1973. Aufbauend auf anderen Untersuchungen nimmt Ralph Nelson von der Mayo Medical School an, dass eine hohe Eiweißzufuhr »unseren Stoffwechsel unnötig auf hohen Touren laufen lässt« (Medical World News, 8. November 1974, S. 106). Das könnte den Zusammenhang zwischen Langlebigkeit und geringem oder keinem Fleischkonsum erklären.

9

The Surgeon Generals Report on Nutrition and Health (Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1988).

10

11

Nach einem in Vegetarian Times vom November 1988 zitierten Rundfunkbericht.

The New York Times, 25. Oktober 1974.

12

N. Pritikin und P. McGrady, The Pritikin Program for Diet and Exercise (New York: Bantam, 1980); J. J. McDougall, The McDougall Plan (Piscataway, N. J.: New Century, 1983).

13

Frances Moore Lapp^, Diet for a Small Planet, S. 28-29; siehe auch The New York Times, 25.

Oktober 1974; Medical World News, 8. November 1974, S. 106.

14

Zitiert bei F. Wokes, »Proteins«, Plant Foods for Human Nutrition, 1: 38 (1968).

15

In der ersten Ausgabe von Diet for a Small Planet (1971) legte Frances Moore Lappe großes Gewicht auf die gegenseitige Ergänzung der einzelnen Eiweißformen, um zu zeigen, dass die vegetarische Kost genug Eiweiß liefern kann. In der überarbeiteten Ausgabe (New York: Ballantine, 1982) ist dieser Nachdruck nicht mehr vorhanden, 16

und stattdessen wird dargelegt, dass eine gesunde vegetarische Kost auch ohne die Ergänzungswirkung auf jeden Fall genügend Eiweiß liefert. Weitere Ausführungen über den ausreichenden Eiweißgehalt pflanzlicher Nahrungsmittel finden sich bei Keith Akers, A Vegetarian Sourcebook, Kapitel 2.

37 F. R. Ellis und W. M. E. Montegriffo, »The Health of Vegans«, Plant Foods for Human Nutrition, Bd. 2, S. 93-101 (1971). Manche Veganer behaupten, dass zusätzliches B12 nicht notwendig sei, weil der menschliche Verdauungsapparat dieses Vitamin aus anderen Vitaminen der B-Gruppe erzeugen könne. Es ist aber unklar, ob diese Synthese beim Verdauungsvorgang früh genug stattfindet, dass das Vitamin B12 auch vom Körper aufgenommen werden kann und nicht ausgeschieden wird. Ob der Nährwert einer ausschließlich pflanzlichen Kost ohne Ergänzung ausreicht, ist zur Zeit aus wissenschaftlicher Sicht eine offene Frage; demgemäß erscheint es sicherer, auf eine zusätzliche Zufuhr von Vitamin B12 zurückzugreifen. Siehe auch F. Wokes, »Proteins«, Plant Foods for Human Nutrition, S. 37.

5 Die Herrschaft des Menschen 1

1. Mos. 1: 24-28.

2

1. Mos. 9:1-3.

2a Jesaja 11: 6, 7 u. 9.

Aristoteles, Politik (Artemis: Stuttgart/Zürich 1971, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Olof Gigon), 1. Buch, S. 69.

3

Aristoteles, Politik (Artemis: Stuttgart/Zürich 1971, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Olof Gigon), 1. Buch, S. 77.

4

W. E. H. Lecky, History of European Morals from Augustus to Charlemagne (London: Longmans, 1869), 1: 280-282.

5

6

Markus 5: 1-13.

7

1. Korinther 9: 9-10.

Saint Augustine, The Catholic and Manichean Ways of Life, übersetzt von D. A. Gallagher und I. J. Gallagher (Boston: The Catholic University Press, 1966), S. 102. Ich verdanke diesen Hinweis John Passmore, Man's Responsibility for Nature (New York: Scribner's 1974), S. 11.

8

W. E. H. Lecky, History of European Morals from Augustus to Charlemagne, 1: 244, zu Plutarch siehe insbesondere seinen Beitrag »Über das Fleischessen« in Moralische Schriften.

9

Zu Basilius siehe John Passmore, »The Treatment of Animals«, The Journal of the History of Ideas 36: 198 (1975); zu Chrysostomos: Andrew Linzey, Animal Rights: A Christian Assessment of Man's Treatment of Animals (London: SCM Press, 1976), S. 103; und zu Sankt Isaak dem Syrer: A. M. Allchin, The World is a Wedding: Explorations in Christian Spirituality (London: Darton, Longman and Todd, 1978), S. 85. Ich verdanke diese Hinweise R. Attfield, »Western Traditions and Environmental Ethics«, in: R. Elliot und A. Gare (Hg.), Environmental Philosophy (St. Lucia: University of Queensland Press, 1983), S. 201-230. Eine weitere Diskussion findet sich bei R. Attfield, The Ethics of Environmental Concern (Oxford: Blackwell, 1982); K. Thomas, Man and the Natural World: Changing Attitudes in England 1500-1800 (London: Allen Lane, 1983), S. 152-153; und R. Ryder; Animal Revolution: Changing Attitudes Towards Speciecism (Oxford; Blackweil, 1989), S. 34-35.

10

11

Thomas von Aquin: Summa Theologica II, II, F 64, Art. 1.

Thomas von Aquin: Summa Theologica II, II, F 159, Art. 2.

Thomas von Aquin: Summa Theologica I, II, F 72, Art. 4.

12

Thomas von Aquin: Summa Theologica II, II, F 25, Art. 3.

13

Thomas von Aquin: Summa Theologica II, I, F 102, Art. 6; in Summa contra Gentiles III, II, 112 findet sich eine ähnliche Ansicht.

14

E. S. Turner, All Heaven in a Rage (London: Michael Joseph, 1964), S. 163.

15

V. J. Bourke, Ethics (New York: Macmillan, 1951), S. 352.

16

Johannes Paul II., Sollicitudo rei socialis, Abschnitt 34; dt.: Die soziale Sorge der Kirche (Leutesdorf: Johannes-Verlag 1988), S. 74-76.

17

St. Francis of Assisi, His Life and Writings as Recorded by His Contemporaries, übersetzt von L. Sherley-Price (London: Mowbray, 1959), siehe insbesondere S. 145.

18

Giovanni Pico Deila Mirandola, De hominis dignitate (Bologna 1496); dt.: Uber die Würde des Menschen (Zürich: Manesse 1988), S. 8.

19

Marsilio Ficino, Theologica Platonica III, 2 und XVI, 3; siehe auch Gianozzo Manetti, De dignitate et excellentia hominis (Basel 1532); dt.: Von der Würde und Erhabenheit des Menschen.

20

E. McCurdy, The Mind of Leonardo da Vinci (London: Cape, 1932), S. 78.

21

Michel de Montaigne, »Apologie de Raimond Sebond«, Les Essais.

22

Rene Descartes, Discours de la methode pour bien conduire sa raison, et chercher la verite dans les Sciences (Leiden 1637); dt.: Abhandlung über die Methode, 5. Teil; siehe auch seinen Brief an Henry More vom 5. Februar 1649. Ich gebe hier die üblichen Interpretationen von Descartes wieder, die dem zeitgenössischen Verständnis seiner Position und der bis heute vorherrschenden Interpretation entspricht; in neuerer Zeit ist jedoch behauptet worden, diese Standardinterpretation sei insofern falsch, als Descartes keineswegs beabsichtigt habe, den Tieren die Leidensfähigkeit abzusprechen. Weitere Einzelheiten finden sich bei John Cottingham, »>A Brüte to the Brutes?< Descartes'Treatment ofAnimals«, Philosophy 53: 551-559 (1978).

23

24a Rene Descartes, Abhandlung über die Methode, 5. Teil Abs. 22.

John Passmore bezeichnet die Frage, warum Tiere leiden, als »seit Jahrhunderten das Problem der Probleme«. Es brachte unglaublich ausgefeilte Lösungen hervor. Malebranche [ein Zeitgenosse Descartes'] erklärt es ausdrücklich aus rein theologischen Gründen für notwendig, den Tieren die Leidensfähigkeit abzusprechen, da alles Leid aus Adams Sünde entstanden ist und die Tiere nicht von Adam abstammen. Siehe John Passmore, Man's Responsibility for Nature, S. 114, Anmerkung.

24

Rene Descartes, Brief an Henry More vom 5. Februar 1649.

25

Nicholas Fontaine, Memoires pour servir ä l'histoire de Port-Royal (Köln 1738), 2: 52-53; zitiert nach L. Rosenfield, From Beast-Machine to Man-Machine: The Theme of Animal Soul in French Letters from Descartes to la Mettrie (New York: Oxford University Press, 1940).

26

Dictionnaire Philosophique, »Betes«.

27

David Hume, Enquiry Concerning the Principles of Morals (London 1751), Kapitel 3; dt.: Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral.

28

The Guardian, 21. Mai 1713.

29

Voltaire, Elements de la philosophie de Newton (Amsterdam 1738), Bd. 5; dt.: Grundzüge der Lehre Newtons; siehe auch Essay sur l'histoire generale et sur les moeurs et l'esprit des nations (dt.: Versuch über die Weltgeschichte, über die Sitten und den Geist der Völker).

30

Jean-Jacques Rousseau, Emile ou de l'education (La Haye 1762); dt.: Emile oder über die Erziehung, 2. Buch.

31

Immanuel Kant, Eine Vorlesung über Ethik, Kap. IX.

32

Hansard's Parliamentary History, 18. April 1800.

E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 127. Andere Einzelheiten dieses Abschnitts stammen aus Kapitel 9 und 10 dieses Buches.

12

Es heißt, das erste Gesetz gegen Tierquälerei habe 1641 die Massachusetts Bay Colony erlassen.

Abschnitt 92 des in diesem Jahr gedruckten »Body of Liberties« lautet: »Niemand soll irgendeine Tyrannei oder Grausamkeit gegen irgendeine niedere Kreatur üben, die gewöhnlich zum Nutzen des Menschen gehalten wird«; und der folgende Abschnitt fordert eine Ruhepause für Zugtiere. Das ist ein bemerkenswert fortschrittliches Dokument; man könnte nun kleinlich darüber streiten, ob es sich vom Verfahren her wirklich um ein Gesetz gehandelt habe, doch ganz gewiss verdient es Nathaniel Ward, der den »Body of Liberties« zusammenstellte, zusammen mit Richard Martin als Pionier der Tierschutzgesetzgebung in Erinnerung zu bleiben. Ein vollständigerer Bericht findet sich bei Emily Leavitt, Animals and Their Legal Rights (Washington, D.C.: Animal Weifare Institute, 1970).

13

Zitiert bei E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 162. Siehe auch die wertvollen Ergänzungen durch die Untersuchung der Auswirkungen dieser Bemerkung bei James Rachels, Created From Animals: The Moral Implications of Darwinism (Oxford: Oxford University Press, 1990).

14

Charles Darwin, The Descent of Man (London 1871), S. 1, dt.: Die Abstammung des Menschen, S. 1.

15

Darwin, Die Abstammung des Menschen, Kap. 4.

16

Siehe Lewis Gompertz, Moral Inquiries on the Situation of Man and of Brutes (London, 1824); Henry Salt, Animals' Rights (London 1892; Neuausgabe bei Clark's Summit Pennsylvania, Society for Animal Rights, 1980) und andere Werke. Einige der Zitate auf den folgenden Seiten stammen aus Animals' Rights.

17

William Paley, Principles of Moral and Political Philosophy (1785), Buch 2, Kapitel 11; die gleiche Idee findet sich bei Francis Wayland, Elements of Moral Science (1835), Reprint, J. L. Blau (Hg.) (Cambridge: Harvard University Press, 1963), S. 364, im Amerika des 19. Jahrhunderts wohl das meistbenutzte Werk zur Moralphilosophie.

18

Zitiert bei S. Godlovitch, »Utilities«, in: Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris (Hg.), Animals, Men and Morals (New York: Taplinger, 1972).

19

Zitiert bei H. S. Salt, Animals' Rights, S. 15.

20

Benjamin Franklin, Autobiographie (Frankfurt/M.: Insel Verlag, 1969), S. 53.

21

Zitiert bei H. S. Salt, Animals' Rights, S. 15.

22

Michelet, La Bible de l'humanite, zitiert bei H. Williams, The Ethics of Diet (gekürzte Ausgabe, Manchester und London, 1907), S. 214.

23

Arthur Schopenhauer, Über die Grundlage der Moral, § 19; siehe auch Parerga und Paralipomena, Kapitel 15.

24

47a Jeremy Bentham, Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Kap. 17.

Siehe E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 143.

25

E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 205.

26

T. H. Huxley, Man's Place in Nature (Ann Arbor: University of Michigan Press, 1959), Kapitel 2.

27

6 Speziesismus

1 Dean Walley und Frieda Staake, Farm Animals (Kansas City: Hallmark Children's Editions, ohne Jahr).

M. E. Gagg und C. F. Tunnicliffe, The Farm (Loughborough, England: Ladybird Books, 1958).

Ein Beispiel: Der für seine Arbeit über moralische Entwicklung berühmte Harvard- Psychologe Lawrence Kohlberg berichtet, wie sein Sohn im Alter von vier Jahren seine erste moralische Entscheidung traf, indem er sich weigerte, Fleisch zu essen, und dies damit begründete, dass es schlecht sei, Tiere zu töten. Es dauerte sechs Monate, bis Kohlberg seinem Sohn diese Auffassung ausgeredet hatte, die seiner Meinung nach auf der unzureichenden Unterscheidungsfähigkeit zwischen gerechtfertigtem und ungerechtfertigtem Töten beruhte und zeigte, dass sein Sohn sich erst im primitivsten Stadium der moralischen Entwicklung befunden habe. (L. Kohlberg, »From Is to Ought«, in: T. Mischel (Hg.), Cognitive Development and Epistemo- logy, New York: Academic Press, 1971), S. 191-192. Die Lehre daraus: Wer ein vorherrschendes menschliches Vorurteil ablehnt, ist moralisch unreif.

2

W. L. Gay, Methods of Animal Experimeritation (New York: Academic Press, 1965), S. 191; zitiert bei Richard Ryder, Victims of Science (London: Davis-Poynter, 1974).

3

Bernhard Grzimek, »Gequälte Tiere: Unglück für die Landwirtschaft«, in: Das Tier (Bern, Schweiz), Sonderheft.

4

Beispiele sind der britische Cruelty to Animais Act von 1876 und der Animal Weifare Act von 1966-1970 in den Vereinigten Staaten; beide Gesetze wurden als Antwort auf die Besorgnis über Tiere, die in Versuchen benutzt werden, erlassen, haben aber diesen Tieren wenig geholfen.

5

6

Eine Liste einiger radikalerer Organisationen findet sich in Anhang 3.

7

E. S. Turner, All Heaven in a Rage (London: Michael Joseph, 1964), S. 129.

8

E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 83.

9

Gerald Carson, Cornflake Crusade (New York: Rinehart, 1957), S. 19, 53-62.

E. S. Turner, All Heaven in a Rage, S. 234-235; Gerald Carson, Man, Beasts and Gods (New York: Scribner's 1972), S. 103.

10

Siehe Farley Mowat, Never Cry Wolf (Boston: Atlantic Monthly Press, 1963), und Konrad Lorenz, Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen (München: Deutscher Taschenbuch Verlag, Großdruck, 1983), S. 170-172. Ich verdanke den ersten Hinweis Mary Midgley, »The Concept of Beastliness: Philosophy, Ethics and Animal Behavior«, Philosophy 48: 114 (1973).

11

Siehe ferner die Arbeiten von Niko Tinbergen, Jane Goodall, George Schaller und Irenaus EiblEibesfeldt.

12

Siehe S.331f.

13

Siehe S. 332.

14

Siehe Judy Mann, »Whales, Hype, Hypocrisy«, The Washington Post, 28. Oktober 1988.

15

Ich werde oft gefragt: Was sollen wir mit unseren Katzen und Hunden machen? Manche Vegetarier kaufen verständlicherweise nur ungern Fleisch für ihre Haustiere, denn auch dies bedeutet eine Unterstützung der Ausbeutung von Tieren. Tatsächlich ist es nicht schwierig, einen Hund vegetarisch zu ernähren - irische Bauern, die sich kein Fleisch leisten konnten, ernährten über Jahrhunderte ihre Hunde mit Milch und Kartoffeln. Katzen sind eher ein Problem, denn sie brauchen Taurin, eine Aminosäure, die aus Pflanzen nicht leicht zu gewinnen ist. Es ist jetzt allerdings möglich, von der amerikanischen Gruppe »Harbinger of a New Age« einen vegetarischen Taurinzusatz zu erhalten. Es wird behauptet, dass dies Katzen auch bei vegetarischer Ernährung gesund erhält; dennoch sollte die Gesundheit von Katzen bei dieser Ernährungsweise genau überwacht werden. Informationen sind auch von der British Vegetarian Society erhältlich. Die 16

Adressen finden sich in den Anhängen 2 und 3. »On the Legality of Enslaving the Africans«, verfasst von einem Harvardstudenten, zitiert bei Louis Ruchames, Racial Thought in America (Amherst: University of Massachusetts Press, 1969), S. 154-156.

2

Siehe Leslie Stephan, Social Rights and Duties (London, 1896), zitiert bei Henry Salt, »The Logic of the Larder«, erschienen in Salts The Humanities of Diet (Manchester: The Vegetarian Society, 1914), S. 34-38, wiederabgedruckt in: T. Regan und P. Singer (Hg.), Animal Rights and Human Obligations (Englewood Cliffs, N. J.: Prentice-Hall, 1976).

3

S. F. Sapontzis hat argumentiert, das mögliche glückliche Leben eines normalen Kindes und das mögliche elende Leben eines missgebildeten Kindes seien jeweils nur dann Gründe, das Kind zu bekommen oder nicht zu bekommen, wenn das Kind bereits existiere, und dass es deshalb keine Asymmetrie gebe. (S. F. Sapontzis, Morals, Reason, and Animals, Philadelphia: Temple University Press, 1987, S. 193- 194.) Doch das würde bedeuten, dass es nicht falsch wäre, sich dafür zu entscheiden, ein Kind zu zeugen, das ein elendes Leben haben wird, obwohl es falsch wäre zu entscheiden, das Kind am Leben zu lassen, wenn es einmal existiert. Wie ist es nun, wenn zum Zeitpunkt der Empfängnis bereits feststeht, dass keine Möglichkeit für eine Abtreibung oder Euthanasie nach der Geburt des Kindes bestehen wird? Dann wird ein Kind da sein, das ein elendes Leben führt, und so scheint es, dass ein Unrecht getan wurde. Doch bei Sapontzis' Sichtweise scheint es keinen Zeitpunkt zu geben, zu dem ein Unrecht getan werden könnte. Ich kann nicht erkennen, dass dieser Vorschlag das Problem lösen würde.

4

Siehe mein Buch Practical Ethics (Cambridge: Cambridge University Press, 1979), Kapitel 4 und 6; dt.: Praktische Ethik (Stuttgart: Philipp Reclam, 1984; 2., revidierte Auflage 1994). Eine weiterführende Diskussion findet sich bei Michael Lockwood, »Singer on Killing and the Preference for Life«, Inquriy 22 (1-2): 157- 170; Edward Johnson, »Life, Death and Animals«, und Dale Jamieson, »Killing Persons and Other Beings«, beide in Harlan Miller und William Williams (Hg.), Ethics and Animals (Clifton, N. J.: Humana Press, 1983); Johnsons Essay wurde wiederabgedruckt in: T. Regan und P. Singer (Hg.), Animal Rights and Human Obligations (Englewood Cliffs, N. J.: Prentice-Hall, 2. Aufl., 1989). Siehe auch S. F. Sapontzis, Morals, Reason and Animals, Kapitel 10. Zum Verständnis der hinter der ganzen Debatte verborgenen Argumente ist die unverzichtbare (aber nicht einfache!) Quelle: Derek Parfit, Reasons and Persons (Oxford: Clarendon Press 1984) Teil IV. 5

Der fuhrende Verteidiger von Rechten für Tiere ist Tom Regan; siehe sein Buch The Case for Animal Rights (Berkeley und Los Angeles. University of California Press, 1983). Warum ich anderer Meinung bin, habe ich dargestellt in: »Utilitarianism and Vegetarianism«, Philosophy and Public Affairs 9: 325-337 (1980); »Ten Years of Animal Liberation«, The New York Review of Books, 25. April 1985; und »Animal Liberation or Animal Rights«, The Monist 70: 3-14 (1987).

Eine ausführliche Begründung, warum ein Lebewesen ohne die Fähigkeit, sich selbst als über die Zeit existierend wahrzunehmen, kein Recht auf Leben haben kann, findet sich bei Michael Tooley, Abortion and Infanticide (Oxford: Clarendon Press, 1983).

6

Die Verteidigung einer solchen Auffassung findet sich in R. M. Hares Essay; »Why I am Only a Demi-vegetarian«, in: R. M. Hare, Essays on Bioethics (Clarendon Press, Oxford, 1993), S. 219235.

7

Bridgid Brophy, »In Pursuit of a Fantasy«, in: Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris (Hg.), Animals, Men and Morals (New York: Taplinger, 1972), S. 132.

8

Siehe Cleveland Amory, Man Kind? (New York: Harper and Row 1974), S. 237.

2

Lewis Gompertz, Moral Inquiries on the Situation of Man and of Brutes (London, 1824).

3

Ein beeindruckender Bericht über die Grausamkeit in der australischen Wollindustrie ist: Christine

Townend, Pulling the Wool (Sydney: Haie and Iremonger, 1985).

4

Siehe Anhang 2.

Beispiele dafür, wie brutal und schmerzhaft die Tötung von »Schädlingen« sein kann, gibt Jo Olsen, Slaughter the Animals, Poison the Earth (New York: Simon and Schuster 1971) S. 153-164.

5

Einige wenige Forscher haben jetzt begonnen, die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung bei wilden Tieren zu untersuchen; einen Überblick gibt: J. F. Kirkpatrick und J. W. Turner, »Chemical Fertility Control and Wildlife Management«, Bio- science 35: 485-491 (1985). Die Mittel, die in diesem Bereich investiert werden, sind jedoch noch winzig im Vergleich zu denen, die für Vergiftung, Abschüsse und Fallenstellen ausgegeben werden.

6

7

Natural History 83 (3): 18 (März 1974).

8

In A. I. Melden (Hg.), Human Rights (Belmont, Calif.: Wadsworth, 1970), S. 106.

W. Frankena, »The Social Concept of Justice«, in: R. Brandt (Hg.), Social Justice (Englewood Cliffs, N. ].: Prentice-Hall, 1962), S. 23.

9

H. A. Bedau, »Egalitarianism and the Idea of Equality«, in: J. R. Pennoch und J. W Chapman (Hg.), Nomos IX: Equality (New York, 1967).

10

11

G. Vlastos, »Justice and Equality«, in: Social Justice, S. 48.

J. Rawls, A Theory of Justice (Cambridge: Harvard University Press, Belknap Press, 1972), S. 510; dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit (Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975, stw 271, 1979ff), S. 553.

Ein weiteres Beispiel findet sich bei Bernard Williams, »The Idea of Equality«, in: P. Laslett und W. Runciman (Hg.), Philosophy, Politics and Society, second series (Oxford: Blackwell, 1962), S. 118.

12

Als Beispiel siehe Stanley Benn, »Egalitarianism and Equal Consideration of Inter- ests«, Nomos IX.: Equality, S. 62ff.

13

Siehe Charles Magel, Keyguide of Information Sources in Animal Rights (Jefferson, N. C.: McFarland, 1989). Die Werke von einigen dieser Philosophen werden in Anhang 1 genannt.

14

R. G. Frey, »Vivisection, Morals and Medicine«, Journal of Medical Ethics 9: 95-104 (1983).

Freys wichtigste Kritik meiner Arbeit ist Rights, Killing and Suffering (Oxford: Blackwell 1983); siehe aber auch Interests and Rights: The Case Against Animals (Oxford: Clarendon Press, 1980).

Ich antworte (allerdings zu kurz) auf diese Bücher in »Ten Years of Animal Liberation«, The New York Review of Books, 25. April 1985.

15

Siehe M. A. Fox, The Case for Animal Experimentation (Berkeley: University of California Press, 1986) und seinen Brief in The Scientist, 15. Dezember 1986; siehe auch Fox, »Animal Experimentation: A Philosophers Changing Views«, Between the Species 3: 55-60 (1987), und das Interview mit Fox in Animals'Agenda, März 1988.

16

Katherine Bishop, »From Shop to Lab to Farm, Animal Rights Battie is Feit«, The New York Times, 14. Januar 1989.

17

»The Battie Over Animal Rights«, Newsweek, 26. Dezember 1988.

18

Siehe Henry Spira, »Kämpfen, um zu gewinnen«, in: Peter Singer (Hg.), Verteidigt die Tiere (Ullstein Verlag, Frankfurt/M.; Berlin, 1988), S. 293-314.

19

Siehe Alex Pacheco und Anna Francione, »Die Affen von Silverspring«, in: Peter Singer (Hg.), Verteidigt die Tiere, S. 214-223.

20

Siehe Kapitel 2, Anmerkung 118.

21

Newsweek, 26. Dezember 1988, S. 50-51.

Barnaby J. Feder, »Research Looks Away from Laboratory Animals«, The New York Times, 29.

Januar 1989, S. 24; einen Eindruck von der frühen Arbeit der Coalition to Abolish the LD 50 and 2

Draize-Tests vermittelt Henry Spira, »Kämpfen, um zu gewinnen«, in: Peter Singer (Hg.), Verteidigt die Tiere.

Government of Victoria, Prevention of Cruelty to Animals Regulations, 1986, Nr. 24. Die Vorschrift erstreckt sich auf die Prüfung aller chemischen, kosmetischen, Toiletten-, Haushalts- und Industriepräparate. Sie verbietet die Benutzung des Bindehautsacks von Kaninchen zu diesem Zweck wie auch sämtliche Prüfverfahren, bei denen Tiere einem Spektrum zunehmender Dosen ausgesetzt sind und die Zahl der Todesfälle zu dem Zweck benutzt wird, statistisch gültige Ergebnisse zu produzieren. Zu New South Wales siehe Animal Liberation: The Magazine (Melbourne) 27: 23 (Januar/März 1989).

3

Danksagung Es ist üblich, denen zu danken, die beim Schreiben eines Buches geholfen haben; aber im vorliegenden Fall ist meine Dankesschuld von einer besonderen Art, so dass ich dazu eine kurze Geschichte erzählen muss. Im Herbst 1970 war ich graduierter Student an der Universität Oxford.

Ich hatte mich zwar auf Moralphilosophie und Sozialphilosophie spezialisiert, aber es war mir nicht aufgefallen — genauso wenig wie den meisten anderen Leuten, dass unsere Beziehungen zu den Tieren ernstzunehmende moralische Fragen aufwerfen. Natürlich wusste ich, dass einige Tiere grausam behandelt werden, aber ich vermutete, dass dies einzelne Missbräuche seien und kein Hinweis auf ein grundsätzliches Unrecht.

Meine Selbstzufriedenheit wurde gestört, als ich Richard Keshen kennenlernte, einen Mitstudenten in Oxford und Vegetarier. Beim Lunch fragte ich ihn, warum er kein Fleisch aß, und er begann mir zu erzählen, unter welchen Bedingungen das Tier, dessen Fleisch ich gerade aß, gelebt hatte. Durch Richard und seine Frau Mary freundeten wir, meine Frau und ich, uns mit Roslind und Stanley Godlovitch an; sie lebten auch vegetarisch und studierten ebenfalls Philosophie in Oxford. In langen Gesprächen mit diesen vier - und insbesondere mit Roslind Godlovitch, die ihre ethische Position schon sehr genau ausgearbeitet hatte - kam ich zu der Überzeugung, dass ich durch das Essen von Tieren an einer systematischen Form der Unterdrückung anderer Spezies durch meine eigene Spezies teilnahm. Die zentralen Ideen dieses Buches leiten sich aus diesen Gesprächen ab.

In der Theorie zu einer Schlussfolgerung zu gelangen ist eine Sache, sie in die Praxis umzusetzen eine andere. Ohne die Unterstützung und die Ermutigung Renatas, meiner Frau, die sich genau wie ich davon hatte überzeugen lassen, dass unsere Freunde recht hatten, könnte es sein, dass ich noch immer Fleisch essen würde, wenn auch mit schlechtem Gewissen.

Die Idee, ein Buch zu schreiben, entstand als Folge der begeisterten Reaktionen auf meine Besprechung des von Stanley und Roslind Godlovitch und John Harris herausgegebenen Buches Animals, Men and Morals, die am 5. April 1973 in The New York Review ofBooks erschienen war.

Ich bin den Herausgebern der New York Review dankbar, dass sie diese von mir unverlangt eingereichte Diskussion eines Buches über ein so unbequemes Thema veröffentlicht haben. Aus der Besprechung wäre aber niemals ein Buch entstanden ohne die Ermutigung und Hilfe von: Eleanor Seiling von United Action for Animais, New York, sie stellte mir die einzigartige Dokumentensammlung der Organisation über Tierversuche zur Verfügung; und Alois Acowitzs Zusammenfassungen der Versuchsberichte ermöglichten es mir, das, was ich suchte, in einem Bruchteil der Zeit zu finden, die ich sonst gebraucht hätte.

Richard Ryder lieh mir großzügig Material, das er für sein eigenes Buch Victims of Science

gesammelt hatte.

Joanne Bower von der Farm and Food Society, London, versorgte mich mit Informationen über die Lebensbedingungen von Tieren in der britischen Landwirtschaft.

Kathleen Jannaway von der Vegan Society of the United Kingdom half mir, Berichte über den ausreichenden Nährwert pflanzlicher Nahrung zu finden.

John Norton von der Animal Rescue League in Boston und Martha Coe von Argus Archives, New York, stellten Material über Transport und Schlachtung von Tieren in den Vereinigten Staaten zur Verfügung. Die Scottish Society for the Prevention ofVivisection half bei der Besorgung von Fotografien von Tierversuchen.

Dudley Giehl von Animal Liberation Inc., New York, erlaubte mir die Verwendung von Material, das er über Intensivtierhaltung und Vegetarismus gesammelt hatte.

Alice Herrington und Joyce Lambert von Friends of Animais, New York, halfen in vieler Hinsicht, und Jim Mason von der gleichen Organisation ermöglichte Besuche von Farmen mit Intensivhaltung.

Eine Einladung zu einer Gastdozentur am Philosophischen Institut der New York University für das akademische Jahr 1973-1974 verschaffte mir eine kongeniale Atmosphäre und einen idealen Ort zum Recherchieren und Schreiben, und meinen Kollegen und Kolleginnen ebenso wie Studenten und Studentinnen verdanke ich wertvolle Kommentare und Kritik. Ich hatte auch Gelegenheit, meine Ansichten über Tiere der kritischen Prüfung von Studenten und Studentinnen sowie Fakultätsmitgliedern folgender Universitäten zu unterziehen: Brown University, Fordham University, Long Island University, North Carolina State University in Raleigh, Rutgers University, State University of New York in Brockport, State University of New York in Stony Brook, Tufts University, University of California in Berkeley, University of Miami, außerdem am Williams College und an der Yale Law School und bei einem Treffen der Society for Philosophy and Public Affairs, New York. Kapitel 1 und 6 dieses Buches haben durch die Diskussionen im Anschluss an meine Vorträge viel gewonnen. Schließlich habe ich den Herausgebern und dem Verleger von Tbe New York Review ofBooks für ihre Unterstützung dieses Buches zu danken, und ganz besonders Robert Silvers, dessen umsichtige redaktionellen Ratschläge das ursprüngliche Manuskript beträchtlich verbessert haben. Es bleibt noch hinzuzufügen, dass die Verantwortung für alle möglicherweise verbliebenen Unzulänglichkeiten ausschließlich bei mir liegt.